Rede von
Frieda
Nadig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Herren und Damen! In dem Artikel 3 des Grundgesetzes ist
verfassungsmäßig die Gleichstellung von Mann und Frau verankert. Damit hat endlich die Frau die volle rechtliche Mündigkeit erhalten. Ein langer Kampf ist hier vorausgegangen. Wurde doch der erste Antrag auf Gleichberechtigung schon 1895 im alten Reichstag gestellt. Das Hohe Haus hat jetzt die Aufgabe — bis zum 31. März 1953 läuft die Frist nach dem Grundgesetz —, den Gleichheitssatz Wirklichkeit werden zu lassen, ihm Leben und Inhalt zu geben, das heißt die Gleichberechtigung der Frau auf allen Gebieten des zivilen, des Privatrechts und des gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lebens zu vollziehen. Eine sehr große Aufgabe! Es ergibt sich daraus eine Fülle von Maßnahmen und Forderungen, unter denen zweifellos die Umgestaltung des Familien-, Ehe- und Güterrechts im Vordergrund steht. Dafür ein Beispiel.
Im deutschen Familienrecht ist der Mann das Oberhaupt der Familie. Ihm steht die alleinige Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten zu. Die Frau hat sich seinen Entscheidungen zu fügen. An Stelle dieser Bevormundung der Frau muß die gemeinsame Entscheidung beider Ehegatten treten. Das ist aber nur ein Beispiel von vielen.
Eine ähnliche Regelung wünschen wir auch für das Elternrecht. Auch hier soll die elterliche Gewalt auf beiden Schultern liegen.
Am reformbedürftigsten ist zweifellos das eheliche Güterrecht. Der gesetzliche Güterstand des Bürgerlichen Gesetzbuchs weist der Frau die Rolle eines bevormundeten Kindes zu. Die Verwaltung und Nutznießung des Vermögens der Frau steht dem Manne zu. Er ist berechtigt, das Vermögen der Frau in Besitz zu nehmen; er ist auch berechtigt, mit diesem Vermögen zu arbeiten, ohne seiner Frau Auskunft geben zu müssen. Der Frau ist praktisch jeder entscheidende Einfluß darauf entzogen. Das sind Paragraphen, die in klarem Widerspruch zur Gleichberechtigung stehen.
Die Gleichstellung von Mann und Frau muß aber auch im Beamtenrecht erfolgen. Die Bestimmung, daß Frauen nur bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres ins Beamtenverhältnis überführt werden können, muß beseitigt werden. Ihre Beibehaltung wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz.
Von außerordentlicher Bedeutung ist die soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frau. Frauenlöhne kann es nach der verfassungsmäßigen Verankerung der Gleichberechtigung nicht mehr geben. Es muß für gleichwertige Arbeit auch gleicher Lohn gezahlt werden. Es wird unsere Aufgabe sein, diesen. Grundsatz zur vollen Anerkennung zu bringen. Er ist nicht mit gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit erfüllt. Es gilt, der Frau den Weg in die leitenden Stellen und führenden Berufe wirklich freizumachen. Bis jetzt ist das Vordringen in diese Stellen immer nur einzelnen gelungen. Die noch vorhandenen Hürden müssen fallen.
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß es eine verschiedenartige Behandlung der Beamten und Beamtinnen im beruflichen Aufstieg nicht mehr geben darf, zum Beispiel bei den Lehrern und Lehrerinnen. Ich denke an gewisse Vorgänge in Bayern, an die Sonderbehandlung der Lehrerinnen, sie im Schuldienst zurückzudrängen, unter anderem auch an den Erlaß des bayerischen Kultusministers vom 3. 8. 1949, der den Frauen bei der Wiedereinberufung ins Beamtenverhältnis
Deutscher Bundestag. — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1049 567
bestimmte Auflagen macht, die man vom Mann nicht fordert.
Das sind Bestimmungen und Maßnahmen, die zum Grundgesetz in scharfem Widerspruch stehen. Die Lehrerin, kurz jede Beamtin und Angestellte muß die gleiche Aufstiegsmöglichkeit haben wie der Beamte und der Angestellte.
Die große Aufgabe, ein lang geübtes Unrecht gegenüber der Frau wiedergutzumachen, hat jetzt dieses Hohe Haus. Sie, meine Herren und Damen, können das Gemeinschaftsleben auf eine höhere Ebene heben. Das ist eine Aufgabe, die sich lohnt. In diesem Sinne bitte ich Sie, unserer Drucksache Nr. 176 Ihre Zustimmung zu geben.