Rede von
Kurt
Pohle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ein Kriegsgefangener, der nach Deutschland zurückkehrt, wird im Gespräch freudig ausrufen: Ich w a r gefangen. Wenn man mit diesem Kriegsgefangenen einige Wochen später wieder in ein Gespräch kommt, wird er einem sagen: Ich bin wieder gefangen, und zwar gefangen in einer Unzahl von Verordnungen und Anordnungen, gefangen von der wirtschaftlichen Not und einer vermauerten Berufszukunft, oft den niedrigsten Satz der Arbeitsfürsorge empfangend oder 80 Pfennig tägliches Krankengeld. Das verbittert den Menschen, und diese Verbitterung muß naturgemäß von dem Manne genommen werden. Von diesen Grundsätzen ging auch der Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 118 aus, der eine einheitliche Regelung der Heimkehrerbetreuung fordert.
Über die Massenversammlung von Ausschüssen — drei Ausschüsse! - hat Kollege Arndgen schon berichtet. Mir bleibt übrig, von dem Sozialpolitischen Ausschuß und dem Ausschuß für Kriegshinterbliebene, Kriegsgefangene und Kriegsbeschädigte zu berichten, die sich beide mit diesem Antrag auseinanderzusetzen hatten. Wir haben in einer eingehenden Aussprache zu dem Antrag Stellung genommen und haben uns einmütig zu einer einheitlichen Regelung der Heimkehrerbetreuung im ganzen Bundesgebiet bekannt. Wir haben den Absatz 1 des Antrags Nr. 118 unverändert gelassen, sprechen aber in der Einleitung des Absatzes 2 von den Grundsätzen, die der Gesetzentwurf zu beachten hat. Die Grundsätze für das Gesetz, das von der Bundesregierung geschaffen werden muß und zu dem die Vorbereitungen im Gange sind, haben in Ziffer 2 folgende Änderung erfahren:
Die Heimkehrer sind bei der Zuweisung von angemessenem Wohnraum mit den in den seitherigen Gesetzen bevorzugten Gruppen gleichzusetzen.
Ziffer 3 ist durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Arndgen schon erledigt.
In Ziffer 4 haben wir gesagt:
Im Falle der Arbeitslosigkeit erhält ein Heimkehrer eine Unterstützung, berechnet nach
den Grundsätzen der Arbeitslosenversicherung und unter Zugrundelegung eines
Wochenverdienstes von mindestens 48 DM. Damit würde eine ungeheuerliche Menge von Unzuträglichkeiten, die sich bei der Heimkehrerbetreuung herausgestellt haben, aus der Welt geschafft werden.
Ziffer 5 lautet:
Ruhe- und Wartegelder sowie Renten von Heimkehrern sind mit größter Beschleunigung wieder zu gewähren.
Das ist unverändert geblieben.
Ziffer 6 hat eine Änderung erfahren, indem wir uns hier zu folgender Formulierung bekannt haben:
Dem Heimkehrer ist in jedem Fall der Versicherungsschutz der Sozialversicherung zu ge-
währen. Bei der Krankenversicherung ist ein Grundlohn von mindestens 200 DM zugrunde zu legen.
Auch hier Würden die Unzuträglichkeiten, die, wie ich schon angeführt habe, sich oftmals bei einem Krankengeld von täglich 80 Pfennig bemerkbar machen, aus der Welt zu schaffen sein.
Die Ziffer 7 hat eine Änderung erfahren, indem es dort heißt:
Soweit für die Schaffung neuer oder zur Sicherung bestehender Existenzen Mittel zur Verfügung gestellt werden, sind die Heimkehrer den Vertriebenen und Bombengeschädigten gleichzustellen.
Besonderen Wert legt der Ausschuß in Ziffer 8 auf folgendes:
Für die Niederlegung von Grundsätzen für die berufliche Ausbildung, Fortbildung und Umschulung der Heimkehrer ist besonders Sorge zu tragen.
Einem Knaben, der einberufen worden ist, nachdem
er vorher sein Notabitur gemacht hat, und heute im
Alter von 25, 26, 27 Jahren zurückkehrt, mussen
die ersten Schritte zu einem neuen Anfang und zu einer Berufsumschulung einheitlich im ganzen Bundesgebiet geebnet werden. Bei der Binnenwanderung, die wir als Folge der Umsiedlung gegenwärtig noch haben, spielt es auch eine Rolle, daß, wer in irgendeinem Land anfängt und mit seiner Familie umgesiedelt wird, auch in dem Aufnahmeland dieselben Bedingungen vorfindet.
In Ziffer 9 sagen wir, daß den Heimkehrern Vergünstigungen zu gewähren sind, die ihnen die Eingliederung in das wirtschaftliche Leben ermöglichen. Wir haben nicht konkreter dazu Stellung genommen, weil wir keine Steuersachverständigen sind. Wir hoffen, bei der Beratung des Gesetzentwurfs noch die Hilfe der Steuersachverständigen zu finden.
Der Ausschuß hat sich weiterhin mit der Frage beschäftigt, ob nicht durch eine Bezuschussung von Arbeitsplätzen, die für Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt werden sollten, mit eine Teillösung des Problems herbeigeführt werden könnte. Bremen ist in dieser Angelegenheit vorangegangen. Wir wollen erst die Erfahrungen von Bremen auf diesem Gebiet abwarten, ehe wir hier eingehend und abschließend dazu Stellung nehmen.
Es bestand innerhalb des Ausschusses allgemein die Ansicht, die Bestimmungen des materiellen Inhalts ab 1. 10. 1949 in Kraft treten zu lassen und als Stichtag für den Spätheimkehrer den 1. 1. 1948 zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Auch nach Erlaß eines solchen Gesetzes wird sich das Einzelschicksal oft nur in harter Mitarbeit des Heimkehrers wenden lassen. Aber dieses Gesetz, in welchem die Grundsätze verankert sind, die ich soeben von den beiden Ausschüssen aus vortragen konnte, kann die Barrikaden mit beseitigen helfen, die dem Tätigwerden des Heimkehrers hinderlich im Wege stehen, und an Stelle der Verbitterung wieder Hoffnung setzen. Der Ausschuß ist der Meinung: mit der einheitlichen Ausrichtung der Heimkehrerfürsorge durch das angestrebte Gesetz mit den hier vorgelegten Grundsätzen schaffen wir im Heimkehrer — gleichgültig, ob er in München oder Kiel, Essen oder Stuttgart beheimatet ist, ob er aus Königsberg oder Breslau, Stettin oder Danzig stammt — das Gefühl: du bist als Deutscher in Deutschland willkommen geheißen worden, Deutschland in seiner Gesamtheit will dir
bei einem neuen Anfang helfend zur Seite stehen.