Rede von
Dr.
Josef Ferdinand
Kleindinst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine verehrten Frauen und Herren! Als Mitglied des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates kann ich nur das bestätigen, was sowohl der Herr Bundesinnenminister als auch die übrigen Herren ausgeführt haben. Es besteht gar kein Zweifel darüber, daß die Zuständigkeit des Bundes für die Jugendfürsorgegesetzgebung gegeben ist. Im Zuständigkeitsausschuß des Parlamentarischen Rates hat man aus Vereinfachungsgründen all die einzelnen Fürsorgezweige — ob es sich nun um Jugendfürsorge, um allgemeine Fürsorge oder um Gesundheitsfürsorge handelt — in dem einen Begriff der öffentlichen Fürsorge zusammengezogen.
Wir wollten ja auch, daß nur eine Rahmengesetzgebung erfolge; aber das ist nicht durchgegangen, und die Zuständigkeit ist somit gegeben.
Nun darf ich noch auf etwas Weiteres eingehen. Es wurde gesagt, daß man mit einem Polizeigesetz in allererster Linie an die Jugend und die Eltern und an die Öffentlichkeit herantrete. Ja, meine Frauen und Herren, ich darf auf folgendes hinweisen: die übrigen Gesetze, also das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz und die Ausführungsgesetze, bestehen ja seit zwei Jahrzehnten und werden längst durchgeführt.
Auf noch etwas möchte ich hinweisen. Wir täuschen uns gewiß nicht über die ernste Situation der Jugend hinweg; aber ich möchte davor warnen, nun jede Einzelheit nur auf dem Wege der Gesetzgebung lösen zu wollen. Was weiter zu tun ist, liegt ja in der Durchführung der schon bestehenden und bewährten Gesetze durch die aktive Verwaltung. Ich versichere Ihnen, daß alle Jugendämter, Gesundheitsämter, Arbeitsämter und die Verbände
der freien Wohlfahrtspflege mit allen Mitteln daran arbeiten, die Zustände zu beheben. Es sind unterdessen Lehrlingsheime und Jugendheime, die beschlagnahmt waren, wieder freigegeben worden. Nach der Zerstörung sind auch Jugendheime und Lehrlingsheime aufgebaut worden. Es ist nicht so, als ob seit dem Jahre 1945 nichts geschehen wäre.
Nun darf ich noch etwas zu verschiedenen Pressemitteilungen, Statistiken usw. sagen. Man darf sie nicht verallgemeinern, selbst wenn sie für einen beschränkten Kreis richtig sind. Ich möchte Ihnen ein Beispiel sage. Wir beobachteten in Südbayern, daß die wandernde Jugend in den Jahren 1946 und -47 nicht mehr so groß, sondern schon stark zurückgegangen war. Plötzlich traten in den Monaten Juli, August und September immer wieder wandernde Jugendliche auf. Woher kamen diese? Es waren Kinder von Familien, die während des Krieges bei uns im Gebirge oder Vorgebirge evakuiert waren. Diese benutzten jetzt als Lehrlinge ihre Ferien, um zu ihren Herberggebern von damals zurückzukehren, sich mit Lebensmitteln einzudecken und dann wieder nach Hause zu gehen. Das waren also keine Jugendlichen, die sich heimatlos herumgetrieben haben. Sie wurden aber auf den Bahnhöfen beobachtet. Diese Erscheinungen haben sich also als ganz harmlos aufgeklärt. Allerdings wechseln die Verhältnisse. Es ist richtig, daß gerade die Jugendlichen, die aus dem Osten kamen, jetzt ein neues Problem entstehen ließen. Ich versichere Ihnen aber, daß mit allen Mitteln daran gearbeitet wird, diese Schwierigkeiten zu beseitigen. Wir werden diese Gemeinschaftsarbeit mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, mit den Gewerkschaften und den Arbeitsämtern leisten und werden alle Bemühungen, Lehrstellen zu erhalten, unterstützen und regeln und so den Verhältnissen zu Leibe gehen. Nur eines möchte ich Sie versichern: Vergessen Sie nicht über der Frage der Gesetzgebung, daß die bestehenden Gesetze schon vollzogen werden und daß tatsächlich durch die Durchführung dieser Gesetze mit allen Mitteln dahin gewirkt wird, die Notstände wenigstens zu lindern.