Rede:
ID0101703800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Schmid.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 17. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 15. November 1949 397 17. Sitzung Bonn, Dienstag, den 15. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 397B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung 397C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 397C, 408B, 442A, 447C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 400C Dr. Schumacher (SPD) . . . 400C, 446A Dr. Gerstenmaier (CDU) 408D Dr. Schröder (CDU) . . . . . . 413B Euler (FDP) ....... . 417C Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 421D Dr. Seelos (BP) 424A Reimann (KPD) . . , . . . . 427A Loritz (WAV) 429D Frau Wessel (Z) ...... . 431B von Thadden (NR) . . 434D Dr. Ott (Parteilos) ..... . 437B Dr. Becker (FDP) 437D Storch, Bundesminister für Arbeit 438D Dr. Schmid (SPD) . . . . . 439C Fisch (KPD) 444D Dr. von Brentano (CDU) . . . 447D Nächste Sitzung 448D Die Sitzung wird um 15 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache hat mir eigentlich eine gewisse innere Beklemmung gebracht. Wenn wir das, was uns der Bundeskanzler heute vorgetragen hat, einmal im Zusammenhang mit dem Kernproblem des deutschen Volkes betrachten, nämlich mit der Arbeitslosigkeit, dann hätten seine Ausführungen meines Erachtens doch einen etwas an deren Widerhall finden müssen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)



    (Bundesminister Dr. Storch)

    1 Er hat uns gesagt, daß es uns bei den Verhandlungen in Paris möglich war, die ersten Voraussetzungen dafür zu erhalten, daß im wesentlichen ein Demontagestop durchgeführt wird. Wenn ich in den letzten Wochen durch das Industriegebiet gefahren bin und mir die in der Demontage stehenden Betriebe angesehen habe, wenn ich in der 11. Sitzung dieses Hauses die Aussprache über die Demontage gehört habe, wenn ich mir auf dem Gewerkschaftskongreß in München den Notschrei der Menschen angehört habe und wenn ich mir ganz zum Schluß noch die Entschließung ansehe, die unser Bergarbeiterverband an die Öffentlichkeit gegeben hat, dann habe ich immer und immer wieder das eine Wort gehört: Nun hört endlich mit der Demontage auf! Wenn in der vergangenen Woche der Betriebsrat von Gelsenberg bei mir war und fragte: Haben wir denn noch irgendeine Hoffnung, daß wir jetzt, da man an das Herzstück unseres Werkes gehen will, das Werk erhalten können?, wenn ich dann den Leuten sagte: Glaubt mir doch, unsere Regierung stellt momentan alle ihre Arbeit darauf ein, daß die Demontage abgestoppt und dann endgültig beseitigt wird, dann ging ein gewisses Aufleuchten über die Gesichter dieser Menschen, weil sie ja letzten Endes um das Wesentlichste, um ihren Arbeitsplatz kämpfen.
    Ist denn in Wirklichkeit das, was Ihnen der Kanzler auf diesem Gebiet gesagt hat, gar nichts wert? War die außenpolitische Arbeit der Regierung so ganz nutzlos, und hat denn die Regierung dabei irgend etwas für das deutsche Volk vergeben? Nein! Das ist in Wirklichkeit nicht der Fall. Wir habén anerkannt, daß andere Sicherungsansprüche haben. Das ist das einzige, was von uns gegeben worden ist. Auf der anderen Seite können wir doch morgen den Leuten in Gelsenberg sagen: ihr 3000 behaltet erst mal euren Arbeitsplatz!

    (Beifall in der Mitte und rechts. Abg. Paul: Die Garantie haben sie noch nicht! — Zuruf von der SPD: Und die 20 000 in Watenstedt?)

    — Ja, ich war auch in Watenstedt und kenne die Verhältnisse sehr gut. Auch dort hat mir der Betriebsrat noch vor drei Wochen mit auf den Weg gegeben: Kämpft darum, daß wir unseren Arbeitsplatz behalten! Ich glaube, wir erhalten den Arbeitsplatz für die dortigen Leute und werden wahrscheinlich in der Lage sein, die dortige Beschäftigungszahl dann auf 7000 zu erhöhen. Dann wird ein Aufleben durch die Leute in dieser Stadt gehen, wo heute 120 000 Menschen ohne jede Lebensgrundlage dastehen.
    Nein, man sollte sich auch in diesem Parlament darüber klar sein, daß wir, wenn wir jetzt in unserer Eigenstaatlichkeit die ersten Schritte gehen, sie vor allen Dingen dahin lenken müssen, unseren arbeitenden Menschen Hoffnung zu geben. Einundeinviertel Millionen Menschen stehen bei uns in Westdeutschland auf der Straße und warten auf Arbeitsplätze. Wie können sie denn geschaffen werden? Doch nur dadurch, daß wir an erster Stelle jeden noch vorhandenen Arbeitsplatz erhalten. Wenn wir nach Schleswig-Holstein gehen - dort sitzen doch Ihre politischen Freunde (zu den Sozialdemokraten) in der Regierung —, so sagt man mir immer wieder: 300 000 Arbeitsplätze brauchen wir hier, und jeder Arbeitsplatz kostet in der Herstellung 3000 D D. Wenn Ihnen der Bundeskanzler gesagt hat, daß ns neben dem Demontagestop jetzt letzten Endes auch die Möglichkeit gegeben wird, wieder im Schiffsbau tätig
    zu werden, so ist das Arbeit für die dortigen Menschen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Sehen Sie, so sollten wir die Dinge einmal sehen, und dann muß man doch letzten Endes dem, was die Regierung in den letzten Wochen getan hat, eine etwas bessere Anerkennung geben, als es durch die heutige Aussprache geschehen ist.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmid.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Deutsche Außenpolitik machen heißt heute, eine Außenpolitik machen, die auf Europa hinführt. Ich habe mich gefreut, daß die überwältigende Mehrheit des Hohen Hauses dieser Meinung zu sein scheint und, ich glaube sagen zu können, dieser Meinung ist. Aber, meine Damen und Herren, Europa zu bauen ist ein schweres Geschäft. Herr Kollege Gerstenmaier, Ihr Rilke-Zitat in Ehren! Sicher, gerade wenn etwas schwer ist, muß man sich daranmachen; aber im Bewußtsein des Schwerseins dieses Schweren und nicht, indem Mall es verniedlicht.
    Auf dem Wege nach Europa liegen eine Menge heißer Eisen, die wir werden anfassen müssen, im Bewußtsein dessen, wie heiß sie sind. Auf dem Weg nach Europa liegen noch Engpässe, in denen sich die Dinge stoßen und durch die wir werden hindurchgehen müssen, in Bitternis. Denn wir werden uns jeweils entscheiden müssen zwischen Scylla und Charybdis. Es ist bitter, sich für das eine oder das andere von beiden entscheiden zu müssen, sich entscheiden zu müssen für eine Senkung der Zahl der Arbeitslosen gegen die Möglichkeit der Bundesregierung, souverän über das Ruhrgebiet verfügen zu können oder umgekehrt für die Erlangung dieser Möglichkeit, für eine gewisse Zeit unter Umständen noch eine Steigerung der Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen zu müssen.

    (Abg. Dr. Seelos: Das ist sehr interessant!)

    Das ist sehr interessant, sagen Sie. Mich wundert Ihr Zwischenruf. Sie sollten uns wirklich schon zutrauen, daß wir auch an solche Dinge denken, wenn wir einen Standpunkt beziehen, Herr Kollege Seelos.
    Es ist richtig, wenn die Bundesregierung auf diesem Wege nach Europa die Regelung des deutsch-französischen Verhältnisses als die primäre Aufgabe ansieht. Aber unsere Kritik will sagen, daß wir der Meinung sind, daß der Kompaß, nach dem der Herr Bundeskanzler diesen richtigen Kurs steuert, defekt ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Man hat uns gefragt: Was werft ihr denn der Bundesregierung vor? Was ist denn bisher geschehen? Doch noch nichts anderes, als daß man die Möglichkeit zu Verhandlungen zu eröffnen gesucht hat, und zwar mit Erfolg zu eröffnen gesucht hat. Nun, meine Damen und Herren, es ist mehr geschehen als das. Denn die beiden offiziellen Angebote nach Paris werden doch auf ihren materiellen Gehalt hin interpretiert. Und sie werden natürlich nach dem Interview interpretiert, das der Herr Bundeskanzler unmittelbar vor Absendung dieser Angebote gegeben hat. Und darin sind Angebote gemacht worden, materiell bestimmte Angebote; Angebote, die sich mit dem Maximum der Forderung des maximal Fordernden decken.


    (Dr. Schmid)

    Das sollten wir nicht übersehen. Das Entsetzliche ist, daß man von solchen Angeboten nicht mehr herunterkommt. Das Schlimme ist, daß dadurch einiges an den Ausgangsbasen deutscher Außenpolitik zertrümmert worden ist. Von einer Basis aus, die zertrümmert worden ist, kann man aber nicht mehr operieren.
    Ich weiß, daß manche — auch in diesem Hause — denken: Nun gut, das alles wird nicht so schlimm; man kann und muß unterschreiben, und dann wird man schon sehen. „Pants rhei" hat Herr Kollege Seelos gesagt. Auf diesem Gebiet halte ich es lieber mit Parmenides, dem Eleaten, Herr Kollege Seelos. Das Schlimmste, was wir tun könnten, wäre, wenn wir in dieser Phase der Geschichte die Kardinalfehler der Weimarer Republik wiederholten, nämlich mit einem dolus eventualis unterzeichneten, also mit dem Hintergedanken: Wir unterschreiben, und nachher wird man sehen. Das hat die ganzen Jahrzehnte zwischen den beiden Weltkriegen vergiftet und hat letzten Endes mit das meiste zur Katastrophe beigetragen.
    Wir müssen unsere deutsche Außenpolitik auf den absoluten Verzicht auf jeden Revisionismus unterschriebenen Verträgen gegenüber aufbauen. Deswegen dürfen wir Bedingungen, die wir nicht halten können, nicht unterschreiben. Revisionismus gegen einseitige Akte, ja! Das bedingt aber, daß etwas, von dem man weiß, daß wir es nicht voll bejahen können, als einseitiger Akt belassen werden muß, bis es unserer Politik gelungen ist, eine neue Situation zu schaffen. Das ist schwer und kostet oft Zeit und Geduld. Aber, meine Damen und Herren, das wird uns nicht erspart. Denn das Leben, in das wir geworfen worden sind, ist voll harter Erprobungen!
    Man hat geglaubt, wir meinten, die Außenpolitik dürfe nicht von der Regierung gemacht werden, sondern sei vom Parlament zu machen. Halten Sie uns bitte doch nicht für so primitiv! Selbstverständlich hat die Regierung die Außenpolitik zu führen, selbstverständlich hat sie Initiativen zu ergreifen. Aber ist es denn nicht besser für die Regierung, wenn sie sich bei so wichtigen Entscheidungen vorher versichert, was die Mehrheit dieses Parlaments zu ihren Initiativen zu sagen hat und was sie von ihnen hält? Wird so nicht viel solider gebaut werden können als sonst? Das ist es, was wir meinten, als wir sagten, die Regierung hätte besser getan, im Parlament eine Auseinandersetzung zuzulassen, von der wir sogar meinten, die Regierung hätte sie wünschen müssen. Wenn man bei der Mehrheit der Auffassung ist, das alles sei überflüssig, nun, so beruht das entweder auf einer seltsamen Selbsteinschätzung der Mehrheit dieses Parlaments

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    oder darauf, daß man glaubt, als Mehrheit die Inkarnation der Vernunft zu sein. Vielleicht erklärt sich daraus das Lehrhafte in einigen Reden der heutigen Diskussion.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zurufe rechts.)

    Meine Damen und Herren! Wir werden noch oft davon sprechen müssen, wie sich das Verhältnis dieses Hauses zu sich selbst gestalten wird. Wir werden wählen müssen, ob wir dieses Haus als eine Art von Parlament im Stile der konstitutionellen Monarchien betrachten oder als ein Parlament im Stil einer parlamentarischen Demokratie.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Die Opposition ist des öfteren beschworen worden,
    in sich zu gehen, man hat ihr vorgeworfen, daß sie
    unverantwortliche Kritik geübt habe. Es ist aber schließlich die Pflicht der Opposition, Kritik zu üben, wo die Mehrheit eine vorherige Einigung auf eine gemeinsame Formel nicht gesucht hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man sollte dabei nicht so empfindlich sein. Im politischen Bereich wird ja schließlich gekämpft, und wenn Sie die Schuld ganz auf uns häufen wollen, — nun, auch von Ihnen sitzen manche im Glashause!

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Ich will hier nicht an dies und jenes erinnern. Wir sind allesamt Sünder, Herr Kunze!

    (Erneute Zurufe.)

    Aber die kleine Anspielung des Herrn Bundeskanzlers auf eine Feststellung meines Freundes Schumacher über dessen „gute Verbindungen zu ausländischen Regierungen" hat mich a u ch an den Wahlkampf erinnert.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Daß ausgerechnet uns Hugenbergerei von ehemaligen Mitgliedern der Harzburger Front vorgeworfen wird,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    das ist zuviel des Scherzens.

    (Zurufe.)

    — Herr Kollege Schäfer, machen Sie bitte keine Zwischenrufe! Sonst antworte ich Ihnen.

    (Große Heiterkeit.)

    Herr Bundeskanzler, die Verteidigung durch Herrn von Thadden haben Sie nicht verdient.

    (Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich glaube übrigens, daß der Herr Bundeskanzler nicht so empfindlich ist, wie manche seiner getreuen Paladine es heute waren.

    (Sehr gut! bei der SPD.) -

    Er weiß meines Erachtens recht wohl, daß wir ihn mit unserer Kritik vielleicht besser unterstützen als manche, die glauben, das richtige sei, in stummer Adoration vor der Weisheit der Regierung zu liegen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Man kann sich über die verschiedenen Ziele der Außenpolitik weidlich streiten. Man kann auch der Meinung sein, dieses Ziel habe vor jenem den Vorrang. Aber über eines sollten wir einmütig sein, nämlich über die Notwendigkeit einer Methode in der Außenpolitik. Ich glaube, daß eine ausgiebige Diskussion darüber vielleicht der Regierung hätte helfen können. Zur Methode gehört, daß man sich über die Rangordnung der politischen Probleme und der politischen Aufgaben klar ist. Solange man das nicht ist, läuft man Gefahr, herumzutasten und die spezifischen Gewichte der einzelnen Probleme nicht richtig zu erfassen. Das Problem Nr. 1 ist, zu verhindern, daß Deutschland russisch wird,

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte) und das Problem Nr. 2 ist die Förderung der Bildung der Vereinigten Staaten von Europa.


    (Erneute lebhafte Zustimmung bei der SPD und in der Mitte.)

    Alle anderen Dinge stehen letzten Endes im Verhältnis von Funktionen zu diesen wesentlichen Grundzielen unserer Außenpolitik. Darnach ist zu beurteilen, was im Einzelfall zu tun und zu lassen ist.
    Lassen Sie mich noch etwas sagen zu der Methode, die von der Seite unserer Gesprächspartner


    (Dr. Schmid)

    beliebt wird. Das ist die Methode des Junktim, indem man zum Beispiel den Stop der Demontagen vom Beitritt Deutschlands zum Ruhrstatut abhängig macht. Ich will mich zum Materiellen hier nicht äußern. Ich meine aber: die Regierung sollte es sich angelegen sein lassen, sich nicht auf diesen Weg treiben zu lassen. Denn wenn wir uns darauf einlassen, werden wir niemals eine selbständige Politik in Deutschland machen können — denn wir werden dann immer wieder ein Junktim vorgesetzt bekommen! Bei dieser Methode ist es aber ausgeschlossen, saubere Lösungen für die echten Probleme zu finden. Darum meinen wir, daß gelegentlich gerade aus Gründen konstruktiven Wollens ein Nein notwendig sein könnte.
    Wenn Sie es sich angelegen sein lassen wollen, uns an das Telegramm der Labour Party zu ererinnern, meine Damen und Herren, so tun sie das nach Herzenslust! Wir haben hier weder britische Politik zu machen,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    noch die politischen Auffassungen der Labour Party in Deutschland durchzusetzen. Die Auffassungen der englischen Sozialisten entheben uns nicht der Verpflichtung, eine Politik deutscher und europäischer Verantwortung zu machen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn der Herr Bundeskanzler sagte, wir hätten es gut, wir könnten reden, was wir wollten, ohne daß wir zur Verantwortung gezogen werden könnten — meine Damen und Herren: Wir alle, die wir hier sitzen, werden eines Tages geradestehen müssen für das, was wir hier tun und lassen,

    (Händeklatschen bei der SPD) geradestehen müssen vor der Zukunft- unseres Volkes, und wir, möchten dann bestehen können. Wenn einmal wieder so etwas wie ein Jahr 1930/31 über unser Volk kommen sollte, dann möchten wir, daß sich die zuverlässigen Demokraten, die hier in diesem Hause auf verschiedenen Seiten sitzen, so benommen haben, daß ihnen das deutsche Volk angesichts der nationalistischen Versucher, die vor ihm aufstehen werden, glauben kann, daß für sie Demokratie nicht ein Gleichwort für Schwäche gewesen ist.


    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Freundschaft mit Frankreich, ja! Wir haben schon bei der großen Debatte zur Regierungserklärung darüber gesprochen. Aber, meine Damen und Herren, diese Freundschaft wird nur dann etwas sein, was nicht nur in der Sentimentalität wurzelt, wenn diese Freundschaft auf die Wahrheit gebaut wird. Wir sollten das Wort Iphigenies über die Grenzen rufen: Zwischen uns sei Wahrheit!

    (Händeklatschen bei der SPD.)

    Wir gründen aber diese Freundschaft nicht auf die Wahrheit, wenn wir zugeben, daß man von uns verlangt, anzuerkennen, daß die einseitige Bildung des Saarprotektorats ein Akt des Rechtes sei, und wir gründen diese Freundschaft nicht auf die Wahrheit, wenn wir durch unseren Beitritt zu diesem Ruhrstatut anerkennen sollen, daß wir dieses Instrument einseitiger Interessenpolitik für einen rechten Weg nach Europa halten.
    Natürlich, gibt es Probleme an der Saar und an der Ruhr! Und wir müssen an die Lösung dieser Probleme gehen, zusammen, und das heißt: im Wege der Verhandlung. Aber, meine Damen und Herren, was werden Sie jetzt tun, wenn die andere Seite bei diesen Verhandlungen starr bei ihren
    Ausgangspositionen bleibt, vor allem, nachdem Sie erklärt haben — nicht so wörtlich, aber doch verständlich daß Sie letzten Endes unter allen Umständen unterschreiben werden?
    Sie haben gefragt, was wir denn vorzuschlagen hätten. Was wir vorgeschlagen haben, ist: angesichts dieser politischen Situation sich politisch zu verhalten. Politisches Verhalten gebietet, Dinge, die keiner von uns bejahen kann und keiner von uns bejahen will, nicht aus einseitigen Akten, gegen deren Fortbestand wir kämpfen können, zum Inhalt zweiseitiger Verpflichtungen und damit zu dauernden Einrichtungen zu machen. Denn was wir in Zukunft unterschreiben werden, meine Damen und Herren, das müssen wir halten wollen.
    Sie haben gesagt, wir hätten im einzelnen nichts vorzuschlagen gehabt. Haben Sie denn nicht gehört, was von Dr. Schumacher vorgeschlagen worden ist zum Gegenstand von Verhandlungen zum Saarproblem, zum Ruhrproblem zu machen? Niemand hat darauf in der Debatte geantwortet!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man hat sich damit begnügt, von Nationalismus und Hysterie zu sprechen. Nun, wir hoffen, daß der Herr Bundeskanzler im Auswärtigen Ausschuß demnächst auf die Vorschläge, die von unserer Seite gemacht worden sind, eingehen wird; es wird seine Sache sein, ob er sie für gut befindet oder nicht, aber er wird sich, glaube ich, dazu äußern müssen, und ich nehme an, er wird sich äußern wollen.
    Meine Damen und Herren, was wir heute außenpolitisch zu tun haben, wird nur sehr schwer zu leisten sein. Wir werden Geduld haben müssen, Geduld nicht als Verzicht auf Aktion, sondern aise die geballteste Form einer Kraft, die sich ihrer sicher weiß. Ich wiederhole: wir werden diese Kraft gebrauchen müssen mit viel Mut, diese heißen Eisen anzufassen und die Engpässe zu bewältigen, durch die wir werden hindurchgehen müssen. Wir Sozialdemokraten wollen dabei helfen; wir wollen auch einer Regierung helfen, zu der wir in Opposition stehen, denn wir sind deutsche Patrioten und internationale Sozialisten.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe rechts.)

    Aber wir können helfen nur nach dem, was wir als die Wahrheit sehen. Sehen wir sie anders als die Mehrheit dieses Hauses, nun, dann müssen wir uns auseinandersetzen und sehen, ob wir eine gemeinsame Wahrheit finden können. Auch das wird nicht leicht sein, auch da werden wir zu merken bekommen, wie tief unten die Erde liegt, auf der wir roden und pflügen müssen. Sehen wir diese Aufgabe so schwer, wie sie ist, und sprechen Sie, meine Damen und Herren, doch nicht mehr von Hysterie und Schikane und gar von parteipolitischen Mätzchen, wo uns die Sorge um Deutschland und Europa umtreibt! Wenn wir deshalb Außenpolitik zu zweit machen sollen, - nun, so gehen wir zusammen ins Geschirr, aber bestimmen wir dann auch zusammen den Ansatz, das Ziel und die Methoden dieser Politik und verlangen Sie nicht schlicht von uns, Ihnen einfach zu folgen, wenn Sie glauben, das Rechte gefunden zu haben. Nur wenn wir so verfahren, werden wir es schaffen: dieses freie Deutschland im freien Europa!

    (Bravorufe und Händeklatschen bei der SPD.)