Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache hat mir eigentlich eine gewisse innere Beklemmung gebracht. Wenn wir das, was uns der Bundeskanzler heute vorgetragen hat, einmal im Zusammenhang mit dem Kernproblem des deutschen Volkes betrachten, nämlich mit der Arbeitslosigkeit, dann hätten seine Ausführungen meines Erachtens doch einen etwas an deren Widerhall finden müssen.
1 Er hat uns gesagt, daß es uns bei den Verhandlungen in Paris möglich war, die ersten Voraussetzungen dafür zu erhalten, daß im wesentlichen ein Demontagestop durchgeführt wird. Wenn ich in den letzten Wochen durch das Industriegebiet gefahren bin und mir die in der Demontage stehenden Betriebe angesehen habe, wenn ich in der 11. Sitzung dieses Hauses die Aussprache über die Demontage gehört habe, wenn ich mir auf dem Gewerkschaftskongreß in München den Notschrei der Menschen angehört habe und wenn ich mir ganz zum Schluß noch die Entschließung ansehe, die unser Bergarbeiterverband an die Öffentlichkeit gegeben hat, dann habe ich immer und immer wieder das eine Wort gehört: Nun hört endlich mit der Demontage auf! Wenn in der vergangenen Woche der Betriebsrat von Gelsenberg bei mir war und fragte: Haben wir denn noch irgendeine Hoffnung, daß wir jetzt, da man an das Herzstück unseres Werkes gehen will, das Werk erhalten können?, wenn ich dann den Leuten sagte: Glaubt mir doch, unsere Regierung stellt momentan alle ihre Arbeit darauf ein, daß die Demontage abgestoppt und dann endgültig beseitigt wird, dann ging ein gewisses Aufleuchten über die Gesichter dieser Menschen, weil sie ja letzten Endes um das Wesentlichste, um ihren Arbeitsplatz kämpfen.
Ist denn in Wirklichkeit das, was Ihnen der Kanzler auf diesem Gebiet gesagt hat, gar nichts wert? War die außenpolitische Arbeit der Regierung so ganz nutzlos, und hat denn die Regierung dabei irgend etwas für das deutsche Volk vergeben? Nein! Das ist in Wirklichkeit nicht der Fall. Wir habén anerkannt, daß andere Sicherungsansprüche haben. Das ist das einzige, was von uns gegeben worden ist. Auf der anderen Seite können wir doch morgen den Leuten in Gelsenberg sagen: ihr 3000 behaltet erst mal euren Arbeitsplatz!
— Ja, ich war auch in Watenstedt und kenne die Verhältnisse sehr gut. Auch dort hat mir der Betriebsrat noch vor drei Wochen mit auf den Weg gegeben: Kämpft darum, daß wir unseren Arbeitsplatz behalten! Ich glaube, wir erhalten den Arbeitsplatz für die dortigen Leute und werden wahrscheinlich in der Lage sein, die dortige Beschäftigungszahl dann auf 7000 zu erhöhen. Dann wird ein Aufleben durch die Leute in dieser Stadt gehen, wo heute 120 000 Menschen ohne jede Lebensgrundlage dastehen.
Nein, man sollte sich auch in diesem Parlament darüber klar sein, daß wir, wenn wir jetzt in unserer Eigenstaatlichkeit die ersten Schritte gehen, sie vor allen Dingen dahin lenken müssen, unseren arbeitenden Menschen Hoffnung zu geben. Einundeinviertel Millionen Menschen stehen bei uns in Westdeutschland auf der Straße und warten auf Arbeitsplätze. Wie können sie denn geschaffen werden? Doch nur dadurch, daß wir an erster Stelle jeden noch vorhandenen Arbeitsplatz erhalten. Wenn wir nach Schleswig-Holstein gehen - dort sitzen doch Ihre politischen Freunde in der Regierung —, so sagt man mir immer wieder: 300 000 Arbeitsplätze brauchen wir hier, und jeder Arbeitsplatz kostet in der Herstellung 3000 D D. Wenn Ihnen der Bundeskanzler gesagt hat, daß ns neben dem Demontagestop jetzt letzten Endes auch die Möglichkeit gegeben wird, wieder im Schiffsbau tätig
zu werden, so ist das Arbeit für die dortigen Menschen.
Sehen Sie, so sollten wir die Dinge einmal sehen, und dann muß man doch letzten Endes dem, was die Regierung in den letzten Wochen getan hat, eine etwas bessere Anerkennung geben, als es durch die heutige Aussprache geschehen ist.