Rede:
ID0101703600

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundesminister: 1
    7. Storch.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 17. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 15. November 1949 397 17. Sitzung Bonn, Dienstag, den 15. November 1949. Geschäftliche Mitteilungen 397B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung 397C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 397C, 408B, 442A, 447C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung 400C Dr. Schumacher (SPD) . . . 400C, 446A Dr. Gerstenmaier (CDU) 408D Dr. Schröder (CDU) . . . . . . 413B Euler (FDP) ....... . 417C Dr. von Merkatz (DP) . . . . . 421D Dr. Seelos (BP) 424A Reimann (KPD) . . , . . . . 427A Loritz (WAV) 429D Frau Wessel (Z) ...... . 431B von Thadden (NR) . . 434D Dr. Ott (Parteilos) ..... . 437B Dr. Becker (FDP) 437D Storch, Bundesminister für Arbeit 438D Dr. Schmid (SPD) . . . . . 439C Fisch (KPD) 444D Dr. von Brentano (CDU) . . . 447D Nächste Sitzung 448D Die Sitzung wird um 15 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Max Becker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Wenn man die jetzt sechs Stunden dauernde Debatte noch einmal in Gedanken an sich vorüberziehen läßt, kommt man zu der Überzeugung: eigentlich sollte es eine außenpolitische Debatte sein; aber es ist ungeheuer viel von Innenpolitik die Rede gewesen. Wenn wir uns vorstellen, daß es die erste außenpolitische Debatte war, die dieses Haus geführt hat und auf die nicht nur das Inland, sondern wahrscheinlich auch das Ausland hingesehen hat, dann werden wir uns sagen müssen: ob wir uns das Zeugnis ausstellen können, gut verfahren zu haben, steht doch sehr dahin. Wenn wir uns weiter die Frage vorlegen, ob wir in dem Führer der Opposition und im künftigen Chef einer etwaigen späteren Regierung einen Staatsmann haben erblicken können, dann stellen wir enttäuscht fest: es war nur ein Parteipolitiker. Wenn wir weiter geglaubt haben, daß gegenüber der Konzeption einer Außenpolitik der Regierung nun die Opposition ihrerseits eine festgeschliffene, in sich einheitliche Konzeption darlegen würde, dann müssen wir jetzt sagen: wir haben keine Konzeption einer solchen Politik gehört, sondern nur Polemik.

    (Zuruf von der SPD: Das müssen Sie Herrn Dr. Adenauer sagen!)

    Meine Damen und Herren! Wir haben am Schluß einer solchen Debatte meiner Ansicht nach die Aufgabe, den Inhalt zu analysieren und einmal festzustellen: worüber ist dieses Haus und in welchem Umfang ist es sich einig und worin nicht? Ich glaube, wir sind uns in allen Teilen darin einig, daß wir mit Dank anerkennen, daß Auslands-


    (Dr. Becker)

    vertretungen uns zugebilligt werden sollen und daß demgemäß daraus der Schluß zu ziehen ist, daß als die Krönung unserer Auslandsvertretungen ein einheitliches Außenministerium zu bilden wäre, damit die Kompetenzen geklärt sind. Wir sind weiter der Auffassung, daß, wenn außenpolitische Verträge im Rahmen der heute besprochenen Politik abzuschließen sind, diese nach Artikel 59 des Grundgesetzes der Zustimmung der Parlamente bedürfen.
    Was den Inhalt der Außenpolitik betrifft, so glaube ich sagen zu können, daß weit über den Rahmen der Koalitionsparteien hinaus, rechts und links, ich glaube, weit über den Rahmen auch der SPD hinaus wir uns über folgendes einig sein dürfen, und es ist wohl richtig, das einmal von Deutschland aus zu betonen. Wir sind uns einig in dem Gedanken, daß unser deutsches Volk in seiner überwiegenden Mehrzahl den Frieden ernstlich und redlich will. Dieses deutsche Volk, das hindurchgegangen ist durch Jahre der Unterdrückung, hindurchgeschritten ist durch Meere von Tränen und Blut und das in Bombennächten in den Luftschutzkellern angstdurchschauert dagesessen hat, weiß, was der Krieg bedeutet, und es will ernstlich den Frieden.
    Wir wollen noch mehr. Wir wünschen nicht — ich glaube, darin stimmen wir alle überein daß dieses Land, wenn es auch nach seiner Kultur und Tradition zu den Westmächten tendiert, aber nun machtpolitisch zwischen die beiden großen Machtkreise eingebettet ist, zum Kriegsgebiet wird. Im Gegenteil, wir haben den Wunsch, daß alle die, die unsere Unterwerfung angenommen haben, sich nach der Logik der Tatsachen verpflichtet fühlen, uns im Bedarfsfall zu schützen.
    Zum zweiten wollen wir aus der Vergangenheit gelernt haben. Ich glaube, darin sind wir alle einig, daß es mit dem Grundsatz „Macht geht vor Recht" zu Ende ist und daß Recht vor Macht gehen soll und daß dieses Recht die Grundlage ist, auf der wir unsere künftige Außenpolitik aufzubauen haben. Unter diesem Recht verstehen wir nicht die Allmacht des Staates schlechthin, sondern die Allmacht des Staates begrenzt durch das, was im Rahmen des moralischen Dürfens liegt und des Gestattetseins auf der Grundlage des Sittengesetzes. Das muß auch in außenpolitischer Beziehung hinüber und herüber von einem Staat zum andern gelten. Das ist die Grundlage, von der aus unter anderem auch die Frage unserer Heimatvertriebenen endgültig einmal zu betrachten sein wird.
    Schließlich: wir wollen Schluß machen mit einer Politik der Romantik, mit einer Politik, die glaubt, daß wir der Nabel der Welt seien und alles sich um uns drehen müßte. Auf den Boden der Realität wollen wir treten. Ich glaube, die Politik, die jetzt von der Regierung inauguriert ist, ist die Politik, die realpolitisch konzipiert ist, und deshalb werden wir sie billigen. Wir sind der Auffassung, daß, wenn in diesem Lande, das mitten in Europa in einem machtpolitischen Vakuum liegt, Politik gemacht werden muß, wir unter allen Umständen nit unsern Nachbarn in Frieden leben, daß wir unsern Staat mit den Staaten Europas in eine große Gesamtheit hineinführen müssen. Wir unterliegen alle dem Marshallplan. Der Marshallplan hatte den Sinn, die europäischen Staaten zusammenzuführen. Bis jetzt hat er nur zu autarkistischen Bestrebungen geführt.

    (Zuruf von der KPD: Und zu Arbeitslosigkeit!)

    Der Grundgedanke muß sein, daß aus diesem Plan eine Gemeinsamkeit des wirtschaftlichen Geschehens und des wirtschaftlichen Gedankens in Europa erwächst. Diese Gemeinsamkeit zu bilden, ist unsere Aufgabe. Diese Gemeinsamkeit muß sich in unserer Politik nicht nur in wirtschaftlicher Beziehung, sondern auch in politischer Beziehung gegenüber den Staaten dieses Europa zeigen. Dann stimmen wir ebenfalls der Regierung zu, daß eine Grundlage auf breitester Basis gefunden werden soll und muß, von der aus diese Verständigungspolitik geführt wird. Es genügt nicht, daß ein Punkt nach dem andern traktiert, ein Punkt vom andern losgelöst wird. Es muß eine große Gesamtkonzeption stattfinden. Wir hoffen, daß in diesem Zusammenfassen aller Punkte die Lösung liegt, die uns zu einem ersprießlichen Ziel führen wird. Wir wollen deshalb nicht über Ruhrstatut im einzelnen, über Demontage im einzelnen reden. Alle diese Punkte, so reformbedürftig gerade die letztgenannten Fragen an sich sind, müssen im Rahmen einer Gesamtpolitik zusammen gesehen werden.
    Die Sorgen um Europa, die uns bedrücken, können, wenn wir nicht zu einer Einigung in Europa kommen, uns zu dem Ergebnis führen, daß wir im Zeitpunkt des Ablaufs des Marshallplans wieder dahin zurückfallen, woher wir gekommen sind, nämlich in eine Zeit, in der die Rechnung nach Kalorien das Interessanteste am Tage war. Diese Sorge der Zukunft wollen wir vermeiden. Wir wollen uns deshalb auf der Grundlage der Konzeption, die die Regierung uns vorgelegt hat, zu einer gemeinsamen Arbeit im Rahmen eines vereinigten Europa zusammenfinden. Auch da teilen wir die Auffassung, daß die Liberalisierung des Handels, die die Grundlage für die richtige Durchführung des Marshallplans sein soll, als solche nur dann durchgeführt werden kann, wenn gleichzeitig die illiberalen Bestimmungen, die sich im Ruhrstatut und anderwärts befinden, beseitigt werden und das eine dem anderen wirklich angepaßt wird.
    Die Kernfrage ist endlich von unserer Auffassung aus die Aussöhnung von Deutschland und Frankreich. Wir hoffen, daß die Schritte, die die Regierung unternommen hat und die wir billigen — gemeinschaftliche wirtschaftliche Beteiligung hinüber und herüber —, zu einem Ergebnis führen werden. Wir hoffen, daß dann die ,Jugend Deutschlands, die Jugend Frankreichs und die Jugend Europas, die heute nach diesem Kriege einer ungewissen Zukunft gegenübergestellt ist, von der sie nicht weiß, wie sie sich für sie entwickeln soll, auf Grund einer derartigen Zusammenarbeit wenigstens einen Hoffnungsstrahl sieht, der in das Dunkel ihrer Tage leuchtet und der ihr das Wort zum Bewußtsein führen kann: „Wir heißen euch hoffen!"

    (Bravorufe bei der FDP.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesminister Storch.

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    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache hat mir eigentlich eine gewisse innere Beklemmung gebracht. Wenn wir das, was uns der Bundeskanzler heute vorgetragen hat, einmal im Zusammenhang mit dem Kernproblem des deutschen Volkes betrachten, nämlich mit der Arbeitslosigkeit, dann hätten seine Ausführungen meines Erachtens doch einen etwas an deren Widerhall finden müssen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)



    (Bundesminister Dr. Storch)

    1 Er hat uns gesagt, daß es uns bei den Verhandlungen in Paris möglich war, die ersten Voraussetzungen dafür zu erhalten, daß im wesentlichen ein Demontagestop durchgeführt wird. Wenn ich in den letzten Wochen durch das Industriegebiet gefahren bin und mir die in der Demontage stehenden Betriebe angesehen habe, wenn ich in der 11. Sitzung dieses Hauses die Aussprache über die Demontage gehört habe, wenn ich mir auf dem Gewerkschaftskongreß in München den Notschrei der Menschen angehört habe und wenn ich mir ganz zum Schluß noch die Entschließung ansehe, die unser Bergarbeiterverband an die Öffentlichkeit gegeben hat, dann habe ich immer und immer wieder das eine Wort gehört: Nun hört endlich mit der Demontage auf! Wenn in der vergangenen Woche der Betriebsrat von Gelsenberg bei mir war und fragte: Haben wir denn noch irgendeine Hoffnung, daß wir jetzt, da man an das Herzstück unseres Werkes gehen will, das Werk erhalten können?, wenn ich dann den Leuten sagte: Glaubt mir doch, unsere Regierung stellt momentan alle ihre Arbeit darauf ein, daß die Demontage abgestoppt und dann endgültig beseitigt wird, dann ging ein gewisses Aufleuchten über die Gesichter dieser Menschen, weil sie ja letzten Endes um das Wesentlichste, um ihren Arbeitsplatz kämpfen.
    Ist denn in Wirklichkeit das, was Ihnen der Kanzler auf diesem Gebiet gesagt hat, gar nichts wert? War die außenpolitische Arbeit der Regierung so ganz nutzlos, und hat denn die Regierung dabei irgend etwas für das deutsche Volk vergeben? Nein! Das ist in Wirklichkeit nicht der Fall. Wir habén anerkannt, daß andere Sicherungsansprüche haben. Das ist das einzige, was von uns gegeben worden ist. Auf der anderen Seite können wir doch morgen den Leuten in Gelsenberg sagen: ihr 3000 behaltet erst mal euren Arbeitsplatz!

    (Beifall in der Mitte und rechts. Abg. Paul: Die Garantie haben sie noch nicht! — Zuruf von der SPD: Und die 20 000 in Watenstedt?)

    — Ja, ich war auch in Watenstedt und kenne die Verhältnisse sehr gut. Auch dort hat mir der Betriebsrat noch vor drei Wochen mit auf den Weg gegeben: Kämpft darum, daß wir unseren Arbeitsplatz behalten! Ich glaube, wir erhalten den Arbeitsplatz für die dortigen Leute und werden wahrscheinlich in der Lage sein, die dortige Beschäftigungszahl dann auf 7000 zu erhöhen. Dann wird ein Aufleben durch die Leute in dieser Stadt gehen, wo heute 120 000 Menschen ohne jede Lebensgrundlage dastehen.
    Nein, man sollte sich auch in diesem Parlament darüber klar sein, daß wir, wenn wir jetzt in unserer Eigenstaatlichkeit die ersten Schritte gehen, sie vor allen Dingen dahin lenken müssen, unseren arbeitenden Menschen Hoffnung zu geben. Einundeinviertel Millionen Menschen stehen bei uns in Westdeutschland auf der Straße und warten auf Arbeitsplätze. Wie können sie denn geschaffen werden? Doch nur dadurch, daß wir an erster Stelle jeden noch vorhandenen Arbeitsplatz erhalten. Wenn wir nach Schleswig-Holstein gehen - dort sitzen doch Ihre politischen Freunde (zu den Sozialdemokraten) in der Regierung —, so sagt man mir immer wieder: 300 000 Arbeitsplätze brauchen wir hier, und jeder Arbeitsplatz kostet in der Herstellung 3000 D D. Wenn Ihnen der Bundeskanzler gesagt hat, daß ns neben dem Demontagestop jetzt letzten Endes auch die Möglichkeit gegeben wird, wieder im Schiffsbau tätig
    zu werden, so ist das Arbeit für die dortigen Menschen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Sehen Sie, so sollten wir die Dinge einmal sehen, und dann muß man doch letzten Endes dem, was die Regierung in den letzten Wochen getan hat, eine etwas bessere Anerkennung geben, als es durch die heutige Aussprache geschehen ist.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)