Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. von Merkatz hat glasklar die Grundsätze ausgeführt, auf die sich der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität einstimmig geeinigt hat. Zu diesen ganz klaren Grundsätzen gehörte zweierlei: daß wir die Immunität niemals aufheben lassen wollen, wenn ein Verfahren irgendwie politisch affiziert ist,
und daß wir auch bei einem kriminellen Delikt die Immunität dann nicht aufheben lassen wollen, wenn die Untersuchung der kriminellen Tat gegenüber dem außerordentlich hohen Rechtsgut der Immunität des Hauses geringfügig ist oder wenn sie auch mit andern Mitteln erreicht werden kann. Ich habe in der bedauerlichen Debatte, die sich seit den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Becker hier entwickelt hat, von keiner Seite irgend etwas gehört, was gegen diese Grundsätze oder gegen ihre zwingende Anwendung auf diesen Fall spricht. Wenn Sie sich also diesen Grundsätzen deb Heim n Berichterstatters anschließen, so ist das Ergebnis klar.
Die ganze Debatte ist dadurch abgerutscht, daß der Herr Kollege Becker — er mag mir das bei unserm sonst so guten persönlichen Verhältnis nicht übelnehmen — die Frage durch seine Anregung, wie sich denn der Herr Kollege Loritz selbst zur Frage seiner Immunität stellt, auf eine schiefe Bahn gebracht hat. Wir haben im Ausschuß, als Sie leider nicht anwesend waren, auch diese Frage erörtert. Der Herr Kollege Ritzel hat als Vorsitzender des Ausschusses von sich aus angeregt, er wolle mit dem Herrn Kollegen Loritz in Verbindung treten, um ihn zu fragen, ob er etwa selber Gewicht darauf lege, die Immunität zu verlieren. Gegenüber dieser Anregung des Herrn Ausschußvorsitzenden hat sich der Ausschuß nach längerer Erörterung einstimmig zu dem Standpunkt bekannt, daß diese Fühlungnahme nicht stattfinden solle, weil nämlich der Abgeordnete selbst über die Immunität gar nicht verfügungsbefugt ist. Es ist gar nicht seine Immunität; es ist, wie der Herr Kollege Schmid so richtig ausgeführt hat, ja die Prärogative des Hauses, so daß es uns völlig gleichgültig ist, was 'der Herr Kollege Loritz darüber denkt. So gleichgültig wie seine Person ist uns auch seine Meinung über seine Immunität. Im Gegenteil, wir haben uns aus grundsätzlichen Erwägungen einstimmig zu der Auffassung bekannt: wenn in diesem ersten Falle, in dem die Frage zur Debatte steht, bereits der Abgeordnete gefragt wird, so wird in Zukunft jeder Abgeordnete gefragt werden, und jeder Abgeordnete wird dann unter dem moralischen Druck stehen, erklären zu müssen: jawohl, ich verzichte selbstverständlich auf meine Immunität und bitte das Haus, die Immunität aufzuheben.
Das sind unsere Erwägungen gewesen, und die ganze Debatte ist dadurch auf ein schiefes Gleis gekommen, daß der Herr Kollege Becker hier eine Frage zur Sprache gebracht hat, die vollkommen unerheblich ist und die dann das bedauerliche Zwischenspiel zur Folge hatte, daß der Herr Kollege Loritz in eigener Sache sprach. Es scheint sonst aus seiner Fraktion niemand in der Lage zu sein, über ihn oder für ihn zu sprechen.
Das hat weiter zur bedauerlichen Folge gehabt, daß sich der Herr Kollege Renner hier zu einem Hüter der Freiheit aufwarf, und ich weiß wirklich nicht, was ihn angesichts der Zustände im Osten dazu legitimiert.
Es hat ferner zu einem weiteren Zwischenspiel geführt — das ist das Bedauerlichste —: zu den Ausführungen, die der Herr Bundesminister der Justiz hier gemacht hat. Meine Damen und Herren, ich bin nicht ganz klar darüber, in welcher Eigenschaft Herr Dr. Dehler hier gesprochen hat,
ob als der Bundesminister der Justiz
oder als der Abgeordnete dieses Hauses.
Er hat den Herrn Kollegen Loritz als Kollegen bezeichnet. Damit ist doch wohl sicherlich nicht darauf angespielt worden, daß der Herr Kollege Loritz auch einmal Minister war.
Ich bitte also, es in Zukunft grundsätzlich auseinanderzuhalten, ob von diesem Platze aus das Wort als Mitglied der Bundesregierung oder als Mitglied dieses Hohen Hauses ergriffen wird; denn je nachdem, in welcher Eigenschaft der Redner spricht,
hat er andere Rechte. Als Mitglied dieses Hohen Hauses hätte der Herr Bundesminister Dr. Dehler dem Herrn Kollegen Loritz manches vorhalten mögen; als Mitglied der Bundesregierung hat Herr Dr. Dehler nicht das Recht, einem Mitglied dieses Hohen Hauses in dieser Form und mit diesem Inhalt Vorhaltungen zu machen.
Der Herr Bundesminister der Justiz scheint weiterhin verkannt zu haben, daß hier nicht zur Debatte steht, ob die bayerische Justiz zu verteidigen ist oder nicht. Das mag man in Bayern abmachen.
Das, was hier zur Diskussion steht, ist ausschließlich die Immunität und ausschließlich die Prärogative dieses Hohen Hauses, so daß alles, was der Herr Bundesjustizminister sehr emotional dazu ausgeführt hat, überhaupt in keiner Beziehung zum' Thema stand, sondern, wenn es etwas beweist, ausschließlich beweist, wie stark hier politische Momente in dieses Verfahren gegen den Herrn Kollegen Loritz hineinspielen.