Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Der Herr Minister kann nicht zugeben,
— nicht zulassen und nicht zugeben, daß hier ein Abgeordneter eine Feststellung trifft, die seiner Überzeugung entspricht.
— Das ist aber die Nutzanwendung seiner Erklärung!
Wir haben im Parlamentarischen Rat, als die Klärung der Frage der Rechte des Richterstandes zur Diskussion stand, von demselben Herrn, dem damaligen Abgeordneten des Parlamentarischen Rates Dr. Dehler, ebenso uneingeschränkte Werturteile über den Richterstand gehört,
wie er sie heute... hier abgegeben hat.
— Sehen Sie, er hat die Richter verteidigt. Er hat die Richter verteidigt, die in der Naziperiode zu 80 Prozent der NSDAP angehört haben.
Er hat die Richter verteidigt, die heute noch bei uns Recht sprechen und die heute noch — nach Erklärungen amtierender Innenminister und Justizminister der Länder — zu 80 Prozent auch ehemals der NSDAP angehört haben
oder ihren hauptsächlichen Nebenorganisationen.
Der Herr Bundesjustizminister hat sich hier etwas erlaubt, was der Ausschuß für sich ausdrücklich als unstatthaft hingestellt hat: er ist in eine Beweiswürdigung eingetreten.
— Er hat auch dem Ausschuß als Vertreter des Bundesjustizministeriums den Herrn Oberstaatsanwalt von München geschickt,
also einen Mann, der nach der subjektiven Auffassung des Abgeordneten Loritz
der Beklagte ist. Den hat er als den richtigen Vertreter der Interessen des Bundesjustizministeriums erachtet und uns hergeschickt. So liegen doch die Dinge.
— Das nenne ich nicht logisch,
— das nenne ich nicht logisch, sondern das ist die Fortsetzung des Versuches, gegen einen Abgeordneten aus politischen Gründen ein Verfahren auf alle Fälle durchzuzwingen!
Was ist los? Ich gehe auf den Fall Loritz nicht ein. Mir ist der Herr Loritz an sich als Fall genau so uninteressant wie dem Herrn Abgeordneten Carlo Schmid, vielleicht sogar noch etwas uninteressanter.
Aber hier steht die Frage zur Diskussion: Was ist Immunität?, und ich habe mich hier nur zum Wort gemeldet, um eine Sache richtigzustellen, die — auf Grund des Berichtes — falsch ausgelegt werden könnte. An den Ausschußberatungen war auch unsere Fraktion beteiligt, aber wir sind im Ausschuß nicht abstimmungsberechtigt, und insofern muß die Feststellung des Ausschußberichterstatters korrigiert werden. Der Ausschuß, soweit seine Mitglieder abstimmungsberechtigt waren, hat seine Interpretation des Begriffes Immunität . gebilligt. Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß die Immunität eines Abgeordneten unter allen Umständen hochzuhalten ist.
Wir sind dieser Auffassung, weil wir die hier gegebene Interpretation für falsch halten und weil wir wissen, daß so etwas praktiziert worden ist und in der Zukunft noch praktiziert werden kann, um einer Gerichts-, einer Justizbehörde in ihrer heutigen Zusammensetzung das Recht zu geben, überhaupt gegen einen Abgeordneten vorzugehen,
Meine Herren von der Sozialdemokratie, an Sie appelliere ich jetzt einmal: Haben wir es in der Periode des Hitlertums nicht erlebt, daß zum Beispiel das Verfahren um Auslieferung eines Abgeordneten aus irgendeinem Asyllande — es ging also um die Absicht einer politischen Verfolgung — in der Regel dadurch getarnt wurde, daß man dem betreffenden politischen Flüchtling von deutscher Seite kriminelle Dinge unterschoben hat,
daß man unter dem Vorwand, es handle sich hier um einen kriminellen Verbrecher, die Auslieferung angestrebt hat?
Das weiß jeder, der diese Periode einmal durchgestanden hat.
— Sehen Sie, es geschieht auch heute noch, denn dieselben Richter von damals sind heute noch im Amt und hier bei uns im Saal.
Wie gesagt, wir möchten diesen Richtern nicht das Recht geben, unter dem Vorwand, es handle sich um kriminelle Dinge, politische Verfahren gegen unbeliebte Abgeordnete durchzuführen. Denn wir haben hier die Parallele festzustellen, daß dieselbe Auffassung in puncto Unbeliebtheit bei den Parteien herrscht, die die Regierungskoalition bilden, und beim Justizapparat. Deshalb möchten wir die Immunität nicht so eng interpretiert wissen, wie das in dem Bericht zum Ausdruck gebracht ist. Weil wir — um es zusammenzufassen — kein Vertrauen zu dem heute in Westdeutschland amtierenden Justizapparat haben, darum halten wir es für dringend erforderlich, die Immunität unter allen Umständen zu vertreten und zu verteidigen.