Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes — Drucksache 8/1910 —. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Es liegt Ihnen ferner eine Liste von Vorlagen — Stand: 6. Juni 1978 — vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1978 bis 1981, Sonderrahmenplan 1977 bis 1980
zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
Betr.: Bericht der Bundesregierung betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raum Soltau-Lüneburg vom 3. August 1959 (Drucksache 8/1827 [neu])
zuständig: Innenausschuß Auswärtiger Ausschuß Verteidigungsausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Beschluß des Europäischen Rates vom 7. und 8. April 1978, die allgemeine direkte Wahl für das Europäische Parlament in der Zeit vom 7. bis 10. Juni 1979 abzuhalten
zuständig: Auswärtiger Ausschuß Innenausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zur Verbesserung der Flugüberwachung
zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
Verteidigungsausschuß
Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß das Haus auch damit einverstanden ist.
Ich rufe sodann Punkt 1 unserer Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksachen 8/1895, 8/1905 —
Wir beginnen mit einer Dringlichkeitsfrage des Herrn Abgeordneten Bayha aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß einige afrikanische Länder von einer Heuschreckenkalamität größten Ausmaßes betroffen sind, die es dringend im Interesse der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gebietet, unverzüglich eine Bekämpfung der Schädlinge durchzuführen, und ist die Bundesregierung bereit, unmittelbar oder über internationale Organisationen sofort Hilfe durch Lieferung geeigneter Schädlingsbekämpfungsmittel und technischer Einrichtungen sowie durch die Gestellung fachkundigen Personals zu leisten?
Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Brück zur Verfügung. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Bayha, die Bekämpfung periodisch auftretender Heuschreckenplagen gehört zu den Aufgaben der Welternährungsorganisation , an deren Finanzierung die Bundesrepublik Deutschland als drittgrößter Beitragszahler maßgeblich beteiligt ist. Die FAO hat für die betroffenen Länder entlang des Roten Meeres und des Golfes von Aden über ihre laufenden Routineaufwendungen hinaus bisher zusätzlich 900 000 Dollar für den Kauf von Bekämpfungsmitteln bereitgestellt.Angrenzende Regionen sind bedroht, wenn durch die Witterungsbedingungen eine weitere Vermehrung in den jetzigen Hauptbefallsgebieten stattfindet. Nach den letzten Erkenntnissen des FAO-Heuschreckenbeobachtungsdienstes hat sich die Gefahr inzwischen von den ursprünglichen Krisengebieten in Äthiopien und Somalia, wo eine geordnete Bekämpfung wegen der politischen Situation beeinträchtigt war, in den Sudan ausgebreitet.Die Bundesregierung hat bei den diesjährigen Regierungsverhandlungen mit dem Sudan, die vom 7. bis 19. April 1978 in Khartum stattfanden, eine Soforthilfe für den Fall angeboten, daß die von der FAO bereits gelieferten Bekämpfungsmittel und technischen Ausrüstungen nicht ausreichen. Im Pro-
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7680 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Parl. Staatssekretär Brücktokoll der Regierungsverhandlungen wurde für diesen Zweck ein Betrag von 1,1 Millionen DM vorgesehen. Die für die Aktivierung der Mittel notwendigen Schritte sind bereits eingeleitet. Im personellen Bereich ist vorgesehen, der sudanesischen Regierung einen erfahrenen Koordinator für den Agrarflugdienst zur Verfügung zu stellen. Auch für die übrigen bedrohten Länder könnten bei entsprechenden Hilfeersuchen Sofortmaßnahmen eingeleitet werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bayha.
Kann man davon ausgehen, daß die Bundesregierung hier mit Nachfolgehilfen antreten wird? Denn es steht ja zu befürchten, daß diese Heuschreckenplage in den betroffenen Ländern beträchtliche Ernährungsschwierigkeiten nach sich zieht.
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bayha, die Bundesregierung wird natürlich, falls das eintreten sollte, was Sie soeben gesagt haben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen, und zwar auch mit den Mitteln der humanitären Hilfe, die dem Auswärtigen Amt zur Verfügung stehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Bayha wird nicht gestellt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung, insbesondere was die Schnelligkeit der Hilfestellung angeht, darauf Rücksicht nehmen, daß Fachleute, wie gestern abend das Fernsehen berichtete, befürchten, daß diese Heuschreckenschwärme bei ungenügender Bekämpfung ihren Zug a) bis nach Südrußland, b) bis in die SahelZone/Marokko und c) bis nach Indien antreten könnten?
Brück, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Fachleute befürchten in der Tat, daß sich die Heuschreckenplage vor allem bis in die Sahel-Zone ausbreiten könnte. Wir gehen aber davon aus, daß jetzt im Sudan eine geordnete Bekämpfung möglich ist. Leider war das wegen der Verhältnisse im Ogaden, in Äthiopien bisher nicht der Fall.
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Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Frage.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf.
Die Fragen 2 und 3 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Marschall, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht uns
der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sperling zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Sieht die Bundesregierung — wie der jüngste Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin — einen freifinanzierten Mietwohnungsbau als derzeit praktisch überhaupt nicht gegeben an, und wenn ja, welche Konsequenzen wird sie daraus ziehen?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Herr Kollege Jahn, die Zahl der im freifinanzierten Mietwohnungsbau erstellten Wohnungen ist auf Grund veränderter Nachfrageverhaltensweisen und veränderter Rahmenbedingungen des Marktes ständig gesunken. Sie hat 1977 ein Niveau von etwa 20 000 Wohnungen erreicht.
Die Rahmenbedingungen für den zukünftigen freifinanzierten Mietwohnungsbau sind jedoch u. a. durch die in der letzten Zeit sehr positive Entwicklung der Hypothekenzinsen und durch Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen des Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung wesentlich verbessert worden.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung im Hinblick auf den Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin bereit, den angekündigten Bericht über die Auswirkungen des Modernisierungsgesetzes dem Deutschen Bundestag früher als zunächst beabsichtigt vorzulegen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Jahn. Der Bericht ist für Anfang 1979 fällig.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung Anfang 1979 — zugleich mit dem Bericht — eine Gesetzesnovelle vorlegen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, daß dies zugleich mit dem Bericht geschehen wird, Herr Kollege Jahn.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.Ich rufe dann die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:Hält die Bundesregierung die in dem Wochenbericht angesprochenen Mieterhöhungen für gerechtfertigt, um die Investitionen im freifinanzierten Wohnungsbau rentabel zu gestalten?Herr Staatssekretär.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7681
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß marktorientierte Mietanpassungen im freifinanzierten Mietwohnungsbau erforderlich sind.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung überhaupt, den freifinanzierten Wohnungsbau wirtschaftlich zu gestalten?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jahn, der freifinanzierte Mietwohnungsbau ist auch nach dem Wochenbericht des DIW durchaus eine mit Renditeerwartungen und Gewinnerwartungen ausgestattete Angelegenheit. Wenn man den Wochenbericht in seiner vollen Länge richtig liest, wird mån feststellen, daß nach diesem Bericht die Renditeerwartungen keineswegs so schlecht sind, wie das in der Öffentlichkeit in der letzten Zeit diskutiert wurde. Die Zahl der Anträge spricht dafür, daß die Investoren dies auch erkannt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort veranlaßt mich zu der Frage: Hält die Bundesregierung eine vom damaligen Wohnungsbauminister Ravens eingebrachte Kabinettsvorlage für gerechtfertigt, wonach zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit des Wohnens angemessene Mieterhöhungen sachdienlich erscheinen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Aber sicher sind angemessene Mieterhöhungen für das Gelingen des freifinanzierten Wohnungsbaus sachdienlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Die Fragen 8 und 9 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Dr. Häfele, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf. Ist der Herr Fragesteller anwesend? — Der Fragesteller ist nicht anwesend. Dann bitte ich, auch die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Dr. Abelein schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 12 der Frau Abgeordneten Hürland auf:
Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach der Vorstand der Deutschen Lufthansa beschlossen und verlautbart hat, er denke nicht daran, Frauen als Piloten in Verkehrsflugzeugen zu beschäftigen, und wenn ja, wie steht die Bundesregierung zu diesem Beschluß, und was wird sie veranlassen?
Herr Staatssekretär.
Der Vorstand der Deutschen Lufthansa AG hat in einer von der Bundesregierung erbetenen Stellungnahme ausgeführt, daß er sich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sieht, von der Einstellung weiblicher Piloten abzusehen. Die Bundesregierung kann sich mit dieser Haltung nicht identifizieren. Der Vorstand des Unternehmens ist jedoch für die Einstellungen und den Personaleinsatz nach der Rechtslage allein verantwortlich. Die Bundesregierung hat daher keine direkte Einwirkungsmöglichkeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, sind keine Vertreter der Bundesregierung, sprich: Beamte der Ministerien, in den Aufsichtsgremien der Lufthansa vertreten?
Haar, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es sind Mitglieder der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Lufthansa vertreten. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß im Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa die Frage der Einstellung weiblicher Piloten wiederholt zur Sprache gebracht worden ist. Dabei hat der Vorstand der Deutschen Lufthansa unmißverständlich seine alleinige Verantwortung für die Personalpolitik herausgestellt.
Die Haltung der Deutschen Lufthansa ist durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 16. Dezember 1976 bestätigt worden, weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zu einem bestimmten Eingriff in die Personalpolitik der Deutschen Lufthansa fehlt und auch eine Einwirkungsmöglichkeit aus aktienrechtlichen Gründen nicht zulässig ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Bestrebungen, Mädchen in qualifizierte technische Berufe zu bringen, von Länderregierungen unterstützt werden, und warum sehen Sie keine Möglichkeit, die wirtschaftlichen Gründe, die Sie für die mangelnde Bereitschaft für eine Ausbildung bei der Lufthansa angeführt haben, beiseite zu räumen oder Anreize dazu zu schaffen?Haar, Parl. Staatssekretär: Uns sind derartige Bemühungen bekannt, Frau Kollegin.Ich darf Sie außerdem darauf hinweisen, daß Sie mich nach den formalen Möglichkeiten der Einwirkung gefragt haben. Diese Frage ist beantwortet.
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7682 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Parl. Staatssekretär HaarDie Bemühungen der Bundesregierung im Sinne Ihrer Fragestellung sind damit nicht abgeschlossen.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, welches die wirtschaftlichen Gründe sind, die die Lufthansa Ihnen gegenüber genannt hat, warum ausgerechnet nur weibliche Personen nicht eingestellt werden sollen, hingegen männliche Personen weiterhin eingestellt werden können?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Langguth, inhaltlich vergleichbare Anfragen sind bisher von den Abgeordneten Mursch, Frau Funcke, Hansen, Dr. Emmerlich und zuletzt von Frau Matthäus-Maier gestellt und eingehend beantwortet worden.
Ich will aber einige Gründe aus der Stellungnahme der Deutschen Lufthansa hier noch einmal referieren: Fragen der physischen und psychischen Anforderung des Pilotenberufes, sozial determinierte Unterschiede in den Geschlechterrollen und im Verhalten und daraus möglicherweise resultierende Konflikte und Probleme insbesondere bei der Zusammenarbeit und der Aktion im Cockpit selbst, Fragen der Wirtschaftlichkeit — das ist sehr eingehend begründet und vor dem Deutschen Bundestag schon dargestellt worden — und gesellschaftspolitische Verpflichtungen, auf die die Deutsche Lufthansa hinweist. Die Zahlen sind seinerzeit ebenfalls vorgetragen worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Merker auf. — Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Dann bitte ich um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Die Frage 14 des Abgeordneten Merker wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Lampersbach auf:
Wie viele Personen sind in der Abteilung oder in den Abteilungen der Verwaltung der Deutschen Bundesbahn beschäftigt, die Fahnpläne ausarbeiten, und wie hoch sind die Kosten, die durch die jeweilige Umstellung vom Sommer- auf den Winterfahrplan verursacht werden?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung.
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn Herr Kollege Lampersbach damit einverstanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Lampersbach, sind Sie einverstanden?
Ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich nunmehr auch die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Lampersbach auf:
Aus welchen Gründen ist die Umstellung vom Sommer- auf den Winterfahrplan notwendig, und kann nicht durch einen Jahresfahrplan der gleiche Effekt erzielt werden?
Haar, Parl. Staatssekretär: Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn ist die Ermittlung der bei einem Fahrplanwechsel entstehenden Kosten, insbesondere der anteiligen personellen Kosten, sehr aufwendig. Es ist jedoch davon auszugehen, daß die durch den Fahrplanwechsel möglichen Einsparungen, die sich durch eine rechtzeitige Anpassung an strukturelle Änderungen sowie Rationalisierungsmaßnahmen ergeben, höher sind als die Kosten für einen Fahrplanwechsel.
Die Deutsche Bundesbahn hat bereits seit 1951 den sogenannten Jahresfahrplan. Im internationalen Verkehr gibt es seit 1965 einen Zweijahresfahrplan. Das Zugangebot weist entsprechend der jahreszeitlich unterschiedlichen Nachfrage im Winterabschnitt eine andere Struktur auf. Für den Bezirksnahverkehr ergeben sich hierdurch Möglichkeiten für eine flüssigere Betriebsabwicklung und eine Verbesserung auch bestehender Anschlüsse. Die für den im Sommer stärkeren Fernreiseverkehr notwendigen Saison- und Entlastungszüge, die Sonderzüge sowie die Autoreisezüge entfallen, oder ihre Verkehrszeiten werden auf bestimmte Tage, zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten, bzw. auf den Wintersportverkehr beschränkt. Der Ausfall der vorgenannten Züge ermöglicht günstige Fahrpläne für Berufstätige und für Schüler.. Die Berufs- und Schülerzüge können an im Winter geänderte Arbeits- und Unterrichtszeiten ebenfalls angepaßt werden. Der strikten Einhaltung des Jahresfahrplanes sind jedoch aus kundendienstlichen und wirtschaftlichen Gründen bestimmte Grenzen gesetzt. Die Deutsche Bundesbahn hält es deshalb für unerläßlich, zum Sommerabschnitt und zum Winterabschnitt besondere Kursbücher und sogenannte Taschenfahrpläne herauszugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lampersbach.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf meine erste Frage keine Auskunft gegeben. Ich frage Sie deshalb noch einmal: Wie viele Personen sind in der Abteilung oder den Abteilungen beschäftigt? Ich erwarte, daß die Bundesregierung auf klare Fragen klare Antworten erteilt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie müssen sich darauf beschränken, Fragen zu stellen.Bitte, Herr Staatssekretär.Haar, Parl. Staatssekretär: Bei der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit sind genaue Ermittlungen darüber nicht möglich gewesen. Ich habe bereits in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß nach der Mitteilung der Bundesbahn die Ermittlung der bei einem Fahrplanwechsel entstehenden Kosten sehr aufwendig sind. Ich bin gern bereit, das durch
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7683
Parl. Staatssekretär Haardie Bundesbahn nach entsprechenden Erhebungen über die Bundesbahndirektion und über die Ämter zu klären. Es läßt sich aber nicht in einer mündlichen Fragestunde bzw. innerhalb von 48 Stunden feststellen. Ich werde das ermitteln lassen und Ihnen das Ergebnis mitteilen, Herr Kollege. .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lampersbach.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Zahlen schriftlich nachreichten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie müssen Fragen stellen. Ich darf das noch einmal hervorheben.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bis wann wird Ihnen die schriftliche Beantwortung der Frage möglich sein?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich werde den Bundesbahnvorstand veranlassen, das so zügig wie möglich zu ermitteln, damit Sie eine genaue spezifizierte Aufstellung erhalten können, die jede weitere Nachfrage erübrigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, in der Annahme, daß Sie nunmehr eine Frage stellen wollen, haben Sie jetzt Gelegenheit, eine weitere Zusatzfrage zu stellen.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehen Sie keine Möglichkeit, einen Jahres- oder auch Zweijahresfahrplan, wie Sie gesagt haben, aufzustellen, bei dem die geringfügigen Veränderungen, durch Urlaubszeiten bedingt, eingearbeitet werden können? Mir ist aus der Praxis der Bundesbahn bekannt, daß auch im heutigen Fahrplansystem kurzfristig Änderungen möglich sind und durchgeführt werden.
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich habe bereits in der Antwort auf Ihre Frage darauf hingewiesen, welche Gründe die Bundesbahn aus kundendienstlichen Erwägungen veranlassen, die erforderlichen Veränderungen in Winter- oder Sommerzeiten durch besondere Herausgabe von Fahrplänen deutlich zu machen. Im übrigen hat sich eine Bekanntgabe der sonstigen Änderungen durch die Herausgabe von sogenannten Berichtigungsblättern nicht bewährt, Herr Kollege. Auch dieser Versuch ist von der Bundesbahn schon unternommen worden. Für die Kunden ist ein derartiges Verfahren schwierig und nahezu unzumutbar.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, da ich angesichts eigener Erfahrungen den Kundendienstwert der Änderungen vom Winter- auf den Sommerfahrplan leider als äußerst gering einschätzen muß und darin eher eine Verwirrung als eine Bedienung der Kunden sehe, frage ich Sie, ob nicht — nach Ihren eigenen Worten — bei der Bundesbahn durch diese verhältnismäßig einfache Umstellung sehr erhebliche Einsparungen möglich wären.
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann nur sagen: Einsparungen dort, wo sie möglich sind, sind im Leistungsauftrag des Bundesministers für Verkehr an die Bundesbahn nachdrücklich enthalten. Andererseits legt die Bundesregierung aber auch Wert darauf, daß trotz aller Rationalisierungsmaßnahmen, deren Umfang verschiedentlich auch schon Gegenstand von Anfragen und entsprechenden Antworten der Bundesregierung an dieser Stelle war, der Service der Bundesbahn im Interesse der Kunden in keinem Fall darunter leiden darf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie bereit, die Anregung, die der Kollege Lampersbach in seiner Frage gegeben hat und die ich noch einmal deutlich zu machen versucht habe, exakt und ohne Voreingenommenheit hinsichtlich möglicher Traditionen zu überprüfen und das Ergebnis einer solchen Überprüfung mitzuteilen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich werde im Zusammenhang mit den jetzt noch zu ermittelnden Zahlen, die ja auch für uns einigen Aufschluß geben, in jedem Falle dafür sorgen, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn ebenfalls dazu Stellung nimmt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nordlohne.
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Herr Staatssekretär, liegen dem Herrn Bundesminister für Verkehr inzwischen Mitteilungen aus der Bevölkerung vor, wonach im Zusammenhang mit der Umstellung auf den Sommerfahrplan bestimmte Strecken entfallen sind und damit auch Anschlußzüge, insbesondere aus dem ländlich strukturierten Raum, keine Möglichkeit mehr haben, an das internationale Streckennetz angeschlossen zu sein?
Haar, Parl. Staatssekretär: Derartige Mitteilungen sind mir im Einzelfall nicht bekannt. Ich will das aber gerne überprüfen lassen, Herr Kollege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker .
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7684 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Herr Saatssekretär, wären Sie bereit, mir mitzuteilen, wieviel Stunden Beamte bei der Deutschen Bundesbahn damit beschäftigt sind, festzustellen, wieviel Personen mit der Ausarbeitung der Fahrpläne beschäftigt sind?
Haar, Parl. Staatssekretär: Aber selbstverständlich. Wir werden im Zusammenhang mit der ersten Frage, die hier gestellt worden ist, auch diese Feststellungen treffen lassen. Dabei möchte ich allerdings darauf aufmerksam machen, Herr Kollege, daß z. B. die Durchführung solcher Fahrplanabstimmungen unter Einladung von Repräsentanten der Gemeinden nach jeweils sechs Monaten, wie sie die Industrie- und Handelskammern und andere Organisationen aus guten Gründen erwarten, natürlich auch personalintensiv ist. Daraus ist nicht unbedingt auf Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall zu schließen, denn diesen Teil der Abstimmung von Fahrplänen betrachte ich als einen wichtigen Bestandteil auch der Kontaktnähe zu den Kunden und ihren Wünschen im ganzen Land.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Braun auf:
Hält die Bundesregierung auf Grund der nach wie vor erschreckend hohen Zahl an alkoholbedingten Verkehrstoten und Schwerverletzten eine Herabsetzung der 0,8-Promille-Grenze für erforderlich?
Herr Staatssekretär.
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Braun, ich kann Ihre Frage mit Nein beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Braun.
Herr Staatssekretär, nach der knappen Antwort möchte ich fragen: Sieht die Bundesregierung denn nicht die Notwendigkeit, durch eine entsprechende gesetzliche Änderung die Unvereinbarkeit von Alkoholgenua und Führen eines Fahrzeuges festzulegen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, bei der Verabschiedung des 0,8-Promille-Gesetzes sind diese Fragen ja sehr eingehend erörtert worden. Die bestehende Alkoholgesetzgebung zusammen mit einer effektiven Aufklärung und einer korrekten Überwachung der Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften dürfte — ich will das betonen — im Augenblick ausreichend sein. Nach den bisherigen Erkenntnissen besteht kein Anlaß zu einer Herabsetzung der erst vor wenigen Jahren eingeführten 0,8-Promille-Grenze. Zwar sind die Alkoholunfälle in den letzten Jahren gestiegen — eine Erscheinung, die hinsichtlich der Effektivität bei vielen gesetzgeberischen Maßnahmen zu beobachten ist —; bezogen auf die Zunahme des Fahrzeugbestandes ist jedoch auch heute noch die Wirksamkeit der 0,8-Promille-Grenze vorhanden.
Mit gesetzgeberischen Maßnahmen allein wird man jedoch dem Problem des Alkohols im Straßenverkehr leider nicht beikommen können. Es gibt daher laufend ganz erhebliche Bemühungen, durch entsprechende Offentlichkeitsarbeit die Verkehrsteilnehmer über die Gefahren des Alkohols aufzuklären. Durch bereits eingeleitete Forschungsvorhaben sollen außerdem neue Grundlagen erarbeitet werden, um die Unfallursache „Alkohol" noch besser bekämpfen zu können. Im übrigen finde ich es interessant, daß in diesem Hohen Hause — das ist Ihnen sicher nicht unbekannt — meine Stellungnahme zu dem Thema — wenn ich das so umschreiben darf — „Säuferbalken" sehr kritisch aufgenommen worden ist. Ich meine, auch solche Dinge würden in dem von Ihnen wie von uns angestrebten Sinne weiterhelfen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Braun.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesrepublik Deutschland mit 0,8 %o innerhalb Europas an der Obergrenze liegt, und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß auch auf diesem Gebiete eine Harmonisierung, d. h. eine Vereinheitlichung, innerhalb Europas erfolgt?
Haar, Parl. Staatssekretär: Darum sind wir bemüht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiechle.
Herr Staatssekretär, falls die Bundesregierung wider Erwarten doch daran denken sollte, eine Idee, wie hier vorgetragen, aufzugreifen, wird sie dann absolut sicherstellen, daß Bier letztlich als Nahrungsmittel gesetzlich verankert wird, um wenigstens den Bayern und allen Freunden des Biers den Genuß von Bier noch zu ermöglichen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Nach allen einschlägigen Erfahrungen, die wissenschaftlich begründet sind, würde ich sehr davor warnen, solche Überlegungen ernsthaft anzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Der Fragesteller der Fragen 18 und 19 bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Dübber auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß neuerdings Motorradfahrer auch tagsüber das Schweinwerferlicht einschalten, und ist sie bereit, dies durch Verordnung zu regeln, falls ihrer Auffassung nach dadurch die Verkehrssicherheit gefördert wird?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7685
Haar, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung beurteilt das Einschalten des Abblendlichts bei Tag durch Motorradfahrer positiv, weil diese so für den Gegenverkehr besser erkennbar sind. An eine dahin gehende Vorschrift wird aber zur Zeit noch nicht gedacht. Es sollen zuvor weitere Erfahrungen abgewartet werden, Herr Kollege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Dübber.
Herr Staatssekretär, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die das untermauern, was Sie soeben gesagt haben?
Haar, Parl. Staatssekretär: Es gibt zumindest internationale Erfahrungen, Herr Kollege. Abgesehen von Schweden, wo alle Kraftfahrzeuge auch bei Tag mit Abblendlicht fahren müssen, gibt es eine Bestimmung, die Motorradfahrern das Einschalten des Abblendlichts bei Tag vorschreibt, seit dem 1. Januar 1977 in der Schweiz. Wir werden diese Entwicklung auch international weiter sehr sorgfältig beobachten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Dübber.
Würde sich aus Ihrer Antwort ergeben; daß auch Radfahrern empfohlen werden soll, das Licht bei Tag einzuschalten?
Haar, Parl. Staatssekretär: Das ist zumindest nicht auszuschließen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Schedl auf:
Trifft es zu, daß die Auftragsvergabe von Einmeß- und Zeichenarbeiten seitens der Deutschen Bundespost an private Ingenieurbüros in letzter Zeit drastisch eingeschränkt wurde, und in welchem Umfang und zu welchen Modalitäten beabsichtigt die Deutsche Bundespost, künftig noch Aufträge in diesen Bereichen zu vergeben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, auch hier möchte ich, wenn der Herr Kollege einverstanden ist, die Fragen 21 und 22 gemeinsam beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, sind Sie einverstanden?
— Dann rufe ich auch die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Schedl auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die z. Z. geübte Praxis der Auftragsvergabe für Einmeß- und Zeichenarbeiten existenzbedrohende Auswirkungen auf die überwiegend mittelständisch strukturierten Ingenieurbüros hat, und wie beurteilt die Bundesregierung dies auch unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Haar, Parl. Staatsekretär: Die sogenannten Einmeß- und Zeichenarbeiten werden durch die Deutsche Bundespost nur dann an Unternehmer vergeben, wenn die Zahl der eigenen Kräfte zur Erledigung dieser Aufgaben nicht ausreicht. Das Volumen der Einmeß- und Zeichenarbeiten hat sich in den letzten Jahren bei der Deutschen Bundespost erheblich verringert, da die Fernmeldenetze einen hohen Ausbaustand erreicht haben. Es wurden daher Regelungen notwendig, um die Vergabe dem veränderten Arbeitsvolumen und dem in diesem Bereich vorhandenen Personalbestand anzupassen. Das wird grundsätzlich, wenn auch regional — das muß ich einräumen — unterschiedlich, zu einer Reduzierung der von Unternehmern ausgeführten Einmeß- und Zeichenarbeiten führen. Es wird nicht verkannt, daß für Firmen, die sich in der Vergangenheit ausschließlich auf Aufträge der Deutschen Bundespost abgestützt haben, Schwierigkeiten entstehen können. Andererseits muß die Deutsche Bundespost auf die Beschäftigungsmöglichkeiten für ihre eigenen Kräfte ebenfalls Rücksicht nehmen. Die Deutsche Bundespost ist sich ihrer Verantwortung gegenüber den auftragnehmenden Firmen bewußt und wird im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, Härten zu vermeiden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgegeordneter Schedl.
Ist Ihnen oder Ihrem Haus bekannt, daß die Deutsche Bundespost bis unmittelbar vor der drastischen Einschränkung dieser Auftragsvergabe zahlreiche Büros — es dürften etwa 150 in der Bundesrepublik sein — aufgefordert hat, in personeller und in sachlicher Hinsicht ihre Kapazitäten gerade mit dem Blick auf weiter zu erwartende Aufträge der Deutschen Bundespost zu erweitern?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich habe den ersten Teil der Frage akustisch nicht verstanden. Meinten Sie die Wirtschaft oder innerhalb der Post?
Die Bundespost hat bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Aufträge dann drastisch eingeschränkt wurden, etwa 150 bis 200 Büros in allen Bereichen der Bundesrepublik nachhaltig aufgefordert, ihre personellen und sachlichen Kapazitäten weiter munter auszubauen und zu erweitern, weil ein weiterer größerer Auftragseingang von der Bundespost bei diesen Büros zu erwarten sei. Ist Ihnen dies bekannt?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich kenne diese Zahl im Augenblick nicht. Dafür fehlen mir .jetzt die Unterlagen aus den zuständigen Fachreferaten meines Hauses. Aber bei Spitzenbedarf an Einmeß- und Zeichenarbeiten sind natürlich auch private Ingenieurbüros mit Sicherheit vorher, etwa durch die Oberpostdirektionen, auf einen anfallenden Mehrbedarf aufmerksam gemacht worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schedl.
Metadaten/Kopzeile:
7686 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist zumindest in der Überlegung, daß bei der Vergabe von Aufträgen, über die wir hier reden, in Zukunft besondere regionale Schwierigkeiten berücksichtigt werden?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit einen Vorschlag machen: Wenn Sie einen bestimmten Fall oder mehrere Fälle in einer bestimmten Region zum Anlaß der heutigen Fragestellung genommen haben, wäre ich Ihnen für eine schriftliche Übermittlung dieser Fälle dankbar. Ich will das gern überprüfen und Ihnen eine konkrete Antwort geben.
Allgemein möchte ich, was diese Entwicklung und diese Problematik anlangt, noch auf folgendes hinweisen. Die Bundespost wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Belange der privaten Ingenieurbüros auch künftig berücksichtigen. Sie muß jedoch in ihre Überlegungen insbesondere das arbeitsmarktpolitische Ziel einbeziehen, den seit Jahren über den eigenen Bedarf hinaus eingestellten Fernmeldehandwerkern nach Abschluß ihrer Ausbildung möglichst Arbeitsplätze anzubieten, da der Arbeitsmarkt im Bereich Elektrotechnik keine günstigeren Berufschancen bietet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schedl.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme auf Ihr Angebot sehr gerne zurück, Herr Staatssekretär, habe aber nicht etwa nur einen Fall im Auge, sondern die Petition von einer ganzen Reihe Büros.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie müssen eine Frage stellen.
Entschuldigung, Herr Präsident. — Noch eine weitere Zusatzfrage in dem Zusammenhang: Ist in Ihrem Hause bekannt, daß, wenn Sie die Aufträge, die bisher eben an die freie Wirtschaft vergeben wurden, in vollem Umfang durch die Bundespost selbst durchführen lassen wollen, dann eine erhebliche Erweiterung des Personalstammes notwendig wäre bzw. der dafür vorhandene Personalstamm offensichtlich nicht in der Lage wäre, diese Aufgaben durchzuführen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Deutsche Bundespost denkt nicht daran — das haben bereits die Antworten auf Ihre bisherigen Zusatzfragen ergeben —, in eigener Regie alle diese Arbeiten durchführen zu lassen. Daß der Umfang der Einmeß- und Zeichenarbeiten mittelfristig weiter abnehmen wird, läßt sich aus der Entwicklung natürlich in etwa ersehen. Hier kann ich nur sagen: Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen, da der Bedarf an Investitionen und damit die Zahl der Bauvorhaben angesichts des schon erreichten Ausbaustandes der Fernmeldenetze auch künftig geringer werden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß, falls die Angaben des Kollegen Schedl zutreffen, daß die Bundespost andere Betriebe zunächst aufforderte, eine Expansion vorzunehmen und sich auf größere Aufträge einzustellen, die dann allerdings nicht erteilt wurden, sich aus einem solchen Verhältnis eine Regreßinanspruchnahme von seiten der privaten Firmen ergeben könnte?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich kann nicht unterstellen, daß eine solche Aufforderung in Einzelfällen ergangen ist, ohne nachher auch mit Zusatzaufträgen zu kommen. Ich lasse das .in jedem Fall genau überprüfen, Herr Kollege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Schirmer auf:
Darf ich — auf der Grundlage ihrer Absicht, im Jahr 1979 je zwei Sonderbriefmarken mit Zuschlag zugunsten der Stiftung Deutsche Sporthilfe herauszugeben — davon ausgehen, daß die Deutsche Bundespost auch im Olympiajahr 1980 zur Deckung des zusätzlichen Finanzbedarfs der Deutschen Sporthilfe eine größere Zahl von Sportzuschlagmarken herausgeben wird?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, auch hier bitte ich darum, mit Zustimmung des Herrn Kollegen Schirmer beide Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sind Sie einverstanden, Herr Abgeordneter?
Ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich auch die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Schirmer auf:Welche Möglichkeiten sieht die Deutsche Bundespost, um die Einnahmen der Deutschen Sporthilfe durch den Verkauf von Sportzuschlagmarken zu erhöhen?Herr Staatssekretär, bitte sehr.Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Sondermarkenausgaben für das Jahr 1980 werden frühestens Anfang Januar 1979 bei der Vorbereitung des Sondermarkenprogramms 1980 festgelegt. Der Bundespostminister wird dann mit den beteiligten Ressorts und den Institutionen eingehend erörtern, welche Möglichkeiten es für Sportzuschlagsmarken unter Beachtung des Gesamtausgabevolumens für 1980 geben wird.Die Ausgabe weiterer Zuschlagsmarken zugunsten des Sports ist nicht unproblematisch, da sich die Zahl der Interessenten für Zuschlagsmarken nicht beliebig vermehren läßt, es sei denn, es werden neue Käuferschichten aktiviert. Diese Möglichkeit müßte gerade in der großen Sportorganisation vorhanden sein. Der Einsatz von Spitzensportlern selbst und der Sportler aller Disziplinen für die Spitzenkönner müßte sportbegeisterte Bürger davon über-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7687
Parl. Staatssekretär Haarzeugen können, daß der Kauf von Sportzuschlagsmarken zu einer sinnvollen Unterstützung des Sports selber führt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schirmer.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort folgern, daß Sie eine Empfehlung für die Herausgabe einer größeren Zahl von Sportzuschlagsmarken zur Grundlage der von Ihnen genannten und bevorstehenden Erörterungen machen werden?
Haar, Parl. Staatssekretär: Der Bundespostminister, Herr Kollege, wird mit den beteiligten Ressorts und Institutionen eingehend erörtern, welche Möglichkeiten es dafür unter Beachtung des Gesamtausgabevolumens, das schon erörtert worden ist, im Jahre 1980 geben wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schirmer.
Herr Staatssekretär, werden Sie bei den Erörterungen mit den zu beteiligenden Ressorts und Institutionen auch darauf hinweisen, daß zusätzliche Förderungsmittel besonders deshalb geboten sind, weil nach herrschender Meinung die gesamtstaatliche Repräsentanz bei den Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid und Moskau durch Leistung und durch Auftreten unserer Sportler angestrebt werden sollte?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich möchte Ihre Argumentation gern übernehmen und sie für die weiteren Gespräche berücksichtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Böhm.
Herr Staatssekretär, behandelt die Bundesregierung diese Frage auch unter dem Gesichtspunkt, daß Zuschläge bei Briefmarken praktisch eine Sondersteuer für Philatelisten, d. h. Briefmarkensammler, darstellen, da diese, wenn sie an einer kompletten Sammlung interessiert sind, ständig gezwungen werden, erhebliche Mittel — wenn auch für anerkannt nützliche und gute Zwecke — aufzuwenden?
Haar, Parl. Staatssekretär: Sie dürfen überzeugt sein, daß auch das bei allen Erörterungen eine Rolle spielt. Denn auch diese Gruppen bringen in der Diskussion, die öffentlich geführt wird, ihre Auffassung zur Geltung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Scheffler.
Ist es richtig, Herr Staatssekretär, daß niemand gezwungen ist, eine Sondermarke zu kaufen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, bei den Verhandlungen mit anderen Ressorts und besonders auch den freien Trägern den Präventivcharakter des Sports vor allem in der Jugend- und der Sozialarbeit herauszustellen? Und können Sie mit mir einiggehen, daß die Spitzensportler immer auch aus dem kleinen Verein und dem Breitensport kommen?
Haar, Parl. Staatssekretär: Ich teile diese Auffassung mit Ihnen. Im übrigen geht es hier im Grunde ja auch um die Unterstützung des Breitensports selbst, Frau Kollegin, wie wir auch andere Erwartungen zu erfüllen versuchen. Aber das muß in einem Rahmen bleiben. Wir können aus Gründen, die in der Zusatzfrage angeklungen sind, welche vor Ihrer Zusatzfrage gestellt worden ist, nicht Jahr um Jahr einen gewissen Rahmen für die Herausgabe sogenannter Sondermarken überschreiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Böhm.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß Briefmarkensammler, die eine komplette Sammlung erstreben — das ist der Sinn des Sammelns — und deshalb darauf angewiesen sind, alle Marken zu erwerben, den Wert ihrer Sammlung beträchtlich herabsetzen, wenn sie aus finanziellen Gründen gezwungen sind, auf den Erwerb einiger Marken zu verzichten?
Haar, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben in der Tendenz mit Sicherheit recht, was den Wert vollständiger oder unvollständiger Jahressammlungen von Briefmarken anlangt. Andererseits darf ich darauf hinweisen, daß sich die Zahl der Briefmarkensammler in unserem Land — das gilt aber nicht nur für die Bundesrepublik — beträchtlich erhöht hat. Daraus läßt sich schließen, daß völlig unabhängig von der sozialen Schichtung der Briefmarkensammler in diesem Land ein Interesse besteht, Sammlungen geschlossen zu erwerben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Schirmer, auch Ihnen steht in der Tat noch eine Zusatzfrage zu. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß durch die Herausgabe der Sonderbriefmarken zugunsten des Sports keine Mindereinnahmen bei den Marken für die Wohlfahrtsverbände und für die Jugend entstanden sind?Haar, Parl. Staatssekretär: Das kann ich bestätigen.
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7688 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
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Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Kittelmann auf. — Der Abgeordnete ist nicht da. Herr Staatssekretär, ich bitte, die Frage schriftlich zu beantworten. Dasselbe gilt für Frage 28. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Bei den Fragen 29 und 30 hat der Fragesteller, der Herr Abgeordnete Regenspurger bereits um schriftliche Beantwortung gebeten; auch hier werden die Antworten als Anlage abgedruckt.
Wir stehen damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Höhmann zur Verfügung.
Ich rufe Frage 31 des Herrn Abgeordneten Broll auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Verordnung über den Staatlichen Museums-Fonds der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. April 1978, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 14, am 9. Mai 1978, enthaltene Behauptung, „zum Staatlichen Museums-Fonds gehören auch museale Objekte und Sammlungen, die ihren ursprünglichen Standort in musealen Einrichtungen auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik haben und sich infolge von Verlagerungen oder aus anderen Gründen gegenwärtig nicht in diesen Einrichtungen bzw. nicht auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik befinden, sie sind ebenfalls Volkseigentum", und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. gedenkt sie zu ergreifen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Broll, der in der Verordnung über den Staatlichen Museums-Fonds implizierte Anspruch ist von der DDR schon wiederholt öffentlich vorgetragen worden. Die Bundesregierung hat ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, mit der DDR über die gegenseitige Rückführung kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter zu verhandeln.
Hierbei können jedoch die Bestände der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht einbezogen werden. Die Bundesregierung hat wiederholt, zuletzt am 23. Februar 1978 in der Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, festgestellt, daß über die Bestände der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Rahmen des alliierten Rechts und durch bundesgesetzliche Regelung in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht Verfügungen getroffen sind. An diesem Standpunkt hält die Bundesregierung unverändert fest.
Die Bundesregierung wird ihren Standpunkt weiterhin in geeigneter Weise vertreten. In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen, daß gegenwärtig die Stellungnahme vorbereitet wird, die der Innenausschuß des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung am 31. Mai 1978 von der Bundesregierung erbeten hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Herr Staatssekretär, wie verhält sich nach Ihrer Meinung diese Verordnung zum Grundlagenvertrag mit der DDR, der ja in Art. 6 das Verbot enthält, Hoheitsakte zu tätigen, die in das Gebiet des jeweils anderen Staates eingreifen?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich hatte gesagt, daß die Bundesregierung eine ausführliche Stellungnahme vorbereitet. Ich möchte dieser Stellungnahme nicht vorgreifen und teile Ihnen mit, daß am 19. Juni eine Ressortbesprechung, zu der der Innenminister eingeladen hat, stattfinden wird. Sie werden sicher noch in der kommenden Woche eine genauere Auskunft erhalten können, die dann zwischen mehreren Ressorts abgestimmt ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Broll.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß das lange Zögern der Bundesregierung mit ihrer Antwort auf diese Verordnung in der DDR und im übrigen auch in unserer Öffentlichkeit falsche Eindrücke erwecken könnte?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Ich glaube nicht, denn die Bundesregierung hat nicht lange gezögert, sondern hat durch ihren Pressesprecher gleich nach dem 12. Juni, nachdem diese Verordnung veröffentlicht worden war, eine Erklärung abgeben lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Herr Staatssekretär, mit Bezug auf Ihre Antwort stelle ich doch die Frage, über welche Gegenstände die Bundesregierung mit der DDR verhandeln will, damit diese Gegenstände zusammengeführt werden.
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es gibt eine Reihe von Kulturgütern, die während des Krieges verlagert worden sind. Dazu gehören bestimmte Kulturgüter, die eigentlich der Stadt Lübeck gehören, aber auch andere Kulturgüter aus Städten der DDR, die hier bei uns lagern. Die Bundesregierung hat immer erklärt, sie sei bereit, darüber zu verhandeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wernitz.
Herr Staatssekretär, können Sie in etwa sagen, wann diese umfangreichere Stellungnahme der Bundesregierung dem Innenausschuß vorliegen wird?Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es gibt ein Prinzip, daß ein Ressort nicht in den Aufgabenbereich eines anderen hineinredet. Hier ist der Innenminister angesprochen, und deshalb möchte ich Sie bitten, eine solche Frage dann auch an den Innenminister zu richten.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7689
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz .
Herr Staatssekretär, können Sie die Auffassung der Bundesregierung zu der Frage mitteilen, warum die DDR es ausgerechnet jetzt für angezeigt hielt, die Verordnung über den Museumsfonds so, wie es jetzt geschehen ist, zu veröffentlichen?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, da bin ich überfragt, denn ich gehöre nicht der Regierung der DDR an.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Bei der Frage 32 hat der Fragesteller, der Abgeordnete Dr. Wittmann , um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Teilt die Bundesregierung die Sorge des evangelischen Kirchenbunds in der DDR, daß der von der DDR-Regierung geplante „Wehr-Unterricht", der an allen DDR-Schulen obligatorisches Schulfach werden soll, der Erziehung der jungen Deutschen drüben zum Haß gegen die Bundesrepublik Deutschland und zur Erzeugung und Vertiefung eines entsprechend einseitigen Feindbilds benutzt werden wird, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung auf Grund von mit der DDR geschlossenen Verträgen, bei der DDR-Regierung einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Jäger, die Bundesregierung beobachtet Tendenzen zu einer Militarisierung und Verstärkung von Feindbildern in der DDR mit Aufmerksamkeit und Sorge. Sie hat jedoch nicht die Absicht, Stellungnahmen des Evangelischen Kirchenbundes in der DDR zu Vorgängen in der DDR zu kommentieren.
Es besteht rechtlich keine Möglichkeit zur Einwirkung auf die Regierung der DDR hinsichtlich der Gestaltung des Unterrichts in den Schulen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, wie läßt sich diese Ihre Auffassung, daß es keine rechtliche Einwirkungsmöglichkeit gibt, damit in Einklang bringen, daß Art. 13 des zwischen uns und der DDR verbindliches Völkerrecht darstellenden Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ausdrücklich das Recht der Eltern garantiert, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihrer eigenen Überzeugung sicherzustellen? Das ist doch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR geltendes Völkerrecht.
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, da Sie sich in der Sache sehr informiert haben,
wird Ihnen auch eine Stellungnahme der CDU der DDR bekannt sein, in der erwartet wird, daß eine solche Aktion, von der Sie jetzt sprechen, in Übereinstimmung mit den Eltern gefunden werden soll. Daß dieses ein Problem ist, zu dem wir innenpolitisch schlecht Stellung nehmen können, wissen Sie auch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die martialische Rede, die der Verteidigungsminister der DDR, General Hoffmann, vor wenigen Tagen gerade speziell zu diesem Thema gehalten hat, die Befürchtungen der Evangelischen Kirche in der DDR vollauf bestätigt hat?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgegeordneter Böhm.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die geplanten Maßnahmen im Wehrunterricht der DDR im Zusammenhang mit Art. 1 des Grundlagenvertrags, in dem sich die DDR zur guten Nachbarschaft mit der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat, wenn sie jetzt hier, wie Sie sagen, eine verstärkte Erziehung zum Haß gegen die Bundesrepublik Deutschland durchführen läßt?
Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, dieses ist, glaube ich, zunächst nicht so sehr ein schulisches Problem, sondern ein Problem der in der DDR üblichen außerschulischen Erziehung bei den Jungen Pionieren und bei der Freien Deutschen Jugend. Die Bundesregierung sieht diese Entwicklung mit Sorge und wird dieser Sorge auch bei entsprechender Gelegenheit Ausdruck geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, warum Sie es vorhin für angemessen hielten, unter Bezugnahme auf die Frage des Kollegen Jäger eine Stellungnahme der Ost-CDU mit einzufügen, die nach meinem Dafürhalten jedenfalls nicht angemessen war, um die Militarisierung, wie sie in den DDR-Schulen geschieht, zu verteidigen?Höhmann, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, sollte bei Ihnen der Verdacht entstanden sein, ich wolle die Christlich Demokratische Union oder die Christlich-Soziale Union des Bundesgebiets mit der in der DDR gleichsetzen, so will ich gleich diesen Eindruck wieder auslöschen, denn das war nicht beabsichtigt. Es war nur die bisher eindringlichste und eingehendste Stellungnahme, die man von einer Partei der DDR überhaupt gehört hat.
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7690 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Scheffler auf:
Auf welche Weise will die Bundesregierung helfen, Berlin zu einem Zentrum der Nachrichtentechnik zu machen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Scheffler, Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt. Die Maßnahmen, die die Bundesregierung beabsichtigt bzw. bereits durchführt, um Berlin zu einem Zentrum der Nachrichtentechnik zu machen, konzentrieren sich auf folgende Bereiche: die Vergabe zukunftweisender Forschungsvorhaben, den Transfer von Forschungsergebnissen in Berliner Firmen, die Durchführung nachrichtentechnischer Modellvorhaben, die Berlin in beispielhafter Weise mit einer modernen Infrastruktur ausstatten.
Erste Schritte auf diesem Weg hat die Bundesregierung 1973 mit der Entscheidung eingeleitet, das Heinrich-Herz-Institut in Berlin fachlich neu zu orientieren und in eine vom Bund und Land Berlin getragene Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik umzuwandeln. Bei den oben zitierten Maßnahmen soll dieses Institut eine wesentliche Rolle spielen. Es bearbeitet mit einer Personalkapazität von 150 Mitarbeitern derzeit Probleme aus den Gebieten Optische Nachrichtentechnik, Digitale Übertragungs- und Vermittlungstechnik, Zweiwegkabelfernsehen und Endgerätetechnik im Rahmen der Technischen Kommunikation.
In Ergänzung hierzu wurden im letzten Jahr verstärkte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von Firmen gefördert, die Forschungskapazitäten auf dem nachrichtentechnischen Sektor in Berlin unterhalten. Die Vorhaben entstammen den Teilgebieten Senderbau, Systemtechnik für mobile Funkdienste und Kabelfernsehtechnik.
Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Förderungsmaßnahmen in den nächsten Jahren zu intensivieren, um zu erreichen, daß neue und zukunftweisende Technologien, wie die der Optischen Nachrichtentechnik, in Berlin im industriellen Sektor neu angesiedelt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Scheffler?
Zu Frage 23 habe ich keine weitere Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Scheffler auf:
Wann will die Bundesregierung ihr Programm „Technische Kommunikation" vorlegen, und welche Ziele verfolgt sie mit diesem Programm?
Herr Staatssekretär!
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Scheffler, die Bundesregierung rechnet mit einem Abschluß der Beratungen des Programmentwurfs, der gemeinsam vom Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen und dem Bundesministerium für Forschung und Technologie erarbeitet wird, noch im Sommer 1978 und wird das Programm dann unverzüglich vorlegen.
Hinsichtlich der im Programmentwurf dargelegten Ziele und Maßnahmen verweise ich auf meine heute im Ausschuß für Forschung und Technologie gemachten Ausführungen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Scheffler.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung heute bereits der Umfang bekannt, in dem sich die finanziellen Aufwendungen auch auf Grund der Untersuchungen der KTK bewegen werden?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Scheffler, für das Programm der Bundesregierung Technische Kommunikation wird von 1977 bis 1978 etwa eine Summe von 360 Millionen DM veranschlagt. Darin sind auch viele Vorschläge der KTK enthalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Scheffler. — Bitte schön!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung gewillt, auf Grund der gewaltigen sozialen und gesellschaftspolitischen Probleme, die im Zusammenhang mit dieser von vielen Wissenschaftlern so genannten Dritten industriellen Revolution auftreten, sorgfältig zu analysieren und eventuell durch ein Forschungsprogramm vorbereiten zu lassen?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Scheffler, die Bundesregierung bereitet alle Forschungsprogramme, die sie auflegt, sehr sorgfältig vor. Die hier von Ihnen gestellte Frage ist sicherlich sehr aktuell. Wenn ich Ihnen das Programm näher darlegen könnte, würden Sie feststellen, daß gerade dem von Ihnen angesprochenen Bereich große Bedeutung beigemessen wird. Dies zeigt das Inhaltsverzeichnis vieler F+T-Programme. Da eine breite Öffentlichkeit über neue Technologien und deren Einführung informiert werden will und muß, sollte darüber hinaus künftig auch darüber öffentlich mehr diskutiert werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7691
Präsident CarstensDie Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Grunenberg sowie 36 und 37 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss sollen nach der Bitte des jeweiligen Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir stehen am Ende Ihres Geschäftsbereichs.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.Als erste Frage aus diesem Bereich rufe ich Frage 40 des Herrn Abgeordneten Walther auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht anwesend. Ich bitte, die Frage — ebenso wie Frage 41 des gleichen Fragestellers — schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Niegel ist nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde nicht zugelassen worden.Ich rufe die Frage 43 der Frau Abgeordneten Hürland auf:Aus welchem Grund sind Spätaussiedler bei der Bewerbung um Einstellung in den Bundesgrenzschutz Deutschen, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, nicht gleichgestellt, und warum müssen sie von ihrer Einstellung in den Bundesgrenzschutz fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, die dem Bundesgrenzschutz zugewiesenen Aufgaben und seine sich hieraus ergebende Sicherheitsempfindlichkeit erfordern die Durchführung einer Überprüfung nach den „Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Bundesbediensteten". Insoweit sind alle Bewerber gleichgestellt. Besondere Regelungen für Zuwanderer bestehen grundsätzlich nicht.
Die Beschäftigung in Dientstellen mit erhöhtem Sicherheitsrisiko setzt jedoch einen ausreichenden Überprüfungszeitraum voraus; in der Regel fünf Jahre. Die Fünfjahresfrist stellt keine starre Festlegung dar. Die Einstellung eines Bewerbers in den Bundesgrenzschutz hängt von der Bewertung aller sicherheitsrelevanten Umstände des Einzelfalles ab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, wie Sie selbst gesagt haben, ist die Fünfjahrefrist keine starre Frist. Es gibt also Ausnahmeregelungen, und ich nehme an, daß sie besonders für Spätaussiedler Geltung haben könnten. Was hat die Bundesregierung unternommen, um sicherzustellen, daß diese Ausnahmeregelung bei den Bundesgrenzschutzkommandos überhaupt bekannt ist und praktiziert wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich gehe davon aus, daß diese Regelung bekannt ist. Sie ist in den Richtlinien, die ich vorhin erwähnt habe, enthalten. Wenn Sie in einem Einzelfall konkreten Anlaß zu einer Beschwerde hätten, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diesen Einzelfall mitteilten, damit ich ihm nachgehen und gegebenenfalls auch die Frage prüfen kann, ob ein zusätzlicher Hinweis auf die von mir dargestellte Rechtslage erforderlich sein sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Ich werde gerne davon Gebrauch machen.
Ist Ihnen nicht bekannt, daß beim Bundesgrenzschutz Hannover z. B. Bewerbern mitgeteilt worden ist, daß für eine Ausnahmegenehmigung zusätzliche Maßnahmen mit einer Dauer von 12 bis 15 Monaten notwendig wären, um eine solche Sache zu prüfen, und wenn Ihnen das bekannt ist, welchen Inhalts sind diese Sondermaßnahmen, die 12 bis 15 Monate dauern?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann nicht ausschließen, daß dieses im Einzelfall wirklich berechtigt für notwendig erklärt wurde. Ich kann einen solchen Fall aber natürlich nur nachprüfen, wenn Sie von meinem Angebot Gebrauch machen und mir das schriftlich mitteilen. Ich sichere Ihnen zu, daß wir das unverzüglich sorgfältig prüfen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen zu Frage 43? — Frau Abgeordnete Berger.
Herr Kollege von Schoeler, sind Sie bereit, auch in Fällen der Bewerbung von Spätaussiedlern z. B. auch bei der Bundeswehr sicherzustellen, daß :bei den auch für diesen Bereich geltenden Sicherheitsrichtlinien immer auf Prüfung und Beurteilung des Einzelfalls abgestellt wird, d. h., daß eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit auch dann übertragen werden kann, wenn seit der Zuwanderung oder Aussiedlung noch keine fünf Jahre verstrichen sind? Das heißt mit anderen Worten: Sind Sie bereit, sicherzustellen, daß sich alle Ressorts an die von der Bundesregierung am 15. Februar 1971 beschlossenen Sicherheitsrichtlinien im Sinne der Kann-Bestimmung halten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, soweit ich sehe, ist der Herr Innenminister für Fragen, die die Bundeswehr betreffen, nicht zuständig. Ich glaube, ich kann die Frage nicht zulassen.Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.Dann darf ich mitteilen, daß die folgenden Fragen schriftlich beantwortet werden sollen: Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Volmer, Frage 46 des Abgeordneten Dr. Jentsch , Frage 47 des Abgeordneten Dr. Laufs, Frage 48 des Abgeordneten Krey, Frage 49 des Abgeordneten Dr. Langguth, Frage 50 des Abgeordneten Dr. Eyrich, Frage 51 des Abgeordneten Berger (Herne), Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Spranger, Frage 54 des Abgeordneten
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7692 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Präsident CarstensDr. Jentsch und Frage 55 des Abgeordneten Berger (Herne). Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Langguth auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Unterzeichnung einer Vereinbarung über die weitere Gestaltung der internationalen Beziehungen zwischen dem Zentralrat der „Freien Deutschen Jugend" und dem Bundesvorstand der Deutschen Jungdemokraten, die laut „Neues Deutschland" vom 24. April 1978 anläßlich des Besuchs einer Delegation der FDJ unter Leitung von Gunter Rettner, Sekretär des Zentralrats der FDJ, getroffen wurde, und ist auch durch dieses neuerliche Treffen zwischen FDJ und DJD die Notwendigkeit einer Erwähnung der DJD-Kontakte zur FDJ im Verfassungsschutzbericht des Jahrs 1976 nach Auffassung der Bundesregierung bestätigt worden?Herr Staatssekretär, bitte schön.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur wiederholen, was ich Ihnen, Herr Kollege, an dieser Stelle bereits am 12. April dieses Jahres auf Ihre Frage nach einer Beurteilung der Kontakte zwischen der FDJ der DDR und den Deutschen Jungdemokraten geantwortet habe. Ich zitiere aus dem Protokoll des Deutschen Bundestages:Die Bundesregierung hat wiederholt betont, daß sie es nicht für ihre Aufgabe hält, die von demokratischen Organisationen der Bundesrepublik Deutschland frei von staatlicher Einflußnahme und in eigener Verantwortung mit Organisationen in der DDR vereinbarten Kontakte zu bewerten.Auch der in Ihrer heutigen Frage bezeichnete Sachverhalt gibt der Bundesregierung keine Veranlassung, diese grundsätzliche Haltung zu ändern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Da aber im Verfassungsschutzbericht des Jahres 1976 die Kontakte der Deutschen Jungdemokraten mit entsprechenden Stellen der FDJ sehr deutlich erwähnt wurden, stelle ich jetzt im Zusammenhang mit einem neuerlichen Treffen der Deutschen Jungdemokraten mit der FDJ erneut die Frage, ob Sie die bisherige Erwähnung der Jungdemokraten im Verfassungsschutzbericht für sinnvoll und richtig gehalten haben und daß dies auch in Zukunft erfolgen wird.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie mißverstehen die Antworten der Bundesregierung, die Ihnen mehrfach auf ziemlich gleichlautende Fragen gegeben worden sind, in immer der gleichen Weise wieder. Ich möchte deswegen ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit die Verhaltensweisen von Mitgliedern demokratischer Jugendorganisationen, die nicht Gegenstand der Beobachtung durch die zuständigen Sicherheitsbehörden sind, nicht zum Gegenstand amtlicher Wertung gemacht hat und auch nicht etwa politische Zensuren erteilt hat. Sie gedenkt auch nicht, dies in Zukunft zu tun. Sie wird sich dazu auch durch keine Ihrer Fragen bewegen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da es in meiner Frage nicht in erster Linie um die Verhaltensweisen der Deutschen Jungdemokraten, sondern um die Westarbeit der SEW und der FDJ geht, stelle ich noch einmal die Frage, ob Sie es auch nachträglich für richtig halten, daß die Kontakte von FDJ und SEW mit den Deutschen Jungdemokraten in der Vergangenheit im Verfassungsschutzbericht erwähnt wurden.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, was die Westarbeit der SED und der FDJ betrifft — das ist in der Tat eine korrekte Fragestellung —, hat der Verfassungsschutzbericht des Bundesministers des Innern immer entsprechende Passagen enthalten, und dies wird auch in Zukunft so sein. Den Inhalt dieser Passagen werden Sie bei der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts für das vergangene Jahr sehen.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, da sich die Jungdemokraten nach ihrer eigenen Aussage stets geweigert haben, sich etwa als Bestandteil der FDP zu bezeichnen, und da sie deswegen auch nicht das Parteienprivileg einer demokratischen Partei genießen, frage ich, ob die Bundesregierung angesichts dieser Rechtslage nicht zu einer anderen Beurteilung kommt, wenn eine solche Organisation in den Verdacht gerät, in sicherheits- und verfassungsmäßiger Hinsicht problematische Beziehungen zu unterhalten.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat nicht den Verdacht und sie hat keinerlei Anlaß zu dem Verdacht, daß die Deutschen Jungdemokraten in dem in Ihrer Frage gemeinten Sinne in irgendeiner Richtung verfassungsmäßig bedenklich wären. Deswegen besteht für die Frage kein Anlaß und für eine Antwort noch weniger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.Ich darf mitteilen, daß die Fragen 57 und 58 vom Fragesteller zurückgezogen worden sind.Ich rufe die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Schartz auf:Ist die Bundesregierung in das Genehmigungsverfahren für das Kernkrattwerk Cattenom im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum eingeschaltet worden, und in welchem Planungs- bzw. Ausführungsstadium befindet sich dieses Projekt?Herr Staatssekretär.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7693
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung wurde von der Regierung der Republik Frankreich über die französischen Planungen zur Errichtung eines Kernkraftwerkes in Cattenom an der Mosel unterrichtet. Die Bundesregierung hat der französischen Regierung die deutsche Interessenlage und insbesondere den zu gewährleistenden Schutz der im Grenzgebiet lebenden deutschen Bevölkerung verdeutlicht. Sie wird auch weiterhin ihre Möglichkeiten nutzen, um jede unzulässige Gefährdung der im grenznahen Raum lebenden deutschen Bevölkerung auszuschließen.Entsprechend vorliegenden Informationen ist geplant, in Cattenom zunächst zwei Kernkraftwerke von je 900 Megawatt elektrischer Leistung zu errichten. Das Genehmigungsverfahren ist nach hiesigen Informationen noch nicht eingeleitet worden, Vielmehr wird zunächst ein Vorverfahren durchgeführt, welches zum Ziel hat, das Vorhandensein eines öffentlichen Interesses an der Errichtung eines Kernkraftwerkes zu klären. Je nach Zeitpunkt einer eventuellen Bauentscheidung könnten statt der beiden 900-Megawatt-Blöcke auch zwei Blöcke des neuen französischen 1 300-Megawatt-Standardkernkraftwerkes in Cattenom vorgesehen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön, Herr Abgeordneter Schartz, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden; wenn ich feststelle, daß die Bundesregierung nicht direkt in die Planungen und in das Genehmigungsverfahren eingeschaltet war?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, eine direkte Beteiligung deutscher Stellen an Genehmigungsverfahren, die sich nach französischen Vorschriften vollziehen, ist der Natur der Sache nach nicht möglich. Es gab und gibt aber Gespräche in der deutsch-französischen Kommission, die die generell dabei auftauchenden Fragen, insbesondere des notwendigen Schutzes der Bevölkerung, betreffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schartz.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Bestimmungen in der Republik Frankreich über die Sicherheit von Kernkraftwerken nicht den deutschen Bestimmungen einschlägiger Art entsprechen, daß also in Frankreich weniger sicher gebaut werden kann, als dies in Deutschland der Fall ist, um es einmal einfach auszudrücken?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist Gegenstand der nächsten Frage. Ich würde das gern auch in diesem Zusammenhang beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, wie funktioniert überhaupt die grenzüberschreitende Standortplanung für Kraftwerke auch an anderen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Probleme der grenzüberschreitenden Planung bei Kraftwerken, was das Verhältnis zu Frankreich betrifft, in einer Antwort vom 3. März 1977 im einzelnen dargestellt. So wie Sie diese Frage gestellt haben, müßte jeweils nach dem einzelnen Land unterschieden werden. Es gibt multilaterale Kontakte, es gibt bilaterale Kontakte. Was im einzelnen an Gesprächen stattfindet, um zu einer möglichst weitgehenden Absprache und Information zu kommen, könnte ich Ihnen dann nur an dem jeweils betreffenden Kraftwerk, das Sie interessiert, darstellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Schartz auf:Sind Informationen richtig, nach denen in Cattenom ein Reaktortyp gebaut werden soll, der nicht den bundesdeutschen Sicherheitsvorschriften entspricht?Bitte schön, Herr Staatssekretär.von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die bisherigen Planungen für Cattenom betreffen, wie ich bereits erwähnt habe, zwei Kraftwerksblöcke von je 900 Megawatt mit Druckwasserreaktoren. Reaktoren dieses Typs wurden in Frankreich u. a. auch in Fessenheim am Oberrhein errichtet. Dieser Reaktortyp war Gegenstand eines langjährigen Vergleichs in der deutsch-französischen Kommission mit einem entsprechenden deutschen Druckwasserreaktortyp in Neckarwestheim.Bei diesem Vergleich, dessen Ergebnis vom Bundesminister des Innern veröffentlicht wurde, zeigte sich, daß die an beiden Anlagen gestellten sicherheitstechnischen Anforderungen, wenn auch im Detail unterschiedlich, so doch im wesentlichen durchaus vergleichbar sind, daß teilweise aber unterschiedliche technische Wege zur Erreichung dieser Ziele eingeschlagen werden. Für die verglichenen Anlagen kann unter Berücksichtigung der Vielzahl von Maßnahmen im technischen, organisatorischen und nicht zuletzt im Bereich der Qualitätsgewährleistung und Kontrolle zusammenfassend festgestellt werden, daß der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren bei beiden gewährleistet ist.Ich gehe davon aus, daß im Falle einer Verwirklichung des Kernkraftwerkprojektes Cattenom ein detaillierter Informationsaustausch über die Fragen der Sicherheit und des Strahlenschutzes dieser Anlage in der deutsch-französischen Kommission — wie zuvor im Fall Fessenheim — stattfinden wird und daß hierdurch alle die deutsche Grenzbevölkerung interessierenden Fragen zufriedenstellend und entsprechend der gutnachbarschaftlichen deutschfranzösischen Beziehungen beantwortet werden können.
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7694 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schartz.
Herr Staatssekretär, ist meine Information richtig, daß die Radioaktivität der Abwässer aus Kernkraftwerken in Frankreich um ein Vielfaches höher sein kann, als dies in der Bundesrepublik Deutschland gestattet ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gerne bereit, Ihnen dazu genauere Angaben schriftlich nachzureichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schartz.
Herr Staatssekretär, mein Vorgänger als Wahlkreisabgeordneter in Trier hat dem Bundeskanzler in der Sache Cattenom am 31. Mai 1977 einen Brief geschrieben. Können Sie mir sagen, weshalb der Bundeskanzler diesen Brief bis zum heutigen Tage nicht beantwortet hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich höre von einem Kollegen den Zwischenruf, daß der Brief beantwortet sei.
Angesichts dieser Widersprüche kann ich Ihre Frage leider nicht beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe dann die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage muß schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage 61 und auch die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Steger werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Aus welchem Grund erhalten Witwen, deren Ehemänner im einfachen Dienst beschäftigt waren, nach dem Bundesbeamtengesetz keine Witwenversorgung, wenn sie selbst noch als Angestellte tätig sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Horstmeier, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich Ihre beiden Fragen zusammen beantworten dürfte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe dann auch die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die zulässigen Höchstgrenzen der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge zu überprüfen, und wenn ja, welche Änderungen werden ins Auge gefaßt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mit Ihren Fragen sprechen Sie die Ruhensregelungen nach § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes — bis zum 31. Dezember 1976 § 158 des Bundesbeamtengesetzes — an. Diese Ruhensregelungen sind Ausfluß des im Beamtenversorgungsrecht geltenden Alimentationsprinzips. Das Beamtenversorgungsrecht ist so ausgestaltet, daß auf Grund nur eines Beamtenverhältnisses ein angemessener Lebensunterhalt für den Beamten und seine Hinterbliebenen gewährleistet ist. Bei einer solchen Unterhaltssicherung — z. B. hoher. Anfangssockel des Ruhegehaltssatzes von 35 %, Zurechnungszeit, Mindestversorgung — ist .es aber erforderlich, eine Überversorgung zu vermeiden, wenn mehrere Ansprüche auf Bezüge in einer Person zusammentreffen. Diesem Zweck dienen die Ruhensvorschriften. Dabei orientiert sich die ,Höchstgrenze, bis zu der Versorgungsbezüge neben Einkünften aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst belassen werden, an dem Amt, aus dem sich die Versorgung herleitet.
Hieraus ergibt sich, daß nicht schlechthin Witwen von Beamten des einfachen Dienstes kein Witwengeld erhalten, wenn sie selbst im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Vielmehr hängt die Frage, ob eine Versorgung ganz oder teilweise zum Ruhen kommt, von der Relation zwischen der jeweiligen Höchstgrenze und dem Einkommen aus der Verwendung ab.
Ich darf außerdem darauf hinweisen, daß in die Ruhensregelungen nach § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes eine Mindestkürzungsgrenze eingebaut ist, die für Witwen zur Zeit 2 064,08 DM plus 60 % des Betrages des Gesamteinkommens aus der Versorgung und der Verwendung im öffentlichen Dienst, der diese Höchstgrenze übersteigt, beträgt. Das bedeutet, daß z. B. bei einem Witwengeld von 840 DM dieses erst dann in voller Höhe ruht, wenn das eigene Einkommen aus der Verwendung im öffentlichen Dienst 3 320 DM übersteigt.
Die Bundesregierung beabsichtigt daher, insbesondere im Hinblick auf die oben genannte Mindestkürzungsgrenze und ihre Auswirkungen, nicht, eine weitere Verbesserung der Höchstgrenze vorzuschlagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte schön, eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier. •
Herr Staatssekretär, da das eine alte Regelung ist, frage ich Sie: Muß diese Vorschrift des § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes nicht doch als antiquiert angesehen werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Ich habe darauf hingewiesen, daß ab 31. Dezember 1976 § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die gegenwärtige Regelung unzuträglich wäre; im Gegenteil: Wir halten sie für sachlich angebracht und angemessen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7695
Herr Staatssekretär, es findet aber doch eine unterschiedliche Behandlung der Witwen je nach dem Dienstgrad ihrer verstorbenen Männer statt. Glauben Sie nicht, daß das gegen das Gleichheitsprinzip verstößt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, Sie gehen von einem unvollständigen Sachverhalt aus; denn entscheidend ist immer die Relation zwischen dem Einkommen aus der Verwendung im öffentlichen Dienst auf der einen Seite und dem Witwengeld auf der anderen Seite. Von daher ist nur ein Teil des Problems von Ihnen in Ihrer Frage angesprochen. Das stellt dann den Zusammenhang nicht vollständig und damit falsch her.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Welche Kroaten wurden wann, wo und in welchem rechtlichen Zusammenhang in jüngster Zeit mit dem Ziel der Auslieferung an Jugoslawien verhaftet?
Auf Grund eines am 25. Mai 1978 bei der Bundesregierung eingegangenen Auslieferungsersuchens wurden folgende jugoslawische Staatsangehörige kroatischer Volkszugehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland festgenommen: Stjepan Bilandzic am 26. Mai 1978 in Köln auf Grund einer Festhalteanordnung des Generalstaatsanwalts — seit dem 5. Juni 1978 besteht ein Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts Köln —, Ljubomir Dragoja in der Nacht vom 28. zum 29. Mai 1978 in Frankfurt am Main — es besteht vorläufiger Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 1978 —, Nikola Milicevic in der Nacht vom 28. zum 29. Mai 1978 in Frankfurt am Main — es besteht vorläufiger Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 1978 — und' Martin Ilija Papac am 2. Juni 1978 in Karlsruhe auf Grund einer Festhalteanordnung des Generalstaatsanwalts ; seit dem 8. Juni 1978 -besteht Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts Karlsruhe.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß einige ,der in Deutschland verhafteten Kroaten fast zur gleichen Zeit in der Nacht aus den Betten geholt und — nach ihren Angaben — gefesselt und ohne Angabe von Gründen — zumindest zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung — abgeführt wurden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Mir sind nähere Angaben über die Festnahme nicht bekannt. Sie dürfen aber sicher sein, daß ,das nicht nur nach Recht und Gesetz, sondern auch in humaner Weise erfolgte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Trifft es zu, daß der von Ihnen genannte Kroate Stjepan Bilandzic, der auch nach Ihren Angaben am Fronleichnamstag verhaftet wurde, erneut verhaftet wurde, obwohl er wegen einer einschlägigen Sache bereits eine Haftstrafe von drei Jahren abgesessen hatte, also eine res iudicata vorliegt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine res iudicata vorliegt; aber wenn Sie mir detailliert nennen, was Sie unter „einschlägiger Sache" verstehen, bin ich gern bereit, Ihnen dies schriftlich zu beantworten.
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Ich rufe die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Becher auf:
Mit welchen Gründen kann die Bundesregierung den Verdacht entkräften, daß ein rechtspolitisches Kompensationsgeschäft zwischen dem Begehren nach Auslieferung der in jüngster Zeit verhafteten Kroaten und der in Jugoslawien verhafteten deutschen Terroristen im Gange war bzw. ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Sowohl die Bundesregierung als auch die jugoslawische Regierung haben verschiedentlich zum Ausdruck gebracht, daß die beiderseitigen Auslieferungsersuchen ausschließlich nach Maßgabe des geltenden deutschjugoslawischen Auslieferungsvertrages vom 26. November 1970 und des jeweils innerstaatlich geltenden Rechts zu beurteilen und zu behandeln sind. Nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland kommt eine Auslieferung nur in Betracht, wenn sie von dem zuständigen Oberlandesgericht als zulässig festgestellt ist. Der deutsch-jugoslawische Vertrag enthält keine Regelungen, auf Grund derer die Auslieferung in einem Einzelfall von einer Auslieferung in umgekehrter Richtung abhängig gemacht werden könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becher.
Herr Staatssekretär, ich möchte eine Frage nach dem Motiv der plötzlichen Verhaftung stellen: Ist es reiner Zufall, daß die schlagartige Polizeiaktion erst nach dem Zeitpunkt der Verhaftung der deutschen Terroristen in Jugoslawien und nicht vorher durchgeführt wurde?Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es obliegt der Bundesregierung nicht, die Motive ausländischer
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7696 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Parl. Staatssekretär Dr. de WithStaaten zu prüfen, wenn ausländische Staaten entsprechende Auslieferungsersuchen an unseren Staat stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, sprechen nicht alle Indizien und die mittlerweile uns übermittelten Darlegungen in deutschen Zeitschriften, im deutschen Fernsehen dafür, daß Jugoslawien, welches nach übereinstimmenden Berichten in den letzten Jahren eine Zufluchtstätte deutscher Terroristen war, die nunmehr gestellten Terroristen erst dann verhaften ließ, als feststand, daß man sie gegen kroatische Regimegegner eintauschen könne?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich dachte, ich hatte mit großer Deutlichkeit klargemacht, daß es überhaupt keine Anhaltspunkte für ein Tauschgeschäft gibt. Sowohl die jugoslawische Seite als auch die Bundesrepublik Deutschland haben deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Auslieferungsersuchen nach dem von mir skizzierten Vertrag abgewickelt werden würden. Ich darf auch darauf verweisen, daß der bisherige Auslieferungsverkehr reibungslos gelaufen ist und schon daher Anhaltspunkte dafür nicht vorhanden sind, daß es hier zu dem kommt, was Sie erwähnt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da weitere Zusatzfragen nicht gestellt werden, rufe ich die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Hält die Bundesregierung eine Überprüfung und Anpassung der Richtlinien zur wirksameren Bekämpfung von Mietpreiserhöhungen nach § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes an die Rechtsprechung für erforderlich, und bis wann ist mit einer derartigen Anpassung zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Richtlinien zur wirksameren Bekämpfung von Mietpreisüberhöhungen nach § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes sind von den zuständigen Ministern und Senatoren der Länder, d. h. zumeist den Wirtschaftsministern, zum Teil den Bau- und Innenministern, erlassen worden. Die Länder haben diese Richtlinien inzwischen auf Referentenebene geprüft und sind in Übereinstimmung mit den beteiligten Bundesressorts zu der Auffassung gelangt, daß eine Änderung angebracht erscheint. Insbesondere sind sie zu dem Ergebnis gekommen, daß die Verwaltungsbehörden in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens, ob eine Mietpreisüberhöhung als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll, in der Regel dann von der Verfolgung oder Ahndung absehen können, wenn das geforderte Entgelt im Einzelfall die ermittelten ortsüblichen Entgelte für vergleichbare Räume nicht um mehr als 20 % überschreitet. Bis wann mit einer Änderung der Richtlinien zu rechnen ist, vermag ich nicht anzugeben, da dies letztlich Sache der Länder ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß mit dieser Regelung das vom Gesetzgeber ursprünglich beabsichtigte Modell der Vergleichsmiete deshalb nicht zu realisieren ist, weil bei der Neuvermietung Marktpreismieten über Angebot und Nachfrage nicht zustande kommen können, da der Vermieter nicht frei ist und ihm Grenzen gesetzt sind?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich bin der Auffassung, daß sich die von Ihnen angesprochenen Mieterbestimmungen beruhigend auf den Mietermarkt ausgewirkt und ihre Bewährungsprobe, soweit das bisher ersichtlich ist, auch bestanden haben. Ich denke nicht, daß die von Ihnen weiter herangezogenen Vorschriften hindernd eingreifen.
Im übrigen darf ich darauf verweisen, daß die Bundesregierung im Jahre 1979 einen Bericht abgeben wird. Dies wird sie pünktlich tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schneider.
Herr Staatssekretär, tritt die Bundesregierung der Meinung der Unterhändler der Beamten, bei, die festgestellt haben, es liege dann keine Erhöhung vor, wenn die Miete nur die Kosten decke?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kenne die Meinung dieser Beamten nicht. Ich möchte aber deutlich machen, daß auch die Bundesregierung der Meinung ist, daß nach Überprüfung von Zeit zu Zeit Anpassungen zu erfolgen haben, daß diese Anpassungen aber im wesentlichen der Verantwortung der Länder unterliegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der notwendigen Anpassung der Richtlinien sicherzustellen, daß die Vermieter nicht in den Fällen, in denen sie lediglich kostendeckende Mieten verlangen, gemäß § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, auch wenn die kostendeckenden Mieten die ortsüblichen Entgelte im Sinne dieser Vorschrift nicht unwesentlich übersteigen sollten?
Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Länderreferenten haben weiter beschlossen, ihren Ministern vorzuschlagen, in den Richtlinien anschließend an die Bestimmung, daß die Gestehungskosten bei der Feststellung der vergleichbaren ortsüblichen Mieten außer Betracht bleiben, den Satz anzufügen:
Für unverschuldete Härtefälle wird auf § 47 Abs. 1 OWiG hingewiesen.
Ein solcher Hinweis auf das Opportunitätsprinzip soll bewirken, daß von einer Verfolgung und Ahndung abgesehen wird, wenn die Kosten des Vermieters ohne dessen Verschulden die ortsüblichen Entgelte für vergleichbare Mietobjekte überschreiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schneider.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7697
Aus den Protokollen der Verhandlungen über eine Neuregelung der Richtlinien geht aber hervor, daß der Vermieter möglicherweise selbst dann wegen Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße belegt werden kann, wenn er nur kostendeckende Mieten verlangt.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Bisher ist das, was angesprochen ist — wenn ich es so ausdrücken darf —, noch in der Mache. Wir müssen sehen, wie die endgültigen Formulierungen lauten. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es einmal darum geht, die Wuchervorschriften zu wirksamen Instrumenten zu machen, und daß auf der anderen Seite Schäden zum Nachteil der Vermieter nicht entstehen dürfen. Ich bin ganz sicher, daß — wie bisher — auch hier eine gesunde Mitte getroffen werden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Staatssekretär, da nach den §§ 302 ff. des Strafgesetzbuches Mietwucher ohnedies als Straftat belangt werden kann, frage ich Sie: Ist die Bundesregierung bereit, bei der Festlegung der Richtlinien sicherzustellen, daß der Vermieter nicht diskriminiert wird, der bei der Festsetzung seiner Miete die Maßstäbe der Kostendeckung, die nach der Zweiten Berechnungsverordnung für den sozialen Wohnungsbau gegeben sind, in Anspruch nimmt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Zunächst einmal ist es überwiegend Sache der Länder, sich entsprechend zu einigen und diese Richtlinien auszugestalten. Der Bundesregierung kommt zwar die Federführung zu, aber, wie ich noch einmal sagen möchte, keineswegs die Hauptverantwortung. Gleichwohl dürfen Sie sicher sein — ich beziehe mich auf das, was ich bereits ausgeführt habe —, daß die Bundesregierung alles tun wird, um zu ausgewogenen Richtlinien zu kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung im Rahmen der eigenen Verantwortung, um Schaden von Deutschland zu wenden, geprüft, ob der Gutachter im Spionageverfahren Helge Berger die Tragweite der Verratstätigkeit zutreffend beurteilt oder aber in ihrer Tragweite verkannt bzw. unzureichend beurteilt hat?
Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die rechtliche Beurteilung, ob die Verratstätigkeit von Frau Helge Berger als Landesverrat oder geheimdienstliche Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall zu werten ist, oblag nicht dem Sachverständigen, sondern dem allein hierfür zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf. Dieses Gericht hat sich dabei auch der Hilfe eines Sachverständigen bedient, die Bewertung der Taten von Frau Berger jedoch als unabhängiges Gericht in eigener Verantwortung vorgenommen. Die Bundesregierung hat keine Veranlassung, das in Rechtskraft erwachsene Urteil in Zweifel zu ziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, nachdem ich nicht die Frage gestellt habe, ob die Bundesregierung das Urteil in Frage stellt, frage ich noch einmal, ob sie im Rahmen der eigenen Verantwortung als Dienstherr und in ihrer rechtlichen und politischen Verantwortung, alle Rechtspositionen Deutschlands zu wahren und Schaden von Deutschland abzuwenden, geklärt hat, ob die Auffassungen des Gutachters zutreffen, oder ob sie die Dinge aus eigener politischer Verantwortung anders sehen muß.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich denke, Herr Kollege, meine Antwort war klar und deutlich genug.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Hat sich der Bundesanwalt bei der Anklage auch auf einen Gutachter gestützt, nachdem er wegen Landesverrats angeklagt hatte?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es sollte nicht meine Sache sein, vor diesem Parlament den Prozeß nachzuvollziehen. Sie dürfen aber sicher sein, daß der Bundesanwalt die Vorschriften streng und genau beachtet hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesanwaltschaft sich bei ihrer abweichenden Beurteilung der Verratstätigkeit in der Anklageschrift als Landesverrat von Staatsgeheimnissen im Spionagefall Berger auf einen anderen Gutachter gestützt als das Gericht, oder stützte sich die Bundesanwaltschaft bei ihrer sachlichen Beurteilung der Tragweite der Verratstätigkeit nicht auf einen Gutachter?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Bundesanwaltschaft hat in ihrer Anklageschrift den später auch vom Gericht bestellten Gutachter benannt. Es ist richtig, daß die Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift Landesverrat in zwei Fällen angenommen hat. Auf Grund der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise, u. a. des Gutachtens des Sachverständigen, sind die Sitzungsvertreter der Bundesanwaltschaft übereinstimmend mit dem Gericht jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß der gegen Frau Berger erhobene Vorwurf des Landesverrats in zwei Fällen nicht aufrechterhalten werden konnte. Es ist im übrigen nicht selten, daß die auf Grund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in der Anklage vorgenommene rechtliche Bewertung eines Sachverhalts durch das Ergebnis der Hauptverhandlung auch von der Anklagebehörde revidiert wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
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7698 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Hat es also zwei Gutachter gegeben, die die Frage „Gefahr schwerer Nachteile oder Landesverrat" ursprünglich unterschiedlich beurteilt haben?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen die Frage nicht detailliert beantworten. Ich gehe nach meinen Unterlagen davon aus, daß es ein einziger Gutachter war. Ich bin aber gern bereit, Ihre Frage noch einmal genau zu prüfen und Ihnen eine schriftliche Antwort zu erteilen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Würden Sie die Sache nicht gerade von der Verantwortung, und zwar im eigenen Bereich der Bundesregierung, für besonders gravierend halten wenn es ursprünglich zwei Gutachten und abweichende Gutachten gewesen wären?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es kann nicht meine Aufgabe sein, hypothetische Fragen zu beantworten, noch dazu zu einem Prozeß, der rechtskräftig abgeschlossen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Hat die Bundesregierung in ihrem eigenen amtlichen Verantwortungsbereich geprüft, ob die Möglichkeit der Einflußnahme auf den Prozeßgutachter im Sinne einer deutschlandpolitisch wesentlich geringeren Wertung der Tragweite des Verrats von Frau Berger angesichts der hohen politischen Brisanz der Angelegenheit ausgeschlossen werden kann, nachdem er abweichend von der Bundesanwaltschaft die Agententätigkeit nicht als Landesverrat beurteilte?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Dazu bestand kein Anlaß. Die Beurteilung, ob Frau Helge Berger Landesverrat begangen hat oder wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall zu verurteilen ist, hatte allein das hierfür zuständige Oberlandesgericht in Düsseldorf vorzunehmen. Das Gericht ist — im übrigen in Übereinstimmung mit den Sitzungsvertretern der Bundesanwaltschaft — auf Grund der Hauptverhandlung, in der auch der von der Bundesanwaltschaft benannte und vom Gericht bestellte Sachverständige sein Gutachten erstattet hat, zu dem Ergebnis gelangt, daß der ursprünglich von der Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift erhobene Vorwurf des Landesverrats in zwei Fällen nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Diese Entscheidung hat das unabhängige Gericht und nicht ein Sachverständiger getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesanwaltschaft angewiesen worden, wegen des von ihrer. Anklage abweichenden Schuldspruchs des Oberlandesgerichts Düsseldorf keinen
Revisionsantrag in diesem Spionagefall Berger zu stellen und dadurch den Konsens zu ermöglichen, der nach § 267 Abs. 4 der Strafprozeßordnung eine abgekürzte Urteilsbegründung erlaubt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe keinen Anhaltspunkt für eine derartige Weisung, wie überhaupt Weisungen ganz außerordentlich selten sind. Ich bin aber gern bereit, um Ihre Frage präzis beantworten zu können, dieser Sache noch einmal nachzugehen und Ihnen die Frage schriftlich zu beantworten. Wenn ich es richtig sehe, stand sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Ihrer Hauptfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Umstände waren nach der Prüfung durch die Bundesregierung für diesen in einem Strafprozeß ja außerordentlich seltenen Konsens vor einer Urteilsfällung zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft maßgebend?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich bin nicht Prozeßbeobachter gewesen. Ich möchte das, was ich bereits zur Beantwortung einer anderen Frage gesagt habe, hier wiederholen: daß es nicht meine Aufgabe sein kann, Prozesse, noch dazu rechtskräftig abgeschlossene, hier vor dem Parlament nachzuvollziehen.
: Sicher, wenn Sie
danach gefragt werden!)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, würden Sie in die zugesagte Prüfung auch aus eigener Verantwortung der Bundesregierung, Schaden von Deutschland zu wenden, die Frage einbeziehen ob es unter Staatsgeheimnisverrat fällt, wenn relevante Tatsachen, die ganz Deutschland betreffen, verraten werden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Sie dürfen davon ausgehen, daß sich der Kanzler und alle Mitglieder der Bundesregierung an ihren Amtseid gebunden fühlen und streng darauf achten, daß dies nicht in Zweifel gezogen werden kann. Aber ich bin hier nicht in der Lage, hypothetische Fragen zu beantworten.
: Sie sollen prüfen!)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 73. des Herrn Abgeordneten Schmidt auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht anwesend. Dann bitte ich um schriftliche Beantwortung; das gleiche gilt für die Frage 74. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Präsident Carstens
Herr Bundesminister der Finanzen, wir haben noch eine Minute Zeit. Ich denke, wir vertagen die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich auf morgen.
Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz für die Beantwortung der Fragen und schließe die Fragestunde.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 2 unserer Tagesordnung auf. Nach der Ihnen vorliegenden Tagesordnung sind die zweite und dritte Beratung des Nachtragshaushaltsgesetzes 1978 vorgesehen. Gemäß § 94 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung findet jedoch über Nachtragshaushaltsvorlagen keine dritte Beratung statt. Ich rufe deshalb auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1978
— Drucksachen 8/1801, 8/1890 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses
— Drucksache 8/1908 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Haushaltsausschuß hat mich beauftragt, die Berichterstattung für den Nachtragshaushalt 1978 zu übernehmen. Er verzichtet seinerseits nach gründlicher Behandlung der Vorlage im Ausschuß selbst auf eine eingehende Debatte hier, zumal das Plenum erst vor 14 Tagen am 1. Juni 1978 die Materie schon diskutiert hat.Der Nachtragshaushalt hat folgende Schwerpunkte. Die Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus hat sich aus vielerlei Gründen erheblich verschlechtert. Die Unternehmen der saarländischen Stahlindustrie müssen dringend umstrukturiert werden. Beide Bereiche sollen im Interesse einer langfristigen Sicherung der Betriebe und ihrer Arbeitsplätze befristete Haushaltsmittel, besonders Investitionshilfen, erhalten, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Schwierigkeiten zu überwinden. Mit einem Sonderprogramm im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sollen im Saarland zusätzliche Ersatzarbeitsplätze außerhalb der Eisen- und Stahlindustrie geschaffen werden. Zur Verbesserung der Kapitalstruktur erhält der Salzgitter-Konzern — Alleinaktionär der Obergesellschaft ist bekanntlich der Bund — eine weitere Kapitalzuführung, um Umstrukturierungsmaßnahmen möglich zu machen. Für die deutsche Seefischerei, deren akute Schwierigkeiten bekannt sind, sind Sofortmaßnahmen notwendig. Sie sind zunächst auf drei Jahre befristet. Ferner wird in diesem Nachtragshaushaltsplan die Arbeitsaufnahme in Berlin zusätzlich gefördert.Der Haushaltsausschuß hat im Ausgabenbereich gegenüber dem Regierungsentwurf kaum Änderungen vorgenommen. Es bestand Einvernehmen darüber, daß die vorgesehenen Aufgaben dringend erforderlich sind.Der Haushaltsausschuß hat auch die in dem Entwurf beantragten 137 Planstellen und Stellen für den Verteidigungsbereich bewilligt. Die Planstellen und Stellen werden benötigt, weil auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 13. April dieses Jahres zur Wehrdienstnovelle erneut Prüfungsausschüsse und Prüfungskammern einzurichten sind. Der Haushaltsausschuß hat jedoch die. Planstellen und die Stellen mit einem kw-Vermerk — bei Wegfall der Aufgabe — versehen.Die noch nicht besetzten acht Planstellen und Stellen im Bundesamt für Zivildienst wurden gestrichen. Ein Antrag der Mitglieder der CDU/CSU des Haushaltsausschusses, auch die 129 Stellen, die nun im Bundesamt für Zivildienst verbleiben, mit einem kwVermerk zu versehen, wurde mit Mehrheit abgelehnt. Der Ausschuß war sich aber darüber einig, daß er den Stellenplan des Bundesamts für Zivildienst im Rahmen der Haushaltsberatungen 1979 besonders gründlich prüfen wird.Wenn auch der Haushaltsausschuß bei den Ausgaben kaum Änderungen vorgenommen hat, so war er doch nicht damit einverstanden, daß mehr als zwei Drittel der Ausgaben dieses Nachtragsetats durch Erhöhung der Nettokreditaufnahme finanziert werden sollten. Er hat sich deswegen besonders um die Deckung der Ausgaben gekümmert. Die Regierungsvorlage sah insgesamt Mehrausgaben von rund 939 Millionen DM vor. Hiervon sollten 231 Millionen DM durch Einsparungen besonders wegen der Verschiebung der Europawahl um ein Jahr und wegen der neuen Konzeption des Energieprogramms finanziert werden. Der größere Teil aber sollte durch eine weitere Erhöhung der Nettokreditaufnahme gedeckt werden. Um das zu verhindern, wurden weitere Einsparungsmöglichkeiten gesucht und schließlich auch gefunden. Nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses, die Ihnen in der Drucksache vorliegen, wird also die Nettokreditaufnahme des Bundes durch den Nachtragshaushalt nicht erhöht. Die Deckung der zusätzlichen Ausgaben wird vielmehr bei Titeln gefunden, bei denen jetzt, in der Mitte des Haushaltsjahres, erkennbar ist, daß Kürzungen vertretbar sind. Insgesamt wurden so weitere 708,7 Millionen DM eingespart.Soweit im übrigen in der Vorlage globale Minderausgaben bei den Einzelplänen 11, 31 und 60 vorgesehen wurden, geschah dies nur, um dem Finanzminister etwas mehr Bewegungsmöglichkeit einzuräumen. Die Sachbereiche, auf die sich die Kürzungsvorschläge bei den genannten Einzelplänen beziehen, sind jedoch in der Ausschußberatung klar markiert worden. Insofern handelt es sich keineswegs etwa nur um eine Aufstockung der globalen Minderausgaben, die der Finanzminister ohnehin erwirtschaften muß.
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7700 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
WindelenIch erspare es Ihnen, meine Damen und Herren, die Kürzungsvorschläge hier im einzelnen noch einmal vorzutragen. Sie finden Sie in der Berichterstattervorlage ohnehin gedruckt wieder.Dieser Nachtragshaushalt will Schäden in wichtigen Wirtschaftsbereichen verhindern und gleichzeitig gefährdete Arbeitsplätze sichern. Es galt, sehr schnell zu handeln, um größere Schäden zu vermeiden. Dies ist mit der Vorlage des Nachtrags gelungen. Die erste Lesung war am 1. Juni dieses Jahres. Heute, vierzehn Tage später, können wir die Vorlage verabschieden. Das Parlament und der Haushaltsausschuß haben damit bewiesen, daß sie rasch handeln können, wenn es das Wohl unserer Bürger erfordert.
Dies kann aber — ich sage das mit Blick auf die Regierungsbank — nicht als Aufforderung an die Bundesregierung mißverstanden werden, auch in Zukunft die Belastbarkeit des Parlaments und seiner Ausschüsse beliebig zu erproben.
In der Regel muß genügend Zeit für eine gründliche Beratung und für ein sorgfältiges Abwägen gesichert sein.
Die Bundesregierung wollte die dringenden, die unabweisbaren zusätzlichen Ausgaben, wie ich schon erwähnt habe, zu zwei Dritteln durch höhere Neuverschuldung decken. Die Nettokreditaufnahme dieses Haushaltsjahres 1978 hätte dann die Summe von 31 500 Millionen DM erreicht.
Der Haushaltsausschuß wollte dies nicht. Er hatte ja schon bei der Beratung des laufenden Haushalts folgendes einstimmig beschlossen und dem Bundestag empfohlen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit der Vorlage des Entwurfes des Haushaltsplanes für das Jahr 1979 und der Fortschreibung des Finanzplans für die Jahre bis 1982 darauf hinzuwirken, daß der Haushalt des Bundes unter Berücksichtigung des Art. 115 des Grundgesetzes dauerhaft konsolidiert wird. Dazu muß der Schuldenzuwachs mittelfristig abgebaut werden und die Neuverschuldung des Bundes niedriger liegen als bisher.Der Bundestag hat diese Entschließung dann im übrigen auch einstimmig angenommen. Gewiß, oft nimmt das Parlament seine eigenen Entschließungen nicht allzu ernst. Der Haushaltsausschuß hat diese Entschließung ernst genommen, und er hat sich auch bemüht, danach zu handeln.
Er ist dabei einmütig zu dem Ihnen vorliegenden Ergebnis gekommen. Er wollte damit einen Beitrag zur Versachlichung der Arbeit des Bundestages, zur Straffung der Parlamentsdebatte und zum Abbau von Konfrontation dort, wo sie von der Sache her nicht geboten ist, leisten.
Er wollte damit zugleich jene widerlegen, die da sagen, daß Parteien und Fraktionen nur streiten könnten, und jene, die sagen, daß Politiker nur dann rasch und einig handeln könnten, wenn es um ihren eigenen Status und um ihre Diäten ginge, nicht aber dann, wenn drängende Sorgen unserer Bürger auf der Tagesordnung stünden.
Meine Damen und Herren, dieser Beschluß war keineswegs selbstverständlich. Auch der Finanzminister hatte sich ja bemüht, die Mehrausgaben möglichst weitgehend durch Kürzungen zu decken, um die explosive Neuverschuldung wenigstens zu bremsen. Schuldenmachen bedeutet ja nichts anderes als Belastungen in die Zukunft zu verschieben und heute schon das zu verbrauchen, was morgen erst erarbeitet werden muß.
Der Haushaltsausschuß wollte diesen bedenklichen Weg nicht weitergehen. Er hat deswegen auch die Mahnungen der Ausschußobleute, der Kollegen Haase, Hoppe und Löffler, die in der ersten Lesung des Bundeshaushalts von dieser Stelle aus ausgesprochen wurden, ernst genommen; auch diese Fähigkeit des Bundestages wird ja zuweilen angezweifelt.Ich selbst darf mich bei meinen Ausschußkollegen für die konzentrierte und gründliche Vorarbeit und auch dafür bedanken, daß sie mir die gemeinsame Berichterstattung übertragen haben. Zwar legt das mir in meiner Wortwahl und meinem Temperament einige Schranken auf, aber das werde ich ertragen. Ich will das mir übertragene Vertrauen auch nicht mißbrauchen, aber ich bitte dennoch darum, einige kurze persönliche Bemerkungen anfügen zu dürfen.Die Opposition hat schon öfter ihre Mitarbeit auch bei schwierigen Entscheidungen des Parlaments angeboten. Dies kann die Verantwortlichkeiten von Koalition und Opposition und den Führungsauftrag der Bundesregierung selbstverständlich nicht berühren. Diese Bereitschaft der Opposition, die auch für die Zukunft besteht, würde aber zerstört, wenn jede Konkretisierung möglicher Alternativen zu Diffamierungszwecken mißbraucht würde. Ich habe selbst erfahren, wie bitter dies zuweilen ist.
Dies würde es der Opopsition schwermachen, zu notwendigen Entscheidungen, so wie heute, im Parlament verantwortlich beizutragen.Ein Wort zum Schluß. Wir stehen mit dieser gemeinsamen Beschlußvorlage ganz sicher nicht am Beginn einer neuen Ara des deutschen Parlamentarismus. Auch in Zukunft wird und muß in diesem Hause über Ziele und über Wege der Politik hart diskutiert und, wenn es von der Sache her erforderlich ist, auch gestritten werden. Das wird ganz sicher schon bei der Beratung des nächsten Bundeshaushalts so sein müssen, da Haushaltspläne ja die in Zahlen ausgedrückte Politik einer Regierung sind.Natürlich will eine Opposition nicht nur eine andere Politik, sondern auch eine andere Regierung — das ist in allen demokratischen Ländern so —, sonst
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7701
Windelenhätte sie ja wohl ihre Aufgabe verfehlt. Das darf aber nicht heißen, meine Damen und Herren, daß auch dort gestritten werden muß, wo eine Verständigung im Interesse unseres Volkes möglich wäre. Dafür wollten mit dieser Vorlage die Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses ein bescheidenes Zeichen setzen.Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zum Nachtragshaushalt 1978 in der Fassung der Beschlüsse des Haushaltsausschusses.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu Beginn ein Wort des Dankes an die Mitglieder des Ausschusses und an den Vorsitzenden des Ausschusses sage. Der Ausschuß hat durch die zügige Behandlung des Ihnen vorliegenden Nachtragshaushalts 1978 seinen Beitrag dazu geleistet, daß der Verkündung des Gesetzes bis Mitte Juli — selbstverständlich vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats — nichts mehr im Wege steht.Ich will auch einiges, was Sie, Herr Kollege Windelen, gesagt haben, z. B. über die Schulden, nicht bestreiten. Das wäre ja ein merkwürdiger Finanzminister, der gerne Schulden macht. Seine Bewegungsfreiheit wird ja dadurch eingeschränkt.Ich würde aber, wenn dies der Zeitpunkt dazu wäre, doch gern darüber streiten und diskutieren, ob vom volkswirtschaftlich-politischen Standpunkt aus Ihre Bemerkung, Schulden seien der Verzehr dessen, was erst in Zukunft erarbeitet werden muß — wenn ich das so richtig verstanden habe —, als zutreffend angesehen werden kann.
Wenn es eine Lehre gibt, Herr Kollege Windelen, die wir aus der Krise der 30er Jahre doch wohl alle gemeinsam gezogen haben — die bürgerliche Ökonomie, verkörpert durch den englischen Ökonomen Keynes und seine Schüler und die Wachstumstheoretiker, die ihm gefolgt sind —, dann doch wohl die, daß der Zentralstaat und die anderen öffentlichen Hände in einer Situation, wo die freiwillige Ersparnis größer ist als die freiwillige Investion, die Verpflichtung haben, Kredite aufzunehmen,
um auf diese Weise multiplikative Einkommensverminderungsprozesse zu verhindern
und sogar einen Anstoß zu geben, damit aus dem Kreislauf heraus ein sich selbst tragender und ein sich selbst verstärkender Wirtschaftsaufschwungsprozeß in Gang kommen kann.
Aber darüber können wir einmal diskutieren.
— Mit den Zwischenrufen, die bisher gemacht wurden, möchte ich mich gern einmal theoretisch-ökonomisch auseinandersetzen. Ich glaube, diese Auseinandersetzung werde ich so schlecht nicht bestehen.Der Nachtragshaushalt mit seinem Volumen von 940 Millionen DM ermöglicht es der Bundesregierung, wichtige struktur- und beschäftigungspolitische Hilfsmaßnahmen für einige besonders krisengefährdete Bereiche unserer Volkswirtschaft rechtzeitig in Angriff zu nehmen. Er trägt damit dazu bei, daß bestimmte Einbrüche vermieden werden. Mit seiner Hilfe, mit unserer Hilfe ist es möglich, daß z. B. auf absehbare Zeit Zechenstillegungen, die sonst unabwendbar gewesen wären, unterbleiben können. Das ist doch wohl sehr wichtig für die Situation im Ruhrgebiet und im Saarland.
Die Maßnahmen beschränken sich nicht auf das laufende Haushaltsjahr; sie sind zum überwiegenden Teil — wie es anders nicht sein kann — mittelfristig angelegt. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß die erheblichen Mittel, die der Bund hier über die ursprünglichen Haushaltsansätze hinaus zur Verfügung stellt, dauerhafte Wirkungen erzielen können.Die Bundesregierung hat im fortgeschriebenen Energieprogramm und seither bei vielfältigen Anlässen immer wieder die bedeutende Rolle betont, die unsere heimische Kohle — trotz ihrer aktuellen Schwierigkeiten — in unseren energiepolitischen Überlegungen hat. Wir haben die Pflicht, angesichts der absehbaren Erschöpfung der Ölreserven die Option der Nutzung des Energieträgers Kohle für die 80er Jahre offenzuhalten. Auch mit dem Ihnen vorliegenden Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes, der sich insoweit mit der Regierungsvorlage deckt, wird dokumentiert, daß der Bund dieser nationalen Aufgabe — ich möchte auch an unsere europäischen Nachbarn gerichtet sagen: dieser gesamteuropäischen Aufgabe, die vielleicht auch einmal bei anderen Diskussionen berücksichtigt werden sollte — gerecht wird. Er trägt damit zur langfristigen Zukunftssicherung bei, und zwar auch dann, wenn diese langfristige Zukunftssicherung am durchaus legitimen und notwendigen betriebswirtschaftlichen Kalkül zu scheitern droht.Als vom Umfang her wesentlichste kurzfristige Maßnahme zugunsten der Kohle sieht der Nachtragshaushalt eine Aufstockung der Kokskohlenbeihilfe um 314 Millionen DM vor. Die schwierige Lage der Stahlindustrie, der Kostenanstieg im Bergbau und die Währungssituation haben bewirkt, daß der Preis für Kokskohle auf dem Weltmarkt weit unter dem kostendeckenden Preis der deutschen Steinkohle liegt. Die Förderbeihilfe für die Lieferung von Kokskohle an Stahlunternehmen gleicht diesen Nachteil im wesentlichen aus und ermöglicht der Stahlindustrie damit weiterhin die Abnahme deutscher Kokskohle. Damit bleiben Förderkapazitäten
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7702 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Bundesminister Matthöfererhalten, die wir später vielleicht einmal sehr dringend nötig haben werden. Arbeitsplätze im deutschen Steinkohlenbergbau werden dadurch gesichert.
Über die laufende Förderung hinaus muß sichergestellt werden, daß im Bergbau auch die notwendigen Investitionen erfolgen können, zu denen sich die Unternehmen in der gegenwärtigen Lage nicht mehr imstande sahen. Im Zeitraum von 1978 bis 1981 werden ,die investiven Hilfen für den Steinkohlenbergbau deshalb um über 2 Milliarden DM aufgestockt. Dieser Nachtragshaushalt sieht eine erste Rate für diese zweckbestimmten Mittel in Höhe von 348 Millionen DM vor. Hinzu kommen 20 Millionen DM zur Verstärkung der Forschungs-und Entwicklungstätigkeit und zur Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Bergbaus.Der zweite Problembereich, der die Einbringung dieses Nachtragshaushalts erforderlich gemacht hat, sind die besonderen Schwierigkeiten der Stahlindustrie. Vor allem saarländische Stahlunternehmen sind durch Ausmaß und Dauer der Absatzkrise schwer getroffen. Hier sind hohe Investitionen notwendig, um eine Anpassung an die veränderte Weltmarktlage noch rechtzeitig und unter Vermeidung einer Beschäftigungskrise zu vollziehen. Der Nachtragshaushalt sieht zur Förderung dieser Investitionen, die eine grundlegende Neugliederung saarländischer Stahlunternehmen ermöglichen, 1978 eine erste Rate von 48,8 Millionen DM vor, denen bis 1982 weitere vier Jahresraten von je 48 Millionen DM folgen werden.Der Nachtragshaushalt enthält ferner einen Betrag von 27 Millionen DM zur Aufstockung des Umstrukturierungsprogramms Stahl der EGKS und weiweitere 20 Millionen DM als Teilbetrag für ein neues Programm der Bundesregierung zur Förderung der Stahlforschung, das mit einem Gesamtfördervolumen von 120 Millionen DM in Angriff genommen wird. Verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet von Forschung, Entwicklung und Innovation, insbesondere Verbesserung der Produktionsverfahren und der Stahlqualität, sind zur Sicherung und Verbesserung der Stellung unserer Stahlindustrie im internationalen Wettbewerb unerläßlich.Der Erleichterung notwendiger Umstellungs- und Anpassungsprozesse durch entsprechende Investitionen und damit der Wettbewerbsfähigkeit und der Sicherung von Arbeitsplätzen dient auch die vorgesehene Kapitalzuführung in Höhe von 100 Millionen DM an die Salzgitter AG. Der Bund sieht sich hier als Mehrheitsaktionär den gleichen Wünschen gegenüber, die auch andere Unternehmen der Stahlindustrie an ihre Anteilseigner richten, um den notwendigen Spielraum für unerläßliche Investitionen zu behalten.Hervorzuheben sind schließlich noch besonders die Maßnahmen für die Seefischerei. Wegen der Entwicklung des Seerechts und des sehr schwierigen Zustandes der Fischbestände sind Soforthilfen für die deutsche Seefischerei erforderlich. Im Rahmen eines zunächst auf drei Jahre befristeten Programmswerden rund 98 Millionen DM zusätzlich bereitgestellt. Davon entfallen rund 87 Millionen DM auf Sofortmaßnahmen und 11 Millionen DM auf die Erkundung neuer Fanggebiete. Aus diesem Programm können z. B. Zuschüsse zur Neuausrichtung der Fischereitätigkeit unserer Seefischerei finanziert sowie Abwrack- und Stillegungsprämien zur endgültigen bzw. zeitweiligen Verringerung der Fangkapazität gezahlt werden. Für 1978 ist nunmehr ein Teilbetrag von 28 Millionen DM vorgesehen.Über die grundsätzliche Notwendigkeit aller dieser Fördermaßnahmen gibt es, soweit ich sehe, keinen Streit. Zur finanziellen Deckung der zusätzlichen Ausgaben sollen bereits nach dem Regierungsentwurf in Höhe von 231 Millionen DM Kürzungen von Ausgabeansätzen erfolgen. Im übrigen hatte die Bundesregierung eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme vorgeschlagen. Ich hatte aber schon in meiner Einbringungsrede darauf hingewiesen, daß wir dem Ausschuß dabei helfen würden, zusätzliche Beträge zu finden. Ich glaube, Herr Vorsitzender des Haushaltsausschusses, dies ist auch erfolgt. Ich freue mich, daß unsere gemeinsamen Bemühungen den Erfolg gehabt haben, obwohl ich einige Schönheitsfehler durchaus sehe. Ich hoffe, daß wir auf diese Art und Weise die Nettokreditaufnahme in der Tat beschränken können. Diese Vorschläge beziehen sich auf Ansätze, bei denen die Ist-Ausgabeentwicklung des laufenden Haushaltsjahres Minderausgaben erwarten läßt. Wir haben uns als Bundesregierung diesen angebotenen Alternativen nicht verschlossen. Wir haben dabei geholfen. Wir begrüßen diese Vorschläge.Ich bitte Sie um Zustimmung zum Nachtragshaushalt in der Ihnen vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen Fassung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mine Damen und Herren, das Wort wird nicht weiter gewünscht. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung in zweiter Beratung. Ich rufe die Nachträge zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1978 auf, und zwar die Einzelpläne 06, 08, 09, 10, 11, 12, 14, 23, 25, 30, 31, 32, 33 und 60 sowie den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1978, § 1 Nr. 1 bis 3 in der Ausschußfassung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist einstimmig beschlossen.Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/1912 auf. Es wird beantragt, in § 1 nach der Nr. 3 eine neue Nr. 3 a einzufügen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/1912 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Zustimmung zu diesem Änderungsantrag fest.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7703
Präsident CarstensIch rufe § 1 Nr. 4 bis 6, §§ 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Bestimmungen sind einstimmig angenommen. Damit ist der Nachtragshaushalt 1978 in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Nachtragshaushaltsgesetz 1978 ist damit einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen
— Drucksache 8/1634 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/1916 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Waigelb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/1891 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidhuber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erdölbevorratung als ein Instrument der Krisenvorsorge beschäftigt den Deutschen Bundestag heute zum wiederholten Mal.Neben der sogenannten Bundesrohölreserve mit einem Bevorratungsziel von 10 Millionen Tonnen, das allerdings noch lange nicht erreicht werden wird, ist die Vorratshaltung im Bereich der privaten Wirtschaft, bei den Verarbeitern und Importeuren von Erdöl und Erdölprodukten, der Schwerpunkt der Krisenvorsorge hinsichtlich des Energieträgers Mineralöl. Das in der EG-Richtlinie vom 20. Dezember 1968 in Aussicht genommene Bevorratungsvolumen entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch von 90 Tagen. Damit können — eventuell in Verbindung mit Einsparungsmaßnahmen — zumindest kürzere Versorgungskrisen bewältigt werden.Die CDU/CSU-Fraktion hat die Ziele der Bevorratungspolitik als eines wesentlichen Elements der gesamten Energiepolitik von Anfang an bejaht, unterstützt und mitgestaltet. Wir geben daher auch dem heute abschließend zu beratenden Entwurf eines Gesetzes über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen unsere Zustimmung, wenn auch unter Hinweis auf Bedenken und unter Anmeldung gewisser Wünsche.Der Entwurf sieht die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vor, der die Verarbeiter und Importeure von Erdöl und Erdölprodukten als Pflichtmitglieder angehören. Dieser Erdölbevorratungsverband übernimmt den größten Teil der Bevorratung, nämlich für eine Reichdauer von 65 Tagen, und finanziert sie aus Mitgliedsbeiträgen, die als Kosten auf die Verbraucher weitergewälzt werden sollen. Die Erdölbevorratung der Wirtschaft wird also in Zukunft als öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Allerdings werden auch in Zukunft die Verarbeiter von Mineralöl noch eine Bevorratungspflicht von 25 Tagen ihrer durchschnittlichen Produktion haben.Mit dieser Umstellung des Bevorratungssystems werden zwei Ziele verfolgt, nämlich erstens: Die Disparität in der Belastung der unterschiedlichen Gruppen von Vorratspflichtigen — Mineralölkonzerne auf der einen Seite und sogenannte unabhängige Importeure auf der anderen Seite — soll beseitigt werden. Dies ist bekanntlich durch die Bevorratungsgesetze von 1965 und 1975 nicht vollständig gelungen, was in der Folgezeit zu mehreren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geführt hat. Nach dem jetzt gewählten System soll es in Zukunft Wettbewerbsnachteile aus der Bevorratungspflicht nicht mehr geben. Zweitens: Die hohe Kapitalbindung durch die Bevorratung wird abgebaut. In diesem Zusammenhang muß auch gewürdigt werden, daß sich der Einstandspreis für Mineralöl seit 1973 etwa vervierfacht hat. Damit werden in der Mineralölwirtschaft erhebliche Mittel für Investitionen bzw. für Konsolidierungsmaßnahmen frei, was angesichts der Ertragslage vieler Mineralölgesellschaften von großer Bedeutung ist.Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen zwischen den beteiligten Kreisen der Wirtschaft. Er trägt in mancher Hinsicht Züge eines Kompromisses. Bei dieser Art von Gesetzgebung drängt sich manchmal die Frage auf, ob nicht das Parlament auf die Funktion eines Notars reduziert wird, der den außerhalb der staatlichen Sphäre ausgehandelten Interessenabgleich zur Kenntnis nimmt und ihn in das Gewand einer Rechtsnorm kleidet. Dadurch haftet • manchen wirtschaftspolitischen Maßnahmengesetzen der Ruch eines mühsam zusammengebastelten Vergleichs an, was sich in der Schwerfälligkeit und mangelnden Präzision der modernen Gesetzessprache niederschlägt.Ein solcher Kompromiß wurde z. B. im vorliegenden Fall beim sogenannten offenen Ausweis der Bevorratungskosten geschlossen. Die Mineralölwirtschaft hat sich für eine Verpflichtung aller Handelsstufen zum offenen Ausweis der Bevorratungskosten auf den Rechnungen ausgesprochen, um eine Überwälzung dieser Kosten auf den Endverbraucher sicherzustellen. Der Ausschuß hat sich aus ordnungs-
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7704 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Schmidhuberpolitischen und wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht entschließen können, diesem Wunsch zu folgen. Gleichwohl ist in den Übergangsvorschriften, nämlich in § 41 Abs. 7, festgelegt worden, daß die Satzung — die Satzung des Erdölbevorratungsverbandes — vorsehen kann, für eine Übergangszeit von einem Jahr den offenen Ausweis auf den Rechnungen vorzuschreiben. Wenn der offene Ausweis ordnungspolitisch bedenklich ist, dann muß dies auch für die zeitlich begrenzte Verpflichtung zum offenen Ausweis gelten. Ob die Überwälzung letzten Endes gelingt — mit oder ohne Ausweis —, bleibt dem Markt überlassen. Was den Markt für Vergasertreibstoff anlangt, so haben die Mineralölgesellschaften schon manche leidvolle Erfahrung machen müssen.Ähnliche Probleme wirft die Regelung des Stimmrechts in der Mitgliederversammlung des Erdölbevorratungsverbandes auf. Das begreifliche Streben nach Ausgewogenheit der Stimmenverhältnisse darf nicht dazu führen, daß wichtige Mitgliedschaftsrechte, z. B. die Möglichkeit der Stimmrechtsübertragung, völlig ausgeschaltet werden. Eine Bestimmung des Regierungsentwurfs, die dies vorsah, wurde in der Ausschußberatung gestrichen, auch deswegen, um nicht von vornherein wieder eine Handhabe für eine Verfassungsbeschwerde zu liefern.Ein nicht ganz durchschaubares Gestrüpp von Interessen ist die Regelung des Ersterwerbs von Vorratsbeständen und Lägern durch den Bevorratungsverband. In § 38 des Gesetzentwurfs wird den vorratspflichtigen Unternehmen ein Erstandienungsrecht eingeräumt, in das mittelbar auch die Tanklagerhalter einbezogen werden sollen, die für Vorratspflichtige am 31. Dezember 1977 Mineralöl oder Mineralölprodukte eingelagert haben. Dabei ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung, zu welchem Preis und zu welchem Zeitpunkt diese Vorräte übernommen werden sollen.
Diese Frage soll durch Richtlinien des Beirats geregelt werden, die allerdings in diesem Fall gemäß § 15 Abs. 4 der Zustimmung der drei Vertreter des Bundes im Beirat bedürfen.Meine Fraktion geht davon aus, daß im Beirat Entscheidungen getroffen werden, die nicht nur die Belange der Andienungsberechtigten berücksichtigen, sondern auch in angemessener Form die Interessen der Verbraucher, die im Endeffekt die Kosten der Bevorratung tragen.
Der Erdölbevorratungsverband darf nicht zum Selbstbedienungsladen für die Mineralölwirtschaft werden.
Ich kann den Vertretern des Bundes im Beirat nur viel Umsicht und kaufmännisches Fingerspitzengefühl wünschen.Ein zentraler Punkt für die Wirksamkeit des Gesetzes und für die Rechtfertigung des damit verbundenen finanziellen Aufwandes ist die regionale Verteilung der Vorräte und Läger. Ich will nicht ver-kennen, daß infolge der geologischen Gegebenheiten in Norddeutschland die Lagerung von Erdöl in ausgespülten Salzkavernen wesentlich billiger ist als in Tanklagern. Das kann aber für die Lagerung von Vorräten, die der Krisenvorsorge dienen und die deshalb lokal verfügbar sein müssen, nicht der ausschlaggebende Gesichtspunkt sein.
Hier muß die regionale Ausgewogenheit der Vorratsbestände den Vorrang haben. Dies bedeutet, daß alle verfügbaren Tanklagerkapazitäten in Süddeutschland vom Bevorratungsverband herangezogen werden müssen. Selbst wenn diese Forderung erfüllt wird, bleibt noch ein erhebliches Mißverhältnis zwischen Vorratshaltung und Verbrauch bestehen. So hat Bayern am Gesamtverbrauch von Mineralölprodukten in der Bundesrepublik einen Anteil von 19 %, besitzt aber nur 5 °/o des verfügbaren Tanklagerraums.Gegenüber der Forderung nach regionaler Ausgewogenheit haben auch Überlegungen zurückzutreten, die auf eine möglichst umfassende Realisierung des Erstandienungsrechts gerichtet sind. Der Gesichtspunkt der regionalen Allokation der Vorräte ist auch deshalb so wichtig, weil keine Pipeline-Verbindung zwischen Nord- und Süddeutschland besteht. Welche Möglichkeiten für den Bahn- und Straßentransport von größeren Mengen von Mineralölprodukten im Krisenfall bestehen, möchte ich Ihrer Phantasie überlassen.
Wir haben heute bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts eine große finanzielle Anstrengung zugunsten des deutschen Steinkohlenbergbaus unternommen. Eine regionale Ausgewogenheit der Energiepolitik würde es erfordern, daß die lange verschleppten Maßnahmen zur Verbesserung der Energiestruktur in Süddeutschland endlich in Angriff genommen werden.
— Herr Kollege Wolfram, wir haben die unseren schon stillgelegt und uns manchen Ärger erspart.
Mehr als ein Schönheitsfehler ist die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 3, die vorsieht, daß die Einzelheiten der regionalen Verteilung der Vorräte durch Richtlinien geregelt werden, die mit einfacher Mehrheit vom Beirat beschlossen werden können. Dies bedeutet, daß bei dieser wichtigen Frage die Vertreter des Bundes überstimmt werden können. Ich hoffe, daß dieses nicht sachgerechte Ergebnis vom Bundesrat noch korrigiert wird.Lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen finanzpolitischen Gesichtspunkt hinweisen. Mit diesem Gesetz wird wieder ein neuer Sonderfiskus geschaffen. Die Zerfaserung der öffentlichen Finanzwirtschaft schreitet offenbar unaufhaltsam fort. Allein auf dem Gebiete der Energiewirtschaft bestehen noch zwei andere Sonderfisken, für den sogenannten Kohlepfen-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7705
Schmidthubernig und die Altölausgleichsabgabe. Dies sind nur wenige Beispiele für das undurchsichtig gewordene System der öffentlich-rechtlichen Transferleistungen. Sie stellen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur volkswirtschaftlichen Kostenillusion dar, in der sich unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik schon seit längerer Zeit verfangen hat.Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich wünsche diesem Gesetz mehr Erfolg als seinen Vorgängern aus den Jahren 1965 und 1975. Diesem Hohen Hause wünsche ich, daß es sich in absehbarer Zeit nicht mehr mit dieser Materie befassen muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist verständlicherweise schwierig, zu einem Zeitpunkt, wo es um Sein oder Nichtsein bei der Fußballweltmeisterschaft geht, im Parlament und in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit und Interesse für eine energiepolitische Entscheidung zu finden, die für die Sicherheit unserer Energieversorgung im Falle denkbarer Krisen und Versorgungsstörungen wichtig ist.
Namens der SPD-Fraktion erkläre ich, daß wir das vorliegende Gesetz begrüßen und darum bitten, daß es heute möglichst einmütig verabschiedet wird.
Wir danken der Bundesregierung, insbesondere dem Bundeswirtschaftsminister, den beteiligten Verbänden der Mineralölwirtschaft und des Mineralölhandels sowie den Kolleginnen und Kollegen in den beteiligten Bundestagsausschüssen für die sachliche und zügige Beratung.
An diesem Gesetz — hier kann ich mich an das anschließen, was vorher der Kollege Windelen gesagt hat — hat sich einmal mehr gezeigt, wie bei gutem Willen und gegenseitigem Verständnis für Sachprobleme ein sinnvolles Gesetz zustande kommen kann.
Zunächst möchte ich feststellen, daß dieses Gesetz ein wichtiger Bestandteil des Energieprogramms der Bundesregierung ist. Dieses Gesetz gibt uns die Instrumente, Mittel und Methoden, und es schafft die Institutionen, die notwendig sind, um ohne Wettbewerbsverzerrungen eine Rohölbevorratung zu sichern. Die bisherige Regelung hatte nämlich zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen Herstellern und abhängigen Importeuren einerseits und unabhängigen Importeuren andererseits geführt.
Es ist gut, daß sich alle von diesem Gesetz Betroffenen auf eine öffentlich-rechtliche Bevorratungskörperschaft, die sicherlich einer rein staatlichen Bevorratung vorzuziehen ist, geeinigt haben. Das hat die vom Wirtschaftsausschuß am 26. April durchgeführte Anhörung auch bestätigt.
Nur wissen viele Energieverbraucher leider noch nicht ausreichend, daß mit dem Energieträger 01 Risiken verbunden sind. Es ist deshalb nur logisch, daß die mit dem 01 handelnde Wirtschaft in die
Verantwortung für die Rohölbevorratung eingebunden wird und die denkbaren Risiken absichert.
Darüber hinaus müssen natürlich die Ölverbraucher in ihrer Gesamtheit ihren Beitrag leisten. Sie müssen die Kosten der Bevorratung über den Preis bezahlen. Dafür bitten wir um Verständnis. Das ist im Grunde genommen die Zahlung einer Versicherungsprämie für einen denkbaren Störfall in der Ölversorgung.
Bisher oblag die Vorratspflicht dem einzelnen Unternehmen. Das war nicht befriedigend. Das hat zu Verfassungsbeschwerden geführt. Jetzt wird ein Erdölbevorratungsverband gegründet. Die vorratspflichtigen Unternehmen werden Zwangsmitglieder. Die Beiträge werden entsprechend den von einem Unternehmen hergestellten oder eingeführten Mengen berechnet. So trägt jedes Unternehmen entsprechend seinen geschäftlichen Aktivitäten angemessen zur Deckung der Kosten bei. Das führt auch zu einer gleichmäßigen Belastung. Wettbewerbsverzerrungen werden vermieden.
Der Erdölbevorratungsverband wird Pflichtvorräte in Höhe von 65 Tagen Reichdauer halten. Das sind rund 19 Millionen Tonnen. Außerdem werden die Hersteller einen Grundsockel von 25 Tagen an Vorräten halten. Die Lager und Vorräte werden vom Erdölbevorratungsverband angekauft und über re-volvierende Kredite und Anleihen finanziert. Dafür werden schätzungsweise 4 bis 5 Milliarden DM aufzubringen sein. Die laufenden Kosten werden über die Mitgliedsbeiträge gedeckt, die in die Preise der vorratspflichtigen Mineralölprodukte eingehen werden. Die SPD-Fraktion erwartet, daß es keine nennenswerten preislichen Auswirkungen gibt, weil die Mineralölwirtschaft bereits heute mit Bevorratungskosten belastet ist. Ich bitte das Bundeswirtschaftsministerium, die Preisentwicklung unter diesem Aspekt genau zu beobachten.
In diesem Zusammenhang muß ich ein Wort zu dem vor allem von mittelständischer Seite geforderten „offenen Ausweis" der Bevorratungskosten sagen. Die kleinen und mittleren selbständigen Unternehmen und ihre Verbände wissen, daß die SPD-Fraktion alles Mögliche und Vertretbare tut, um die Existenz und Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu sichern. Wir haben auch Verständnis für die aus diesem Kreis geäußerten Befürchtungen, daß durch eine teilweise Nichtweitergabe der Bevorratungskosten der Wettbewerb verfälscht werden könnte. Wenn wir gleichwohl den „offenen Ausweis" nicht in das Gesetz übernehmen konnten, dann hat das viele Gründe. Vor allem sind es rechtliche, ordnungs- und wettbewerbspolitische Gründe. Wir können für die Mineralölwirtschaft keine spezielle Ausnahme vom Kartellgesetz schaffen und damit das Kartellgesetz einschränken.
Ebenso wichtig ist für uns aber auch der Grund, daß ein „offener Ausweis" keinerlei Garantie bieten würde, daß alle vorratspflichtigen Unternehmen die Bevorratungskosten an die Verbraucher weitergeben. In dieser Beziehung wird der Markt ein entscheidendes Wort sprechen. Dabei bin ich optimistisch, was die Leistungsfähigkeit der mittelständischen Mineralölwirtschaft betrifft.
Wolfram
Im übrigen können alle Unternehmen in autonomer Entscheidung die Bevorratungskosten offen in den Rechnungen ausweisen. Wir meinen, daß die im Gesetz im § 41 Abs. 7 vorgesehene Übergangsregelung ausreicht, um den Wünschen der mittelständischen Mineralölwirtschaft zu entsprechen. In der Satzung des Erdölbevorratungsverbandes kann vorgesehen werden, daß für eine Übergangszeit von einem Jahr die Bevorratungskosten auf den Rechnungen getrennt ausgewiesen werden. In einer angemessenen Anlaufphase sind also die Bevorratungskosten und ihr Anteil am Gesamtpreis für die Käufer transparent.
Was die Übertragung des Stimmrechts anbetrifft, so freue ich mich, daß es im Wirtschaftsausschuß noch zu einer einvernehmlichen Regelung mit der Bundesregierung gekommen ist und ein Ausschluß der Stimmrechtsübertragung im Gesetz nicht vorgesehen wird. Ich unterstreiche ferner, daß wir auf eine regional ausgewogene Verteilung von Vorratsraum und Vorratsbeständen Wert legen.
Die gewerblichen Tanklagerhalter haben hinsichtlich des Ersterwerbs von Vorratslagern durch den EBV eine Gleichstellung mit den vorratspflichtigen Unternehmen gefordert. Wir haben eine ausdrückliche Erstreckung des Erstandienungsrechts auf die gewerblichen Tanklagerhalter nicht in das Gesetz geschrieben. Wir gehen aber davon aus, daß Andienungsberechtigte, die am 31. Dezember 1977 zu Zwecken der Pflichtbevorratung Lager von Nichtandienungsberechtigten angemietet haben, diese ebenfalls andienen können.
Wir alle hoffen, daß es zu keinen Krisen in der Energieversorgung kommt. Trotzdem müssen wir Vorsorge treffen. Auf dem Mineralölsektor haben wir die Bundesrohölreserve angelegt, die weiter aufgestockt wird. Die Verbraucher selbst, industrielle wie private, tun gut daran, ausreichende eigene Bestände im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu halten. Die heutige gesetzliche Regelung ist ein wichtiger Bestandteil unserer gesamten Bevorratungspolitik. Diese ist auch im internationalen Vergleich sehr gut und ausgewogen. Sie wissen, daß die Europäischen Gemeinschaften und die Internationale Energieagentur eine Vorratshöhe von 90 Tagen empfehlen. Die Bundesregierung liegt über diesen Zielvorstellungen, und das ist gut.
Für uns ist es in diesem Zusammenhang wichtig, daß wir das öffentliche Problembewußtsein in energiepolitischen Fragen bei optimaler Berücksichtigung des Umweltschutzes wachhalten. Energie sparen, intelligenter Umgang mit Energie, Entwicklung und Einsatz alternativer Energien, umweltfreundliche Technologien, Verringerung des Grades der Importabhängigkeit, Priorität für die heimische Kohle — hier möchte ich als Ruhrgebietsabgeordneter allen Mitgliedern dieses Hauses und der Bundesregierung Dank für die Steinkohlehilfen sagen — sind für uns noch wichtiger.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung deshalb bei der Verwirklichung der in der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms gesteckten Ziele voll unterstützen. Unabhängig davon wünschen wir der Bundesregierung während der in Kürze beginnenden EG-Präsidentschaftszeit viel Erfolg bei ihren Bemühungen in Brüssel, Fortschritte in Richtung- auf eine gemeinschaftliche Energiepolitik zu erzielen.
Die SPD-Fraktion stimmt dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zywietz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit rasanten Steigerungsraten hat das Mineralöl in nur 15 Jahren von 1950 an seinen Anteil an der Gesamtenergieversorgung von 4 % auf über 40 % im Jahre 1965 erhöht und bereits 1969 zu über 50 °/o den Primärenergieverbrauch in der Bundesrepublik abgedeckt. Seit 1965, also ,dem Jahr, in dem der 50 %ige Versorgungsbeitrag durch das Mineralöl absehbar wurde, haben wir ein Bevorratungsgesetz, das heute in eine andere Form gebracht werden soll. Es war gewiß schon in der Mitte der 60er Jahre Ausdruck weitsichtiger Vorsorgepolitik, eine Bevorratungspflicht für die Raffineriegesellschaften und abhängigen Importeure einzuführen — auf dem Hintergrund der Tatsache, daß der 50 %ige Versorgungsbeitrag des Mineralöls zu etwa 95% aus nur wenigen Staaten des Vorderen Orients stammt. Die Deckung von Risiken, die sich aus einer solchen Situation ergeben, durch eine Krisenbevorratung war, so meinen wir, und ist eine richtige Schlußfolgerung und wird es leider voraussichtlich auch 'bleiben.Zehn Jahre nach der Verabschiedung des ersten Gesetzes im Jahre 1965 haben wir hier im Hause 1975 eine Novelle verabschiedet, die zwei Zielsetzungen verwirklichen wollte, erstens auf dem Hintergrund der Erfahrungen des Ölboykotts von 1973 das Bevorratungsniveau von 45 bzw. 65 Tagen auf 70 bzw. 90 Tage anzuheben und zweitens einen Streit zu beenden, der sich daraus ergeben hat, daß die unabhängigen Importeure ihre Belastung nicht für mit den Normen der Verfassung übereinstimmend hielten und das Verfassungsgericht erfolgreich angerufen haben.Heute nun soll durch diese Vorlage dieser hartnäckige Streitpunkt — in dieser Hinsicht bin ich mit dem Kollegen Schmidhuber einer Meinung — ein für allemal und abschließend beseitigt werden, und zwar durch einen Systemwechsel, der von allen Seiten, von allen Parteien des Hauses, aber auch von den Verbänden einvernehmliche Zustimmung erhalten hat.Wir von der FDP sind der Auffassung, daß diese Gesetzesvorlage alles in allem ein gelungener Entwurf ist. In der Zukunft wird eine Bevorratung in der gleichen Höhe wie bislang als Krisensicherheitspolster realisiert, allerdings mit dem Unterschied, daß dies nicht durch die Hersteller und Importeure durchgeführt und von ihnen auch nicht getragen wird, sondern auch die Bevorratung in die Regie einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, in die Regie eines Erdölbevorratungsverbandes über-
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Zywietzgeht. Wir halten dieses System für richtig, das sich in seinen Grundelementen an Erfahrungen orientiert, die sowohl in Dänemark als auch in der Schweiz gemacht worden sind. Man kann zur Stunde, obwohl dieser Gesetzentwurf noch nicht verabschiedet ist, den Eindruck haben, daß er doch den richtigen Weg weist, weil sich bereits andere Länder — insbesondere die Niederlande — dafür interessieren, ebenfalls diesen Weg einer gesetzlichen Bevorratung zu gehen.Alles in allem schafft diese Vorlage in drei wesentlichen Bereichen Veränderungen.Erstens. Wettbewerbsverzerrungen zwischen Raffineriegesellschaften und unabhängigen Importeuren werden ausgeglichen.Zweitens. Industrie und Handel im Bereich der Mineralölproduktion werden von einer drückenden Kapitalbindung in der Größenordnung von 4 Milliarden DM für die einzulagernden Produkte und für die dafür erforderlichen Lagerräume entlastet.Drittens. Diese Bevorratung wird in einem Kooperationsmodell zwischen Staat und Wirtschaft praktiziert und gibt der öffentlichen Hand erweiterte Dispositionsmöglichkeiten und damit auch erleichterte Handhaben, wenn nötig, eine Bevorratungspflicht aufzustocken.Ich möchte nun Gelegenheit nehmen, auf einige besondere Problemfelder einzugehen, die in den Ausschußberatungen und auch hier in den kurzen Darlegungen eine Rolle gespielt haben.Da war zunächst die Forderung, daß die Bevorratung möglichst regional in ausgewogener, verbrauchsnaher Weise realisiert werden soll. Wir von der FDP unterstreichen diese Forderung im Grundsatz voll und sind darüber hinaus der Meinung, daß diese Forderung in dem Gesetzentwurf ihren Niederschlag gefunden hat. Grenzen treten sicher dort auf, wo der Sicherheitszuwachs durch eine weitere Dislozierung infolge des Kostenanstiegs nicht mehr vertretbar ist. Dieser Kostenanstieg ist darin begründet, daß wir nun einmal in Norddeutschland und nicht in Bayern Kavernen in Salzstöcken ausspülen können, und zwar zu einem Kostensatz, der nur ein Drittel dessen ausmacht, was für oberirdischen Stahltankraum aufgewendet werden muß. Man muß ganz einfach sehen, daß hier für eine weitergehende Dislozierung gewisse Grenzen gesetzt sind.Herr Schmidhuber, ich möchte auf diesen Punkt und Ihre Anmerkungen mit wenigen Sätzen eingehen. Ich meine, unsere Sorge braucht nicht zu groß zu sein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß wir in der Bundesrepublik fünf große Raffineriezentren — im Ingolstädter Raum, im Karlsruher Raum, im Frankfurter Raum, im Ruhrgebiet, in Köln sowie im Hamburger Raum — haben, die letztlich durch ein sehr leistungsfähiges und flexibles Pipeline-Netz untereinander, aber auch mit den Zulieferstationen — Wilhelmshaven, Marseille, Genua, Triest — verbunden sind.Es trifft zu, daß an einer Stelle ein Pipeline-Stück nicht vorhanden ist, also die Gesamtverbindungfehlt. Aber parallel zu dem fehlenden Pipeline-Zwischenstück fließt in diesem Abschnitt zwischen Karlsruhe und Mannheim der Rhein, der bei der Krisenbevorratung sicher eine gute Rolle übernehmen könnte, was den Transport anbelangt. Im übrigen glaube ich nicht, daß durch eine einfache Verlängerung so viel mehr Versorgungssicherheit in diesem Bereich der regionalen Dislozierung erzielt werden kann.Ein kurzes Wort noch zu dem Problembereich des offenen Ausweises. Bislang sind den bevorratungspflichtigen Unternehmen j a in Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgabe für die Produkte, für das Mineralöl, für den Tankraum Kosten entstanden, die sich bislang ebenfalls nicht in einem offenen Ausweis in der Rechnung an die Abnehmer widergespiegelt haben. Ich meine, es gibt für die Zukunft keine durchschlagende Argumentation, das nun einführen zu wollen, weil hier durch staatliches Handeln ein Kostenaspekt eingeführt wird, wie er auch z. B. durch die Heizölsteuererhöhung oder Umweltbedingungen unserer Wirtschaft in vielen Fällen zugemutet wird. Das kann nicht jedesmal in einem offenen Ausweis auf der Rechnung seinen Ausdruck finden, insbesondere deswegen nicht, weil hier die Wirtschaft durch Übernahme der Produkte auf die öffentlich-rechtliche Körperschaft und durch Übernahme des von der Wirtschaft bislang erstellten Tankraums ja ökonomisch entlastet wird und von dort wenig Veranlassung besteht, nun den Verbraucher mit höheren Bevorratungskosten zu belasten. Darauf möchte ich in diesem Zusammenhang mit Blick auf den Verbraucher noch einmal hinweisen.Mit drei Sätzen möchte ich noch auf die Situation im europäischen Raum eingehen. Die Bevorratung in der Größenordnung, wie wir sie als Sicherheitspolster haben, ist auch bei unseren Nachbarstaaten akzeptiert und weithin durchgeführt. Bedenklich ist, daß in Großbritannien, wie von dort zu hören ist, die Neigung besteht, das eigene Nordseeöl aus der Bevorratungspflicht herauszunehmen. Das könnte im internationalen Bereich sicher gravierende Wettbewerbsverschiebungen zur Folge haben. Ich möchte mit diesem Hinweis auf diesen neuralgischen Punkt die strikten Abwehrbemühungen der Regierung von seiten der FDP ausdrücklich unterstreichen. Was die Vertretung der Mitglieder anbelangt, so sei darauf verwiesen, daß wir es für richtig und gut befinden, daß jedem Mitglied in diesem Zwangsverband eine Grundstimme, sozusagen ein liberales Grundmandat zur Wahrnehmung seiner Interessen, eingeräumt worden ist.Es verbleibt zu sagen, daß auch volle Tanklager und ein reichliches Angebot auf den Märkten derzeit unseren Blick nicht dafür verstellen darf, daß die Versorgungssituation in diesem Bereich durchaus als labil charakterisiert werden kann. Sie ist in der Tat sehr wetterwendisch. Das Kartell der OPEC ist nicht zerbrochen. Im Rahmen einer vorsorglichen Sicherheitspolitik — andere Instrumente sind vom Vorredner angesprochen worden — ist eine Mineralölbevorratung ein wesentlicher und unverzichtbarer Baustein in unserer Energiepolitik, in deren
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7708 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
ZywietzZielsystem die Versorgungssicherheit einen ganz hohen Rang einnimmt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelabstimmung in der zweiten Lesung. Ich rufe §§ 1 bis 41, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1891 unter Nr. 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? — Keine gegenteilige Meinung; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1978
— Drucksache 8/1636 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
— Drucksache 8/1902 —
Berichterstatter: Abgeordneter Roth
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Warnke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum erstenmal in seiner Geschichte umfaßt dieser ERP-Haushalt die Rekordsumme von 3 Milliarden DM. Davon entfallen eine Milliarde DM auf den Mittelstand. Das ist sicherlich erfreulich. Aber das ist auch kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Die Möglichkeiten, über ERP dem Mittelstand zu helfen, sind in diesem Haushalt nicht ausgeschöpft worden. Der Bedarf an mittelständischer Kreditversorgung ist größer als die eingesetzte knappe Milliarde. Ausgabenreste, die immerhin in der bemerkenswerten Höhe von einer Milliarde DM vorhanden waren — was ja schon die Vermutung nahelegt, daß da nicht alles nach den Grundsätzenvor sich gegangen ist, wie sie andernorts angewandt werden —, hätten es ermöglicht, 180 Millionen DM zusätzlich — das ist die Höhe des voraussichtlichen Bedarfs — für die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen einzustellen. Dies ist unterblieben.Wir hatten Kenntnis, daß das Regionalprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau für mittelständische Unternehmen heute mittelständische Investitionsanträge nur mit einem Viertel der Investitionssumme durch einen zinsverbilligten ERP-Kredit fördern kann und daß es selbst mit dieser bescheidenen und unzulänglichen Förderung nicht möglich ist, das Programm das ganze Jahr über offenzuhalten. Wir haben die saubere Lösung, eine Erhöhung der Ansätze für das Regionalprogramm, im Wirtschaftsausschuß des Parlaments vorgeschlagen. Wir bedauern, daß Koalitionsfraktionen und Regierung dem nicht gefolgt sind. Die Notlösung der gegenseitigen Deckungsfähigkeit mit einem Titel aus dem Gemeindebereich ist unzulänglich und gibt für das kommende Jahr eine schlechtere Ausgangsposition für die Mittelstandsförderung, als es möglich gewesen wäre. Aber vielleicht war das beabsichtigt.Aus der SPD-Fraktion liegt eine Initiative vor, die ins Grundsätzliche zielt und uns allen, die wir uns hier um Mittelstandsfragen kümmern, Sorgen zu machen geeignet ist. Die Initiative zielt in ihrer Tendenz auf eine verstärkte Heranziehung des ERP-Vermögens zur Förderung der Entwicklungshilfe. Kollege Roth, der Vater dieses Gedankens, mag ihn nachher vor dem Plenum begründen. Wir warnen. Auf den Gedanken, verstärkte Entwicklungshilfe aus einer Haushaltsmasse zu betreiben, deren Schwerpunkt die Mittelstandsförderung ist, kann in diesem Haus auch nur eine Fraktion kommen. Ich möchte zur Ehrenrettung der FDP-Fraktion sagen, daß sie es diesmal nicht gewesen ist.Über sachgerechte Ausgestaltung der Entwicklungshilfe lassen wir jederzeit mit uns reden, meine Damen und Herren. Aber Entwicklungshilfe auf Kosten der Mittelstandsförderungsmöglichkeiten des ERP-Sondervermögens zu betreiben, dem werden wir entschiedenen Widerstand leisten. Wir sind der Auffassung und bekräftigen es hier, daß für den Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland mit ERP-Mitteln nicht zuviel, sondern nach wie vor zuwenig getan wird.
In diesem Haushalt sind in einer ungewöhnlichen Höhe auch Mittel enthalten, die als Sofortansatz oder als Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 375 Millionen DM in den nächsten drei Jahren dazu bestimmt sind, als verlorener Zuschuß für ein Bundesunternehmen in Berlin zu dienen.Wir werden dem Haushalt auch mit dieser Position unsere Zustimmung geben. Es geht um die Sicherheit der Arbeitsplätze für mehr als 2 000 Beschäftigte in Berlin. Wir wünschen, daß es den vereinten Kräften von Mitarbeitern, Management und Aufsichtsrat gelingt, dieses leckgeschlagene Schiff wieder flottzumachen und auf Fahrt in eine gute Zukunft zu bringen.
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Dr. WarnkeDie besten Wünsche für die Zukunft werden aber von der Entschlossenheit begleitet, die Vergangenheit aufzuklären. 600 Millionen DM sind bereits seit 1970 für dieses Unternehmen zum Teil hinter dem Rücken des Parlaments als verlorener Zuschuß gezahlt worden. Mit den jetzt vorgesehenen zusätzlichen 375 Millionen DM für ein einziges Unternehmen — dies betone ich — wird die Milliardengrößenordnung erreicht.Der Fall dieses Berliner Bundesunternehmens hat damit Helaba-Dimensionen angenommen. Der Bundesrechnungshof hat in seinem Prüfungsbericht den Verantwortlichen benannt. Der Bundesrechnungshof spricht klipp und klar von Fehlentwicklung eines Bundesunternehmens infolge unzureichender Einflußnahme des Bundes. Der Bundeswirtschaftsminister hat gebeten, ihm Frist für die Prüfung dieses Berichts zu lassen. Das dauert nun seit Ende des vergangenen Jahres. Wir erwarten einen Abschluß in der Sommerpause.Dann, meine Damen und Herren, kommt die Stunde des Parlaments zur Feststellung der Verantwortlichkeit und zur Beantwortung der Frage: Wer ist denn der Bund, den der Rechnungshof hierfür für verantwortlich erklärt hat? Ist das die Bundesregierung? Ist das der Bundeskanzler? Ist das ein Bundesminister?1 Milliarde DM öffentlicher Mittel sind vergeudet worden. Die Arbeitsplätze sind nicht gesichert, sondern im Gegenteil zum Teil zerstört worden. Grund genug für das Parlament, wenn wir nach der Sommerpause wieder zusammenkommen, das zu tun, was der neue Aufsichtsratsvorsitzende dieses Bundesunternehmens als Einleitung seiner Sanierungsmaßnahme angekündigt hat, nämlich Hausputz zu halten, indem die Treppe von oben gekehrt wird.Nun, meine Damen und Herren, diese 1 Milliarde hätte es uns ermöglicht, daß wir das ERP-Sondervermögen mit einem Schlag um ein Drittel — von den 3 Milliarden, die es heute hat — aufgestockt hätten; sie hätte es uns ermöglicht, daß wir 10 000 Neugründungen im mittelständischen Bereich mit 100 000 DM hätten fördern können, mit 100 000 DM nicht etwa als verlorenem Zuschuß, sondern als einem zwar vielleicht unverzinslichen, aber selbstverständlich — wie man das im mittelständischen Bereich gewohnt ist — rückzahlbaren Darlehen. All das ist nicht geschehen.Nachdem wir eben geradezu im Schweinsgalopp mit einer fast beunruhigenden Einstimmigkeit einen Nachtragshaushalt verabschiedet haben, der wiederum in Milliarden-Größenordnung — billiger geht es in diesem Haus wohl nicht mehr — hauptsächlich für Kohle und Stahl und am Rande noch für die Werften Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen vorsieht, möchte ich den Bogen zu einem Ereignis schlagen, das morgen stattfinden wird: Morgen wird es im Vermittlungsausschuß darum gehen, daß das Investitionszulagengesetz, das mit der Anhebung der Investitionszulage für die strukturschwachen Gebiete und für das Zonenrandgebiet auf die alte Höhe von 10 °/o den Bund mit ganzen 80 Millionen belasten würde, eine Mehrheit in dem Sinne findet, Gerechtigkeit gegenüber den strukturschwachen Gebieten walten zu lassen.Ich bitte Sie, sich einmal die Vergleichszahlen vor Augen zu führen: 1 Milliarde vor einer halben Stunde für Kohle und Stahl, für Arbeitsplätze, deren Sicherung wir von der CDU/CSU als eine nationale Aufgabe betrachten — deshalb haben wir diesem Haushalt die Zustimmung nicht versagt —;
hier beim ERP 375 Millionen für ein einziges Unternehmen, um 2 000 bis 3 000 Arbeitsplätze in Berlin zu sichern — Arbeitsplätze in Berlin betrachten wir als eine nationale Aufgabe, und deshalb werden wir auch diesem Haushalt unsere Zustimmung nicht versagen —,
und 80 Millionen, um nur das wiederherzustellen, was wir bereits bis 1973 gehabt und was bis jetzt in diesem Haus keine Mehrheit gefunden hat, nämlich die Sicherheit der Arbeitsplätze in den strukturschwachen Gebieten und im Zonenrandgebiet. Und auch das ist für uns eine nationale Aufgabe!
Deshalb sehen wir diese drei Dinge in einem Gleichklang, deshalb gehört das hier zur Sprache gebracht, und deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Sie hier bei der Abstimmung über das Investitionszulagengesetz sich noch nicht in der Lage sahen, ihm Ihre Zustimmung zu geben: Sorgen Sie auf Grund der Entscheidungen, die Sie heute mit uns gemeinsam für Berlin und für die Reviere mit Kohle- und Stahl-Arbeitsplätzen getroffen haben, dafür, daß morgen im Vermittlungsausschuß die Bundesregierung sich nicht weigert, auch den strukturschwachen Gebieten und dem Zonenrandgebiet Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.Ich bitte, dem hier vorliegenden Haushalt des ERP-Sondervermögens die Zustimung zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln den Wirtschaftsplan des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1978 und sind hier nicht im Vermittlungsausschuß. Wir müßten, um • auf die Fragen, die Herr Dr. Warnke aufgeworfen hat, einzugehen, nun in das Gesetz einsteigen, das dem Bundestag letztendlich wieder vorgelegt wird. Dort wird die Debatte über das Investitionszulagengesetz ihren Platz haben.Heute debattieren wir über den ERP-Wirtschaftsplan, und ich finde es bemerkenswert, daß der Redner der Opposition nicht einmal die Chance genutzt hat, das zu betonen, was alle Fraktionen gemeinsam im Wirtschaftsausschuß beschlossen haben, nämlich eine Erhöhung der Neugründungsdarlehen und -kredite von 265 Millionen auf 500 Millionen im Jahre 1978, praktisch eine Erhöhung fast7710 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode— 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978Rothum das Doppelte für Mittel, die den Existenzneugründungen mittlerer und kleiner Unternehmer dienen. Das ist eine wichtige Entwicklung, die ich angesichts der ständigen Kampagne, in der Bundesrepublik Deutschland seien das Selbständigwerden und das Selbständigsein auf Grund von Konzentrationstendenzen auf der einen Seite und wirtschaftspolitischen Maßnahmen auf der anderen Seite überholt für bedeutsam halte. Hier zeigt sich in der Nachfrage nach ERP-Mitteln für Existenzneugründungen genau das Gegenteil. Wie in jeder marktwirtschaftlichen Ordnung findet eine Ausfilterung am Markte statt, und es zeigt sich jetzt gerade im Jahre 1978, in einer zugestandenermaßen sehr schwierigen Wirtschaftsphase, daß sich neue Unternehmen gründen. Der Wirtschaftsausschuß und die Regierung haben die Konsequenz daraus gezogen und die entsprechenden Mittel um nahezu 100 % erhöht. Ich finde, das ERP-Sondervermögen und der Wirtschaftsplan 1978 haben hier eine konkrete Ant- wort auf wolkige Kampagnen gegen kleine und mittlere Unternehmen durch die Erweiterung der Möglichkeiten ihrer Neugründung gegeben.Herr Dr. Warnke hat nun ein „Berliner Unternehmen" angeführt. Ich finde es ein bißchen lächerlich, wenn in den Veröffentlichungen des Staates auf allen seinen Ebenen, vom Rechnungshof bis zum Parlament, immer gesagt wird „ein Berliner Unternehmen". Jeder weiß, daß es die Deutsche Industrieanlagen-Gesellschaft in Berlin ist. Ich sage also: Um die geht es.Herr Dr. Warnke hat erwähnt, daß ein Zuschuß für das Jahr 1978 in Höhe von 200 Millionen DM notwendig wird.
— Das ist keine Kleinigkeit, das ist eine Unerträglichkeit, mein Herr.
Ich habe als sozialdemokratischer Abgeordneter überhaupt keinen Grund, diese Unerträglichkeit hier im Deutschen Bundestag nicht zu nennen. Daß hier falsch gewirtschaftet wurde, daß hier falsche unternehmerische Entscheidungen vorlagen, und zwar von der Gründung des Unternehmens an bis heute, ist unbestritten.Man kann nicht Unternehmen, die ihrerseits jeweils in Schwierigkeiten sind und am Markt nicht erfolgreich waren, sozialisieren und anschließend erwarten, daß der Staat sie saniert. Das war der Fehler bei der Gründung. Man kann nicht auf ein anders strukturiertes Unternehmen plötzlich große neue Geschäfte aufbauen.Ich muß als Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion sagen — ich glaube, ich drücke hier die Empfindung der gesamten Fraktion aus —, daß' es auch unerträglich ist, wenn man im Herbst 1977 die Aussage von 20 Millionen DM Zuschußbedarf für 1978 bekommt, und dann wenige Monate später ganz andere Dimensionen auftreten.Wenn ich dies sage, so sage ich gleichzeitig, daß ich dem Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der sich in dieser Sache persönlich engagiert hat, der dafür im Wirtschaftsausschuß persönlich Verantwortung übernommen hat, dankbar bin, daß er hier konkrete Sanierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen in Gang gesetzt hat.Unser Eindruck ist, daß das neue Management und der neue Aufsichtsratsvorsitzende und sein Aufsichtsrat mutig eine Verbesserung der Lage in Angriff genommen haben.Unbestritten ist, daß der Wirtschaftsausschuß und der Unterausschuß „ERP-Sondervermögen" in der Zukunft noch weit mehr Sorgfalt bei der Kontrolle aufwenden müssen, als das in der Vergangenheit geschehen ist.Ich jedenfalls bin der Auffassung, daß alle drei Fraktionen die richtige Antwort auf die Problematik finden und sagen, ohne daß einer beiseite steht: Wir müssen diese Arbeitsplätze in Berlin sichern. Wir als sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützen diese Bemühungen zur Sicherung der Berliner 'Arbeitsplätze.Völlig unpassend ist es, hier Beispiele von ande-, ren Unternehmen anzuführen. Wenn wir da erst einmal anfangen, können wir damit weiter fortfahren. Es gibt gerade in Berlin auch private Großunternehmen, die in den letzten Jahren nur durch staatliche Garantien und Kredithilfen überleben konnten. Vielleicht sollten wir im Bundestag einmal sorgfältiger miteinander über die Probleme der Berliner Wirtschaft diskutieren, auch von Berliner Großunternehmen der verschiedenen Branchen, von der Elektrotechnik bis zum Maschinenbau. Das wäre sicherlich nützlicher, als einseitig Beispiele zu nennen. Wir Sozialdemokraten werden deshalb auch in diesem Punkt dem Wirtschaftsplan 1978 im Rahmen des ERP-Sondervermögens zustimmen.Herr Dr. Warnke war so liebenswürdig, darauf hinzuweisen, daß ich persönlich in Übereinstimmung mit der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei mehrfach darauf Bezug genommen habe, daß die Entwicklungshilfe im ERP-Wirtschaftsplan für uns keinen Fremdkörper darstellt, sondern ein originärer Zweck des ERP-Wirtschafts- und -Sondervermögens ist. Anfang der 60er Jahre hat der damalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Fritz Erler, in einer engagierten Rede in diesem Hause die Auffassung vertreten, daß das nach dem zweiten Weltkrieg durch Opfer des amerikanischen Volkes entstandene ERP-Sondervermögen auch für internationale solidarische Hilfe der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden sollte.
Auf Grund dieses Beitrags haben in der damaligen Debatte alle Fraktionen des Deutschen Bundestags und auch die damalige Regierung gesagt, wir sollten den ideellen Zweck weiter verfolgen, der sich aus der Art der Gründung des ERP-Sondervermögens ergibt. Man hat damals Beträge eingesetzt; diese Beträge wurden seit den 60er Jahren nicht mehr erhöht.Ich persönlich halte es für eher beschämend, daß wir als ein im internationalen Maßstab immerhin
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Rothreiches Industrieland ein derartiges Vermögen nicht auch für Solidaritätshilfe in der Dritten Welt benutzen.
Das richtet sich nicht gegen die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, sondern das spricht allein dafür, daß wir die Verantwortung erkennen, die uns als Industriestaat in der Dritten Welt aufgegeben ist.Gestern hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Herr Offergeld, gesagt — ich unterstütze ihn in diesem Punkt —, daß eine wirtschaftliche Stabilisierung der Dritten Welt, der Versuch, dort ökonomische, sozial-ökonomische Entwicklungen in Gang zu setzen, auch uns selber in der ökonomischen Weiterentwicklung hilft. Ich kann das nur unterstreichen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Köhler?
Ja, sofort.
Ich finde, wir sollten zu diesem Teil des ERP-Sondervermögens ein neues Verhältnis gewinnen.
Bitte schön.
Herr Kollege, sind Sie sich bei Ihren Ausführungen bewußt, daß der Beitrag aus dem ERP-Sondervermögen zur Kapitalhilfe im Rahmen der Entwicklungshilfe stets mehr den Charakter einer Manövriermasse als einer echten Erhöhung gehabt hat und deswegen im allgemeinen auch gegen Ende des Jahres zurückerstattet wird, um bei den OECD-Prüfungen größere Leistungen aus dem Einzelplan 23 vorweisen zu können?
Herr Kollege Köhler, mir ist voll bewußt, was Sie mit dem schönen Begriff „Manövriermasse" bezeichnen. Ich persönlich bin der Auffassung, daß gerade das für uns Anlaß sein sollte, über bessere Zweckbestimmungen dieses Titels im ERPSondervermögen nachzudenken.
Ich habe beispielsweise den Vorschlag gemacht, daß wir gezielt mittlere und kleine Unternehmen sowie Entwicklungsbanken in der Dritten Welt unterstützen, d. h. die generelle Idee des ERP-Sondervermögens, mittlere und kleine Unternehmen zu fördern, weltweit zur Nutzanwendung zu bringen. Ich weiß, hier gibt es auch mit dem Einzelplan 23 Überschneidungen; aber die gibt es ja, Herr Kollege Köhler, genauso im Einzelplan 09 des Haushalts bei der Strukturhilfe für kleine und mittlere Unternehmen. Ich verstehe nicht, wie man das, was Sie vorgebracht haben, als Argument gegen die Entwicklungshilfe verwenden kann.
Ich füge hinzu, ich bin der Überzeugung, daß gerade auch der ERP-Wirtschaftsplan eine gute Grundlage bilden könnte für die Förderung der in der Entwicklungshilfe und im Entwicklungsgeschäft tätigen
kleinen und mittleren Unternehmen aus der Bundesrepublik. Der ERP-Wirtschaftsplan ist eine Chance zur Förderung dieser Unternehmen.
Wir haben als sozialdemokratische Fraktion im Wirtschaftsausschuß beantragt, eine Prüfung seitens der Regierung vorzunehmen, um zu ermitteln, welche spezielleren Zweckbestimmungen notwendig sind und ob nicht Verpflichtungsermächtigungen in der Zukunft sinnvoll erscheinen, um diesen ideelleren Rahmen des ERP-Sondervermögens auszubauen. Ich stimme mit dem Fragenden überein: Wir müssen uns bemühen, und ich wäre sehr dankbar — mir ist bewußt, Herr Köhler, daß Sie im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit tätig sind —, wenn wir in einen Dialog über die bessere Nutzung dieses Titels in Höhe von 110 Millionen DM kämen.
Meine Damen und Herren, ich halte insgesamt das ERP-Wirtschaftsplangesetz 1978 für ausgewogen und sachgerecht. Ich kündige hier die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion an. Wir werden allerdings diese Zustimmung nicht ohne ein Bekenntnis zur konkreten Weiterkontrolle des großen Postens von 200 Millionen DM, den wir kurzfristig zusätzlich einsetzen mußten, geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Angermeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir den ERP-Haushalt in der Arbeitsgruppe und im Ausschuß ausgiebig beraten haben, möchte ich für meine Fraktion folgendes Ergebnis feststellen:Wir begrüßen die auch 1978 verfolgten Anstrengungen der Bundesregierung, die ERP-Mittel auf bestimmte Schwerpunkte zu konzentrieren. Diese Schwerpunkte heißen: Versorgung der kleinen und mittleren Unternehmen mit langfristigen Investitionsmitteln, Finanzierung des Umweltschutzes, Investitionsfinanzierung in Berlin. Da für diese Zwekke auch in den kommenden Jahren ein hoher und wachsender Mittelbedarf entstehen wird, fordert die FDP-Fraktion die Bundesregierung auf, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen, d. h. die entsprechenden Haushaltstitel breiter aufzustokken, und, um noch mehr Finanzierungsspielraum zu gewinnen, die sonstigen Fördermaßnahmen zu überprüfen, möglichst mit dem Ziel, hier Einsparungen zu erwirtschaften. Keinesfalls sollte sich die Bundesregierung oder sollten wir uns darauf einlassen, traditionelle Fördermaßnahmen einfach fortzuschreiben und dabei, wie es nur zu gern gefordert wird, die Ansätze der allgemeinen Zunahme des Haushaltsvolumens entsprechend prozentual anwachsen zu lassen.Im einzelnen möchte ich auf vier Punkte eingehen, die in den Beratungen eine wichtige Rolle gespielt haben.Erstens. Mit der Bereitstellung von 500 Millionen DM für das ERP-Existenzgründungsprogramm, aus dem bekanntlich auch standortbedingte Investitionen gefördert werden, hat das Mittelangebot mit der
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Angermeyerstark gestiegenen Nachfrage Schritt gehalten. Auch weiterhin können alle berechtigten Finanzierungswünsche gewerblicher Nachwuchskräfte aus ERP-Mitteln erfüllt werden. Auch solche jungen Unternehmer können Darlehen erhalten, die in den ersten drei Jahren nach der Existenzgründung Finanzierungsbedarf für weitere Investitionen haben. Wir halten dieses Finanzierungsprogramm aus strukturellen und aus konjunkturellen Gründen für die wichtigste ERP-Förderung überhaupt.Zweitens. Auch für die Finanzierung mittelständischer Unternehmen in den strukturschwachen Gebieten müssen mehr Mittel bereitgestellt werden. Allerdings sind hier die Möglichkeiten des ERP-Sondervermögens, gemessen an dem Bedarf, allein nicht ausreichend, jedenfalls auf kürzere Sicht. Das heißt: trotz beabsichtigter Anhebung der Ansätze werden wir auch in den kommenden Jahren auf den ergänzenden Einsatz von Kapitalmarktmitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau angewiesen sein und vor allem bei etwas größeren Vorhaben die Mischfinanzierung aus ERP und KW-Darlehen fortsetzen müssen. Eine Erleichterung wird im laufenden Jahr allerdings die Heranziehung von Mitteln des ERP-Gemeindeprogramms bringen, soweit diese nicht für Gemeindeinvestitionen benötigt werden. Es stehen noch ausreichende Restmittel aus früheren Jahren zur Verfügung.Die eher haushaltstechnische Frage, ob die zusätzlichen Mittel nicht unmittelbar für das Regionalprogramm hätten veranschlagt werden sollen, ist in der Arbeitsgruppe des Wirtschaftsausschusses eingehend beraten worden. Nach wie vor ist die FDP zusammen mit der SPD der Auffassung, daß es den tatsächlichen und den politischen Gegebenheiten in beiden Programmen besser entspricht, in diesem Jahr die Mittel für deckungsfähig zu erklären.Damit komme ich zu Punkt 3. Die Möglichkeit der Umpoolung von Mitteln des Gemeindeprogramms soll auch verhindern helfen, daß sich hier weitere Restmittel ansammeln, ein Vorgang, der in der heutigen Konjunkturlage widersinnig wäre. Aus diesem Grunde haben wir uns im Wirtschaftsausschuß auch etwas eingehender mit dem Restethema befaßt, zumal das Volumen der am 31. Dezember 1977 noch nicht zugesagten ERP-Mittel mit rund 1 Milliarde DM noch sehr hoch erscheint. Wie immer sehen die Dinge, wenn man sie näher betrachtet, doch etwas weniger spektakulär aus. Mehr als die Hälfte des genannten Betrages ist stichtagsbedingt und u. a. darauf zurückzuführen, daß der ERP-Wirtschaftsplan 1977 erst im November vergangenen Jahres verabschiedet werden konnte, ein Vorgang, der allerdings wiederum zur Bitte an die Bundesregierung Anlaß gibt, die Vorbereitung der jährlichen ERP-Wirtschaftspläne so zügig zu betreiben, daß ihre parlamentarischen Beratungen spätestens vor der Sommerpause abgeschlossen werden können.
Die verbleibenden Restmittel von 474 Millionen DM sollen hauptsächlich über eine Erweiterung derVergabevoraussetzungen künftig schneller eingesetzt werden können. Es handelt sich dabei um Mittel des ERP-Werftprogramms und des Gemeindeprogramms. 80 Millionen DM Restmittel sollen durch Umprogrammierung je zur Hälfte dem Mittelstand und Berliner Investitionsvorhaben zugute kommen.Nun zum vierten Punkt. Den breitesten Raum bei der Behandlung des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1978 nahmen sowohl im mitberatenden Haushaltsausschuß als auch im Wirtschaftsausschuß die anstehenden Sanierungsmaßnahmen für ein Berliner Unternehmen in Anspruch, das sich im Eigentum des ERP-Sondervermögens befindet, die DIAG. Das ist hier schon gesagt worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Verantwortung des Bundes für Berlin nicht zu schmälern, sowie insbesondere mit Rücksicht auf die betroffenen Arbeitsplätze sah der Ausschuß keine Alternative zu den Vorschlägen der Bundesregierung, die sich mit Nachdruck für den vollständigen Ausgleich des bei der Gesellschaft zum 31. Dezember 1977 ausgewiesenen Verlustes von 370 Millionen DM einsetzte.Der Ausschuß hat sich die Zustimmung zu diesen Sanierungsmaßnahmen für das Unternehmen nicht leicht gemacht. Außer den genannten Gründen spielte es für den Ausschuß eine entscheidende Rolle, daß der Aufsichtsrat des Unternehmens der Bundesregierung inzwischen ein umfassendes und einschneidendes Sanierungskonzept zur Beendigung der Verlustwirtschaft vorgelegt hat, das von der Bundesregierung nach eingehender Prüfung als realisierbar angesehen wird. Wir von der Arbeitsgruppe sind der Hoffnung, daß dieses Sanierungsprogramm realisierbar ist. Wir haben nicht die Aufgabe, Ersatzaufsichtsrat zu spielen. Wir nehmen aber diese Aufgabe ernst, und wir sind dankbar dafür, daß diese Arbeitsgruppe durch die Mitwirkung des Bundesministers für Wirtschaft weiter tätig sein kann und tätig sein wird. Zusammen mit Kollegen aus dem Haushaltsausschuß wird eine Arbeitsgruppe zusammentreten. Mit Vertretern der Bundesregierung, des Bundesrechnungshofes, der Geschäftsleitung und auch dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates werden wir die nächsten Schritte und die Zukunft dieses Unternehmens begleiten. Meine Damen und Herren, wir beobachten sorgfältig, wir beobachten genau und hoffen, daß die eingeleiteten Maßnahmen zum Erfolg führen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung.Ich rufe die §§ 1 bis 12 mit den vom Ausschuß auf Drucksache 8/1902 empfohlenen Änderungen, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung in zweiter Lesung angenommen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7713
Vizepräsident StücklenWir treten in diedritte Beratungein. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei zwei Enthaltungen angenommen.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Gegenseitigkeit in Amtshaftungssachen— Drucksache 8/1660 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 8/1894 — Berichterstatter:Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin Abgeordneter Dr. Wittmann
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung.Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Hasinger, Frau Dr. Wilms, Müller , Kroll-Schlüter, Dr. Hornhues, Frau Karwatzki, Burger, Braun, Frau Schleicher, Frau Verhülsdonk, Köster, Dr. Hammans, Dr. Reimers, Geisenhofer, Daweke, Josten, Dr. Czaja, Stutzer, Kraus, Dr. Blüm, Dr. Pinger und der Fraktion der CDU/CSUZukunftschancen der Kinder ausländischer Arbeitnehmer— Drucksache 8/1811 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Bildung und WissenschaftWird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Hasinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 830 000 Kinder ausländischer Arbeitnehmer leben heute in der Bundesrepublik Deutschland. Auch in den kommenden Jahren ist damit zu rechnen, daß eine erhebliche Zahl von Kindern ausländischer Arbeitnehmer in der Bundes-republik geboren wird. Dies steht in krassem Gegensatz zu dem dramatischen Rückgang der Geburten deutscher Kinder. 1966 wurden in der Bundesrepublik noch mehr als 1 Million Kinder geboren, 1977 war die Zahl auf fast die Hälfte, nämlich 580 000, gesunken. Davon hatte nahezu ein Siebtel, nämlich 80 000, ausländische Eltern.Dabei sagen diese Durchschnittszahlen für das gesamte Bundesgebiet relativ wenig aus, weil sich die Situation in den Ballungsgebieten besonders zuspitzt. 1975 betrug der Anteil der Ausländerkinder an den Lebendgeborenen in Frankfurt 41 %, in Stuttgart 36,5 %, in Köln 34%, in München fast 33 %.Die Zukunft dieser Kinder hat die deutsche Öffentlichkeit bisher wenig interessiert. So hat sich hier ziemlich unbemerkt eine „Neue Soziale Frage" gebildet, auf die Antworten fehlen. Abgedrängt aus der öffentlichen Diskussion und von der Bundespolitik vernachlässigt, bildet sich hier ein Problemstau, der zum sozialen Sprengsatz werden kann. Unter uns wächst eine Generation der Hoffnungslosigkeit heran.Dazu einige Fakten: Nur 26 %, also gut ein Viertel, der ausländischen Kinder im Vorschulalter besucht einen Kindergarten. Statt dessen wachsen viele Kinder ausländischer Arbeitnehmer in Pflegestellen — oft von zweifelhafter Qualität — auf. Die Erfüllung der Schulpflicht — bei uns eigentlich eine Selbstverständlichkeit — ist immer noch nicht voll durchgesetzt.Noch gravierender ist, daß nur ein relativ geringer Prozentsatz der Kinder ausländischer Arbeitnehmer Schulabschlüsse erreicht. In NordrheinWestfalen waren es beispielsweise 1976 etwa 40 %. Sehr gering ist auch der Anteil ausländischer Kinder, die eine weiterführende Schule besuchen. Gravierend ist, daß die Jugendlichen, die keinen Schulabschluß haben, praktisch auch keine Chance besitzen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Es ist symptomatisch, daß es hierüber keine statistischen Angaben gibt.Aber auch über die soziale Integration, im außerschulischen Bereich also, fehlen statistische Angaben. Es muß jedoch davon ausgegangen werden, daß vor allem in Ballungsgebieten Isolation und Abkapselung überwiegen.
Wir können die Augen nicht davor verschließen, daß sich die ausländischen Arbeitnehmer wohnungsmäßig in einzelnen Häusern, in einzelnen Straßenzügen, in einzelnen Stadtvierteln zusammengefunden haben, während viele deutsche Familien ins Umland der Großstädte abgewandert sind und in den Städten selbst hauptsächlich die älteren Jahrgänge zurückgeblieben sind. Die „Stadt in der Stadt" ist aus der Sicht der ausländischen Arbeitnehmer verständlich. Sie bildet ein Stück Heimat für sie.Ich möchte aber von vornherein hier sagen: Wir müssen auch die Sorgen, Beschwerden und Ängste der in diesen Gebieten zurückgebliebenen Deutschen --- und es sind vor allem ältere — ernst nehmen. Sie
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7714 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Hasingererleben einen Einbruch des Fremden, dem sie oft nicht gewachsen sind und mit dem sie die Öffentlichkeit allein gelassen hat.Die Hauptleidtragenden dieser Zustände sind freilich die Kinder und Jugendlichen. Die Abkapselung in der sie aufwachsen, bedeutet Chancenlosigkeit für sie, und zwar Chancenlosigkeit in beiden Fällen, sowohl in dem Fall, daß sie hier in Deutschland bleiben, wie auch in dem Fall, daß sie in das Heimatland der Eltern zurückkehren.In Deutschland haben sie in der überwiegenden Zahl der Fälle weder den Zugang zu einer qualifizierten beruflichen Bildung noch den Zugang zu einer weiterführenden Allgemeinbildung.Die Wahrscheinlichkeit, daß ein wachsender Teil dieser Jugendlichen hierbleiben wird, nimmt zu. Schon heute zeigt die Statistik, daß jeder zweite Ausländer länger als sechs Jahre in der Bundesrepublik lebt. Von den Spaniern, einer der ersten Gruppen, die zu uns gekommen sind, leben schon 63 % länger als sechs Jahre bei uns, 35 % sogar schon länger als zehn Jahre.Aber auch wenn die Jugendlichen in das Heimatland der Eltern zurückkehren, sind sie die Benachteiligten; denn was können sie mit ein paar Jahren deutscher Grundschule, ein paar Jahren deutscher Hauptschule ohne Abschluß in der Türkei, Griechenland, Spanien, Italien oder Jugoslawien anfangen?Meine Damen und Herren, wenn wir uns nicht energisch dieser Probleme annehmen, sollte sich niemand darüber wundern, wenn sich diese Jugendlichen eines Tages organisieren und gegen ein Schicksal, das sie sich nicht ausgesucht haben, rebellieren.
Niemand von uns darf untätig zusehen, daß sich in unseren Großstädten Zustände wie in New York entwickeln. Es muß unser ureigenes deutsches Interesse sein, die sich hier anbahnende Entwicklung abzuwenden. Auch gegenüber den Heimatstaaten — lassen Sie mich das hinzufügen — haben wir als Bundesrepublik hier eine Verpflichtung. Kein verantwortlicher Politiker wird sich später darauf berufen können, nicht rechtzeitig von den Problemdimensionen gewußt zu haben.Die bei uns lebenden ausländischen Kinder und Jugendlichen haben genauso ein Recht auf die eigene Zukunft wie die deutschen Kinder.
Wir haben gegenüber diesen jungen Menschen die Verpflichtung, ihnen die Chancen zu einem gleichberechtigten, menschenwürdigen Miteinander in Gesellschaft und Wirtschaft, in Bildung und Kultur zu eröffnen.Wie können wir es rechtfertigen, mitten in unserem Land eine Generation junger Europäer aufwachsen zu lassen, ohne ihnen faktisch die Chance zu bieten, ihre Anlagen und Fähigkeiten, ihre Talente zu entwickeln? Diese Kinder sind keine Lernbehinderten. Sie gehören nicht auf Sonderschulen.Wenn bei diesem Thema bisher soviel im Dunkeln geblieben ist, so liegt dies zuallererst daran, daß die Gastarbeiterpolitik der Bundesrepublik selbst unklar war. Wir haben in der Zeit der Hochkonjunktur geglaubt, daß sich die Probleme von alleine lösen würden. Wie leichtfertig damals darüber gedacht wurde, zeigen Projektionen aus den frühen 70er Jahren, die für 1980 nicht weniger als 8 Millionen ausländischer Arbeitnehmer für notwendig erachtet haben. Erst heute wird uns die soziale Dimension dieser Frage voll bewußt.Nur wenn wir hier völlige Klarheit haben, können wir erwarten, daß sowohl die deutsche Öffentlichkeit wie auch die ausländischen Eltern zunehmend Vertrauen und Verständnis finden. Deshalb möchte ich für meine Fraktion zwei Grundsätze ganz deutlich machen.Erstens. Wir können aus arbeitsmarktpolitischen aber auch aus gesellschaftspolitischen Gründen einen weiteren Zustrom ausländischer Arbeitnehmer nicht verkraften. Der Anwerbestopp muß aufrechterhalten bleiben. Wir sollten auch dem Drängen einzelner Wirtschaftszweige, den Anwerbestopp aufzulockern, nicht nachgeben. Ein Volk verspielt letztendlich seine Zukunft, wenn es nicht mehr bereit ist, bestimmte Tätigkeiten selbst auszuüben. Keinem Deutschen wird eine Perle aus der Krone fallen, wenn er den Kellnerberuf erlernt und ein Servierbrett in die Hand nimmt.Zweitens. Die ausländischen Arbeitnehmer und ihre Familien, die bei uns leben, die also schon da sind, müssen Sicherheit für ihre Zukunft haben. Ich begrüße es daher, daß der Bundesrat in der vergangenen Woche eine Änderung der Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz gebilligt hat, die diesem Ziel Rechnung trägt.In dem Antrag meiner Fraktion wird die Bundesregierung aufgefordert, künftig die Verbesserung der Zukunftschancen der Kinder ausländischer Arbeitnehmer zu einem Schwerpunkt ihrer Politik zu machen. Dabei machen wir in fünf Punkten deutlich, welche Zielsetzungen dabei zu verfolgen sind.Erstens. Die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kinder ausländischer Arbeitnehmer sollen den deutschen Kindern gleichgestellt sein. Damit ist sowohl eine rechtliche als auch eine faktische Gleichstellung für diejenigen gemeint, die bei uns geboren oder aufgewachsen sind.Zweitens. Diese Kinder und Jugendlichen dürfen nicht in gesellschaftlicher Isolation aufwachsen. Isolation — man spricht auch von Ghettoisierung —, Abkapselung, Abweisung oder Segregation sind keine Lösung der Probleme. Wir dürfen keine gläsernen Wände um diese Jugendlichen dulden. Zu diesen gläsernen Wänden gehört in erster Linie die mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache.Drittens. Wir wollen den ausländischen Kindern und Jugendlichen die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, d. h. die soziale Integration, ermöglichen, ohne dabei ihre nationale und kulturelle Identität zu zerstören. Dabei ist uns völlig bewußt, daß damit den ausländischen Kindern und Jugendlichen eine doppelte Belastung zugemu-
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Hasingertet wird. Wir müssen alles tun, um zu vermeiden, daß sie durch diese doppelte Aufgabenstellung überfordert werden. Die gewaltige Anpassungsleistung dieser Kinder und Jugendlichen wird von der deutschen Öffentlichkeit viel zu wenig gesehen und anerkannt.
Wenn je Jugendhilfe, Hilfe in besonderen Lebenslagen, Hilfe für besondere Bevölkerungsgruppen einen Sinn hat, dann ist es hier.
Viertens. Wir wollen keine Politik der Eindeutschung und keine Politik der Entfremdung von der Familie. Wir wissen, daß viele ausländische Eltern in der Furcht leben, ihre Kinder würden in deutschen Jugendeinrichtungen germanisiert werden. Bei den Türken kommt auch noch die Furcht vor einer Christianisierung hinzu. Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst. Alle Bemühungen um die Förderung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer dürfen nicht gegen, sondern nur gemeinsam mit der Familie erfolgen.
Wir wollen keine Zwangsintegration. Der familiäre Zusammenhalt ist für diese Kinder die stärkste soziale Bindung, die nicht zerstört werden darf.Aber die ausländischen Eltern müssen sich selbstkritisch auch die Frage stellen, was es für den Lebensweg ihrer Kinder bedeutet, wenn sie sie von der deutschen Gesellschaft fernzuhalten versuchen. Der Besuch deutscher Schulen ist nun einmal die Voraussetzung für die berufliche und gesellschaftliche Entwicklung ihrer Kinder. Wird ihnen dieser Schlüssel zum Eingang in unsere Gesellschaft vorenthalten, so versperren die Eltern selbst die Türen für die Zukunft ihrer Kinder.Wir erleben jetzt — das ist eine neue Entwicklung der letzten Jahre —, daß sich unter den ausländischen Arbeitnehmern zunehmend organisatorische Strukturen bilden. Besondere Verantwortung kommt dabei den Elternvereinen zu. Wir müssen diese Elternvereine ernst nehmen, ihnen Mitspracherechte einräumen und sie gezielt mit Bundesmitteln fördern.Fünftens. Die frei gewählte Entscheidung zur Rückkehr muß den jungen Menschen nach Erreichen ,der Volljährigkeit offenbleiben.Uns ist völlig klar, daß die Schule allein diese fünf Ziele nicht verwirklichen kann. Genauso wichtig sind Kindergarten, berufliche Bildung und der außerschulische Bereich in Freizeit, Geselligkeit, Spiel, Sport und Erholung. Nur wenn sich die Gesellschaft insgesamt den ausländischen Kindern und Jugendlichen gegenüber öffnet, werden sie aus dem Schatten herausfinden. Deswegen sind ,die beachtenswerten Anstrengungen der Länder auf schulischem Gebiet letztendlich Stückwerk, solange die gesellschaftliche Integration der Kinder nur in einem sehr begrenzten Umfang stattfindet. Lassen Sie mich dies hinzufügen: Es wäre völlig verkehrt, wenn die öffentliche Debatte, die jetzt zweifelsohne kommen wird, in eine Länderbeschimpfung aus-arten würde. Im Gegenteil, fast alles, was bis heute im schulischen und sozialen Bereich entwickelt wurde, ist den Ländern und Gemeinden, den Kirchen, den freien Trägern und privaten Initiativen zu verdanken.Die BundesregIerung hat bisher kein eigenes Konzept entwickelt.
Dabei stehen ihr zwar verstreute, aber zahlreiche Kompetenzen auf diesem Gebiet zu. Sie hat es nicht vermocht, die einzelnen Teilaspekte dieser Frage zu einer Gesamtschau zu vereinen. Vielmehr hat sie die Zukunftschancen dieser Kinder und Jugendlichen auf ein Arbeitsmarktproblem verkürzt. Es ist charakteristisch, daß auch heute noch die wesentlichen Kompetenzen in dieser Frage beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung liegen.Für die Union dagegen ist die Zukunft dieser Kinder in erster Linie eine menschliche Frage. Es ist eine selbstverständliche menschliche Forderung, diesen jungen Menschen die in unserem Land vorhandenen Möglichkeiten und Chancen umfassend zu eröffnen. Wer die Lage der ausländischen Kinder und Jugendlichen entweder ausschließlich unter Arbeitsmarktgesichtspunkten oder unter schulischen Aspekten sieht, verfehlt zwangsläufig das eigentliche Problem, denn in Wirklichkeit handelt es sich hier um eine jugendpolitische Aufgabe ersten Ranges und damit um einen Schwerpunkt der Jugendpolitik der nächsten Jahre. Wir fordern die Bundesregierung auf, dazu ein umfassendes Konzept zu entwickeln und dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Angesichts der föderalen Struktur unserer Bundesrepublik ist es selbstverständlich, daß dieses Konzept in Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden entwickelt werden muß.Meine Damen und Herren, es ist ein oft gehörter Einwand, daß unsere Infrastruktur nicht auch noch zahlreiche Ausländer und ihre Familienangehörigen verkraften könne. Ich glaube, daß noch viel zu wenig ins öffentliche Bewußtsein gedrungen ist, daß sich die Situation durch den Geburtenrückgang schon in wenigen Jahren drastisch ändern wird. Schon heute erleben wir dies bei Kindergärten und Grundschulen. Hatten wir noch vor wenigen Jahren einen Mangel an Kindergartenplätzen, so ist heute oft das Gegenteil der Fall. Manche Kindergartengruppe mußte aufgelöst werden, mancher Kindergarten kämpft um seine Existenz. Bald werden wir einzelne Schulsäle von Grundschulen in Tischtennishallen umfunktionieren können, und in wenigen Jahren setzt sich diese Entwicklung in den Hauptschulen fort. Ich glaube, daß auch aus diesem Gesichtspunkt heraus — obwohl er nicht der wesentliche ist — die Kinder und Jugendlichen der ausländischen Arbeitnehmer nicht eine Belastung, sondern eine wertvolle Bereicherung unseres Lebens sein können.Sicher ist nicht zu verkennen, daß wir in den nächsten Jahren noch vor gewaltigen Engpässen stehen. Dies betrifft vor allem Ausbildungs-, aber auch Arbeitsplätze für junge Menschen. Manch einer in der Bevölkerung wird fragen, warum ausländische Jugendliche ihren deutschen Altersgenossen hier Kon-
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Hasingerkurrenz machen sollen. Aber wir dürfen diese Frage nicht durch eine kurzsichtige Brille betrachten. Denn spätestens nach 1985 wird die Situation eine ganz andere sein. Spätestens dann wird sich der Rückgang der Geburtenzahlen bemerkbar machen, und Jahr für Jahr werden weniger Auszubildende zur Verfügung stehen. Ende der 80er Jahre ist nach unserer Auffassung mit einem ausgesprochenen Mangel an Auszubildenden, später auch an Erwerbstätigen zu rechnen. Jeder, der bis dahin eine qualifizierte Berufsausbildung genossen hat, wird der Wirtschaft als Fachkraft hochwillkommen sein.Deswegen sei an dieser Stelle an alle Verantwortlichen in Wirtschaft und Gewerkschaften, in Unternehmen und Betriebsräten appelliert: Stellen Sie in den kommenden Jahren Ausbildungsplätze zur Verfügung — auch über den kurzfristigen Bedarf hinaus —, und geben Sie dabei auch den ausländischen Jugendlichen eine Chance.Ich führe diese harten Tatsachen hier auf, weil nach meiner Auffassung nur so eine Diskussion ohne aufgewühlte Emotionen möglich wird. Diese Emotionen sind unterschwellig da und dort durchaus vorhanden. Als wir den vorliegenden Antrag unserer Fraktion veröffentlichten, haben wir breite Zustimmung bei Organisationen und in den Medien gefunden. Aber es haben uns auch Zuschriften erreicht, die von einem erschreckenden Fremdenhaß zeugen.
In die gleiche Richtung ging das unbedachte und folgenschwere Wort des früheren Arbeitsministers Arendt, er sei der Arbeitsminister der Deutschen und nicht der Türken und der Italiener. Mögen doch alle, die so denken, überlegen, daß die dunklen Befürchtungen, die sie hegen, mit aller Sicherheit dann auf uns zukommen werden, wenn wir die ausländischen Kinder und Jugendlichen als junge Menschen zweiter Klasse behandeln.
Ich greife aus der Fülle der notwendigen Maßnahmen nur einige wenige heraus.Erstens — ich habe schon davon gesprochen — ist es notwendig, daß die ausländischen Kinder und Jugendlichen so früh wie möglich die Sprachbarriere überwinden. Deutsche und ausländische Kinder vertragen sich gut miteinander. Kinder haben keine eigenen Vorurteile. Da es in Deutschland keine Kindergartenpflicht gibt und wir eine solche auch nicht wollen, müssen wir hier auf die ausländischen Eltern einwirken. Seit mehr als zehn Jahren gibt das Bundesarbeitsministerium erhebliche Steuergelder für die soziale Betreuung ausländischer Arbeitnehmer aus. Auf den Gedanken, die ausländischen Eltern damit zu motivieren, ihre Kinder in deutsche Kindergärten und deutsche Schulen zu schicken, ist im Bundesarbeitsministerium bis heute niemand gekommen.Zweitens. Mir ist schwer verständlich, daß einerseits Förderunterricht in den Ländern abgebaut, andererseits über einen Lehrerüberschuß geklagt wird. Als Gegensatz dazu möchte ich eine Initiative des niedersächsischen Kultusministers Dr. Remmers be-sonders positiv herausheben, die unter dem Stichwort „Ausländerkinder werden künftig doppelt gezählt" zusätzliche Lehrerstellen in. erheblicher Zahl geschaffen hat. Dies ist ein sinnvoller Beitrag zum Abbau der Lehrerarbeitslosigkeit.Dr. Blüm [CDU/CSU] : Sehr gut!)Ein oft gehörter Einwand lautet, das Ganze sei doch Ländersache. Nun, die Bundesregierung kann zwar nicht bei der Durchführung schulischer Maßnahmen mitwirken, wohl aber bei der Zielformulierung im Rahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung Anstöße geben. Wir begrüßen es, daß bei der vorgesehenen Fortschreibung des Bildungsgesamtplans der schulischen Bildung der Ausländerkinder ein eigenes Kapitel gewidmet werden soll.Ein besonders wichtiger Punkt ist, daß deutsche Schulabschlüsse und Ausbildungsabschlüsse in Zukunft von den Entsendestaaten anerkannt werden. Hierfür trägt auch die Bundesregierung im Rahmen der bilateralen Verhandlungen eine konkrete Verantwortung. Es muß unbedingt vermieden werden, daß die ausländischen Kinder und Jugendlichen praktisch zwischen zwei Stühlen sitzen und mit ihrer Ausbildung weder hier noch dort etwas anfangen können.Drittens. Von besonderer Bedeutung sind Maßnahmen der Jugendpolitik. Die Bundesregierung hat diesen außerschulischen Bereich der Jugendarbeit in bezug auf die Kinder der ausländischen Arbeitnehmer bisher praktisch kaum gesehen. Dafür zwei Beispiele.Der Bundesjugendplan umfaßt in diesem Jahr ein Volumen von 210 Millionen DM, davon erfreulicherweise allein 107 Millionen DM für jugendliche Spätaussiedler. Für die Kinder ausländischer Arbeitnehmer sieht der Bundesjugendplan gerade 1,09 Millionen DM vor. Wir wollen, daß die Jugendarbeit für Kinder ausländischer Arbeitnehmer für die nächsten Jahre zu einer Priorität des Bundesjugendplans erklärt wird.Das andere Beispiel: Die Bundesregierung hat einen umstrittenen Referentenentwurf eines neuen Jugendhilferechts veröffentlicht. Darin finden sich auch Hilfen für besondere Gruppen Jugendlicher. Die Kinder ausländischer Arbeitnehmer sind mit keinem Wort erwähnt.
Ich halte es für bezeichnend, daß sich bisher kein deulsches Parlament mit der Zukunft der ausländischen Kinder und Jugendlichen in unserem Land beschäftigt hat,
abgesehen von einigen schulischen Fragen, die in Landtagen diskutiert wurden. Der Deutsche Bundestag hat noch niemals darüber gesprochen. Manches, was an Vorurteilen und Mißverständnissen in der Öffentlichkeit vorhanden ist, hätte durch eine frühzeitige Diskussion in diesem Haus vermieden werden können. Möge unsere heutige Aussprache dazu beitragen, Brücken der Verständigung zwischen den
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HasingerDeutschen und den bei uns lebenden Ausländern zu schlagen.
— Ich weiß nicht, was Sie dagegen einwenden können, Herr Kollege. Ich spreche hier doch das ganze Haus an. Wenn Sie glauben, diese Frage zu einer parteipolitischen machen zu können, werden Sie den ausländischen Kindern und Jugendlichen bestimmt keinen Dienst erweisen.
Um zu erreichen, daß die parlamentarische Diskussion nicht wieder abreißt, fordert unser Antrag die Bundesregierung auf, dem Deutschen Bundestag einen Bericht über die Zukunftschancen der Kinder ausländischer Arbeitnehmer vorzulegen.Wir alle in diesem Haus sind uns wohl darüber einig, daß wir die Zukunft unseres Landes nur in Gemeinschaft mit unseren europäischen Nachbarländern bewältigen können. Wie aber soll es hier zu Gemeinsamkeiten und zum Miteinander kommen, wenn wir nicht Europa im eigenen Land praktizieren? Das Deutschlandbild unserer Nachbarländer wird in steigendem Maße von den Erfahrungen jener jungen Menschen geprägt werden, die ihre Jugend in unserem Land verbracht haben. Werden sie mit Unbehagen an die Bundesrepublik zurückdenken, oder wird ihnen unser Staat als ein helles Land in Erinnerung bleiben? Ist es sinnvoll, mit erheblichen Beträgen im Ausland für deutsche Sprache und Kultur zu werben, sich aber gegenüber den in unserem Land lebenden jungen Ausländern gleichgültig zu verhalten? Müßte nicht auswärtige Kulturpolitik so gesehen im Inland beginnen?
Die Vereinten Nationen haben das Jahr 1979 zum Internationalen Jahr des Kindes erklärt. Die bisherigen Überlegungen, etwa die Errichtung eines Modellspielplatzes im Rahmen der Bundesgartenschau in Bonn, zeigen eine bedrückende Verlegenheit gegenüber dieser Initiative der Vereinten Nationen. Wir meinen, die Verbesserung der Zukunftschancen der Kinder ausländischer Arbeitnehmer in unserem Lande könnte d e r Beitrag der Bundesrepublik zum Internationalen Jahr des Kindes sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, zunächst wäre es sehr gut, wenn die 21 Kollegen, die Ihren Antrag unterzeichnet haben, bei dieser so wichtigen Frage hier im Deutschen Bundestag wären.
Ich sage nicht, daß Ihr Antrag so wichtig ist, aber die Problematik ist sicherlich wichtig, erörtert zu werden. Daran sehen Sie vielleicht das Engagement in Ihrer eigenen Fraktion.Der zweite Punkt. Ich glaube, gelesen zu haben, daß der Kollege Hauser aus Ihrer Fraktion, Herr Kollege Blüm, kräftig dafür streitet, den Anwerbestopp aufzuheben und ihn für Branchenarbeiten und Saisonarbeiten zu spezifizieren. Sie sollten das mit sich selbst ausmachen. Das, was hier allgemein gefordert wird, und das, was politisch in Ihren Reihen vorgeht, müßte ja der Redlichkeit wegen synchron laufen.
Ich stelle das lediglich fest und sage dabei: Wir werden den Anwerbestopp, trotzdem wir so bedrängt werden, selbstverständlich durchhalten.Die Anwerbung der ausländischen Arbeitnehmer hat viele Probleme aufgeworfen. Wir haben die Probleme insbesondere bezüglich der Familien und der Kinder der ausländischen Arbeitnehmer in unserem Lande zu lösen.Es ist sehr zu begrüßen, wie ich meine, daß sich nun offenbar auch die CDU/CSU
der Kinder ausländischer Arbeitnehmer besonders annehmen und ihre Integration fördern will. Das war bisher so selbstverständlich nicht, Herr Kollege Müller; denn wenn ich z. B. — ich spreche hier nur von Fakten — an die Behandlung der von der Bundesregierung im Bundesrat eingebrachten Vorlage zur Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Status für ausländische Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen denke, so muß ich sagen, daß gerade die CDU/CSU-regierten Länder einer zügigen Behandlung dieser Vorlage im Bundesrat nicht das Wort geredet haben. Das ist eine Tatsachenfeststellung. Denn wir könnten das schon viel länger erledigt haben. Jetzt ist es Gott sei Dank erledigt. Das ist für die ausländischen Familien wichtig, weil damit auch der Schulbesuch einhergeht, auf den Sie in besonderer Weise hingewiesen haben.Es erscheint notwendig, einige Positionen klarzustellen, die durch die Darstellung im Antrag der Oppositionsfraktion, wie ich meine, unrichtig wiedergegeben werden bzw. zu sehr verwischt worden sind.Richtiggestellt werden muß zunächst die Behauptung, die von der SPD und der FDP getragene Bundesregierung verfüge nicht über ein Konzept zur Verbesserung der Integration der hier lebenden Ausländer,
insbesondere der Kinder ausländischer Arbeitnehmer. — Herr Kollege Blüm, das Gegenteil ist der Fall. Das Konzept der Bundesregierung basiert auf dem bereits im Februar 1977 vorgelegten und auch von den Ländern gutgeheißenen Vorschlägen der Bund-Länder-Kommission zur Fortentwicklung einer umfassenden Konzeption der Ausländerbeschäftigungspolitik. Ohne den Gleichklang mit den Ländern kommen Sie auf diesem Gebiet überhaupt nicht voran.
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7718 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Urbaniak
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ?
Herr Kollege Urbaniak, würden Sie mir bestätigen oder soll ich Sie daran erinnern, daß wir vom Bundesarbeitsminister im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, als er dort auf diese Fragen angesprochen wurde, die Antwort bekamen, der Bund sei nicht zuständig?
Der Minister hat sich so eingelassen, daß er sich auf das Handlungskonzept BundLänder-Kommission bezogen hat. In diesem föderativen Staat gibt es verfassungsrechtliche Zuordnung, die praktiziert wird, wenn eine Lösung des Problems im Sinne der Bund-Länder-Kommission betrieben wird. Das ist die Tatsache, Kollege Müller. Etwas anderes habe ich vom Bundesarbeitsminister nicht vernommen.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?
Herr Kollege Urbaniak, glauben Sie, daß eine Verpflichtung der Bundesregierung, die eigentlich auf Grund des Arbeitsmarktes entstanden ist, damit einfach nicht mehr gegeben ist?
Wir entziehen uns überhaupt keiner Verpflichtung, sondern erledigen mit den Ländern den Teil, den es in dieser so wichtigen Frage zu erledigen gilt.Die Vorschläge der Kommission, von der ich sprach, die unter Federführung der Bundesregierung gearbeitet hat, sind maßgeblich auch von der Bundesregierung gestaltet worden. Die Bund-LänderKommission hat die Integration der zweiten Ausländergeneration ausdrücklich als eine Schwerpunktaufgabe bezeichnet und zahlreiche Maßnahmen zur Förderung dieser Integration vorgeschlagen.In diesem Zusammenhang der Integration ist am wichtigsten die Forderung nach einer stufenweisen Verfestigung des aufenthaltsrechtlichen Status der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien. Denn im Hinblick auf längerfristige Unabwägbarkeiten ist es wichtig, daß die ausländischen Familien wissen, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt dieser Aufenthaltsstatus gegeben ist.Ich habe schon darauf hingewiesen, daß im Bundesrat nun endlich diese stufenweise Verfestigung des Zeitraums von fünf und acht Jahren, was die Frage des Aufenthaltsrechts angeht, erfolgt ist unddies sehr bald im Verordnungsweg verkündet werden kann. Besonders darf ich aber betonen, daß damit auch eine Schulpflicht verbunden ist.
Denn auch wir haben festgestellt, wie die Verhaltensweise der ausländischen Eltern in dieser Frage war. Mit dieser Verordnung ist, wie ich meine, eine konkrete Bindung, die ja nur dem Kinde zuwachsen kann, gegeben.
Weitere Elemente des im Bund-Länder-Papier vorgeschlagenen Integrationsprogramms sind die vorschulische und die schulische Betreuung, die Elternberatung, außerschulische, insbesondere sozialpädagogische Hilfen, aber auch Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung ausländischer Jugendlicher.Der Kindergartenbesuch ist selbstverständlich ein Schwerpunkt in diesem Programm. Gerade dafür sollen die Eltern gewonnen werden. Ich hoffe, daß sich die Sozialarbeiter in den Gemeinden diesem sicherlich anstrengenden Prozeß unterziehen und auch dafür eintreten, daß letztlich die ausländischen Eltern ihre Kinder in diese vorschulische pädagogische Einrichtung hineinbringen. Das gilt auch für die Tagesstätten.Wenn man sich, lieber Kollege Hasinger, den Schulalltag draußen im Lande ansieht: In Duisburg oder in Remscheid, wo die sozialdemokratische Bundestagsfraktion durch ihre Arbeitsgruppe Besuche abgestattet hat, kann man nur den Pädagogen und Lehrern danken, die in vorbildlicher Weise die Integration unter den Nationen betreiben.
Ich habe große Hoffnung, daß diese Dinge mehr und mehr selbstverständlich werden.Mit dieser Darstellung der wesentlichen Elemente des vorgeschlagenen Integrationskonzepts der BundLänder-Kommission wird auch die Behauptung widerlegt, die Vorschläge der Bund-Länder-Kommission zur Integration der zweiten Ausländergeneration seien einseitig arbeitsmarktpolitisch ausgerichtet. Denn wir erfassen den Kindergarten, wir erfassen die Schule, wir erfassen die weiterführenden schulischn Einrichtungen, wir erfassen die Berufsvorbereitung, wir erfassen den Problembereich jugendlicher Arbeitnehmer, die der besonderen Betreuung der Bundesanstalt für Arbeit bedürfen, und wir haben den Aufenthaltsrechtsstatus entsprechend geordnet. Damit begründe ich, daß wir den Vorwurf, den Sie in Ihrem Antrag erheben, nicht auf uns nehmen können; er ist nicht gerechtfertigt.Die Jugendpolitik der sozialliberalen Koalition hat die ausländischen Kinder und Jugendlichen nie ausgeklammert. Ob es sich dabei um die zahlreichen Maßnahmen der Jugendförderung wie z. B. die Förderung durch den Bundesjugendplan — handelt oder um solche der Jugendhilfe: Auch im kommenden neuen Jugendhilferecht werden Sie keine
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978 7719
Urbaniakeinzige Stelle finden, die auch nur einen Hauch von Diskriminierung zuließe;
im Gegenteil, künftig wird jegliche Jugendhilfe mehr als bisher praktische Hilfe für benachteiligte Kinder und Jugendliche sein.Zum Stichwort „Familienpolitik": Die Familien ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik haben an der Förderung durch diese Regierung teilgenommen. Das kann man von den von der CDU oder CSU regierten Ländern leider nicht uneingeschränkt sagen, oder wie, Herr Hasinger, ist die Meinung der Antragsteller z. B. zur bayerischen Regelung von Heirats- und Familiengründungsdarlehen, die Ausländer von der Gewährung ausdrücklich ausschließt?
Ich stelle das an diesem Punkt lediglich fest.Die freien Träger haben erhebliche Bundesmittel zur Verfügung gestellt bekommen, die in einer Gräßenordnung vorhanden sind, wie man das in früheren Jahren nicht kannte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich habe schon zwei Fragen zugelassen, das reicht. Der Kollege war schon hier und meinte, nach der Zeitabsprache redete ich schon zu lange.
Die von der Bundesregierung bisher durchgeführten Maßnahmen zur Integration der Kinder ausländischer Arbeitnehmer werden im Antrag der CDU/ CSU-Fraktion nicht gesehen oder aber als eigene Vorschläge ausgegeben. Das gilt z. B. für die geforderte Eltern- und Jugendberatung im Rahmen der Sozialberatung, für die Förderung der Hausaufgabenhilfe oder für die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung ausländischer Jugendlicher. Das gilt aber ebenso für die zahlreichen Modellförderungen des Bundes zur Verbesserung der schulischen Betreuung oder zur Entwicklung neuer sozialpädagogischer Hilfen für Ausländerkinder.
Es ist bedauerlich, daß der Antrag der CDU/CSU-Fraktion, so begrüßenswert und notwendig ein Engagement für die Kinder ausländischer Arbeitnehmer auch ist, keine neuen Akzente setzt und keine neuen Wege zu weisen vermag, auf denen die zweifellos bestehenden Probleme der Integration dieser Kinder noch rascher und besser gelöst werden könnten. Ich bin gespannt, ob es der CDU/CSU-Fraktion in den Ausschußberatungen gelingt, die ihrer Meinung nach erforderlichen neuen Akzente klarzumachen.
Ich sage hier für die sozialdemokratische Fraktion: Wir werden in eine gründliche und solide Beratung eintreten. Wir werden das alles mit Ihnen
diskutieren, was bisher bereits konkret geschehen ist. Ich hoffe, ,daß Sie in der Lage sind, das nicht nur zu akzeptieren, sondern weitere brauchbare Vorschläge .in der Sache zu machen.
Der CDU/CSU-Fraktion bin ich natürlich dankbar, daß uns ihr Antrag erneut Gelegenheit gibt, die unverändert positive Grundhaltung der Sozialdemokraten zu unseren ausländischen Mitbürgern darzustellen. Wir haben die Rechte der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien vom Betriebsverfassungsgesetz bis zum Aufenthaltsrechtsstatus verbessert. Wir haben CDU/CSU-Pläne, die immer noch von dem Prinzip der Rotation sprachen, aufgehoben und beseitigt. Sie haben sich jetzt wohl durchgesetzt.
Wir lassen uns nicht übertrumpfen in der Lösung dieser so schweren Frage. Die soziale und freiwillige Integration wird von uns weiter befürwortet und gefördert.
Das Wort hat der Abgeordnete Eimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der CDU/CSU zu den Zukunftschancen der Kinder ausländischer Arbeitnehmer ist ein Problem angesprochen worden, das heute in der Öffentlichkeit leider noch nicht entsprechend erkannt wird.
Von den ca. 4 Millionen bei uns lebenden Ausländern sind knapp 1 Million Jugendliche, für die die Gefahr besteht, daß sie weder bei uns integriert werden noch mit ihren Heimatländern und deren Kulturkreisen verbunden bleiben.
Wenn es uns nicht gelingt, diese jungen Ausländer zu integrieren, sie als gleichberechtigte Mitbürger zu akzeptieren, wenn wir es zulassen, daß sie eine Schicht minderbemittelter, unterprivilegierter, minderqualifizierter Mitbürger werden, dann wird auch auf Grund ihrer anderen Sprache dazu beigetragen werden, daß aus ihnen eine geschlossene Gruppe Unzufriedener wird. Soziale Konflikte, sozialer Sprengstoff sind dann unvermeidlich.
Nicht nur aus humanen Gründen, sondern auch aus Eigennutz sollten wir alles tun, damit sich die heranwachsende Generation von Ausländern bei uns wohl fühlt.
Gleichzeitig sollte ihnen aber die Möglichkeit offengehalten werden, ohne neue Eingewöhnungsschwierigkeiten dann in ihre Heimatländer zurückkehren zu können, wenn sie den Wunsch und das Bedürfnis danach haben. Das heißt, unsere Aufgabe muß eine doppelte sein: Zum einen müssen wir ihnen die Möglichkeit bieten, gleichberechtigte Bürger zu werden, zum anderen müssen wir dafür
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7720 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Juni 1978
Eimer
sorgen, daß sie ihrer eigenen Sprache und Kultur nicht entfremdet werden, ohne bei uns integriert zu sein.Jeder, der bereits versucht hat, Ausländer aus ihrer Isolation herauszuführen, weiß, welche Schwierigkeiten dem entgegenstehen; nicht nur bei den Betroffenen selbst, sondern leider auch bei unseren deutschen Mitbürgern. Um so dankbarer bin ich, daß nun auch die Opposition mit diesem Antrag diese Probleme anspricht. Wir müssen uns im klaren sein, daß es bei dem Verhältnis zwischen Deutschen und jungen Ausländern nicht so sehr und nicht allein auf die materielle, organisatorische oder gesetzliche Hilfe ankommt, sondern daß es vor allem auf unsere Einstellung gegenüber den Ausländern ankommt. Ich betone nochmals: Wichtiger als alle gesetzlichen Maßnahmen ist es, bei beiden Gruppen der Bevölkerung für ein gegenseitiges Verständnis zu werben.
Ich habe deshalb die dringende Bitte an die Opposition, diese Initiative auch in den Teilen ihrer Partei wirksam werden zu lassen, die sich nicht mit Sozialpolitik beschäftigen. Aktivieren Sie in diesem Sinne die Untergliederungen Ihrer Partei, Ihre Mitglieder, sprechen auch Sie die Wähler an, also den Personenkreis, der bisher oft noch anders dachte.
Im Grunde sind wir uns, so hat es jedenfalls nach Ihrem Antrag den Anschein, in der anstehenden Sache einig. Deshalb sollte es, so meine ich, auch möglich sein, uns im Detail zu einigen.
In einem Punkt muß ich der Opposition allerdingswidersprechen. Das betrifft den vierten Spiegel-strich des Teiles I Ihres Antrages — ich zitiere —:Daher kommt eine Politik der „Eindeutschung" ebensowenig in Betracht wie der Entfremdung von der Familie.Ich meine, wenn Ausländer lange, gar schon in der zweiten oder dritten Generation bei uns leben und arbeiten, müssen wir bereit sein, sie als gleichberechtigte Staatsbürger anzuerkennen, wenn sie es wollen.
— Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: wenn sie das auch wollen.
Dieser von mir soeben zitierte Spiegelstrich steht aber auch, so meine ich, im Gegensatz zur gesamten Tendenz Ihres vorgelegten Antrags. Er steht auch im Gegensatz zur Politik früherer deutscher Reichsregierungen vor 1933.
Bekannte deutsche Fußballspieler mit schwer aussprechbaren Namen hätten nämlich keine Möglichkeit gehabt, für Deutschland in der Nationalmannschaft zu spielen. Ich darf nur zwei Namen nennen: Szymaniak, Abramczik.
Herr Abgeordneter, ich glaube, hier gibt es keine Sprachschwierigkeiten. Schwierigkeiten gibt es wohl nur im Tempo des Spiels.
So ist es wohl.
Lassen Sie mich zu den von Ihnen aufgestellten Forderungen in drei Punkten antworten. Erstens. Die Mehrzahl der aufgeführten Forderungen fallen in die Zuständigkeit von Ländern und Gemeinden. Das betrifft vor allem den gesamten kulturellen, schulischen und Kindergartenbereich. Hier müssen wir auf die uns nahestehenden Länderregierungen und kommunalen Stellen einwirken. Vor allem der Opposition bietet sich hier ein breites Feld für die notwendige Einflußnahme. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unsere diesbezüglichen Aktivitäten in den Landtagen, z. B. in Baden-Württemberg, unterstützen würden.
Zweitens. Insoweit die Zuständigkeit des Bundes betroffen ist, stehen wir nicht mit leeren Händen da. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu Ihrem Antrag wird einen Katalog von Maßnahmen enthalten, der deutlich macht, was bisher geschehen ist. Ich darf in diesem Zusammenhang auch an die Große Anfrage der beiden Koalitionsfraktionen zur Bildungspolitik erinnern. Die Antwort auf diese Große Anfrage findet sich auf der Drucksache 8/1703. In der Fragengruppe B 6, Textziffern 125 bis 133, sind bereits Teile Ihres Antrages vorweggenommen. Dieser Teil nimmt vor allem Stellung zur Lage ausländischer Kinder.
Sie haben unter anderem auch den Entwurf zum Jugendhilfegesetz angesprochen. Hier ist erstmals ganz deutlich klargestellt, daß kein Unterschied zwischen jungen Deutschen und jungen Ausländern besteht. Hier ist also ganz eindeutig festgestellt, daß es sich um eine Gleichbehandlung beider Bevölkerungsgruppen handelt.
Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, daß Gesetzgeber oder Regierung per Verordnung die Einstellung der Bevölkerung zu Ausländern und deren Stellung in unserer Gesellschaft ändern könnten. Diese Änderung der Einstellung ist aber Voraussetzung für ein Gelingen der uns gestellten Aufgabe. Die Parteien wirken mit an der Meinungsbildung des Volkes, deshalb ist dies in erster Linie unser aller Aufgabe, die wir anpacken müssen. Vertreten Sie das auch vor den oft anders denkenden Wählern draußen im Land. Vertreten Sie das auch vor Ihren Parteifreunden, die sich oft anders äußern. Die Bundesregierung kann und soll uns dabei unterstützen.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 97. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14 Juni 1978 7721
Eimer
Der Punkt 6 Ihrer Forderung soll und muß deshalb der Zentralpunkt für unser Handeln sein:
Die Bundesregierung soll dazu beitragen, Aufgeschlossenheit und Verständnis in der deutschen Gesellschaft gegenüber Kindern ausländischer Arbeitnehmer zu verstärken.
Ich möchte das ergänzen: Wir alle sind dazu aufgerufen.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Zander.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte angesichts der Zeit nur in wenigen Sätzen auf einige Vorwürfe eingehen, die der Bundesregierung aus den Reihen der Opposition gemacht wurden.
Der erste Vorwurf war, die jungen Ausländer seien von der Bundespolitik vernachlässigt worden. Herr Kollege Hasinger, dieser Vorwurf ist falsch. Die Bedeutung der Probleme der Kinder ausländischer Arbeitnehmer ist von der Bundesregierung schon seit geraumer Zeit erkannt worden. Sie hat sich über die vorhandenen Eingliederungsschwierigkeiten und über die Gesamtsituation ausführlich informiert und im Rahmen ihrer Zuständigkeit und auch in Zusammenarbeit mit den Ländern eine ganze Reihe von Initiativen entwickelt, um diesen jungen Menschen zu helfen. Es wird sicher Gelegenheit sein, im Ausschuß dies noch eingehend darzustellen.
Ein zweiter Vorwurf, Herr Kollege Hasinger, die Bundesregierung habe kein Konzept. Die Bundesregierung arbeitet auf diesem Gebiet eng mit den Ländern und mit allen Beteiligten zusammen. — Bitte!
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, könnten Sie mir bestätigen, daß es offensichtlich in den Reihen der die Bundesregierung tragenden Fraktionen mit diesem Thema nicht zum besten steht, wenn ich im „SozialdemokratMagazin" zur Lage der Ausländerkinder lese: „Von der SPD erwarten wir mehr" ?
Herr Kollege Hasinger, es steht doch außer Frage, daß gerade die Sozialdemokratische Partei, die ein Teil der Arbeiterbewegung ist, sich in ihrer Geschichte schon immer in ganz besonderer Weise auch für internationale Solidarität — nicht nur gegenüber den jungen,
sondern auch gegenüber den älteren Arbeitnehmern — aufgeschlossen gezeigt hat.
Daß daraus hohe Erwartungen an uns entstehen, empfinde ich als Vorteil, nicht als Nachteil.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Urbaniak? — Bitte!
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß es eine ungezählte Anzahl von sozialdemokratischen Frauengruppen gibt, die sich gerade mit Schulaufgabenhilfen und der insbesondere bei ausländischen Familien notwendigen Werbung für den Kindergarten beschäftigen und in ständiger Aktion sind, um diese Integration über das Papier hinaus praktisch erfolgen zu lassen?
Herr Kollege Urbaniak, ich kann das nicht nur bestätigen, sondern noch ergänzen, indem ich auf das hinweise, was auch Jugendorganisationen in diesem Bereich tun, um jungen Ausländern das Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, diese Dinge im Ausschuß eingehend darzulegen. Zwei Vorwürfe darf ich noch zurückweisen. Der erste Vorwurf war, Herr Kollege Hasinger, im Bundesjugendplan sei für gezielte Maßnahmen für junge Ausländer nur eine Million DM bereitgestellt. Damit erfüllen wir die Möglichkeiten, die wir in der Modellkompetenz haben. Sie wollen doch hier nicht ernsthaft behaupten, daß Ihnen entgangen ist, daß eine Fülle von Mitteln des Bundesjugendplans über die freien Träger der Jugendarbeit für die gezielte Arbeit mit jungen Ausländern ausgegeben wird. Das ist doch unser Prinzip, daß wir die freie Jugendarbeit der Verbände fördern und dafür erhebliche Mittel bereitstellen. Dies tut die Bundesregierung, und das kommt auch Ausländern zugute.
Herr Kollege Hasinger, Sie haben beklagt, daß im neuen Jugendwohlfahrtsrecht kein Wort über junge Ausländer stehe. Ich empfinde dies als Vorteil und nicht als Nachteil. Das geltende Recht beschränkt Jugendhilfe auf junge Deutsche. Dies wollen wir beseitigen. Bitte, unterstützen Sie uns bei der Durchsetzung eines Gesetzentwurfs, nach dem junge Menschen in diesem Lande Anspruch auf Jugendhilfe haben, ob sie Deutsche oder Ausländer sind! Das ist ein Vorteil, kein Nachteil.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich blicke noch einmal auf die Uhr. Ich weiß, daß Sie alle heute noch Verpflichtungen haben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen im Ausschuß ausführlich darzulegen, daß die Bundesregierung kein Defizit hat. Aber ich möchte Ihnen auch, zeigen können, daß wesentliche Verantwortung in diesem Bereich in die Kompetenz der Länder fällt.
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Parl. Staatssekretär Zander.Ich möchte damit schließen, daß ich sage: Wir sollten uns eigentlich über die Grenzen der Fraktionen hinweg gemeinsam dieses Problems annehmen. Das bedarf der Anstrengung aller Beteiligten. An der Bereitschaft der Bundesregierung, hier mitzuwirken, wird es mit Sicherheit nicht fehlen.
MeineDamen und Herren, ich stelle fest, daß keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — sowie an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — mitberatend — zu überweisen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 7 der heutigen Tagesordnung auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Hauser (Krefeld), Dr. Zeitel, Dr. Dollinger, Schmidhuber, Dr. Schwarz-Schilling, Köhler (Wolfsburg), Dr. von Bismarck, Dr. Luda, Feinendegen, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Biehle, Frau Dr. Neumeister, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Duisburg), Lampersbach, Frau Will-Feld, Engelsberger, Dr. Becker (Frankfurt), Helmrich, Frau Benedix, Dr. Waffenschmidt, Dr. Jobst, Niegel und der Fraktion der CDU/CSUBericht liber die Lage der freien Berufe — Drucksachen 8/901, 8/1841 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Schachtschabel Abgeordneter SchmidhuberIch frage, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache gewünscht wird. — Auch das ist nicht der Fall..Meine Damen und Herren, der Ausschuß empfiehlt auf der Drucksache 8/1841 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 8 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ' eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 20. Juni 1977 zur Änderung des Abkommens vom 9. Juli 1962 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Staates Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei der Gewerbesteuer— Drucksache 8/1866 —Finanzausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche ZusammenarbeitDas Wort zur Einbringung der Vorlage wird nicht gewünscht. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Finanzausschuß — federführend — und dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit — mitberatend — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 9 auf:Fortsetzung der Beratung des Schlußberichts der Enquete-Kommission Verfassungsreform
aus Drucksache 7/5924 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Kapitel 1 Stärkung der politischen Mitwirkungsrechte der BürgerAbschnitt 1.3 Verstärkung der Einflußnahme der Parteimitglieder auf die Aufstellung der Wahlkreiskandidaten bei der BundestagswahlAbschnitt 4.3 Parteiinterne Auswahl der WahlkreiskandidatenAbschnitt 5 Einführung begrenzt-offener Listen für die Abgabe derZweitstimme bei der BundestagswahlInnenausschuß RechtsausschußKapitel 3 Allgemeine Stellung des Bundestages, Dauer und vor-zeitige Beendigung der Wahlperiode, Minderheitsregierung und GesetzgebungsnotstandAbschnitt 1.2 Grundgesetzänderungen zur Parlamentsreform Abschnitt 1.2.2 Minderheitsregierung und GesetzgebungsnotstandAbschnitt 2 . Die allgemeine Stellung der Volksvertretung im demokratischen StaatsaufbauAbschnitt 3 Die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode
Abschnitt 4.2.2 Die nachträgliche Minderheitsregierung
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und GeschäftsordnungInnenausschußKapitel 4 Parlamentarische KontrollrechteAbschnitt 2 - Enquete-KommissionRechtsausschuß
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und GeschäftsordnungInnenausschußKapitel 5 Gestaltung der GesetzesberatungAusschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
RechtsausschußHierzu liegt ein sehr umfangreicher Überweisungsvorschlag des Ältestenrates vor. Die weitere Aussprache findet voraussichtlich nach der Sommerpause statt. Ich- gehe davon aus, daß ich Ihnen das im einzelnen nicht vorzutragen brauche, und bitte um Beschlußfassung entsprechend der Vorlage des Ältestenrates. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe den Punkt 10 auf:Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der aufhebbaren Sechsunddreißigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung -- Drucksachen 8/1778, 8/1862 Berichterstatter: Abgeordneter LendersEine Ergänzung des Berichts wird nicht gewünscht. Ich danke Ihnen, Herr Berichterstatter.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenKeine Beschlußfassung, nur Kenntnisnahme, wenn ein Antrag aus der Mitte des Hauses nicht vorliegt. Es liegt kein Antrag vor. Ich stelle dies ausdrücklich fest.Ich rufe nunmehr den Punkt 11 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zurEntschließung des Europäischen Parlamentszur Schiffahrtindustrie der GemeinschaftMitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über eine Sanierung des Schiffbaus in der Gemeinschaft— Drucksachen 8/139, 8/1406, 8/1885 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. NarjesEine Ergänzung des Berichts wird nicht gewünscht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf der Drucksache 8/1885 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.Ich rufe den Zusatzpunkt der heutigen Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes— Drucksache 8/1910 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für WirtschaftDas Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Es wird vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, soweit ich sehe, sind wir damit am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit.Ich berufe den Deutschen Bundestag zu seiner nächsten Sitzung für Donnerstag, den 15. Juni, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.