Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Bericht über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 22. bis 29. Januar 1975 in Straßburg
— Drucksache 7/3396 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Bericht der Bundesregierung gemäß der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 1974 zum Bundesausbildungsförderungsgesetz
— Drucksache 7/3438 —
zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft , Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, Finanzausschuß, Haushaltsausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Wirtschaftslage der Gemeinschaft
— Drucksache 7/3454 —
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ich frage, ob sich Widerspruch erhebt. — Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 15. April 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter, Dr. Hornhues, Braun, Burger, Geisenhofer, Frau Berger , Frau Stommel und Genossen betr. außerhäusliche Unterbringung von Kindern berufstätiger Eltern — Drucksache 7/3280 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3516 verteilt.
Zur Geschäftsordnung hat sich der Herr Abgeordnete Katzer gemeldet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Christlich-Demokratische und die Christlich-Soziale Union bitten, auf die heutige Tagesordnung den Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses zu setzen. Diesen Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit begründe ich namens der CDU/CSU-Fraktion wie folgt.
Die CDU/CSU-Fraktion hat am 30. Januar dieses Jahres auf Drucksache 7/3196 ein Dringlichkeitsprogramm zur Überwindung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit diesem Hause vorgelegt. Anlaß zu diesem Dringlichkeitsprogramm war die damals bekanntgewordene Zahl von über 100 000 Jugendlichen, die ohne Arbeit sind. Nach einer Sondererhebung der Bundesanstalt für Arbeit, die Ende Januar dieses Jahres abgeschlossen wurde, waren es mehr als 123 000 Jugendliche unter 20 Jahren, die einen Arbeitsplatz bzw. eine Ausbildungsstelle suchten. Diese Zahlen sind bis heute nicht fortgeschrieben. Angesichts des Anstiegs der Arbeitslosenzahl von Januar auf Februar und des leider nur geringfügigen Rückgangs von Februar auf März muß davon ausgegangen werden, daß auch heute noch über 100 000 Jugendliche ohne Arbeitsplatz und ohne Lehrstelle sind.
Das Parlament ist nach Auffassung der CDU/CSU zwingend aufgerufen, diesem unhaltbaren Zustand mit Sofortmaßnahmen zu begegnen.
Es hat, glaube ich, keinen Sinn, auf den Sankt-
Nimmerleins-Tag und den dann entstehenden Aufstieg zu vertrösten. Eine besondere Situation erfordert besondere Mittel. Wir halten es nicht für zumutbar, daß der Deutsche Bundestag seit Vorliegen dieser Drucksache nunmehr nahezu drei Monate hat verstreichen lassen, ohne die Beratungen abzuschließen.
Nachdem die erste Lesung des Antrags am 14. März 1975 stattgefunden hatte, wurde dieser Antrag an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als federführenden Ausschuß und an die Ausschüsse für Wirtschaft, für Bildung und Wissenschaft und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen. Die Beratungen in diesen Ausschüssen sind zwar zum Teil aufgenommen; doch läßt sich ein Ende der Beratungen bei keinem der Ausschüsse bisher absehen. Wir fordern daher die Bildung eines Sonderausschusses für dieses dringlichste sozialpolitische Problem unserer Tage. Dieser Ausschuß sollte sich nach unserer Auffassung ausschließlich mit diesem Problem befassen und wäre daher in der Lage, seine Beratungen zügig — ich denke, bis spätestens vor Pfingsten — zum
11496 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung, Bonn. Donnerstag, den 17. April 1975
Katzer
Abschluß zu bringen. Die Situation der Jugendlichen duldet keinen Aufschub. Wir wollen nicht, daß junge Menschen durch die Untätigkeit dieses Parlaments auf die Straße getrieben werden oder unter Umständen Schäden für ihr ganzes Leben und ihre Familien hinnehmen müssen.
Wir richten daher die dringende Bitte an die Fraktionen der SPD und der FDP, sich diesem unserem Antrag anzuschließen.
Meine
Damen und Herren, damit ist der Antrag, Drucksache 7/3507 auf die Tagesordnung zu nehmen, begründet.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen ist die Wiedergewinnung von Stabilität, und zwar Stabilität der Beschäftigung und Stabilität des Preisniveaus. Durch das Konjunkturprogramm der Bundesregierung, durch die Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank und durch die Tarifpolitik, die sich dieser Wirtschaftspolitik eingeordnet hat und konjunkturgerecht war, wurde erreicht, daß die Stagnation überwunden werden kann, daß Preissteigerungen zurückgedrängt werden, daß die Beschäftigung wieder zunimmt und die Arbeitslosenzahl wieder abnimmt.
Das ist das Ergebnis der Wirtschafts- und Sozialpolitik dieser Regierung.Die Einsetzung eines weiteren Bundestagsausschusses kann zur Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftslage und zum Abbau der Arbeitslosigkeit nichts beitragen,
schon deswegen nicht, weil das Dringlichkeitsprogramm der CDU/CSU, das im Januar vorgelegt wurde, schon zu diesem Zeitpunkt größtenteils überholt war. Im Konjunkturprogramm der Regierung vom Dezember des vergangenen Jahres waren wesentliche Punkte des sogenannten Dringlichkeitsprogramms der CDU/CSU schon enthalten.Ich erwähne nur wenige Beispiele:Das war erstens die Möglichkeit, in bestimmten Gebieten für jugendliche Arbeitslose Lohnkostenzuschüsse und Mobilitätszulagen zu zahlen.Zweitens. Bahn und Post haben die Zahl der Lehrstellen auf Initiative der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion über ihren eigenen Bedarf hinaus erhöht.
Drittens. Die Bundesanstalt für Arbeit bietet seit längerem Maßnahmen, um jugendlichen Arbeitslosen zu helfen, und zwar mit dem Ziel, die Berufsfähigkeit und die Vermittlungsmöglichkeiten zu erhöhen.Das sind nur einige Beispiele. Das meiste von dem, wovon in dem sogenannten Dringlichkeitsprogramm der CDU/CSU gefordert wird, daß es geschehen müsse, wird schon gemacht, weil die Regierung längst gehandelt hat.
Die wichtigste Voraussetzung zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit ist der kommende Wirtschaftsaufschwung. Darüber waren sich gestern alle Mitglieder des Wirtschaftsausschusses in ihrer Beratung einig. Denn mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit werden auch die größten Probleme — sicher 80 % — der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen beseitigt, weil auch die Jugendlichen damit wieder Arbeitsplätze finden.
Die CDU/CSU hat sich mit ihrer Politik der Verunsicherung nur als Störfaktor betätigt.
Mit der Parole „Weitere Inflationierung und mehr Arbeitslosigkeit" haben Sie den jungen Arbeitslosen nicht gedient — den älteren übrigens auch nicht.
— Ja, das ist zur Geschäftsordnung. Herr Katzer ist auch auf allgemeine Probleme eingegangen.Auch mit ihrer Ablehnung des Berufsbildungsgesetzes schadet die CDU/CSU den Jugendlichen.
Ziel dieses Berufsbildungsgesetzes ist die Schaffung einer ausreichenden Zahl guter Ausbildungsplätze für junge Menschen. Ziel dieses Gesetzes ist es zweitens, der beruflichen Bildung den gleichen P a ng einzuräumen wie anderen Bildungsbereichen.
Gestern haben wir — heute steht es in den Zeitungen — lesen müssen, daß die CDU/CSU, weil sie selbst keinen Vorschlag hat, — —
— Hier geht es um berufliche Chancen der Jugendlichen nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten, um das konkret zu sagen.
Sie nennen das alles nur „Fallbeil" oder „Guillotine"— für die Gebildeteren —, ohne anzudeuten, was Sie selbst wollen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11497
PorznerDer Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat am 9. April in einer ganztägigen Sitzung mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Probleme des Arbeitsmarkts einschließlich der Probleme der Jugendarbeitslosigkeit erörtert. Der Wirtschaftsausschuß hat gestern über Fragen der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels beraten.
Mit der Einsetzung eines neuen Bundestagsausschusses würden diese Beratungen nicht nur gestört, sondern auch verzögert. Genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen, würden Sie erreichen.
Die SPD-Fraktion läßt das nicht zu.
Im übrigen hat der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung den Vorschlag aus dem Bildungsausschuß, eine gemeinsame Arbeitsgruppe der beteiligten Ausschüsse zu bilden, abgelehnt, und zwar einhellig, also auch mit den Stimmen der CDU/CSU-Mitglieder. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung wird das Dringlichkeitsprogramm zur Überwindung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Arbeitslosigkeit beraten, sobald die Voten der mitberatenden Ausschüsse vorliegen. „Für eine baldige Vorlage der Stellungnahme Ihres Ausschusses wäre ich Ihnen dankbar", schreibt der Vorsitzende des Sozialausschusses an den Vorsitzenden des Bildungsausschusses.
Fordern Sie doch den Vorsitzenden des Bildungsausschusses auf, daß dieses Votum bald kommt!
Ich komme zum Schluß. Die SPD-Fraktion weist das im Antrag ausgedrückte Mißtrauen gegenüber den Mitgliedern des Sozialausschusses zurück. Dieser Ausschuß hat durch seine Arbeit mehr als alle anderen zum Ausbau der sozialen Ordnung und zur Verbesserung der sozialen Leistungen und sozialen Sicherung beigetragen. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ist der richtige Ort, an dem die Probleme der Jugendarbeitslosigkeit und der Arbeitslosigkeit beraten werden. Wir lehnen deswegen den Geschäftsordnungsantrag der CDU/CSU-Fraktion ab.
Zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Ollesch das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die Fraktionen, die diese Regierung tragen, widmen der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit, um die es hier geht, ihre ganze Kraft.
Dies kann auch von der Opposition nicht bestritten werden. Ausdruck unseres Wollens sind die im Dezember verabschiedeten Konjunkturgesetze, deren erste günstige Erfolge schon heute festzustellen sind.
Darüber hinaus bemühen sich neben dem Bund auch die Länder, den Jugendlichen ausreichende Ausbildungs- und Arbeitsstellen zur Verfügung zu stellen. Ich erinnere nur an die Bemühungen des Landes Nordrhein-Westfalen, die in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der CDU/CSU zu diesem Problem am 10. März 1975 niedergelegt wurden.
Von einer Mißachtung oder nur zögernden Behandlung dieses uns drückenden Problems der Jugendarbeitslosigkeit kann also keine Rede sein.
Aber auch dieses Haus selbst hat sich bemüht, in schneller Zeitabfolge entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Es bedarf nicht der Einsetzung eines Sonderausschusses, um dieses Parlament zu seiner pflichtgemäßen Arbeit anzuhalten.
Sie selbst sind als Antragsteller durchaus in der Lage, die Arbeit in den entsprechenden Ausschüssen zu beschleunigen. Eine Ablehnung solcher Bemühungen — sollten Sie sie bisher unternommen haben — können Sie den Koalitionsfraktionen nicht nachweisen. Ich bin wie der Kollege Porzner der Meinung, daß ein Sonderausschuß dem Ziel, das Sie sicherlich mit uns anstreben, keinesfalls dienlich sein kann. Im Gegenteil, ein Sonderausschuß würde die Arbeit noch verlangsamen.
Zum anderen, meine Damen und Herren: Die Jugendarbeitslosigkeit ist sicherlich ein uns alle bedrückendes Problem, und ihre Bekämpfung ist unsere vornehmste Aufgabe. Aber es gibt eine Reihe weiterer Probleme, mit denen wir es in einer sich ständig verändernden Welt zu tun haben, und ich glaube, daß die Einrichtung eines Sonderausschusses für ein Teilproblem diesem Teilproblem eine Bedeutung negativer Art nach außen hin gäbe, die ihm nicht zukommt. Auch aus diesem Grunde lehnen die Freien Demokraten die Bildung eines Sonderausschusses zur Lösung des Teilproblems Jugendarbeitslosigkeit ab.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Antrag der CDU/CSU auf Einsetzung eines Sonderausschusses zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit auf die Tagesordnung zu setzen wünscht, bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Danke. Stimmenthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
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11498 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDamit treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 28. November 1974 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel— Drucksache 7/3277 —Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache 7/3470 —Berichterstatter:Abgeordneter Schulte (Erste Beratung 155. Sitzung)Ich danke dem Herrn Berichterstatter und frage, ob eine mündliche Ergänzung des Berichtes gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte doch, freundlicherweise den Fortgang der Beratungen zu ermöglichen!Der Berichterstatter wünscht keine Ergänzung des schriftlichen Berichtes. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in zweiter Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen. Ich kann einstimmige Beschlußfassung feststellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie nochmals, doch freundlicherweise hier, soweit Sie den Verhandlungen nicht aus anderen Gründen nicht folgen können, Platz zu nehmen, um den Ablauf der Plenarsitzung zu erleichtern.Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. März 1972 über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände— Drucksache 7/2323 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 7/3490 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. von Bülowb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Forschung und Technologie
— Drucksache 7/3489 — Berichterstatter:Abgeordneter Pfeffermann, Abgeordneter Dr. Laermann
Ich frage die Berichterstatter, ob eine Ergänzung gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetz in zweiter Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich von dem Platz zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, damit ich das Abstimmungsergebnis korrekt feststellen kann, Herr Kollege Häfele und Herr Kollege Abelein, bitte ich Sie, sich entweder an der Abstimmung zu beteiligen oder freundlicherweise das Plenum zu verlassen. — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes — Drucksache 7/3415 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GODas Wort zur Begründung der Regierungsvorlage hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Arendt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, Ihnen heute im Namen der Bundesregierung den Entwurf zur siebenten Rentenanpassung in der Kriegsopferversorgung vorlegen zu können. Die Bundesregierung schlägt vor, die laufenden Renten mit Wirkung vom 1. Juli dieses Jahres an um durchschnittlich 11,1 % zu erhöhen. Diese Aufbesserung kommt allen 2,3 Millionen Kriegsopfern und Wehrdienstopfern zugute.Erstmals werden die Renten für die Kriegsopfer in diesem Jahr zum 1. Juli angepaßt. Das bedeutet, daß die Anpassung ebenso wie im Vorjahr um ein Vierteljahr vorgezogen wird. Die Anpassungstermine für die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die aus der Kriegsopferversorgung sind damit jetzt wieder voll angeglichen. Die Rentenerhöhungen erfolgen von nun an in beiden Bereichen ein halbes Jahr früher als in vergangenen Jahren. Ich betone dies, weil ich aus verschiedenen Anfragen und Diskussionen weiß, daß dieser Sachverhalt nicht allgemein bekannt ist.Anhand einiger Zahlen möchte ich an dieser Stelle auch den Umfang der Verbesserungen verdeutlichen, die wir seit 1969 für die Kriegsopfer beschlossen haben. Vom 1. Juli dieses Jahres an sind die Kriegsopferrenten in etwa doppelt so hoch wie 1969.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11499
Bundesminister ArendtDie Beschädigtenrenten sind dann um rund 96 % höher als 1969 und die Witwenrenten sogar um 111 %.
Auf Grund der 1970 eingeführten Dynamisierung der Kriegsopferleistungen haben sich in dem Zeitraum von 1970 bis 1975 Mehraufwendungen des Bundes von insgesamt 11 Milliarden DM ergeben. Hinzu kommen noch rund 2 Milliarden DM Mehraufwendungen für strukturelle Verbesserungen. Der Kriegsopferhaushalt des Bundes beträgt für 1975 rund 11 Milliarden DM. Zum Vergleich: 1969 belief sich der Kriegsopferhaushalt auf nur 6,3 Milliarden DM.
Diese Zahlen beweisen, daß die Opfer der vom Krieg besonders hart getroffenen Menschen auch 30 Jahre nach Kriegsende nicht vergessen sind. Wie bisher wird sich die Bundesregierung auch in Zukunft um eine zeitgerechte Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts bemühen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Regierungsvorlage begründet.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben die Einbringungsrede des Herrn Arbeitsministers gehört. Wenn wir beschlossen hätten, dieses Siebente Anpassungsgesetz ohne Diskussion passieren zu lassen, hätte allein die soeben gehörte Rede eine Diskussion hervorrufen müssen.Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben die Situation so dargelegt — blumenreich, wunderbar —, als ob die Kriegsopferversorgung erst 1969 begonnen hätte.
Ich muß leider feststellen, Herr Kollege Schellenberg, daß man in diesem Hause am liebsten ohne Diskussion über diese Sache hinweggehen würde. Das ist außerordentlich bedauerlich. Ich empfehle Ihnen, einmal die Diskussionen in den Jahren von 1950 bis 1969 zu lesen. Dann werden Sie feststellen, daß genau das Gegenteil der Fall ist, Herr Arbeitsminister: daß man die Kriegsopferversorgung in diesem Hause sehr ernst genommen hat. Ich sage es in aller Offenheit: alle Fraktionen haben sich damals darum bemüht.Herr Arbeitsminister, mit Ihren Zahlen ist bestätigt worden, was Sie soeben gesagt haben und was auch in der „Sozialpolitischen Information" vom 5. Februar 1975 von Ihrem Hause dargelegt worden ist. Sehen Sie, Herr Arbeitsminister, wenn alles so wahr ist wie diese Statistik, diese Zahlen, dann muß man an sich die gesamte Politik dieser Bundesregierung ob ihres Gehaltes in Frage stellen. Das ist nämlich die große Problematik:Erstens. Sie sagen, seit 1969 haben wir eine 95 %ige Verbesserung in der Kriegsopferversorgung. Diese Zahl ist deshalb falsch, weil diese Entwicklung nicht den Zeitraum ab Januar 1970 umfaßt, anstatt ab 1. Januar 1967. Wenn Sie diese Zahl einschließen, gibt es ein anderes Bild.Zweitens. Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben sich jetzt gerühmt, daß in der Tat die Anpassung der Kriegsopferversorgung im Rahmen des Stufenplans auf den 1. Juli 1975 vorverlegt wird. Unbestritten haben Sie das getan, aber nicht ohne Druck. Sie werden genau wissen, welche Initiativen die Opposition in dieser Frage ergriffen hat. Sie werden wissen, daß der größte Kriegsopferverband schon nach drei Jahren — bei der CDU erst nach 16 Jahren — eine Protestkundgebung, einen Marsch nach Bonn veranstaltet hat, und zwar mit der Begründung, daß man den Kriegsopfern auf Grund dessen, daß die Kriegsopferrenten nicht zeitgleich mit den Renten aus der Rentenversicherung neu festgelegt wurden, als erster Gruppe ein Stabilitätsopfer in Höhe von 800 Millionen DM abverlangt habe. Das müssen wir wohl in diesem Zusammenhang klar feststellen.Ich muß in diesem Zusammenhang weiter feststellen, meine Damen und Herren: Ich bedaure außerordentlich, daß wir erst jetzt, Mitte April, dieses Gesetz im Parlament vorliegen haben. Herr Kollege Schellenberg, wenn ich an Ihre Reden von früher denke: Ich möchte nicht hören, was Sie sagen würden, wenn es umgekehrt wäre. Ich war vor 14 Tagen bei der Versorgungsverwaltung meines Landes. Da wurde mir mitgeteilt, daß die Erhöhung der Renten in der Kriegsopferversorgung um 11 % — Herr Arbeitsminister, Sie können gut Prozentrechnen, nur stimmt das bedauerlicherweise nicht —, also die Durchführung des 7. Rentenanpassungsgesetzes, bereits in den Computer einprogrammiert sei. Das heißt auf gut deutsch, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen, dessen Inhalt bereits im Computer festgelegt ist, so daß wir im Parlament gar nicht mehr in der Lage sind, überhaupt etwas daran zu ändern, weil sonst die Rechnung für die Durchführung nicht mehr stimmt.
— Herr Kollege Schellenberg, auf den Einwand habe ich gewartet. Er ist von Ihrer Seite ganz natürlich. Aber ich kritisiere gar nicht, daß etwas vorbereitet wird, sondern ich kritisiere, daß dieser Gesetzentwurf erst im April und nicht wie die übrigen Anpassungsgesetze Anfang des Jahres vorgelegt wurde, um damit dem Parlament die Möglichkeit zu geben, eine echte Beratung vorzunehmen. Genau dies ist uns genommen. Ich habe im letzten Jahr, Herr Kollege Schellenberg, gesagt, ich komme mir in diesem Hause wie eine Abstimmungsmaschine vor, wie ein Vollzugsorgan dieser Bundesregierung. So ist es in der Tat. Was die Regierung vorlegt, muß beschlossen werden. Deshalb bedaure ich dies ganz besonders.
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MaucherDann, meine Verehrten, möchte ich Ihnen sagen, daß die CDU-Fraktion deshalb erwartet, daß die Anpassungsgesetzentwürfe in Zukunft so rechtzeitig vorgelegt werden, daß im Ausschuß genügend Zeit zur Behandlung bleibt. Herr Kollege Schellenberg, ich stelle mir jetzt schon vor, wie Sie im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, wenn ich mich zum erstenmal zu Wort melde, auf die Uhr schauen, wieviel Zeit wir noch zur Verfügung haben.
Wenn man einmal die Kriegsopferversorgung in ihrer Gesamtentwicklung darstellt, so glaube ich, daß wir von der Opposition bestehen können. Wir haben wenigstens den Mut gehabt, eigene Gesetzentwürfe einzubringen, was Sie, seit Sie an der Regierung sind, nur dann tun, wenn Sie das Geschäft der Regierung besorgen müssen. Und das tun Sie manchmal sogar verkehrt — wie gestern im Ausschuß, wo man den Regierungsentwurf mit dem Fraktionsentwurf verwechselt hat. Es ist hier an sich ganz deutlich, daß man manchmal eigentlich gar nicht weiß, wer wo was spricht usw.Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider Gottes ist es so, daß wir nicht die entsprechende Zeit haben. Aber, Herr Arbeitsminister, wenn Sie jetzt die prozentuale Rechnung mit 95 % aufmachen, ist dieser Sache an sich auch die Frage gegenüberzustellen, wie auf der anderen Seite die Preisentwicklung ist.
— Herr Kollege Schellenberg, lesen Sie doch einmal nach! Ich habe es mir ausgerechnet. Der 50 % Schwerbeschädigte konnte im Jahre 1969, also bei Ihrem Regierungsantritt, mit seiner Grundrente 475 Briefmarken kaufen; ab 1. Juli 1975 kann der gleiche Schwerbeschädigte mit seiner Grundrente noch 372 Briefmarken kaufen. Und sehen Sie, ist es nicht interessant, daß sich gerade beim größten Arbeitgeber, beim staatlichen, hier dieses Bild ergibt? Er ist der größte Preistreiber, den wir haben. Und an Hand dieses Beispiels muß man die Frage stellen, wie damit die lauten Äußerungen von Helmut Schmidt wegen der Reprivatisierung des Volkswagenwerks noch irgendwie im Gleichgewicht stehen können. Das ist, glaube ich, wenn man das ansieht, ein deutliches Beispiel.In diesem Zusammenhang ist es, meine ich, doch hochinteressant, Herr Arbeitsminister: Wenn Sie Zahlen bekanntgeben, vergleichen Sie einmal in der Tat, wie das Durchschnittseinkommen gegenüber der Entwicklung in der Kriegsopferversorgung aussieht. Wir hatten für den 1. Januar bzw. den 1. Juli 1960 einen eigenen Initiativgesetzentwurf von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt; der hieß damals sogar „Rebellenentwurf". Ich möchte einmal erwarten, daß aus Ihren Reihen ein solcher Entwurf käme; die Kriegsopfer würden es Ihnen danken.Sehen Sie, damals hat man gesagt, die allgemeine Bemessungsgrundlage — 400 DM — ist wie in der sozialen Rentenversicherung festgelegt. Das Durchschnittsbruttoeinkommen betrug im Jahre '1960 513 DM, Herr Kollege Schellenberg, und die Kriegsopferrente, nämlich Grund- und Ausgleichsrente des Erwerbsunfähigen, lag um 22 % unter dem Durchschnittseinkommen. Im Jahre 1967 betrug das Durchschnittseinkommen 857 DM; der Rückstand war 34 N. Im Jahre 1970 — vergleichen Sie bitte die Zahlen, Herr Arbeitsminister — lag das Durchschnittseinkommen bei 1 138 DM; die Rente lag bei 512 DM. Rückstand: 45 %! Und heute, am 1. Januar 1975, meine sehr verehrten Damen und Herren? Rückstand: 50,5 %! Das ist der Tatbestand, und den können Sie nicht hinwegdiskutieren.Ich will eine zweite Zahl nennen, da Sie sagen, was alles, in Milliarden ausgedrückt, getan worden sei. Im Jahre 1950 hatten die Leistungen für die Kriegsopfer einen Anteil von 16 % am Bundeshaushalt, d. h., von 100 DM Staatsausgaben gaben dieser Bundestag und die Regierung 16 DM für die Kriegsopfer. Heute, im Jahre 1975, sind es noch 7,2 %. Sehen Sie, darin liegt doch die Problematik. Und so könnte man weiß Gott noch wie viele Zahlen ansprechen.Sehr geehrter Herr Arbeitsminister, wenn Sie an sich so großartig über alle Dinge unterrichtet sind und immer wieder verkünden, welch große soziale Leistungen Sie vollbracht haben, muß man allerdings hinzufügen, aus welcher Tasche. Ich denke daran, daß wir uns gestern stundenlang über die Krankenversicherung der Studenten unterhalten haben. Da hat die Koalition zu einem Gesetzentwurf 50 Änderungsanträge gestellt; beinahe das ganze Gesetz soll geändert werden. Und wo sind denn die Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf?Lassen Sie mich eines sagen: Wer kann sich vorstellen, daß mir am 1. Oktober — nach Inkrafttreten der ersten Stufe — Rentenbescheide von Witwen in die Hand gegeben wurden, die nicht nur eine Verbesserung beinhalteten, sondern in einem Fall trotz Erhöhung eine Verschlechterung um 5 DM.Herr Arbeitsminister, Sie haben sicher „Wille und Weg", Nr. 3, gelesen. Da heißt es: „7. Anpassungsgesetz eine Enttäuschung für den VdK". Da sind Beispiele aufgeführt, die für sich sprechen. Ich kann sie nicht alle vorlesen, aber wenigstens — mit Genehmigung des Präsidenten — eines. Da steht:Am 19. 2. 1975 schreibt die Kriegerwitwe Else R. aus Schweinfurt an den VdK, Landesgeschäftsstelle Bayern, u. a.: „Jetzt schon werden Miete und Preise teurer, und ab 1. Juli 1975 bekommen wir mehr Rente. Am 1. Oktober 1974 habe ich eine DM mehr Rente bekommen."Herr Arbeitsminister, sind eine DM 11,5 % von der Grundrente von 385 DM? Da frage ich Sie: Wie sieht denn eigentlich Ihre Rechnung aus?Sehen Sie, wenn es umgekehrt wäre, wenn Sie jetzt in der Opposition säßen und wir auf der Regierungsbank und wir dann solche Rechnungen oder Prozentzahlen präsentierten — Sie haben gesagt: alle haben davon praktisch mehr oder weniger profitiert —, dann bin ich überzeugt, daß vom Sprecher Ihrer Seite mindestens der Vorwurf käme: Wer so
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11501
Maucheretwas in die Welt setzt, ist der größte Märchenerzähler des Jahrhunderts.
Eines Tages wird man allerdings feststellen, daß dieser kindliche Glaube bald versiegen wird.Es gibt noch eine Reihe anderer Beispiele. Wenn wir uns den § 48 ansehen, verehrter Herr Minister: Welchen Propagandaaufwand haben Sie hier getrieben? Was ist dabei herausgekommen? Wenn ich die Antworten auf unsere Fragen vergleiche — u. a. auch auf eine Reihe weiterer Fragen in der Fragestunde —, muß ich feststellen: Entweder macht es die Technik nicht, oder es klappt der Computer nicht. Auf jeden Fall wissen Sie nichts, obwohl die Zahlen bekannt sind. Oder wenn eine Antwort gegeben wird, ist es tatsächlich keine Antwort. Wenn man Fragen stellt, dann haben Sie, Herr Staatssekretär, sie nicht verstanden. Wenn man sie dann verdeutlicht und die Frage klar stellt, dann sagen Sie: Ich danke Ihnen; jetzt weiß ich, was es heißt. Aber die Frage bleibt unbeantwortet. Ja, so können wir doch keine Politik machen. Ich glaube, das muß man in diesem Zusammenhang einmal deutlich darstellen.Ein Weiteres: Eine Kriegerwitwe hat mir einen Lastenausgleichsbescheid vorgelegt. Sie hat im Jahrer 1969 136 Mark bekommen und bekommt im Jahre 1970 noch 36 DM. So sieht es in Wirklichkeit aus. Verehrter Herr Minister, wir wären froh, wenn Sie wenigstens die Härten beseitigen würden, die sich aus dieser gesetzlichen Regelung ergeben. Das betrifft vor allem die Fälle im Zusammenhang mit dem Vergleichseinkommen.Da müssen wir doch fragen: Ist es nicht tragisch, wenn das Arbeitsministerium in der Tat eine entsprechende Änderung vorlegt, Herr Schellenberg, um solche Härten, wie am 1. Oktober 1974 geschehen, zu vermeiden, wenn das Ministerium den Leuten also schon verspricht, daß es etwas unternimmt, dann aber das Finanzministerium kommt, einen Federstrich macht und der Fall erledigt ist? Ich bin gespannt, ob diese Panne wenigstens im Ausschuß bereinigt wird. Sie sind ja an sich sehr antragsfreudig, und ich hoffe, Herr Kollege Glombig, daß wir es in diesem Fall, wie bei manchen anderen Gelegenheiten, gemeinsam schaffen. Ich wäre dafür dankbar.Es geht jedoch nicht nur um diese Frage, sondern z. B. auch — ich will nur Schwerpunkte ansprechen — um die orthopädische Versorgung. Es ist geradezu ein Trauerspiel, was sich hier ereignet hat. Herr Arbeitsminister, Sie haben auch für diesen Personenkreis, vor allem für die Oberschenkelamputierten, eine entsprechende Vorlage gemacht. Ich glaube, Sie wären dem Ausschuß dankbar, wenn er auch das verwirklichen würde.Sie müssen einmal überlegen: Schwerbeschädigte werden von der Landesversicherungsanstalt oder Bundesversicherungsanstalt an die Hauptfürsorgestelle verwiesen und dort wegen zu hohem Einkommen abgelehnt. Zwei gleiche Fälle werden verschieden behandelt: Beschädigte und Nichtbeschädigte, der Beschädigte ist der Benachteiligte. So könnte man das Ganze endlos fortsetzen.Ich möchte zusammenfassend feststellen: Die linke Seite des Hauses wird mich fragen: Ihr redet, warum stellt ihr keine Anträge? Anträge können wir nicht mehr stellen, weil die katastrophale Politik dieser Bundesregierung zu einer Finanzsituation geführt hat, die dies nicht mehr zuläßt. Das ist die Situation.Auf der anderen Seite sieht man aber, daß die strukturelle Entwicklung in der Kriegsopferversorgung Jahr für Jahr schlechter wird und immer noch Härten auftreten, die schon bestanden, als wir das Erste Neuordnungsgesetz berieten. Herr Kollege Glombig, lesen Sie einmal nach, welche Anträge Sie damals gestellt haben. Bringen Sie sie heute wieder; sie sind immer noch aktuell. Aber wenn man in der Verantwortung steht, ist es ja anders. Am 1. Januar 1967 bekamen wir das Vierte Neuordnungsgesetz. Damals haben Sie über Nacht all Ihre Gesetze in den Papierkorb geworfen.Aber eines müssen wir feststellen, und das sage ich abschließend: Obwohl damals das Haushaltssicherungsgesetz vorlag, haben wir eine Verbesserung von 1,2 Millionen DM für die Kriegsopferversorgung erreichen können.
— Herr Schellenberg, gern!
Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege Maucher, würden Sie bitte dem Hause mitteilen, daß der vorliegende Gesetzentwurf Leistungsverbesserungen für dieses Jahr in Höhe von 423 Millionen DM und für 1976 in Höhe von 803 Millionen DM beinhaltet? Das scheint mir doch der politisch wichtige Gesichtspunkt auch für die Kriegsopfer zu sein.
Herr Kollege Schellenberg, wissen Sie, im Schwäbischen gibt es so nette Witze. Da rechnet man sehr gut. Der Lehrer fragt das Fritz-le: Wieviel ist 3X50? Ganz blitzschnell kam die Antwort: Herr Lehrer, 3X 50 sind 100, aber gut! — Wenn man das genau verfolgt, stellt man fest, daß es sich so mit Ihren Zahlen verhält. Sie können doch die Zahlen von heute nicht mit den Zahlen von vor vielen Jahren vergleichen. Das ist eine Verbesserung auf Grund der beschlossenen — —
— Herr Kollege Schellenberg, es macht keinen so großen Unterschied, ob man „zu beschließenden" oder „beschlossenen" sagt. Wenn ich sage „beschlossenen", dann beziehe ich mich zunächst einmal auf den Kabinettsbeschluß. Wir beschließen dann darüber. Wir können gar nicht anders; ich habe es Ihnen ja gesagt.
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MaucherEs kommt aber darauf an, die bestehenden Härten zu beseitigen. Das ist das Wesentliche. Haben Sie denn nicht zugehört, als ich deutlich machte, daß der Anteil am Gesamthaushalt 1975 7,2 % beträgt? Das ist der bisher niedrigste Satz. Es besteht doch ein wesentlicher Unterschied: 400 Millionen DM bedeuten heute nur ein Zehntel des Wertes vom Jahre 1950. Deshalb muß man die Zahlen mit anderen Maßstäben messen. Ihre Frage ist also absolut nicht gerechtfertigt. Herr Kollege Schellenberg, ich möchte gar nicht davon sprechen, welche Zahlen Sie wohl aufstellen würden, wenn wir in der Verantwortung wären und wenn die gleiche Situation bestünde. Sie können — nach Belieben — gut rechnen. Das möchte ich Ihnen bescheinigen. Nur stimmt die Rechnung nicht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Geiger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn man den Kollegen Maucher gerade gehört hat, konnte man sich wegen der Kleinkariertheit der Argumente, die er vorgebracht hat, eigentlich nur wundern. Man muß annehmen, daß er es in dieser Weise vorgetragen hat, weil ihm fachliche Argumente fehlen.Herr Kollege Maucher, meine Damen und Herren von der Opposition, wir haben überhaupt keinen Anlaß, etwa am heutigen Tage auf eine Diskussion zu verzichten. Im Gegenteil, auf die Leistungsverbesserungen für die Kriegsopfer seit dem Jahre 1969 können wir — daran ändert die Kleinkariertheit Ihrer Darlegungen nichts, Herr Kollege Maucher — stolz sein, und wir sind sehr stolz auf diese Leistungen.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Opposition, ich will noch ein Stück weitergehen. Seit dieser Zeit — mit einer Ausnahme, das würde ich zugeben — gehören die Protestkundgebungen auf dem Bonner Marktplatz der Vergangenheit an, bei denen die Kriegsopfer in der Regel als Bittsteller an das Parlament und an die Regierung herantreten mußten. Sie können heute unmöglich all das nachholen, was Sie in den Jahrzehnten Ihrer Regierungsführung versäumt haben. Mit dieser Schwarzmalerei machen Sie heute auch bei den Kriegsopfern keinen Eindruck mehr.Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Einbringung des Entwurfs eines Siebenten Anpassungsgesetzes legt die Bundesregierung das Fundament für eine erneute Anhebung der Kriegsopferrenten. Die 2,35 Millionen Empfänger von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz können zum 1. Juli 1975 eine durchschnittliche Rentenerhöhung von 11,1 v. H. erwarten. Seit dem Jahre 1970 — ich muß noch einmal darauf aufmerksam machen —, als die sozialliberale Koalition die Kriegsopferversorgung durch die Dynamisierung in eine neue Dimension hineinführte, wird bereits zum sechsten Male eine Anpassung der Kriegsopferrenten gemäß der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung erfolgen. Ist das nicht etwas wesentlich anderes als dieses Ringen und Kämpfen um materielle Erhöhungen in der Vergangenheit, Herr Kollege Maucher?
Meine Damen und Herren, unter Einschluß dieser Rentenerhöhungen und der strukturellen Verbesserungen des Leistungsrechts, die auch stattgefunden haben, haben sich die Renten seit dem Jahre 1969 für die Kriegerwitwen, die nach langen Jahren des Ringens jetzt ebenfalls wie die Witwen in der Rentenversicherung 60 v. H. des Anspruchs des Ehemanns erhalten, mehr als verdoppelt, während sich die Renten für die Kriegsopfer nahezu verdoppelt haben.Es läßt sich sicherlich mit Fug und Recht behaupten, meine Damen und Herren, daß Rentenaufbesserungen in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen wären, wenn der § 56 des Bundesversorgungsgesetzes noch heute in der Form Gültigkeit hätte, wie er bestand, bevor eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung ihr Amt antrat. Freilich muß man gerechterweise zugeben, daß sich diese Erhöhungen nicht in vollem Umfange als Kaufkraftverbesserungen für die Kriegsopfer niedergeschlagen haben; aber trotz steigender Lebenshaltungskosten hat keine Gruppe von Sozialleistungsempfängern in unserer Bevölkerung einen so starken Realeinkommenszuwachs wie die Kriegsopfer zu verzeichnen gehabt. Die Sozialleistungsempfänger insgesamt haben am Zuwachs des Realeinkommens ebenfalls einen höheren Anteil als die Gesamtheit unseres Volkes. Was soll denn, Herr Kollege Maucher, Ihr Vergleich mit den 450 Briefmarken? Wenn Sie eine solche ungeschickte Vergleichsfestlegung treffen, hätten Sie doch auch sagen müssen, daß eine Reihe anderer Verbesserungen wie beispielsweise Verbilligung der Telefonkosten und andere Dinge die Situation wesentlich verändert haben.Meine Damen und Herren, mit dem 7. Anpassungsgesetz wird zugleich die zweite und damit letzte Stufe unserer Absicht verwirklicht, die Anpassung der Versorgungsbezüge für die Kriegsopfer an die in der gesetzlichen Rentenversicherung heranzuführen. Nun wird sich die Anpassung grundsätzlich mit dem gleichen Satz und zum gleichen Termin vollziehen wie auch die Anpassung der Renten in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten.Insgesamt ergeben sich aus dem Regierungsentwurf zugunsten der Kriegsopfer Mehraufwendungen für den Bundeshaushalt von rund 420 Millionen DM für den Rest des Jahres 1975. Im Jahre 1976 wird ein volles Jahr zugrunde zu legen sein, und zwar mit der Folge, daß der Mehraufwand die 800 Millionen-DM-Marke überschreiten wird. Das ist eine Leistung, meine sehr verehrten Damen und Herren, die sich nicht zu verstecken braucht.Sicherlich hätte es sozialdemokratischer Absicht entsprochen, auch bei dieser Anpassung wiederum einige Strukturverbesserungen vorzunehmen. Die finanzwirtschaftliche Lage im Gefolge der Steuerreform, die im übrigen auch einem großen Teil der
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GeigerKriegsopfer zugute kommt, ließ dies jedoch leider nicht zu. Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, das sozialpolitisch Wünschenswerte und das finanziell Machbare auf einen soliden gemeinsamen Nenner zu bringen. Wenn die Oppositionsfraktion heute kritisiert, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf keine weiteren strukturellen Verbesserungen des Leistungsrechts enthält, dann ist sie an ihren eigenen Fraktionsbeschluß zu erinnern, keine Gesetzesanträge einzubringen, die zu einer Überstrapazierung der öffentlichen Haushalte führen.Zudem, meine Damen und Herren, sind sich die Kriegsopfer in unserem Lande noch genau der Zeiten bewußt, Herr Kollege Maucher, in denen die heutige Opposition die Regierungsverantwortung trug. Es waren Zeiten, in denen die Kriegsopfer und ihre Verbände für sporadische Rentenerhöhungen hart kämpfen mußten — ich erinnerte Sie vorhin schon an die Demonstrationen auf dem Bonner Marktplatz - und immer wieder in die Rolle von Bittstellern gegenüber Regierung und Parlament abgedrängt wurden. Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben durch die Verwirklichung des Rechtsanspruchs auf eine alljährliche Anpassung der Kriegsopferrenten ihr Wort gehalten und damit eine wichtige Etappe auf dem Wege zu mehr sozialer Gerechtigkeit zurückgelegt.Die zahlreichen Verbesserungen des Bundesversorgungsgesetzes werden eindrucksvoll durch den Ausbau einer Reihe anderer Sozialgesetze ergänzt, die auch für die Kriegsopfer eine große Bedeutung haben. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das neue Schwerbehindertengesetz, mit dem alle Schwerbehinderten, und zwar unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung, eine einheitliche Rechtsgrundlage für Zusatzurlaub, Kündigungsschutz und für die Beschäftigungspflicht durch die Arbeitgeber erhalten haben. Aus Kreisen der Betroffenen wird heute schon deutlich gemacht, daß dieses neue Gesetz in der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage seine Bewährungsprobe besteht. Die Regelungen über die flexible Altersgrenze, meine Damen und Herren, ermöglichen es dem Schwerbehinderten, schon mit Vollendung des 62. Lebensjahres sein Altersruhegeld in der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen.In den Katalog der positiven Gesetzesmaßnahmen auf diesem Feld gehören auch die Dritte Novelle zum Bundessozialhilfegesetz sowie das Rehabilitationsangleichungsgesetz, das die Rehabilationsleistungen vereinheitlicht und verbessert. Zudem hat der Bundensrat noch in der vergangenen Woche dem von der Bundesregierung vorgelegten wichtigen Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter zugestimmt. Dies alles, meine Damen und Herren, zeigt, daß Bundesregierung und Koalitionsfraktionen Punkt für Punkt ihres Aktionsprogrammes zum Wohle unserer behinderten Mitbürger verwirklichen.Die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung werden bei den Beratungen des Siebten Anpassungsgesetzes einem Punkt ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, der sich aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November vergangenen Jahres ergibt. Der § 44 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes sieht vor, daß einer wiederverheirateten Witwe im Falle einer Scheidung nur dann erneut eine Witwenrente gewährt wird, wenn die zweite Ehe ohne ihr alleiniges oder überwiegendes Verschulden aufgelöst worden ist. Die Verfassungsgerichtsentscheidung legt nunmehr fest, daß den Kriegerwitwen, deren zweite Ehe geschieden wird, ohne Rücksicht auf den Schuldspruch die Kriegerwitwenrente erneut zu gewähren ist, daß die Rente gewissermaßen wieder auflebt. Dabei wird zu überprüfen sein, ob eine Änderung durch den Gesetzgeber erforderlich ist oder ob die Bundesregierung bei der anstehenden Neufassung des Bundesversorgungsgesetzes von sich aus die notwendigen Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil ziehen kann.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Maucher?
Nein, ich möchte fortfahren, Herr Kollege Maucher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wissen, daß trotz der zahlreichen Verbesserungen des Bundesversorgungsgesetzes noch immer einige berechtigte Wünsche der Kriegsopfer offengeblieben sind. Daher werden wir auch künftig darum bemüht bleiben, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die noch bestehenden Lücken zu schließen.
Das Siebente Anpassungsgesetz, dessen Vorlage durch die Bundesregierung wir nachdrücklich begrüßen, wird die Kaufkraft der Kriegsopfer beträchtlich stärken. Es wird zusammen mit den anstehenden Erhöhungen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Mitte des nächsten Jahres mit einem zusätzlichen Gesamtvolumen, meine Damen und Herren, von rund 10 Milliarden DM zur Konjunkturbelebung beitragen, die die Bundesregierung durch ihre Maßnahmen eingeleitet hat.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird für eine zügige Ausschußberatung des Entwurfs eines Siebenten Anpassungsgesetzes sorgen, Herr Kollege Maucher, damit auch die Erhöhungen der Kriegsopferrenten, wie vorgesehen, zum 1. Juli dieses Jahres wirksam werden können und die Versorgungsverwaltungen, von denen Sie gesprochen haben, ihre Aufgaben erfüllen können.
Das
Wort hat der Abgeordnete Hölscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kerr Kollege Maucher, ich will auf Ihre Angriffe nicht weiter eingehen. Ich glaube, wir können da sehr gelassen sein. Alle Welt weiß, was wir auch auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung geleistet haben. Nur, gestatten Sie mir eine Anmer-
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Hölscherkung, eine Korrektur. Sie haben gesagt, ein Schwerbeschädigter könne heute weniger Briefmarken bekommen. Ich glaube, das stimmt nicht ganz. Er kann die gleiche Anzahl Briefmarken bekommen, kann aber vielleicht ein paar Briefe weniger schreiben; dann etwa stimmt das Bild.Meine Damen und Herren, ich darf namens der Fraktion der Freien Demokraten begrüßen, daß die Kriegsopferrenten zum 1. Juli 1975 um 11,1 % erhöht werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie Zwischenfragen? — Der Herr Kollege Burger hatte sich gemeldet.
Herr Kollege Burger, bitte sehr!
Herr Kollege Hölscher, würden Sie den Sinn des Beispieles des Herrn Kollegen Maucher annehmen, daß die Mark von heute nicht mehr gleich der Mark von damals ist, daß die Kaufkraft der Mark heute eine andere ist als die der fünfziger Jahre?
Herr Kollege Burger, ich danke Ihnen für die Belehrung. Selbstverständlich hatte ich begriffen, was Herr Kollege Maucher damit andeuten wollte. Ich wollte ihm ja auch nur helfen, vielleicht bei der Korrektur des Protokolls auf diese zumindest verbal nicht ganz klare Formulierung zu achten.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen, daß die sozialliberale Koalition mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ihrem Vorhaben, die Kriegsopferrenten ebenso wie die gesetzlichen Renten in der Mitte eines jeden Jahres anzupassen, nachgekommen ist. Der Anpassungstermin wird in zwei Stufen vorgezogen. Das Sechste Anpassungsgesetz brachte bekanntlich den Erhöhungstermin 1. Oktober 1974. Durch den vorliegenden Entwurf wird die zweite Stufe verwirklicht.
Auf Grund des Sechsten und Siebten Anpassungsgesetzes ist eine Steigerung der Kriegsopferrenten — Herr Kollege Maucher, das sind eben Zahlen, die nicht zu bestreiten sind — in den Jahren 1974 und 1975 um jeweils 15 % zu verzeichnen. Die Realeinkommen der Kriegsopfer — ich glaube, das ist ein sehr deutlicher Vergleich, der die Position der Kriegsopfer in besonders plastischer Art herausstellt — erhöhten sich weit stärker als die Einkommen der aktiven Arbeitnehmer.
Seit Bildung der sozialliberalen Koalition, welche die jährliche Dynamisierung der Kriegsopferrenten einführte — w i r haben sie eingeführt —, haben sich die Kriegsopferrenten im Durchschnitt verdoppelt. Die Witwenrenten liegen sogar um rund 110 v. H. höher als 1960. Der Mittelaufwand für die Kriegsopferversorgung erhöhte sich von rund 7,5 Milliarden DM im Jahre 1970 auf rund 10 Milliarden DM im Jahre 1975, und dies bei einem ständigen Rückgang der Zahl der anspruchsberechtigten Empfän- ger. Diese Daten veranschaulichen, daß wir der besonderen Situation der Kriegsopfer auch bei der jetzigen schwierigen Haushaltssituation Rechnung tragen. Wir verkennen dabei nicht, daß weitere strukturelle Verbesserungen, wie wir sie in den vergangenen Jahren durchsetzen konnten, wünschenswert sind. Aber zu unserer sozialen Verantwortung gegenüber den Kriegsopfern gehört auch, daß wir nur solche Verbesserungen beschließen, die finanziell auch längerfristig abzusichern sind. Eingriffe in das Kriegsopferrecht wie unter dem damaligen Finanzminister Strauß wird es mit der FDP allerdings nicht geben.
Ich denke, meine Damen und Herren, die Gesamtbilanz der Kriegsopferversorgung ist positiv, seitdem die FDP im Bund wieder Regierungsverantwortung trägt. Wir werden auf diesem Wege fortfahren.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung — zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Vermittlung der Annahme als Kind — Adoptionsvermittlungsgesetz —
— Drucksache 7/3421 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
Das Wort zur Begründung der Regierungsvorlage hat Frau Dr. Focke, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute über einen Gesetzentwurf zu beraten, der in der Öffentlichkeit bisher wenig beachtet und dessen Bedeutung ausschließlich von Fachleuten erkannt wurde. Das hat sich durch ein paar aufsehenerregende Ereignisse in den letzten Wochen schlagartig geändert. „Baby-Lift aus Südvietnam", „12 Kinder aller Rassen weinen um ihre Mutter Josephine Baker" und „Deutsche Babys nach Amerika verschachert" sind ein paar Schlagzeilen, die auch die breite Öffentlichkeit aufhorchen ließen. 3 000 Eltern in der Bundesrepublik Deutschland erklärten sich spontan bereit, ein Kind aus Südvietnam zu adoptieren. Diese Vorgänge und die Reaktionen darauf zeigen, daß es sich bei allem, was mit Adoption zusammenhängt, um einen Be-
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Bundesminister Frau Dr. Fockereich handelt, in dem einerseits sehr spontan, gefühlsmäßig und human gehandelt und empfunden wird, in dem aber zugleich stets die Gefahr besteht, daß unverantwortlich, ja, vielleicht sogar skrupellos gehandelt wird.Die Bundesregierung hat das schon vor Jahren erkannt und will mit der Reform der Adoption und der Adoptionsvermittlung vor allem zweierlei erreichen: Erstens wollen wir für Kinder, die nicht bei ihren leiblichen Eltern, ihrer Mutter oder ihrem Vater, aufwachsen können, optimale Chancen schaffen, d. h. sie sollen wie eigene Kinder bei Adoptiveltern aufwachsen können, mit den gleichen Rechten und Ansprüchen wie leibliche Kinder. Zweitens aber müssen wir dafür sorgen, daß Kinder rechtzeitig, an möglichst geeignete Eltern, von fachlich qualifizierten Stellen vermittelt werden und daß jedem Mißbrauch vorgebaut wird.Die Funktion der Adoption hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Früher war Adoption ein Mittel für kinderlose Ehepaare, zu einem Kind, vor allem zu einem Erben, zu kommen. Es ging in erster Linie um die Interessen der Adoptivwilligen. Heute steht der Gesichtspunkt der Hilfe für elternlose oder von ihren Eltern im Stich gelassene Kinder eindeutig im Vordergrund. Es geht jetzt darum, für Kinder geeignete Eltern zu finden, und nicht umgekehrt.Mein Kollege Minister Vogel hat erst vor kurzem diesem Hause den Gesetzentwurf über die Annahme als Kind vorgelegt. Die darin vorgeschlagenen Verbesserungen des materiellen Adoptionsrechts werden sich aber erst dann voll auswirken können, wenn auch die Bedingungen für die Zusammenführung von adoptionswilligen Eltern und zur Adoption freigegebenen Kindern verbessert werden. Hauptziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist deshalb eine umfassende Neuordnung der organisatorischen und fachlichen Voraussetzungen der Adoptionsvermittlung, um mehr Kindern die Chance zu geben, adoptiert zu werden und für sie ein geeignetes Zuhause zu finden.Aus der Jugendhilfestatistik ergibt sich, daß in den vergangenen 20 Jahren pro Jahr etwa 7 500 Kinder adoptiert wurden. Die Statistik zeigt aber auch, daß am Jahresende immer noch 3 000 Kinder auf Eltern warten, während es doppelt oder dreimal so viele Eltern gibt, die gerne ein Kind adoptieren würden. Selbst wenn die Zahl der adoptionswilligen Eltern zu hoch gegriffen ist, weil sich viele Eltern bei mehreren Adoptionsstellen registrieren lassen, so ist das Zahlenmißverhältnis auf jeden Fall unbefriedigend. Fast jede Adoptionsvermittlungsstelle hat heute eine längere Warteliste von Eltern, die gern ein Kind adoptieren würden, die Voraussetzungen dafür auch erfüllen, aber für die dennoch kein Kind gefunden wird. Die Diskrepanz zwischen der hohen Zahl von wartenden Eltern und der kleineren der nicht vermittelten Kinder abzubauen, ist ein Hauptanliegen des Gesetzentwurfs. Erstens müssen dazu die organisatorischen Voraussetzungen verbessert werden. Zweitens muß die Bereitschaft der Eltern, auch dann ein Kind zu adoptieren, wenn es nicht den Wunschvorstellungen vom blauäugigen, blonden Baby entspricht, erhöht werden.Wie kann das erreicht werden? Dieser Entwurf sieht vor, daß die Befugnis zur Adoptionsvermittlung bei den Jugendämtern und bei den freien Wohlfahrtsverbänden auf weniger Adoptionsvermittlungsstellen konzentriert wird, die dann mit entsprechend qualifizierten Fachkräften besetzt sind. Gegenwärtig kann jedes der über 600 Jugendämter in der Bundesrepublik Adoptionen vermitteln. Das geschieht häufig durch fachlich nicht qualifizierte Bearbeiter mit einer notgedrungen geringeren Erfahrung auf diesem Gebiet. Vor allem bei den vielen kleineren Jugendämtern wird manchmal nur eine Adoption im Jahr vermittelt. Diese Organisationsform ist überholt und wird der Bedeutung einer Adoption nicht mehr gerecht. Man muß sich einmal vorstellen, daß hier von dem vermittelnden Beamten im wahrsten Sinne des Wortes Schicksal gespielt wird. Von seiner Entscheidung hängt ab, zu wem das Kind kommt — denn es stehen ja oft mehrere Bewerber zur Auswahl —, und damit auch, wie sich das weitere Leben des Kindes gestalten wird. Diese Verantwortung kann nur jemand übernehmen, der dafür durch fachliches Wissen und große Erfahrung qualifiziert ist und der sich auf diese Aufgabe konzentrieren kann.
Selbstverständlich soll die Berechtigung — das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen, damit es keine Mißverständnisse gibt — der freien Wohlfahrtsverbände zur Adoptionsvermittlung erhalten bleiben. Lange vor der ersten gesetzlichen Regelung haben sie bereits Adoptionen vermittelt und verfügen heute auf diesem Gebiet über erfahrene und mit Erfolg arbeitende Fachkräfte. Dennoch sieht der Entwurf vor, auch hier die 156 Adoptionsvermittlungsstellen quantitativ zugunsten der Qualität zu verringern. Die Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege haben der im Entwurf vorgesehenen Regelung zugestimmt, daß sich Adoptionsvermittlungsstellen in Zukunft einem Anerkennungsverfahren unterziehen sollen, wobei Voraussetzung für die Anerkennung die Besetzung der Stelle mit mindestens einer hauptamtlichen Fachkraft ist.Mit dem generellen Verbot der Adoptionsvermittlung durch andere Personen als diese Stellen und Fachkräfte in den Adoptionsvermittlungsstellen entspricht der Entwurf einhelligen Forderungen aus der Praxis. Ein besonderes Problem bildet hier die sogenannte Gefälligkeitsvermittlung durch Hebammen, Ärzte, Heimpersonal, ja sogar Makler unter Umgehung der Adoptionsvermittlungsstellen. Dabei kommt es natürlich relativ häufig zu Fehlvermittlungen, die im Interesse der betroffenen Kinder nach Möglichkeit verhindert werden müssen.Neuere Meldungen über die verbotene Vermittlung von Kindern zur Adoption ins Ausland gegen Bezahlung hoher Geldsummen werfen die Frage auf, ob es nicht notwendig ist, zur Unterbindung dieser Geschäfte die im Entwurf vorgesehenen Sanktionen noch zu verstärken oder unter Umständen sogar die
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Bundesminister Frau Dr. Fockeunbefugte Vermittlung von Kindern — auch von ungeborenen Kindern — ins Ausland als kriminelle Handlung zu bewerten. Die Bundesregierung jedenfalls wird nicht zögern, sich intensiv an der Prüfung dieser Frage bei der Weiterbehandlung des Gesetzentwurfs zu beteiligen.Die 16 Landesjugendämter werden künftig die Aufgaben zentraler Adoptionsstellen wahrnehmen. Dazu gehören besonders die fachliche Beratung der örtlichen Adoptionsvermittlungsstellen und der überregionale Ausgleich von adoptionswilligen Eltern und zur Adoption freigegebenen Kindern. Wenn heute für ein Kind in Bayern keine Adoptiveltern gefunden werden und wenn Eltern in Bremen sehnsüchtig auf ein Kind warten, besteht wenig Aussicht, diese zusammenzubringen. Das soll in Zukunft durch die zentralen Adoptionsstellen ermöglicht werden. Für diese Aufgabe steht dort ein interdisziplinäres Team von Fachleuten — mindestens ein Kinderarzt, ein Psychologe mit Erfahrungen in der Kinderpychologie, ein Jurist und ein Sozialarbeiter — zur Verfügung.Die örtlichen Adoptionsvermittlungsstellen sollen künftig verpflichtet sein, diesen zentralen Adoptionsstellen alle Fälle zu melden, in denen ein Kind innerhalb von drei Monaten keine Eltern gefunden hat, und die Eltern, denen innerhalb von sechs Monaten kein Kind vermittelt werden konnte. Auf Grund dieser so korrespondierenden Meldepflichten wird sich voraussichtlich bei den zentralen Adoptionsstellen ein Pool von Eltern und Kindern bilden, der einen bundesweiten, überregionalen Ausgleich ermöglicht.Ein ganz besonderer Schwerpunkt des Entwurfs ist die Meldepflicht für Säuglings- und Kinderheime. In den Massenmedien wird seit Jahren ja immer wieder darüber berichtet, daß sich Tausende von Kindern in Heimen befänden — die sogenannten vergessenen Heimkinder —, die bei entsprechenden Vermittlungsbemühungen eine Familie finden könnten. Aus der Praxis gibt es dazu Schätzwerte, die zwischen 700 und 2 500 Kindern schwanken, Kindern, ,die aus Gründen mangelnder Information, administrativer oder juristischer Hindernisse nicht zur Adoption vermittelt werden können. Ein weiterer Grund — ich habe eingangs schon davon gesprochen — ist auch die Scheu vieler Eltern, ein älteres, schwieriges, krankes oder behindertes Kind zu adoptieren. Für alle diese Fälle sieht der Gesetzentwurf entsprechende Maßnahmen vor. Alle Minderjährigen in Säuglings- und Kinderheimen sollen halbjährlich dem Landesjugendamt gemeldet werden, und zwar mit Angaben über die Beziehungen des Kindes zur leiblichen Familie, um Fälle dauernder Gleichgültigkeit der Eltern gegenüber dem Kind herauszufinden, und mit einer Äußerung der Heimleitung darüber, ob das Kind für eine Adoption in Betracht kommt oder nicht. Das Landesjugendamt soll dadurch in die Lage versetzt werden, in jedem einzelnen Fall die Möglichkeit einer Adoptionsvermittlung zu prüfen. Diese Meldepflicht wird sich im ersten Durchgang auf etwa 55 000 bis 75 000 Kinder erstrecken. Später wird das natürlich allmählich weniger Aufwand bedeuten. Ich glaube aber, daß der damit verbundene Verwaltungsaufwand im Hinblick auf das angestrebte Ziel und den erhofften Erfolg unbedingt vertretbar ist.Es gibt keine Zweifel darüber, daß es gerade für ein Problemkind äußerst wichtig wäre, ein geeignetes Zuhause zu finden. Aber es ist natürlich auch verständlich, daß viele Eltern Bedenken haben, ein solches Kind aufzunehmen. Ein Kind zu adoptieren, ist sowieso nicht einfach und bringt in jedem Fall viele Schwierigkeiten für die Familie mit sich. Viele Eltern trauen sich deshalb einfach nicht zu, mit noch mehr Komplikationen fertig zu werden. Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß auch solche Kinder bei entsprechender fachlicher Hilfe, Beratung und Unterstützung durchaus erfolgreich vermittelt werden können. Deshalb sieht der Entwurf generell einen Rechtsanspruch für alle Adoptiveltern, aber auch für die leiblichen Eltern und für das Kind — wenn es schon älter ist — auf eingehende Beratung vor und nach der Adoption vor.Ich hoffe sehr, daß das, was der Gesetzentwurf im Hinblick auf Beratung durch die Jugendämter vorsieht, auch schon vorher praktiziert wird. Vielleicht wird sich dann auch ein Teil der 3 000 Eltern, die sich letzte Woche spontan bereit erklärt haben, ein vietnamesisches Kind aufzunehmen, bereit finden, ein deutsches Problemkind zu adoptieren.Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine Bemerkung. Der Erfolg der Gesamtreform des Adoptionsrechts hängt ganz entscheidend von der Einstellung ab, die die Bevölkerung gegenüber der Adoption, den Adoptionseltern und vor allem gegenüber den Eltern oder Müttern einnimmt, die ihr Kind zur Adoption freigeben.Es ist noch gar nicht lange her, daß in Adoptiveltern Eltern zweiter Klasse gesehen wurden. Ich habe vorhin Josephine Baker erwähnt. Ich möchte aber nicht versäumen, an die vielen Adoptiveltern in unserem eigenen Land zu erinnern, die trotz einer frühen ablehnenden Haltung ihrer Mitbürger Kinder angenommen haben und ganz entscheidend dazu beigetragen haben, daß das Ansehen der Adoptiveltern sich bis heute so verbessert hat.Ganz anders ist die Einstellung auch heute noch gegenüber der Mutter, die ihr Kind zur Adoption freigibt. Nach den Artikeln der letzten Tage fürchte ich, daß zu dem Image von der Rabenmutter nun auch noch das Bild einer Frau kommt, die ihr eigenes Kind für Dollars verkauft. Es mag, wie überall, auch hier ein paar schwarze Schafe geben. Meine Damen und Herren, aber gerade wir müssen uns energisch dafür einsetzen, daß nicht mit zwei Zungen über ein und dieselbe Sache geredet wird. Im Zusammenhang mit der Reform des § 218 haben wir uns alle zum Schutz des ungeborenen Lebens und zur tatkräftigen Hilfe für werdende Mütter, vor allem für ledige Mütter bekannt. Eine Frau, die ein unerwünschtes Kind dennoch zur Welt bringt und es hinterher zur Adoption freigibt, verdient unsere Hilfe und Anerkennung. Daß sie ihr Kind weggibt, ist oft Ausdruck großer Verantwortung für das Kind und sein Wohlergehen. Ich bin sicher, daß die meisten Mütter diese Entscheidung erst nach reiflicher Über-
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Bundesminister Frau Dr. FockeI legung treffen. Sie fällt ihnen sicher nicht leicht. Wer sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzt, kann nicht gleichzeitig auf die Mutter herabsehen, die ihr Kind zwar zur Welt bringt, aber nicht selbst für es sorgen kann. Auch sie leistet einen Beitrag zum Wohl des Kindes — und das ist schließlich unser aller Anliegen.Der vorliegende Gesetzentwurf soll dazu beitragen, ihm zu dienen. Ich bitte um zügige und konstruktive Behandlung in den Ausschüssen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Regierungsvorlage begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-fraktion begrüßt die Vorlage des Adoptionsvermittlungsgesetzes. Sie sieht darin einige ihrer Anliegen erfüllt, die sie schon in ihrem Antrag vom 14. März 1973 gefordert hatte. Das Gesetz ist eine sinnvolle Ergänzung des neuen Adoptionsrechtes, die dazu führen soll, daß dieses Recht so gut wie möglich in die Praxis umgesetzt werden kann. Die richtige Zusammenführung von adoptionswilligen Eltern und zur Adoption zur Verfügung stehenden Kindern wird entscheidend dazu beitragen, daß das neue Adoptionsrecht beiden wirkliche Hilfen bringt. Wir bejahen dabei die Grundtendenz, daß das Wohl des Kindes Hauptziel beider Gesetze sein muß.Wir sehen in diesem Gesetz folgende Schwerpunkte, die wir für besonders wichtig halten und die zum Teil auch bereits in unserem Antrag vom 14. März 1973 enthalten waren.Erstens. Nur zugelassene Adoptionsvermittlungsstellen dürfen die Vermittlung durchführen. — Wir begrüßen es, daß das Gesetz hierbei eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und gleichberechtigte Stellung der Adoptionsvermittlungsstellen der freien Wohlfahrtsverbände vorsieht, die ja eine reiche Erfahrung und Praxis hierfür mitbringen. Die behördlichen Anerkennungsverfahren sollten allerdings möglichst unbürokratisch und ohne unnötige Belastung für die Verbände durchgeführt werden. Wir brauchen deren Mitarbeit und Praxis auf diesem Gebiet sehr notwendig.Zweitens. Nur Fachkräfte mit Erfahrung dürfen mit der Adoptionsvermittlung betraut werden. — Auch dies entspricht unserem hier bereits genannten Antrag vom März 1973. Wir halten auch dies für unbedingt richtig und notwendig, denn hierbei geht es ja nicht um bloße Verwaltungsakte, sondern um Menschen. Es geht um Vermittlungstätigkeiten, die für das ganze Lebensschicksal eines Menschen entscheidend sind. Die Tätigkeit in den Adoptionsvermittlungsstellen setzt also großes Verantwortungsgefühl und Einfühlungsvermögen voraus. Um für ein Kind die zu ihm passenden Adoptiveltern zu finden, die zur Begründung eines echten neuen Eltern-Kind-bejahen, daß anderen Personen die Adoptionsvermittlung untersagt wird. Dies gilt besonders für gewerbliche Vermittlungstätigkeit. Kinder und ihre Zuführung zu annahmewilligen Eltern dürfen unter keinen Umständen zum Objekt von Geschäftemachern werden. Die Gerüchte — Frau Minister Focke hat sie hier soeben angesprochen —, die in den letzten Tagen durch die Presse gingen, daß Kinder für viel Geld dadurch ins Ausland vermittelt werden, daß man die Frauen schon vor der Geburt in andere Staaten holt und sie dort ihr Kind zur Welt bringen läßt, sollten uns Anlaß geben, im Ausschuß zu beraten, wie man solche unerwünschten Vorgänge verhindert. Mir scheint allerdings hier einiges etwas hochgespielt zu sein. Wir haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bisher keinen konkreten Fall aus der Bundesrepublik nennen konnte.Verhältnisses führen, kann die individuelle Überprüfung nicht sorgfältig genug sein. Es ist daher zu Drittens. Ein weiterer Schwerpunkt ist für uns die Einrichtung, Organisation und Arbeitsweise zentraler und überregionaler Adoptionsstellen. Vornehmliches Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es doch, möglichst vielen Kindern, denen ein eigenes Elternhaus versagt ist, die Chance zu geben, in einer Familie so wie andere Kinder aufzuwachsen. Es geht darum, ihnen den Heimaufenthalt und, was ja noch schlimmer ist, den häufigen Wechsel von Pflegestellen und Heimunterbringung, also das Herumgestoßensein, zu ersparen. Dem dient die Verbesserung der Möglichkeiten der zentralen Stellen, durch Austausch eine breitere Basis für die Zusammenführung von Adoptiveltern und Kindern zu erhalten. Dem sollen auch die in diesem Gesetz vorgesehenen besseren Möglichkeiten dienen, Kinder zu erfassen, die für eine Adoption überhaupt in Frage kommen, z. B. die Ermittlungsmöglichkeiten in Heimen ebenso wie die Änderung des Jugendwohlfahrtsgesetzes in bezug auf die Meldepflicht der Heime. Wir werden aber im Ausschuß sehr sorgfältig darauf achten müssen, daß bei diesen Meldungen unnötige Verwaltungsarbeit und sonstige Belastung der Heime vermieden werden und sich die Meldepflicht wirklich darauf beschränkt, dem Ziel des Gesetzes zu dienen, Kinder ausfindig zu machen, denen man helfen könnte.Die Zahlen, die das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in der Begründung zum Gesetz angibt, geben ein eindrucksvolles Bild, wieviel Kinderschicksale noch zum Guten geführt werden könnten und wie viele Kinder die Möglichkeit hätten, in einem Elternhaus aufzuwachsen. Wir haben soeben schon einige gehört. Ich darf noch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen: Ende 1973 gab es 3 368 Minderjährige, die für eine Adoption vorgemerkt waren, und 9 211 Adoptionsstellen, die auf ein Kind warteten. Diese Zahlen beweisen eindeutig, daß auch von ihren leiblichen Eltern oder Müttern unerwünschte Kinder durchaus die Chance für eine gute Entwicklung und ein normales Leben in einer Familie haben.Für uns waren die Erleichterung der Adoption und die fachgerechte individuelle und praktikable Adoptionsvermittlung immer wesentliche Elemente der positiven Maßnahmen zum Schutz des ungebo-
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Frau Schroeder
reuen Lebens. Deshalb auch unsere Anträge bereits 1973. Wir hoffen, daß die neuen gesetzlichen Bestimmungen hier Hilfen geben können.Viertens. Die im Adoptionsrecht vorgesehene Volladoption, um die es uns auch in unseren Anträgen besonders ging, bringt rechtlich noch einschneidendere Folgen mit sich als das bisherige Recht. Auch die Adoptionsvermittlung muß dem Rechnung tragen. Es wird ihre Aufgabe sein, alle Beteiligten vor übereilten und falschen Entscheidungen zu bewahren. Dem entsprechen die im Gesetz vorgesehenen Bestimmungen über die sorgfältige Vorbereitung der Vermittlung sowie die Eingewöhnungszeit bei den Adoptiveltern. Dem gegenüber steht der berechtigte Wunsch, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt für das Kind zu einer Adoption zu kommen, um unnötig lange Heimaufenthalte zu vermeiden. Es wird deshalb durchaus richtig sein, wie dies in § 5 des Gesetzes vorgesehen ist, die Möglichkeit zu geben, schon vor der Geburt des Kindes mit den Bemühungen um Adoptiveltern und den dazu erforderlichen Überprüfungen zu beginnen, wenn zu erwarten ist, daß das Kind abgegeben werden soll, oder wenn von den leiblichen Eltern oder der Mutter diese Absicht bereits bekundet worden ist. Das schließt aber auf keinen Fall aus, daß die Mutter die letzte und endgültige Entscheidung, ihr Kind abzugeben, erst in angemessener Zeit nach der Geburt treffen kann, nämlich dann, wenn sie selbst die Gelegenheit gehabt hat, das Mutter-Kind-Verhältnis zu festigen. Das Aufwachsen eines Kindes bei der eigenen Mutter sollte immer noch Vorrang haben.Fünftens. Als besonders wichtig sehen wir auch den Rechtsanspruch auf Beratung an. Dies gilt sowohl für die Entscheidungsfindung der leiblichen Eltern oder Mütter, das Kind für die Adoption freizugeben, wie auch für die Adoptiveltern bei der Annahme des Kindes und für die Eingewöhnungszeit. Wir müssen uns ja immer die Tragweite dieser Zusammenführung und schließlichen Entscheidung vor Augen halten, bei der die betroffenen Menschen erfahrenen Rat einfach brauchen und nicht allein gelassen werden dürfen.Ich denke hier auch gerade an die aktuellen Vorgänge, die jetzt die Öffentlichkeit bewegen. In großer Hilfsbereitschaft erbieten sich Eltern, ein Kind aus Vietnam oder Kambodscha anzunehmen, das dort die Eltern verloren hat oder keine Lebenschance hat. Bei aller Anerkennung des ernsten Willens dieser Familien, zu helfen, ist doch gerade hier die Einschaltung fach- und sachkundiger Vermittlungsstellen und deren eingehende Beratung dringend notwendig.Wir begrüßen es, daß während der Beratungen eine Anhörung von Sachverständigen aus der Praxis durchgeführt werden soll. Wir sollten überhaupt dieses Gesetz in gutem Kontakt mit den zuständigen Jugendbehörden und den zuständigen freien Wohlfahrtsverbänden beraten. Meine Fraktion wird im Ausschuß mit großem Interesse mitarbeiten und hofft auf eine sachliche und zügige Beratung.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Fiebig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über die Vermittlung der Annahme als Kind, kurz Adoptionsvermittlungsgesetz genannt, vorgelegt hat. Dieser Gesetzentwurf bildet den dritten Teil der Reform des Adoptionsrechts. Nachdem zuerst die sogenannte kleine Reform des Adoptionsrechtes durch das Parlament verabschiedet werden konnte, danach der Entwurf eines Gesetzes über die Annahme als Kind den Ausschüssen überwiesen wurde, kann jetzt mit der Vorlage des Entwurfs eines Adoptionsvermittlungsgesetzes die Reform des Adoptionsrechts abgeschlossen werden.Im Namen des Ausschußvorsitzenden, des Herrn Kollegen Hauck, und sicherlich auch im Namen des ganzen Ausschusses möchte ich Ihnen, sehr verehrte Frau Minister, zusagen, daß wir auch dieses Gesetz wie bisher alle anderen Vorlagen aus Ihrem Haus sehr zügig beraten werden und sicherlich in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern zu einem erfolgreichen Abschluß bringen werden, wie das in der Vergangenheit immer der Fall war. Wir möchten Ihnen heute auch ausdrücklich den Dank für die Vorlage dieses Gesetzentwurfes aussprechen. Wir sehen daran, wie ernst es Ihnen ist, jugendpolitisch einen neuen Akzent zu setzen und den betroffenen Kindern zu helfen.
— Das ist die Solidarität der Sozialdemokraten, Herr Kiechle.Im Vordergrund dieses Gesetzentwurfes stehen die Kinder, die in Heimen leben und bisher nur sehr schwer für eine Adoption zu vermitteln waren. Bevorzugt werden nach wie vor von adoptionswilligen Eltern Säuglinge oder Kleinkinder. Dies soll kein Vorwurf an die Adresse dieser Eltern sein, denn es ist menschlich verständlich, daß die Integration eines Kindes, das schon länger in einem Heim gelebt hat, in eine neue Familie weit schwieriger ist als die eines Kleinkindes. Das Schicksal von Tausenden von Kindern, die in Heimen leben, kann und darf dem Gesetzgeber nicht gleichgültig sein. Daher möchte ich zunächst auch im Namen meiner Fraktion den Heimleitern und ihren Mitarbeitern Respekt und Anerkennung für ihre Arbeit aussprechen und zugleich Dank sagen.
Es ist keine leichte Aufgabe, Kinder, die einem Heim anvertraut sind, zu erziehen und die Verantwortung für sie zu tragen. Die Verminderung der Zahl der Heimkinder, die mit diesem Gesetzentwurf angestrebt wird, ist aber zugleich auch eine Erleichterung für die Heime selbst, so daß sie in Zukunft ihre schwere Aufgabe bei den Kindern
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. April 1975 11509
Fiebigleichter erfüllen können, die nach wie vor in den Heimen sein werden.Das gleiche gilt für alle Eltern, die ein Kind adoptiert haben. Adoptiveltern sind in ihrer sozialen Einstellung vorbildlich. Sie leisten einen Beitrag, der von großer Opferbereitschaft zeugt. Auch den Adoptiveltern, die bereits ein Kind haben, und allen, die zur Adoption bereit sind, gilt unser Dank und unsere Anerkennung. Meine Fraktion möchte allen Ehepaaren, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, die vielleicht kinderlos sind und Familie werden möchten, Mut machen, ein Kind zu adoptieren, und zwar nicht nur Säuglinge und Kleinkinder, weil ältere Kinder besonders schwer zu vermitteln sind und weil ältere Kinder besonders schwer an ihrem Heimschicksal tragen.Vielfältig sind die Hilfen, die die Familie von der öffentlichen Hand, dem Staat erfährt. Eine abgerundete Familienpolitik verbessert auch die Situation der Familie, die ein Kind adoptiert hat: Ausbildungsförderung, Wohngeld, Familienlastenausgleich, Unfallversicherung, Verbesserung in der Krankenversicherung, die es einer Mutter ermöglicht, im Krankheitsfalle des Kindes fünf Tage der Arbeit fernzubleiben, Müttererholung, die Bereitstellung einer Haushaltshilfe im Krankheitsfalle der Mutter usw. Das sind alles Dinge, die auch einer Adoptivfamilie zugute kommen.Das Adoptionsvermittlungsgesetz bringt eine besondere Hilfe für die Adoptiveltern. § 8 des Gesetzentwurfes sichert einen rechtlichen Anspruch auf Beratung und Hilfe für die Adoptionseltern, besonders bevor das Kind in Pflege genommen wird und während der Eingewöhnungszeit. Wie in ähnlichen Reformgesetzen der sozialliberalen Koalition hat auch hier die Beratung einen besonders hohen Stellenwert. Eine weitere Verbesserung bringt dieses Gesetz durch eine Vereinfachung der Verwaltungstechnik und dadurch, daß es höhere Anforderungen an die Qualifikation der Adoptionsstellen und der Fachkräfte stellt.In den letzten Tagen hat, wie meine Vorredner schon erwähnt haben, die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe einen skandalösen Fall von Kinderhandel, in dem neugeborene Kinder aus der Bundesrepublik Deutschland zu einem Preis von mehreren tausend Dollar an Ehepaare in den USA vermittelt wurden, aufgedeckt. Dieser Fall ist deshalb so skandalös, weil es dabei nicht um das Wohl des Kindes — in dem Sinne, daß ein Kind die Eltern bekommt, die am ehesten für dies bestimmte Kind geeignet sind — geht, sondern um ein einträgliches Geschäft, nämlich um es beim Namen zu nennen, um Menschenhandel. Der Gesetzgeber muß daher meines Erachtens prüfen, ob illegale Adoptionsvermittlung nur als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 DM zu ahnden ist oder ob nicht vielmehr ein neuer Straftatbestand im Strafgesetzbuch mit einer weit höheren Strafandrohung — vielleicht sogar mit der Androhung einer Gefängnisstrafe — geschaffen werden muß; hier muß rechtzeitig gehandelt werden, um ähnliche Fälle in der Zukunft zu verhindern.Das Problem der Adoption vietnamesischer Kinder hat gestern in den Beratungen des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit einen breiten Raum eingenommen. Wir haben dabei festgestellt, daß es in der gegenwärtigen Situation sehr schwierig ist, zu sagen, wie sich die Verhältnisse in Vietnam weiterentwickeln werden; vom sicheren Port aus kann man eigentlich wenig sagen. Wir haben den Unterausschuß für humanitäre Hilfe gebeten, in der Zukunft ein besonderes Augenmerk auf die Waisenkinder in Vietnam zu richten. Wenn die Bundesregierung in Zukunft besondere Hilfemaßnahmen für Vietnam plant, sollte man dabei besonders die Waisenkinder im Auge haben; denn wir sind der Auffassung, daß in Vietnam besonders den Kindern geholfen werden muß.Das Adoptionsvermittlungsgesetz geht davon aus, daß neben den staatlichen Stellen — Jugendamt, Landesjugendamt — auch die örtlichen und die zentralen Stellen der freien Träger berechtigt sind, an der Adoptionsvermittlung mitzuwirken. Ich möchte hier einmal diese freien Träger, die sich bisher erfolgreich diese Aufgabe gestellt haben, beim Namen nennen: das waren die örtlichen und die zentralen Stellen des Diakonischen Werkes, des Deutschen Caritasverbandes und der Arbeiterwohlfahrt. Ausdrücklich sind also die freien Träger in diese verantwortungsvolle Arbeit einbezogen; Privatpersonen jedoch sind in der Zukunft ausgeschlossen.Damit wir ein etwas konkreteres Bild von der Lage bekommen, habe ich mich an das Jugendamt der Stadt Dortmund gewandt und habe dort erfahren, daß die Adoptionsvermittlung von Kindern im Alter bis zu drei Jahren problemlos, von Kindern bis zu sechs Jahren möglich, bei fortschreitendem Alter jedoch sehr schwierig ist. Fragt man einmal nach dem Verhältnis von zu adoptierenden Kindern zu adoptionswilligen Eltern, so sieht das in Dortmund so aus, daß bisher auf ein adoptionsfähiges Kind sieben adoptionswillige Elternpaare kamen. Jetzt aber, im Jahre 1975, kommen auf ein adoptionsfähiges Kind schon zehn adoptionswillige Elternpaare. Die Folge ist, daß künftig noch mehr als in der Vergangenheit zum Wohle des Kindes zwischen Elternpaaren ausgewählt werden kann.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet, daß dieses Gesetz einen guten Beitrag zur Erreichung des Zieles leisten wird, Kinder ohne Eltern mit den zu ihnen passenden Eltern ohne Kinder zusammenzuführen. Mit dieser Erwartung sprechen wir die Bitte aus, daß sich alle adoptionsbereiten Eltern auch älterer Kinder in den Heimen annehmen.Man kann lange darüber streiten, welche Glieder in unserer Gesellschaft die schwächsten sind; Kinder ohne Eltern gehören zweifellos zu diesen schwächsten. Daß ihre Zahl geringer wird, dazu will dieses Gesetz einen Beitrag leisten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.
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11510 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt es außerordentlich, daß der Gesetzentwurf über die Vermittlung der Annahme als Kind nun von der Regierung vorgelegt worden ist; denn nach seiner Inkraftsetzung und der des bereits eingebrachten Gesetzes zur Annahme als Kind wird es möglich sein, daß in Zukunft mehr glückliche Familienkinder statt hospitalgeschädigter Heimkinder in unserer Gesellschaft heranwachsen dürfen.Der Gesetzentwurf ist aber auch im Interesse der unendlich vielen Waisenkinder in Vietnam und Kambodscha besonders aktuell. Wenn auch die FDP der Ansicht ist, daß es grundsätzlich besser wäre, den Kindern eine Hilfe in ihrem Heimatland zu geben, so scheint das auf Grund der Berichte im „Spiegel" Nr. 16 und der letzten Ausgabe des „Stern" gar nicht mehr möglich zu sein. Man liest dort, daß in dem allgemeinen Chaos jeder einzelne Mensch nur noch um seine eigene Existenz kämpft und die Eltern ihre Kinder einfach aussetzen, weil sie hoffen, daß ihnen irgendwer irgend etwas zu essen geben oder sie irgendwo unterbringen kann.Wenn jemand meint, wir wollten die Kinder aus ihrem Kulturkreis reißen, so frage ich diejenigen, ob sie wahrhaftig glauben, daß in der Folge dieser grausamen Kriegsereignisse von Kultur in Vietnam noch gesprochen werden kann. Wir sind der Meinung, daß jedem Menschen, egal wo er lebt, auf die denkbar beste Weise geholfen werden soll. Den Menschen und besonders den Kindern in Vietnam kann letztlich nur durch die Beendigung dieses schrecklichen Krieges und eine Normalisierung im Lande geholfen werden. Das Kriegsende steht anscheinend unmittelbar bevor, und daher sollten wir alle bestrebt sein, bei den Normalisierungsmaßnahmen zu helfen.Der andere Mißstand, der von meinem Vorredner schon angesprochen wurde, ist uns in den letzten Tagen durch die Presse mitgeteilt worden. Deutsche Frauen verkaufen ihre Babys an amerikanische Eltern, d. h. deutsche schwangere Frauen fahren im neunten Monat ins Ausland, entbinden dort und kommen ohne ein Kind zurück. Die Presse berichtet, daß pro Kind 25 000 bis 60 000 DM gezahlt werden. Eine wahrhaft grausame Vorstellung. Wir sollten uns bemühen, den Vermittlerstellen für die werdenden Mütter das Handwerk zu legen. Wie das zu tun ist, müssen wir ausführlich in den Ausschüssen beraten. Gerade dieses Problem erfordert es nach unserer Auffassung, daß bei den Beratungen dieses Gesetzentwurfs die Juristen einbezogen werden. Die FDP-Fraktion stellt deshalb den Antrag, daß der Entwurf dem Rechtsausschuß mitberatend zugeleitet wird.Nun möchte ich noch auf Einzelheiten der heutigen Vorlage eingehen. Wenn auch die in §§ 1 und 2 der Vorlage geforderten Adoptionsvermittlungsstellen durch die Einstellung von Fachkräften etwas höhergruppierte Planstellen erfordern, so wird sich das nicht nur von der menschlichen, sondern auch von der fiskalischen Seite her ganz schnell auszahlen. Die öffentliche Hand wird nicht mehr so vielHeimplätze für die Sozialwaisenkinder benötigen und somit erhebliche Kosten einsparen.Erfreulich ist, daß der Gesetzentwurf die überregionale Adoptionsvermittlung und auch die überörtlichen Träger der Adoptionsvermittlung — wie hier eben schon genannt: das Diakonische Werk, den CaritasVerband, die Arbeiterwohlfahrt und die diesen angeschlossenen Fachverbände — zuläßt. Diese Verbände haben in den letzten Jahren jeweils jährlich weit mehr als tausend Kinder zur Adoption vermittelt. Dafür gebührt ihnen aus diesem Hause ausdrücklich Dank und Anerkennung.
Kinder sollten nicht in geographischer Nähe zum Wohnort ihrer Eltern zur Adoption gegeben werden, damit durch die Ähnlichkeit von Eltern zu ihrem leiblichen Kind nicht eine Konfrontation herangezüchtet wird, die überflüssig ist und zu menschlichen Härten führt. Dadurch wird auch vermieden, daß ein Adoptivkind unter Umständen mit leiblichen Geschwistern gemeinsam dieselbe Schule besucht, wodurch wiederum durch die Ähnlichkeit zu diesen Geschwistern die Inkognito-Adoption, die wir ja wohl alle wollen, ausgehöhlt würde. Ich kenne einen solchen konkreten Fall.Deshalb meine ich, daß Jugendämter mit kleinem Einzugsbereich möglichst mit den Nachbarkreisen gemeinsame Adoptionsvermittlungsstellen einrichten sollten. Ob dies im Gesetz ausdrücklich verankert werden muß, sollten die Beratungen in den Ausschüssen ergeben.Da sich das Verständnis der sozialen Funktion des Adoptionsrechts seit Ende des vorigen Jahrhunderts, nämlich seit der Entstehung des BGB, wesentlich gewandelt hat, ist die Neuformulierung der beiden Gesetze mit der Annahme als Kind begründet. Während früher die Versorgung kinderloser Ehepaare und der Verbleib ihres Vermögens im Vordergrund standen, stellen die beiden Entwürfe des Gesetzes zur Annahme als Kind und der heute hier vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Vermittlung als Kind das Wohl elternloser, aber vor allen Dingen alleingelassener Kinder in den Vordergrund. Durch diese Zielsetzung sind die beiden Gesetze als echte Funktion der Jugendhilfe anzusehen.Besonders wichtig scheint mir aber auch die im Gesetzentwurf verankerte Adoptionshilfe zu sein. Eltern, die ihre Kinder zur Adoption freigeben, müssen über alle Konsequenzen dieses für sie sehr einschneidenden Schrittes informiert werden. Adoptionsbewerber müssen wissen, daß die Entwicklung der Kinder — wie auch leiblicher Kinder — nicht immer nach dem Elternwillen verlaufen muß. Die Entwicklung bei Säuglingen und Kleinstkindern in der neuen Familie läuft zwar meist normal und ohne Schwierigkeiten. Aber was wird, wenn das Adoptionskind sich z. B. zu einem Spastiker entwickelt oder wenn sich später schwere Sprachstörungen herausstellen oder wenn das Kind gar einen Hirnschaden hat? Das Risiko dürfte für leibliche und Adoptiveltern in gleicher Weise gegeben sein. Aber wird es bei einem Adoptivkind ebenso toleriert wie bei einem leiblichen Kind?
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11511
Frau LüdemannAdoptiveltern sind meist sehr glücklich, wenn sieein nett aussehendes Kind bekommen, auch wenn es schon zwei, drei oder gar fünf Jahre alt ist. Daß diese Kinder aber zunächst fast alle psychisch gestört sind, sollten sie durch die Adoptionshilfe erfahren. Nicht nur Hospitalismus, sondern zum Teil auch die frühkindlichen, teils sehr schlimmen Erlebnisse im Elternhaus sind Ursache für diese Verhaltensstörungen. Es bedarf unendlicher Geduld und Liebe der neuen Eltern, diese Schäden langsam abbauen zu helfen. Das sollten die Ehepaare vor der Aufnahme des Kindes mit aller Deutlichkeit gesagt bekommen, damit die Gewähr gegeben ist, daß das neue Elternhaus für das Kind ein bleibendes wird. Kinder kann man nicht umtauschen.Das derzeitige Jugendwohlfahrtsgesetz schreibt in § 31 Abs. 2 für Pflegeeltern vor:Das Jugendamt hat die Pflegeperson zu beraten und bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen.Was ist der Erfolg? In den letzten Jahren haben sich Pflegeelterngruppen aus privater Initiative, teils mit, teils ohne Unterstützung der Jugendämter gebildet. Mit vielen dieser Gruppen im Bundesgebiet habe ich Kontakt. Es ist bewundernswert, was dort unentgeltlich geleistet wird und wie man sich müht, zum Wohl der Kinder das Beste zu geben.Aber warum bilden sich diese Gruppen? Sie bilden sich, weil die gesetzlich vorgeschriebene Beratung nicht ausreichend angeboten wird. So fragt sich für mich auch hier, ob der entsprechende Paragraph über die Adoptionshilfe nicht noch enger gefaßt bzw. konkretisiert werden muß.Besonders hervorheben möchte ich auch noch den § 10 des Gesetzentwurfs, wo es um die Ermittlungen bei Kindern in Heimen geht. Die im Gesetz vorgeschriebene Prüfung durch die Adoptionszentrale der Jugendämter, welche Kinder in den Heimen ihres Bereiches für eine Annahme als Kind in Frage kommen, wird von uns sehr begrüßt. Meines Erachtens sollten aber die hier genannten Fristen im Gesetz festgelegt werden; denn es hat keinen Sinn, wenn diese Prüfungen z. B. aus Personalmangel in zu großen Zeitabständen erfolgen. Bei den Beratungen im federführenden Ausschuß sollten wir uns mit dieser Frage eingehend befassen.Zusätzlich zu den Bestimmungen des Gesetzentwurfes muß nach meiner Auffassung sichergestellt werden, daß auch Kinder in Krankenanstalten und in Pflegefamilien in diese Prüfungen mit einbezogen werden. Ich habe es erlebt, daß zwei Geschwister mit einer Hautkrankheit von Geburt an in einer Kinderklinik gelebt haben. Die Kindesmutter war gestorben, der Kindesvater hat sich nicht um sie gekümmert. Da nicht das Jugendamt, sondern die Krankenkasse Kostenträger war, hatte man diese Kinder regelrecht vergessen. Erst nach einem Wechsel des Stationsarztes in der Klinik wurde der Amtsvormund durch den neuen Arzt darauf aufmerksam gemacht, daß die Kinder keineswegs stationär behandelt werden müßten — und das schon lange nicht mehr. Aber niemand hatte danach gefragt. Deshalb hatte man sie vergessen. Bitte, meine Damen und Herren, stellen Sie sich ein solches Schicksal bei uns im Jahre 1975 in der Bundesrepublik vor: Kindervier bzw. fünf Jahre im Krankenhaus vergessen! Das neue Gesetz muß ein solches Vergessen in Zukunft ausschließen.Da die Rechtslage bei Heimkindern auch in Zukunft nicht überall eine Adoption zuläßt, die Kinder aber trotzdem keinerlei Kontakt zu ihren Eltern haben, sollte bei der Prüfung gleichzeitig festgestellt werden, ob diese Kinder für die Vermittlung in Dauerpflegestellen geeignet sind. Zeit- und Arbeitsaufwand werden dadurch für die Amtsstelle nicht vergrößert.Durch diese gesetzliche Regelung werden zentrale Adoptionsstellen sicher auch auf eine vermehrte Anwendung des § 1747 a BGB hinweisen. In den mir bekannten Fällen wird von dieser 1973 geschaffenen, gesetzlich verbesserten Ersetzungsmöglichkeit der Einwilligung zur Adoption durch Gerichtsbeschluß zu wenig Gebrauch gemacht. Aber vielleicht wird auch das nur vergessen.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß; aber eine Bemerkung sei mir noch gestattet. Uns ist allen zur Genüge bekannt, daß Kinder auch in noch so gut geführten Heimen durch den Mangel an persönlicher Zuwendung verhaltensgestört werden. Uns ist weiter bekannt, daß Adoptionsbewerber fast alle Säuglinge oder zumindest Kleinkinder aufzunehmen wünschen. Deshalb sollten wir uns in den Ausschüssen bemühen, die beiden mit der Annahme als Kind und der Vermittlung der Annahme als Kind befaßten Gesetze möglichst zügig zu beraten. Jeden Tag, jede Woche und jeden Monat, in denen die Gesetze später verabschiedet werden, werden Kinder älter und damit ihre Chancen, in Familien aufzuwachsen, geringer.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung. — Von der Frau Kollegin ist zusätzlich beantragt worden, den Rechtsausschuß mitberatend zu beteiligen. Muß ich darüber abstimmen lassen? — Es herrscht allgemeine Übereinstimmung.Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, den Haushaltsausschuß sowie den Rechtsausschuß — mitberatend — zu beteiligen. Ich darf annehmen, daß ich hier eine gemeinsame Übereinstimmung feststellen kann. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank— Drucksache 7/3469 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
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11512 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDas Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Huonker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Genossenschaftswesen ist für die Sozialdemokratie ein wichtiger und förderungswürdiger Teil unserer Wirtschaftsordnung. Dies gilt für die einzelnen Genossenschaften; dies gilt aber i gleichermaßen für die genossenschaftlichen Kassen und damit auch für die Deutsche Genossenschaftskasse.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse und des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank hat zum Ziel der Deutschen Genossenschaftskasse als Zentralbank zur Förderung des gesamten Genossenschaftswesens und der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft eine der heutigen Situation angemessene und entsprechende Organisationsform zu geben und die Möglichkeit zur Anpassung an künftige Entwicklungen zu eröffnen.
Zu diesem Zweck, meine Damen und Herren, sieht der Gesetzentwurf die Umwandlung der vor knapp 26 Jahren als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründeten Deutschen Genossenschaftskasse in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Erweiterung der Satzungsautonomie vor sowie die Möglichkeit, die durch dieses Gesetz zu schaffende Anstalt zum Zweck der Fusion mit regionalen Zentralbanken später in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Hierbei — dies möchte ich besonders betonen — muß dann der Förderungszweck, der Grundauftrag der Bank, in der Satzung der Aktiengesellschaft sichergestellt sein.
Ein Kernstück des Gesetzentwurfs ist die Aufhebung der bisherigen Beschränkungen in der Geschäftstätigkeit der Deutschen Genossenschaftskasse. Sie soll eine universale, zentrale Bank werden, Beteiligungen erwerben sowie Zweigstellen errichten können. Damit wird zum einen der zunehmenden Kapitalintensität der mittelständischen Wirtschaft und den geänderten Wettbewerbsbedingungen Rechnung getragen. Zum anderen spricht die vollständige Abschaffung der bisherigen Begünstigung der Deutschen Genossenschaftskasse bei der Vermögensteuer und die stufenweise eingeführte Gewerbesteuerpflicht durch das Vermögensteuerreformgesetz sowie die im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Körperschaftsteuer vorgesehene Besteuerung dieser Bank dafür, ihr durch den Wegfall der Beschränkung in der Geschäftstätigkeit eine Ertragsverbesserung zu ermöglichen. Durch die Bindung der Bank an die genossenschaftliche Zielsetzung und durch die Staatsaufsicht wird sichergestellt, daß das zentrale Bankinstitut der Genossenschaften sich auch künftig auf die wirtschaftliche Förderung des Genossenschaftswesens konzentriert und nicht die Gewinnerzielung als Selbstzweck erfolgt.
Auch wird dem Zusammenschluß der gewerblichen und ländlichen genossenschaftlichen Organisationen durch eine Reihe von Bestimmungen des Gesetzentwurfs Rechnung getragen. Die Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank ist
Folge der im Gesetzentwurf vorgesehenen Auflösung der aus dem Aufkommen an Rentenbankgrundschuldzinsen gebildeten Sonderrücklage zugunsten der Landwirtschaftlichen Rentenbank, und zwar in der Weise, daß diese eine Beteiligung von 25 Millionen DM am Kapital der Deutschen Genossenschaftsbank erwirbt.
Die Deutsche Genossenschaftskasse — sie trägt künftig entsprechend der Umwandlung zu einem modernen Universalbankinstitut die Firmenbezeichnung „Deutsche Genossenschaftsbank" — wird durch dieses Gesetz in die Lage versetzt, ihre Geschäftspolitik den gegenwärtigen und künftig noch zu erwartenden strukturellen Änderungen im genossenschaftlichen Kreditsektor anzupassen. Damit wird erreicht, daß sie trotz sich wandelnder Bedingungen auch künftig ihren Förderungsauftrag im Interesse der mittelständischen Wirtschaft und der Landwirtschaft — ich wiederhole: also im Interesse eines wichtigen Teiles unserer Wirtschaftsordnung — erfüllen kann.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt diesen durch eine gemeinsame Initiative aller drei im Bundestag vertretenen Fraktionen eingebrachten Gesetzentwurf. Wir werden, meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf in den zuständigen Ausschüssen intensiv beraten und etwaige Ergänzungs- und Änderungsvorschläge sorgfältig prüfen. In den Ausschußberatungen — hierauf möchte ich schon heute deutlich hinweisen — wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität im Kreditwesen auf den engen Zusammenhang des vorliegenden Gesetzentwurfs mit den noch ausstehenden Teilen der Steuerreform zu achten sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidhuber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende, von — wie der Kollege Huonker bereits betont hat — allen drei Bundestagsfraktionen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank dient der Anpassung der Rechtsvorschriften über dieses Spitzeninstitut der genossenschaftlichen Kreditwirtschaft an die organisatorischen Veränderungen im Bereich des Genossenschaftswesens, die mit dem Zusammenschluß des Deutschen Raiffeisenverbandes und des Deutschen Genossenschaftsverbandes am 1. Januar 1972 eingeleitet worden sind.Die gewerbliche und ländliche Genossenschaftsorganisation wird getragen von über 6 Millionen Mitgliedern. Die Zahl der Kunden liegt noch weit höher. In den Genossenschaften gelten die Prinzipien der Freiwilligkeit, der Selbstverwaltung und der Selbstverantwortung. Die für eine freiheitliche Gesellschaft essentielle mittelständische Wirtschaft findet in der Genossenschaftsorganisation eine wichtige Stütze.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11513
SchmidhuberDie im Jahre 1949 gegründete Deutsche Genossenschaftskasse ist jetzt eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie soll in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, also in eine personenbezogene Rechtsform, umgewandelt werden. Gleichzeitig ebnet der Gesetzentwurf den Weg, die Deutsche Genossenschaftskasse später in die juristische Form einer Aktiengesellschaft umzuwandeln.Aufgabe des Instituts ist und bleibt die Förderung des Genossenschaftswesens. Die bisherigen Beschränkungen der Geschäftsarten, des Kreises der Anteilseigner und der Kreditnehmer waren sicherlich einmal gerechtfertigt. Bei der heutigen Struktur der Kreditwirtschaft haben sie aber ihren Sinn weitgehend verloren. Diese Bestimmungen wirken jetzt eher hemmend. Die geschäftliche Elastizität, die Anpassungsfähigkeit des Instituts und damit das Förderungspotential werden beeinträchtigt.
Bis Ende 1974 war die Deutsche Genossenschaftskasse zur Erfüllung ihrer Förderungsaufgaben steuerfrei. Der Wegfall der Steuerbefreiung bedingt eine Neuausrichtung der Geschäftspolitik der Bank. Sie sollte die Möglichkeit haben, Bankgeschäfte aller Art zu tätigen, um ihre Förderungsaufgaben trotz der entstandenen und der im Zuge der weiteren Steuerreform noch entstehenden Steuerlast erfüllen zu können. Die Aufhebung dieser Beschränkungen ist daher eine Konsequenz der Aufhebung bzw. Einschränkung der steuerlichen Privilegien.Sie soll darüber hinaus einen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse im Kreditwesen leisten, indem die Wettbewerbsfähigkeit einer Gruppe von Kreditinstituten, die für die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind, nämlich der Volksbanken und der Raiffeisenbanken, verbessert wird. Der Entwurf soll daher auch den Zusammenschluß regionaler genossenschaftlicher Zentralbanken mit der Deutschen Genossenschaftsbank möglich machen. Dies erfordert zu gegebener Zeit — ich habe bereits darauf hingewiesen — die Umwandlung der durch den Entwurf zu schaffenden Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft, was allerdings nicht heißen soll, daß dadurch der genossenschaftliche Zweck der Deutschen Genossenschaftsbank geändert werden soll.Dies wirft selbstverständlich schwierige rechtstechnische und vor allen Dingen kreditwirtschaftliche Fragen auf. Ich weise nur auf die Fragen der Deckungsstockfähigkeit und der Mündelsicherheit der Emissionen der Genossenschaftsbank hin. Diese Fragen müssen im Verlauf der Ausschußberatungen eingehend erörtert werden.Die Zusammenfassung der kreditgenossenschaftlichen Einrichtungen im Mittelbau, also der regionalen genossenschaftlichen Zentralbanken und der Spitze, also der Deutschen Genossenschaftskasse, ist kein Selbstzweck. Sie soll die Wettbewerbsposition der Primärgenossenschaften stärken und damit die Kreditversorgung gerade der kleineren Unternehmen verbessern.Meine Fraktion hofft, daß es gelingen wird, den Entwurf in den Ausschüssen zügig zu beraten und ihn dann im Plenum einmütig zu verabschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Vohrer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP bemüht sich seit Jahrzehnten um ein leistungsfähiges Genossenschaftswesen. Wichtiger Bestandteil eines leistungsfähigen Genossenschaftswesens war und ist auch heute noch ein darauf abgestimmtes Kreditsystem. Aus diesem Grund kam die Deutsche Genossenschaftskasse als Anstalt des öffentlichen Rechts in den Genuß steuerlicher Privilegien. Ein Teil dieser Steuervorteile wurde nun im Zusammenhang mit der Steuerreform abgebaut, um innerhalb des gesamten Bankensektors mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu verringern.
Nachdem steuerliche Vorteile der Deutschen Genossenschafskasse reduziert wurden, ist es ein nicht unbilliges Verlangen dieser Institution, daß sie sich der ihr bisher auferlegten Geschäftsbeschränkungen entledigen möchte. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hätte sie die Möglichkeit, sich als Universalbank zu betätigen. Nach der Lösung einiger interner Probleme wären die Voraussetzungen zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft gegeben. Wir sind uns bewußt, daß es gründlicher Beratungen in den Ausschüssen bedarf, um die Probleme der Deckungsvorschriften, der Mündelsicherheit von Anlagen und dergleichen mehr in einer Weise zu regeln, daß sich die Deutsche Genossenschaftsbank optimal in die bestehende Bankenstruktur einfügt.
Mit der neuen Rechtsform wird auch eine organisatorische Vereinfachung angestrebt. Statt der bisher bestehenden drei Ebenen, nämlich der Volksbanken, der Zentralkassen und der Deutschen Genossenschaftskasse, sollen künftig nur noch zwei bestehenbleiben, indem die Zentralkassen mit dem Spitzeninstitut verschmolzen werden. Wir halten eine solche Rationalisierung für sinnvoll und begrüßen die nunmehr eingeleitete Reform des genossenschaftlichen Bankwesens, zumal ganz eindeutig gesagt wird, daß das gegebene Ziel der Bank beibehalten wird, das darin besteht, das Genossenschaftswesen zu fördern. Insofern ist die Schaffung einer leistungsfähigen Deutschen Genossenschaftsbank eine mittelstandsfreundliche Maßnahme, die insbesondere dem produzierenden Gewerbe, dem Einzelhandel, dem Handwerk und der Landwirtschaft zugute kommt.
Die Freien Demokraten werden sich um eine gründliche und zügige Behandlung dieses Gesetzentwurfs in den Ausschüssen bemühen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
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11514 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Vizepräsident Dr. JaegerIch schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf zu überweisen an den Finanzausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft sowie den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe die Punkte 7 bis 9 der Tagesordnung auf:7. Erste Beratung des von den Abgeordneten Biermann, Hölscher und den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zivildienstgesetzes— Drucksache 7/3460 —8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 1. Juni 1973 über die Schiffahrt auf dem Bodensee und zu dem Vertrag vom 1. Juni 1973 über die Schiffahrt auf dem Untersee und dem Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen— Drucksache 7/3439 —9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Schlachtungs- und Schlachtgewichtsstatistik— Drucksache 7/3440 —Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. — Widerspruch hiergegen erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 10 der Tagesordnung auf:10. a) Beratung der Sammelübersicht 37 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 7/3425 —b) Beratung der Sammelübersicht 38 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 7/3448 —Das Wort wird nicht gewünscht. Die Ausschußanträge sind Ihnen bekannt. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Lemmrich, Gierenstein, Dr. Gruhl, Dr. Althammer, Dr. Hauser (Sasbach), Gerster (Mainz), Sick, Dr. Riedl (München) und Genossen betr. Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm— Drucksache 7/2263 , 7/3400 —Berichterstatter:Abgeordneter Schäfer Abgeordneter Dr. GruhlIch danke den Berichterstattern für ihre Berichte. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Innenausschusses zu der Entschließung des Europäischen Parlaments über die Ergebnisse der Dritten internationalen Parlamentarierkonferenz zu Umweltfragen in Nairobi vom 8. bis 10. April 1974— Drucksachen 7/3053, 7/3398 —Berichterstatter:Abgeordneter Wittmann Abgeordneter Dr. GruhlIch danke den Berichterstattern. — Das Wort wird nicht gewünscht.Der Bundestag braucht die Entschließung des Europäischen Parlaments nur zur Kenntnis zu nehmen. Dies geschieht hiermit.Ich rufe nunmehr die Punkte 13 bis 19 der Tagesordnung auf:13. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Entschließung des Rates über die Anpassung der Richtlinien zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt an den technischen Fortschritt— Drucksachen 7/1943, 7/3397 —Berichterstatter:Abgeordneter Konrad Abgeordneter Dr. Gruhl14. Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Begrenzung des Schwefelgehaltes bestimmter flüssiger Brennstoffe— Drucksachen 7/1758, 7/3399 —Berichterstatter:Abgeordneter Konrad Abgeordneter Dr. Gruhl15. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Schädlingsbekämpfungsmitteln — Drucksachen 7/3106, 7/3411 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Lüdemann16. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11515
Vizepräsident Dr. Jaegerund Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Beleuchtungseinrichtungen für das hintere Kennzeichen von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern— Drucksachen 7/3109, 7/3471 —Berichterstatter: Abgeordneter Tillmann17. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Krafträder— Drucksachen 7/3110, 7/3472 —Berichterstatter: Abgeordneter Mahne18. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates (EWG) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über vordere Begrenzungsleuchten, Schlußleuchten und Bremsleuchten für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger— Drucksachen 7/3111, 7/3473 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr.-Ing. Oetting19. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie (EWG) des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Kraftfahrzeugscheinwerfer für Fernlicht und asymmetrisches Abblendlicht oder für eines der beiden sowie über deren Glühlampen— Drucksachen 7/3178, 7/3474 —Berichterstatter: Abgeordneter TönjesDie Berichterstatter wünschen das Wort nicht. — Zur Aussprache wird das Wort auch nicht begehrt.Können wir über alles gemeinsam abstimmen lassen? — Ich höre keinen Widerspruch.Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/3397, 7/3399, 7/3411, 7/3471, 7/3472, 7/3473 und 7/3474. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Dann ist einstimmig so beschlossen.Punkt 20 wird morgen behandelt.Meine Damen und Herren, wir haben heute nur noch die Fragestunde auf der Tagesordnung. Ich unterbreche demgemäß die Sitzung bis 14 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir treten in die Fragestunde
— Drucksachen 7/3481, 7/3515 —
ein.
Für die heutige Fragestunde liegen drei dringliche Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft vor. Die Frage 1 ist von dem Herrn Abgeordneten Sauer eingebracht:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung angesichts der seit langem sich abzeichnenden Entwicklung bei VW vorbereitet, welche Möglichkeiten bestehen, und was wird die Bundesregierung tun, um die sozialen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer möglichst erträglich zu gestalten?
Zur Beantwortung steht der Herr Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Friderichs, zur Verfügung. Bitte, Herr Minister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Die Bundesregierung hat zum frühestmöglichen Zeitpunkt Maßnahmen zur wirtschaftschaftspolitischen Flankierung der sozialen Absicherung der Kapazitäts- und Beschäftigungsanpassungen der Volkswagenwerk AG eingeleitet. Die Bundesregierung hat mit ihrer Regionalpolitik in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" schon seit Jahren darauf hingewirkt, daß in Räumen, die durch den Automobilbereich monostrukturiert sind, andere Industriezweige angesiedelt werden können. In besonderen Fällen hat die Bundesregierung sogar Invetitionshilfen für Automobilwerke verweigert, die in ohnehin monostrukturierten Regionen Erweiterungen durchführten. Ich nenne hier z. B. die Erweiterung der Volkswagenwerk AG in Wolfsburg.Ziel dieser Maßnahmen war und ist es, das sektorale Risiko räumlich nicht weiter zu konzentrieren, als es ohnehin durch die jeweiligen autonomen Unternehmensentscheidungen vorgegeben war. Der Anpassungsprozeß der Volkswagenwerk AG ist einerseits durch allgemeine währungspolitische Entwicklungen und die Folgen der Ölkrise sowie andererseits insbesondere durch die spezifische Politik der Unternehmensführung in den vergangenen Jahren bewirkt worden. Unmittelbar nach dem mit der spezifischen Unternehmenspolitik zusammenhängenden Wechsel in der Unternehmensführung haben die beteiligten Ressorts der Bundesregierung auf Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums in der gebotenen Vertraulichkeit eventuell notwendig werdende spezielle Maßnahmen zu erörtern begonnen. Das war im Januar 1975. Am 4. Februar dieses Jahres wurde vom BMWi die vertrauliche Gesprächsrunde über die konkrete Ausgestaltung eventueller Flankierungsmaßnahmen mit Landesregierungen aufgenommen. Damals waren die Absichten der VW AG nur andeutungsweise bekannt.
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11516 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Bundesminister Dr. FriderichsGegenstand dieser Gespräche waren die konkreten Elemente eines Flankierungsprogramms, das neben erstens arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zweitens die Schaffung zusätzlicher neuer Arbeitsplätze durch die Regionalpolitik, drittens die zeitliche Konzentration von Infrastrukturinvestitionen von Ländern und Kommunen in den betroffenen Wirtschaftsregionen, viertens die Absicherung unmittelbar betroffener mittelständischer Unternehmen durch Sicherungsvorkehrungen der Länder und fünftens Überlegungen zur Sicherung von Arbeitnehmern mit hohen Verpflichtungen aus fremdfinanziertem Eigenheimbau durch die Länder umfaßt.Offizielle Anmeldungen von Ländern für ein solches Flankierungsprogramm liegen der Bundesregierung bisher nicht vor. Sie werden von uns in den nächsten Tagen erwartet.Ich habe mit Zustimmung des Kabinetts zu dem frühestmöglichen Termin, nämlich zum 2. Mai 1975, den Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nach Bonn eingeladen. Dieser Ausschuß, dem unter meinem Vorsitz der Bundesminister der Finanzen und die Wirtschaftsminister aller Bundesländer angehören, wird über die konkreten Anmeldungen zu einem regionalen Sonderprogramm zu entscheiden haben. Es geht hierbei nicht etwa um eine Lex VW, sondern darum, zu prüfen, ob regionale Förderungsmaßnahmen in Gebieten durchgeführt werden müssen, in denen, wie es in § 1 des Gesetzes vorgesehen ist, „Wirtschaftszweige vorherrschen, die vom Strukturwandel in einer Weise betroffen oder bedroht sind, daß negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind".Daß hier kein Sondertatbestand für VW geschaffen wird, ist auch daran zu erkennen, daß wir im Rahmen dieser Regionalpolitik bisher schon den Strukturwandel — beispielsweise der Werftindustrie in Kiel, der Fischwirtschaft in Bremerhaven, der Schuhindustrie in Pirmasens und des Steinkohlebergbaus im nördlichen Ruhrgebiet — durch Anreize zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in anderen Branchen flankiert haben. An der Aufzählung dieser Bereiche ist zugleich zu erkennen, daß die Bundesregierung die Eingriffsschwelle für die Regionalpolitik natürlich nur dann für gegeben akzeptiert, wenn erhebliche und massierte Rückwirkungen auf die jeweilige Region unabwendbar drohen.Den zweiten Teil der Frage des Herrn Abgeordneten Sauer möchte ich wegen des sachlichen Zusammenhangs mit der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung zusammen beantworten.
Herr Kollege, wären Sie einverstanden, daß wir zunächst die Frage des Herrn Abgeordneten Sprung beantworten lassen und mit den Zusatzfragen beginnen ? — Danke.
Dann rufe ich die dringliche Frage 2 des Abgeordneten Dr. Sprung auf:
Kann die Bundesregierung für die von den Entscheidungen des VW-Konzerns und von der ohnehin vorhandenen Arbeitslosigkeit betroffenen Regionen, insbesondere bei den einzelnen
Standorten, konkret darlegen, wie, in welchem Umfang und in welcher Zeit arbeitslose Arbeitnehmer auf wirksame Hilfen werden rechnen können?
Bitte, Herr Minister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Frage des Abgeordneten Dr. Sprung. Ich möchte diese Frage im Einvernehmen mit dem hierfür ressortmäßig zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wie folgt beantworten.Die Verantwortung dafür, daß die sozialen Folgen der im VW-Konzern vorgesehenen Maßnahmen möglichst erträglich gestaltet werden, obliegt nach dem Betriebsverfassungsgesetz zunächst dem Volkswagenwerk selbst. Nach diesem Gesetz ist zwischen Unternehmer und Betriebsräten über einen Sozialplan, d. h. über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer zu verhandeln. Nachdem der Aufsichtsrat den vom Vorstand vorgeschlagenen Maßnahmen am 14. April zugestimmt hat, werden nunmehr die Verhandlungen zu führen sein.Zur staatlichen Arbeitsmarktpolitik ist zu bemerken: Die Arbeitsmarktpolitik wird mit den arbeitnehmerbezogenen Hilfen des Arbeitsförderungsgesetzes zur Verminderung entstehender Beschäftigungsschwierigkeiten beitragen. Dies sind insbesondere: Arbeitsberatung und Arbeitsvermittlung einschließlich der Hilfen für Schwervermittelbare in Form von Eingliederungsbeihilfen als Darlehen oder Zuschüssen zu den Lohnkosten an Arbeitgeber, Hilfen zur regionalen Mobilität durch Förderung der Arbeitsaufnahme in Form von Zuschüssen zu den Kosten für Bewerbung, Reise, Umzug sowie Arbeitsausrüstung, Trennungsbeihilfen und Überbrückungsbeihilfen, Hilfen zur beruflichen Mobilität durch Förderung der beruflichen Bildung in Form von Einarbeitungszuschüssen an Arbeitgeber, Übernahme der Fortbildungs- und Umschulungskosten, Gewährung des Unterhaltsgeldes während der Teilnahme an Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen, institutionelle Förderung der beruflichen Bildung, Förderung allgemeiner Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung durch Lohnkostenzuschüsse und Darlehen an die Träger von im öffentlichen Interesse liegenden Arbeiten.Die Bundesanstalt für Arbeit ist darauf vorbereitet, sämtliche Hilfen der Arbeitsmarktpolitik, die nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz bereitstehen, soweit möglich, gezielt und verstärkt in denjenigen Regionen zur Anwendung zu bringen, die von Entlassungen bei VW besonders betroffen werden. Die Gewährung von Eingliederungsbeihilfen, denen im gegebenen Zusammenhang besondere Bedeutung zukommt, ist erst kürzlich erweitert worden. Bei der Übernahme eines von Stillegung bedrohten Betriebes kann der neue Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen zur Erhaltung bestehender Arbeitsplätze Eingliederungsbeihilfen erhalten.Der Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmer und die strenge, an die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes orientierte Handhabung von Arbeitserlaubnissen für bereits im Bundesgebiet befindliche ausländische Arbeitnehmer werden in
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11517
Bundesminister Dr. Friderichseinem sehr weitgehenden Maße gewährleisten, daß neugeschaffene Arbeitsplätze in den von VW-Entlassungen betroffenen Regionen den dort arbeitslos gewordenen Arbeitnehmern zur Verfügung stehen.Für den Fall, daß nach eventuellen besonderen arbeitsmarktpolitischen Hilfen gefragt würde, möchte ich deutlich machen, daß die Instrumente des Arbeitsförderungsgesetzes ausreichen dürften, flankierende arbeitsmarktpolitische Hilfen zu bieten. Die Bundesregierung wird jedoch die Entwicklung sorgsam beobachten und gegebenenfalls prüfen, ob und eventuell welche zusätzlichen Maßnahmen zur Lösung der aufgetretenen Schwierigkeiten wirksam beitragen können.
Herr Kollege Sauer, ich frage Sie, ob Sie Zusatzfragen haben. — Bitte!
Herr Bundesminister, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, entlassene VW-Arbeiter aus dem Raum Südost-Niedersachsen, d. h. Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, im bundeseigenen Salzgitter-Konzern unterzubringen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin überfragt, da ich für die Bundesbeteiligungen nicht zuständig bin und die Arbeitsmarktlage im Salzgitter-Konzern nicht beurteilen kann.
— Ja. Soweit ich es global aus den Kabinettssitzungen weiß, scheint mir bei Post und Bahn derzeit kein Einstellungsbedarf über den normalen hinaus zu bestehen. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen das konkret für die betroffenen Regionen zu beantworten.
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Ich wäre Ihnen nur dankbar, wenn Sie den notwendigen unmittelbaren Zusammenhang beachteten.
Haben die Vertreter der Bundesregierung und der Landesregierungen, Herr Bundesminister, im Hinblick auf die große Zahl der Entlassenen im Aufsichtsrat konkrete neue Vorschläge oder neue Anregungen entwickelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich zur ersten Zusatzfrage noch hinzufügen: Ich werde mich bemühen, daß Sie in den nächsten Tagen eine Antwort erhalten, ob und welche Möglichkeiten beim Salzgitter-Konzern und bei den Sondervermögen des Bundes — Bahn und Post — in diesen Regionen eventuell bestehen. Ich fühle mich nicht in der Lage — im Hinblick auf das Aktiengesetz —, Auskunft über das Verhalten von Aufsichtsratsmitgliedern zu geben. Fest steht, daß die Vertreter der Bundesregierung den Vorschlägen des Vorstandes zugestimmt haben.
Ich frage zunächst, ob noch zu der ersten Frage eine Zusatzfrage gestellt wird, bevor ich Herrn Dr. Sprung die Möglichkeit gebe. — Bitte!
Herr Bundesminister, Sie sprachen davon, daß Sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt über flankierende Maßnahmen Gespräche aufgenommen haben. Was meinten Sie damit angesichts der Tatsache, daß schon 1972 die Finanzleitung des Volkswagenwerkes rote Zahlen ankündigte und in diesem Jahr 16 000 Arbeitnehmer freigesetzt werden mußten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich betrachte es nicht als die Aufgabe der Bundesregierung, sich mit regionalpolitischen Maßnahmen dann zu befassen, wenn ein Unternehmen in einem Jahr Verluste erwirtschaftet. Ich weiß aber, daß von dem für die Bundesbeteiligungen zuständigen Ressort schon 1972 und erst recht 1973 und 1974, und zwar in der Eigenschaft als Eigentümervertreter, sehr deutliche Gespräche mit dem Vorstand dieses Unternehmens geführt worden sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, gehört es nach Ihrer Meinung zu der spezifischen Unternehmensführung, von der Sie in der Antwort auf die Frage 1 sprachen, daß der Bund, das Land Niedersachsen und auch die IG Metall besonders stark vertreten sind und z. B. eine Mehrheit im Aufsichtsrat besitzen?
Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, ich bedaure sehr, daß die Frage nicht in dem nach der Geschäftsordnung geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der eingereichten Frage steht. Ich überlasse es dem Herrn Bundesminister, ob er in dieser Situation noch antworten will. Aus meiner Sicht würde ich die Frage nicht zulassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann die Frage insofern beantworten: 20 % des Kapitals der Volkswagenwerk-AG hält der Bund, und der Bund ist — —
— Entschuldigen Sie, es ist nach dem Bund gefragt worden. Der Bund ist im Aufsichtsrat des Unternehmens mit zwei Vertretern vertreten. Ich halte dies entsprechend der Kapitalbeteiligung für angemessen. Über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz brauche ich mich hier nicht zu äußern; sie besteht zu einem Drittel aus Arbeitnehmern, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist.
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11518 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Wir
kommen jetzt zu den Zusatzfragen des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung.
— Ich lasse Ihre Zusatzfragen dann nach denen der Herren Dr. Köhler und Dr. Sprung zu. — Bitte, Herr Dr. Sprung!
Herr Minister, stehen die im Konjunkturförderungsprogramm vom 12. Dezember 1974 vorgesehenen Beschäftigungshilfen, die möglicherweise nicht in Anspruch genommen werden, auch für regionalpolitische Ausgleichsmaßnahmen — im Hinblick auf die vorgesehenen Entlassungen im VW-Werk — zur Verfügung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihnen die Frage deswegen nicht beantworten, weil bis zur Stunde nicht feststeht, ob aus dem Konjunkturprogramm vom Dezember Mittel übrigbleiben werden. Die Frage ist im Planungsausschuß zu entscheiden, welche regionalpolitischen Maßnahmen durchzuführen und wie sie zu finanzieren sind.
Herr
Abgeordneter, Sie haben die Möglichkeit einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, wird die Bundesregierung bei der für den 2. Mai vorgesehenen Sitzung des Planungsausschusses für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" eigene Vorschläge vorlegen, oder wird sie sich mit den Vorschlägen der betroffenen Länder befassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies hängt zunächst davon ab, ob in den nächsten Tagen Vorschläge der Länder, wie erwartet, eingehen, und davon, wie sie aussehen werden. Ich schließe es aber nicht aus, daß — je nachdem — auch ein eigener Vorschlag von mir unterbreitet wird.
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Minister Friderichs, Sie sprachen davon, daß Ihnen die Entscheidungen des Volkswagenwerks offenbar zu Beginn dieses Jahres nur andeutungsweise bekannt gewesen sind. Ich gehe aber davon aus, daß Sie als Wirtschaftsminister und auch, weil der Bund beteiligt ist, über die Zusammenhänge der Entwicklung beim Volkswagenkonzern ausreichend unterrichtet gewesen sind. Wie können Sie sich dann erklären, wenn auf konkrete Fragen eines Kollegen meiner Fraktion im August des vergangenen Jahres auf die Frage, was sich wohl beim Volkswagenwerk mit Wirkung auf Niedersachsen und auch auf Neckarsulm ergeben könnte, von der Regierung geantwortet wurde — sinngemäß —: Das ist alles leeres Gerede, nur darauf abgestellt, Unruhe zu stiften?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich möchte auf Antworten der Regierung, die mir nur sinngemäß durch Sie wiedergegeben werden, keine Zusatzbemerkungen machen. Ich pflege mich an den Wortlaut von Fragen und Antworten zu halten,
dies insbesondere nach Verlautbarungen auf Grund einer Diskussion im Haushaltsausschuß.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Köhler.
Herr Bundesminister, da der Personalabbau im Raum Wolfsburg sehr wahrscheinlich in besonderem Maße hochqualifiziertes technisches Personal und auch Angestellte betrifft und die Stadt strukturell besonders einseitig ausgelegt ist, frage ich, ob die Bundesregierung Erwägungen anstellt, entweder Bundesinstitute oder Forschungsaufträge nach dort zu verlegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist nicht bekannt, daß beabsichtigt ist, Forschungsaufträge über das bisher nach dort gegebene Programm hinaus dorthin zu geben. Von der Ansiedlung von Bundesinstituten ist mir nichts bekannt. Ich bin auch nicht in der Lage, Ihnen zu sagen, ob derzeit ein Bundesinstitut überhaupt einen neuen Standort sucht. Meines Wissens sind alle Bundesinstitute untergebracht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Franke .
Herr Bundesmister, 25 000 werden bei VW unmittelbar entlassen. Wie groß wird wohl die Zahl derer sein, die infolgedessen in der ausgedehnten für VW produzierenden Zulieferindustrie noch zu entlassen sein werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich würde diese Frage lieber nach der zweiten dringlichen Frage beantworten.
Ich
wollte gerade feststellen: Leider steht die Frage nicht in dem geforderten unmittelbaren Zusammenhang.
Ich erteile das Wort zu einer Zusatzfrage dem Herrn Abgeordneten Dr. Warnke.
Herr Bundesminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß von den 600 Millionen DM Beschäftigungshilfe derzeit nur etwa die Hälfte in Anspruch genommen worden ist, und ist die Bundesregierung bereit, den Einsatz der restlichen Mittel auch an den Orten, die von den VW-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11519
WarnkeEntlassungen betroffen sind, zu genehmigen, die bisher nicht für den Einsatz von Beschäftigungshilfen in Frage kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu eins ja. Frage zwei wird im Zusammenhang der Beratungen zu entscheiden sein.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset. Dann rufe ich die Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach auf.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, nachdem Sie auf die Frage des Kollegen Müller-Hermann im Anschluß an meine Anfrage im Parlament ausweichend geantwortet haben, zu bestätigen, daß mir Ihr Parlamentarischer Staatssekretär, Herr Grüner, am 26. August 1974 mitgeteilt hat, daß die Bundesregierung zur Zeit keinen Anlaß für die Annahme einer besonderen Gefährdung der Arbeitsplätze bei Audi-NSU sehe, und man sollte sich davor hüten, eine solche Gefährdung herbeizureden?
— Das ist ein Zitat aus dem Protokoll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn Sie dies wörtlich zitiert haben, bin ich gerne bereit, Ihnen zu bestätigen, daß mein Parlamentarischer Staatssekretär dies gesagt hat.
Ich rufe die Frage 3 der dringlichen Fragen auf. Sie ist von dem Abgeordneten Breidbach gestellt:
Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der aktuellen Situation des VW-Werks die Lage der schon seit Monaten notleidenden Zulieferindustrie, und welche besonderen Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um hier die Anpassung zu erleichtern?
— Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Stücklen, ich bitte dringend, solche Bemerkungen zu unterlassen.
— Herr Abgeordneter, Zurufe, die eine Wertung der Amtsführung des Präsidenten darstellen, sind nicht zulässig.
— Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, ich hatte irrtümlich angenommen, Sie hätten den amtierenden Präsidenten gemeint. Andere Zurufe im Rahmen der Geschäftsordnung sind selbstverständlich zulässig. — Bitte!
— Es ist ja auch eine Freude, wenn der Präsident einmal irrt und den Speer aus dem Hause auf sich gerichtet sah.
Bitte, Herr Minister! Es geht um die Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach, die dritte Dringlichkeitsfrage in der heutigen Fragestunde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Situation der Zulieferer wird durch die jüngsten Beschlüsse von VW nur noch teilweise betroffen, weil sich die Zulieferer größtenteils bereits an die seit geraumer Zeit reduzierte Produktion von VW angepaßt haben. Lediglich in den Fällen, in denen Teile der Produktion von einer Region in eine andere verlagert werden, können zusätzliche Probleme auftreten. Diese Anpassungsprobleme zu bewältigen ist grundsätzlich Sache der betroffenen Unternehmen. Soweit aber übermäßige Anpassungsschwierigkeiten auftreten, geht die Bundesregierung davon aus, daß den Ländern für diese Fälle hinreichende Instrumente zur Verfügung stehen, um die Anpassungsprobleme auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Dabei muß es den Ländern überlassen bleiben, welches Instrument sie im einzelnen für am zweckmäßigsten halten, um Anpassungsschwierigkeiten der Zulieferer entgegenzuwirken. Wenn bankmäßig ausreichende Sicherheiten nicht zur Verfügung stehen, können die Kreditgarantiegemeinschaften in den Ländern, gestützt auf Rückbürgschaften des Bundes und des Landes, unter bestimmten Voraussetzungen Bürgschaften für Kredite an mittelständische Unternehmen übernehmen. Bund und Länder haben in der Vergangenheit, wenn notwendig, ihre Rückbürgschaften für diese Kreditgarantiegemeinschaften erhöht, und sie werden dies, wenn erforderlich, auch in Zukunft tun.
Im übrigen wird sich die in jüngster Zeit sich abzeichnende Belebung des Automobilabsatzes auf dem Inlandsmarkt nach Auffassung der Bundesregierung auch auf die Zulieferer der Automobilindustrie positiv auswirken. Ich möchte hinzufügen, Herr Abgeordneter, daß man ja sehr wohl zwischen der Produktionshöhe des VW-Konzerns und dem Abbau einer für diese Produktionshöhe nicht benötigten Beschäftigtenzahl unterscheiden muß. Es ist ja nicht die Absicht des Konzerns, die Produktion jetzt in dem Maße zurückzunehmen, wie der Belegschaftsabbau erfolgt. Es ist offensichtlich die Meinung des Konzerns, daß für die Produktion, die derzeit gefahren wird, die Belegschaft in der alten Größenordnung nicht benötigt wird.
Herr Abgeordneter, Sie haben zwei Zusatzfragen. Bitte!
Herr Bundesminister, wie viele Unternehmen der Zulieferindustrie — die ja
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11520 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Breidbachmit Sicherheit mittelständische Unternehmen sind —haben ihre Produktionskapazität überwiegend auf die Zulieferung für VW abgestellt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage kann Ihnen der Bundeswirtschaftsminister nicht beantworten, weil mir in unserem Wirtschaftssystem nicht bekannt ist, welche Unternehmen von welchen Unternehmungen in welchem Umfange Zulieferungen beziehen.
Herr Abgeordneter, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, könnten Sie denn eventuell, nachdem es Ihnen offensichtlich nicht möglich war, sich diese Frage von Ihren Aufsichtsratsmitgliedern bei VW beantworten zu lassen, die Frage beantworten, wie viele Arbeitsplätze direkt und indirekt durch die Schrumpfungsprozesse bei VW tangiert worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist mir möglich, mir eine Reihe von Fragen von Aufsichtsratsmitgliedern — z. B. auch von dem Staatssekretär meines eigenen Ministeriums — beantworten zu lassen. Allerdings beobachte ich bei der öffentlichen Diskussion des Themas „Volkswagenwerk", daß ein Großteil der Diskutanten offensichtlich glaubt, wir lebten in einer anderen Wirtschaftsordnung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler.
Herr Minister, sind Sie bereit, die spezifische Situation der Zulieferindustrie im Zonengrenzraum untersuchen zu lassen, wo die Anpassungsvorgänge ja wohl besonders schwierig sind und wo nicht erst durch die Entlassungen, sondern schon durch die Produktionsrückgänge der letzten Monate die Situation seit langem schwierig ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin sehr gern dazu bereit, Herr Abgeordneter. Unter anderem werden diese Zusammenhänge, soweit sie regionalpolitische Bedeutung z. B. im Zonenrandraum Salzgitter/Wolfsburg haben, auch eine entscheidende Rolle bei der Sitzung des Planungsausschusses am 2. Mai spielen, bei der sowohl die Arbeitsmarktdaten als auch das Einkommensniveaugefälle als auch andere Kriterien der Infrastruktur mit zur Beurteilung der Situation herangezogen werden müssen, einschließlich der möglichen Auswirkungen auf Zulieferanten.
Aber ich muß noch einmal betonen, daß mir bis zur Stunde nicht bekannt ist, daß der Volkswagenkonzern die Absicht hätte, jetzt seine Produktion herunterzufahren. Er hofft vielmehr, nach einer Belebung im Inland die Risiken, die diesem Konzern in einem Übermaß aus dem Ausland drohen, abfangen zu können. Es ist ja allgemein bekannt, daß es in der Bundesrepublik keinen Automobilkonzern gibt, der einen so hohen Exportanteil wie das Volkswagenwerk hat entstehen lassen oder wissentlich herbeigeführt hat, so daß die anderen Konzerne nicht in diesem Ausmaß von außenwirtschaftlichen Entwicklungen abhängig sind. Wir hoffen aber, daß die Inlandsbelebung insgesamt, die in den letzten Monaten spürbar ist, diese von draußen kommenden Risiken mildert und daß sich damit auch für die Zulieferanten eine verbesserte Zulieferposition ergibt. Unabhängig davon versichere ich Ihnen, diese Frage gerade im Blick auf das Zonenrandgebiet sehr sorgfältig zu prüfen und regionalpolitisch Erforderliches zu veranlassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann.
Herr Minister, erinnern Sie sich daran, daß es keine zwei Jahre her ist, daß der heutige Kanzler, Helmut Schmidt, sowie die Minister Vogel, Lauritzen und Eppler eine kräftige Drosselung der Automobilproduktion als ein wünschenswertes Ziel bezeichneten, so daß das, was wir heute auszubaden haben, dann ja im Grunde auch als eine bewußte Politik dieser Bundesregierung interpretiert werden kann?
Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann, ich glaube, wir sind uns beide darin einig, daß diese Zusatzfrage nicht in dem geforderten Zusammenhang mit der Ausgangsfrage steht.
Ich gebe die nächste Möglichkeit, eine Frage zu stellen, dem Herrn Abgeordneten Reddemann.
Herr Minister, muß ich aus Ihrer Antwort auf die Fragen des Kollegen Breidbach den Schluß ziehen, daß sich die Bundesregierung nicht um die möglichen Folgen gekümmert hat, die sich aus den Schwierigkeiten bei VW jetzt für ein Großteil unserer Wirtschaft und für viele Arbeitsplätze ergeben, sondern den ganzen Fall VW etwa so wie den Konkurs einer 40-Mann-Klitsche angesehen hat?
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11521
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diesen Schluß müssen Sie nicht ziehen. Wenn Sie ihn zögen, wäre er unrichtig.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Susset.
Herr Minister, sehen Sie die Zulieferindustrie, die für den Werksbereich Neckarsulm produziert, in der Zukunft als gefährdet an?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe vorhin gesagt, daß in der Zulieferindustrie regionale Probleme auftreten können und, ich glaube, sogar auftreten werden, insbesondere soweit es sich um Zulieferteile handelt, die regional angedient werden; denn es gibt ja Zulieferanten, die irgendwo sitzen und für die ganze deutsche Automobilindustrie liefern, und es gibt regionale Zulieferanten, die mit einem extrem hohen Zulieferanteil für das Werk in der Nähe liefern. Diese Frage spielt bei der Regionalpolitik eine entscheidende Rolle.
Es spielt aber auch eine Rolle, ob es dem Unternehmen, gegebenenfalls unter Flankierung der von mir aufgezeigten Möglichkeiten, gelingt, Betriebsteile oder Betriebsstätten an andere Unternehmen zu veräußern, die ihrerseits Zulieferanten aus der Region benötigen. Ich bin nicht befugt, über den derzeitigen Verhandlungsstand zweier konkreter Projekte Auskunft zu geben. Sie sind leider beide bereits in der Presse. Ich war in eines der größten Projekte von Anfang an mit eingeschaltet, habe aber im Gegensatz zu anderen geschwiegen, weil ich die Verhandlungen nicht gefährden wollte.
Meine Damen und Herren, damit sind die Dringlichkeitsfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft beantwortet.
— Herr Kollege, das ist ein Urteil, das Sie persönlich fällen können, aber das sich niemand im Hause zu eigen machen muß.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Schüler zur Verfügung.
Wir kommen zunächst zur Frage 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nunmehr die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Böhm auf:
Trifft es zu, daß der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland bei einer Diskussion mit Journalisten des Flensburger Tageblatts über die Passage des Grundlagenvertrags zum Thema Selbstbestimmungsrecht und Wahrung der Menschenrechte erklärte; „Können Sie mir mal den Grundvertrag holen? Sie haben ihn sicherlich irgendwo greifbar, ich habe ihn nicht so genau im Kopf,"?
Herr Staatssekretär Schüler!
— Entschuldigen Sie, gnädige Frau. Ich bedauere meinen Irrtum sehr. Ich war davon ausgegangen, daß Herr Staatssekretär Schüler für diese Frage zur Verfügung steht. Aber im Jahr der Frau ist es besonders schön, wenn Sie die Antworten geben. — Bitte!
Herr Präsident! Ich danke für die Chance, im Jahr der Frau solche Arbeit übernehmen zu dürfen.
Herr Kollege, der Interviewpartner des Bundeskanzlers bot bei einem Gespräch eine äußerst eigenwillige, um nicht zu sagen: ausgefallene Interpretation des Grundlagenvertrags. Der Herr Bundeskanzler wollte mit dem wörtlichen Text nachweisen, daß für solche Auslegung keine sachliche Grundlage besteht. Daß eine sachliche Erörterung über juristische Texte immer an Hand juristischer Texte erfolgen muß, ist Ihnen, Herr Abgeordneter, auf Grund Ihrer politischen Erfahrung bekannt.
Der genaue Textvergleich, um den es hier ging, zeigt, daß die Auslegung des fragenden Journalisten keineswegs haltbar ist.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie will die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung der DDR auf Einhaltung des Art. 2 des Grundlagenvertrages, in dem sich die DDR auf das Selbstbestimmungsrecht und die Wahrung der Menschenrechte verpflichtet hat, drängen, wenn der Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt, diese Bestimmung nicht kennt, sondern erst im Vertragstext selbst nachlesen muß, ob das wirklich drinsteht?
Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie haben nicht ganz richtig zugehört. Es ging nicht darum, den Vertragstext zu verteidigen, sondern an Hand des Textes nachzuweisen, daß die Behauptung des Journalisten nicht stimmte. Der Herr Bundeskanzler wollte also praktisch dem Journalisten den Text zeigen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, der Inhalt meiner Frage zielt bekanntlich darauf ab, daß ich dem Bundeskanzler unterstelle, daß er diesen für die Bundesrepublik Deutschland und die Bürger der DDR wichtigen Text nicht im Kopf
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11522 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Böhm
hat. Ich frage noch einmal: Ist jemand in der Bundesregierung bereit, dem Bundeskanzler auf diesem Gebiet Nachhilfe zu erteilen?
Herr Kollege, es ist wirklich eine Unterstellung, wie Sie eben selbst mit Recht gesagt haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gerster.
Frau Staatssekretärin, wollen Sie auch bestreiten, daß der Bundeskanzler in dem gleichen Interview ausgeführt hat, die Prinzipien Selbstbestimmungsrecht und Grundrechte seien bei uns sicherlich anders verwirklicht als drüben? Gemeint war die DDR. Wenn er dies jedoch gesagt hat, wären Sie dann bereit, diesem Hohen Haus zu erklären, in welchem Umfange diese Prinzipien Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte tatsächlich in der DDR verwirklicht sein sollen?
Frau Staatssekretärin, ich glaube, daß der geforderte unmittelbare Zusammenhang nur sehr bedingt gegeben ist. Ich überlasse es Ihnen, ob und inwieweit Sie die Antwort geben wollen.
Der Zusammenhang ist sehr bedingt gegeben.
Es besteht bei uns — das haben wir immer klargemacht — über die unterschiedliche Verwirklichung der Prinzipien überhaupt gar kein Zweifel.
Herr Abgeordneter Wehner, Sie haben eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, weil es ja — und das ist im Sinne Ihrer Antwort — nach menschlichem Ermessen nicht denkbar sein kann, daß jemand, der nach einem Vertragstext gefragt wird, wie in der Schule wortgetreu — gleichgültig, welcher Vertrag es gerade ist — deklamiert, frage ich: Wäre es nicht denkbar, daß sich die Bundesregierung überlegte, angesichts des Bedarfs an solchen Deklamationen — zumindest bei der Opposition — in diesem Hause Apparate herstellen zu lassen, die mit menschlicher Stimme die Texte wiedergeben?
Herr Kollege Wehner, das ist ein ganz originärer Beitrag. Das heißt aber noch keinesfalls, daß dann diese Abgeordneten draußen die Texte vollkommen wörtlich wieder aufsagen können.
Frau Staatssekretär, der Herr Abgeordnete Wehner war nicht davon ausgegangen, daß die Frage so eingehend beantwortet würde.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Fircks.
Frau Staatssekretärin, würden Sie mir bestätigen, daß es nicht nur auf die deutsche, sondern auch auf die ganze Öffentlichkeit einen sehr deprimierenden Eindruck machen muß, wenn der Bundeskanzler hinsichtlich des Vertrages, den diese Bundesregierung geschlossen und damit Deutschland in zwei Staaten aufgeteilt hat, öffentlich erklärt,
daß er den Text nicht im Kopf hat?
Die Öffentlichkeit, Herr Abgeordneter, ist sicherlich, so wie ich das beobachte, ganz beruhigt darüber, daß dieser Bundeskanzler die Friedenspolitik des früheren Bundeskanzlers Brandt in Kontinuität weiterführt.
Meine Damen und Herren, ich frage jetzt vorsorglich, Frau Staatssekretär, bevor ich die nächste Frage aufrufe,
ob wir das Vergnügen haben, daß Sie die Frage beantworten, oder ob jetzt bei der Frage des Hern Abgeordneten Reuschenbach Herr Staatssekretär Schüler die Antwort gibt?
— Herr Kollege, ich fahre in der Beantwortung der Fragen fort. Ich rufe die Frage 106 des Herrn Abgeordneten Reuschenbach auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür hat, daß der ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Prof. Dr. Karl Carstens, Kenntnis von der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften hatte?
Das Vergnügen haben Sie mit Herrn Dr. Schüler, Herr Präsident.
Bitte, Herr Staatssekretär Schüler!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich die Fragen 106 und 107 zusammen beantworten.
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Ja. Ich
rufe dann auch noch die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Reuschenbach auf:
Um welche Art von Anhaltspunkten — falls die Pressemeldungen zutreffen — handelt es sich dabei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Pressemeldungen, wonach Professor Dr. Carstens in seiner damaligen Eigenschaft als Chef des Bundeskanzleramtes Kenntnis von der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften hatte, sind zutreffend.
Herr Professor Carstens war vom 1. Januar 1968 bis zum 21. Oktober 1969 Chef des Bundeskanzleramtes. Mitte Juli 1969 entstanden im Bundeskanzleramt Akten im Zusammenhang mit der Anfrage einer Steuerfahndungsstelle nach der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften in den Jahren 1964 bis 1967.
In diesen Akten befinden sich folgende Unterlagen — jetzt hebe ich auf die Frage 107 ab —: eine schriftliche Weisung von Professor Carstens vom 23. Juli 1969 an den zuständigen Referenten betreffend die Sachbehandlung, zwei Vermerke vom 11. Juli und 1. August 1969, die Professor Carstens damals abgezeichnet bzw. mit handschriftlichen Anmerkungen versehen hat, sowie ein Schreiben an den damaligen Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, das der damalige Chef des Bundeskanzleramtes selbst entworfen hat, jedoch nicht hat absenden lassen. Über die Angelegenheit hatte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Herrn Professor Carstens am 10. Juli 1969 auch mündlich vorgetragen.
Ich bitte um Verständnis dafür, Herr Präsident, daß ich hier über den Inhalt der Unterlagen keinen weiteren Aufschluß gebe.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß die beiden Fragen von Ihnen im Zusammenhang beantwortet worden sind. Der Herr Fragesteller ist damit einverstanden. Ich frage ihn zunächst, ob er Zusatzfragen hat. — Bitte!
Herr Staatssekretär, können Sie uns im Rahmen der Möglichkeiten, deren Grenzen Sie eben angedeutet haben, noch sagen, was dieser ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt veranlaßt hat, nachdem er Kenntnis von der Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften erhalten hatte, bezogen auf diese Art von Waffengeschäften?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, aus den Akten ergibt sich, daß Herr Professor Carstens eine Prüfung dieses Gesamtkomplexes veranlaßt hatte. Weiteres kann ich aus den einschlägigen Akten nicht mitteilen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reuschenbach.
Staatssekretär, hat dieser ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt seinerzeit das parlamentarische Vertrauensmännergremium über die Kenntnisse, die er dort gewonnen hat, und die Anordnungen, die er getroffen hat, unterrichtet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich die Protokolle des Vertrauensmännergremiums aus der fraglichen Zeit durchgesehen habe oder habe durchsehen lassen, ist eine derartige Unterrichtung damals nicht erfolgt.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, gab es besondere Gründe dafür, und wenn ja, welche waren es, daß dieser ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt über die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften informiert wurde? Zu welchem Zweck geschah dies?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß ich diese Frage schon beantwortet habe. Ausgangspunkt war, bezogen auf den Komplex, der hier zur Debatte steht, eine Anfrage einer Steuerfahndungsstelle an den Bundesnachrichtendienst, die dem Chef des Bundeskanzleramtes vorgelegt wurde.
Eine letzte Frage. Hat die Staatsanwaltschaft im Zuge irgendwelcher Ermittlungen bei der Bundesregierung schon Auskünfte über den hier zur Rede stehenden Vorgang eingeholt oder erbeten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage beantworte ich mit Ja.
Zunächst eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger .
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß der Bundesnachrichtendienst in der Zeit, als Professor Carstens Chef des Bundeskanzleramtes war, mit seinem Wissen und seiner Billigung Waffengeschäfte betrieben hat und, falls Sie diese Frage bejahen sollten, um welche speziellen Erkenntnisse handelt es sich dabei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesnachrichtendienst war auch während der Zeit, in der Herr Professor Carstens Chef des Bundeskanzleramtes war, an Waffengeschäften beteiligt. Dies ergibt sich
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Staatssekretär Dr. Schüleraus Akten des Bundeskanzleramtes. Ich füge hinzu, daß sich aus den schriftlichen Unterlagen des Bundeskanzleramtes, soweit ich diese zur Vorbereitung dieser Fragestunde durchgesehen habe — das muß ich einschränkend hinzufügen, denn es handelt sich um einen recht beträchtlichen Aktenbestand —, nicht ergibt, daß Herr Professor Carstens von der Beteiligung des BND an Waffengeschäften Kenntnis gehabt hat.
Ich gebe zu weiteren Zusatzfragen zunächst dem Herrn Abgeordneten Gerster das Wort.
Herr Staatssekretär, würden Sie gerade auch mit Bezug auf Ihre letzte Antwort diesem Hause bestätigen, daß das, was Sie heute diesem Hohen Hause über Waffenhandel im Zusammenhang mit dem BND mitgeteilt haben, keinesfalls in einem Widerspruch zu dem steht, was Herr Professor Carstens vor dem Guillaume-Untersuchungsausschuß gesagt hat und was ich mit Genehmigung des Präsidenten ganz kurz zitieren darf?
Auf Seite 104 des Protokolls sagt Professor Carstens wörtlich:
Ich möchte noch einmal sagen, daß ich keinerlei Anhaltspunkte dafür habe, daß in der Zeit, als ich die Aufsicht führte, vom BND Waffenhandel betrieben worden ist. Aber sicherlich sollte Präsident Wessel dazu selbst befragt werden.
Ich sehe hier — erstens — keinen Widerspruch zu Ihrer Äußerung — —
Herr
Kollege, darf ich vorschlagen, die weiteren Schlußfolgerungen später zu ziehen und jetzt zunächst ein Fragezeichen zu setzen, damit der Herr Staatssekretär anworten kann.
— Herr Kollege, das ist nun einmal so.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich denke, daß mir eine Wertung der Aussagen von Professor Carstens vor dem Untersuchungsausschuß nicht zusteht, zumal dieser Komplex auch Gegenstand eines Prozesses ist. Ich muß aber, um die Frage vollständig zu beantworten, auch darauf hinweisen, daß ich mich zu dem geäußert habe, was aus den Akten hervorgeht. Es ist selbstverständlich eine gute Übung, wie ich hinzufügen möchte, daß bestimmte Fragenbereiche zwischen dem Präsidenten des Nachrichtendienstes und dem jeweiligen Chef des Bundeskanzleramtes mündlich erörtert werden. Insoweit kann ich keine Antwort geben.
Jetzt
rufe ich die Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger auf.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Präsident des BND, Herr Wessel, vor dem Untersuchungsausschuß eindeutig in Abrede gestellt hat, daß der BND Waffenhandel betrieben habe, und müssen nicht schon aus diesem Grund die Beschuldigungen, die zuerst von Herrn Metzger erhoben wurden, als üble Verleumdungen qualifiziert werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter. Ich glaube, hier geht es um verschiedene Tatbestände. Ich habe hier dafür gesprochen — und das war wohl auch Gegenstand der Fragen, die sich hieran angeschlossen haben —, ob es eine Beteiligung des Nachrichtendienstes am Waffengeschäft gegeben hat. Diese Frage muß ich mit Ja beantworten. Dies ergibt sich nicht nur aus den Akten des Bundeskanzleramtes, sondern auch aus einer Reihe von Verfahren vor Gerichten.
Ich rufe
zunächst die Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel auf.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an diesen Waffengeschäften im wesentlichen aus der Zeit vor Eintritt der SPD in die Bundesregierung, also aus der Zeit vor der Großen Koalition, herrührt,
und ist diese Beteiligung an den Waffengeschäften vom seinerzeitigen Chef des Bundeskanzleramtes jemals im Kabinett angesprochen worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Beteiligung des Nachrichtendienstes an Waffengeschäften ist ab Herbst 1969, Anfang 1970 von dem damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, Professor Ehmke, abgebaut worden. Das, was weiter Gegenstand Ihrer Frage ist, bezieht sich, glaube ich, auf den Zeitraum, für den ich hier bereits Ausführungen gemacht habe.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner!
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Herr Professor Carstens in seiner Eigenschaft als früherer Chef des Bundeskanzleramtes von vorherigen Waffengeschäften, an denen der BND beteiligt war, gewußt hat und daß es zum anderen auch zu seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramtes
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11525
Wehnermit der besonderen Aufgabe, den Bundesnachrichtendienst zu lenken und für ihr verantwortlich zu sein,
Waffengeschäfte gegeben hat,
an denen er aber natürlich nicht unmittelbar beteiligt war?
Herr Staatssekretär, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in Ihrer Antwort den Zusammenhang des Komplexes berücksichtigten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Wehner, den ersten Teil Ihrer Frage habe ich in meiner Antwort auf die Frage des Abgeordneten Reuschenbach mit Ja beantwortet. Dieser Vorgang bezieht sich auf die Jahre 1964 bis 1967. Ich habe weiter ausgeführt, daß sich während der Zeit, während der Herr Professor Carstens Chef des Bundeskanzleramtes gewesen ist, der Bundesnachrichtendienst weiterhin an Waffengeschäften beteiligt hat, daß sich aus den schriftlichen Unterlagen des Bundeskanzleramtes aber nicht ergibt, daß er davon gewußt hat. Ich habe weiter hinzugefügt, daß es in diesem Bereich auch mündliche Unterrichtungen des Präsidenten des Nachrichtendienstes gegenüber dem Chef BK gibt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stücklen.
Herr Staatssekretär, Sie haben hier festgestellt, daß der damalige Staatssekretär Carstens das Vertrauensmännergremium über diesen Vorgang nicht informiert habe. Darf ich Sie fragen, ob Sie als der derzeitige Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes das parlamentarische Vertrauensmännergremium immer über die Vorgänge im Bereich der Nachrichtendienste informieren, obwohl danach nicht gefragt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies wird davon abhängen, Herr Abgeordneter, welche Bedeutung der jeweilige Vorgang hat.
Im übrigen ist es so, daß sich das Vertrauensmännergremium in den Jahren 1971 und 1973, wenn ich die Zahl jetzt recht im Kopf habe, mit diesem Komplex befaßt hat, allerdings ausgehend von einer etwas anderen Fragestellung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, da die Unterlagen zeigen, daß der ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt Kenntnis von der Beteiligung des BND am Waffenhandel aus Zeiten hatte, zu denen er Staatssekretär im Verteidigungsministerium und im Außenministerium gewesen ist, möchte ich Sie fragen: Lassen diese Unterlagen dann auch noch einen Schluß darauf zu, daß er sich zu seiner Amtszeit als Staatssekretär im Bundeskanzleramt darum gekümmert hat, daß sich während dieser Amtszeit im Bundeskanzleramt der BND aus den Waffenhandelsgeschäften herausgezogen hat?
Herr Kollege Dr. Sperling, ich fürchte, daß der Herr Staatssekretär diese Frage wegen des Zusammenhangs hier nicht unmittelbar beantworten kann.
Aber ich überlasse es ihm, ob er diese Frage beantworten will.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, ich habe eine ähnliche Frage bereits beantwortet. Aus den Akten des Bundeskanzleramtes ergibt sich ein Prüfungsauftrag an das Haus. Ich bin nicht in der Lage, weitere Einzelheiten aus Akten zu nennen, weil es solche Vorgänge in dieser Richtung nicht gibt.
Die nächste Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Röhner.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin bei der Beantwortung der eingebrachten Anfragen auf Akteninhalte hingewiesen. Darf ich Sie fragen, ob Sie dabei aus „normalen" Akten oder aus Verschlußsachen zitiert haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe nicht aus Akten zitiert, sondern ich habe hier die Vorgänge, um die es dabei geht, abstrakt umschrieben. Ich meine mich zu erinnern, daß dies auch von Herrn Professor Carstens in den letzten Tagen so benannt worden ist. Ich habe ausdrücklich hinzugefügt, daß ich nicht in der Lage bin, über den Inhalt Auskunft zu geben,
und dabei möchte ich auch bleiben. Dies müßte gegebenenfalls dem parlamentarischen Vertrauensmännergremium vorbehalten bleiben.
Ich lasse, meine Damen und Herren, noch zwei Zusatz-
fragen zu; eine des Herrn Abgeordneten Stahl und eine des Herrn Abgeordneten Czaja.
Bitte, Herr Abgeordneter Stahl!
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin davon, daß, als es bekannt wurde, daß der BND Waffengeschäfte macht, vom damaligen Staatssekretär ein Untersuchungsverfahren eingeleitet worden sei. Ich frage Sie: Wann war dieses Verfahren abgeschlossen, und wem sind die Ergebnisse bekanntgegeben worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte diesen Auftrag nicht als Untersuchungsauftrag bezeichnen, sondern als einen Auftrag an die zusändige Stelle im Bundeskanzleramt, diesen Komplex zu klären. Aus den Akten ergibt sich — das sagte ich schon — Weiteres nicht. Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß sich diese Vorgänge im Juli 1969, glaube ich, ergeben haben und daß dann nur noch eine begrenzte Zeit zur Verfügung stand. Die Akten setzten sich in diesem Punkt erst nach Bildung der sozialliberalen Koalition fort.
Die letzte Zusatzfrage, eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorher, daß im Herbst 1969 unter Minister Ehmke die Waffengeschäfte abgebaut worden sind. Bedeutet dies, daß sie sofort, nachdem Herr Minister Ehmke davon Kenntnis erhielt, eingestellt wurden, oder bedeutet dies, daß sie schrittweise ausliefen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn ich „abgebaut" gesagt habe, so meine ich, daß ein derartiger Prozeß naturgemäß einige Zeit erfordert. Die Sache ist sofort gestoppt worden. Es hat dann noch einige Zeit gebraucht, um sozusagen auch die letzten administrativen Maßnahmen durchzuführen, etwa bei der Lösung von Verbindungen und ähnlichem.
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Gansel auf.
Ist die Meldung der „Frankfurter Rundschau" vom 8. April 1975 zutreffend, die Bundesregierung sei im Besitz von handschriftlichen Anmerkungen des seinerzeitigen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Dr. Carstens, über die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften?
Ich frage Sie, Herr Staatssekretär, ob und inwieweit die Möglichkeit einer Gesamtbeantwortung der Fragen 108 und 109 von Ihnen vorgesehen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich glaube, daß ich die Frage 108 bereits in der Antwort auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Reuschenbach beantwortet habe.
Aber der Herr Abgeordnete Gansel hat möglicherweise noch eine Zusatzfrage, die ich ihm hiermit geben möchte. Deswegen habe ich die Frage gesondert aufgerufen.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß es in dieser Angelegenheit auch mündliche Kontakte des seinerzeitigen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt gegeben hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es zählt zu den wohl auch richtigen Arbeitsmethoden, daß es hier Gespräche zwischen dem Präsidenten des Nachrichtendienstes und dem Chef des Bundeskanzleramtes gibt. Derartige Gespräche haben völlig richtigerweise auch damals stattgefunden. Dies ist ein ganz normaler Vorgang.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, dann ist es wohl richtig, daß die Äußerung des seinerzeitigen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt am 10. Oktober 1974, er habe an diesem Tag 1974 das erstemal von den Waffengeschäften des Bundesnachrichtendienstes „gehört", auch in der akustischen Bedeutung des Wortes „hören" nicht zutreffend sein kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage kann ich nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Dies wäre nur den unmittelbar Beteiligten möglich.
Ich habe jetzt einige Zusatzfragen. Ich beginne bei der Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gerster.
Herr Staatssekretär, wenn Sie hier von Waffengeschäften des BND aus den Jahren 1964 bis 1967 gesprochen haben, meinten Sie damit Waffengeschäfte, von denen Sie wissen, daß sie mit Billigung und Wissen der Leitung des Dienstes geschehen sind, oder sprechen Sie von Waffengeschäften von Angehörigen des BND?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies kann naturgemäß sehr unterschiedlich sein.
Es unterliegt aber keinem Zweifel — und die Akten geben das eindeutig her —, daß dies mit Billigung der Leitung des Dienstes in jenen Jahren geschehen ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt.
Herr Staatssekretär, würden Sie es als eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsicht über einen Nachrichtendienst ansehen,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11527
Sieglerschmidtwenn der Aufsichtführende zwar angibt, auf einen Vorgang aus einer vorvergangenen Periode gestoßen zu sein, aber nichts über das zu wissen angibt, was auf dem gleichen Gebiet in seiner Amtszeit geschehen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe diese Frage bereits dahin gehend beantwortet, daß Herr Professor Carstens einen Prüfungsauftrag erteilt hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Staatssekretär, Sie haben wiederholt in Ihren Antworten Anlaß genommen, das Hohe Haus auf die Möglichkeit mündlicher Gespräche zwischen dem Chef des Bundeskanzleramtes und dem Chef des Bundesnachrichtendienstes betont hinzuweisen. Ich möchte Sie fragen: Haben Sie irgendeinen konkreten Anhaltspunkt dafür, daß in diesem Zusammenhang über Waffengeschäfte gesprochen worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich halte mich für verpflichtet, die Frage auch insofern vollständig zu beantworten, als in diesem Bereich diese mündlichen Unterrichtungen vielleicht in einem höheren Ausmaß stattfinden als in anderen Bereichen.
Ich darf Ihre Antwort also als „nein" verstehen.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Herr Abgeordnete Dr. Sperling. Dann kommt eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.
Hat die Entfernung eines im Steiner-Ausschuß aufgetretenen Zeugen aus den Diensten des BND auf Betreiben von Herrn Carstens etwas mit Waffenhandel zu tun gehabt, und hat sich Herr Carstens anschließend darum gekümmert, ob die Firma im Raum HH, in die der betreffende Zeuge des Steiner-Ausschusses dann gegangen ist, etwa auch eine am Waffenhandel beteiligte Firma gewesen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage möchte ich hier nicht beantworten, Herr Abgeordneter.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.
Herr Staatssekretär, da Sie im Augenblick selber die Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst führen, möchte ich Sie fragen: Sind Sie sicher, daß Sie über alle Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes voll informiert sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter. Ich denke, daß ich das nicht bin, wenn Sie auf den operativen Bereich abstellen. Ich setze allerdings voraus, daß mich der Präsident über alle Fragen, die von allgemeiner oder politischer Bedeutung sind, hinreichend in Kentnis setzt, und ich würde sicher jenen Komplex, um den es heute in dieser Fragestunde geht, dazu zählen.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Gehörte die Beteiligung des BND an Waffengeschäften während der Amtszeit des Staatssekretärs Dr. Carstens routinemäßig zum Aufgabenbereich des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften gehört nicht zu dessen Aufgaben und demzufolge auch nicht zu den Aufgaben des die Dienstaufsicht führenden Chefs des Bundeskanzleramtes.
Sie haben zwei Zusatzfragen.
Dann war es also so, daß die Befassung des seinerzeitigen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt mit dieser Angelegenheit besonders aus dem Rahmen fiel und etwas Ungewöhnliches, Erinnerliches darstellte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin nicht sicher, ob ich Ihre Frage richtig verstanden habe, Herr Abgeordneter. Ich würde es zu den ohne jeden Zweifel zu den Fragen der Dienstaufsicht zählenden Fragen rechnen, daß sich der Chef des Bundeskanzleramtes um diesen Bereich kümmert.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie es als Möglichkeit ausschließen oder müssen Sie es als Tatsache bejahen, daß der seinerzeitige Staatssekretär im Bundeskanzleramt schon als Staatssekretär im Auswärtigen Amt über die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an Waffengeschäften informiert oder damit befaßt war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Frage betrifft den Geschäftsbereich eines anderen Ressorts. Ich kann diese Frage nicht beantworten.
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11528 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Herr
Abgeordneter Gerster, haben Sie auf Ihre Zusatzfrage verzichtet? — Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, bedurften Sie für die heute hier erteilten Auskünfte einer besonderen Aussagegenehmigung durch den Herrn Bundeskanzler?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich bedurfte ihrer nicht, Herr Abgeordneter. Ich habe zur Sache selbst, soweit sie geheimhaltungsbedürftig ist, heute hier nichts ausgeführt.
Die letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Hätte der ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt auf Grund der Unterlagen Veranlassung gehabt, sich peinlichst darum zu kümmern, daß sich der BND zu seiner Amtszeit nicht mehr an Waffengeschäften beteiligte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß dies aus dem Auftrag des Bundesnachrichtendienstes, der damals wie heute noch gegolten hat, folgt.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Trifft es zu, daß zwar seit dem 1. Dezember 1974 für 11 025 062 DM Anzeigen und Informationsbroschüren für die Propagierung der eigenen Arbeit im Inland während der Wahlkämpfe in Berlin, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Saarland in Auftrag gegeben worden sind, während gleichzeitig 170 764 DM für den Materndienst im Ausland und der Zuschuß für den französischsprachigen Dienst der Deutschen Presseagentur gestrichen worden sind, und wie erklärt sich die Bundesregierung dies bejahendenfalls?
Herr Staatssekretär Bolling, trifft es zu, daß Sie die Frage beantworten? — Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Hupka, bereits in der am 21. März 1975 veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hat die Bundesregierung erklärt, daß sie seit dem 1. Dezember 1974 Anzeigen und Informationsbroschüren für einen Betrag von etwas mehr als 11 Millionen DM im Rahmen der politischen Öffentlichkeitsarbeit Inland in Auftrag gegeben hat. Zwei weitere Antworten der Bundesregierung auf Anfragen aus diesem Hohen Hause besagten, daß die Verringerung der für die politische Öffentlichkeitsarbeit Ausland gedachten Mittel zur Einstellung des von Inter Nationes herausgegebenen Materndienstes für deutschsprachige Zeitungen geführt hat, daß die Zuwendungen des Presse- und Informationsamtes an die Deutsche Presseagentur — dpa — im Jahre 1975 nicht über den Betrag des Jahres 1974 hinaus erhöht werden konnten und daß deshalb — was Teil Ihrer Anfrage war — der französischsprachige Dienst für Nord- und Westafrika mit Wirkung vom 1. April dieses Jahres eingestellt werden mußte. Eine Inanspruchnahme von Inlandsmitteln für die Auslandsarbeit oder vice versa ist haushaltsrechtlich, wie Sie wissen, unzulässig. Die Einsparungsmaßnahmen im Bereich der politischen Öffentlichkeitsarbeit im Ausland waren unvermeidlich und sind in den Antworten auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Blüm und auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion im einzelnen begründet worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum war es nicht möglich, die für die Aufklärungsarbeit im Ausland zur Verfügung zu stellenden Mittel zu erhöhen, zumal jedermann auffällt, daß die innenpolitische Aufklärung in erheblichem Maße verstärkt wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wäre — Sie sind ja, denke ich, doch immer noch ein Fachmann, der gewisse Grundregeln der Informationspolitik kennt — nicht sinnvoll gewesen, bei der Öffentlichkeitsarbeit eine lineare Senkung der einzelnen Posten anzustreben. Hier mußte jeweils nach der größten informationspolitischen Wirkung der einzelnen von uns finanzierten Projekte gefragt werden.
Was die Mittel für die Inlandsarbeit angeht, Herr Abgeordneter, so bin ich mir nicht ganz sicher, ob Sie sich sicher sind, aus welchem Glashaus von eindrucksvollen Dimensionen heraus Sie jetzt fragen, denn wir haben mit den Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit konkrete Informationen vermittelt, und zwar in einem Augenblick, in dem von anderen versucht worden ist, Schützenhilfe auch in Landtagswahlen zu geben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause vielleicht einmal den Unterschied zwischen konkreter Informationspolitik und Propaganda deutlich machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Hupka, wir haben z. B., nachdem in etlichen Anzeigen, die ich hier auch verfügbar habe und Ihnen gern zur Lektüre und zur Anschauung geben will, dargestellt worden ist, daß die positiven Wirkungen der Steuerreform wesentlich auf die Arbeit Ihrer Fraktion zurückgingen, geglaubt, daß es zu einer ordentlichen und legitimen Informationsarbeit gehört, darauf hinzuweisen, daß die Steuerreform wesentlich von dieser Regierung gemacht worden ist.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11529
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Friedrich.
Herr Staatssekretär, da der Herr Abgeordnete Hupka einige Bundesländer nannte, möchte ich Sie fragen: Können Sie etwas darüber sagen, was diese Bundesländer in ähnlichen Fällen ausgeben,
vor allem im Zusammenhang damit, daß diese Bundesländer die Bundesregierung kritisieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin dankbar für diese Frage.
— Lachen Sie nicht zu früh! Sie werden ja vielleicht auch die Sendung eines besonders „progressiven" und Ihnen nahestehenden Fernsehpublizisten gesehen haben, der dort falsche Informationen verbreitet hat. Ich will Sie mit nachprüfbaren Fakten versorgen. Der Inlandstitel des Bundespresse- und Informationsamtes ist lediglich um 8,5 % gestiegen, während z. B. der Informationstitel der Regierung Ihres Parteifreundes Stoltenberg, der 1973 473 000 DM betrug, 1975 900 000 DM betrug.
Dies ist eine Steigerung, die — in Prozenten ausgedrückt — doch sehr viel größer ist.
Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger zu.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für eine objektive Informationspolitik im Sinne dessen, was Sie eben ausgeführt haben, wenn z. B. ein Großteil der von Ihnen erwähnten Anzeigen im Zusammenhang mit der sogenannten Steuerreform sich auf die Darstellung der problemlosen Fälle verheirateter Steuerzahler beschränkte, während die echten Problemfälle unverheirateter Arbeitnehmer oder Doppelverdiener in diesen Anzeigen nicht angesprochen wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Jäger, Sie wissen selber nur zu genau —
deshalb kann ich Ihre Frage nicht als sachlich eindrucksvoll empfinden , daß die Bundesregierung
zu keinem Augenblick behauptet hat, daß sie alle Steuerzahler mit dieser Steuerreform beglücken wolle.
Sie haben am Anfang die Vorschläge zu dieser Steuerreform gepriesen, aber nachher in Bausch und Bogen schlechtgemacht, weshalb es eine legitime Aufgabe der Informationspolitik der Regierung war, diesen Eindruck zu korrigieren. Wir sind froh darüber, daß dies gelungen ist.
Meine Damen und Herren, Empfindungen so eindrucksvoll richtig wiederzugeben, wie man sie hat, ist immer Glückssache. Ich will das hier nicht vertiefen.
Die Fragen 96 und 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Probst werden von Frau Staatssekretärin Schlei beantwortet. Können diese beiden Fragen zusammen beantwortet werden?
Wie der Herr Abgeordnete es wünscht.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe die Fragen 96 und 97 auf:
Trifft die Pressemitteilung zu, daß Bundesminister Rohde nicht nur die Ansicht seines Kabinettkollegen Matthöfer teilt, „die Militärjunta in Chile sei eine Mörderbande", sondern darüber hinaus auch Bleichlautende Erklärungen in der SPD als ganz in seinem ,.Sinne" begrüßt und mit herbeiführt?
Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang vor allem im Hinblick auf die Erklärung des Regierungssprechers, ,,diese Formulierungen vertrete Matthöfer selber" , und welche Konsequenzen werden aus dem Verhalten der beiden Bundesminister gezogen?
Herr Kollege Dr. Probst, die Meldung der von Ihnen genannten Zeitung trifft nicht zu. Sie bezieht sich auf eine Entschließung der Bezirkskonferenz der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in Hannover vom 7. April 1975, in der neben der Solidarität mit Bundesminister Matthöfer die Empörung der Arbeitsgemeinschaft über die Zustände in Chile zum Ausdruck gebracht wird.Bundesminister Rohde war zum Zeitpunkt der Beratung und zum Zeitpunkt der Beschlußfassung des Initiativantrages überhaupt nicht auf der Konferenz, so daß er sich dazu auch gar nicht äußern konnte. Eine Notwendigkeit, daraufhin als Konsequenzen zu ziehen, wie Sie es hier, wenn ich mit
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11530 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Parl. Staatssekretär Frau SchleiJa geantwortet hätte, gefordert hätten, besteht deshalb für die Bundesregierung nicht.
Zunächst hat der Kollege Probst Zusatzfragen. Bitte!
Frau Staatssekretärin, würden Sie dann die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. April deutlich gemachte Äußerung des SPD-Sprechers Henning für nicht zutreffend erklären, daß nämlich, wie Henning ausführte, der Beschluß im Sinne des Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft, des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, Rohde, gefällt worden sei?
Die Sinnesausdeutung des Pressesprechers ist nicht die Sinnesausdeutung der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Todenhöfer.
Frau Staatssekretärin, Ihnen ist die klare Äußerung Minister Matthöfers gegenüber der chilenischen Regierung als „Mörderbande" bekannt. Sind Ihnen ähnlich klare Aussagen Bundesminister Matthöfers gegenüber der Regierung der DDR oder gegenüber der Regierung in Hanoi, die im Augenblick unter Vertragsbruch Tausende von Menschen tötet, bekannt?
Diese Frage steht entgegen den Richtlinien für die Fragestunde nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der vom Abgeordneten Dr. Probst eingereichten Frage.
Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Hansen die Möglichkeit zu einer weiteren Zusatzfrage.
Frau Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Sohn des früheren Präsidentschaftskandidaten der verbotenen chilenischen Christlich-Demokratischen Partei, Esteban Tomic, Bundesforschungsminister Matthöfer seine Anerkennung für dessen — ich zitiere wörtlich — „Solidarität mit dem chilenischen Volk und die Verurteilung der faschistischen Militärdiktatur" ausgesprochen hat und daß er weiter schreibt, er könne es nicht begreifen, wie ein deutscher christlicher Demokrat wie der Bundestagsabgeordnete Todenhöfer sich für eine Diktatur einsetzen könne, die die Menschenrechte und die zivilen Rechte der Bevölkerung schändet.
Auch für das, was Sie eben als Frage gestellt haben, gilt das, was ich zur Frage des Abgeordneten Todenhöfer gesagt habe.
Ich rufe die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler auf. Können die beiden Fragen im Zusammenhang beantwortet werden?
Wie es der Herr Abgeordnete wünscht.
Herr Abgeordneter Köhler, wollen Sie sie einzeln beantwortet haben?
Herr Präsident, ich würde getrennte Beantwortung vorziehen.
Sie würden getrennte Beantwortung vorziehen. Dann rufe ich zunächst die Frage 98 auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung, daß Bundesminister Matthöfer am 3. April 1975 im Zusammenhang mit dem zugesagten 45-Millionen-Kredit an Chile durch seinen Sprecher erklären ließ, „Bundesminister Matthöfer erinnert sich nicht, eine solche ,Zusage' gegeben zu haben, und es gibt auch sonst niemanden, der sich an eine solche Zusage erinnert" und daß Bundesminister Matthöfer am 4. April 1975 gegenüber der Presse erklärte, diese „Zusage" habe nur einer demokratisch legitimierten Regierung gegolten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Köhler, der Herr Bundesminister Matthöfer hat die in seinem Auftrag abgegebene Erklärung vom 3. April 1975 in einem Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" wie folgt präzisiert:
Die Frage ist, ob ich eine verbindliche Zusage
gegeben habe. Dies ist nicht der Fall. Deshalb
ist auch eine Erinnerung daran nicht möglich.
Dabei waren selbstverständlich dem Herrn Bundesminister Matthöfer die Diskussionen und die Abstimmungsgespräche sowohl über die Gewährung der Kredithilfen in Chile als auch die Gespräche mit dem damaligen Präsidenten Allende, mit Außenminister Almeda und der chilenischen Verhandlungsdelegation gegenwärtig. Aus diesen Gesprächen konnte und kann aber keine verbindliche Zusage über einen Kredit entnommen werden. Auch die überlebenden chilenischen Gesprächspartner könnten dies bestätigen, wenn man sie befragte.
Sie haben die Möglichkeit von Zusatzfragen. Bitte!
Verzeihung, Herr Präsident, ich warte nur noch auf die Antwort zu Punkt b) dieser Frage; die habe ich noch nicht gehört.
Sie meinen, Herr Dr. Köhler, jetzt die Frage 99?
Nein, 98, zweiter Teil.
Herr Kollege, Sie haben da Glück gehabt. Der Dienst hat
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11531
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenhier mehrere Fragen in einer durchgelassen. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Aber ich frage die Frau Staatssekretärin,
— nein, nein, in der Frage stecken mehrere Fragen! —, ob sie noch eine Ergänzung wünscht.
Herr Abgeordneter, Zusagen für Entwicklungshilfe-Kredite richten sich lediglich nach entwicklungspolitischen Aspekten und nicht nach der Zusammensetzung einer Regierung.
So, jetzt wollen Sie bitte mit Ihren Zusatzfragen beginnen.
Frau Staatssekretärin, wollen Sie mir immerhin einräumen — trotz Ihrer sehr feinsinnigen Deutung —,
daß die Presseerklärung, die ich in meiner Frage zitiert habe, jedem unbefangenen Menschen nach dem, was wir inzwischen wissen, als unwahr erscheinen muß?
Dies muß ich zurückweisen, Herr Kollege.
Die Optik ist jedem freigestellt. Aber dies muß nicht unbedingt aus der Aussage entnommen werden.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage!
Angesichts der Beantwortung des Restes meiner Frage betreffend demokratisch legitimierte Regierungen frage ich Sie, Frau Staatssekretärin, ob Sie mir zustimmen, daß nach den Dormagener Äußerungen von Herrn Minister Matthöfer es sehr schwer ist, ihn noch als Experten für demokratische Legitimation anzuerkennen.
Herr Abgeordneter, diese Zusatzfragen in Form einer Wertung sind, wie Sie wissen, nicht zulässig. Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, eine Sachfrage zu stellen.
Danke.
Keine.
Der Herr Abgeordnete Holtz!
Frau Staatssekretärin, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß der entwicklungspolitische Sprecher der Opposition einerseits — und jetzt so er selbst wörtlich — „ganz erhebliche Magenschmerzen bei jeder Form der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Militärdiktaturen, die ein bestimmtes Mindestmaß an Menschenrechten nicht gewährleisten" hat, aber andererseits die Bundesregierung auf Grund einer nicht formellen Zusage — so er selbst — zur Kooperation mit einem Terroregime wie Chile ermuntert?
Herr Kollege, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Aussagen oder Meinungen eines Abgeordneten zu beurteilen. Aber vielleicht darf ich für die Bundesregierung und sicherlich für das ganze Parlament feststellen, daß für uns alle Verfolgung Verfolgung ist, Vertreibung Vertreibung ist, Terror Terror ist, Verweisung des Landes Verweisung außer Landes ist und Mord Mord ist.
Ich gebe für eine weitere Zusatzfrage dem Abgeordneten Wawrzik das Wort.
Trifft es zu, daß Bundesminister Matthöfer in einem Brief an den damaligen Bundesfinanzminister Schmidt im Zusammenhang mit dem 45-Millionen-Kredit erklärte, man müsse gegenüber Allende weitgehendes Entgegenkommen zeigen, um das chilenische Experiment nicht zu gefährden?
Ich habe diesen Brief nicht gesehen, aber man kann es dem damaligen Staatssekretär Matthöfer nicht verargen, wenn er sich in der Notlage des chilenischen Volkes damals für bestimmte Projekte, die dafür sorgen sollten, daß benachteiligte Gruppen es besser haben, daß Armen geholfen wird, nicht Reichen geholfen wird, engagiert eingesetzt hat.
Ich gebe das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Frau Staatssekretär, muß nicht im Falle Chiles danach gefragt werden, ob es richtig ist, daß die Vergabe von Kapitalhilfe zur Voraussetzung hat, daß die Empfängerländer eine Wirtschaftspolitik verfolgen, die nützliche
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11532 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Frau von Bothmerund positive Ergebnisse für die Bevölkerung erwarten läßt, und scheidet Chile nicht gerade angesichts der furchtbaren Folgen seiner Regierungspolitik für seine Bevölkerung als Empfängerland aus?
Frau Abgeordnete, wir haben auch — das muß gesagt werden — für bestimmte Projekte weiterhin Hilfe für Chile gegeben, Weizenladungen z. B. dann, wenn es darum ging, Hunger zu beseitigen. Wir haben auch — und das verweist darauf, daß wir zwischen Regimen gar nicht unterscheiden — eine Kreditauszahlung geleistet, die vor dem Sturz vereinbart war, die sich auf 21,1 Millionen belief und die damals vertraglich so klar umrissen war, daß sie auch heute als auszahlungsfähig angesehen worden ist. Dabei wird nämlich ganz deutlich, daß Bundesminister Matthöfer damals als Staatssekretär sehr richtig unterschieden hat zwischen verbindlichen und noch nicht verbindlichen Zusagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Todenhöfer.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß von den über 80 Entwicklungsländern, die von der sozialdemokratischen Bundesregierung Entwicklungshilfe erhalten, fünf Sechstel nicht demokratisch, sondern diktatorisch regiert werden und daß schon deswegen die Wertung, die von der anderen Seite des Hauses kommt, nicht haltbar ist?
Herr Kollege, ich darf Sie zunächst darauf hinweisen, daß zu dem Zeitpunkt der Zusage, die Sie so sehr berührt, Chile eine demokratische Regierung hatte.
Mir ist aber auch bekannt, daß wir an unterschiedliche Länder Entwicklungshilfe leisten.
Über die Anzahl, die Sie hier genannt haben, kann ich im Augenblick nicht präzise Auskunft geben. Sie wissen selbst, daß ich diesen Politikbereich heute nur zufällig hier zu vertreten habe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eppler.
Frau Staatssekretärin, wären Sie bereit, die Opposition darauf hinzuweisen, daß die Frage, ob in einem solchen Fall ein Kredit völkerrechtlich bindend zugesagt worden ist, gar nicht vom Parlamentarischen Staatssekretär, sondern vom zuständigen Minister zu entscheiden war und daß dieser Minister diese Frage so entschieden hat, daß er feststellte, daß in diesem Fall keine völkerrechtlich bindende Zusage vorlag, während im Falle der 21 Millionen, von denen Sie sprachen, eine völkerrechtlich bindende Zusage vorlag, und daß dieser Minister damals der Meinung war,
daß die jetzige chilenische Regierung nicht die Gewähr dafür bietet, daß diese Entwicklungshilfe auch wirklich dem Volk von Chile zugute kommt?
Herr Kollege, das weiß sicherlich auch der Fragesteller.
Und es ist auch festzustellen, daß die Fragen nach dieser angeblich verbindlichen Zusage erst sehr spät gestellt worden sind, und zwar nachdem Herr Kollege Dr. Todenhöfer ein Gespräch mit dem Herrn Präsidenten Pinochet hatte; erst nach diesem Gespräch dort erhebt er nun Forderungen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.
Frau Staatssekretärin, könnten wir vielleicht eine Einigung darüber herbeiführen, daß man Völker, die unter Diktaturen — gleich welcher Art — leben, nicht noch dadurch bestraft, daß man ihnen die Entwicklungshilfe entzieht, und daß es daher unzweckmäßig ist, wenn einzelne Mitglieder der Bundesregierung gegen einzelne Länder eine Art von Privatkrieg führen?
Herr Kollege Reddemann, ich habe vorhin schon gesagt, daß von Fall zu Fall darüber entschieden wird, was an Entwicklungshilfe geleistet wird, und zwar danach entschieden wird, wie weit ein Projekt benachteiligten Menschen oder Gruppen helfen kann. Das ist das einzige Kriterium.
Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Coppik die Möglichkeit einer Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang aus dem Umstand, daß die CDU/CSU-Opposition seinerzeit eine Kapitalhilfe für die demokratisch gewählte Regierung Allende
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11533
Coppikdeswegen ablehnte, weil in Chile damals eine Inflationsrate von 180 % gegeben war, heute aber eine Kapitalhilfe für die faschistische Militärdiktatur fordert,
obwohl eine Inflationsrate von 350 % vorliegt?
Herr Abgeordneter, die Frage steht nicht in dem notwendigen Zusammenhang mit der eingereichten Frage.
Ich gebe jetzt dem Herrn Abgeordneten Pohlmann die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen; danach folgen die Herren Abgeordneten Stahl und Werner, und dann ist diese Frage abgeschlossen. Bitte!
Frau Staatssekretärin, da Sie die Frage von Herrn Wawrzik wegen des Mangels an Kenntnis des Briefes des damaligen Staatssekretärs Matthöfer an den damaligen Bundesfinanzminister Schmidt beantwortet haben, frage ich Sie, ob Sie bereit sind, diese Frage schriftlich zu beantworten.
Selbstverständlich, Herr Kollege.
Herr Kolleg Stahl zu einer Zusatzfrage. Bitte!
Frau Staatssekretärin, ist es nicht eigentlich verwunderlich, daß die Opposition jetzt, nachdem sie weiß, daß die Aussage über den Chile-Kredit nicht rechtsverbindlich war, hier den Eindruck erweckt, als hätte der damalige Parlamentarische Staatssekretär Matthöfer die Unwahrheit gesagt?
Herr Kollege, wir alle wissen, daß er nicht die Unwahrheit gesagt hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Werner.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, darf ich noch einmal auf die Frage der völkerrechtlichen Verbindlichkeit zurückkommen und Sie um Stellungnahme zu folgendem Ergebnisvermerk aus einer Ressortbesprechung vom November 1973 über die Chile-Frage bitten, wo es wortwörtlich heißt — ich darf zitieren —:
Die Vertreter von AA und Bundesministerium für Wirtschaft vertraten die Auffassung, daß bezüglich der in der Rahmenplanung befindlichen 45 Millionen DM gegenüber Chile eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung eingegangen worden sei.
Dies gehe auch aus mehreren Erklärungen der Hausleitung des BMZ vor der Öffentlichkeit und vor dem Parlament hervor, die sowohl vor als auch nach dem Militärputsch abgegeben worden seien.
Ja, Herr Kollege, Sie haben nur vergessen, daß bei dieser Ressortbesprechung der sehr maßgebliche Vertreter des Finanzministeriums nicht anwesend war
— ja, das hängt auf jeden Fall mit Geld zusammen; das werden Sie nicht leugnen können —
und daß letztlich der ressortverwaltende Zuständige damit einverstanden sein muß.
Außerdem wissen Sie, daß eine Referentenbesprechung noch keinesfalls bedeutet, daß die Leitung des Hauses dann zu den gleichen Konsequenzen kommt.
Ich rufe die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung, daß Bundesminister Matthöfer nach dem Sturz Allendes am 19. September 1973 erklärte, die Zusage, diesen Kredit zu gewähren, gelte weiter; es seien allerdings vor der Auszahlung noch technische Hindernisse im Zusammenhang mit der Umschuldungsfrage zu überwinden, während er am 4. April 1975 im DFS behauptete, er habe die Zusage im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht wiederholt und gegenüber dem Ausschuß wie folgt argumentiert: ,,Ich habe diese Inaussichtstellung damals begründet mit der Fürsorge der Regierung Allende für die unteren Volksschichten. Die augenblickliche Regierung treibt eine andere Politik, und ich sehe keinerlei Veranlassung, die damalige Inaussichtstellung voranzutreiben."?
Frau Staatssekretärin!
Herr Kollege Dr. Köhler, Ihre Frage geht von dem über die Sitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 19. September 1973 angefertigten stark verkürzten Protokoll aus. Der tatsächliche Wortlaut der Äußerungen von Bundesminister Matthöfer ist auf einer Bandaufzeichnung der Sitzung festgehalten. Sie ergibt, daß der damalige Parlamentarische Staatssekretär Matthöfer schon in jener Sitzung ganz nachdrücklich auf die tiefgreifende politische Veränderung der Geschäftsgrundlage hingewiesen hatte, die seit seinen Gesprächen mit dem damaligen Präsidenten Allende und dem damaligen Außenminister Almeyda durch den politischen Umsturz in Chile inzwischen eingetreten war.Bundesminister Matthöfer hatte keineswegs die Ansicht vertreten, es handele sich um eine völker-
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11534 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Parl. Staatssekretär Frau Schleirechtlich verbindliche Zusage. Gültig war die Zusage aus seiner Sicht als eine politische Absichtserklärung.Sie sehen jetzt einen Widerspruch zwischen dem Wort „Zusage", das Herr Matthöfer 1973 gebrauchte, und seinen jetzigen Hinweisen, es habe sich um eine Inaussichtstellung eines Kredits gehandelt. Dazu muß ich folgendes bemerken: Die Zusage für sich allein ist nichts anderes als die Inaussichtstellung eine Kredits. Eben auch das hat Bundesminister Matthöfer in seinem Interview im Fernsehen ganz klargemacht. Er hat darin wörtlich erklärt, es handele sich um die Inaussichtstellung eines Kredits, nicht aber um eine verbindliche Zusage und schon gar nicht um eine völkerrechtlich verbindliche Zusage.Die Bundesregierung teilt die von Bundesminister Matthöfer vertretene Ansicht, daß eine völkerrechtlich verbindliche Zusage nicht gegeben worden ist.
Eine
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Köhler.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir nach diesem Gedankengang, den ich gewiß erst bei Lektüre des Protokolls voll auskosten kann,
vermitteln, wozu ein amtliches Ausschußprotokoll, das ja schließlich nicht von der Opposition unterschrieben worden ist, sondern von dem Vorsitzenden, der die Mehrheit vertritt, dann eigentlich noch aussagekräftig ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, Sie wissen sicherlich selber, das das eine Kurzinformation ist und daß sich jedes Mitglied des Ausschusses die vollständige Bandaufzeichnung anhören kann.
Eine
weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler .
Wenn ich noch auf den politischen Gehalt dieses Sachverhaltes kommen darf, Frau Staatssekretärin, dann bitte ich Sie, mir doch zu erklären: Warum hat die Bundesregierung vor diesem Hintergrund vor wenigen Wochen einem Weltbankkredit für Chile zugestimmt?
Frau Schlei, Parl. Staatssekretär beim Bundeskanzler. Ich nehme an, Sie gehen jetzt auf den Umschuldungsprozeß ein. Das ist eine ganz andere Angelegenheit.
Das wissen Sie selbst.
Eine
Zusazfrage, Herr Abgeordneter Eppler.
Frau Staatssekretärin, wären Sie bereit, dem Hause mitzuteilen, daß zwischen der ersten hier zitierten und der zweiten hier zitierten Äußerung von Herrn Matthöfer die vorhin von mir zitierte Entscheidung seines Ministers stand, an die er gebunden war?
So ist es, Herr Kollege Eppler.
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks und dann des Herrn Abgeordneten Stahl.
Frau Staatssekretärin, würden Sie Ihre Auskunft über die Unverbindlichkeit von Zusagen auf alle Lebensbereiche ausdehnen und z. B. auch ein Eheversprechen als eine nur unverbindliche Absichtserklärung auslegen?
Das halte ich für einen charmanten Beitrag zum Jahr der Frau, Herr Kollege.
Aber daraus können Sie keine Weiterungen ziehen.
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Frau Staatssekretärin, bezogen auf die Frage von Herrn Kollegen Köhler: Ist es nicht so, daß man aus diesem Protokoll auch das herauslesen kann, was man gerne möchte, wie es Herr Köhler dargestellt hat? Aber ich frage Sie zusätzlich: Trifft es zu, daß anläßlich der Gespräche des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs Matthöfer vom 17. bis 21. April 1973 in Santiago über einen Warenhilfeantrag der chilenischen Regierung innerhalb des damals vorgesehenen Planungsrahmens von 45 Millionen DM gesprochen und daß in einem Vermerk des zuständigen Referats über diesen Vorgang vom 11. Mai 1973 wörtlich festgehalten wurde:
„Der chilenischen Regierung ist eine baldige Entscheidung der Bundesregierung in Aussicht gestellt" ?
Zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege: Lesen ist immer Sinnentnahme und damit subjektive Sinnentnahme.Zum zweiten Teil ist zu sagen, daß eine Zusage für eine Entscheidung nicht unbedingt eine Zusage für eine positive Entscheidung bedeutet.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11535
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Todenhöfer.
Frau Staatssekretärin, unabhängig davon, daß Sie sich soeben zumindest geirrt haben, als Sie sagten, das Finanzministerium sei bei der Ressortbesprechung über die völkerrechtliche Verbindlichkeit nicht anwesend gewesen — es war anwesend, ich darf Sie korrigieren —, stelle ich die Frage: Glauben Sie nicht, daß die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik gefährdet wird, wenn wir die Zusagen, die im Ausland und im Inland durch die Presse, durch die Medien gegangen sind, nachträglich als unverbindliche Inaussichtstellungen zurücknehmen?
Herr Kollege Dr. Todenhöfer, mir ist das, was ich mitgeteilt habe, so berichtet worden. Das zum ersten Teil Ihrer Frage.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik und der deutschen Entwicklungspolitik hängt meines Erachtens von ihren vorweisbaren hervorragenden Leistungen ab.
Meine Damen und Herren, es liegen zwar noch Zusatzfragen aus dem gesamten Hause vor; leider ist aber die für die Fragestunde vorgesehene Zeit abgelaufen.
Die Fragen 58, 59, 62 bis 74, 77, 78, 86 bis 91, 94, 95 und 139 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die übrigen nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen zum Stenographischen Bericht abgedruckt.
Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antworten, die Herr Bundeswirtschaftsminister Friderichs auf die drei Dringlichkeitsanfragen von Kollegen aus meiner Fraktion gegeben hat, waren in Form und Inhalt eine Zumutung.
Sie waren nicht nur eine Zumutung für dieses Parlament, sondern insbesondere eine Zumutung für die Arbeitslosen und die von den Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmer.
Das ist so ähnlich wie die Verhöhnung, die aus den Worten des Bundeskanzlers spricht, wenn er sich dieser Tage bestätigt fühlte in bezug auf seine Redensart, 5 % Inflation seien leichter zu verkraften als 5 % Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, das Thema Massenarbeitslosigkeit ist zu ernst,
als daß wir damit zufrieden sein könnten, wenn die Regierung einige ausweichende Antworten dazu gibt. Leider ist die Bundesregierung — entgegen den Erklärungen des Kanzlers noch vom Mai des vergangenen Jahres — kein Garant dafür, daß es in unserem Lande nicht wieder zu Massenarbeitslosigkeit kommt.
Meine Damen und Herren, wir beantragen eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema, und zwar aus zwei Gründen. Es geht hier heute ja nicht darum, die Entscheidungen des Vorstandes, die ihm sicherlich nicht leichtgefallen sind, zu würdigen oder zu kritisieren, sondern es geht um die Frage, wann und wie wirksam den Menschen geholfen werden kann, die durch diese Entscheidung betroffen worden sind. Dieser ganze Vorgang im Volkswagenwerk ist ja nicht von heute auf morgen entstanden. Auch die Regierung hätte wissen müssen, was auf sie zukam. Im August des vergangenen Jahres hat man einem Kollegen in berühmter Manier ausweichende Antworten erteilt. Wir müssen feststellen, daß die Antworten, die heute konkret zu unseren Fragen gegeben worden sind, sehr enttäuschend waren.
Es ist eben nichts in der Schublade. Darüber müssen wir hier sprechen. Darin drückt sich nämlich ein Mangel an Vorausschau und an Vorsorge seitens der Regierung aus.
Das zweite, meine Damen und Herren: Diese Regierung hat wenig oder keinen Mut zur Verantwortung. Auch was die Entscheidungen des Volkswagen-Konzerns betrifft, versucht sie alles — auch nach berühmter Manier — immer anderen in die Schuhe zu schieben. Dabei ist nicht bekannt — SPD und FDP und die Vertreter der Bundesregierung und des Landes Niedersachsen verfügen im Aufsichtsrat über eine Zweidrittelmehrheit —, daß Entscheidungen des Vorstandes von den Mitgliedern des Aufsichtsrates, speziell von denen der Bundesregierung, nicht mitgetragen worden sind.
Daher trägt diese Regierung auch ihr Stück Verantwortung mit für das, was an unangenehmen Entscheidungen jetzt unaufschieblich gewesen ist.
Das sind die Gründe, aus denen wir jetzt über dieses Thema sprechen wollen.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß der Antrag genügend unterstützt ist.Wir treten in dieAktuelle Stundeein.Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Bismarck.
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11536 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf die Einhaltung der Fünf-Minuten-Redezeit achteten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg sagen, damit im Parlament kein Zweifel bleibt: Hier gibt es niemanden, der sich nicht über jeden von den schon bisher freigesetzten Arbeitnehmern des Volkswagenwerks freut, der wieder in Arbeit ist. Und es sollte niemanden geben, der sich um andere Dinge müht. Aber diese Aktuelle Stunde findet deswegen statt — das wird nachher erläutert werden —, weil sich im Bereich der Koalitionsparteien die verschiedensten Stimmen erhoben haben, die etwas ganz anderes aus der Sache machen wollen.
Zur Sache ist festzustellen: Die Misere, in der sich das Werk befindet, steht nicht allein im freien Raum, sondern sie ist auch dadurch in ihrer Schärfe, in ihrer Plötzlichkeit und in der Ungunst des Augenblicks mit herbeigeführt, daß eben die Bewegungen zum Abfangen der überschäumenden Konjunktur zu spät — wie wir hier häufig gesagt haben — und dazu noch schief — d. h.: zu spät und einseitig —auf der Bremse der Investitionen ausgeführt worden sind. Die Folgen tragen wir jetzt mit in Gestalt der übergroßen Arbeitslosigkeit. Diese trifft natürlich auch das Volkswagenwerk und seine Arbeitnehmer.
Die spezielle Lage des Volkswagenwerks wäre aber auch dann nicht so ungünstig, wenn nicht an der Wende des Jahres 1973 Lohnabschlüsse getätigt worden wären, die von diesem Werk eben nicht mehr getragen werden konnten.
Die Lage der Unternehmensführung ist dadurch gekennzeichnet, daß sie — wahrscheinlich als Folge der nur Teilprivatisierung — so frei nicht ist, wie sie sein sollte, um auf die immer beweglicher werdenden Weltmarktzustände zur rechten Zeit und nicht plötzlich, sondern mit den nötigen Abfangeinrichtungen zu reagieren.
— Ich bin offen genug, Herr Ehrenberg, zu sagen, daß wir in der Sache Fragen stellen müssen, aber anders als Ihre Freunde: nicht nach mehr Staat, sondern nach weniger Staat muß hier gefragt werden.
Mit anderen Worten: Das Volkswagenwerk ist nicht wegen zu wenig Staat, sondern wegen zuviel Staat in dieser Lage, nicht wegen zuviel Marktwirtschaft, sondern wegen zu wenig. Um das ganz deutlich zu sagen: wir brauchen auch von niemandem eine Ermahnung in dieser Richtung, auch nicht vom Herrn Bundeswirtschaftsminister.
Es wird nachher darüber geredet werden, warum und wieso der Bundeswirtschaftsminister ein sehr ehrenwertes Mitgied des Bundesrates hier völlig falsch interpretiert hat.
Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß eines nicht geht, nämlich daß sich die Bundesregierung, indem sie sagt, sie dürfe aktienrechtlich nicht eingreifen, von der Verpflichtung loszusagen versucht, die nötigen Vorkehrungen dafür zu treffen, daß eine voraussehbare schwere Belastung bestimmter Räume und Gruppen mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, aufgefangen wird. Hier stellen wir leider fest — Herr Müller-Hermann hat es schon gesagt —, daß zu wenig geschehen ist und offenbar keine Vorkehrungen getroffen worden sind, die sofort wirksam gemacht werden könnten; dabei verkenne ich nicht, daß strukturelle Maßnahmen immer ihre Zeit brauchen.
Schließlich sind der Herr Vorsitzende der IG Metall und sein Vorgänger seit langem als Mitglieder des Präsidiums des Aufsichtsrates an allen Entscheidungen beteiligt. Man muß doch fragen, wieso es eigentlich möglich ist, daß Herr Loderer in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung" sagt, es hätten sich verheerende Fehler herausgestellt, und gleichzeitig so tut, als hätte er entweder diese Fehler nicht erkannt oder sich nicht dazu geäußert oder als sei er als Mitglied des Aufsichtsrats dafür nicht mitverantwortlich. Er müßte das Aktienrecht noch einmal nachlesen, um zu wissen, was dem Aufsichtsrat eigentlich zugemutet werden muß.
Hat er denn auch nicht dabei mitgewirkt, daß die Löhne der Volkswagen-Arbeiter seit Jahren um 10 %, 1970 sogar um 23 %, über dem Durchschnitt der Metallarbeiterlöhne lagen? Hat er daran auch nicht mitgewirkt? Dies war natürlich eine Vergoldung, die der Käfer damals nicht mehr vertrug.
Das Volkswagenwerk hat einen Haustarif. Infolgedessen ist der Vorsitzende der IG Metall unmittelbarer Partner dieser Verhandlungen. Die soziale Marktwirtschaft beruht auf der verantworteten Freiheit, und man muß Herrn Loderer fragen, ob er hier vielleicht mehr die Freiheit von der Verantwortung schätzt.
Wir haben jetzt nichts anderes zu tun, als unsere Phantasie darauf zu konzentrieren, wie wir die Wirtschaftskrise insgesamt sobald wie möglich überwinden können, ohne die Inflation hervorzulocken. Wir haben die Hauptverantwortung für die Familien, die betroffen sind. Nur wenn wir die Krise insgesamt überwinden, besteht Hoffnung, daß wir die Arbeitsplätze, die den Bedrängten jetzt helfen können, schnell genug schaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch nach der in der Öffentlichkeit geführten Debatte scheint es mir notwendig zu sein, noch einige Fakten in Erinnerung zu rufen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11537
JunghansAm 16. März 1960 hat dieses Haus gegen die Stimmen der Sozialdemokraten die Privatisierung des Volkswagenwerkes beschlossen.
Unser Kollege Dr. Deist hat damals erklärt, daß das Risiko der Aktie für Bezieher kleiner Einkommen zu groß sei und daß zweitens der Bund seinen entscheidenden Einfluß verlieren könne.Ich treffe diese Feststellungen nicht, um hier das Für oder Wider von Privatisierungen zu erörtern, und es hat auch keinen Sinn, darüber zu philosophieren, ob der Einfluß des Bundes zu verstärken sei oder nicht. Ich möchte nur feststellen — das muß man wissen —: Seit März 1960 ist das Volkswagenwerk eine Aktiengesellschaft privaten Rechts mit einer Beteiligung des Bundes von 20 % und des Landes Niedersachsen von 20 %.
— Das hat — passen Sie schön auf, meine Damen und Herren — Ihr Kollege Ludwig Erhard als damaliger Bundeswirtschaftsminister im April 1962 sehr schmerzlich erfahren müssen, als er Professor Nordhoff zu sich bestellte, um diesen zu veranlassen, eine vorgenommene Preiserhöhung in einer sehr hohen Gewinnsituation des Volkswagenwerkes zurückzunehmen.
In der ,,Bild"-Zeitung vom 2. Mai 1962 stand —ich will Ihnen das einmal vorlesen —:Ludwig Erhard kocht vor Wut. Er fühlt sich von VW-Chef Nordhoff hinters Licht geführt. Der VW-Vorstand hat trotz aller Appelle des Bundeswirtschaftsministeriums beschlossen, die erhöhten Autopreise nicht zu senken — um keinen Pfennig!Dann steht hier noch:
VW bleibt teuer. Erhard ist wütend. Doch Erhard gibt den Kampf nicht auf. Ihm nahestehende Kreise formulieren das so: „Einer soll fallen, Nordhoff oder der Preis."
Wie war das damals? — Ich will es ihnen genau erklären, weil Sie dauernd den Versuch machen, demBund mehr Verantwortung zuzuschieben, als er hat.
Sie machen hier den Versuch, die Bundesregierung so darzustellen, als sei sie der Chef einer zentralverwalteten Planwirtschaft. So wollen Sie es darstellen.
Deswegen lese ich Ihnen das vor.Ich will Ihnen noch etwas vorlesen — das ist von großer Bedeutung in dieser Debatte —,
und zwar aus der „Frankfurter Allgemeinen" vom 1. Mai 1962. Das, was Herr Nordhoff damals erklärt hat, gilt heute noch:Die Verantwortung des Vorstandes für die Sicherheit der Arbeitsplätze im Werk und in der Zulieferindustrie sowie für die Interessen der Aktionäre forderte die Preiserhöhung.Weiter sagte er, von dieser Verantwortung könne niemand den Vorstand entbinden. — Von dieser Verantwortung kann auch heute niemand den Vorstand entbinden, wie Sie es zu tun belieben.
Meine Damen und Herren, ich komme auf einen zweiten Punkt zu sprechen, der mich an Ihren Äußerungen — ich sage das ganz bescheiden — außerordentlich stört. Ich habe am 15. April in einer Presseerklärung gesagt:Die Maßnahmen des Vorstandes, die nun die Billigung des Aufsichtsrates gefunden haben, bedeuten einen schmerzhaften Schnitt für die Belegschaften von VW und Audi-NSU. Sie sind aber die Voraussetzung für die Sicherung von weit über 100 000 Arbeitsplätzen in dem im Kern gesunden Unternehmen.Ich wiederhole: in dem im Kern gesunden Unternehmen! Ich betone das deshalb, weil ich Ausdrücke des Abgeordneten Strauß wie „tiefgreifende Existenzkrise" oder das Schreckensbild des Abgeordneten Jahn , ebenfalls eines Kollegen Ihrer Fraktion, für unverantwortlich halte.
Ich halte das für dieses Unternehmen und die dortbeschäftigten Arbeitnehmer schlichtweg für geschäftsschädigend. Ich sage das hier mit Nachdruck.
Und dann möchte ich, Herr Abgeordneter Strauß, die Fachleute an der Börse hinzufügen. Herr Abgeordneter Strauß hat ja andere Fachleute herangezogen, indem er schon wieder herumbohrt und so tut, als müsse man fragen, ob denn nicht noch etwas hinterherkäme und was das sein könnte. Das ist doch dieselbe Methode, die Sie seit Jahren an-
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11538 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Junghanswenden. Das „Handelsblatt" vom 16. April 1975 sagt folgendes:An den deutschen Aktienbörsen konzentrierte sich das Interesse auf die VW-Aktie. Die Sanierungspläne des Vorstandes wurden offensichtlich positiv aufgenommen; denn das Papier wurde deutlich höher bewertet.
Meine Damen und Herren, wir bewerten die Leistungen des Unternehmens Volkswagenwerk und seiner Belegschaften offensichtlich sehr viel höher als Sie!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zur Gesundung des VW-Konzerns und zur Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze getroffenen Maßnahmen sind gewiß kein geeignetes Objekt für parteipolitische Auseinandersetzungen.
Meine Damen und Herren, wenn ich einmal von der für mich bedauerlichen Tatsache absehe, daß alle Arbeitnehmervertreter gegen den Sanierungsplan gestimmt haben, so erscheint es mir doch bemerkenswert, daß der endlich wieder handlungsfähige Vorstand im übrigen die geschlossene Unterstützung des Aufsichtsrats für seine Pläne gefunden hat. Hier haben die völlig unterschiedlichen parteipolitischen Bindungen keine Rolle gespielt und die erforderlichen Entscheidungen nicht behindert. Dies kann eigentlich nicht ohne Eindruck geblieben sein.Auch eine Opposition, die sich bei dem Wahlgang in Schleswig-Holstein kalte Füße geholt hat,
sollte sich an einer so schmerzlichen Unternehmensentscheidung nicht die Hände wärmen wollen.
Nein, meine Damen und Herren, die zum Wohle des Unternehmens — und das sind Eigentümer und Arbeitnehmer gleichermaßen — notwendigen und längst überfälligen Entscheidungen dürfen im Interesse des sozialen Friedens nicht diskreditiert und schon gar nicht parteipolitisch ausgeschlachtet werden.
Bei dem Versuch, die Bundesregierung mit dieser Unternehmensentscheidung zu belasten, gerät die Opposition deshalb auch zwangsläufig in Widerspruch zu privatwirtschaftlichen Grundsätzen und Vorstellungen, die sie sonst stets so lauthals vertrittund die sie sich immer — fast exklusiv — auf ihre Fahnen schreiben möchte.
Meine Damen und Herren, auch der Debattenbeitrag des Herrn Kollegen von Bismarck hat Ihre Situation, in die Sie dabei notwendigerweise geraten müssen, nicht verschleiern können. Es paßt dann auch in das Bild einer etwas aus dem Tritt geratenen Opposition, daß sich nun auch noch der Spezialist und Sachverständige für Wirtschafts- und Finanzkatostrophen zu Wort gemeldet hat. „Franz Josef Strauß
beginnt das neue Zeitalter der Union" — so Gerold Tandler „In Sachen Strauß" — „mit dem obstrusen Versuch, der Bundesregierung die Schuld an der Misere bei VW aufzubürden".
Meine Damen und Herren, auch wenn wir darauf verzichten sollten, die Unternehmenspolitik der vergangenen Jahre zu sezieren, ist für jeden offenkundig und selbst für die Opposition einsichtig, daß sich der Konzern durch einen ungewöhnlich hohen Exportanteil von zwei Dritteln der Produktion ein sehr großes Risiko aufgebürdet hatte. In der Vergangenheit sind die zusätzlichen Chancen auf den internationalen Märkten voll genutzt worden, und man war dabei noch der Meinung, die Risiken damit gleichmäßig gestreut zu haben.
Diese Fehleinschätzung der Vergangenheit schafft jetzt bittere Stunden. Da die Wettbewerbssituation auf diesen Märkten entscheidend vom Wechselkurs der D-Mark bestimmt wird, führte der Verfall des Dollars unausweichlich zum tiefen Einbruch auf dem amerikanischen Exportmarkt.Im Hinblick auf diese Entwicklung jetzt die Bundesregierung zum Sündenbock machen zu wollen, hieße doch, wenn Sie konsequent wären, meine Damen und Herren, das Urteil über die Qualität der Wirtschaftspolitik vom Außenwert der D-Mark abhängig zu machen.
Das ist zwar möglich, muß aber in der gegenwärtigen Situation zu einer Belobigung dieser Regierung führen.
Ich kann mir nicht denken, daß die Opposition dies beabsichtigt. Aber ernst zu nehmende Argumente sind das alles nicht.
Tatsächlich gibt es für die auf die Bundesregierung gehäuften Vorwürfe nicht einmal den Schatten einer Berechtigung.
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HoppeDer Blick zurück im Zorn hilft hier überhaupt nicht weiter. Er macht die jetzt anstehenden Entscheidungen für den einzelnen nicht einmal leichter.Meine Damen und Herren, es kommt letztlich auch nicht entscheidend darauf an, wie und durch wen die jetzige Situation, die wir vor uns haben, herbeigeführt worden ist. Es gilt vielmehr, die anstehenden Probleme miteinander zu meistern und dabei die von der Entlassung betroffenen Mitarbeiter mit ihrem persönlichen Schcksal nicht allein zu lassen.
Das Unternehmen hat die Entscheidungen unter Einschluß dieser sozialen Komponente getroffen.
Der Verzicht auf die Schließung des Werkes Nekkarsulm ist dafür sichtbarer Ausdruck. Man kann allerdings nicht sagen, daß der Ministerpräsident dieser Region diese Lösung durch konstruktive Beiträge besonders gefördert hätte. Von dort haben wir bislang nur Sprechblasen gehört. Das Verdienst liegt bei den Betriebsangehörigen selbst.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, nunmehr zu schließen. Sie haben die Redezeit weit überzogen.
Meine Damen und Herren, die Betroffenen erwarten jetzt von der Bundesregierung und den Länderregierungen praktische Maßnahmen der Regionalpolitik, mit denen die strukturellen Probleme gemeistert werden können. Die Bundesregierung hat die dafür notwendigen ersten Schritte getan.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis, daß ich hinsichtlich der Einhaltung der Redezeiten besonders sorgfältig vorgehen muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Breidbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reden der Kollegen Hoppe und Junghans kann man im Grunde nur als einen Bach von Krokodilstränen bezeichnen, die entstehen mußten, nachdem man selber in der Entscheidungsverantwortung war und sich nun aus der Entscheidungsverantwortung herausstehlen möchte.
Lassen Sie mich eine zweite Vorbemerkung machen. Daß ausgerechnet Herr Junghans und Herr Hoppe uns Konflikte mit privatwirtschaftlichen Grundsätzen vorwerfen, ist doch angesichts der Beschlüsse von Jungdemokraten und Jungsozialisten und der sozialen Marktwirtschaftspolitik, diedie Union betrieben hat, ein äußerst starkes Stück.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, waren beide Reden die Fortsetzung dessen, was Graf Lamsdorff, Herr Kühn und auch Herr Börner vor einigen Tagen begonnen haben, nämlich die Parteipolitisierung der Diskussion um die Entscheidungen, die im Aufsichtsrat bei VW gefallen sind.
Mit dieser Parteipolitisierung wollen Sie doch von den Ursachen und von den Tatsachen ablenken, die wir heute bei Volkswagen vorfinden. Herr Ministerpräsident Kühn tut dies mit Anzeigen, die in ihrem Inhalt von äußerst kleinem Geist bestimmt sind, und ich frage mich sehr oft: welche Freunde mögen es wohl sein, die von diesen Anzeigen beeindruckt sind?
Der bisherige Höhepunkt der Parteipolitisierung war eine Rede des SPD-Bundesgeschäftsführers, Holger Börner, gehalten in Wattenscheid. In dieser Rede behauptet Herr Börner in klassischem Wahlkampfstil: „Der Staat hält jetzt noch einen Anteil der Aktien von 20 %, d. h. die Bundesregierung hat auf die Unternehmensentscheidung keine wesentlichen Einflüsse." — Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit hat er zunächst einmal zugegeben, daß die Bundesregierung bereit wäre, Einfluß auf die Unternehmensentscheidung zu nehmen, wenn sie mehr Prozente hätte.
Zum zweiten ist diese Behauptung doch an Unwahrhaftigkeit, Herr Kollege Börner, nicht mehr zu überbieten.
— Herr Kollege Wehner, Sie können mich mit Ihren charmanten Zwischenrufen überhaupt nicht aus der Ruhe bringen.
Wie sind die Tatsachen? — Bund und Land Niedersachsen sind im Besitz von 40 % der Stimmanteile. Die Sozialdemokraten haben im Aufsichtsrat der Volkswagen AG eine Zweidrittelmehrheit. Ohne die Aufsichtsratsvertreter der Regierungen geht bei VW überhaupt nichts, weder nach vorn noch nach hinten.Die SPD behauptet weiter, die CDU trage die Schuld — klassisch hier heute von Herrn Junghans vorgeführt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Art und Weise der Argumentation, jemandem, der seit 1966 überhaupt keinen Einfluß mehr auf die Geschehnisse bei VW hat, weil er keine Aufsichtsratsmitglieder mehr stellt, die Schuld zuzuschieben, ist doch schlicht und einfach schäbig und entlarvend zugleich. Das läuft nach dem Motto: Man wähle mit SPD-Mehrheit einen Aufsichtsrat, und dieser Aufsichtsrat versucht dann,
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Breidbacheinen der CDU nahestehenden Vorstandsvorsitzenden zu finden
— Herr Wehner, Untersuchungsausschüsse sind doch für Sie viel peinlicher als für uns —, und wenn die ganze Kiste gutgeht, lag es an der SPD — das waren die strammen Leute —, geht sie schlecht aus, ist ein der CDU nahestehendes Vorstandsmitglied der Dumme.
Verantwortung muß von anderen Kategorien gekennzeichnet sein als von Drückebergerei.
Was Sie hier machen, ist Drückebergerei vor der Verantwortung.
Wir haben zu dem Gesamttatbestand folgende Feststellungen zu treffen.Erstens. SPD und Regierung betreiben seit Tagen eine Schuldvertuschungskampagne. Für die Not der arbeitslosen und der arbeitslos werdenden VW-Arbeiter möchte sie am liebsten „Adam und Eva", ersatzweise die CDU/CSU, verantwortlich machen.
Zweitens. Für die katastrophalen Folgen unterlassener, falscher und zu spät ergriffener Maßnahmen hat die Mehrheit des Aufsichtsrates die volle Verantwortung zu tragen. Die SPD hat in diesem Aufsichtsrat eine Zweidrittelmehrheit.
Drittens. Obwohl die SPD-Mehrheit im Aufsichtsrat seit Jahren von immer schwieriger werdenden Situationen durch den Vorstand unterrichtet war, hat sie wirksame, arbeitsplatzsichernde Maßnahmen bis heute nicht initiiert. Die Versuche, über Ablösungsangebote die Arbeitnehmer aus dem VW-Konzern herauszulocken, haben die Wirkung von Zukkerbrot und Peitsche.Im übrigen liegt nach unserer Auffassung die Politik der SPD in der Frage der Behandlung der Aufsichtsratspolitik auf der Linie, die Herr Bahr hier einmal angekündigt hat: den Arbeitnehmern erst nach den Wahlen die Wahrheit zu sagen.
Das
Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft, Friderichs.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf eine Ergänzung zu den in der Fragestunde gemachten Angaben geben. Wenn ich vorhin sagte, daß wir nicht betriebsweise feststellen könnten, wie dieLieferbeziehungen zwischen der Automobilindustrie und den übrigen Sektoren seien, dann gilt dies natürlich in dieser Wirtschaftsordnung nicht für die Sektoren insgesamt; wir können es nur nicht für die Einzelbetriebe und somit auch nicht betriebsgrößenspezifisch.
Die Zahlen über die Sektoren liegen unserem Hause vor. Ich werde sie gleich zu Protokoll geben *). Ich möchte sie nicht einzeln hier vorlesen. Herr Abgeordneter, Ihnen stehen diese Zahlen damit zur Verfügung. Über die einzelbetrieblichen Beziehungen werden, wie ich mich vergewissert habe, die Länder, falls notwendig, in der Planungsausschußsitzung am 2. Mai zu berichten in der Lage sein.Herr Abgeordneter Müller-Hermann, Sie sprachen von dem Mut zur Verantwortung. Ich möchte Ihnen hier klar und deutlich sagen, daß ich dem Vorstandsvorsitzenden dieses Unternehmens in einem längeren unmittelbaren Gespräch und in mehreren zwischendurch geführten Telefongesprächen gesagt habe, daß ich bereit sei, jede Maßnahme zu unterstützen, die er aus betrieblichen Gründen für erforderlich halte, daß ich es aber für selbstverständlich hielte, daß man den Versuch mache, die Maßnahmen in einer sozial erträglichen Form durchzuführen. Ich glaube, mehr kann man öffentlich nicht unablässig tun. Herr Schmücker hat dies auch zur Kenntnis genommen.Herr von Bismarck, wenn Sie vorhin sagten, man könne die Lage nicht isoliert betrachten, sondern müsse sie eingebettet in die starken Bremsmaßnahmen betreffend die Investitionen im Jahre 1973 sehen, dann zweifle ich, ob dies ganz richtig ist. Sonst müßten sich ja alle deutschen Automobilunternehmen in einer solchen Lage befinden,
— Moment, lassen Sie mich bitte ausreden — insbesondere diejenigen, die einen sehr hohen Lieferanteil an Automobilen als Investitionsgut — ich meine das jetzt nicht statistisch, sondern in bezug auf die Verwendung — haben. Dies ist nicht der Fall. Ich glaube, VW wäre mehr getroffen worden, wenn wir im Mai 1973 den Vorschlägen gefolgt wären, den Konsum zu drosseln; denn ein Großteil der Wagen dieses Unternehmens geht ja in Privat-*) Die einzelnen Liefersektoren waren im Jahre 1972 von der Automobilnachfrage wie folgt abhängig:in v. H.derUmsätze— Stahlverformung 27,9— Kautschuk- und asbestverarbeitende Industrie 25,4— Eisen- und Stahlgießereien 21,2— Ziehereien und Kaltwalzwerke 15,6— Eisenschaffende Industrie 15,2— NE-Metallindustrie 12,0— Glasindustrie 11,6— Kunststoffverarbeitende Industrie fast 10,0Maschinenbau 7,7Elektrotechnische Industrie 7,4— Chemie 5,8— Mineralölverarbeitende Industrie ca. 5,0— Zellstofferzeugung ca. 5,0— Papierverarbeitung 4,5
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Bundesminister Dr. FriderichsI hand und nicht wie die Produkte eines anderenUnternehmens — in die Unternehmungen.
Ich will aber nicht bestreiten, daß Ölkrise und Investitionsdrosselung auch hier einen mittelbaren Einfluß gehabt haben. Wir waren aber der Meinung, daß die Drosselung nötig sei, um die Preissteigerungsrate in eine vernünftige Bahn zurückzuführen.
Zur Frage „Mehr oder weniger Staat?" will ich mich gleich äußern. Zu der Frage, wie wir — auch der meinem Hause angehörende Staatssekretär — uns im Aufsichtsrat verhalten haben, habe ich hier nur zu sagen, daß mein Staatssekretär mehrfach verlangt hat, einen Plan für die Zukunft des Unternehmens, also, wie Sie auch sagen können, ein Sanierungsprogramm vorzulegen. Er hat am 25. 10. 1974, also im Oktober vorigen Jahres, gesagt — ich zitiere wörtlich —:Die bisherigen Maßnahmen und Vorhaben — des Vorstandes —reichen nicht aus. Ein einschneidendes Gesundungsprogramm ist überfällig.Er sagte weiter wörtlich:Es darf nicht dazu kommen — und die Gefahr liegt bereits nahe —, daß auf VW der für die Bundesbahn gehörte Slogan zutrifft, der besagt, daß die Bundesbahn ein Sozialwerk sei, das nebenbei mit Verlust auch Eisenbahn fahre.Ich habe wörtlich aus einer Aufsichtsratssitzung — mit Genehmigung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds — zitiert. Er hat sich in ähnlicher Form auch in den letzten Sitzungen geäußert. Dasselbe trifft für den Staatssekretär aus dem benachbarten Finanzressort zu.Meine Damen und Herren, ich möchte angesichts der gegenwärtigen Situation noch zwei Bemerkungen machen.Erstens. Herr Müller-Hermann, ich glaube, aus den Antworten ist hervorgegangen, daß die Bundesregierung sehr wohl Vorstellungen darüber hat, was zu geschehen hat.Wenn ich gestern auf der Hannover-Messe in von mir in der Öffentlichkeit sonst nicht üblicher Schärfe einen Ministerpräsidenten wegen seines Satzes — ich zitiere wörtlich — „Ich werde diese Entscheidung nicht hinnehmen" — so las ich es in der Presse, und dieser Satz ist nicht dementiert worden — angenommen habe, so deshalb, Herr von Bismarck, weil ich nicht möchte, daß in einer solchen Situation öffentlich der Eindruck entsteht, als ob einzelbetriebliche Entscheidungen lediglich dem Willen der jeweiligen Regierung zu unterwerfen wären und dann erfüllbar oder veränderbar seien. Ich halte es in unserer Ordnung für ganz gefährlich, wenn wir eine öffentliche Diskussion so führen, als ob es nur des Willenseiner Regierung bedürfe, um einzelbetriebliche Entscheidungen — ich will die Eigentumsverhältnisse hier gar nicht ansehen; darauf kommt es letztlich nicht an — sofort ändern zu können.
Wenn dieser Eindruck entsteht — dies meinte ich mit meinen gestrigen Bemerkungen —, ist das nicht ungefährlich für diese unsere Ordnung; denn breite Schichten des Volkes müßten dann ja wohl annehmen, daß die Zusammenhänge in einem freiheitlichen, demokratischen und marktwirtschaftlich organisierten Staatswesen so seien, wie es dieser Eindruck vermuten läßt.Ich möchte noch einen Satz hinzufügen. In Wahrheit ist es doch wohl so, daß Umsetzungen von Arbeitnehmern aus weniger produktiven Bereichen in produktivere Bereiche die Voraussetzung für dauerhaftes Wachstum in diesem Lande sind. Deswegen war die Entscheidung dieses Konzerns — ich sage das ganz deutlich als meine persönliche Meinung — überfällig, nicht nur einzelbetrieblich, sondern auch gesamtwirtschaftlich.
Ich stehe nicht an, auch hier dem neuen Vorstandsvorsitzenden und dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden dafür „danke schön" zu sagen. Ich lege Wert auf die Feststellung, daß die Entscheidungen nicht durch den Aufsichtsrat verzögert worden sind, sondern daß über lange Zeit eine beschlußfähige Vorlage des Vorstands fehlte.
Das Wort hat der Abgeordnete Sauer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Katastrophe bei VW trifft das Hauptwerk Wolfsburg und die Zweigwerke Hannover, Emden, Braunschweig und Salzgitter im niedersächsischen Gebiet. Emden hat bereits eine Arbeitslosenquote von 8,7 %. Wolfsburg mit bisher 6 000 weniger VW-Arbeitern wird eine erhebliche Schwächung seiner Finanzkraft hinnehmen müssen. Braunschweig hat seit 1974 bereits 2 000 VW-Arbeiter verloren, dazu Schwierigkeiten bei Rollei, die Auflösung der OPD und des Bundesbahnausbesserungswerkes zu verzeichnen. In Salzgitter werden von den 9 700 VW-Arbeitern im Jahre 1974 Ende 1975 noch ganze 5 300 übrigbleiben; damit wird die Belegschaft in Salzgitter um 55 % oder, in Zahlen ausgedrückt, um insgesamt 4 400 Arbeitnehmern gesenkt, — und dies bei einer Arbeitslosenquote von bereits 6,4 %. Im bundeseigenen Salzgitter-Konzern werden Anfang Mai erneut 12 000 Arbeitnehmer Kurzarbeit leisten müssen. Bis 1976 werden beim bundeseigenen Salzgitter-Erzbergbau weitere 1 300 Bergleute arbeitslos werden. Die Stadt hat sich bei ihren Infrastrukturmaßnahmen auf 20 000 VW-Arbeiter eingestellt, und Sie können sich jetzt die finanziellen Schwierigkeiten vorstellen.
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Sauer
Aus dem gesamten Raum Süd-Ost-Niedersachsen wandern ständig junge Menschen ab, weil sie dort keine Zukunft mehr haben. Diese nüchternen Zahlen zeigen, wie düster sich zur Zeit Gegenwart und Zukunft darstellen. In dieser Lage gilt den bedrängten Arbeitnehmern und ihren Familien größter Respekt. Bei verständlicher innerer Hochspannung zeigen sie durch ihre Haltung in besonderem Maße Besonnenheit, Geduld und Selbstdisziplin.Meine Damen und Herren, zwischen dieser vorbildlichen Haltung unserer Arbeitnehmer und der Haltung jener — das sage ich ganz deutlich —, die in der Betriebsführung die Katastrophe seit langem kommen sahen, ohne zur rechten Zeit mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzuwirken, Herr Bundesminister Dr. Friderichs, besteht eine große Kluft!
Einmütigkeit besteht darüber, daß die Leitung des VW-Konzerns Fehlentscheidungen getroffen und mögliche Gegenmaßnahmen vor sich hergeschoben hat. Bis heute hat sich aber weder der Vorstand noch einer der für diese Entwicklung Mitverantwortlichen zu seiner Mitwirkung an Fehlentscheidungen und zur Mitverantwortung bekannt, auch nicht der Aufsichtsrat, diese Bundesregierung, die Landesregierung sowie der DGB.
Dies zeugt von einem erschreckenden Mangel an Verantwortungsbewußtsein und noch mehr an Zivilcourage!
Verehrter Kollege Junghans, wenn Sie hier mit billiger Polemik aus der Klamottenkiste kommen, so kommen Sie damit draußen nicht an! Wir waren doch beide gemeinsam dabei, als Ihr SPD-Landtagsabgeordneter von Salzgiter wegen dieser billigen Polemik von der Arbeitnehmerschaft niedergebrüllt worden ist.
Wenn man aber schon für ein Bekenntnis zur Mitverantwortung an Fehlentscheidungen charakterlich zu schwach ist, dann sollte man sich wenigstens zur Mitverantwortung der für die Gesundung des Unternehmens notwendigen Gegenmaßnahmen bekennen, statt sich wiederum um diese Verantwortung zu drücken.
Hier standen Taktik und Eigennutz, Herr Ehrenberg, höher als Charakter!
Herr Ehrenberg, ich gehöre nunmehr zehn Jahre lang dem Deutschen Gewerkschaftsbund an, und ich war bis vor wenigen Wochen Mitglied in einem Betriebsrat eines zum Salzgitter-Konzern gehörenden Unternehmens, in dem Herr Kollege Junghans, Vorstandsmitglied der Salzgitter AG, im Aufsichtsrat sitzt. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Nach diesen Entwicklungen bei VW habe ich über Mitbestimmung und Mitverantwortung sehr gründlich nachgedacht!
Für die CDU/CSU-Fraktion und meine politischen Freunde schlage ich für die betroffenen Räume folgendes vor:1. Ein Sonderprogramm, finanziert aus den übriggebliebenen 600 Millionen DM, damit endlich auch in unserem Gebiet Mobilitätszulagen und Lohnkostenzuschüsse gezahlt werden können.
— Weil die Arbeitsamtsbezirke, Herr Ehrenberg, von Ihrem Bundesarbeitsminister so falsch eingeteilt wurden, daß Salzgitter darin nicht ins Gewicht fällt.2. Volle Zustimmung der Bundesregierung zu den Anträgen aus dem Zonenrand.3. Zusätzlich für Salzgitter endlich die Anerkennung — die Sie bisher verweigert haben, so Herr Ministerpräsident Kubel — als Schwerpunktort für die Förderung aus der Gemeinschaftsaufgabe, und nicht für 15%, Herr Ehrenberg, sondern für 25 %.
Meine Freunde in der CDU/CSU wissen auch — bei allen unterschiedlichen Auffassungen und bei aller unterschiedlichen Wertung —, daß dennoch in dieser Situation Gemeinsinn, Solidarität und Tatkraft gute Bundesgenossen sind, um diese Krise in den betroffenen Regionen, die Sie als Koalition mit zu verantworten haben, zu meistern.
Das Wort hat der Abgeordnete von Dohnanyi.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition versucht hier durch die Abgeordneten Sauer und Breidbach, eine Schuldverschiebungsdebatte einzuleiten und auf die Bundesregierung eine Schuld zu schieben, die eine Verantwortung des Vorstandes ist, so wie der Bundesminister Friderichs das hier eben dargestellt hat. Meine Damen und Herren, dies ist durchsichtig und gefährlich, durchsichtig deswegen, weil Sie versuchen, neuen Krisenqualm hier loszulassen für die Wahlen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland.
Deswegen muß an dieser Stelle hier mal ganz klar gesagt werden, daß die Maßnahmen bei VW in erster Linie Unternehmensmaßnahmen sind und nicht Probleme der Branche bedeuten. Ich unterstreiche hier, daß z. B. die Ford-Werke in Köln, die Opel-Werke in Bochum und Ford in Saarlouis im Saarland keine vergleichbaren Probleme haben.
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Dr. von DohnanyiDeswegen sind es in erster Linie Unternehmensprobleme.
Wenn man versucht — — Das ärgert Sie ja nur, daß insgesamt ein Aufschwung im Gange ist, den Sie nicht erwartet haben.
Das Problem von Volkswagen, das wurde schon gesagt, war in erster Linie die starke Exportabhängigkeit und ist es noch heute.
— Herr von Bismarck, wenn Sie gesagt haben, man müsse hier mehr Marktwirtschaft haben, — ich wünschte, Herr von Bismarck, als es seit 1961 darum ging, Wechselkurse vernünftigt anzupassen, damals hätte die CDU mehr Marktwirtschaft gezeigt. Das wäre besser gewesen.
Statt dessen haben Sie in diesen Fragen sowohl Ludwig Erhard als auch spätere sozialdemokratische und freidemokratische Wirtschaftsminister immer wieder im Stich gelassen.
Ein entscheidendes Problem liegt in der Modellpolitik von Volkswagen. Wir dürfen nicht übersehen, daß Volkswagen seit 1965 im Inland Marktanteile verloren hat. Man ist das Risiko eingegangen, sich in erster Linie auf e i n Modell zu stützen. Das war eine riskante Produktpolitik. Wenn schon, Herr Kollege Breidbach und Herr Kollege Sauer, hier etwas auf Bundesregierungen zu verschieben sein würde, dann muß man bedenken, daß die großen Marktverluste Anfang der siebziger Jahre eintraten, die Modellpolitik von VW für die siebziger Jahre aber eindeutig in den frühen sechziger Jahren gemacht worden ist. Jeder, der was davon versteht, weiß, wie lange es dauert, bis Autoprodukte entwickelt sind.
Wenn hier gesagt wird, es handele sich um einen politisierten Aufsichtsrat, dann wäre ich doch dankbar, wenn Sie dem neuen Vorstandsvorsitzenden Glauben schenkten, der nach Auskunft und Darstellung des „Handelsblatts" von gestern gesagt hat — ich zitiere wörtlich —:von einem politisierten Aufsichtsrat habe erim übrigen bei VW nicht eine Spur gefunden.
Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, statt hier immer zu polemisieren.
Meine Damen und Herren, noch im vergangenen Jahr hat Volkswagen, gestützt auf unzureichende Modellpolitik, wobei die Lücken an zeitgemäßen Modellen nur langsam ausgefüllt werden, eine Einstellungspolitik bei seinen Mitarbeitern befolgt, die nicht angemessen war. Auch das muß heute korrigiert werden. Die Verluste, die entstanden sind, sind bekannt.Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD begrüßt zunächst die klaren Personalentscheidungen, die die Bundesregierung getroffen hat.
— Ja, sicherlich.
— Aber, meine Damen und Herren, klare Personalentscheidungen sind doch notwendig.
— Aber ich bitte Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie im Aufsichtsrat und im Vorstand einen Vorsitzenden auf längere Zeit haben, müssen doch auch entsprechende Entscheidungen getroffen werden. Dies ist geschehen, aber nicht zu Ihrer Zeit, meine Damen und Herren.
Zweitens bedauern wir, daß die klaren Entscheidungen, die nun vom Vorstand getroffen worden sind, durch Äußerungen unter anderem Ihres Sprechers Franz Josef Strauß hier erneut in Zweifel gezogen worden sind; denn nun wird ja von Volkswagen ein klarer Kurs gesteuert, und schon wieder steht im Hintergrund, angeblich sei das noch nicht alles.
Meine Damen und Herren, drittens bedauern wir, daß Sie sich offenbar nur mit Erklärungen, wie das eben hier durch Herrn Sauer erfolgt ist, an einer Strukturpolitik beteiligen wollen, die regional in der Lage ist, das aufzufangen, was durch die Vorstandsentscheidungen notwendig geworden ist.
Wir sind sicher, daß das Volkswagenwerk auch in Zukunft ein starkes und sicheres Weltunternehmen bleiben wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollesch.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Müller-Hermann hat eingangs die Aktuelle Stunde damit begründet, daß alle Anstrengungen unternommen wer-
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Olleschden müßten, um den betroffenen Beschäftigten zu helfen, wenn die Pläne des Vorstands des Volkswagenwerks, die Belegschaft drastisch zu reduzieren, Gestalt annehmen und durchgeführt werden. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß die Hilfe für die Betroffenen Vorrang genießt und daß wir dahin gehend alle Anstrengungen zu unternehmen haben. Der Bundeswirtschaftsminister hat erklärt, daß im Rahmen der Überlegungen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur am 2. Mai in seinem Hause die entsprechenden Beratungen abgehalten werden.
Hier ist aber der Vorwurf erhoben worden, daß dieser Vorgang willkommener Anlaß sein könnte — und dieser Vorwurf ging an uns —, dieses Problem parteipolitisch auszuschlachten. Meine Damen und Herren, glauben Sie, daß diese Aktuelle Stunde, die Sie hier veranstalten, für den unbefangenen Betrachter etwas anderes sein kann als der Versuch, dieses Problem parteipolitisch auszuschlachten?
Ich kann die bisherigen Auffassungen gar nicht anders verstehen.Meine Damen und Herren, es ist der Vorwurf gemacht worden, die Schwierigkeiten bei VW seien das Ergebnis einer verfehlten Wirtschaftspolitik.
Wieso denn eigentlich in einer Zeit, in der es anderen, ebenso strukturierten Unternehmungen verhältnismäßig besser geht, in einer Zeit, in der einige andere Automobilbauer in eine neue Absatzsteigerung hineinkommen, der nur mit Sonderschichten nachgekommen werden kann? Dann kann es ja nicht so sein, daß die Wirtschaftspolitik so grundfalsch ist, daß das VW-Werk von daher in die Schwierigkeiten hineingekommen ist.
Weiterhin wird angeführt — ich glaube, Herr Dollinger hat die Erklärung abgegeben , daß die Veränderung der Währungsrelationen eine der Hauptursachen für die schwierige Lage des VW-Werks sei. Sicherlich, diese Veränderung hat insbesondere das VW-Werk betroffen. Sie hat aber unsere Industrie nicht daran gehindert, in den vergangenen Jahren einen exorbitant hohen Exportüberschuß zu erzielen, einen Überschuß, der in seiner Höhe schon bedrohlich wird. Auch die Währungsveränderungen können sicherlich nicht der Grund sein.Die Ursachen, meine Damen und Herren, liegen tiefer. Sie sind auch nicht das Ergebnis falscher Entscheidungen der letzten Jahre,
an denen Vertreter der Bundesregierung hätten beteiligt sein können.
— Nein, die Ursachen, Herr Dr. Jenninger, liegen weit, weit zurück.
Wenn sich ein Werk von diesem Umfang praktisch auf ein Modell allein stützt,
auf ein Modell mit einer oder zwei Varianten, dann ist doch wohl der Zeitpunkt abzusehen wenn sich dieses Werk der Zeit und den veränderten Gewohnheiten nicht anpaßt —, zu dem die Produktion nicht mehr abgesetzt werden kann. Und das war schon Ende der 60er Jahre erkennbar, als sichtbar wurde, daß neben den vorhandenen Typen etwas anderes nicht auf den Markt kam, Herr Kollege Breidbach.
— Ja, wieso dann eigentlich die Vorwürfe an die Bundesregierung oder an die Vertreter der Bundesregierung, die Vorwürfe mit dem Hintergrund, es sei eine falsche Politik betrieben worden?
Dieses Problem ist nicht branchenspezifisch, es ist allein unternehmensspezifisch,
es ist VW-spezifisch und gar nichts anderes.
— Die falsche Entwicklung, Herr Müller-Hermann,
ist ja nicht erst in den letzten fünf Jahren eingetreten; sie liegt schon weit zurück, sie liegt in der Zeit begründet, als Herr Nordhoff noch als unumschränkter Herrscher im VW-Werk residierte. Daran gibt es doch gar keinen Zweifel!
Meine Damen und Herren, die Situation des VW-Werks ist keine wirtschaftliche Katastrophe. Die Beschlüsse, die gefaßt wurden, sind der Versuch, die Kapazität dem Absatz anzupassen, ein Vorgang, der in der Marktwirtschaft normal ist.
— Ja, glauben Sie denn, meine Damen und Herren, daß in einer Marktwirtschaft nur der Unternehmer ein Risiko zu tragen hat und der Arbeitnehmer nicht?
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Ollesch— Wieso denn? Natürlich hat auch er in einer Marktwirtschaft das Risiko, das in dieser Wirtschaft begründet liegt, mitzutragen. Unsere Aufgabe wird es sein, durch Zurverfügungstellung von neuen Arbeitsplätzen, durch Auflockerung der Monostruktur vornehmlich im Zonengrenzgebiet, in der Gegend von Wolfsburg,
dafür zu sorgen, daß neue, gleichwertige Arbeitsplätze angeboten werden können.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, in Sachlichkeit und Nüchternheit dem, was wir gehört haben, ein paar Informationen und Klarstellungen hinzuzufügen. Zunächst: Die gegenwärtige Lage der Automobilwirtschaft in unserem Lande hat eine positive Entwicklung genommen — mit einer Ausnahme. Die Ausnahme ist das Volkswagenwerk. Im übrigen haben schon in den ersten beiden Monaten dieses Jahres die Zulassungen neuer Wagen gegenüber dem vorigen Jahr um 20 % zugenommen. Das hat sich inzwischen verbreitert; es gilt für den Pkw-Sektor und natürlich infolge der Investitionszulage deutlich auch für den Lkw-Sektor.Das Volkswagenwerk hat eine besondere und sehr betrübliche Entwicklung genommen. Der Volkswagen ist im wesentlichen ein Konsumenten-Auto, Herr von Bismarck, das in Deutschland produziert und zu zwei Dritteln im Ausland an dortige Konsumenten verkauft wird. Ich habe es immer für eine bedenkliche Entwicklung gehalten, daß insbesondere bei diesem Verkauf von zwei Dritteln ins Ausland allein eine Hälfte des Exports in einen einzigen überseeischen Markt ging, in ein Land, dessen Währung im Laufe der letzten Jahre zusehends verfallen ist, wodurch eine Lage entstanden ist, in der andere kleine Autos z. B. aus Japan auf jenem überseeischen Markte für die dortigen Käufer eher erschwinglich sind als unsere kleinen Käfer.Die Ölkrise des Jahres 1973 hat den damaligen Vorstand des Volkswagenkonzerns vorübergehend mit der Hoffnung erfüllt, sie würde auf dem amerikanischen Markt einen neuen Aufschwung des VW-Absatzes herbeiführen, weil der Käfer ein kleines Auto sei, das wenig Sprit brauche. Manche haben diese Hoffnung zunächst geteilt. Ich darf aber sagen, daß ich als damaliger Schatzminister — nachdem es ein Schatzministerium nicht mehr gab, war ja dieser Teil der Aktivitäten der Bundesregierung dem Finanzministerium zugeschlagen worden — große persönliche Mühe aufgewandt habe, um die damalige Konzernleitung davon zu überzeugen, daß es nicht sicher sei, daß die Ölkrise und die Benzinverteuerung zu einer neuen Absatzausweitungschance für VW in Amerika führen würde. Ich habe große Mühe aufgewandt, sie von dem Plan herunterzubringen, in Erwartung dieser neuen Absatzchance 13 000 neue Belegschaftsmitglieder, fast ausschließlich aus dem Auslande, einzustellen.Meinem Rat ist nicht gefolgt worden. Im Frühjahr 1974 sind — bitte nageln Sie mich nicht auf die Zahl fest; es waren weit über 10 000, vielleicht waren es 13 000 — etwa 13 000 Menschen aus dem Ausland gegen meinen dringenden Rat hereingeholt worden. Ich gebe Ihnen zu: Ich habe mich mit meinem Rat nicht durchsetzen können.Das war nicht der einzige Fehler. Hier ist schon von einer Reihe von unternehmenspolitischen Fehlern die Rede gewesen. Einer der Fehler war z. B. auch, daß das Volkswagenwerk — aus zwei Motiven — NSU aufgekauft hat.
Das eine Motiv war, sich auf diese Weise den Wankel-Motor zu sichern. Die Erwartungen in den Wankel-Motor haben sich einstweilen nicht erfüllt. Ich will Prognosen nicht abgeben. Das andere Motiv des Volkswagenwerks war, sich die lästige Konkurrenz des NSU-Prinz auf dem Markte vom Hals zu schaffen.Ich habe das für eine falsche Entscheidung gehalten. Sie ist getroffen worden im Jahre 1968 unter dem damaligen Schatzminister Schmücker. Soweit er Einfluß gehabt hat, weiß ich nicht, in welche Richtung dieser gegangen ist. Nur weiß ich aus meiner eigenen Erfahrung vom Frühjahr 1974, daß der Einfluß eines Bundesministers, auch wenn er rechtlich die Verantwortung für die Ausübung der 20 % Eigentümerrechte trägt, die der Bund gegenüber dieser privatisierten Gesellschaft hat, nicht so weit geht, um z. B. einen Vorstandsvorsitzenden davon abzuhalten, noch einmal 12 000 oder 13 000 Menschen hereinzuholen.Jetzt leidet insbesondere die Belegschaft in Neckarsulm unter den Konsequenzen der Gesamtentwicklung des VW-Konzerns, die sich heute aus dem damaligen Kauf von NSU in Neckarsulm ergeben, der aus wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten gemacht worden ist. Wenn damals die Bundesregierung dafür Verantwortung hatte und wenn diese Fehlentscheidung kritisiert werden soll, dann muß man sich daran erinnern, daß der damals Verantwortliche unser Kollege Schmücker war.Ich hüte mich, nun nachträglich alles wieder auszubreiten. Ich denke nur, man kann, wenn man sich in diesem Parlament über das Maß der Einflußnahme, das der Bundesregierung möglich ist, unterhält, nicht auf der einen Seite beklagen — Herr von Bismarck, wie Sie gesagt haben —, der Staat habe sich zuviel eingemischt, und auf der anderen Seite sagen, wie Herr Breidbach, er habe sich nicht genug eingemischt.Ich bekenne Ihnen, daß ich, nachdem ich im Frühjahr 1974 mit dem dringenden Rat, keine Neueinstellungen, noch dazu aus dem Ausland, vorzunehmen, gescheitert war, dann allerdings zu der Überzeugung gekommen bin, daß ein Auswechseln von Personen unvermeidlich wurde. Ich habe dann den
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11546 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Bundeskanzler Schmidtlangjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden, der das seit der ersten Hälfte der 60er Jahre war, damals zu mir gebeten und habe ihn gefragt, ob er nicht bereit sei, seine Funktion freizumachen für einen anderen. Ich habe darauf eine zögerliche Antwort bekommen. Er war nicht bereit, er war erst nach eineinhalb Jahren bereit.
— Ich bitte um Entschuldigung. Ich glaube nicht, daß ich zur Polemik beitrage, Frau Präsidentin.
Ich wäre dankbar, wenn ich diese Informationen geben dürfte, auch wenn die Zeit überschritten wird.
Ich habe dann versucht, in dieser Sache weiterhin Einfluß auszuüben. Sie wissen, daß man einen Aufsichtsratsvorsitzenden, wenn seine Periode noch läuft, nicht gegen seinen Willen auswechseln kann. Er ist dann aber überzeugt worden. Das war im November 1974. Wir haben die neue Situation im Aufsichtsrat dann benutzt, um auch den Vorstand auszuwechseln. Das war im Februar 1975. Wiederum zwei Monate später hat der neue Vorstand ein Gesundungsprogramm für diesen Konzern vorgelegt. Ich gebe Ihnen zu: Es gab einen sehr starken Einfluß des Minderheitsaktionärs Bund, um diesen Personenwechsel herbeizuführen. Anders wären wir niemals zu einem Gesundungskonzept für diesen Konzern gekommen.
Ich verstehe vollständig, daß die Belegschaftsvertreter diesem Gesundungskonzept nur mit schwersten Bedenken gegenüberstehen können. Wenn ich Vertreter der Belegschaft wäre, würde es mir nicht anders gehen können.
Es besteht gar kein Zweifel, daß die Produktionskapazität des Gesamtkonzerns nur zu einem zu kleinen Teil ausgenutzt ist und daß viele gegenwärtige Arbeitskräfte in Wirklichkeit Autos gar nicht produzieren können, weil man sie — in Amerika und anderswo — nicht verkaufen kann. Ich würde herzlich bitten, daß hier weder von einer Krise der Automobilbranche noch von einer Wirtschaftskrise geredet wird. Es ist auch nicht — wie hier gesagt wurde — eine „Katastrophe des Volkswagenkonzerns". Ich teile die Meinung, die hier ausgesprochen wurde: Der Volkswagenkonzern hat gute Aussichten, auch mit den weiteren Schwierigkeiten, die er noch vor sich hat, gut fertig zu werden. Ich darf darauf hinweisen, daß sich die Aktien des Volkswagenwerks an den Börsen überall auf der Welt in den letzten Tagen in Bewegung gesetzt haben. Das heißt, diejenigen, die hier ihr Vermögen anlegen wollen, empfinden, daß die unternehmerischen Entscheidungen in die richtige Richtung gegangen sind.Was wir miteinander debattieren müssen, sind aber nicht nur die unternehmerischen Entscheidungen, sondern die Frage, ob dieses Parlament, diese Regierung und die Landesregierung in Hannover und die Landesregierung in Stuttgart gemeinsam genug tun können, um die unvermeidlichen strukturellen Konsequenzen an Ort und Stelle abzufangen oder zu mildern.Man soll diese Probleme gewichtig nehmen, und man soll sie ernst nehmen. Es ist nicht nötig, sie quantitativ zu übertreiben. Sie sind so, wie sie vor uns liegen, schon gewichtig genug. Es handelt sich um deutlich unter zehntausend Entlassungen, die bevorstehen. Es handelt sich, nachdem im ersten Quartal 1975 rund 5 000 Arbeitsplätze eingespart worden sind, darum, daß bis Ende 1976 noch einmal ein Vierfaches dieser Zahl erwartet werden muß.
In dem Zusammenhang wird es an einigen Orten die deutliche Gefahr einer örtlichen Konzentration von Arbeitslosigkeit geben. Dazu gibt es die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Die Bundesregierung hat Prüfungen eingeleitet — —
— Ich habe den Eindruck, Frau Präsidentin, daß ein Teil des Hauses diese Informationen zur Sache zu hören wünscht.
Wenn ein anderer Teil dies nicht zu hören wünscht, muß ich abbrechen. Ich würde vielleicht die Chance haben, mich ein zweites Mal zu Wort zu melden. Ich muß allerdings sagen, daß ich bei dem von mir ernst genommenen Eintreten für die Rechte und Interessen der betroffenen Arbeitnehmer nicht verstehe, daß Sie den Bundeskanzler zu dieser Frage nicht ausreden lasse wollen.
— Frau Präsidentin, darf ich sprechen?
Herr Bundeskanzler, ich bin überzeugt, daß das Haus an einer Aussprache mit Ihnen interessiert ist. Doch gibt es eine etwas schwierige Lage hinsichtlich der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Es heißt da, daß der einzelne Redner nicht länger als fünf Minuten sprechen darf, und die Regierung hat zugesagt, sich auch daran zu halten. Aber ich glaube, hier ist Beckmesserei nicht am Platze. Wenn ich soeben geklingelt habe, so wollte ich das Haus bitten, Ihnen zuzuhören. Vielleicht können wir uns verständigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich verspreche, mich auf zwei weitere Minuten zu beschränken.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11547
Bundeskanzler SchmidtDie Bundesregierung hat im Vorgriff auf die ihr damals noch nicht bekannten, weil noch nicht ergangenen Entscheidungen der Organe des VW-Konzerns den Planungsausschuß für die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur einberufen. Die Bundesregierung hat die Vorschläge, die dem VW-Aufsichtsrat gemacht werden sollten, natürlich gekannt. Es waren drei oder vier alternative Vorschläge, die dem Aufsichtsrat gemacht werden sollten. Sie hat also gewußt, daß etwas Schwerwiegendes entschieden werden würde. Sie hat aber nicht genau gewußt, was im einzelnen das Ergebnis sein würde. Die Bundesregierung hat den Wirtschaftsminister und den Arbeitsminister gebeten — der Finanzminister ist daran beteiligt —, sich die etwa notwendigen strukturellen, regionalen oder — sagen wir sogar — punktuellen Hilfen — damit meine ich insbesondere Neckarsulm und auch einige der in Niedersachsen genannten Städte — zu überlegen und sie vorzubereiten.Ich habe inzwischen öffentlich gehört, daß eine der hier gefragten Landesregierungen ihre Bereitschaft, auch finanziell mitzuwirken, erklärt hat. Ich begrüße diese Bereitschaft. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsaufgabe, an der sich beide Seiten beteiligen müssen.Die neuen Arbeitsplätze, die hier notwendig werden, werden auf zwei Wegen geschaffen: einmal durch gezielte strukturelle Hilfen an bestimmten Orten oder in bestimmten Regionen, zum anderen aber durch den allerdings nun deutlich erkennbar gewordenen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung unserer Volkswirtschaft. Das letztere bitte ich, dabei nicht zu übersehen.Auf eine Anzapfung hin bleibt mir noch übrig zu sagen: Diese Bundesregierung und dieser Bundeskanzler haben zu keiner Zeit Auffassungen zum Ausdruck gebracht, daß es zu viele Automobile in Deutschland gäbe und daß man die Zahl der Automobile abbauen müsse, sondern ich vertrete dezidiert die Auffassung, die ich viele Male öffentlich vertreten habe und die ich jetzt hier wiederhole, daß es ein sozialer Kurzschluß wäre, die Automobilisierung unseres Volkes just in dem Augenblick abzubrechen, in dem nun endlich die ganze Arbeitnehmerschaft auch ihr eigenes Auto bekommen kann. Da sind wir dabei.
Im übrigen, meine Damen und Herren — und das gilt dann auch für den Kollegen Breidbach; Sie werden, glaube ich, in Ruhe den Satz anhören können, den ich zum Schluß sagen möchte —: Diese Bundesregierung läßt sich von niemandem in ihrer Sorge für den Arbeitnehmer und für seinen Arbeitsplatz übertreffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Carstens,
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Verminderung der Zahl der Beschäftigten bei den Volkswagen-Werken um 25 000 Menschen ist ein schwerer Schlag für die Betroffenen. Daß die Aktien der Volkswagen-Werke an den Börsen gleichzeitig steigen, ist überhaupt kein Trost für diejenigen, die ihre Arbeitsplätze verlieren.
Es ist ein schwerer Schlag, über den sich bestimmt niemand freuen kann.
Das hat Herr Kollege von Bismarck bereits gesagt. Im Gegenteil: Alle Beteiligten sind aufgefordert, dazu beizutragen, daß die Not der Betroffenen — soweit dies überhaupt menschenmöglich ist — gelindert und gemindert wird.
Aber, meine Damen und Herren, deswegen ist es doch legitim, zu fragen, wieso es zu diesen Massenentlassungen gekommen ist. Da hilft es sehr wenig, daß in der Vorgeschichte der Jahre 1960 bis 1969 nachgegraben wird, sondern da muß man doch die Ursachen aus der jüngsten Zeit nennen können, die zu diesen Schwierigkeiten beigetragen haben, ohne deswegen der Diffamierung, der Panikmache oder der Hysterie bezichtigt zu werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte dazu vier Dinge sagen. Es ist unübersehbar, daß die allgemeine konjunkturelle Entwicklung zu den Schwierigkeiten bei den Volkswagen-Werken beigetragen hat. Ich sage: beigetragen hat. Ich sage ja nicht, daß es die einzige Ursache dafür war. Für diese konjunkturelle Lage, für diese Rezession, wie sie der Herr Finanzminister hier vor diesem Hause mehrfach bezeichnet hat, trägt diese Bundesregierung ein hohes Maß an Mitverantwortung.
Ich sage wieder: Mit verantwortung. Sie hat jahrelang — das ist hier so oft dargelegt worden; aber da es immer wieder bestritten oder unter den Tisch gefegt wird, muß es wiederholt werden — bewußt eine Inflationspolitik in unserem Lande betrieben.
— Herr Kollege Wehner, Sie haben die lautesten Zwischenrufe immer dann gemacht, wenn der Vorwurf, den man gegen Sie erhob, genau ins Zentrum traf.
Der Satz des damaligen Finanzministers: „Lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit" war die Politik der Bundesregierung und war die Auffassung der SPD in dieser Frage,
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11548 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Dr. Carstens
und das war eben eine falsche Politik, wie wir alle zu unserem großen Leidwesen jetzt sehen.Inflation führt auf die Dauer zu Arbeitslosigkeit. Diesen Zusammenhang verkannt zu haben ist der entscheidende Fehler Ihrer Wirtschaftspolitik während der ersten vier Jahre Ihrer Regierungszeit gewesen.
Zweitens. Ich kann Ihre Erklärung nicht akzeptieren, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich niemals gegen das Automobil ausgesprochen hätten. Mir liegt hier ein Zitat von Ihnen vom Parteitag in Hannover im Jahre 1973 vor. Ich verlese es wörtlich:ich kann mir auch vorstellen, daß man durch hohe Besteuerung des Autos und des Benzins das Wachstum der Automobilproduktion planmäßig dämpft.
Ich finde, Herr Bundeskanzler, das ist das Gegenteil von dem, was Sie uns heute gesagt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In Amerika mußte sich die Automobilindustrie 1941 ja auch auf eine ganz andere Produktion — für den Krieg umstellen. Da ging das im Handumdrehen, und man hat Schiffe produziert. Das ist also machbar.
Meine Damen und Herren, Sie können nicht so tun, als wenn Sie nicht in früheren Jahren klar zu erkennen gegeben hätten, daß man auf dem Automobilsektor Einschränkungen vornehmen müsse.
Was drittens die Entwicklung bei den Volkswagenwerken selbst anlangt, so hat auch diese sicherlich verschiedene Ursachen. Aber ganz ohne Frage haben doch die Organe und hat doch insbesondere der Aufsichtsrat eine Mitverantwortung für die Fehler, für die hier mehrfach, auch vom Bundeskanzler soeben, beschriebenen Fehler, die in der Geschäftspolitik des Volkswagenwerkes gemacht worden sind. Nicht nur die Bundesregierung hat diese Verantwortung, die niedersächsische Regierung hat sie gleichfalls, andere Vertreter im Aufsichtsrat haben sie ebenfalls, und es trifft sich, daß zwei Drittel dieser Mitglieder zugleich Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei sind.
Meine Damen und Herren, Sie können das doch nicht alles ignorieren und so tun, als ob es nicht existiert hätte.
Wenn hier einerseits gesagt wird, daß die Bundesregierung gar keinen Einfluß auf diese Dinge habe, andererseits Herr von Dohnanyi die Bundesregierung dazu beglückwünscht, daß sie endlich die nötigen personalpolitischen Entscheidungen getroffen habe, dann ist das ein eklatanter Widerspruch, der diese Schutzbehauptung selbst widerlegt.
Viertens muß ich sagen, daß die Bundesregierung der Vorwurf trifft, nicht rechtzeitig Vorkehrungen strukturpolitischer Art getroffen zu haben, um die, wie wir jetzt hören, von ihr seit langem erwartete Entwicklung abzufangen und die plötzliche Massenentlassung und diesen schweren Schlag für Tausende und Abertausende von Arbeitnehmern zu mildern, indem man auf längere Zeit vorausschauend Maßnahmen traf, um die freiwerdenden Arbeitskräfte wieder aufnehmen zu können. Das ist ebenfalls ein Vorwurf, den die Bundesregierung gegen sich gelten lassen muß.
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt und ich stehe dazu: Jetzt ist es an der Zeit, daß sich alle gemeinsam darum bemühen, denen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, zu helfen. Mein Kollege Sauer hat hier vorhin vier konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt.
Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie und die Bundesregierung, diesen konkreten Vorschlägen meines Kollegen Sauer zu entsprechen. Dann wird den Menschen geholfen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Eppler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Äußerungen, die wir soeben gehört haben, waren auf dem Niveau dessen, was wir vom selben Sprecher zu hören gewohnt sind.
Erster Punkt: Während wir von draußen die Frage bekommen, wie wir es eigentlich anstellen, daß wir die Hälfte der Inflationsrate der USA, ein Drittel der von Großbritannien und ein Viertel der von Italien haben, müssen Sie hier von bewußter Inflationspolitik reden!
Zweiter Punkt: Meine Damen und Herren, was immer Sie über die Haltung etwa des Bundeskanz-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11549
Dr. Epplerlers oder anderer zum Thema Auto sagen wollen: Daß der VW-Konzern in den USA heute weniger Autos absetzt und daß er diesen Markt vielleicht früher zu rasch erobert und damit Kapazitäten aufgebaut hat, die heute nicht mehr auszunutzen sind, hängt damit zusammen, daß Sie sich jahrelang gegen eine Aufwertung der Deutschen Mark gestemmt haben.
Dritter Punkt: Herr Carstens, was ist das für eine Fraktion und für eine Partei, die einerseits unentwegt darüber lamentiert, hier seien unternehmerische Entscheidungen politisch verfälscht worden, aber andererseits plötzlich anfängt, Parteibücher im Aufsichtsrat zu zählen!
Was ist das für eine Logik!Meine Damen und Herren, wenn ich versuche, mich in die Position derer zu versetzen, die jetzt als Betroffene uns hier im Parlament anhören, dann könnte ich mir vorstellen, daß sie in ihrer Meinung von diesem Parlament und auch von dieser Opposition nicht sehr gestärkt worden sind.
Meine Damen und Herren, jetzt geht es für diese Menschen draußen, z. B. in Neckarsulm, nicht darum, wer woran wann schuld gewesen ist, sondern darum, wie hier und heute etwas zu ihrer Hilfe getan wird.
Von all denen, die von diesen schmerzhaften Maßnahmen betroffen worden sind, meine Damen und Herren, sind diejenigen im Raum Neckarsulm sicherlich am einschneidendsten getroffen.
Diese Menschen sind psychologisch dadurch noch besonders belastet, daß sie sich jetzt überlegen, was denn mit ihren Arbeitsplätzen geworden wäre, wenn nicht damals — noch unter Ihrer Regie — die Entscheidung gefallen wäre, die Dispositionen von NSU den Dispositionen von VW unterzuordnen. Das ist das, was die Menschen besonders berührt.
Ich habe dazu nur drei Bemerkungen zu machen. Erstens. Meine Fraktion bedankt sich
bei den Belegschaften, gerade auch der von Nekkarsulm, Neuenstein und Heilbronn, die in diesenletzten Monaten der schlimmen Ungewißheit eine Disziplin ohnegleichen gezeigt haben.
Zweitens. Erste Priorität für das, was jetzt zu tun ist, hat die Frage: Wie können Produktionskapazitäten — also Menschen und Maschinen — so weit wie möglich ausgelastet werden? Dabei sind Bemühungen im Gange, immer neue Kombinationen zu finden. Sie sind seit vielen Wochen im Gange und noch nicht abgeschlossen. Ich bitte Sie und auch die deutsche Öffentlichkeit, die Intensität solcher Bemühungen nicht am Geräuschpegel des Lärms ablesen zu wollen, den man darüber gemacht hat.
Ich brauche hier nicht Toni Schmücker zu zitieren, der davon gesprochen hat, wie wenig die Heldengesänge gewesen seien, die man da aus Stuttgart gehört hat. Das ist nicht von mir, das stammt von Schmücker.
Wir werden am Ball bleiben. Wir bitten alle und fordern alle auf, die da beteiligt sind — und zwar einschließlich der Bundesregierung , hier mit uns am Ball zu bleiben.
Drittens. Wir begrüßen das, was der Bundeskanzler soeben noch einmal gesagt hat: daß die Minister Friderichs und Arendt beauftragt worden sind, zu prüfen, was zur Strukturförderung auch im Raume Neckarsulm getan werden kann.Ich erkläre hier im Auftrag meiner Fraktion, daß diese Fraktion die Bundesregierung auffordert, diese Prüfung zusammen mit den Ländern mit dem größten Nachdruck und so rasch wie möglich durchzuführen, damit die Beteiligten so rasch wie möglich Bescheid wissen, was kommt.
Jetzt, in diesem Augenblick, erwartet man draußen von uns allen nicht, daß wir Schuldprozente verteilen — jeder hat da wahrscheinlich ein paar Prozent —, sondern jetzt erwartet man von uns, daß wir gemeinsam etwas tun.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Susset.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Eppler hat gerade vom Verteilen von Prozenten gesprochen. Das paßt sehr gut für den Raum Neckarsulm und für Audi-NSU. Es wurde ja heute schon von den verschiedensten Rednern darauf eingegangen: Im Werksbereich Neckarsulm sind es 44 %, die en lassen werden, und zwei Werke, nämlich die
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11550 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
SussetWerke Heilbronn und Neuenstein, sollen geschlossen werden.Ich glaube, Herr Wirtschaftsminister, wenn der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg von einer unannehmbaren Entscheidung spricht, so spricht daraus doch die Sorge: Wie kann ich diesen Menschen wiederum zu einem Arbeitsplatz verhelfen? Dann hat er es nicht notwendig, sich vom Wirtschaftsminister in sozialer Marktwirtschaft belehren zu lassen.Der Herr Bundeskanzler hat soeben von „einem Land" gesprochen. Wenn es SPD-regiert wäre, hätte er den Namen gesagt. Es handelt sich um das CDU-regierte Land Baden-Württemberg, das schon zwei Tage nach der Entscheidung ein Programm für diese Arbeitnehmer aufgestellt hat.
Es geht zunächst um die Zurverfügungstellung von 65 Millionen DM durch das Land Baden-Württemberg.Wir bitten die Bundesregierung, nicht nur über ihren Beitrag zu reden, sondern endlich auch ihren Beitrag dazu zu erklären. Der Herr Wirtschaftsminister tut es; der Herr Finanzminister erklärt so dann und wann, daß die Arbeitslosen bei VW auch nicht anders behandelt werden können als andere Arbeitslose. Es müssen Mittel des Bundes zur Verfügung gestellt werden. Das Land Baden-Württemberg ist bereit, sogar im Staatshaushalt 1975/76 Umschichtungen vorzunehmen, um diesem Raum, der so hart betroffen ist, zu helfen. Es ist einfach unerträglich, hier immer wieder Ankündigungen zu hören, ohne daß konkrete Maßnahmen tatsächlich eingeleitet werden.Ich muß daran erinnern, daß die Bundesregierung auf eine Anfrage von mir — diese Anfrage hat heute des öfteren eine Rolle gespielt — im August letzten Jahres erklärte: „Die Bundesregierung sieht zur Zeit keinen Anlaß der Gefährdung der Arbeitsplätze bei Audi-NSU. Man sollte sich auch davor hüten, eine solche Gefährdung herbeizureden".
Das war die Taktik. — Herr Kollege Wehner, im Februar des Jahres 1975, als die Herren der Bundesregierung, die im Aufsichtsrat von VW saßen, doch genau wußten, was vor uns steht, hat man in der gleichen (ausweichenden Art geantwortet.Wenn der Herr Bundeskanzler soeben von einer falschen Entscheidung sprach, das Werk Audi-NSU in den VW-Konzern zu integrieren, so mag das vielleicht aus der heutigen Sicht richtig sein. Aber ich muß daran erinnern, daß das Werk in Neckarsulm immerhin einen seit 20, 30, 40 und noch mehr Jahren eingearbeiteten Stamm von Facharbeitern hat. Es hat eine Modellreihe gehabt, und der Wankelmotor war zu jener Zeit etwas. Diese Modellpolitik hat schließlich auch dem VW-Konzern wieder Möglichkeiten gegeben.Es geht nun darum, daß nicht nur der Trost des Herrn Bundeskanzlers — noch im Mai 1974 —: „Unsere Arbeitsplätze sind sicher" im Raum stehenbleibt, sondern daß nun auch der Herr Bundesarbeitsminister, der noch kein Wort über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Fahrkostenbeihilfen, Lohnkostenzuschüsse und Mobilitätszulagen als Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation bereitgestellt hat, endlich einmal Farbe bekennt. Die Bundesregierung hatte lange Zeit, sich darauf vorzubereiten.
Es muß noch gesagt werden, daß es nicht nur um die Entlassung dieser Arbeitnehmer geht. Viele Betriebe des Handwerks und des Gewerbes und die bei ihnen Beschäftigten sind direkte oder indirekte Zulieferer des Unternehmens im Produktions-, Dienstleistungs- und Versorgungsbereich. Es wurde heute hier im Verlauf der Fragestunde eine entsprechende Anfrage von einem Kollegen unserer Fraktion gestellt. Ich habe den Herrn Bundeswirtschaftsminister während der Fragestunde gefragt, welche Auswirkungen nach seiner Meinung gerade die Maßnahmen im Werksbereich Neckarsulm auf die Zulieferindustrie haben werden. Ich gehe davon aus, daß diese Maßnahmen sehr große Auswirkungen auf die Zulieferbetriebe und auf den Dienstleistungsbereich haben werden.
Die derzeitig prekäre Situation im Werksbereich Neckarsulm kann auf Grund der Arbeitsmarktverhältnisse im württembergischen Unterland und in der strukturschwachen Region Franken ohne die Hilfe des Bundes nicht bereinigt werden.Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sind für die Marktwirtschaft. Auch der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg ist — um das noch einmal zum Ausdruck zu bringen — für die Marktwirtschaft. Aber unsere Marktwirtschaft hat eine soziale Komponente.
Sie beinhaltet, daß gerade in Betrieben, die vom Bund, die von den öffentlichen Händen beeinflußt werden können, durch vorausschauende Wirtschafts- und Strukturpolitik soziale Notstände in den betroffenen Regionen abgewendet werden. Ich fordere die Bundesregierung deshalb auf, gemeinsam mit der Landesregierung Baden-Württemberg durch arbeitsmarktpolitische und strukturpolitische Maßnahmen die Folgen der verfehlten Wirtschaftspolitik der Bundesregierung für diese Räume abzumildern.Noch einen Satz zu Herrn Hoppe. Herr Hoppe war der Meinung, diesem Hause hier mitteilen zu müssen, daß der Einsatz der baden-württembergischen Landesregierung zur Erhaltung der Arbeitsplätze überhaupt keinen Bezug auf die Entscheidung des VW-Vorstands gehabt habe. Ich glaube nicht, daß Herr Schmücker und Herr Birnbaum in einer Zeit, in der sie andere Sorgen hatten, umsonst nach Stuttgart zur Landesregierung gekommen sind, um dort mit Filbinger und der Landesregierung über die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu verhandeln.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975 11551
SussetIch bin der Meinung, daß die Landesregierung von Baden-Württemberg alles ihr Mögliche getan hat, um die Arbeitsplätze in Neckarsulm so weit als möglich zu erhalten. Aber nun ist die Bundesregierung am Zug.
Das Wort hat Herr Bundesminister Friderichs.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich die Aktuelle Stunde verlängere, aber der letzte Beitrag zwingt mich einfach, etwas zu sagen.Herr Abgeordneter, die Tatsache, daß der Werksbereich Neckarsulm — Heilbronn — Neuenstein mit reduzierter Belegschaft bestehenbleibt, ist die soziale Komponente einer betriebswirtschaftlichen Entscheidung. Ich hoffe, Sie haben verstanden, was ich damit sagen will. Wenn der Konzern nur den Rechenstift angelegt hätte, wäre die Entscheidung wahrscheinlich anders ausgefallen. Aber er fühlte sich in dieser Wirtschaftsordnung auch an eine— betriebswirtschaftlich vertretbare — soziale Komponente gebunden.Zweite Bemerkung: Ihre Forderung, die auch Herr Carstens, offensichtlich mit den Gegebenheiten der Regionalpolitik nicht ganz vertraut,
erhoben hat, man hätte vorher etwas tun sollen, geht an der Sache vorbei.
— Lassen Sie es mich doch erklären, warum. In Niedersachsen — außer Hannover — sind alle Orte, in denen VW produziert, Schwerpunktorte in der Regionalpolitik.
— Ich bin überfragt, wenn ich aus dem Stegreif sagen sollte, seit wann; jedenfalls nicht erst seit diesem Rahmenplan.
— Entschuldigen Sie bitte, soweit ich mich entsinne: nein! Es muß Schwerpunktort sein, weil es im Zonenrandgebiet liegt, und damit hat es schon automatisch die Förderpräferenz.
— Sie würden die Aktuelle Stunde sehr verkürzen, wenn ich ausreden könnte.
Eine weitere Bemerkung. Neckarsulm in die Förderkulisse hereinzunehmen, ist von Baden-Württemberg — und zwar mit Recht — nicht beantragt worden. Ich mache der Landesregierung, um das klar zu sagen, deswegen keinen Vorwurf, denn dieKriterien für die Aufnahme — dabei handelt es sich ja um objektive Daten — erlaubten eine Hereinnahme von Neckarsulm nicht. Ich sage Ihnen schon jetzt vorbehaltlich einer letzten Prüfung, daß selbst nach den Entlassungen die objektiven Kriterien, die dem Rahmenplan zugrunde liegen, den wir jetzt beschlossen haben, für Neckarsulm auch nicht ausreichen würden.
— Nein, sie reichen eben nicht aus. Wir müssen einen anderen Weg im Rahmen des Gemeinschaftsaufgabengesetzes gehen, um diese soziale und regionale Flankierung durchzuführen.
Es hat doch gar keinen Sinn, daß wir hier Gegensätze aufbauen, über die ich mit Herrn Kollegen Eberle seit Wochen im Gespräch bin.Wenn Sie „zu spät" sagen, so kann ich nur entgegnen: Ich habe den Planungsausschuß vor der Entscheidung des Aufsichtsrates einberufen,
einen Tag nach der Entscheidung des Präsidiums des Aufsichtsrates. Daß er erst am 2. Mai tagt, liegt daran, daß wir in der Geschäftsordnung geschrieben haben, daß eine verpflichtende Einladungsfrist von drei Wochen eingehalten werden muß. Damit war der 2. Mai 1975 der früheste Termin.Ich wollte nur diese Tatsachen klarstellen, weil ich meine, daß wir weder dem Konzern noch der Regionalpolitik und am wenigsten den Menschen dienen, wenn wir hier mit nicht korrekten oder nicht gekannten Tatsachenbehauptungen operieren, mit Behauptungen, die einfach nicht zutreffen. Wir haben das getan, was wir tun konnten. Ich sage es noch einmal: Wir müssen in Neckarsulm — freilich auch im Rahmen des Gesetzes — einen anderen Weg als den über die normalen Kriterien für die Förderung gehen, weil nämlich die übrigen Kriterien dort nicht erfüllt sind.Herr Professor Carstens, noch ein Wort zu Ihren regionalpolitischen Ausführungen. Es ist nicht ganz einfach, vorher zu sagen: Ich nehme den Ort X herein — bei einer größeren beantragten Gebietskulisse aller Bundesländer, bei viel mehr beantragten Schwerpunktorten und bei einem Entscheidungsmodus, nach dem ich als Vertreter des Bundes elf Stimmen habe, meine elf Kollegen aus den Ländern jeweils eine Stimme haben und zu einer Mehrheitsfindung im Ausschuß 17 Stimmen benötigt werden. Es war ein hartes Ringen beim letztenmal. Ich muß aber noch einmal — ohne Vorwurf an das Land — sagen: Ein Antrag für Neckarsulm lag nicht vor. Es hat aber eine unverzügliche und enge Abstimmung mit der Landesregierung gegeben. Es ist doch geradezu grotesk, die Vorwürfe jetzt hin- und herzuschieben.Meine Damen und Herren, der heutige Nachmittag hat dem Absatz dieses Unternehmens nicht gedient.
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11552 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. April 1975
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aktuellen Stunde und damit am Ende unserer heutigen Sitzung.
Ich berufe das Haus auf morgen, Freitag, den 18. April 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.