Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.Ihnen liegt eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-VertragBezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 8. Dezember 1966— Drucksache 7/3267 —zuständig: Ausschuß für Arbeit und SozialordnungBetr.: II. Interparlamentarische Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 31. Januar bis 6. Februar 1975 in Belgrad— Drucksache 7/3302 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Ausschuß für Forschung und Technologie, Ausschuß für Bildung und WissenschaftIch frage, ob sich gegen die vorgeschlagene Überweisung Widerspruch erhebt. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat am 24. Februar 1975 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol denGeschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1973/74
übersandt. Der Bericht wird als Drucksache 7/3341 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 28. Februar 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister der Justiz die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Enders, Vogelsang, Engholm, Lattmann, Frau Grützmann, Rappe , Wimmer, Wüster, Dr. Meinecke (Hamburg), Dürr, Ewen, Dr.-Ing. Oetting, Frau Schuchardt, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, von Schoeler, Dr. Hirsch und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Züchtigungsbefugnis — Drucksache 7/2937 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3318 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 3. März 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Milz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Gerlach und Genossen betr. Ortsausgangsschilder — Drucksache 7/3224 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3319 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 27. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Becker , Dr. Hirsch, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Wendig, Liedtke, Spillecke, Schäfer (Appenweier), Pensky, Wittmann (Straubing), Wilhelm, Dr. Haenschke, Konrad, Dr. Wernitz, Schmidt (Kempten) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Entwicklung der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge — Drucksache 7/3187 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3320 verteilt.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 27. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hammans, Frau Dr. Neumeister, Braun,Kiechle, Köster, Picard, Dr. Ritgen, Rollmann, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Unland, Volmer, Schröder und Genossen betr. Haushaltskalender 1975 des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 7/3188 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/3321 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 28. Februar 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Ratesüber die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaftüber die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaft— Drucksache 7/3032 —Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 27. Februar 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:Verordnung des Ratesüber die gemeinsame Marktorganisation für Zuckerbetreffend die Festsetzung und die Änderung der Grundquoten für Zucker— Drucksache 7/2819 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1132/74 des Rates über die Erstattungen bei der Erzeugung im Getreide- und Reissektor— Drucksache 7/2941 —Verordnung des Ratesbetreffend den abgeleiteten Interventionspreis für Weißzucker, den Interventionspreis für Rübenrohzucker und die Zuckerrübenmindestpreise in Irland und im Vereinigten Königreich für das Zuckerwirtschaftsjahr 1974/75zur Änderung des in Dänemark geltenden Interventionspreises für Butter— Drucksache 7/2949 —Verordnung des Rates zur Einführung einer Ausfuhrabgabe für bestimmte Waren, die unter die Verordnung (EWG) Nr. 1059/69 fallen— Drucksache 7/3031 —Verordnung des Rates zur Festsetzung der Interventionspreise für frische oder gekühlte Sardinen und Sardellen für das Fischwirtschaftsjahr 1975— Drucksache 7/3036 —Verordnung des Rates zur Festsetzung des gemeinschaftlichen Produktionspreises für Thunfische, die für die Konservenindustrie bestimmt sind, für das Fischwirtschaftsjahr 1975— Drucksache 7/3037 —Verordnung des Rates zur Festsetzung der Auslösungspreise für Tafelwein für den Zeitraum vom 16. Dezember 1974 bis 15. Dezember 1975— Drucksache 7/3040 —Verordnung des Rates über den Verkauf von Magermilchpulver aus öffentlicher Lagerhaltung für die Lieferung nach Entwicklungsländern— Drucksache 7/3079 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/74 über die Beihilfe für künstlich getrocknetes Futter— Drucksache 7/3081 —Entscheidung des Rates über die Verfahren des Ständigen Veterinärausschusses— Drucksache 7/2216 —
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10694 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenNach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die Abgabe einer Regierungserklärung zur ersten Tagung des Europäischen Rates in Dublin am 10. und 11. März 1975. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde— Drucksache 7/3335Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat vorgeschlagen, daß wir auch in dieser Woche zwei Fragestunden abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung ausdrücklich beschlossen werden. —Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Damit kommen wir zu Frage 1 des Abgeordneten Horstmeier aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz:Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, eine Rechtslage dafür zu schaffen, Altenteilsrechte im Grundbuch generell als unpfändbares Gut gelten zu lassen?Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung. Bitte, Herr Staatssekretär!
Im Grundbuch eingetragene Altenteile werden im Regelfall aus beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten und aus Reallasten bestehen. So ist z. B. das Wohnungsrecht des Altenteilers eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Eine Pfändung käme hier nur in Betracht, wenn dem Altenteilsberechtigten gestattet wäre, die Ausübung der Dienstbarkeit einem anderen zu überlassen. Das dürfte in der Praxis aber kaum vorkommen.
Soweit zu einem Altenteil etwa eine Reallast gehört, welche die Leistung von Lebensmitteln und Kleidung zum Gegenstand hat, besteht Pfändungsschutz in demselben Umfang, wie er allgemein für Gegenstände des persönlichen Bedarfs gilt.
Soweit die Reallast die Zahlung einer Geldrente zum Gegenstand hat, wird sie bedingt pfändbar sein: Sie kann wie der Arbeitslohn gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Altenteilers zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht. Vornehmlich wegen der notwendigen Prüfung der Billigkeit der Pfändung ist der Altenteilsberechtigte hier besser gestellt als ein Lohnempfänger. Eine völlige Unpfändbarkeit der zu einem Altenteil gehörenden und auf Leistung einer Geldrente gerichteten Reallast erscheint um so weniger gerechtfertigt, als in die Reallast dann nicht einmal wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche oder wegen Schadensersatzansprüchen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt werden könnte.
Nach alledem scheinen mir die geltenden Schutzbestimmungen ausreichend und weitere gesetzgeberische Maßnahmen im Bereich der Zwangsvollstrekkung in dinglich gesicherte Altenteile nicht geboten zu sein.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir denn der Meinung, daß Altenteilsrechte, die rangschlechter eingetragen sind, bei Zwangsversteigerungen nicht gelöscht werden dürfen?
Die Sache bedarf sicher der Prüfung. Aber wie ich sehe, sind hier eine ganze Reihe von Umständen zu prüfen, die es fraglich erscheinen lassen, ob dem entsprochen werden wird. Aber ich bin gern bereit, Ihnen hierzu eine ausführliche schriftliche Antwort zu erteilen; denn die Regelungen sind nicht nur sachlich, sondern auch rechtlich höchst kompliziert.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wieder eine Grundsatzfrage: Glauben Sie, daß die Möglichkeit der Willensäußerung des Erblassers bei der Eintragung genügt, die Wirksamkeit der Altenteilsrechte über alle, ja nicht immer vorausschaubaren Wechselfälle hinaus zu erhalten?
Das ist, wenn ich es richtig sehe, eine nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Ihrer Hauptfrage stehende Frage. Ich kann auch hier nur sagen: Die Frage ist so grundsätzlich und so kompliziert, daß ich Ihnen hier keine endgültige Antwort geben kann. Ich bin aber gern bereit, Ihnen dies umfassend darzustellen. Ich bitte aber dabei zu berücksichtigen, daß dies einige Zeit erfordert.
Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack zur Verfügung. Frage 2 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Jahn eingebracht:Wie beurteilt die Bundesregierung das Schreiben des Personalrates im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau an alle Angehörigen des BMBau vom 13. Februar 1975, wonach die letzte Personalversammlung dem Personalrat gezeigt hat, „welche Unruhe und Unsicherheit die bislang durchgesickerten Informationen und Halbwahrheiten über die beabsichtigte Umorganisation mit sich gebracht haben"?Bitte, Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10695
Meine Antwort lautet: als interne Meinungsäußerung des genannten Personalrates.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie glaubt die Bundesregierung der Bedeutung und Aufgabe eines Personalrates gerecht werden zu können, wenn sie es noch nicht einmal für nötig hält, auf eine konkrete Frage in sachlicher Hinsicht Stellung zu beziehen, sondern lediglich mit sechs Worten, die Sie eben nannten — „als interne Meinungsäußerung des genannten Personalrates" antwortet?
Die sechs Worte sind eine umfassende Beantwortung Ihrer Frage, Herr Kollege.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, worauf führt denn die Bundesregierung die Tatsache zurück, daß der Personalrat im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ein Rundschreiben verfaßt hat, wonach die letzte Personalversammlung dem Personalrat gezeigt hat — ich zitiere —, „welche Unruhe und Unsicherheit die bislang durchgesickerten Informationen und Halbwahrheiten über die beabsichtigte Umorganisation mit sich gebracht haben"?
Ich darf noch einmal auf das verweisen, was ich zu Ihrer Frage gesagt habe, Herr Kollege Jahn. Es ist selbstverständlich, daß eine Umorganisation in einem Ministerium eine gewisse Unruhe mit sich bringt. In der Zwischenzeit hat sich die Unruhe gelegt.
Ich rufe Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Wird die Bundesregierung bei der beabsichtigten Auflösung der Abteilung Raumordnung und deren Unterordnung unter die Abteilung Städtebau dem Interesse des Personalrates an einer vollständigen Offenlegung der konkreten organisatorischen und personellen Überlegungen Rechnung tragen?
Es geht, Herr Kollege Dr. Jahn, wie Sie genau wissen, nicht um eine Auflösung der Abteilung Raumordnung, sondern um eine Zusammenfassung der Abteilungen Raumordnung und Städtebau. Im übrigen beantworte ich Ihre Frage mit: Ja, das ist bereits geschehen.
Eine Zusatzfrage.
Auf welche Weise wird die Bundesregierung den berechtigten Interessen des Personalrates bei der Umorganisation Rechnung tragen?
Der Personalrat unseres Ministeriums wird laufend bei unseren Überlegungen zur Umorganisation eingeschaltet. Eine entscheidende Besprechung hat in der letzten Woche stattgefunden. Der Personalrat wird in wenigen Tagen noch eine Personalversammlung einberufen, so daß nicht nur der Personalrat, sondern jedes Mitglied unseres Hauses die Möglichkeit hat, sich genau über die Vorstellungen der Leitung des Hauses zur Umorganisation zu informieren.
Welche neueste Stellungnahme hat denn der Personalrat zu der beabsichtigten Umorganisation abgegeben?
Ich glaube, daß der Personalrat in der Zwischenzeit zufriedengestellt ist und keine neue Stellungnahme mehr abgeben und auch kein neues Rundschreiben mehr, das dann auch Ihnen gegeben würde, herausgeben wird.
Ich rufe Frage 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwencke auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine informative Broschüre zum gesamten finanziellen Komplex „Althaussanierung", etwa in Gestalt einer Denkmalschutzfibel, vorzulegen, um damit — gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Länderregierungen — zu allen anstehenden Fragen der finanziellen Hilfen Auskunft zu geben?
Herr Kollege Schwencke, für den Teilbereich der Wohnungsmodernisierung nach dem gemeinsamen Modernisierungsprogramm von Bund und Ländern, das 1974 angelaufen ist, wird in Kürze vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ein Faltblatt herausgegeben werden. Dieses Faltblatt richtet sich an Hauseigentümer und Mieter; es unterrichtet über die Grundzüge der Förderungsmöglichkeiten und die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Miete.In dem auszuarbeitenden Konzept zur Erhaltung alter Städte wird unter anderem zusammengestellt, welche Finanzhilfen in Bund, Ländern und Gemeinden — Bereich Städtebauförderung, Modernisierung und Denkmalschutz — unmittelbar gewährt werden und welche steuerlichen Erleichterungen bestehen. Da die Verhältnisse in den Ländern insoweit unterschiedlich sind, ist wegen dieser Frage mit den Ländern Verbindung aufgenommen worden.Ob zu gegebener Zeit das genannte Konzept in einer besonderen Broschüre veröffentlicht werden soll, wird zu prüfen sein. Gegenwärtig erwägt aus Anlaß des Europäischen Denkmalschutzjahres das Deutsche Nationalkomitee auch unter Beteiligung
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10696 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Parl. Staatssekretär Dr. Haackunseres Ministeriums eine Veröffentlichung, die sich auch mit den finanziellen Aspekten des Denkmalschutzes befaßt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß in Ihrem Ministerium die Frage ernsthaft geprüft wird, ob gegebenenfalls gemeinsam mit dem Deutschen Nationalkomitee eine solche Broschüre herausgegeben werden kann, und falls ja, wann?
Herr Kollege, Sie benutzen die Gelegenheit, zwei Zusatzfragen zusammenzufassen. — Bitte!
Ja, das dürfen Sie meiner Antwort entnehmen.
Damit haben Sie das schon wieder ausgeglichen. Ich bedanke mich.
Ich rufe zusätzlich für diesen Geschäftsbereich die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Arbeitnehmern, die in den letzten Jahren ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung gebaut bzw. erworben haben und nun durch ihre Arbeitslosigkeit in finanzielle Bedrängnis gekommen sind und die Tilgung und Verzinsung nicht mehr aufbringen können, durch gezielte Maßnahmen in die Lage zu versetzen, ihr Eigenheim bzw. ihre Eigentumswohnung zu erhalten?
Wie ich bereits Herrn Kollegen Dr. Kunz auf dessen Anfrage zum gleichen Problem am 23. Juli 1974 schriftlich mitgeteilt habe, können die im Bundeshaushalt eingestellten Mittel für den Wohnungsbau nach den gesetzlichen Regelungen — abgesehen von der Förderung des Erwerbs vorhandener Wohnungen durch kinderreiche Familien — nur zur Finanzierung des Neubaus von Wohnungen eingesetzt werden. Insoweit besteht keine Möglichkeit, bei nachträglichen Schwierigkeiten zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
In meiner Antwort vom 23. Juli 1974 habe ich auch darauf hingewiesen, daß das geltende Wohngeldrecht eine Hilfe gibt. Danach können auch Eigentümer von Wohnraum Wohngeld in Form des Lastenzuschusses beziehen, um dadurch die Belastungen im Einzelfall, d. h. unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, tragbar zu gestalten. Da die Höhe des Einkommens und die Zahl der Kinder — neben anderen Kriterien — für die Höhe der Leistungen nach dem Wohngeldgesetz wesentlich sind, kann hierdurch gerade bei Einkommensminderungen, z. B. auch durch Arbeitslosigkeit, wirksame Hilfe geleistet werden.
Um einen auf Grund der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage zu erwartenden Mehrbedarf an Wohngeld Rechnung zu tragen, hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages anläßlich der Beratung des Haushaltsplanes 1975 auf Vorschlag der Bundesregierung in seiner Sitzung vom 16. Januar 1975 beschlossen, für Wohngeld einen um 110 Millionen DM erhöhten Ansatz vorzusehen. Dadurch ist seitens des Bundes, der die Aufwendungen für das Wohngeld bekanntlich zur Hälfte trägt, sichergestellt, daß für ein durch die Arbeitsmarktlage bedingtes Anwachsen der Wohngeldzahlungen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Im übrigen darf ich hierzu auf die Beantwortung der Anfrage des Herrn Kollegen Dr. Schneider in der Fragestunde vom 14. Februar 1975 hinweisen. Diese Frage hat denselben Problemkreis beinhaltet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß sich diese Frage angesichts der ganz erheblich größer gewordenen Arbeitslosigkeit seit Juli vorigen Jahres für den betroffenen Personenkreis ganz wesentlich verschärft hat?
Ich kann das nicht gerade bestreiten. Aber wenn hier Schwierigkeiten aufgetreten sind, Herr Kollege Dr. Fuchs, dann auch deshalb, weil die Möglichkeiten des Wohngeldrechts, die ich hier soeben geschildert habe, noch zu wenig bekannt sind.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, da Sie den Lastenzuschuß angesprochen haben, darf ich Sie fragen, ob diese Frage angesichts der Tatsache, daß das Arbeitslosengeld 68 % des Einkommens beträgt und die Differenz zum früheren Arbeitseinkommen durch den Lastenzuschuß mit Sicherheit nur selten ausgeglichen werden kann, nicht doch einer zusätzlichen Regelung bedarf?
Die Bundesregierung bereitet zur Zeit eine Novellierung des Wohngeldgesetzes vor. In diesem Zusammenhang wird auch über diese Frage — natürlich innerhalb des bestehenden engen finanziellen Rahmens — zu sprechen sein.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau abgeschlossen. Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Herold zur Verfügung. Die erste Frage ist von dem Abgeordneten Kunz eingebracht. Ich weiß nicht, ob der Herr Staatssekretär
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10697
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhauseneventuell die Beantwortung der beiden vom Herrn Abgeordneten Kunz gestellten Fragen verbinden will. — Nein, Sie möchten sie gesondert beantworten.Ich rufe also die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die Markierung der innerdeutschen Grenze als Auslandsgrenze auf amtlichen Karten der Bundesregierung, wie dies der Staatssekretäreausschuß freigestellt hat, einen Verstoß gegen das Urteil zum Grundvertrag darstellt?Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Kunz, ich darf Ihre Frage mit zwei grundsätzlichen Bemerkungen beantworten.
Erstens. Die Bundesregierung hat im Jahre 1971, wie das hier bereits wiederholt festgestellt worden ist, die Bezeichnungs- und Kartenrichtlinien aufgehoben und damit einen Zustand wiederhergestellt, wie er in nahezu allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung üblich und zweckmäßig ist. Die Bundesregierung hält unvermindert daran fest, daß die Festlegung von Bezeichnungen kein geeignetes Mittel der Politik und — lassen Sie mich das hinzufügen — schon gar kein Ersatz für Politik ist.
Zweitens. Die kartographische Darstellung ist weder ein Kriterium des besonderen Rechtscharakters der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten noch ein Mittel zur Änderung des Rechtscharakters dieser Beziehungen. In amtlichen Karten der Bundesregierung werden Staatsgrenzen, Landesgrenzen und Gemeindegrenzen dargestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Grundlagenvertrages zur Frage der kartographischen Darstellung der Grenze zur DDR nicht geäußert. Die Bundesregierung vertritt daher die Auffassung, daß die Darstellung der Grenzen dem Zweck zu folgen hat. Daraus folgt, daß es eine einheitliche, zwingend vorgeschriebene Darstellungsweise für alle amtlichen Karten der Bundesregierung nicht geben kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß — unbeschadet bestimmter, im Einzelfall zu begründender Besonderheiten — eine allgemeine Feststellung und ein allgemeiner Grundsatz sein muß, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Qualifizierung dieser inneren Grenze als innerdeutsche Grenze in jedem Fall strikt zu beachten ist und — —
Herr Abgeordneter ich bitte um Verständnis, wenn ich Sie darum bitte, an dieser Stelle das Fragezeichen zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, dieser erste Teil genügt mir auch schon.
Es war leider heute morgen aus Zeitgründen nicht möglich, den vom Innerdeutschen Ausschuß einstimmig angeforderten Bericht der Bundesregierung vorzutragen. Ich hätte Ihnen z. B. gern die Vergleichsangaben der einzelnen Länder im Bereich der Schulbuchverlage mitgeteilt. Es stimmt nicht, daß es da zu einem Durcheinander gekommen wäre. Ich glaube vielmehr, daß die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts widerspricht, und bin der Meinung, daß die Darstellung, wie sie z. B. von einzelnen Verlagen angewandt wird, korrekt ist. Sie ist zweckdienlich, und das ist das Maßgebende.
Herr Abgeordneter Kunz, Sie haben noch eine Zwischenfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, wie werden Sie insbesondere sicherstellen, daß aus der Tatsache unterschiedlicher Darstellungen, unterschiedlicher Markierungen auf den amtlichen Karten nicht der Schluß gezogen werden kann, daß die Bundesregierung hier bewußt, halbbewußt oder unbewußt gegen die Qualifizierung der Grenze als innerstaatliche Grenze verstößt.
Die Rechtsposition in dieser Frage ist von der Bundesregierung in den letzten Monaten eindeutig klargestellt worden, und ich habe in meiner Antwort auf Ihre erste Frage noch einmal auf diese Position hingewiesen. Die Darstellung einer Grenze kann nicht Ersatz für eine politische Auffassung oder eine politische Tätigkeit sein.
Ich bitte Sie, uns das abzunehmen.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit zu bestätigen, daß sich die Richtigkeit Ihrer ersten Antwort auch daraus ergibt, daß nach einhelliger Meinung der gesamten Rechtswissenschaft nur der Tenor des Urteils und die ihn tragenden Gründe binden,
d. h. diejenigen Gründe, die nicht weggedacht werden können, ohne daß der Tenor entfiele?
Das kann ich bestätigen, Herr Kollege Dr. Arndt.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger.
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10698 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen— Sie irren, Herr Abgeordneter Hösl! Herr Abgeordneter Jäger war viel früher am Mikrophon.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei aufmerksamer Durchsicht des Urteils des Bundesverfassungsgerichts noch nicht gemerkt, daß die Rechtspflicht zur richtigen Bezeichnung der innerdeutschen Grenze nicht aus jenem Abschnitt herrührt, in dem die Grenze als solche definiert und umschrieben wird, sondern aus der allgemeinen Pflicht, den Wiedervereinigungsanspruch im Innern wachzuhalten? Es wäre das genaue Gegenteil, wenn diese Grenze in den amtlichen Karten falsch dargestellt würde.
Ich glaube, Herr Kollege Jäger, Sie konstruieren hier einen Zusammenhang, der überhaupt nicht gegeben ist. Sie haben eine Sachdarstellung verlangt, diese habe ich Ihnen gegeben. Alles weitere, was Sie hier jetzt hineininterpretieren wollen, ist ganz einfach nicht gegeben. Die politische Haltung der Regierung und der sie tragenden Koalitionsparteien ist in dieser Frage eindeutig.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hösl.
Herr Staatssekretär, würden Sie über diese Rechtsauffassung hinaus eine psychologische Seite für die kartographische Darstellung — z. B. für den Bereich des Schulbetriebes — anerkennen, nämlich daß die Jugend in unserem Lande durch eine eindeutige Grenzdarstellung die Gemeinsamkeit Gesamtdeutschlands wieder vor Augen geführt bekommen sollte?
Die Schulbuchverlage und die verantwortlichen Kultusminister der Länder bemühen sich in Verbindung mit der Bundesregierung, durch geeignete Darstellungen der Jugend das zu vermitteln, was für deren Verständnis erforderlich ist. Dafür hat diese Bundesregierung einiges getan. Man könnte darüber diskutieren, was Vorrang hat: Psychologie oder Politik. Beides kann man wahrscheinlich nicht voneinander trennen. In dieser Hinsicht gehe ich mit Ihnen einig.
Ich rufe auf die Frage 6 des Abgeordneten Kunz:
Ist die Bundesregierung bereit, sämtliche Ressorts anzuweisen, der Haltung des Bundesinnenministeriums zu folgen, wonach die Grenze in Deutschland nicht als Auslandsgrenze markiert werden kann?
Herr Präsident! Herr Kollege Kunz, ich beantworte Ihre Frage wie folgt.
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, neue Karten- und Bezeichnungsrichtlinien herauszugeben.
Daher wird es auch keine Anweisung an die Bundesministerien geben, nach der die Grenze der DDR in einer bestimmten Form dargestellt werden muß. Ich brauche nicht zu wiederholen, daß, wie ich Ihnen bereits sagte, ein Bericht über diese Fragen vor dem Innerdeutschen Ausschuß ansteht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, meine Auffassung entgegenzunehmen, daß es sich hier selbstverständlich nicht um kartographische Selbstzwecke handelt, sondern darum, zu verhindern, daß es hier auf diesem Gebiet erneut irgendwie zu einem Akt des Wohlverhaltens kommt?
Es gibt keinen „Akt des Wohlverhaltens", den wir hier in irgendeiner Form demonstrieren. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten vielmehr bewiesen, wie wir zu den eingenommenen Rechtsstandpunkten stehen. Hier kann der Bundesregierung nichts unterstellt werden. Ich bin natürlich gerne bereit, Ihre Anregungen und Ihre Vorschläge mit in unsere Überlegungen einzubeziehen und darüber zu diskutieren. Das ist doch selbstverständlich, davon leben wir doch beide.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie darüber hinaus bereit, Herrn Kollegen Arndt mitzuteilen, daß das Bundesverfassungsgericht in dem letzten Satz seines Urteils alle Gründe für Teile der amtlichen Begründung erklärt hat und daß auch kein Streit darüber besteht, daß dieses Urteil in allen seinen Teilen — wie dies das Gericht selbst angeordnet hat — Verbindlichkeit hat?
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär!Herr Kollege, Sie wissen, daß ich bei der zweiten Zusatzfrage eines Fragestellers die Richtlinien möglichst extensiv auslege. Sie sind aber, glaube ich, mit mir darin einig, daß diese Zusatzfrage mit der von Ihnen eingereichten Frage mit Sicherheit nicht in einem Zusammenhang steht, sondern den Versuch darstellt, über die Richtlinien hinausgehend eine Diskussion herbeizuführen.
— Sie haben überall, vor allem auch im Rechtsausschuß, die Möglichkeit dazu.Ich gebe jetzt noch dem Herrn Abgeordneten Dr. Czaja das Wort zu einer Zusatzfrage. Dann gehen wir weiter,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10699
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß es verfassungswidrig wäre, auf amtlichen Karten die von Ihnen als unumstritten bezeichnete Rechtsposition der Gliedstaaten Deutschlands in der Bundesrepublik Deutschland nicht auch eindeutig darzustellen und für das öffentliche Bewußtsein die besondere Form der inneren
und nicht auswärtigen — Beziehungen der Gliedstaaten innerhalb des fortbestehenden Deutschlands, nicht mit allen legalen Mitteln wach zu erhalten?
Herr Abgeordneter, ich lasse diese Zusatzfrage, weil sie mit der eingereichten Frage nicht in dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang steht, nicht zu.
Der Herr Abgeordnete Spranger hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 7 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Hösl auf:
Welche Forderungen Ost-Berlins an die Bundesregierung liegen der Behauptung der Nachrichtenagentur ADN vom 5. März 1975 zugrunde, die Bundesregierung weigere sich, der „DDR" rechtmäßig zustehende Kulturgüter zurückzugeben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Sehr verehrter Herr Kollege Hösl, ich beantworte Ihre Frage wie folgt.
Für die Verhandlungen mit der DDR ist grundsätzlich Vertraulichkeit vereinbart. Verlautbarungen beider Seiten bleiben in der Regel auf vereinbarte Mitteilungen beschränkt. Die von Ihnen erwähnte darüber hinausgehende Veröffentlichung der amtlichen Nachrichtenagentur der DDR, ADN, vorn 5. März 1975 bezieht sich auf eine — ich zitiere, Herr Kollege Hösl —
. . von der Nachrichtenagentur der BRD verbreitete Behauptung, daß die Kulturverhandlungen wegen Berlin betreffender Fragen vertagt wurden. ADN beruft sich auf informierte Kreise, um festzustellen, daß entgegen diesen Behauptungen die Verhandlungen auf Mai vertagt wurden, weil die BRD-Regierung sich hartnäckig weigert, der DDR rechtmäßig zustehende Kulturgüter zurückzugeben.
Meiner eingangs getroffenen Feststellung folgend, möchte ich mich an dieser Stelle zu den Behauptungen der Nachrichtenagentur ADN selbst nicht äußern. Ich kann aber feststellen, daß die Bundesregierung grundsätzlich ihre Bereitschaft erklärt hat, über die gegenseitige Rückführung kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter im Rahmen der Kulturverhandlungen zu sprechen, daß sie hierbei aber nicht Kulturgüter einbeziehen kann, die zu den Beständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören.
Im übrigen muß berücksichtigt werden, daß auf der Grundlage alliierten Rechtes und darauf beruhender bundesgesetzlicher Regelungen über diese Bestände bereits Verfügungen getroffen sind.
Sie haben zwei Zusatzfragen. Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, darf ich dann davon ausgehen, daß die Aussagen des Sprechers der Bundesregierung, es seien Gespräche mit dem Sachgehalt geführt worden, so zu verstehen ist, daß diese Gespräche den Bereich betrafen, den Sie nannten, der also besitzrechtlich nicht geklärt ist?
Darüber ist natürlich gesprochen worden. Das war von Herrn Kollegen Bölling in der Antwort auf die Frage eines Journalisten wahrscheinlich auch nicht anders gemeint.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen vom Fortgang der Entwicklung dieser Frage Kenntnis zu geben?
Verehrter Herr Kollege Hösl, das ist heute bereits angesprochen und zugesagt worden. Die Zusage wird auf jeden Fall eingehalten. Wenn konkrete Aussagen zu machen sind, wird mein Haus in Verbindung mit dem Bundesministerium des Innern Rede und Antwort stehen.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Warum hat das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen abgelehnt, für die am 15. und 16. März 1975 in Lübeck und Kiel/Laboe stattfindenden Gedenkveranstaltungen zur 30. Wiederkehr des Beginns der Vertreibung von Deutschen aus ihrer ostdeutschen Heimat einen Zuschuß von 15 000 DM zu geben?
Herr Staatssekretär!
Herr Präsident! Herr Kollege Becher, auf Ihre Frage darf ich Ihnen folgendes mitteilen.Im Bundeshaushaltsplan 1975 — Einzelplan 27, Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen — sind für die projektgebundene Arbeit des Bundes der Vertriebenen 130 000 DM vorgesehen, die entsprechend dem § 96 des Bundesvertriebenengesetzes zur Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen und Flüchtlinge und zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung verwendet werden müssen. Im Rahmen dieses Plafonds und der festliegenden gesetzlichen Möglichkeiten sind also nach unserer Auffassung Prioritäten zu setzen, um ein Höchstmaß an sachgerechtem Einsatz der Haushaltsmittel zu gewährleisten, wie Sie das ja sicher auch wünschen.Da die in Lübeck und Kiel stattfindende Veranstaltung nicht unmittelbar mit den in § 96 BVFG aus-
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10700 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Parl. Staatssekretär Herolddrücklich genannten Förderungszwecken im Einklang stehen, ist eine Förderung durch den Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen abgelehnt worden. Sie wissen, daß es wegen der angespannten Haushaltslage, also aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, geboten ist, die zur Verfügung stehenden Mittel auf die wesentlichen Anliegen zu konzentrieren, auf die es dem Gesetzgeber bei der Fassung des BVFG angekommen ist.Im übrigen, Herr Kollege Dr. Becher, sollte man davon ausgehen können, daß der mitgliederstarke Bund der Vertriebenen — er hat ja nach eigenen Angaben mehrere Millionen Mitglieder — eigentlich in der Lage sein müßte, eine Veranstaltung, wie sie in Kiel und Lübeck geplant ist, aus eigener Kraft zu tragen, so wie das vergleichbare andere Organisationen auch zu tun bereit sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Tat der Meinung, daß einer Feierstunde, die dem Gedenken an den Beginn einer der größten Tragödien unseres Volkes dienen soll, eine so nachgeordnete Priorität zukommt, daß sich die Bundesregierung weigert, ihr eine Subvention zuteil werden zu lassen?
Ich bin der Meinung, Herr Kollege Becher, daß es sich bei dieser Veranstaltung — ich würde sie als Kundgebung bezeichnen, wenn ich mir das Programm ansehe — nicht um eine Gedenkfeier, sondern eben tatsächlich nur um eine Kundgebung handelt. Um solche Veranstaltungen zu fördern, reicht § 96 BVFG bei der derzeitigen Haushaltslage nicht aus.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung der Tatsache bewußt, daß sie mit dieser Entscheidung selbst ein Mindestmaß an Achtung vor dem Leid von Millionen vermissen läßt und damit die Schicksalsgemeinschaft unseres Volkes zu einer Sache degradiert, die man — —
Herr Kollege Becher, ich bitte Sie, die Bestimmungen der Richtlinien der Fragestunde zu beachten
und sich möglichst Wertungen in Zusatzfragen zu I enthalten.
Bitte, stellen Sie doch Ihre Zusatzfrage so, daß sie Wertungen vermeiden.
Bitte!
Ist sich die Bundesregierung der Tatsache bewußt, daß jedenfalls einem großen Teil der Bevölkerung diese Ausrede, daß aus Gründen des Etats einer derartigen Feier,
die von kirchlichen Vertretern bestimmt wird und mit großen Reden nichts zu tun hat, kein Zuschuß gegeben werden kann, als eine Mißachtung aufgefaßt werden muß?
Ich möchte Sie sehr darum bitten, bei diesem Personenkreis nicht von Mißachtung zu sprechen. Das muß ich als Vertreter der Bundesregierung auf das Entschiedenste zurückweisen. Die Bundesregierung gibt ständig Beweise dafür, daß sie diesem Personenkreis ihre besondere Beachtung zollt und z. B. seine Anliegen bei der Gesetzgebung mit berücksichtigt.
Ich würde daneben bitten, sehr geehrter Herr Kollege Becher, nicht immer vom Standpunkt des Präsidenten eines Verbandes aus diese Dinge zu sehen, sondern einmal zu fragen, wie vielen Landsmannschaften und Gruppierungen nach den Richtlinien des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes geholfen wird und wie dankbar diese Gruppen dafür sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Ihr abschlägiger Bescheid schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ergangen ist und daß Sie gar nicht mehr überprüft haben, ob es mit der Förderung ostdeutschen Kulturgutes überhaupt etwas zu tun hat, wenn im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf der Ministerpräsident Stoltenberg, CDU, der Staatssekretär Ratke, CDU, und der Bundestagsabgeordnete Czaja, CDU, als einzige Referenten angekündigt werden und Bundestagsabgeordnete aus dem Bereich gar nicht dazu eingeladen werden?
Kurze Fragen, bitte!
Ich habe erklärt, Herr Kollege Gansel, daß wir auf Grund der finanziellen Situation — 130 000 DM stehen zur Ver-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10701
Parl. Staatssekretär Heroldfügung für den Bund der Vertriebenen — Prioritäten setzen müssen. Aus diesen Gründen waren wir der Meinung, daß andere Dinge, die vom Präsidium des BdV sicher noch auf uns zukommen werden, wichtiger sind. Wir stehen dann gerne zur Verfügung, um zu fördern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja!
Herr Staatssekretär, womit begründen Sie Ihre eben gemachten Ausführungen, daß im Programm ein ökumenischer Gottesdienst in der Marienkirche zu Lübeck und eine Veranstaltung an der Gedenkstätte in Laboe als „Kundgebungen" zu bezeichnen sind, Veranstaltungen, bei denen Vertreter aller Kirchen und des Staates sprechen und zu denen Sie eingeladen worden sind, die aber nicht als etwas bezeichnet werden dürfen, was im Sinne des § 96 das Bewußtsein an das Kulturgut der Vertreibungsgebiete wachzuhalten hat?
Ich möchte feststellen, daß ich zwischen meiner Antwort und Ihrer jetzigen Frage keinen Dissenz sehe. Der ökumenische Gottesdienst wird selbstverständlich anerkannt. Aber den halten doch viele Verbände und Veranstalter irgendeiner Organisation ab, und die verlangen deshalb noch lange keine Zuschüsse vom Bund für ihre Veranstaltungen.
Und, Herr Kollege Czaja, wenn wir uns unter vier Augen unterhalten könnten — — Ja, Sie hören gar nicht zu, da brauche ich die Frage nicht zu beantworten. Herr Präsident, der Herr Czaja hört gar nicht zu.
Herr Kollege, es gibt in diesem Hause verschiedene Pflichten. Das Zuhören läßt sich weder auf der Regierungsbank noch auf den Abgeordnetenplätzen erzwingen.
Ich gebe dem Herrn Kollegen Sauer noch die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Herold, ist Ihnen bekannt, ob die Bundesregierung oder die Präsidentin des Hauses, wie sie es kürzlich getan hat, in Eigenregie in diesem Jahr zur 30. Wiederkehr der Vertreibung aus Ostdeutschland die Marineangehörigen ehren und auszeichnen wird, die als Lebensretter zahlreiche Leute aus dem Baltikum, aus Ostpreußen, aus Westpreußen, aus Danzig und aus Pommern gerettet haben?
Ich sehe in meiner Antwort auf die Frage von Herrn Kollegen Becher
überhaupt keinen Widerspruch zu dem, was die Präsidentin hier tun könnte.
Ich habe Sie gefragt, ob die Präsidentin oder die Bundesregierung von sich aus die noch lebenden Marineangehörigen, die Lebensretter gewesen sind, in diesem Jahr ehren werden.
Das kann ich hier nicht sagen. Aber ich werde es gern prüfen, Herr Kollege, und Ihnen das Ergebnis dann schriftlich mitteilen.
Herr Präsident, ich möchte noch ein Wort sagen. Herr Czaja! Ich bitte um Entschuldigung; ich bin ein temperamentvoller Oberfranke, und da ist mir das eben leider passiert.
Herr Kollege, ich danke Ihnen, daß Sie das so nett gesagt haben.
Frau Abgeordnete Berger hat eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob in den Jahren, die vor der 30. Wiederkehr des Beginns der Vertreibung von Deutschen aus ihrer ostdeutschen Heimat liegen, Gedenkveranstaltungen stattgefunden haben? Falls dies der Fall gewesen ist: In welcher Höhe hat Ihr Haus diese Gedenkveranstaltungen mit einem Zuschuß bedacht?
Frau Kollegin Berger, ich kann Ihnen hierzu mitteilen, daß wir solche Veranstaltungen auch in der Vergangenheit gefördert haben.
— Nicht „Hört! Hört!", sondern: Sie wissen — Sie sind selbst Mitglied des Innerdeutschen Ausschusses —, daß der Betrag für den BdV entscheidend verringert worden ist, und zwar um einige 10 000 DM. Wir müssen doch unter allen Umständen dafür sorgen, daß sachgerechte Prioritäten gesetzt werden, denn für die Kundgebung in Lübeck und Kiel kann meines Erachtens auch der Bund der Vertriebenen die Beträge selbst aufbringen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, ist es nicht richtig, daß in den Satzungen der Vertriebenenverbände Überparteilichkeit an erster Stelle steht, und kann ich aus der Zusatzfrage von Herrn Gansel entnehmen, daß hier eigentlich eine poli-
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10702 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Stahl
tische Demonstration für eine Partei statt einer Gedenkveranstaltung stattfinden soll?
Herr Abgeordneter Stahl, ich kann leider den unmittelbaren Zusammenhang mit der eingereichten Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Becher nicht sehen.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 10, des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Will die Bundesregierung mit der Verweigerung dieses Zuschusses den Forderungen der Ostblock-Presse folgen, die in den letzten Wochen Gedenkfeiern an die Toten der Vertreibung als Zusammenrottung denunzierte und verboten wissen wollte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Becher, ich kann die Frage ganz klar mit nein beantworten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Becher .
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung das ganze Ausmaß der offenbar zentral geleiteten Kampagne bekannt, mit der Presseorgane und auch Funksendungen des Ostblocks in diesen Tagen das Verbot von Dokumentationen und Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer der Vertreibung offenbar nur deshalb verlangen, um die Bundesrepublik Deutschland um so leichter unter das Joch einseitiger Anklagen und Erpressungen zu stellen?
Herr Abgeordneter Dr. Becher, ich muß erneut feststellen, daß erstens die Zusatzfrage in bezug auf ihre Länge nicht den Richtlinien entspricht und zweitens darüber hinaus Wertungen enthält. Da es die erste von Ihnen gestellte Zusatzfrage ist, überlasse ich es dem Herrn Staatssekretär, inwieweit er hierauf antworten will.
Selbstverständlich ist uns diese Kampagne bekannt. Sie hatte aber auf die Entscheidung in der zur Rede stehenden Sache keinen Einfluß. Sie wissen, daß wir nach wie vor die Arbeit der Vertriebenenverbände fördern.
Herr Abgeordneter Becher, Sie haben eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie trotzdem fragen, ob im Hinblick auf den Eindruck, den diese Kampagne jetzt in der gesamten europäischen Öffentlichkeit erweckt, die Bundesregierung den Beschluß, die Veranstaltungen in Lübeck und in Laboe nicht zu fördern, nicht noch einmal überdenken sollte.
Ich bin gern bereit, dies meinem Minister noch einmal vorzutragen. Ich glaube aber nicht, daß wir zu einer anderen Entscheidung kommen werden.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen beantwortet worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Brück zur Verfügung.
Die erste Frage, die Frage 11, ist von dem Herrn Abgeordneten Stahl eingebracht worden:
Bestehen Möglichkeiten, die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in Richtung auf mehr Verständnis für die Entwicklungshilfe auch zielgruppenbedingt zu vollziehen, um auch solche Teile der Bevölkerung anzusprechen, denen, wie ein Inserat in der „Medizinischen Welt" vom 31. Januar 1975 mit der Aufforderung „Verdienen Sie an der Weltnahrungsmittelknappheit" dokumentiert, ein großes Verständnis für die Lage der Dritten Welt von ihrer Sache nahestehenden Redakteuren oder Funktionären weithin nicht zugetraut wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Stahl, die Bundesregierung beobachtet mit Sorge — und bedauert —, daß Anzeigen mit der Aufforderung „Verdienen Sie an der Weltnahrungsmittelknappheit !" in der Bundesrepublik verbreitet werden. Sie fürchtet, daß dadurch ihren eigenen Bemühungen um Verständnis für die Probleme der Entwicklungsländer entgegengewirkt wird. Diese Anzeigen sind auch in der jedermann zugänglichen Tagespresse erschienen. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht veranlaßt, besondere Folgerungen für die Ausrichtung ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu ziehen.
Eine Zusatzfrage!
Stimmen Sie mir zu, daß es eigentlich makaber und sittenwidrig ist, wenn gerade in der Bundesrepublik, also in einem Land des Wohlstandes, in einer Zeitung, die hauptsächlich vom Berufsstand der Ärzte gelesen wird, mit der Armut und der Hilfe für hungernde Menschen verbunden mit der Nahrungsmittelknappheit Geschäfte gemacht werden sollen?
Herr Kollege, allgemein darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß nach den Richtlinien für die Fragestunde der Fragesteller bei Zusatzfragen grundsätzlich keine Wertung vornehmen soll. — Aber bitte, Herr Staatssekretär!
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Herr Kollege Stahl, die Bundesregierung kann bei Anzeigen in deutschen Zeitungen keine Zensuren erteilen. Aber ich gestatte mir die private Bemerkung, daß ich Ihre Auffassung für richtig halte.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung daraufhin mit den zuständigen Verbänden und Zeitungsverlegern über derartige Entgleisungen der Werbung sprechen, um dies vielleicht im Rahmen einer Selbstbescheidung — um nicht zu sagen: Selbstkontrolle — zu erreichen?
Herr Kollege Stahl, wir werden diese Ihre Anregung gerne aufgreifen.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Stahl auf:
Gibt es Anzeichen für Auswirkungen solcher Anzeigen auf die Investitionstätigkeit im Nahrungsmittelsektor?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Auswirkungen solcher Anzeigen auf die Investitionstätigkeit im Nahrungsmittelsektor sind nicht festzustellen. Es ist zwar richtig, daß auch private Investitionen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in der Welt leisten können; eine Werbung, die primär auf 370 % Kapitalwachstum abstellt, ist jedoch nicht geeignet, die entwicklungspolitisch relevanten Investitionen anzuregen oder zu fördern.
Sie haben noch zwei Zusatzfragen. Bitte!
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Zahlen bekannt, wie groß der Kreis derjenigen Personen ist, die sich auf derartige Anzeigen hin finanziell engagieren?
Solche Zahlen sind nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es Erkenntnisse und Zahlen über den Wahrheitsgehalt der Verdiensthöhe bei derartigen Investitionen, wie sie in dieser Zeitung dargestellt wurde?
Es gibt auch
dafür keine Zahlen. Aber ich bezweifle die Angaben, die in dieser Anzeige gemacht werden.
Herr Kollege Stahl, damit sind Ihre beiden Fragen beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen 13 und 14 des Herrn Abgeordneten Schluckebier. Der Fragesteller mußte zu einer Ausschußsitzung und hat deswegen um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 15 ist von Herrn Abgeordneten Holtz eingereicht:
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, daß über zwei Drittel der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland der Meinung ist, das Budget für die Entwicklungshilfe sei am ehesten für Einsparungen geeignet?
Herr Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung.
Herr Kollege Holtz, die Bundesregierung ist sich bewußt, daß ihre Entwicklungshilfeleistungen noch nicht überall die Zustimmung finden, die im Interesse langfristiger Friedenssicherung und weltweiter Partnerschaft notwendig ist. Ich möchte jedoch ausdrücklich davor warnen, aus Meinungsumfragen, die dem Befragten keine Möglichkeit zu differenzierten Stellungnahmen geben, verallgemeinernde Schlußfolgerungen auf die Hilfsbereitschaft der Mehrzahl der Bevölkerung zu ziehen. Das Gegenteil wird z. B. durch das jährliche Spendenaufkommen der Kirchen bewiesen. Die Bundesregierung hofft, daß Umfrageergebnisse, die vordergründig einen anderen Eindruck erwecken, nicht dazu benutzt werden, vorhandene Vorurteile zu verstärken. Sie wird, um solchen Tendenzen entgegenzuwirken, in ihrer Informationsarbeit die eigene Entwicklungspolitik noch deutlicher als notwendigen Bestandteil der deutschen Gesamtpolitik herausstellen. Dabei wird sie vor allem an Hand von konkreten Beispielen verdeutlichen, welche gegenseitigen Vorteile aus dem Prinzip der partnerschaftlichen Zusammenarbeit erwachsen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter!
Wieviel Mittel stehen, um diese Zielsetzung zu erreichen, dem Hause überhaupt zur Verfügung — etwa im Vergleich zu anderen Ländern, zu Schweden und den Niederlanden?
Die Mittel, die der Bundesregierung dafür zur Verfügung stehen, sind geringer als in vergleichbaren Ländern. Ich kann Ihnen dazu Zahlen nennen. Die holländische Regierung gibt 0,45 DM und die schwedische Regierung 1 DM pro Kopf der Bevölkerung aus. In der Bundesrepublik sind es 4 Pfennige.
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Haben Sie noch eine Zusatzfrage? Sie können nämlich noch eine zweite stellen. — Bitte!
Auf welche Zielgruppen wird die Öffentlichkeitsarbeit besonders gerichtet sein?
Herr Kollege Holtz, wir wissen, daß es vor allem bei den Arbeitnehmern Widerstände gegen die Entwicklungshilfe gibt. Ich glaube, wir müssen in unserer Öffentlichkeitsarbeit deutlich machen, daß es im Interesse aller in der Bundesrepublik, vor allem auch der Arbeitnehmer, ist, wenn wir Entwicklungspolitik betreiben, und daß dadurch ihre Arbeitsplätze nicht gefährdet, sondern für die Zukunft langfristig gesichert werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, in welcher Form erfolgt die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit der verschiedenen entwicklungspolitischen Träger in der Bundesrepublik, und wie sind die Anforderungen der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit?
Herr Kollege, das Fragezeichen war bereits vor dem „und".
Sie wissen, Herr Kollege Stahl, daß wir ein Referat für Öffentlichkeitsarbeit haben und daß dieses Referat ständig Koordinierungsgespräche mit den anderen Trägern führt.
Die Frage 16 ist von dem Herrn Abgeordneten Spranger eingebracht. Er bittet um schriftliche Beantwortung. Dem wird entsprochen. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Holtz ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum zur Verfügung. Die erste Frage, Frage 17, ist von dem Herrn Abgeordneten Sauer eingebracht:
Ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen, §§ 4, 9 Abs. 2 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorn 28. August 1974 (BGBl. I S. 2121) dahin gehend zu ändern, daß auch Wartungsfirmen im Rahmen von Wartungsverträgen Tmmissionsmessungen durchführen können, um so zweifache Messungen — nämlich durch die Wartungsfirma und den Bezirksschornsteinfegermeister — und damit eine doppelte finanzielle Belastung des Betreibers einer Ölfeuerungsanlage zu vermeiden?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Sauer, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Verordnung über Feuerungsanlagen — Erste Immissionsschutzverordnung — in der Weise zu ändern, daß neben den Bezirksschornsteinfegermeistern auch Wartungsfirmen die vorgeschriebenen Emissionsmessungen durchführen können. Auf Grund des § 13 des Schornsteinfegergesetzes aus dem Jahre 1969 obliegt den Bezirksschornsteinfegermeistern die Überprüfung von Schornsteinen, Feuerstätten und Verbindungsstücken oder ähnlichen Einrichtungen nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen Vorschriften auf dem Gebiete des Immissionsschutzes. Hierzu zählt auch die Durchführung von Emissionsmessungen nach § 9 der 1. Immissionsschutzverordnung. Im Einvernehmen mit den Ländern hat die Bundesregierung bewußt diese öffentliche Aufgabe den Bezirksschornsteinfegermeistern übertragen, denn diese sind ohnehin zur Wahrnehmung von Kehr- und Überwachungsaufgaben an Schornsteinen und Feuerstätten verpflichtet und zudem auf Grund ihrer technischen und personellen Ausrüstung besonders geeignet, auch Emissionsmessungen als zusätzliche öffentliche Aufgaben fachkundig auszuführen.
Nicht unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die Höhe der Schornsteinfegergebühren für Emissionsmessungen jeweils durch Rechtsverordnungen der Länder festgelegt und somit eine starke öffentliche Kontrolle darüber ausgeübt wird.
Da die Bezirksschornsteinfeger zudem in einzelnen Ländern, z. B. in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg, bereits früher auf Grund landesrechtlicher Regelungen die nunmehr bundeseinheitlichen Emissionsmessungen durchgeführt hatten, konnte der Verordnungsgeber die guten Erfahrungen, die man bei der Aufgabenwahrnehmung durch die Bezirksschornsteinfegermeister gemacht hatte, mitberücksichtigen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf ihre Eignung zu objektiver Sachverhaltsermittlung, die bei Wartungsfirmen wegen der Möglichkeit von Interessenkollisionen nicht in gleichem Maße gegeben sein kann. Außerdem ist auch die objektive Sachverhaltsermittlung insofern gefährdet, weil Emissionsmessungen unmittelbar nach durchgeführter Wartung — und das bietet sich für eine Wartungsfirma an — keine objektive Aussage über das Verhalten der Anlage und ihrer Emissionen im Dauerbetrieb ergeben.
Im übrigen gibt es eine Reihe von Parallelen in der Gewerbeordnung, auf die ich im einzelnen jetzt nicht eingehen möchte.
Eine Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10705
Herr Staatssekretär, glauben Sie denn, daß ein Fachhandwerker einer Wartungsfirma weniger zuverlässig und weniger verantwortungsbewußt arbeitet als z. B. der Geselle eines Bezirksschornsteinfegermeisters, obwohl ich hier keine Wertung abgeben möchte?
Herr Kollege, ich habe mich, wie Sie festgestellt haben werden, wenn Sie mir genau zugehört haben, dieser Wertungen bewußt enthalten. Ich habe nur darauf hingewiesen, daß dies der Fall sein kann. Ich habe nicht gesagt, daß dies der Fall ist. Im übrigen habe ich auf die anderen Vorteile einer quasi amtlichen Überprüfung durch die Bezirksschornsteinfegermeister hingewiesen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum sind Sie nicht bereit, ein vergleichbares Verfahren für die Emissionsüberwachung einzuführen, wie es sich doch z. B. im Kfz-Überwachungsdienst in Form der Beteiligung der Instandsetzungsfirmen an der technischen Überwachung bewährt hat, um den Betreibern einer Ölfeuerungsanlage Kosten zu ersparen? Zur Zeit bezahlen sie nämlich doppelt: für den Schornsteinfegermeister und für die Wartungsfirma.
Herr Kollege, ich habe mir diesen Parallelfall vor Beantwortung der Frage sehr genau angesehen und habe festgestellt, daß hier kein Schluß gezogen werden kann. Es handelt sich um etwas ganz anderes. Bei Kraftfahrzeugen sind gewisse Beschränkungen auferlegt, und im übrigen ist ein Kraftfahrzeug nicht ohne weiteres mit einer Feuerungsanlage zu vergleichen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt .
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es sich um eine hoheitliche Aufgabe handelt und daß dann, wenn dem in der Frage zum Ausdruck kommenden Wunsche des Fragestellers entsprochen würde, im gesamten Bundesgebiet die Kehrbezirke neu eingeteilt werden müßten?
Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort schon darauf hingewiesen, daß das Verfahren in einer ganzen Reihe von Bundesländern so organisiert war, wie wir es jetzt neu geordnet haben, und daß sich diese Regelung durchaus bewährt hat. Wir
waren übereinstimmend mit den Ländern der Meinung, man sollte es so belassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wäre nicht zu überlegen, bei Einfamilienhäusern mit Ölfeuerungsanlagen die Überprüfung durch den Bezirkskaminkehrer- oder -schornsteinfegermeister — ähnlich wie bei Autos durch den TÜV — alle zwei Jahre vornehmen zu lassen? Denn bei einem Einfamilienhaus erfolgt die Überprüfung doch alle Jahre; das ist ein kurzer Zeitraum.
Herr Kollege, wenn wir den Umweltschutz groß schreiben — das tun wir ja alle hier in diesem Hause —, dann sollten wir auch konsequent sein. Denn es ist uns allen bewußt, daß gerade die Emissionen, die aus den privaten Feuerungsanlagen stammen, sehr stark zur Verschmutzung unserer Umwelt beitragen.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Polkehn auf:
Sieht die Bundesregierung im Jahr des Denkmalschutzes die Möglichkeit, zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorischer Bauten von nationaler Repräsentanz in der Bundesrepublik Deutschland eine ähnliche Aktion wie die des ,,Olympia-Groschens" einzuführen?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Polkehn, Sie sprechen hier die Möglichkeit an, für den Denkmalschutz Sonderfinanzierungsmittel zu erhalten, wie dies seinerzeit bei der Olympia-Lotterie als Zuschlag bei Lotto- und Toto-Scheinen für Zwecke des Sports geschah. Die Ministerpräsidenten der hier allein zuständigen Länder hatten am 2. Juni 1967 beschlossen, zur Finanzierung der Olympischen Spiele 1972 einen Zuschlag von 0,10 DM mit eigener Gewinnausspielung zu erheben. Diese Lotterie ist im Juni 1974, wie Sie wissen, ausgelaufen.Bemühungen, sie für andere Zwecke, insbesondere für den Denkmalschutz, fortzuführen, hatten bisher keinen Erfolg. Hierbei spielte die Tatsache eine Rolle, daß die Lotterie nur zur Mitfinanzierung eines ganz bestimmten einmaligen Zwecks, nämlich der Olympischen Spiele, eingeführt worden war.Auch der Versuch, eine eigene Fernsehlotterie zur Finanzierung des Denkmalschutzes zu veranstalten, hat nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt. Mein Haus hat bereits im letzten Jahr mit der ARD und dem ZDF entsprechende Verhandlungen geführt. Die Anstalten waren jedoch nicht bereit, eine eigenständige Fernsehlotterie für den Denkmalschutz durchzuführen.Bund, Länder und Gemeinden sind ständig bemüht, Herr Kollege, dem Denkmalschutz Rechnung zu tragen. Der Bund hat seit dem Jahre 1969 etwa 9 Millionen DM zur Erhaltung von Baudenkmälern
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10706 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Parl. Staatssekretär Baummit besonderer nationaler kultureller Bedeutung aufgewandt. Außerdem beteiligt er sich an den Kosten des Nationalkomitees zur Vorbereitung und Durchführung des Europäischen Denkmalschutzjahres voraussichtlich mit etwa 1,3 Millionen DM.Ich bin nach wie vor der Meinung, daß für Zwecke des Denkmalschutzes weitere Finanzquellen erschlossen werden müssen. Die vorhandenen Möglichkeiten der öffentlichen Haushalte reichen nicht aus, um wertvollen Kulturbesitz auch für die Zukunft zu erhalten. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, Herr Kollege, daß für diesen Bereich in erster Linie die Bundesländer zuständig sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Vorstellungen sind in Ihrem Hause hinsichtlich der Möglichkeit der Finanzierung größerer Denkmalschutzmaßnahmen etwa im Sinne des englischen Vorbilds eines National Trust, einer öffentlich-rechtlichen Stiftung — geprüft worden?
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, wenn ich hier sage, daß diese Frage leider nicht in dem geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage nach dem „Olympia-Groschen" steht. Aber wenn der Herr Staatssekretär die ganze Bandbreite hat prüfen lassen und antworten will, will ich ihm gern die Gelegenheit dazu geben. Ich wollte hier nur den Vorbehalt nach den Richtlinien für die Fragestunde anmelden.
Herr Präsident, es ist hier nicht die Gelegenheit, die ganze Bandbreite der Prüfung aufzublättern. Ich wollte dem Kollegen nur sagen, daß wir schon auf Grund der Erkenntnis, daß die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausreichend sind, natürlich auch diese Möglichkeit geprüft haben. Aber das ist letztlich eine Frage der Haushaltslage, und hier sind uns bekanntlich gerade jetzt gewisse Grenzen gesetzt.
Zu einer letzten Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Sauer.
Herr Staatssekretär, da ich Sie in der Fragestunde der letzten Plenarwoche nach den Leistungen der Bundesregierung innerhalb des Denkmalschutzjahres gefragt hatte und Sie mir einen schriftlichen Bericht zugesagt hatten, darf ich Sie fragen, wann ich diesen Bericht erhalten werde.
Herr Kollege, Sie wissen, daß diese Frage nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der hier gestellten Frage steht.
Aber der Herr Staatssekretär wird die Erinnerung gern mit nach Hause nehmen.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Hirsch auf:
Sind der Bundesregierung die Erklärungen von Professor Peters bekannt, der von den Bundesländern Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein erarbeitete Wärmelastplan für die Elbe sei wissenschaftlich unseriös und ohne sachliche Relevanz, und es werde zum „Umkippen" der Elbe kommen, wenn auf der Grundlage dieses Wärmelastplanes weitere Genehmigungen zur Einleitung von Industrieabwässern in die Elbe erteilt würden, und wird diese Ansicht auch von anderen Wissenschaftlern vertreten?
Ich frage, Herr Staatssekretär, ob wir die beiden Fragen verbinden können.
— Herr Abgeordneter Hirsch, Sie sind auch einverstanden? — Dann rufe ich noch die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
In welchem Umfang teilt die Bundesregierung die Auffassung dieses Sachverständigen über die maximal zulässige Wärmebelastung, und was gedenkt sie gegebenenfalls zu tun, um das biologische Gefüge der Elbe zu erhalten?
Die Bundesregierung, Herr Kollege Hirsch, der die Erklärungen von Professor Peters vom Institut für Hydrobiologie und Fischereiwirtschaft der Universität Hamburg lediglich aus Pressemitteilungen bekanntgeworden sind, ist um die Beschaffung des genauen Wortlautes dieser Erklärungen bemüht. Soweit Schlußfolgerungen aus den Pressemitteilungen gezogen werden können, vermag die Bundesregierung die darin wiedergegebene Auffassung von Professor Peters nicht zu teilen.Der Wärmelastplan für die Elbe wurde von dem Arbeitsausschuß für die Wassergüte in der Elbe, dem Sachverständige der Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein sowie der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hamburg angehören, auf der Grundlage wissenschaftlicher Arbeiten aufgestellt. Insbesondere wurden dabei auch die von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser ausgearbeiteten „Grundlagen für die Beurteilung für die Wärmebelastungen von Gewässern" herangezogen.Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß Wärmelastpläne nur eine Orientierungshilfe sind und keineswegs den Anspruch erheben, alle mit der Industrieansiedlung verbundenen Fragen zu lösen. Für den Einzelfall sind darüber hinaus die hydrologischen und die ökologischen Verhältnisse am Standort zu prüfen. Es bleibt daher der jeweils zuständigen Behörde vorbehalten, im wasserrechtlichen Verfahren zu entscheiden, ob das Gewässer eine zusätzliche Belastung schadlos aufnehmen kann.Der Arbeitsausschuß für Wassergüte in der Elbe hat in der Presseerklärung zu der von Ihnen erwähnten Kritik, Herr Kollege Hirsch, Stellung genommen. Dabei wird unter anderem festgestellt, daß Professor Peters von der irrigen Auffassung ausgehe, in der Elbe wäre nach dem Wärmelastplan generell eine Temperaturerhöhung auf 28° C erlaubt. Wer den Wärmelastplan unvoreingenommen und aufmerksam lese, so heißt es in der Stellungnahme, werde feststellen, daß dies nur für ganz seltene
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10707
Parl. Staatssekretär BaumAusnahmefälle vorgesehen ist. Es werde nämlich nur eine Temperaturerhöhung von maximal 3° C zugelassen.Eine abschließende Stellungnahme meines Hauses insbesondere auch zu der Frage, ob die Ansicht von Professor Peters auch von anderen Wissenschaftlern vertreten wird, ist erst möglich, wenn mir der genaue Wortlaut seiner Stellungnahme vorliegt.Abschließend möchte ich folgendes bemerken: Die Bundesregierung hat im Rahmen der von ihr eingebrachten 4. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz Vorschriften zur Erhaltung und Verbesserung der Gewässergüte, d. h. auch des biologischen Gefüges, vorgelegt. Diesem Ziel dient die Bestimmung des § 36 b des Regierungsentwurfs, wonach die Länder im Interesse der Reinhaltung der Gewässer Bewirtschaftungspläne aufzustellen haben. Dies würde dann auch für die Elbe gelten.
Herr Kollege Hirsch, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, Sie sagen, daß die Bundesregierung darum bemüht sei, den genauen Wortlaut des Gutachtens von Professor Peters zu erhalten. Muß ich daraus schließen, daß es keine Dokumentation über Gutachten oder über Wärmelastpläne der Elbe oder der großen deutschen Ströme gibt?
Herr Kollege, so generell ist die Frage nicht zu beantworten. Es gibt Teildokumentationen, aber es liegt keine Dokumentation vor, in der dieses Gutachten von Herrn Peters enthalten wäre.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht zweckmäßig, das Umweltbundesamt generell zu beauftragen, darum besorgt zu sein, daß solche Untersuchungen in der Form einer umfassenden Dokumentation über die Verhältnisse in den großen deutschen Strömen durchgeführt werden?
Dies ist eine gute Idee, Herr Kollege.
Herr Kollege Hirsch, Sie haben noch die Möglichkeit, der Bundesregierung weitere gute Ideen zu entlocken.
Ich bin ständig darum bemüht, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, zu der zweiten Frage. Sie weisen darauf hin, daß die 4. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz dazu ja Vorlagen enthält. Sie wissen aber doch, daß die Beratungen dieser Novelle wegen der Kompetenzfrage, die von der Opposition in den Vordergrund gestellt wird, sich außerordentlich mühsam gestalten.
Meinen Sie nicht, daß sich die Bundesregierung nun andere Wege überlegen muß, um eine Überlastung der großen deutschen Binnenströme zu verhindern?
Herr Kollege, die Bundesregierung geht nach wie vor davon aus, daß diese von ihr vorgelegte Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz zügig beraten wird und daß die Opposition bei den Zusagen und Aussagen bleibt, die sie im Wahlkampf gemacht hat.
Herr Kollege Hirsch, Sie haben eine letzte Zusatzfrage.
Wäre es nicht zweckmäßig, Herr Staatssekretär, nicht auf die Zusagen der Opposition in den Wahlkämpfen zu vertrauen, sondern statt dessen mit den Landesregierungen Verbindung aufzunehmen, um zu kontrollieren, daß die Wärmelastpläne aufeinander abgestimmt sind?
Herr Kollege, unabhängig davon geschieht es natürlich, daß die Bundesregierung mit den Landesregierungen und somit auch mit den betroffenen, von mir genannten Landesregierungen Kontakt aufnimmt. Aber das alles ersetzt nicht eine gesetzliche Regelung, wie wir sie hier dem Hohen Hause vorgeschlagen haben.
Ich rufe dann die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß für den Sachverständigenrat für Umweltfragen kein einziger praktizierender Landwirt vorgesehen ist, und ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß auch ein Landwirt in den Sachverständigenrat aufgenommen wird, da gerade die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle bei Umweltfragen spielt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Fuchs, der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen ist nach dem Errichtungserlaß vom 29. Dezember 1971 ein Kreis von 12 Sachverständigen, welche die Hauptgebiete des Umweltschutzes repräsentieren. Er wurde in seiner Konstruktion dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nachgebildet. Hier wie dort wurden keine Vertreter betroffener Kreise berufen, also weder Vertreter irgendwelcher Wirtschaftsbereiche noch solche der Gewerkschaften oder anderer gesellschaftlicher Gruppen. Da die Berufungsperiode des ersten Rates in diesen Tagen zu Ende geht, hat das Bundesinnenministerium um die Jahreswende einen Kabinettsbeschluß über die Zusammensetzung und die Neu- bzw. Wiederberufung der Mitglieder herbeigeführt. Die neuen Mitglieder wurden vor wenigen Tagen wieder auf die Dauer von drei Jahren berufen.
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10708 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Parl. Staatssekretär BaumIm übrigen möchte ich Sie, Herr Kollege, darauf hinweisen, daß zwei Mitglieder des Rates Wissenschaftsbereiche vertreten, die fachlich dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zugeordnet werden können, nämlich Professor Dr. Buchwald, Hannover, und Professor Dr. Bick, Bonn. Herr Professor Buchwald ist ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Landschaftspflege und Naturschutz der Technischen Universität Hannover. Herr Professor Bick ist Zoologe mit der Fachrichtung Ökologie.Weiter darf ich bemerken, daß sich der Rat in Zusammensetzung und Arbeitsweise nach Auffassung der Bundesregierung bewährt hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hielten Sie es nicht auch für eine gute Idee, wenn in diesem Rat auch Praktiker beteiligt werden, weil diese die Sache doch von einer anderen Warte betrachten könnten?
Herr Kollege, in dem Rat sind durchaus Praktiker vertreten, aber eben nicht praktizierende Landwirte, wie Sie es fordern, weil wir hierbei von dem Grundsatz ausgehen, daß die unmittelbar Betroffenen nicht in einen Sachverständigenrat gehören.
Eine weitere Zusatzfrage.
Aber, Herr Staatssekretär, ist Ihnen entgangen, daß ich nicht davon gesprochen habe, daß die Landwirtschaft betroffen ist, sondern davon, daß sie einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten vermag?
Herr Kollege, das wird in keiner Weise bestritten. Der Sachverständigenrat steht mit allen betroffenen Bereichen in engster Abstimmung und berät sich. Er führt Anhörungen durch, so auch mit dem Bereich der Landwirtschaft.
Meine Damen und Herren, die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Windelen sind gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig. Ich darf auf den Tagesordnungspunkt 2 a bis g der morgigen Plenarsitzung hinweisen.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Niegel auf:
Treffen Pressemeldungen zu, Ost-Berlin habe gegen den Einsatz von Polizisten aus anderen Bundesländern in Berlin protestiert, und wird die Bundesregierung solche Interventionen aus der Erwägung heraus als gegenstandslos behandeln, daß Ost-Berlin nicht Partner des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin ist und in Angelegenheiten des Landes Berlin für die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer nur die Auffassungen der drei Schutzmächte maßgebend sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Niegel, einen förmlichen Protest der Begierung der DDR gegen den Einsatz von Polizeikräften aus anderen Bundesländern im Land Berlin hat es nicht gegeben.
Ein solcher Protest wäre auch nicht gerechtfertigt. Die Abordnung von Beamten der Polizeien aus anderen Bundesländern geschieht in voller Übereinstimmung mit dem Viermächteabkommen. Der Einsatz ist auch mit den Alliierten ausdrücklich abgestimmt worden. Im übrigen ist die DDR, wie Sie richtig bemerken, Herr Kollege, nicht Partner dieses Abkommens.
Wenn es auch einen förmlichen Protest der DDR nicht gab, so hat doch das „Neue Deutschland" zu der Angelegenheit zweimal Stellung genommen, einmal in der Ausgabe vom 6. März 1975, wo die Frage gestellt wurde, wie der Einsatz von Polizei und anderen Stellen in Berlin mit den Bestimmungen des Viermächteabkommens zu vereinbaren ist. In der Ausgabe vom 11. März ist dann behauptet worden — ich zitiere wörtlich —, „daß dies alles wenig, genauer gesagt, gar nichts mit der Entwicklung von Verbindung bzw. Bindungen zwischen der BRD und West-Berlin zu tun hat, die nach hiesiger Auslegung des vierseitigen Abkommens über West-Berlin entwickelt werden können" . Weiter ist in diesem Artikel ausgeführt worden, es handele sich — ich zitiere — um „eindeutige und ernste Verletzungen des vierseitigen Abkommens".
Ich habe schon ausgeführt, Herr Kollege, daß diese Interpretation des Viermächteabkommens für uns unmaßgeblich ist. Sie wird auch nicht dadurch richtiger, daß sie vom „Neuen Deutschland" bei jedem ihm geeignet erscheinenden Anlaß wiederholt wird. Die Bundesregierung verwahrt sich dagegen, daß hierdurch erneut versucht wird, die Bindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik in Zweifel zu ziehen. Ich möchte auch auf die Erklärung des Senats von Berlin vom gestrigen Tage und auf die heutige Debatte im Innerdeutschen Ausschuß verweisen.
Keine Zusatzfragen.Herr Staatssekretär Baum, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beantwortet.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Dr. Zeitel und die Frage 29 des Abgeordneten Höcherl werden, da die Fragesteller noch im Vermittlungsausschuß festgehalten sind, ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10709
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe die Frage 30 des Abgeordneten Sauer auf.
— Dann wird auch diese Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 31 des Abgeordneten Meinike wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Fuchs ist vom Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beantwortet.Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für Ihr Erscheinen.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.Der Herr Abgeordnete Höcherl ist, wie schon gesagt, im Vermittlungsausschuß festgehalten; Frage 33 wird daher schriftlich beantwortet, und die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die von dem Herrn Abgeordneten Hösl eingereichte Frage 34 auf:Treffen Meldungen zu, die Verschuldung Ost-Berlins im Interzonenhandel habe Ende 1974 bei 2 Milliarden DM gelegen, und wie wird die Bundesregierung einer weiteren Verschuldung Ost-Berlins entgegenwirken?Herr Staatssekretär!
Die Verbindlichkeiten der DDR aus dem innerdeutschen Handel beliefen sich Ende 1974 auf 2,5 Milliarden DM. Ihnen standen Verbindlichkeiten unserer Wirtschaft aus dem innerdeutschen Handel in Höhe von 0,6 Milliarden DM gegenüber. Per Saldo schuldete die DDR also 1,9 Milliarden DM. Dies ist in der Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 5. März 1975 über die Entwicklung des innerdeutschen Handels gemeldet worden. Andere Meldungen lagen bei 2 Milliarden DM, also ein wenig zu hoch.
Es ist in jedem Handelsverkehr üblich, daß Waren auf Kredit gekauft werden. Mithin ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, daß dies auch im innerdeutschen Handel geschieht. Wichtig ist nur, daß die Verbindlichkeiten nicht so hoch werden, daß ihre Erfüllung gefährdet erscheint. Diese Gefahr wird angesichts der Entwicklung der Lieferungen der DDR im innerdeutschen Handel zur Zeit bei ihren Verbindlichkeiten nicht gesehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegt diese Quote aber nicht weit höher als die Swing-Quote gemäß den Absprachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im Handelsabkommen, die ich doch hier zugrunde legen darf, und würden Sie hierin nicht eine gefahrvolle Entwicklung sehen?
Nein, Herr Kollege. Diese Swing-Quote ist selbstverständlich in diesem mitgeteilten gegenwärtigen Verbindlichkeitsstand mit enthalten, aber sie schließt nicht aus, daß im normalen Kreditwege darüber hinaus Verbindlichkeiten begründet werden. Angesichts der Lieferungen der DDR in die Bundesrepublik haben wir wegen des Verschuldensstandes im Augenblick keine Bedenken.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Kann ich davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß dieser hohe Verbindlichkeitsstand nur kurzfristig sein wird?
Herr Kollege, im bilateralen Verrechnungsverkehr bestehen Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 1,8 Milliarden Verrechnungseinheiten; das habe ich schon ausgeführt. Dabei bestehen für zirka 700 Millionen Verrechnungseinheiten mittelfristige, also über ein Jahr hinausgehende Zahlungsziele. Die über die Verrechnungskonten zahlbaren Verbindlichkeiten zeigen mithin in etwa das gleiche Bild wie Ende des Jahres 1972. Da das derzeitige Bezugsvolumen gegenüber dem des Jahres 1972 um fast 1 Milliarde Verrechnungseinheiten höher liegt, wird die Wahrscheinlichkeit wirtschaftlich bedingter Störungen des Zahlungverkehrs zur Zeit als gering angesehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß eine offensichtlich von Herrn Kollegen Hösl gewünschte Begrenzung des Swing negative Auswirkungen auf die Beschäftigungslage haben könnte?
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, wenn ich darauf hinweise, daß diese Frage nicht in dem durch die Geschäftsordnung geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der eingereichten Frage steht.Wir kommen zu Frage 35 des Herrn Abgeordneten Vogt. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Daher werden die Frage 35 und die Frage 36 schriftlich beantwortet, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Frage 37 ist von Herrn Abgeordneten Ey eingebracht:Welche Hilfen bietet die Bundesregierung den Städten und Gemeinden, die durch Abzug bzw. Verlegungen von Bundeswehr- oder NATO-Einheiten in zusätzliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn diese kurzfristig erfolgen?Bitte, Herr Staatssekretär!
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10710 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Herr Kollege Ey, die Standorte von Bundeswehr- und NATO-Einheiten liegen überwiegend in den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Insoweit haben die Länder die Möglichkeit, in diesen Orten kurzfristig Investitionshilfen für die gewerbliche Wirtschaft nach dem Investitionszulagengesetz und aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zu gewähren. Darüber hinaus können aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Finanzhilfen zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen der betroffenen Gemeinden bereitgestellt werden.
Für das bei den Bundeswehreinheiten beschäftigte Zivilpersonal entstehen durch den Abzug bzw. die Verlegung dieser Einheiten keine Beschäftigungsprobleme. Das Zivilpersonal wird im Bundesdienst weiterverwendet, ohne deshalb zu einem Ortswechsel gezwungen zu sein.
Bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß besonders kleinere Gemeinden — wie etwa die Gemeinde Bohmte bei Osnabrück — durch derartige Truppenabzüge ganz erheblich benachleitigt sind?
Ich bin leider im Augenblick nicht in der Lage, dazu eine Stellungnahme abzugeben, weil diese konkrete Bezugnahme von mir nicht vorauszusehen war.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe dann Frage 38 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Pressemeldungen vom 26. Februar 1975 über ein mögliches Scheitern des deutsch-sowjetischen Kernkraftwerkprojektes bei Königsberg?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Meldung der „Frankfurter Rundschau" vom 26. Februar 1975, mit Hilfe des Atomwaffensperrvertrages werde versucht, der bundesdeutschen Firma Kraftwerk Union den Auftrag für das Kernkraftwerksprojekt bei Königsberg zu entziehen, ist nicht verständlich. Wie der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Kollege Moersch, in der Fragestunde vom 16. Januar bereits ausgeführt hat, verstößt die Lieferung eines deutschen Kernkraftwerks an die Sowjetunion nicht gegen den Atomwaffensperrvertrag.
Die Sowjetunion ist als Kernwaffenstaat nach dem Atomwaffensperrvertrag nicht verpflichtet, sich den internationalen Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergieorganisation zu unterwerfen. Die Bundesregierung hofft jedoch, daß die Sowjetunion in der Zukunft dem Beispiel der USA
und Großbritanniens folgen und ihre friedlichen Zwecken dienenden Kernanlagen den IAEO-Kontrollen freiwillig unterwerfen wird. Eine Voraussetzung für das Zustandekommen des deutsch-sowjetischen Kernkraftwerksprojekts ist dies jedoch nicht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, ob die Bundesregierung mit den westlichen Partnern einen Gedankenaustausch über dieses Thema geführt hat?
Das ist der Fall.
Keine weiteren Zusatzfragen?
Dann rufe ich die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Welche Möglichkeiten besitzt die Bundesregierung, bei der im Mai anstehenden Überprüfungskonferenz des NV-Vertrages darauf hinzuwirken, daß jegliche wirtschaftliche Diskriminierung der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen ist?
Herr Staatssekretär!
Artikel IV des NichtverbreitungsVertrages schließt eine Diskriminierung der Nichtkernwaffenstaaten beim friedlichen Einsatz von Kernenergie aus. Nach dem NichtverbreitungsVertrag macht es keinen Unterschied, ob der Lieferant eines Kernkraftwerks einem Kernwaffenstaat oder einem Nichtkernwaffenstaat angehört. Die Bundesregierung wird weiterhin darauf achten, daß die deutsche Kernindustrie im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt wird. Von diesem Gedanken wird sich die Bundesregierung auch auf der Überprüfungskonferenz leiten lassen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung nach wie vor davon ausgeht, daß eine wirtschaftliche Diskriminierung der deutschen Nuklearindustrie auf Grund der Vertragsbestimmungen — auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand — nicht in Frage kommen kann?
Davon geht die Bundesregierung aus.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie die Bundesregierung in die-
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Lenzersem Zusammenhang die Haltung des Koordinationskommites der NATO beurteilt?
Sie wissen, daß diese Lieferung von diesem Koordinationsgremium gebilligt werden muß und daß dessen Entscheidung noch nicht vorliegt. Wir rechnen aber mit einer positiven Entscheidung.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Vahlberg ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Der Herr Abgeordnete Wolfram hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen 41 und 42 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Wieweit unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern, jungen Menschen bei Gründung, Aufbau oder Übernahme eines Betriebes zu helfen?
Die Bundesregierung hat Ende 1970 ein Aktionsprogramm zur Leistungssteigerung kleiner und mittlerer Unternehmen beschlossen. In diesem Programm hat sie Maßnahmen genannt, die die Gründung von selbständigen Existenzen junger Nachwuchskräfte fördern sollen. Hier ist in erster Linie das ERP-Existenzgründungsprogramm zu nennen. Im Jahre 1974 sind aus diesem Programm 2 726 Betriebsgründungen von Nachwuchskräften mit Krediten von insgesamt 101,5 Millionen DM gefördert worden.
Darüber hinaus stellt die Bundesregierung im Rahmen ihrer Gewerbeförderung für Zwecke der Betriebsberatung im Handwerk, Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe und sonstigen Dienstleistungsgewerbe jährlich Haushaltsmittel in erheblichem Umfang zur Verbilligung der Beratungskosten zur Verfügung. Diese Förderungsmaßnahmen können auch von solchen Nachwuchskräften in Anspruch genommen werden, die eine selbständige Existenz aufbauen bzw. einen bereits bestehenden Betrieb übernehmen wollen. Im Handwerk wird ferner denjenigen, die die Meisterprüfung mit besonders gutem Erfolg abgelegt haben und eine selbständige Existenz aufbauen wollen, eine Prämie von 5 000 DM aus Mitteln der Gewerbeförderung gewährt. 1974 wurden in 97 Fällen Prämien ausgezahlt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht auch bekannt, daß die von Ihnen genannten Mittel für die zahlreichen Antragsteller nicht ausreichen, die zwar den Mut zur Selbständigkeit haben, denen aber das notwendige Kapital, sich selbständig zu machen, fehlt?
Herr Kollege, es ist bekannt, daß in
diesem Bereich ein sehr hoher Mittelbedarf besteht, dem allein aus Haushaltsgründen nicht immer Rechnung getragen werden kann. Auf der anderen Seite muß man natürlich sehen, daß es neben den Bundesprogrammen auch in den Ländern Ergänzungsprogramme gibt, die bei der Gesamtförderung nicht außer acht gelassen werden können.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann angesichts der Bedeutung dieser Angelegenheit damit gerechnet werden, daß die Bundesregierung bei kommenden Haushalten eine Erhöhung der Ansätze in Erwägung zieht?
Herr Kollege, diese Ansätze sind in den vergangenen Jahren ständig erhöht worden. Ich kann heute noch keine Aussage darüber machen, wie der Haushaltsausschuß in dieser Frage entscheiden wird. Ich bin sicher, daß entsprechende Anträge gerade auch aus den Reihen des Parlaments kommen werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidhuber.
Herr Staatssekretär, sieht sich die Bundesregierung vielleicht deshalb zu zusätzlichen Maßnahmen veranlaßt, weil in dem von ihr in Auftrag gegebenen Prognos-Gutachten festgestellt wurde, daß die Zutrittsschranken zu selbständiger Tätigkeit in der Bundesrepublik besonders hoch sind?
Herr Kollege, diese Bemerkung über die Zutrittsschranken bezieht sich weniger auf den Bereich des Handwerks, der hier angesprochen ist, sondern mehr auf den Bereich der industriellen Betriebe. Dabei ist hinzuzufügen, daß dieses Prognos-Gutachten auch unsere bisherige Auffassung bestätigt hat, daß die mittelständischen Gewerbeunternehmen nicht etwa im Rückgang begriffen sind; im Gegenteil ihre Existenzmöglichkeiten in der Zukunft werden sich nach der Erwartung des Prognos-Gutachtens noch verbessern. Richtig ist allerdings, daß durch den Kapitalaufwand, der bei Neugründungen heute erforderlich ist, die Möglichkeit für Newcomer, in den Markt einzudringen, gegenüber etwa der Zeit nach 1948 sich verschlechtert hat.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Josten auf:Ist der Bundesregierung die Broschüre der Industrie- und Handelskammer Koblenz bekannt, welche den Titel trägt: „Ich mache mich selbständig", Test und Tips für alle, die den Mut haben, sich auf eigene Füße zu stellen, und wie beurteilt sie diese Initiative?Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
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10712 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Die Bundesregierung kennt die in der Frage genannte Broschüre der Industrie- und Handelskammer Koblenz. Sie begrüßt grundsätzlich alle Initiativen der Organisationen und Verbände der Wirtschaft, Nachwuchskräften beratend zur Seite zu stehen, wenn sich diese selbständig machen wollen. Die Broschüre unterrichtet in sehr instruktiver Weise über die Möglichkeiten und über die notwendigen Schritte zur Gründung einer selbständigen Existenz. Besonders positiv ist zu bewerten, daß die Broschüre die jungen Menschen sowohl auf das unternehmerische Risiko aufmerksam macht als auch die Verantwortung aufzeigt, die sie durch die Gründung einer selbständigen Existenz künftig für sich und ihre Mitarbeiter zu tragen haben. Außerdem unterrichtet sie über die öffentlichen Finanzierungshilfen, die bei der Gründung neuer Existenzen in Anspruch genommen werden können. Die Broschüre ist eine nützliche Informationshilfe für alle, die sich selbständig machen wollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung nicht auch einen Vorteil darin, schon bei der Berufsberatung die jungen Menschen auf die Möglichkeiten hinzuweisen, sich später selbständig zu machen, wie es auch in dieser Broschüre der Industrie- und Handelskammer geschieht?
Ja, ich teile diese Auffassung. Ich könnte mir vorstellen, daß diese Broschüre — soweit das nicht schon in der täglichen Praxis der Berufsberatung geschieht; darüber habe ich im Augenblick keinen Überblick — auch in dieser Richtung Anregungen geben kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf:
Welche Länder haben sich bei den Anmeldungen der Schwerpunktorte zum 4. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nicht an die Beschlüsse des Planungsausschusses vom 21. August 1974 gehalten und in welcher Größenordnung?
Wie aus der Stellungnahme des Bundesministers für Wirtschaft hervorgeht, die zusammen mit dem Entwurf des 4. Rahmenplans den Ausschüssen für Wirtschaft, Haushalt und innerdeutsche Beziehungen vorliegt, entsprechen nach seiner Meinung hinsichtlich der Zahl der Schwerpunkte die Anmeldungen von Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Bayern nicht den Grundsatzbeschlüssen des Planungsausschusses vom 21. 8. 1974. Weiterhin hält der Bundeswirtschaftsminister bei den Länderanmeldungen von Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz die Änderung der Präferenzstruktur der Schwerpunktorte — d. h. das Verhältnis zwischen den besonders hoch geförderten Orten und der Gesamtzahl der Orte — für erforderlich.
Die erste Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz.
Herr Staatssekretär, ist zu erwarten, daß über das Überziehen in einzelnen Fällen hinaus noch weitere Länder entsprechende Zusatzkontingente nachschieben?
Dafür gibt es keine Anhaltspunkte, weil sich ja alle Länder in den Grundsatzbeschlüssen verpflichtet haben, die Zahl der Schwerpunktorte nicht zu erhöhen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wernitz.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Anmeldungen der Schwerpunktorte die zum Beispiel in Bayern immer wieder aufgestellte Behauptung, daß der Bund über die Festlegung der Schwerpunktorte entscheide und daß das jeweilige Land praktisch keinen Entscheidungsspielraum mehr besitze?
Sollte es eine solche Aussage geben, dann wäre sie nicht richtig. Es ist so, daß der Planungsausschuß gemeinsam über die Grundsätze beschließt und daß er mit überwältigender Mehrheit auch die Begrenzung der Zahl der Schwerpunktorte beschlossen hat. Die Bundesregierung entscheidet in diesem Gremium nicht allein, sondern sie benötigt für jede Entscheidung mindestens sechs Länderstimmen.
Herr Abgeordneter Wolfram!
Herr Staatssekretär! Teilen Sie meine Auffassung, daß es im Interesse der Mittel erwartenden Empfänger und aus konjunkturellen Gründen sehr dringend geboten wäre, wenn am 20. März das Programm im Planungsausschuß verabschiedet würde?
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung, und sie stützt sich dabei ja auch auf das heutige Votum des Wirtschaftsausschusses des Bundestages.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg. •
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10713
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Richtzahl des Planungsausschusses von 60 000 in geeigneten Fällen z. B. dann, wenn Städte besondere Schwierigkeiten haben oder in der Nähe des Zonenrandes liegen unterschritten werden sollte? Ist das eine Meinung, die im Planungsausschuß auch durch die Bundesregierung vertreten wird?
Die Begrenzung der Zahl der Schwerpunktorte ist ein Grundsatzbeschluß. Aber dieser Grundsatzbeschluß läßt selbstverständlich Spielraum für Fälle, die von besonderer Bedeutung sind. Auch darüber bestand im Planungsausschuß Einigkeit. Nicht jede Überschreitung des Anmeldungskontingents bedeutet also gleichzeitig auch eine Verletzung des Grundsatzbeschlusses. Der Planungsausschuß muß hierüber aber jeweils im Einzelfall entscheiden.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf:
Wie hoch wäre der finanzielle Mehrbedarf — gemessen an den Beschlüssen vom 21. August 1974 —, wenn alle jetzt angemeldeten Schwerpunktorte einbezogen würden, und sind Bundesregierung und Länder bereit, den seinerzeitigen Beschluß entsprechend zu revidieren?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Frage nach dem finanziellen Mehrbedarf läßt sich einerseits nicht - wie gewünscht — präzise beantworten, weil die verfügbaren Haushaltsmittel des Bundes vorgegeben und bisher nicht entsprechend den zu erreichenden Zielen fixiert werden. Die Haushaltsmittel müßten aber an den zu erreichenden Arbeitsplatz- und Einkommenszielen und nicht an der Zahl der Schwerpunktorte orientiert werden, denn das Schwerpunktprinzip ist ein Instrument zur Erreichung der genannten Ziele. Andererseits steigen natürlich mit der Zahl der Schwerpunktorte das Risiko und die Belastung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden bei Infrastrukturinvestitionen, die sich mangels konzentrierter Schwerpunktauswahl als nicht auslastbar erweisen können. Insofern bewirkt eine zu große Zahl von Schwerpunktorten eine auf Dauer erhebliche zusätzliche Belastung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben sich jene Länder — ich nehme jetzt auf Ihre Antwort auf die erste Frage Bezug —, die ihr Schwerpunktkontingent — gemessen an den Kriterien vom 21. August 1974 überzogen haben, in irgendeiner Form bereit erklärt, entstehende Mehrkosten entweder direkt oder indirekt mit zu tragen?
Herr Kollege, diese Anmeldungen
werden am 20. März Gegenstand der Verhandlungen im Planungsausschuß sein. Ich nehme nicht an, daß diese Verhandlungen etwa an dieser Frage scheitern werden, weil klar ist, daß auf jeden Fall ein Kompromiß erstrebt wird, der — das muß ich mit großem Nachdruck sagen - den gemeinsam gefaßten Grundsatzbeschlüssen Rechnung tragen wird.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gerade in bezug auf Ihre letzte Antwort stellt sich folgende Frage: Wäre bei der Zahl der Schwerpunktorte nicht die Erweiterung des Spielraums nach oben berechtigt, insbesondere wenn man an die spezifischen Wirtschafts- und Infrastrukturprobleme in den Flächenstaaten denkt? Wird die am 20. März auch mit in den Kompromiß eingehen, den Sie soeben angesprochen haben?
Diese Überlegungen waren schon bei der Fassung des Grundsatzbeschlusses Gegenstand der Erörterungen, und es bestand Übereinstimmung, daß eine Ausweitung generell nicht erwünscht ist. Daß die Frage bei Flächenstaaten von der Zahl der Schwerpunktorte her selbstverständlich besonders zu bewerten ist, ist zuzugeben. Trotzdem war die Mehrheit von Bund und Ländern der Meinung, daß es keine generelle Ausweitung geben dürfe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hösl.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß klare Kriterien den Schwerpunktort begründen, und ist die Zahl der Schwerpunktorte letztlich nicht von der Erfüllung dieser Kriterien abhängig?
Nein, das ist nicht der Fall, Herr Kollege. Klare Kriterien bestimmen zwar den Schwerpunktort; gleichzeitig wird aber auch durch eine Begrenzung der Zahl der Schwerpunktorte eine obere Grenze gesetzt. Es ist Sache des einzelnen Landes, sich im Rahmen der gesetzten Grenze zu entscheiden, welche Schwerpunktorte dann tatsächlich in die Förderung einbezogen werden.
Die letzte Zusatzfrage stellt der Herr Abgeordnete Niegel.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß z. B. die von Bayern angemeldeten 114 Schwerpunktorte — also so viel, wie es bisher waren — angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung die Zahl der Schwerpunktorte auf 85 herabsetzen will, eine Ausweitung der Zahl der Schwerpunktorte darstellen? Ist die Bundesregierung des weiteren der Meinung, daß die Beibehaltung von 114 Schwerpunktorten eine Ausweitung des finanziellen Volumens bedeuten würde?
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10714 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Herr Kollege Niegel, Sie haben die Gelegenheit der Zusatzfrage nicht nur zu mehreren Zusatzfragen benutzt, sondern sich darüber hinaus leider auch nicht an die ursprünglich eingereichte Frage gehalten. Ich bedauere daher, diese Frage nicht zulassen zu können.
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Sind der Bundesregierung die Bemühungen des Verlegers Axel Springer bekannt, den Staat Persien an der Springer Verlags AG direkt oder indirekt zu beteiligen, und welche Konsequenzen können sich aus solchen Beteiligungen ausländischer Staaten an deutschen Pressekonzernen auf Grund der medienpolitischen Zielsetzung der Bundesregierung ergeben?
Die dem ersten Teil Ihrer Frage zugrunde liegende Annahme hat der Vorstand der Axel Springer Verlags AG schriftlich dementiert.
Was den zweiten Teil Ihrer Frage anlangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß eine einflußgebende Beteiligung eines ausländischen Staates an einem deutschen Pressekonzern schon deshalb als höchst bedenklich anzusehen wäre, weil die Presse von staatlichem, auch von fremdstaatlichem Einfluß frei sein muß, um ihre Aufgabe unabhängig wahrnehmen zu können, an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken. Die Bundesregierung geht davon aus, daß auch die ausländischen Staaten den politischen Rang dieses Aspektes sehen.
Im übrigen unterläge der Erwerb einer einflußgebenden Beteiligung von 25 % oder mehr an einem Pressekonzern der angesprochenen Größenordnung der geltenden Fusionskontrolle.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nach den Erfahrungen, die der Chef Ihres Hauses mit dem Springer Konzern schon gemacht hat, ohne weiteres glaubwürdig, wenn die z. B. im „Stern" enthaltenen Angaben vom Springer Verlag dementiert werden?
Herr Kollege, ich weiß nicht, auf welche Erfahrungen Sie anspielen. Ich kann nur noch einmal deutlich machen, daß ein klares Dementi der. Springer AG vorliegt.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darüber aufklären, daß dem Kontaktmann für die Gespräche mit dem Schah von Persien mit dem Ziel einer Unternehmensbeteiligung im Vergleich 200 000 DM im Auftrage von Herrn Springer angeboten worden sind, und halten Sie das Dementi in Anbetracht dieses Umstandes noch für so glaubwürdig, wie Sie es bisher hielten, trotz der Erfahrungen, über die ich Sie nachher gerne noch einmal im einzelnen aufklären würde?
Herr Kollege, ich kenne diese „Stern"-Veröffentlichung, und ich kann nur sagen, daß dieses Dementi der Springer AG Grundlage meiner Antwort an Sie ist.
Der Abgeordnete Dr. Jobst hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 48 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Welche Folgen haben die Kreditzusagen des britischen Premierministers in Moskau auf die Bemühungen der westlichen Industrieländer, die Exportförderung zu begrenzen, und wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen dieses Alleinganges auf die Verhandlungsposition jener Länder gegenüber der Sowjetunion?
Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung sieht den vom britischen Premierminister mit der Sowjetunion für die nächsten fünf Jahre vereinbarten Exportkreditrahmen von rund 6 Milliarden DM nicht als Überraschung oder Alleingang an. Dieses Verfahren der Vereinbarung von mehrjährigen Kreditrahmen für Investitionsgüterexporte wird seit vielen Jahren von Großbritannien, Frankreich, Italien und neuerdings auch Japan praktiziert. Derartige Abkommen sind deshalb Teil der normalen weltweiten Exportfinanzierungssysteme dieser Länder.
Diese Systeme unterscheiden sich von unserem System dadurch, daß der Staat für Exportkredite nicht nur — wie auch wir Bürgschaften übernimmt, sondern darüber hinaus die Bereitstellung der Finanzierungsmittel zu einem festen subventionierten Zinssatz unterstützt und sicherstellt.
Die Verhandlungsposition der westlichen Industrieländer bzw. ihrer Exportfirmen wird durch das britisch-sowjetische Exportkreditabkommen - gemessen an der Vergangenheit allerdings - nicht geschwächt, sondern im Prinzip sogar gestärkt, da der von der Sowjetunion lange Jahre bei 6 bis 6,5 % gehaltene Zinssatz jetzt auf 7 bis 7,5 % hinaufgedrückt worden ist.
Wir bedauern allerdings, daß der Mindestzinssatz von 7,5 %, den die großen westlichen Exportländer im Rahmen ihrer noch laufenden Bemühungen um eine Begrenzung der Exportförderung im Oktober 1974 grundsätzlich vereinbart haben, leicht unterschritten wurde. Zuzugeben ist der britischen Regierung jedoch, daß sie hiermit lediglich dem Beispiel gefolgt ist, das die französische Regierung im Dezember 1974 mit ihrem mit der Sowjetunion vereinbarten Kreditrahmen von ebenfalls 6 Milliarden DM gegeben hat.
Eine Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10715
Herr Staatssekretär, ist diese Praxis nach Auffassung der Bundesregierung — bei hinreichend genauer Auslegung — mit den Vereinbarungen im Rahmen der OECD vereinbar?
Herr Kollege, wir bemühen uns, zu neuen internationalen Vereinbarungen zu kommen. Aber im Augenblick steht dieser Praxis keine zwingende rechtliche oder vertragliche Verpflichtung entgegen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Schneider hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen 50 und 51 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich schlage vor, Herr Staatssekretär, daß Sie die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidhuber verbinden, damit der Abgeordnete Schmidhuber möglicherweise noch eine Gesamtantwort erhält. Ich rufe also die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Schmidhuber auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß das Projekt einer deutschiranischen Gemeinschaftsraffinerie gescheitert ist?
Aus welchen Gründen kann das Projekt nicht realisiert werden?
Ich gebe dem Herrn Staatssekretär das Wort zur Beantwortung.
Die iranische Seite hatte den deutschen Gesellschaften Mitte Januar in Teheran neue Vertragsgrundsätze unterbreitet, die einmal die zwischenzeitlich von der OPEC für die Rohölpreisfindung erarbeiteten Leitlinien sowie die Auswirkungen des im Herbst 1974 im Iran erlassenen neuen Petroleumsgesetzes berücksichtigen sollten. Gleichzeitig wurde die bisherige Forderung nach einem garantierten Raffineriegewinn aufgegeben. Statt dessen sollte sich der Preis für die Produkte der Raffinerie nach den Notierungen im Persischen Golf richten.
Die letzte Runde von Verhandlungen über diese neuen iranischen Vorschläge fand am 25. Februar 1975 in Teheran statt. Die Überprüfung der neuen iranischen Vorschläge durch die deutschen Gesellschaften hat ergeben, daß auf dieser Grundlage eine Wirtschaftlichkeit des Projektes, die von beiden Seiten als Voraussetzung für eine Realisierung des Raffinerievorhabens angesehen wird, nicht erreicht werden kann. Entscheidend hierfür ist, daß die Standortnachteile dieser Exportraffinerie nicht durch sonstige Vorteile, z. B. beim Rohölpreis oder bei der Raffinerieverarbeitung, ausgeglichen werden können.
Um ein wirtschaftlich gesundes Projekt zu entwickeln, haben die deutschen Gesellschaften daher in der Sitzung vom 25. Februar dieses Jahres einen Gegenvorschlag unterbreitet, der das Projekt für beide Seiten wirtschaftlich tragbar machen soll. Eine Stellungnahme der iranischen Seite zu diesem Gegenvorschlag steht noch aus. Sie wird im Laufe dieses Monats erwartet.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie angesichts des von Ihnen geschilderten Verhandlungsstandes die Erfolgsaussichten der Verhandlungen?
Herr Kollege, es ist sehr schwer, darauf eine Antwort zu geben. Beide Seiten gehen von der Wirtschaftlichkeit des Projekts aus. Die deutschen Verhandlungspartner haben ihre Vorstellungen zur Wirtschaftlichkeit dargelegt. Wir sind einfach darauf angewiesen, nunmehr die iranischen Gegenäußerungen zu diesen Vorschlägen abzuwarten.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Rolle spielt bei den Verhandlungen die Tatsache, daß Mineralölprodukte einem gemeinsamen EWG-Außenzoll unterliegen?
Auch diese Frage spielt selbstverständlich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung eine wichtige Rolle. Wenn eine Zollbefreiung für solche Produkte von der EWG abgelehnt wird, dann ist die wirtschaftliche Basis zusätzlich erschwert.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen.
Ich möchte Sie nur noch einmal bitten, vor allem auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung bei Zusatzfragen zu achten, um die Abwicklung zu erleichtern.
Ich rufe nunmehr als Punkt 2 der heutigen Tagesordnung den Zusatzpunkt auf:
Abgabe einer Regierungserklärung zur ersten Tagung des Europäischen Rates in Dublin am 10. und 11. März 1975
Das Wort hat Herr Bundesaußenminister Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die irische Hauptstadt war zum erstenmal Schauplatz eines Treffens der Regierungschefs und der Außenminister der Europäischen Gemeinschaft. Dieser Europaische Rat, der erste nach der in Paris im Dezember des letzten Jahres beschlossenen Formel, ist gestern abend erfolgreich zu Ende gegangen. Das beherrschende Thema der Konferenz war, wie nicht anders zu erwarten, die Sicherung der britischen Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft.
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10716 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Bundesminister GenscherIm Deutschen Bundestag hat seit eh und je volles Einvernehmen darüber bestanden, daß Großbritannien zu Europa gehört und seine volle Mitarbeit beim Bau dieses Europa notwendig ist. Ich erinnere nur an die einstimmige Verabschiedung der Beitrittsakte, die ein Beweis dafür ist, daß die Europapolitik der Bundesregierung von einer breiten Zustimmung in unserem Land getragen wird.Wir haben in Dublin gemeinsam eine große Anstrengung unternommen, um die beiden noch offenen Fragen zu klären, die unserem britischen Partner Sorgen bereiten: ich meine die britische Finanzbelastung und die Frage der Handelsbeziehungen in bestimmten Bereichen zwischen Neuseeland und der Gemeinschaft über das Jahr 1977 hinaus. Beide Fragen sind keine neuen Probleme für die Gemeinschaft, und wir haben in beiden Fragen in Dublin schließlich befriedigende Ergebnisse finden können.Zentrale Entscheidungsfrage für die erste Tagung des Europäischen Rates war die Einführung eines Korrekturmechanismus zum Ausgleich der Finanzbelastung eines Mitgliedstaates, der sich in einer — wie es heißt — unannehmbaren Situation befindet. Sie kennen den Vorschlag der Kommission, meine Damen und Herren, der in dankenswert rascher und gründlicher Arbeit nach den Leitlinien des letzten Pariser Gipfels erarbeitet wurde. Die zuständigen Ausschüsse des Hohen Hauses haben darüber schon eine erste Aussprache führen können.Die Bunderegierung hatte in der Sitzung des Ministerrats am 10. und am 11. Februar 1975 ihre Verhandlungsprinzipien für die Beratungen über die britischen Wünsche dargelegt. Danach sollte der Korrekturmechanismus drei Erfordernissen, die gleichermaßen bedeutungsvoll sind, Rechnung tragen.Erstens. Das System der eigenen Mittel, d. h. die gemeinschaftliche Finanzverfassung, sollte gewahrt bleiben.Zweitens. Unannehmbare Situationen sollten verhindert werden, um damit das von uns allen gewünschte Verbleiben Großbritanniens in der Gemeinschaft zu erleichtern.Drittens. Die finanzielle Leistungsfähigkeit auch derjenigen Mitgliedstaaten, die zusätzlch belastet werden, sollte Berücksichtigung finden.Das in Dublin gefundene Ergebnis ist — gemessen an diesen Prinzipien — als voll befriedigend anzusehen.Die Verhandlungen fanden auf der Grundlage des Kommissionsvorschlages statt. Im Sinne unserer Verhandlungsziele hatte der Bundeskanzler nacheinander drei konkrete Vorschläge eingeführt: erstens ein Modell, das die Rückerstattungsbeträge auf der Basis der Mehrwertsteueranteile an den Eigenmitteln der Gemeinschaft berechnete und zugleich degressiv auch Anteile an Zöllen und Abschöpfungen einbezog; zweitens ein Modell, bei dem die in dem Kommissionsvorschlag für die Rückerstattung vorgesehene 2/3-Grenze durch eine Neubestimmung der Gleitskala ersetzt werden sollte; ein drittes Modell schließlich: Festsetzung eines vorher zahlenmäßig festgelegten Plafonds für die Rückerstattung anStelle der 2/3-Grenze. Dieses letzte Modell ist dann, modifiziert durch einen von Belgien und Luxemburg mitgetragenen Vorschlag des französischen Staatspräsidenten, die Grundlage für die Einigung gewesen.Meine Damen und Herren, ich habe Anlaß, hier namens der Bundesregierung diese Initiative des französischen Staatspräsidenten, die schließlich die Einigung ermöglicht hat, besonders hervorzuheben.
Die Einigung sieht wie folgt aus: Für den Korrekturmechanismus sind als Höchstbetrag 250 Millionen Rechnungseinheiten vorgesehen. Sobald jedoch der Betrag des Gemeinschaftshaushalts von 8 Milliarden Rechnungseinheiten überstiegen wird, wird dieser Höchstbetrag auf ein Niveau festgelegt, das 3 % der gesamten Haushaltsausgaben darstellt.Es wurde ferner eine weitere Änderung des Kommissionsvorschlages beschlossen. Falls sich zeigt, daß die laufende Zahlungsbilanz des betreffenden Landes, ausgehend von einem über drei Jahre festgestellten gleitenden Durchschnitt, einen Überschuß aufweist, betrifft die Korrektur nur noch den Mehrwertsteueranteil dieses Landes.Ich möchte hervorheben, daß diese gefundene Lösung unseren finanziellen Belangen, d. h. unserer eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit, in angemessener Weise Rechnung trägt. Sie verhindert vor alle eine nicht überschaubare Ausuferung. Varianten, die eine Anpassung der Höchstgrenze der Erstattung an die Preisentwicklung vorsehen, haben wir abgelehnt, weil das praktisch einer Indexierung gleichgekommen wäre. Die Ausrichtung am Haushaltsvolumen der Europäischen Gemeinschaft, auf das wir ja Einwirkungsmöglichkeiten haben, ist demgegenüber in jeder Hinsicht die bessere, die überschaubarere und vor allem in ihren Auswirkungen von uns zu beeinflussende Lösung.Die zweite wesentliche Entscheidung im Zusammenhang mit der britischen Mitgliedschaft betraf die Frage einer über 1977 hinausgehenden engen Verbindung Neuseelands mit der Gemeinschaft, konkret gesprochen: die Sicherung des weiteren Zugangs von neuseeländischer Butter zum britischen Markt, zu dem aus Neuseeland traditionelle Handelsströme fließen. Hier hat der Rat eine befriedigende Lösung in Form einer politischen Absichtserklärung gefunden. Sie basiert letztlich auf einem deutschen Entwurf. Dabei haben wir Gespräche verwertet, die wir anläßlich des Besuchs des neuseeländischen Ministerpräsidenten hier in Bonn geführt haben.Die sogenannten Neuverhandlungen — ein britischer Ausdruck — mit Großbritannien haben damit in Dublin ihren Abschluß gefunden. Das ist das politisch entscheidende Ergebnis der ersten Tagung des Europäischen Rates.Hervorzuheben ist, daß alle Lösungen im Rahmen der üblichen Gemeinschaftsverfahren erarbeitet worden sind. Das war auch die Voraussetzung, unter der wir — noch unter deutscher Präsidentschaft — im ersten Halbjahr 1974 die Diskussion über die
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Bundesminister Genscherbritischen Wünsche begonnen haben. Die jetzt gefundenen Lösungen entsprechen den Regeln unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Sie haben in einem wesentlichen Punkt, nämlich der Vermeidung einer unannehmbaren Situation eines Mitgliedstaates, ein weiteres Element der gemeinsamen Solidarität hinzugefügt. Damit hat die Gemeinschaft erneut gezeigt, daß sie auch in schwierigen Situationen flexibel genug ist, die Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten im Geiste realistischer Kompromisse miteinander in Einklang zu bringen.Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß das auch in Großbritannien so gesehen und verstanden werden wird. Die Bundesregierung hat begrundete Hoffnung, daß die Unsicherheit, mit der die Zukunft der britischen Mitgliedschaft in der letzten Zeit belastet war, bald der Vergangenheit angehören wird. Der entsprechende Beschluß des britischen Kabinetts, dem der britische Premierminister das. Ergebnis von Dublin unterbreiten wird, soll nächste Woche fallen. Es ist dann Sache des britischen Volkes, das letzte Wort zu sprechen. Wir vertrauen dabei auf den sprichwörtlichen common sense des britischen Volkes und damit auf sein Ja zu Europa.
Wir, die Bundesrepublik Deutschland, konnten und können Großbritannien die Entscheidung nicht abnehmen. Aber wir haben getan, was wir tun konnten, um Großbritannien eine positive Entscheidung zu erleichtern.
Wir haben das im europäischen Interesse und damit auch im eigenen Interesse getan.Mit Befriedigung können wir heute feststellen, daß die Arbeit der Gemeinschaft durch die monatelangen Verhandlungen über die britischen Forderungen nicht gehemmt wurde. Auch das hatten wir unter unserer Präsidentschaft zur Voraussetzung dieser Erörterungen gemacht. Als Beweise seien nur einige Entscheidungen genannt, die in den letzten Monaten getroffen wurden:Erstens Stärkung der Stellung und der Befugnisse des Europäischen Parlaments, Treffen der Regierungschefs und Außenminister im Europäischen Rat zur Behandlung von Themen der Gemeinschaft und der Europäischen Politischen Zusammenarbeit,zweitens konkrete Fortschritte in der europäischen Regionalpolitik und in zunehmend koordinierten, aufeinander abgestimmten Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten mit Schwerpunkt auf der Inflationsbekämpfung,drittens fristgerechte Verabschiedung der Agrarpreise und Inangriffnahme der Bestandsaufnahme über die gemeinsame Agrarpolitik,viertens Fortschritte im Bereich der Außenbeziehungen der Gemeinschaft, insbesondere das Abkommen von Lomé mit den 46 afrikanischen, karibischen und pazifischen Entwicklungsländern, Verabschiedung des GATT-Mandats, die fast unterschriftsreifen neuen Mittelmeerabkommen und die Vollendung der gemeinsamen Handelspolitik gegenüber den Staatshandelsländern, schließlich die kontinuierliche Fortschreibung der gemeinsamen Haltung der Neun in der KSZE und die abgestimmte Diplomatie der Neun in der Zypern-Frage, bei den Vereinten Nationen sowie bei den Bemühungen zur Verwirklichung des europäisch-arabischen Dialogs.Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß Großbritannien in allen diesen Fragen unbeeinflußt von den Verhandlungen konstruktiv mitgewirkt hat.Ein weiterer wichtiger Beratungsgegenstand von Dublin waren die europäische und die internationale Energiepolitik und damit zusammenhängende Fragen am Vorabend der internationalen Energiekonferenz. Der gemeinsame Wille ist bekräftigt worden, auf die durch die Energieproblematik aufgeworfenen vielschichtigen Fragen außenpolitischer, weltwirtschaftlicher, monetärer und entwicklungspolitischer Art gemeinsame Antworten zu finden. Es bestand Einigkeit, daß eine Gesamtschau notwendig ist, wenn die angestrebte Konzertierung unter Verbraucherländern und der bevorstehende Dialog mit den Erzeugerländern fruchtbare Ergebnisse zeitigen sollen.Vor diesem Hintergrund ist auf Vorschlag des Bundeskanzlers ein besonderer Ad-hoc-Ausschuß aus hohen Regierungsvertretern und Vertretern der Kommission gebildet worden, der in der Perspektive des Dialogs mit anderen Verbraucherländern und den Erzeugerländern die Gesamtthematik aufbereiten und dem Rat Vorschläge zur Beschlußfassung vorlegen soll. Darin dokumentiert sich die Entschlossenheit der Gemeinschaft, auch in diesem wichtigen Bereich gemeinsam zu handeln und ihren Beitrag zur Bewältigung der uns allen gestellten drängenden Probleme zu leisten. Der Europäische Rat ist darüber hinaus übereingekommen, zur Vorbereitung der kommenden Konferenz erneut zusammenzutreten.Meine Damen und Herren, auf dieser ersten Sitzung des Europäischen Rats wurden neben den Wirtschafts-, Finanz- und Energiefragen auch aktuelle Themen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit erörtert. Darin kam die umfassende Zuständigkeit des Europäischen Rates zum Ausdruck, wie sie im Kommuniqué des Dezembertreffens der Regierungschefs und der Außenminister der Neun festgelegt worden war. Angesichts der jüngsten Entwicklung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Kommissionen seit eineinhalb Jahren in Genf an einem umfassenden Dokument über die Verbesserung des Zusammenlebens der Staaten, Völker und Menschen in Europa arbeiten, erörterte der Europäische Rat die gemeinsame Haltung der Neun zu den Zielen und Aussichten der Entspannungspolitik. Die Auffassung der Bundesregierung, daß die Rahmenbedingungen und die Interessenlagen, die der Entspannungspolitik zugrunde liegen, unverändert fortbestehen, wurde von allen EG-Partnern geteilt. Alle Regierungschefs und Außenminister stimmten darin überein, daß es notwendig ist, die gemeinsame Konzeption der Neun zur Entspannung und Sicher-
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Bundesminister Genscherheit in Europa fortzuentwickeln und zu vertiefen. Die Genfer Konferenz soll dabei eine erste wichtige Debatte sein.Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, daß Meldungen über angebliche Gesprächsthemen, die auch persönliche Aspekte von Staatsmännern auf der anderen Seite angehen, falsch sind.Meine Damen und Herren, die Diskussionen in Genf haben inzwischen einen Reifegrad erreicht, der es möglich macht, den Abschluß der Arbeiten ins Auge zu fassen. Zwar ist noch viel zu tun, um erzielte Annäherungen in Formulierungen zu konkretisieren, die alle 35 Teilnehmerstaaten akzeptieren können. Auch sind in einigen wesentlichen Punkten Kompromisse nicht in Sicht; ich nenne hier vor allem den Bereich der vertrauensbildenden Maßnahmen im militärischen Bereich. Aber es sind in der letzten Zeit substantielle Fortschritte erzielt worden, die den Europäischen Rat in Dublin veranlaßt haben, sich in einer Erklärung für einen möglichst raschen Abschluß der Arbeiten in Genf auszusprechen. Ich möchte hier ausdrücklich hervorheben, daß sich diese Fortschritte auch auf Themen beziehen, die gerade vom Standpunkt der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland besondere Bedeutung haben. In der Deklaration wird festgestellt — und ich zitiere jetzt wörtlich —:Die Regierungschefs äußern den Wunsch, daß alle Teilnehmerstaaten mit der gleichen Entschlossenheit wie sie selbst die erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um in allen auf der Tagesordnung stehenden Themen ausgewogene und zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Dadurch würde es möglich, den Abschluß der Konferenz in kurzer Frist und auf höchster Ebene in Aussicht zu nehmen.Neben der vertrauenfördernden und friedensichernden Funktion sehen die neun Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in der Entspannungspolitik vor allem ein Instrument, um, wie es in der KSZE-Erklärung von Dublin heißt, zwischen den Staaten und den Völkern Beziehungen zu entwickeln, in denen den Menschen ein wichtiger Platz eingeräumt wird. Hier auch im praktischen Leben Fortschritte zu erzielen wird für die Zukunft der Ost-West-Beziehungen in Europa entscheidend sein. In diesem Sinne haben die Regierungschefs und Außenminister der Neun in Dublin ihren Willen bekräftigt, ihre gemeinsame Politik der Entspannung und Zusammenarbeit in Europa fortzuführen und auszubauen.Das Treffen gab ferner Gelegenheit, über aktuelle Fragen der internationalen Politik Meinungen auszutauschen. In der Zypern-Frage bestätigten die Regierungschefs die von den Außenministern am 13. Februar festgelegte gemeinsame Haltung, die Frankreich, Großbritannien und Italien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Grundlage ihrer allseits positiv gewürdigten Ausgleichsbemühungen gemacht haben. Die Neun treten für die Respektierung der Souveränität, der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität der Republik Zypern ein undwollen sich weiter in den Vereinten Nationen und auf direkte Weise für einen Erfolg der Gespräche zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen in Zypern einsetzen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend die Erfahrungen würdigen, die wir mit der ersten Tagung des Europäischen Rates gemacht haben. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Form der Treffen der Regierungschefs und Außenminister, die an die Stelle früherer Gipfelkonferenzen getreten ist, ihre Feuerprobe bestanden hat. Hierfür gebührt zunächst der irischen Präsidentschaft ein Wort des Dankes. Die hervorragende Organisation hat zum Erfolg der Tagung in erheblichem Umfang beigetragen.Im Europäischen Rat ist die früher so oft als hinderlich empfundene Trennung zwischen Gemeinschaftsmaterien und Materien der Europäischen Politischen Zusammenarbeit aufgehoben. Die Dinge sind, wie es auf dem Pariser Gipfel beschlossen wurde, in einer globalen Sicht behandelt worden. Konkrete Entscheidungen wurden getroffen. Dabei war die Europäische Kommission — ebenso wie die Regierungen — durch zwei Mitglieder vertreten, und zwar durch den Präsidenten und den Vizepräsidenten Haferkamp. Die erforderlichen Sekretariatsfunktionen wurden gemeinsam von der irischen Präsidentschaft und dem Generalsekretariat des Rates der EG wahrgenommen. Dabei ergab sich insgesamt eine optimale Arbeitsteilung und Zusammenarbeit. Das Klima der Tagung war vertrauensvoll, sachlich und konstruktiv.Meine Damen und Herren, die Europäische Gemeinschaft verfügt in dem Rat der Regierungschefs und Außenminister nach dem Urteil der Bundesregierung über ein Instrument, das der Weiterentwicklung des europäischen Einigungswerkes kräftige Impulse geben kann. Die Bundesregierung ist entschlossen, daran mit allen Kräften mitzuwirken. Für uns ist und bleibt die Europapolitik zentrale Aufgabe unserer Außenpolitik.
Ich danke dem Herrn Bundesaußenminister und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Amrehn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidungen, die der Europäische Rat gestern in Dublin getroffen hat, setzen in mehrfacher Hinsicht Richtpunkte für die kommende Entwicklung. Unleugbar besteht die wesentliche Entscheidung darin, daß durch die Einigung der acht anderen Mitglieder mit Großbritannien die Zweifel behoben worden sind, ob Großbritannien weiter Mitglied des Gemeinsamen Marktes bleibt oder nicht.Wenn der britische Premierminister Wilson gestern auch noch zögerte, sich zu dem Erfolg zu äußern, den er heimbringt, steht doch nunmehr fest, daß sich auch die Labour-Regierung für das Verblei-
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Amrehnben Großbritanniens im Gemeinsamen Markt einsetzt, und damit dürfte auch das Referendum positiv entschieden werden. Ich meine, daß den Europäern damit eine große Sorge genommen wird.
Das Ausscheiden Großbritanniens hätte nicht nur die Mitgliederzahl auf acht reduziert, sondern der eingespielte Marktmechanismus wäre so entscheidend getroffen worden, daß sich weder der Zustand vor dem Beitritt wieder hätte herstellen lassen noch der Zusammenhalt der übrigen Mitglieder für die Zukunft gewährleistet wäre. Deshalb ist der Tag von Dublin ein Markierungspunkt. Er ist es auch deshalb, weil die Verständigung im Rahmen der Verträge möglich gewesen ist und nicht etwa durch eine Änderung der Beitrittsverträge.Indem wir dies aussprechen, möchten wir von der CDU/CSU-Fraktion trotzdem feststellen, daß die Europäische Gemeinschaft nicht noch einmal einer Belastungsprobe ausgesetzt werden darf, wie sie durch die Methoden der Wilson-Regierung kürzlich oder schon vor Monaten bis zu dieser Stunde herbeigeführt worden ist.
Es ist nicht unsere Sache, darüber zu befinden, ob die britische Regierung ihre Entscheidungen einem Referendum unterwerfen will oder nicht. Sehr wohl aber ist es unsere Sache, wenn durch die Art des britischen Vorgehens und die damit verbundenen Ungewißheiten für rund ein Jahr lang die aktuelle Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft behindert und die Wirkungsmöglichkeit für die Zukunft beschnitten wird. Machte das Beispiel Schule, gerieten wir in einem Prozeß der Rückschritte und der Lähmung, den sich keine europäische Nation mehr für die Zukunft leisten kann.
Wir hoffen, daß mit der gestrigen Entscheidung die bisherigen Barrieren wirklich fortgeräumt worden sind und keine neuen errichtet werden, daß keine Nachforderungen kommen, daß nicht das Gelingen des einen Males zum wiederholten Male einlädt.Wir sagen dies auch nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß die Zusicherung an Großbritannien, über 1977 hinaus Butter aus Neuseeland zu Sonderbedingungen einführen zu dürfen, in diametralem Gegensatz zu den Problemen des Agrarmarktes der Gemeinschaft steht, jedenfalls auf dem Sektor des Milchmarktes.
Wir sind sehr zuversichtlich, daß mögliche Schwierigkeiten, die es in der Zukunft geben mag, mit Hilfe des Korrekturmechanismus beseitigt werden können, und das ist die zweite Markierungsstelle, die wir für Dublin festhalten müssen. Wir wollen heute die Einzelheiten dieses Korrekturmechanismus nicht durchdringen. Seine Methoden der Berechnung sind auch für Mathematiker durchaus schwierig. Aber wir möchten unterstreichen, daß wir es für gut halten, wenn es der Regierung gelingen konnte, den Höchstbetrag für die Hilfen, die daraus fließen, festzusetzen und damit die Interessen aller Seiten auf Grund von festen Entscheidungselementen zu wahren, und zwar nicht nur für Großbritannien, sondern für alle Mitglieder der Gemeinschaft.Wir fügen hinzu, daß es auch gut ist, wenn die Entscheidungselemente jedenfalls keine Rücksicht auf die nationalen Preisentwicklungen nehmen. Hier sind wir sogar dankbar dafür, daß eine solche Überlegung — die es immerhin gegeben hat — für die künftigen Berechnungen außer Betracht bleibt und wir nicht noch mit in den Bereich weiterer Inflationierung geraten, die sich außerhalb unserer Grenzen möglicherweise stärker als bei uns weiterentwickelt.Voraussetzung für die Ingangsetzung des Korrekturmechanismus ist aber eine „unannehmbare Situation für ein Mitgliedsland". Hier vermissen wir, Herr Bundesaußenminister, in Ihren Ausführungen allerdings die Beantwortung der Frage: Was ist denn eine unannehmbare Situation für ein Mitgliedsland? Können Sie uns das schon erläutern? Oder ist das noch ein Vorbehalt für weitere Beratungen?Der dritte Richtpunkt der gestrigen Entscheidung besteht darin — hier möchte ich unterstreichen, was der Bundesaußenminister gesagt hat —, daß der Europäische Rat als Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft mit der höchstmöglichen Kompetenz getagt und entschieden hat, die im Augenblick in Europa überhaupt möglich ist. Der Unterschied zur Gipfelkonferenz bestand eben darin, daß nicht lediglich große Leitsätze verkündet wurden, die aber ohne Ausfüllung bleiben, sondern daß gestern konkrete Entscheidungen getroffen worden sind. Insofern hat sich der Europäische Rat in der Tat als ein geeignetes Instrument erwiesen, Europa in dem augenblicklichen Krisenzustand wenigstens wieder ein ganz kleines Stück voranzubringen, wobei ich nicht unterbewertet sehen will, daß Großbritannien überhaupt Mitglied bleibt.Es bleibt ein vierter Richtpunkt der gestrigen Entscheidungen zu erwähnen. Wir möchten es ausdrücklich als einen Fortschritt begrüßen, daß gestern im Europäischen Rat erstmals und auf einer einzigen Tagung Fragen des Gemeinsamen Markts und Fragen der politischen Zusammenarbeit in einem Gremium behandelt und daß darüber gemeinsam Beschlüsse gefaßt werden konnten. Wir sind zuversichtlich, daß damit die Behandlung europäischer Fragen jeder Art in Zukunft erleichtert wird und daß damit der Gesamtzusammenhang all dieser Fragen besser gewahrt werden kann.Von unserer Regierung erwarten wir jetzt aber, daß sie die neuen Möglichkeiten voll ausschöpft, daß sie Initiativen ergreift, um keinen neuen Stillstand eintreten zu lassen, daß sie sich insbesondere für die Stärkung und Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments und für die Durchsetzung der Absicht direkter Wahlen noch im Jahre 1978 nach Kräften verwendet oder, wenn das nicht erreichbar ist, den ersten Schritt zur nationalen
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AmrehnDirektwahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments nach dem Vorschlag tut, den die CDU/CSU-Fraktion diesem Hause vorgelegt hat.
Der Minister hat mit Recht auch an konkrete Fortschritte in der Regionalpolitik erinnert. Diese Fortschritte lassen sich gar nicht anzweifeln. Aber unbeantwortet ist noch immer die Frage, in welcher Weise denn die zweckentsprechende Verwendung der von uns zur Verfügung gestellten Mittel und die Erfolgskontrolle der Verwendung dieser Mittel herbeigeführt werden. Die Bundesrepublik Deutschland wird in dieser und anderen Fragen auf Grund ihres Sozialprodukts der Hauptfinanzier bleiben, und wir wollen es auch, wenn damit Europa wirklich gebaut werden kann und vorankommt. Aber wir wollen nicht, daß mit den Mitteln, die in Milliardenhöhe bereitgestellt werden, nur Löcher gestopft werden und wir nicht wissen, wie diese Mittel verwendet werden. Dafür, daß diese Mittel auch zu europäischen Erfolgen führen, vermissen wir die Sicherungen.
Lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen. Wenn die Bundesrepublik Deutschland bereit ist, um der Zusammenführung der europäischen Nationen willen einen ganz wesentlichen finanziellen und politischen Beitrag zu leisten, kann das nicht als Einbahnstraße verstanden werden, sondern es muß auch heißen, daß dann Rohstoff- oder Ölquellen, die einem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, nicht nur national ausgebeutet, sondern allen zugute gebracht werden müssen. Und das heißt auch, daß diese Ölquellen mit in die gemeinsame Energieplanung hineingehören und insoweit ein Bestandteil der gemeinschaftlichen Wirtschaft werden.
Und das muß auch heißen, daß die Bundesrepublik Deutschland dort, wo sie aus politischen Gründen Atomreaktoren zu liefern bereit ist und möglicherweise schon im Wort ist, nicht durch die Konkurrenz Großbritanniens aus dem Felde geschlagen wird, also von einem Rivalen, dem sie in dieser Situation hilft.Meine Damen und Herren, wir begrüßen ausdrücklich die Entschlossenheit, in Zukunft gemeinsame Energie- und Rohstoffpolitik zu betreiben. Wir hoffen sehr, daß es hier nicht bei Worten bleibt, sondern daß wirklich Taten folgen. Heute können wir sagen: Für die weitere Entwicklung ist jedenfalls das Haupthindernis aus dem Wege geräumt. Dann geht es aber erst richtig an die Arbeit, und ich möchte hier einen Satz aus der Rede von Herrn Ortoli vom 18. Februar zitieren:Tatsächlich wurden in den vergangenen sechs Monaten Fortschritte gemacht, die unvoreingenommen anerkannt werden müssen. Genauso ohne Selbstgefälligkeit möchte ich aber sagen, daß Europa Erfolge anderer Größenordnung braucht, um seine Ziele — Einheit und Unabhängigkeit — zu erreichen.Das heißt für uns, daß wir weiter bemüht sein müssen, in Europa nach außen mit einer Stimme zu sprechen. Das heißt weiter die Einbeziehung der Kooperationsabkommen in die gemeinschaftliche Außenwirtschaftspolitik, das heißt weiter, entscheidende Schritte zur Vollendung der Währungs- und Wirtschaftsunion zu tun, und das heißt schließlich die volle Anwendung der Verträge, wenn nötig auch auf dem neuen Wege des Europäischen Rates, damit alsbald ein politisches Entscheidungszentrum entstehen kann. Den gestrigen Tag möchten wir als Ansatzpunkt für eine solche Entwicklung einschätzen und die Regierung unterstützen, wenn sie diesen Weg mit Entschiedenheit, mit Initiativen, ja mit Dynamik geht.Um so deutlicher möchten wir aber unsere Besorgnis zu einem Teil der Ausführungen, die der Herr Bundesaußenminister zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit gemacht hat, zum Ausdruck bringen. Mit Erstaunen hören wir, die Konferenzteilnehmer des Europäischen Rates hätten dem Gedanken einer baldigen Gipfelkonferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, also bereits der Abschlußrunde der Konferenz, zugestimmt. Wir müssen den Bundesaußenminister daran erinnern, daß er sich bei der Debatte über die Große Anfrage der CDU/CSU am 17. Oktober vergangenen Jahres hier vor dem Deutschen Bundestag zum Abschluß der Sicherheitskonferenz deutlich festgelegt hat. Er hat erklärt — ich zitiere —:Es geht um die Qualität des Ergebnisses. Um esklar zu sagen: Wir ziehen dauerhafte Erfolgeeinem raschen, aber nicht fundierten Abschlußvor
Wenn nunmehr in Dublin von einem baldigen Abschluß in Gestalt einer Gipfelkonferenz gesprochen wurde, so muß man die Frage stellen: Sind in der zweiten Phase der Sicherheitskonferenz in Genf bereits wirklich jene qualitativ befriedigenden Ergebnisse erzielt, die es erlauben würden, an eine Abschlußkonferenz — und noch dazu auf dieser höchsten Ebene — zu denken?
In diesem Zusammenhang kommt jenem Vorbehalt besondere Bedeutung zu, der nach den Berichten aus Dublin gemacht worden sein soll: daß nämlich vor einer solchen Gipfelkonferenz noch eine Reihe von offenen Ost-West-Problemen bei den gegenwärtig in Genf stattfindenden Verhandlungen gelöst werden müßten. Bei den großen Entscheidungen über das Schicksal Europas und über unser deutsches Schicksal in diesem Europa ist es das Recht und die Pflicht dieses Parlaments, vom Außenminister klare Auskunft über den Stand der Verhandlungen in Genf zu erhalten. Nach allem, was aus Genf bisher zu erfahren ist, sind dort noch eine Reihe von wichtigen Fragen ungelöst.Und, Herr Bundesaußenminister: Es erscheint mir als ein Widerspruch in Ihrer eigenen Rede, wenn Sie sagen: Den Abschluß der Konferenz ins Auge fassend hat die Diskussion inzwischen einen entsprechenden Reifegrad erreicht, und dann alsbald, gewis-
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Amrehn sermaßen im selben Atemzug, erklären: In einigen wesentlichen Punkten sind Kompromisse noch nicht in Sicht. Wie kann man angesichts dieses Widerspruchs von einem entsprechenden Reifegrad, der bereits erreicht worden sei, hinsichtlich des Abschlusses der Konferenz sprechen!? Dieser Widerspruch scheint mir nicht ohne weiteres auflösbar.
Unseres Erachtens erlaubt der Verhandlungsstand in Genf noch keineswegs eine endgültige Entscheidung über den Zeitpunkt und den Rang dieser Abschlußkonferenz. Wir erinnern daran, daß in den Beschlüssen der ersten Runde in Helsinki kein automatischer Übergang zur dritten Phase der Sicherheitskonferenz festgelegt worden ist. Das Ob und Wie eines Abschlusses sollte erst nach den Ergebnissen der zweiten Phase in Genf entschieden werden. Nach allen unseren Informationen sind die in Genf noch strittigen Probleme keineswegs geringfügiger, nur von ganz verfeinerter oder gar esoterischer Natur, wie man neulich sogar im Westen gesagt hat. Ich weise nur auf folgende Probleme hin. Im Prinzipienkatalog sind die Prinzipien 8, 9 und 10 noch nicht einmal vorläufig registriert, und darunter ist doch immerhin das Prinzip Nr. 8, das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker, was für uns eben entscheidend bleibt. Der Osten weigert sich bislang, auf unsere Forderung nach Gleichberechtigung der zehn Prinzipien und deren gemeinsamen Interpretationszusammenhang einzugehen.Am nachteiligsten hat sich aber jene voreilige westliche Zustimmung zu der sowjetischen Formulierung eines absoluten und uneingeschränkten Prinzips der Unverletzlichkeit der Grenzen erwiesen. Jetzt zeigt sich, wie verhängnisvoll es gewesen ist, auf die Durchsetzung der Formulierungen des eigenen westlichen Vorschlags zu verzichten, nach dem das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen mit der gleichrangigen Feststellung der Zulässigkeit der friedlichen Veränderung von Grenzen verbunden war. Statt dessen ist nun die sowjetische Formulierung vorläufig registriert, jedoch nicht die entsprechende amerikanische zugunsten der Möglichkeit der friedlichen Grenzänderung. Das sind meines Erachtens Punkte, Herr Bundesaußenminister,
die doch zumindest im Ausschuß aufgeklärt werden müssen. Und die Mitglieder des Ausschusses müssen über den Fortschritt unterrichtet werden, bevor Sie hier mit den anderen verkünden, daß ein Reifegrad erreicht sei, der den Abschluß der Konferenz ins Auge fassen lasse.
In letzter Zeit verstärkt sich sogar der sowjetische Widerstand gegen irgendeine Formulierung der Möglichkeit friedlicher Veränderung, die für das Offenhalten der deutschen und europäischen Option von vitaler Bedeutung ist.Es drängt sich eine weitere Frage auf. Moskau ist bereits mit dem Zustandekommen der Sicherheitskonferenz und vor allem mit der Durchsetzung seiner Formel der Unverletzlichkeit der Grenzen seinem erklärten Ziel erheblich nähergekommen, nämlich dem Ziel, die Teilung Deutschlands vom Westen anerkannt zu sehen. Dies kann doch nicht anders als vor dem Hintergrund sowjetischen Hegemonialstrebens in Ost- und Mitteleuropa auf der Grundlage der Teilung Deutschlands und der Trennung vom Westen gesehen werden.Die Balance der westlichen Konzessionen zugunsten einer faktischen Hinnahme des sowjetischen Besitzstandes in Ost- und Mitteleuropa einerseits und den östlichen Gegenleistungen zugunsten der humanen Dimensionen der Entspannungspolitik andererseits ist nach dem gegenwärtigen Verhandlungsstand nicht ausgeglichen. Schließlich sehen wir noch keinen einzigen substantiellen Fortschritt in den parallelen Verhandlungen über militärische Entspannungsschritte, sei es bei den Verhandlungen über die vertrauensbildenden Maßnahmen im Korb I der KSZE — das haben Sie selbst auch gesagt, Herr Minister — oder sei es über die beiderseits ausgewogene Truppenreduzierung in Mitteleuropa andererseits. Dieser Zusammenhang war ja doch die ureigenste Auffassung der Bundesregierung selbst.Wir fordern daher den Bundesaußenminister mit Nachdruck auf, entweder hier im Plenum oder im Auswärtigen Ausschuß zu diesen für uns wirklich lebenswichtigen Fragen Stellung zu nehmen. Für uns Deutsche steht auf dieser Konferenz so viel auf dem Spiel, daß wir nicht voreilig auf einen Abschluß dieser Konferenz eingehen dürfen. Statt eigener Darlegungen dazu lassen Sie mich nur als ganz unverdächtigen Zeugen einen Absatz aus der New York Times vom 26. Februar zitieren:Die Marathonkonferenz in Genf hat zweiffellos die Geduld der meisten Teilnehmer erschöpft. Aber es würde ein schwerwiegender Fehler sein, zu diesem Zeitpunkt und Verhandlungsstand mit einer Gipfelkonferenz von 35 Staaten abzuschließen, solange Moskau nicht eine bedeutende Reduzierung seiner militärischen Übermacht in Mitteleuropa akzeptiert.Dieser Warnung eines distanzierten Beobachters ist nichts hinzuzufügen. Die schlechten Erfahrungen mit selbst gesetztem Erfolgs- und Zeitzwang bei Verhandlungen mit der Sowjetunion sollten vor allem die Bundesregierung vor einem voreiligen Konferenzabschluß warnen, vor allem vor Kompromissen, die nur eine Scheinverständigung in Worten herbeiführen und uns Deutschen dann für alle Zukunft jene Sachinterpretation auferlegen, die der Mächtigere gibt.Ich hätte gewünscht, Herr Bundesaußenminister, daß wir uns heute nach der Konferenz von Dublin mit dem ersten Teil der Fortschritte im europäischen Bereich hätten begnügen können,
aber der Teil, den Sie mit relativ kurzen Worten über die weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Sicherheitskonferenz angeschlossen haben, gibt uns jeden Anlaß, ja, er nötigt und drängt uns dazu, heute von dieser Stelle aus mit den eindringlichen
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AmrehnWorten sofort darauf einzuwirken, die ich versucht habe zu benutzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt ausdrücklich die europäischen Beschlüsse von Dublin. Sie dankt insbesondere dem Bundeskanzler und seinem Außenminister, die durch ihre zielgerichtete Verhandlungsführung diesen Erfolg für Europa möglich gemacht haben.
Meine Damen und Herren, mit den Ergebnissen von Dublin ist erneut deutlich geworden, welch eine große Rolle die Bundesregierung der europäischen Politik beimißt. Für die sozialliberale Koalition ist — im Gegensatz zu manchen anderen, die hier und dort ihre Stimme erheben — das europäische Einigungswerk kein mehr oder weniger beliebtes Thema für Sonntagsreden. Es ist vielmehr Gegenstand täglicher harter, nüchterner, schwieriger Arbeit. Wie nüchtern und schwierig, wie hart und zäh im Detail gearbeitet werden muß, hat der Bericht des Bundesaußenministers über den Verlauf der Konferenz hier deutlich gemacht. In dieser täglichen Praxis der Arbeit für Europa wird auch immer neu unter Beweis gestellt, wer den europäischen Einigungsgedanken ernst nimmt und wer nicht.Ohne falsche Bescheidenheit, aber mit dem Selbstbewußtsein, zu dem die erfolgreiche deutsche Außenpolitik uns berechtigt, kann hier festgestellt werden, daß das erzielte Ergebnis ohne die international anerkannte Autorität des Bundeskanzlers und sein schon sprichwörtlich gutes Verhältnis zu dem französischen Staatspräsidenten kaum möglich gewesen wäre.
Ebensowenig wäre dieses Verhandlungsergebnis möglich gewesen, wenn Bundesaußenminister Genscher nicht über ein so großes Vertrauenskapital bei seinen europäischen Kollegen verfügte.Meine Damen und Herren, wir haben aber auch keinen Grund zu verschweigen, daß es mit die starke wirtschaftliche Position der Bundesrepublik in Europa ist, die es dem Bundeskanzler und dem Außenminister möglich gemacht hat, diese Erfolge zu erzielen, diese von allen Seiten mit Respekt gewürdigte Rolle auszufüllen. Ich weiß, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie hören das nicht so gerne. Sie sähen es lieber, wenn sich die Rolle der Bundesrepublik als Stabilisierungsfaktor in Europa durch Ihre Aussagen vernebeln ließe, wenn in der Welt über die Bundesrepublik vielleicht so wie in Sonthofen gedacht würde.
Meine Damen und Herren, das ist aber nicht der Fall. Die Fakten sind anders. Sie sind für die Bundesrepublik positiv und damit positiv für die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien. Das wird draußen in der Welt und auch hier im Lande zunehmend so gesehen.Niemand in den Regierungsparteien wird darüber hinwegsehen, daß der in Dublin erarbeitete Korrekturmechanismus unter bestimmten Voraussetzungen die finanziellen Aufwendungen der Bundesrepublik Deutschland erhöht. Diese Aufwendungen werden sich aber in genau definierten und damit sehr überschaubaren Grenzen halten. Im übrigen — ich glaube, es ist notwendig, das zu betonen — ist Europa mehr als eine Addition europäischen Außenhandels und der unterschiedlich ausgeglichenen Zahlungsbilanzen. Verehrter Herr Kollege Amrehn, es ist auch mehr als die Anreicherung des britischen Frühstücks durch neuseeländische Butter und die damit verbundenen Zugeständnisse.
— Was sollte es, daß der Herr Kollege Amrehn diesen Punkt — das Thema „neuseeländische Butter" — ausdrücklich hervorgehoben hat?
Meine Damen und Herren, die hervorragende Wettbewerbsposition der Bundesrepublik bringt neben dem Ansehen in der Welt auch Verpflichtungen mit sich. Diese Position beweist aber gleichzeitig auch, wie sehr die deutsche Wirtschaft europäisch orientiert ist und wie entscheidend auch unsere weitere positive wirtschaftliche Entwicklung von einer Konsolidierung des europäischen Marktes abhängig ist.Wie der Bundesaußenminister schon sagte, werden die zusätzlichen finanziellen Belastungen nicht vor 1977 oder 1978 eintreten, und auch dann werden sie sich dank der verantwortungsbewußten und zähen Verhandlungsführung der deutschen Delegation in einem Ausmaß bewegen, das von der Bundesrepublik ohne große Schwierigkeiten bewältigt werden kann.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß mit dem jetzt vereinbarten Korrekturmechanismus ein Kompromiß gefunden wurde, der aus deutscher Sicht den begrenzten Möglichkeiten des Bundeshaushalts und der gerade der aus der deutschen Interessenlage unabweisbaren Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft in optimaler Weise Rechnung trägt.
Ich glaube, wir können davon ausgehen, daß es die Beschlüsse von Dublin England ermöglichen werden, ja zu Europa zu sagen, ein Ja zu Europa, das positive Impulse auf die britische Wirtschaft haben wird, damit auch positive Impulse auf den mühsamen, schwierigen Prozeß wirtschaftlicher Stabilisierung in Europa und damit positive Impulse für uns. Auch darum begrüßen wir diese Beschlüsse,
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Dr. Ehrenbergweil sie für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik von ganz entscheidender Bedeutung sind.Eine Abkehr Großbritanniens von Europa, die durchaus im Bereich des Möglichen lag und, da das Referendum bevorsteht, vielleicht noch liegt — aber die Zuversicht, daß diese Abkehr nicht erfolgt, ist größer geworden —, wäre gerade für die Bundesrepublik besonders schmerzlich und gefährlich gewesen. Nicht nur wäre dann ein europäischer Erosionsprozeß zu befürchten, auch die speziellen außen- und verteidigungspolitischen Auswirkungen eines Austritts Großbritanniens wären nur schwer abschätzbar; gar nicht zu reden von den negativen, desintegrierenden Rückwirkungen auf den Welthandel.Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es darüber hinaus insbesondere, daß der während der Vorbereitung der Energiekonferenz gefundene Prozedurmechanismus eine gemeinsame Sprache der europäischen Verbraucherländer erwarten läßt, eine gemeinsame Sprache, die sich nicht nur auf Teilaspekte der Energiepolitik beschränkt, sondern die gesamte Energieproblematik in ihrer vollen Dimension erfaßt. Damit haben sich die Voraussetzungen für das Erreichen eines akzeptablen Verhandlungsergebnisses im Dialog mit den Förderländern verbessert. Das seit dem Herbst 1973 gestörte Gleichgewicht zwischen dem Kartell der erdölproduzierenden Staaten und der Vielzahl sehr unterschiedlich agierender Verbraucherländer wird damit noch nicht wiederhergestellt. Aber die Voraussetzungen, die Chancen, es zu erreichen, sind mit diesen Beschlüssen besser geworden.Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu den Ausführungen von Herrn Amrehn zu dem, was der Bundesaußenminister zur Genfer Konferenz gesagt hat. Der Bundesaußenminister hat sehr deutlich auf die substantiellen Fortschritte hingewiesen. Ich sehe keinen Anlaß für einen Angehörigen dieses Hauses, aus diesen Hinweisen und aus dem, was der Bundesaußenminister aus der Deklaration von Dublin ausdrücklich wörtlich zitiert hat, verminderte Qualitätsanforderungen herauszuinterpretieren, wie Herr Amrehn das getan hat.
Ich will, auch wenn es eine Wiederholung ist, diese Stelle aus der Rede des Bundesaußenministers — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — noch einmal zitieren. Vielleicht überdenken auch Sie dann noch einmal diese Interpretation. Es heißt dort:Die Regierungschefs äußern den Wunsch, daß alle Teilnehmerstaaten mit der gleichen Entschlossenheit wie sie selbst die erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um in allen— ich darf wiederholen: in allen auf der Tagesordnung stehenden Themen ausgewogene und zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.Dadurch würde es möglich,— das „Dadurch" bezieht sich auf „alle", verehrter Kollege Herr Amrehn —den Abschluß der Konferenz in kurzer Frist auf höchster Ebene in Aussicht zu nehmen.Ich vermag nicht zu verstehen, warum dieser Beschluß — vielleicht darf ich bitten, noch einmal nachzulesen — Sie dazu gebracht hat, verehrter Herr Kollege Amrehn, hier der Bundesregierung, dem Bundesaußenminister zu unterstellen, er würde mit weniger Anforderungen, mit verminderten Voraussetzungen in die künftigen Verhandlungen gehen wollen. Ich glaube, Sie haben keinen Anlaß, aus dieser Rede das herauszulesen.
Zusammenfassend muß nach dieser Debatte folgendes festgestellt werden. Nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion hat Europa mit den Dubliner Beschlüssen seine Lebensfähigkeit erneut unter Beweis gestellt. Es muß hier nicht betont werden, aber um der Klarheit willen, auch um der Klarheit gegenüber Äußerungen von Abgeordneten dieses Hauses außerhalb dieses Hauses, muß hier festgestellt werden, daß die Regierungsparteien die Auffassung von Herrn Strauß, Europa befinde sich moralisch, materiell, politisch und militärisch in einem miserablen Zustand, nicht teilen und nicht teilen werden und nicht teilen können.
Meine Damen und Herren von der Opposition, diese Debatte wäre eine sehr gute, vielleicht eine so passend nicht wiederkehrende Gelegenheit gewesen, verehrter Herr Kollege Amrehm, statt der britischen Regierung Zensuren zu erteilen, sich für die CDU-Fraktion von dieser die Nationen Europas diskrimininerenden Wertung aus Sonthofen zu distanzieren.
Wir können nur bedauern — im Interesse des Ansehens dieses Hauses bedauern —, daß diese Gelegenheit verpaßt wurde. Aber trotz einschlägiger Prophezeiungen aus Sonthofen wird Europa nicht aus der Geschichte austreten.Die Konferenz von Dublin hat deutlich gemacht, daß die Regierungen in Europa handlungsfähig sind und bereit sind, die für den Bestand der Europäischen Gemeinschaft notwendigen Schritte zu tun. Herbert Wehner hat zu den Zielen europäischer Politik einmal gesagt — ich darf diesen Satz zitieren: „In allen Ländern unserer Gemeinschaft muß sich der arbeitende Mensch gleichermaßen sicher und geborgen fühlen." Wir sind in Europa von diesem Ziel unterschiedlich, zum Teil sehr unterschiedlich weit entfernt. Aber die Ergebnisse der Konferenz von Dublin verbessern die Chancen, diesem Ziel näherzukommen. Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien werden das ihnen Mögliche tun, dieses Ziel Schritt für Schritt Realität werden zu lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bangemann.
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10724 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eine Bemerkung als Parlamentarier voranschicken. Das Ergebnis von Dublin als das erste Ergebnis des Europäischen Rates hat mich als Parlamentarier angenehm überrascht. Ich hatte eine gewisse Sorge, daß die Entwicklung, die wir ja alle zusammen in der Vergangenheit erlebt haben — daß Institutionen auf der Ebene der Regierungen der Mitgliedsländer wohl in dem einen oder anderen Punkt einen Fortschritt bringen können, jedoch substantielle Schritte nicht erlauben —, sich auf die neue Einrichtung des Europäischen Rates übertragen könnte. Diese Sorge ist durch die erste Tagung des Rates in Dublin nicht bestätigt worden. Der Europäische Rat hat seine Feuerprobe bestanden.
Ich möchte auch im Namen meiner Fraktion hinzufügen, daß dazu sicherlich nicht zuletzt der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister beigetragen haben und das Haus das insgesamt anerkennen sollte; denn es geht ja darum, daß wir Europa voranbringen.
In diesem Zusammenhang meine ich auch, daß wir in der schwierigen Situation, in der wir im Augenblick angesichts der erregten öffentlichen Auseinandersetzung in Großbritannien stehen, nicht die neuseeländische Butter hervorkramen sollten, um damit vielleicht in Großbritannien eine Entscheidung zu erschweren, die wir alle in einem ganz bestimmten Sinne wünschen — auch Sie von der Opposition.
— Selbstverständlich muß man erwähnen, daß diese Präferenz für einen Zeitraum eingeräumt worden ist, der den ursprünglichen Absichten nicht entsprach. Aber, meine Damen und Herren, wenn ich die Tatsache, daß über einen längeren Zeitraum hinweg neuseeländische Butter auf britischen Tischen liegt, dagegen abwäge, daß das Referendum in Großbritannien negativ ausgehen könnte, dann entscheide ich mich für die neuseeländische Butter.
Herr Amrehn, es ist auch nicht richtig, daß, wie Sie es gesagt haben, bei der Definition der unannehmbaren und mit dem reibungslosen Funktionieren der Gemeinschaft unvereinbaren Situation eine Unklarheit geblieben sei. Der Bundesaußenminister hat hier sicherlich nur die strittigen Punkte erwähnt. Dieser Punkt ist nicht strittig geblieben. Dies war insgesamt eine Frage, Herr Amrehn, die durch die Vorlage der Kommission entschieden wurde, und Sie wissen — das war auch Gegenstand von Beratungen im Auswärtigen Ausschuß —, daß die Kommissionsvorlage mit ihren zwei Kriterien hier auch zum Gegenstand der Beschlußfassung geworden ist. Das war nicht strittig. Sie können also davon ausgehen, daß, wie es die Kommission vorgeschlagen hat, zur Kennzeichnung einer unmittelbar bevorstehenden unannehmbaren Situation zwei Tatsachen herangezogen werden können, derenVorliegen wiederum auf Grund von sachlichen Kriterien festgestellt werden kann. Dabei handelt es sich einmal um eine bestimmte Wirtschaftssituation und zum anderen um eine unangemessene Beteiligung an der Gemeinschaftsfinanzierung. Das war Gegenstand der Kommissionsvorlage. Das ist vom Rat akzeptiert worden. Insofern ist hier auch nichts zurückgeblieben, was in irgendeiner Weise unklar hätte sein können.Die Hoffnung, daß das Referendum gut ausgehen möge, und zwar so, daß Großbritannien in der Gemeinschaft verbleibt, ist uns — so glaube ich — allen gemeinsam. Davon auszugehen, erlauben Sie mir bitte. Wenn das so ist, dann sollten wir aber mit der gleichen Deutlichkeit unseren britischen Freunden auch sagen, daß das Ergebnis von Dublin nicht bedeutet, daß wir auf die wesentliche Essenz der Gemeinschaft verzichten, nämlich darauf, zu einem Gebilde zusammenzuwachsen, das sich aus den aufgegebenen Teilen nationaler Souveränität zusammensetzt.
Dieser Irrtum darf nicht entstehen. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich aus einem denkbaren und möglichen Ausscheiden Großbritanniens aus der Gemeinschaft ein leichteres Zusammenwachsen versprochen haben. Es gibt auch unter uns solche Politiker, wobei ich nicht den alten Gegensatz von Atlantikern und Frankophilen aufwerfen will. Es hat eine Reihe von Menschen gegeben — auch in unserem Lande —, die die Überlegung angestellt haben, ob nicht die Erweiterung auf neun Mitgliedsländer zusätzliche Schwierigkeiten gebracht hat, die das Zusammenwachsen der Gemeinschaft zu einer politischen Union erschweren könnte. Ich gehöre — wie gesagt — nicht zu diesen, aber ich meine, wir sollten mit gleicher Klarheit auch darstellen, daß auch die größere Gemeinschaft der Neun, will sie lebensfähig sein, zu einer politischen Union zusammenwachsen muß, bei der die Aufgabe von Souveränität zum Lebenselement wird. Und folgendes, meine Damen und Herren, muß vielleicht auch dem einen oder anderen Anhänger von nationalen Souveränitäten gesagt werden: Eine nationale Souveränität im Zeitalter von Supermächten ist etwas ganz anderes als eine nationale Souveränität im 19. oder im 18. Jahrhundert. Diese Erkenntnis wird sich sicherlich auch nach dem Referendum verbreiten. Vor dem Referendum sollten wir aber nichts tun, was die an sich emotionale Situation noch so verschlimmern könnte, daß eine rationale Entscheidung gar nicht mehr möglich wird. Die Tagung in Dublin hat alles dazu beigetragen, eine solche rationale Entscheidung möglich zu machen. Dafür sei dem Europäischen Rat gedankt.Aber wir sollten an diesem Punkt auch etwas beginnen, was in der öffentlichen Auseinandersetzung um Europa bitter nötig ist: Wir sollten verzichten auf den weit verbreiteten europäischen Pessimismus, der sich in den vergangenen vier Jahren leider ausgebreitet hat und der zunehmend auch die politische Diskussion erschwert. Europa ist nicht steckengeblieben. Europa hat erhebliche Fortschritte
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975 10725
Dr. Bangemanngemacht. Auch die Demokratisierung Europas ist, mindestens seit den letzten Gipfelkonferenzen, erheblich vorangekommen. Alle diejenigen, die an Europa Anteil nehmen und politisch tätig sind, wissen das auch. Nur die öffentliche Meinung wird beschwert durch eine fast schon Berufspessimismus zu nennende Haltung, die manche Menschen in der Behandlung von europäischen Fragen in der Öffentlichkeit zeigen. Das ist unangemessen, meine Damen und Herren. Wir sollten insgesamt heute hier bei diesem Anlaß bestätigen, daß wir allen Grund haben, mit Optimismus für die zukünftige europäische Entwicklung in die nächsten Monate und Jahre zu gehen.
Die Erfolge, die der Bundesaußenminister hier hervorgehoben hat — ich will nur einige wichtige nennen: AKP, KSZE und die Energiepolitik —, bieten dafür auch hinreichend Anlaß.Herr Kollege Amrehn, es geht hier nicht um eine Debatte über materielle Inhalte der KSZE allein. Wir haben sie vor zwei oder drei Monaten ja begonnen, und wir werden sie sicherlich fortsetzen müssen. Um was es hier im Rahmen von Dublin geht, ist die unbestreitbare Tatsache, daß die Neun in Genf zu einer gemeinsamen Haltung gefunden haben, was vor Beginn dieser Konferenz kaum jemand angenommen hat, und daß diese gemeinsame Haltung auf dieser Konferenz auch von den übrigen Verhandlungspartnern akzeptiert worden ist. Das gehört mit in das Bündel von Erfolgsmeldungen, von dem der Bundesaußenminister hier zu Recht gesprochen hat. Das sollte man auch nicht untergehen lassen in dem einen oder anderen Zweifel an dem denkbaren Ergebnis der Konferenz, das uns ja noch gar nicht vorliegt. Wir sollten also die Tatsache, daß diese Konferenz zu einer weiteren Einigung der Neun geführt hat, nicht verdunkeln mit dem — berechtigten oder unberechtigten — Hinweis darauf, daß das endgültige Ergebnis der Konferenz noch nicht vorliegt.
: Inhaltliche Einigungen sind das Wichtigste!)
Bei einer Bestandsaufnahme von Europa bleibt etwas übrig, was uns in der Debatte über den Agrarbericht in der vorvorigen Woche schon einmal beschäftigt hat, nämlich eine Bestandsaufnahme des gemeinsamen Agrarmarkts. Die Kommission hat diesen Auftrag. Sie ist in der Arbeit an diesem Auftrag. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen, daß wir von unserer Fraktion uns davon einiges erwarten. Denn die von Jahr zu Jahr zunehmend schwieriger werdenden Verhandlungen über die Agrarpreisfestsetzung, an denen ja der Herr Bundeslandwirtschaftsminister beteiligt ist — von diesen Schwierigkeiten hat er in der Vergangenheit schon das eine oder andere Lied gesungen —, zeigen auf, daß sich die Europäische Gemeinschaft nicht gesund weiterentwickeln kann, wenn wir die Schwierigkeiten des gemeinsamen Agrarmarkts nicht beseitigen. Die Schwierigkeiten liegen nicht im gemeinsamen Agrarmarkt allein, sondern auch in der Wirtschafts- und Währungsordnung des Gemeinsamen Marktes. Wenn wir die Schwierigkeiten nicht beseitigen, wird der gemeinsame Agrarmarkt von einem Motor der Entwicklung zum Sprengsatz für die europäische Entwicklung werden. Und das wollen wir verhindern.
— Wenn Sie uns dabei unterstützen, sind wir ja sehr froh; bloß hatten wir seit Sonthofen den Eindruck, daß Sie lieber an Sprengsätzen basteln als an gemeinsamen Motoren.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung über die zukünftige Rolle der Gemeinschaft. Bei einer solchen Gelegenheit sollte man vielleicht auch einen Blick auf die Möglichkeiten der Zukunft werfen. Wenn man das tut, erkennt man zwei Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen und die uns sicher in den nächsten Monaten noch häufiger beschäftigen werden.Das ist einmal die innere Struktur der Gemeinschaft. Wenn der Tindemanns-Bericht vorliegen wird, werden wir in einigen Grundzügen eine mögliche Gestaltung der inneren Struktur der Gemeinschaft vor uns haben. Die Frage ist, ob wir diese innere Struktur der Gemeinschaft akzeptieren können oder nicht. Ich meine — und ich wiederhole das hier —: Wir können eine Struktur der Gemeinschaft nur dann akzeptieren, wenn sie den Bestand an I demokratischen Rechten, den jedes Mitgliedsland heute schon erreicht hat, nicht unterschreitet. Auch das wird zu einem Hemmnis der europäischen Integration. Ich darf Sie an ein schon etwas zurückliegendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts erinnern, das die Frage behandelt hat, wie weit Gemeinschaftsregelungen ungeprüft übernommen werden können, wenn nicht der Schutz der Grundrechte garantiert ist, den unser Grundgesetz vorschreibt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil, über das man dem Inhalt nach diskutieren kann, einen sehr bedenkenswerten Satz formuliert, nämlich den, daß in dem Umfang und in dem Maße, in dem ein demokratisch gewähltes Europäisches Parlament Grundrechte statuiert und durchsetzt, die nationalen Regelungen zur Verteidigung von Grundrechten obsolet werden können, aber eben erst dann. Das heißt, meine Damen und Herren, der Bestand an demokratischen Rechten — und dazu zählen auch Grundrechte —, den heute jedes einzelne Mitgliedsland aufzuweisen hat, muß durch Europa selbst aufgeholt werden. Erst dann, wenn Europa in seiner Entwicklung diesen Stand von Demokratie erreicht hat, der in den einzelnen Mitgliedsländern heute selbstverständlich ist, wird man davon sprechen können, daß diese Gemeinschaft auch in ihrer inneren Struktur den Maßstäben genügt, die wir alle an sie anlegen wollen.Das zweite ist, daß wir uns über die Position dieses so vereinigten Europa einigen müssen. Das ist eine Frage auch der Verteidigungspolitik. Wir werden uns in den zukünftigen Jahren sicher mit die-
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10726 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. März 1975
Dr. Bangemannsem Problem einer europäischen Verteidigungspolitik beschäftigen müssen. Wenn wir das aber tun, in dem Sinne und mit der Absicht, aus Europa die vierte, fünfte oder welche auch immer Supermacht zu machen, dann haben wir im Ansatz einen Weg verfehlt, der Europa zu einer Macht werden lassen kann, die in der Welt nicht in eine Konkurrenz mit anderen Supermächten treten muß, sondern die sich aus sich heraus zu einer Macht von eigenem Wesen, von eigener Existenzberechtigung entwickelt. Ich meine, Europa sollte nicht den Versuch machen, eine klassische Supermacht zu werden, Europa sollte nicht den Versuch machen, in seiner Verteidigungspolitik ein zweites Amerika zu werden.Und so verstehe ich auch die Konferenz in Genf als einen Ansatz zu einer Überlegung, daß Europa zu einer Macht wird, die in einem sehr wichtigen Teil der Welt und mit der wirtschaftlichen Kompetenz von Europa Frieden darstellt. Wir müssen also dieses Europa nicht nach dem Vorbild der Supermächte bilden und formen, die wir heute erleben und vor uns haben. Das, meine Damen und Herren, Herr Kollege Amrehn, ist der Ansatzpunkt von Genf, und vor diesem Hintergrund steht Genf. Wenn uns das in Genf gelingt, haben wir eine sicherheitspolitische Entwicklung eingeleitet, die nicht nur für unsere eigene verteidigungspolitische Sicherheit etwas bedeutet, sondern die auch für Europa etwas bedeutet. Dann wird es uns gelingen, beispielsweise im Mittelmeerraum einen Ansatz zu einer echten Kooperation mit all den Ländern zu finden, die am Mittelmeer zu Hause sind, d. h. auch mit ölproduzierenden Ländern. Ich halte jeden Ton in dieser Debatte, der auch nur entfernt an eine Großmachtposition Europas etwa im Sinne von Drohungen an-klingt, für falsch; ich halte das Anklingenlassen von Drohungen für eine falsche Entwicklung. Meine Damen und Herren, Kooperation werden Sie mit diesen Ländern nur erreichen können, wenn Sie sich als gleichberechtigter Partner geben und auch als gleichberechtigter Partner verstehen. Das heißt aber auch, daß wir uns nicht in eine solche Großmachtrolle hineindrängen lassen dürfen, die vielleicht der eine oder andere, möglicherweise sogar unser Verbündeter, zu seiner eigenen Entlastung wünscht. Das Problem des Friedens und das Problem Europas hängen so miteinander zusammen und nicht anders. Europa als eine weitere Großmacht bedeutet eine Schwächung unserer eigenen Sicherheit und eine Schwächung des europäischen Einheitsgedankens. Europa als ein Staat, der bereit ist zur Partnerschaft, zur tätigen Mitwirkung auch an Entspannungskonferenzen wie in Genf, das, meine Damen und Herren, bedeutet eine Hoffnung für mehr Sicherheit in Europa und gleichzeitig eine Hoffnung für einen Staat Europa, wie es ihn vielleicht in der Vergangenheit noch nicht gegeben hat.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir stehen damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 13. März 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.