Protokoll:
6187

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 187

  • date_rangeDatum: 17. Mai 1972

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:10 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 187. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Blank 10929 A Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Dichgans 10929 D Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 10929 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Abg. Dr. Hauser [Sasbach], Erhard [Bad Schwalbach], Dr. Lenz [Bergstraße], von Thadden, Vogel und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/3441) — Erste Beratung — 10930 A Amtliche Mitteilungen 10930 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublk Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache VI/3156); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen VI/3397, zu VI/3397) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache W3157) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen VI/3396, zu VI/3396) — Fortsetzung der zweiten Beratung und Schlußabstimmung — Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) 10931 A Mischnick (FDP) 10932 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) 10933 C Schütz, Regierender Bürgermeister von Berlin 10934 B Scheel, Bundesminister 10935 D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) (Erklärung nach § 59 GO) 10938 D Namentliche Abstimmungen 10939 B, 10941 B, 10943 C Dr. Czaja (CDU/CSU) (Erklärung nach § 59 GO) 10941 A Dr. Beermann (SPD) (Erklärung nach § 59 GO) 10943 B Mattick (SPD) 10945 B Begrüßung des Präsidenten des Parlaments der Unabhängigen Kooperativen Republik Guyana, Sase Narain 10941 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 Entwurf eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) (Drucksache VI/3010); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/3331), Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/3307) — Zweite und dritte Beratung — Frau Berger (CDU/CSU) 10945 D Franke, Bundesminister 10947 D Krammig (CDU/CSU) 10948 C Dr. Dübber (SPD) 10949 D von Bockelberg (CDU/CSU) 10950 B Offergeld, Parlamentarischer Staatssekretär 10951 B Wohlrabe (CDU/CSU) 10951 C Barche (SPD) 10952 D Horten (CDU/CSU) 10953 C Nächste Sitzung 10954 C Anlagen Anlage 1 Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) nach § 59 GO zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung 10955 A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Weigl (CDU/CSU) nach § 59 GO zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung 10955 C Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) nach § 59 GO zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung 10955 D Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abg. Dr. Czaja, Riedel (Frankfurt), Dr. Jahn (Braunschweig), Dr. Becher (Pullach), Dr. von Bismarck, Dr. Hupka, Storm, Freiherr von Fircks, Windelen, Frau Jacobi (Marl), Frau Pieser, Dr. Gruhl, Mursch (Soltau-Harburg), Dr. von Nordenskjöld, Rock, Frau Kalinke, Zoglmann, Dr. Wittmann (München), Freiherr von und zu Guttenberg, Dr. Mende, Dr. Götz, Baier, Dr. Kley, Dr. Klepsch, Dr. Burgbacher, Amrehn, Krammig (CDU/CSU) nach § 59 GO zu Punkt 2 der Tagesordnung 10956D Anlage 5 Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Beermann (SPD) nach § 59 GO zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP auf Umdruck 287 10958 B Anlage 6 Entschließungsantrag Umdruck 287 zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung a) des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksachen VI/3156, VI/3397, zu VI/3397) und b) des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksachen VI/3157, VI/3396, zu VI/3396) 10960 B Anlage 7 Entschließungsantrag Umdruck 288 zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung a) des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksachen VI/3156, VI/3393, zu VI/3397) und b) des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksachen VI/3157, VI/3396, zu VI/3396) 10961 B Anlage 8 Änderungsantrag Umdruck 282 zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgansverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) (Drucksachen VI/3010, VI/3307) 10961 D Anlage 9 Entschließungsantrag Umdruck 283 (neu) zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) (Drucksachen VI/3010, VI/3307) 10961 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 III Anlage 10 Entschließungsantrag Umdruck 284 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) (Drucksachen VI/3010, VI/3307) 10962 B Anlage 11 Entschließungsantrag Umdruck 286 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) (Drucksachen VI/3010, VI/3307) 10962 D Anlage 12 Entschließungsantrag Umdruck 285 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) (Drucksachen VI/3010, V1/3307) 10963 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 10929 187. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    **) Siehe Anlage 12 Berichtigung In der 183. Sitzung, Seite 10746 B, Zeilen 4 und 5, ist statt „über hundert Millionen D-Mark" zu lesen: „über Hunderte von Millionen D-Mark". Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 10955 Anlage 1 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) nach § 59 GO zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung Ich stimme den Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Volksrepublik Polen andererseits zu. Rechtlich habe ich als Berichterstatter des Rechtsausschusses während der über 66 Stunden dauernden Beratung festgestellt, daß gegen beide Verträge weder verfassungs- noch völkerrechtliche Bedenken bestehen und daß dieser Ausschuß sich dementsprechend den insoweit von mir gestellten Anträgen ausnahmslos nach einer mit Akribie und äußerster Sorgfalt geführten Debatte angeschlossen hat. Politisch halte ich beide Verträge um des Friedens und der freiheitlichen Entwicklung unseres Landes für unverzichtbar. Wird rechtlich einem Friedensvertrag nicht vorgegriffen, den Verfassungsorgane, die vom ganzen deutschen Volk legitimiert sind, abzuschließen hätten, so ist doch die eindeutige Erklärung der vom Grundgesetz konstituierten Organe erforderlich, daß sie im Rahmen ihrer nur von den Deutschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes herrührenden Kompetenz insoweit die Zugehörigkeit der Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie zu Polen nicht mehr in Frage stellen. Ungeachtet dieser Rechtslage muß es politisch jedem Deutschen klar sein, daß diese Gebiete für immer für Deutschland verloren sind. Dies ist keine Folge der Verträge, sondern eine solche der Nazi-Diktatur und des von Hitler angezettelten Krieges, für die Sozialdemokraten in diesem Lande die geringste Schuld tragen. Obwohl meine beiden Großväter Ostpreußen waren (einer von ihnen Rektor der Universität Königsberg), mein Vater in Königsberg geboren ist und ich 1945 mit meiner Familie aus Schlesien vertrieben wurde, will ich den Teufelskreis von Haß und Vertreibung jedenfalls für meine Person durchbrechen. Ich gestehe den zu 40 % bereits dort geborenen Polen und Russen in diesen Gebieten heute das gleiche Heimatrecht zu, das meine Familie und ich bis 1945 dort besessen haben. Gerade auch im Hinblick auf das millionenfache Leid, das im deutschen Namen Polen und Russen von 1939 bis 1945 angetan wurde, halte ich dies auch für moralisch vertretbar und geboten. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) nach § 59 GO zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung Nach § 59 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gebe ich zur Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksachen VI/3156, VI/3397, zu VI/3397) und des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksachen VI/3157, VI/3396, zu VI/3396) folgende schriftliche Erklärung ab: Als leidenschaftlicher Befürworter eines Interessenausgleichs mit den osteuropäischen Staaten bedaure ich zutiefst, daß die Verhandlungen über den Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und über den Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen von der Bundesregierung nicht auf der Basis einer gemeinsamen Außenpolitik aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien geführt und durch zeitlich befristete Verträge abgeschlossen wurden, ferner, daß ich am Tage der Abstimmung über diese Verträge nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann, daß die Vertragspartner diese Verträge in entscheidenden Punkten unterschiedlich interpretieren werden. Da eine mögliche unterschiedliche Vertragsinterpretation durch die Vertragsparteien zur Quelle neuer Spannungen in Europa werden könnte, enthalte ich mich der Stimme. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) nach § 59 GO zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung 10956 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 Die Ratifizierung des Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion sowie des Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen stellt den Deutschen Bundestag vor die weittragendste und folgenschwerste Entscheidung seit seinem Bestehen. Das Inkrafttreten der Ostverträge wird die politische Landschaft der BRD und Europas mit Sicherheit erheblich verändern. Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung 1969 bereits erhebliche Zugeständnisse im Hinblick auf den Staatscharakter der DDR und den Atomwaffensperrvertrag eingeräumt. Dies führte zu einem schnellen Beginn der Verhandlungen, die in allen Phasen sowohl überstürzt als auch hektisch geführt worden sind und daher zu einem für die BRD unausgewogenen Ergebnis geführt haben. Die Ereignisse währen des langen Zeitabschnittes nach der Unterzeichnung der Verträge, vom Brief des Herrn Bundesaußenministers zur deutschen Einheit über das Abkommen der Vier Mächte Berlin betreffend bis hin zur gemeinsamen Entschließung der drei Parteien des Bundestages — die heute verabschiedet wird — zeigen deutlich, daß eine ohne Zeitdruck geduldig und zielstrebig gestaltete Verhandlungsführung das Vertragsergebnis für die BRD günstig beeinflußt hätte. Der beherrschende Grundsatz des Vertragswerkes ist der beiderseitige, umfassende und vorbehaltlose Gewaltverzicht. Darüber hinaus führt das Inkrafttreten der Gesetze auch unter Berücksichtigung der Absichtserklärungen mit Sicherheit zu einer De-facto-Anerkennung der DDR. Das vordringlichste Ziel unserer Politik, die staatliche Einheit Deutschlands mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen, kann daher in überschaubarer Zeitspanne nicht verwirklicht werden. Ferner findet sich die BRD zu der vom Inkrafttreten der Verträge an geltenden Feststellung bereit, daß die Oder-Neiße-Linie die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen bildet. Sie leistet daher einen bedeutenden Beitrag zum Frieden und für die Zukunft Europas. Demgegenüber vermag ich eine Verbesserung der außenpolitischen Situation der BRD auf Grund der Ostverträge nicht zu erkennen. Sie hätte wohl in erster Linie durch eine Verbesserung der humanitären Bedingungen für die Deutschen ostwärts der Oder-Neiße-Linie und in der DDR erreicht werden können. Im Falle der Deutschen in West-Berlin haben die Vier Mächte dankenswerterweise erfreulich positive Bedingungen geschaffen. Die Entschließung der drei Fraktionen des Deutschen Bundestages, die mit viel Sorgfalt erarbeitet wurde, wird mit ihrer Übermittlung an die Sowjetregierung ein hilfsweise heranzuziehendes Auslegungsmittel im Sinne des Art. 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention. Leider fehlt auch in dieser Resolution der Hinweis, wonach die Information der polnischen Regierung über die humanitären Bedingungen der Deutschen in Polen eine wesentliche Voraussetzung für den Abschluß des Vertragswerkes gewesen ist. Die gemeinsame Entschließung ist ohne Zweifel nicht Bestandteil des zu ratifizierenden Vertragswerkes. Die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers vom 10. Mai 1972 vor diesem Hohen Hause unterstreichen nachdrücklich diese Feststellung. Nach eingehender Prüfung der Vertragsgesetze und der vorgelegten Unterlagen ist es mir nicht möglich, dem Vertragswerk zuzustimmen. Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Dr. Czaja, Riedel (Frankfurt), Dr. Jahn (Braunschweig), Dr. Becher (Pullach), Dr. von Bismarck, Dr. Hupka, Storm, Freiherr von Fircks, Windelen, Frau Jacobi (Marl), Frau Pieser, Dr. Gruhl, Mursch (Soltau-Harburg), Dr. von Nordenskjöld, Rock, Frau Kalinke, Zoglmann, Dr. Wittmann (München), Freiherr von und zu Guttenberg, Dr. Mende, Dr. Götz, Baier, Dr. Kley, Dr. Klepsch, Dr. Burgbacher, Amrehn, Krammig (CDU/CSU) nach § 59 GO zu Punkt 2 der Tagesordnung. Zum Warschauer Vertrag vertritt die Bundesregierung den Standpunkt, daß er für die Bundesrepublik Deutschland mit seinem Inkrafttreten deutsches Inland zu Ausland macht. In der Antwort auf die Große Anfrage der CDU/ CSU-Fraktion (Drucksache VI/2828) hält die Bundesregierung daran fest, daß die Bundesrepublik Deutschland dazu berufen ist, die rechtlichen Positionen Deutschlands auszufüllen. Nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland kann und darf vor friedensvertraglichen Regelungen und ohne Änderung des Grundgesetzes deutsches Inland nicht zu Ausland gemacht werden. Ebensowenig darf über große Teile Deutsch- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 10957 lands verfügt werden oder Annexionen zugestimmt oder der Ersitzung in solchen Gebieten Vorschub geleistet werden oder dürfen zu Lasten Deutschlands einem anderen Staat Gebiete abgetreten werden. Es genügt nicht, deutscherseits nur das Zustandekommen der Massenvertreibung nicht zu legitimieren; es dürfen vielmehr auch die Folgen der Massenvertreibungen nicht legalisiert werden. Vertreibungen sind ein ebenso rechtlich wie moralisch unzulässiger Weg zu Gebietserwerb. Das durch das Völkergewohnheitsrecht und die Menschenrechtsdeklaration der UN-Charta gesicherte und durch die europäische Menschenrechtskonvention bestätigte Recht auf ungestörten Verbleib und angemessene Entfaltung am angestammten Wohnsitz — als einzelner und innerhalb der eigenen nationalen Gruppe — gehört zum unabdingbaren Kern der Menschenrechte. Nach dem Grundgesetz ist jede staatliche Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten für Deutsche im Sinne des Grundgesetzes im In- und Ausland verpflichtet. Deshalb dürfen durch Verträge nicht tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten geschaffen werden, die den bisher eingeschränkten Inlandschutz in fremdverwalteten Gebieten Deutschen im Sinne des Grundgesetzes entziehen, ohne daß ihnen gleichzeitig deutscher diplomatischer Schutz gesichert wird. Die Sorgepflicht der Bundesrepublik Deutschland darf nicht generell einer großen Zahl deutscher Staatsangehöriger entzogen werden. Eine echte Normalisierung der Beziehungen ist ohne Wiederherstellung verletzter Individualrechte nicht zu erreichen. In dem Vertrag werden auch die materiellen Rechte der Deutschen nicht geregelt. Der Warschauer Vertrag verstößt gegen Artikel 1, 6, 16, 23, 146 und den Vorspruch des Grundgesetzes. Er könnte die Wirkung von Artikel 5 des Grundgesetzes gefährden. Wäre dies der Fall, so ergäbe sich ein Gegensatz zwischen den vertraglichen Verpflichtungen und dem Verfassungsrecht. Die Fehler der Verhandlungsführung suchte man bei einzelnen Reden im Bundesrat und laut Teilen des Ausschußberichts VI/3396 durch Behauptungen zu verdecken, die mit den geschichtlichen Tatsachen und — wie der Bundesaußenminister in Moskau ausdrücklich festgestellt hat — mit der internationalen Rechtslage nicht im Einklang sind. Die Behauptung, die westlichen Verbündeten hätten generell die amtliche Tendenz gehabt, diese Gebiete Polen endgültig zuzusprechen, und hätten einer Ersitzung seitens Polens Vorschub geleistet, wird hiermit u. a. durch den Hinweis auf folgende Dokumente widersprochen: Der US-amerikanische Staatssekretär Byrnes stellte fest, daß solchen Behauptungen über die Haltung der USA und ihres Präsidenten Truman auf der Potsdamer Konferenz der gute Wille abgesprochen werden müsse. In seiner Stuttgarter Rede vom 6. September 1946 erklärte er, daß ausweislich des Protokolls der Potsdamer Konferenz die Regierungschefs sich in keiner Weise verpflichtet hätten, auf der Friedenskonferenz die Überlassung der Polen nur zur Verwaltung übertragenen Gebiete an Polen zu unterstützen. Dies besagen auch die Artikel IX und XIII des Potsdamer Protokolls, die Vereinbarungen von London vom 12. September 1944, eingeführt — und ergänzt — in das Londoner Abkommen vom 14. November 1944 und die Berliner Vier-Mächte-Erklärung vom 5. Juni 1945. Diese beiden Dokumente werden in den Noten der Regierungen der Drei Westmächte an die Bundesregierung vom 11. August 1970 als durch den Moskauer Vertrag nicht berührt bezeichnet. Nach diesen Dokumenten sollte Deutschland in den Grenzen von 1937 besetzt werden; jede Annexion deutschen Gebiets in diesen Grenzen wurde abgelehnt. An der vom US-amerikanischen Staatssekretär Byrnes 1946 in Stuttgart dargelegten Position hat US-Staatssekretär Marshall 1947 in Moskau festgehalten. Ähnliches besagt die Schlußakte der Londoner Konferenz vom 3. Oktober 1954. Der Artikel des Deutschlandvertrages, insbesondere der letzte Satz des ersten Absatzes, spricht eine eindeutige Sprache. Die zwar nur einseitige, aber akzeptierte Erklärung Adenauers vom 13. September 1955 in Moskau zur Grenzfrage gehört nach Auffassung des Auswärtigen Amtes sogar zur Motivation des „Abschlusses des Abkommens vom 13. September 1955", das in der Präambel zum Moskauer Vertrag erwähnt wird. In den Jahren 1965 bis 1968 sind von britischen Regierungsmitgliedern — zum Teil sogar in Warschau — und im britischen Unterhaus eindeutige Erklärungen in diesem Sinne, von Außenminister Stewart, Minister Peadly und anderen abgegeben worden; desgleichen im niederländischen Parlament von Minister Luns im Jahre 1966. Löbe, Schumacher, Erler, Brandt, Adenauer und die deutschen Außenminister haben wiederholt ebenso diesen Standpunkt vertreten. Es gibt keine offiziellen Aussagen über eine Gebietsgarantie der Siegermächte für Deutschland, aber auch ebensowenig eine Garantie bezüglich der Zusprechung der Oder-Neiße-Gebiete an Polen. Unsere Ablehnung der ungerechten Verträge verbinden wir mit einem eindeutigen Bekenntnis zur Achtung vor der Würde, der Existenz, den Rechten und der angemessenen Entfaltung unserer östlichen Nachbarn sowie dem Willen, danach zu handeln. 10958 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 Zwischen diesen Rechten und Ansprüchen unserer Nachbarn und unseren eigenen Rechten besteht eine Spannung, die im gerechten Ausgleich aufgearbeitet werden muß. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten verlieren mit dem Fortschritt die nationalstaatlichen Grenzen ihre Bedeutung. Ob die Möglichkeit zu enger Zusammenarbeit wächst, kann man nicht von vorherein aussagen. Die Schwierigkeiten sind bekannt. Niemand sollte sich aber berufen fühlen, ein gemeinsames Aufarbeiten der Gegensätze für alle Zeiten auszuschließen. Die berechtigten wirtschaftlichen und politischen Interessen der russischen Großmacht sind zu achten, doch dürfen sie nicht die Selbstbestimmung und Freiheit der Völker berühren. Eine echte Befriedung in Europa, die die allseitigen Interessen berücksichtigt, kann auch im eigenen Sicherheitsinteresse Rußlands liegen. Bei der Vertiefung des westlichen Bündnisses und auf dem Wege zu einer politischen Union müssen auch die berechtigten deutschen Interessen mit eingeschlossen werden. Unausgewogene Verträge sind schon oft mit friedlichen und vertraglichen Mitteln geändert worden. Nur dieses kommt in Frage. Die Meinungsfreiheit, für bessere Lösungen der jetzigen Lage zugunsten Deutschlands und der Deutschen zu wirken, ist grundgesetzlich gesichert. Wir verbinden unser Nein bzw. unsere Enthaltung zu dem Vertrag mit einem eindeutigen Ja zu Frieden und zu Freiheit für unsere Nachbarn und unser Volk. Anlage 5 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) nach § 59 GO zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 287. Wenn unser frei gewähltes Parlament sich durch Annahme der vorliegenden Verträge entschließt, die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens hinzunehmen, die selbst die polnischen Bischöfe in ihrem bewegenden, an ihre deutschen Amtsbrüder gerichteten Schreiben als eine für uns „äußerst bittere Frucht des letzten Krieges" bezeichnen, so bedarf dieser Entschluß der Erklärung und Erläuterung vor unserem und dem polnischen Volke. Man könnte sich dies einfach machen und darauf hinweisen, daß die Polen, die 1945 ins Land kamen, jetzt schon über ein Vierteljahrhundert dort ihre Heimat haben, daß ein großer Teil dieser polnischen Bevölkerung dort bereits geboren ist und seinerseits wieder Kinder hat, so daß in den Oder- und Neiße-Gebieten bereits Polen der zweiten, bald der dritten Generation leben. Mit dieser Feststellung mag sich mancher begnügen und sich sagen, daß wir uns eben deswegen in das Unabänderliche zu fügen haben. Aber ich fürchte, eine derartige Feststellung allein genügt nicht als Grundlage einer dauerhaften Verständigung mit unserem östlichen Nachbarn. Denn es gehört dazu, daß unser Volk sich innerlich und auf Dauer mit dem schon 1945 eingetretenen Verlust abfindet und wir zugleich ein Verhältnis zu Polen suchen, das den nackten Wortlaut des Vertrages mit Leben erfüllt. Das wird der Fall nur sein, wenn wir auch aussprechen, was zwischen beiden Völkern bis zum heutigen Tage steht. Das grauenvolle Geschehen, das sich unter dem Hakenkreuz in Polen vollzog, haben viele von uns aus dem Gedächtnis und Bewußtsein verdrängt, selbst dann, als die Ereignisse jener Zeit nach dem Kriege vor uns und aller Welt offenlagen. Scham, Schuld oder pure Gleichgültigkeit mögen der Grund hierfür gewesen sein. Doch diese Zeit ist im polnischen Volke in höchst lebendiger Erinnerung geblieben, nicht nur bei der durch den Krieg äußerst geschwächten älteren Generation, sondern auch bei der Jugend, die sich der leidvollen Geschichte ihres Volkes sehr wohl bewußt ist. Wir dürfen daher in dieser Stunde dieses uns beschämende Kapitel der deutsch-polnischen Beziehungen nicht übergehen, wollen wir wirklich dauerhafte Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben schaffen, wie es der vorliegende Vertrag erstrebt. Ich meine, daß wir hierzu hinweisende Worte in jenem Brief der polnischen Bischöfe finden, die wir nicht überlesen sollten. Sie schreiben: „In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichem Geist strecken wir unsere Hände zu ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils. Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung". Ich meine, wir sollten diese so wertvollen Worte aufnehmen und Euch Polen um Vergebung bitten, um Vergebung, daß wir Euch am 1. September 1939 überrachsend mit Krieg überzogen, Eure Städte und Dörfer aus heiterem Himmel zerbombten und zerschossen, um Vergebung, daß wir Hunderttausende von Euch aus Euren Häusern und Wohnungen verdrängten, um Platz zu machen für andere Deutsche, um Vergebung dafür, daß sich diese Vertreibung vollzog unter Bedingungen voller Menschenverachtung, die unserer Nation unwürdig waren, um Vergebung dafür, daß mehr als eine Million Eurer Männer und Frauen, Knaben und Mädchen zu härtester Fronarbeit nach Deutschland verschleppt wurden, um Vergebung dafür, daß der letzte Reichsinnenminister festlegen konnte — ich zitiere —, „diese Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 10959 polnische Bevölkerung wird als führungsloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich Wanderarbeiter für besondere Arbeitsvorkommen (Straßenbauten, Steinbrüche) stellen", und um Vergebung dafür, daß das Bildungsniveau dieses führungslosen Arbeitsvolkes von demselben Herrn Himmler, der sich auch Kommissar für die Festigung deutschen Volkstums nannte, wie folgt festgelegt wurde — ich zitiere —: „Einfaches Rechnen bis höchstens 500. Schreiben des Namens, eine Lehre, daß es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen zu gehorchen und ehrlich, fleißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich." Und wir bitten Euch um Vergebung dafür, daß wir einen Kanzler an der Spitze des Reiches duldeten, der anordnete — ich zitiere —, daß es für die Polen nur einen Herrn geben dürfe, und das sei der Deutsche. Zwei Herren nebeneinander könne es nicht geben und dürfe es nicht geben. Daher seien alle Vertreter der polnischen Intelligenz umzubringen — umzubringen, ich wiederhole es —, und um Vergebung, daß Ihr über fünf bittere Jahre die Herrschaft eines deutschen Generalgouverneurs erdulden mußtet, dessen Leitschnur war — ich zitiere wörtlich —: „Was wir jetzt an Führungsschicht in Polen festgestellt haben, das ist zu liquidieren, was wieder nachwächst, ist von uns sicherzustellen und in einem entsprechenden Zeitraum wieder wegzuschaffen." Und um Vergebung, daß Eure Kunstschätze geraubt, Eure Kirchen, Universitäten und Schulen geschlossen, Eure Priester, Professoren und Lehrer verfolgt, in die Konzentrationslager geworfen und gemordet wurden, und wir bitten in Demut um Vergebung, daß in Eurem Lande das Schrecklichste geschah, was von Deutschen je vollzogen worden ist. Ich spreche von den Lagern, in denen mit gnadenloser Roheit Männer und Frauen, Kinder und Greise planmäßig gedemütigt, gequält und schließlich gemordet worden sind. In dieser Stunde werde ich Namen und Zahlen der unglücklichen Opfer aus vielen Nationen nicht verschweigen: Sóbibor 250 000 Májdanek 360 000 Chélmo 360 000 Bélzec 600 000 Treblinka 750 000 und schließlich Auschwitz mit 2 1/2 Millionen, die in die Gaskammern gepfercht, dort elend erstickt sind. Das Ende des Krieges sah für Polen so aus: dreieinhalb Millionen polnische Staatsbürger — Männer und Frauen, Kinder und Greise — starben in diesen und anderen von deutscher Hand mit erbarmungsloser Härte betriebenen Stätten der Schande, der Qual, der Vernichtung. Alles in allem brachte der Krieg dem 30-Millionen-Volk der Polen sechs Millionen Tote. Etwa 123 000 fielen als Soldaten. Jeder fünfte polnische Staatsbürger kam somit um. Wenn wir diesen für uns so beschämenden Zeitabschnitt Revue passieren lassen, so sollten wir ganz tief und innerlich und ohne jeden Vorbehalt auch für das uns angetane Unrecht Vergebung gewähren, Vergebung gewähren für die Tausenden von Toten, als sich bei Kriegsbeginn aufgespeicherter polnischer Volkszorn gegen die dort ansässige deutsche Bevölkerung entlud. Und meine Bitte geht jetzt an unsere Schlesier, unsere Pommern, unsere Ostpreußen, auch ihrerseits dem polnischen Volke Vergebung zu gewähren für das ihnen angetane Unrecht der Vertreibung aus der so innig geliebten Heimat, in der sie seit Jahrhunderten und daher zu Recht lebten und wirkten und aus der sie verwiesen wurden unter großer Drangsal, unter Blut, Tränen und Flüchen. Ich weiß, wie fordernd diese Bitte ist. Doch vielleicht kann auch hier der Brief der polnischen Bischöfe das in Kummer oder Haß verschlossene Herz zum Verstehen und Vergeben öffnen. Die Bischöfe schreiben: „Ein großer Teil der Bevölkerung hatte dieses Gebiet aus Furcht vor der russischen Front verlassen und war nach dem Westen geflüchtet. Für unser polnisches Vaterland, das aus den Massenmorden nicht als Siegerstaat, sondern bis zum äußersten geschwächt hervorging, ist dieses Gebiet eine Existenzfrage (keine Frage des „größeren Lebensraumes"), es sei denn, daß man ein Über-30-Millionen-Volk in den engen Korridor eines „Generalgouvernements" von 1939 bis 1945 hineinpressen wollte, ohne Westgebiete, aber auch ohne Ostgebiete, aus denen seit 1945 Millionen von polnischen Menschen in die „Potsdamer Westgebiete" hinüberströmen mußten. Wo sollten sie auch damals hin, da ja das sogenannte Generalgouvernement zusammen mit der Hauptstadt in Schutt und Trümmern lagen? Die Vernichtungswellen des letzten Krieges sind nicht nur einmal, wie in Deutschland, sondern seit 1914 mehrere Male über die polnischen Lande hinweggebraust, und zwar hin und zurück wie apokalyptische Reiter, und haben jedesmal Schutt und Trümmer, Armut, Krankheit, Seuchen und Tränen und Tod und wachsende Vergeltungs- und Haßkomplexe hinterlassen." Noch einmal gehen in dieser Stunde meine Gedanken zurück zu jenem schicksalsschweren 1. September 1939, als ich von Ostpreußen aus mit meiner Truppe die Grenze nach Polen querte. Vor uns dehnte sich weites polnisches Land, das zu erobern wir uns anschickten. Und so sehe ich denn auch vor mir jenen ersten gefallenen Soldaten. Ich sehe sein straffes, bleiches, jugendliches Gesicht mit den kräftigen Zügen, ich sehe den Stahlhelm von ungewohnter Form, und die Uniform, die nach Farbe und 10960 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 Schnitt anders war als unser feldgrauer Waffenrock. Dieser tote polnische Soldat begleitete mich in der Erinnerung über Jahre und Jahrzehnte, als spräche und mahne er immer wieder: Warum, warum habt Ihr mein Land überfallen? Warum meinem Leben ein so frühes Ende gesetzt? Warum mein Volk so gnadenlos gedemütigt? Und ich antworte ihm: Wir haben allzu lange schreiendes Unrecht in unserem eigenen Lande geduldet, allzu fügsam dem kriegslüsternen Kanzler des Deutschen Reiches gehorcht, und allzu viele haben allzu willig und allzu tief die giftigen Schwaden eingesogen, die die Luft im Deutschen Reich verpesteten. Und ich füge die Bitte hinzu: unbekannter polnischer Soldat, vergib uns Du und mit Dir Dein Volk, den großen Frevel, den Deutsche einst in Polen begangen haben. „Wir gewähren Vergebung und wir bitten um Vergebung". Diese so kostbaren christlichen Worte der Bischöfe Polens sollten wir im Gedächtnis und im Herzen bewahren. Sie können uns den Weg in eine gemeinsame hellere Zukunft weisen, den die vorliegenden Verträge ebnen werden, da durch sie die Westgrenze Polens endgültig gesichert wird, die seit Entstehen des polnischen Staates im Jahre 1918 bis zum heutigen Tage von uns stets in Frage gestellt worden ist. Anlage 6 Umdruck 287 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung des a) von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken — Drucksachen VI/3156, VI/3397, zu VI/3397 — und des b) von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen — Drucksachen VI/3157, VI/3396, zu VI/3396 —. Der Bundestag wolle beschließen: Im Zusammenhang mit der Abstimmung über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 12. August 1970 und dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen vom 7. Dezember 1970 erklärt der Deutsche Bundestag: 1. Zu den maßgebenden Zielen unserer Außenpolitik gehört die Erhaltung des Friedens in Europa und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die Verträge mit Moskau und Warschau, in denen die Vertragspartner feierlich und umfassend auf die Anwendung und Androhung von Gewalt verzichten, sollen diesen Zielen dienen. Sie sind wichtige Elemente des Modus vivendi, den die Bundesrepublik Deutschland mit ihren östlichen Nachbarn herstellen will. 2. Die Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland in den Verträgen eingegangen ist, hat sie im eigenen Namen auf sich genommen. Dabei gehen die Verträge von den heute tatsächlich bestehenden Grenzen aus, deren einseitige Änderung sie ausschließen. Die Verträge nehmen eine friedensvertragliche Regelung für Deutschland nicht vorweg und schaffen keine Rechtsgrundlage für die heute bestehenden Grenzen. 3. Das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung wird durch die Verträge nicht berührt. Die Politik der Bundesrepublik Deutschland, die eine friedliche Wiederherstellung der nationalen Einheit im europäischen Rahmen anstrebt, steht nicht im Widerspruch zu den Verträgen, die die Lösung der deutschen Frage nicht präjudizieren. Mit der Forderung auf Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts erhebt die Bundesrepublik Deutschland keinen Gebiets- oder Grenzänderungsanspruch. 4. Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß die fortdauernde und uneingeschränkte Geltung des Deutschlandvertrages und der mit ihm verbundenen Abmachungen und Erklärungen von 1954 sowie die Fortgeltung des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken am 13. September 1955 geschlossenen Abkommens von den Verträgen nicht berührt wird. 5. Die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und auf Berlin werden durch die Verträge nicht berührt. Der Deutsche Bundestag hält angesichts der Tatsache, daß die endgültige Regelung der deutschen Frage im Ganzen noch aussteht, den Fortbestand dieser Rechte und Verantwortlichkeiten für wesentlich. 6. Hinsichtlich der Bedeutung der Verträge verweist der Deutsche Bundestag darüber hinaus Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 10961 auf die Denkschriften, die die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften zusammen mit den Vertragsgesetzen zum Moskauer und Warschauer Vertrag vorgelegt hat. 7. Die Bundesrepublik Deutschland steht fest im Atlantischen Bündnis, auf dem ihre Sicherheit und ihre Freiheit nach wie vor beruhen. 8. Die Bundesrepublik Deutschland wird die Politik der europäischen Einigung zusammen mit ihren Partnern in der Gemeinschaft unbeirrt fortsetzen mit dem Ziel, die Gemeinschaft stufenweise zu einer Politischen Union fortzuentwickeln. Die Bundesrepublik Deutschland geht dabei davon aus, daß die Sowjetunion und andere sozialistische Länder die Zusammenarbeit mit der EWG aufnehmen werden. 9. Die Bundesrepublik Deutschland bekräftigt ihren festen Willen, die Bindungen zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem Viermächte-Abkommen und den deutschen Zusatzvereinbarungen aufrechtzuerhalten und fortzuentwickeln. Sie wird auch in Zukunft für die Lebensfähigkeit der Stadt und das Wohlergehen ihrer Menschen Sorge tragen. 10. Die Bundesrepublik Deutschland tritt für die Normalisierung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ein. Sie geht davon aus, daß die Prinzipien der Entspannung und der guten Nachbarschaft im vollem Maße auf das Verhältnis zwischen den Menschen und Institutionen der beiden Teile Deutschlands Anwendung finden werden. Bonn, den 10. Mai 1972 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 7 Umdruck 288 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur zweiten Beratung und Schlußabstimmung a) des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken — Drucksachen VI/3156, VI/3397, zu VI/3393 — b) des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen — Drucksachen VI/3157, VI/3396, zu VI/3396 —. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß das Recht aller Deutschen einschließlich der Vertriebenen und Flüchtlinge auf Freizügigkeit vom und zum angestammten Wohnsitz und zur freien und angemessenen Entfaltung in ihrer Heimat (als einzelner und in Gruppen) im Sinne der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen, der europäischen Menschenrechtskonvention und der wiederholten einstimmigen Beschlüsse des Sicherheitsrates der UN durch die Vertragsgesetze zum Moskauer und Warschauer Vertrag weder verletzt noch behindert werden kann und darf. Durch die Verträge dürfen Vertreibungen weder legitimiert noch legalisiert werden. Bonn, den 17. Mai 1972 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 8 Umdruck 282 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) — Drucksachen VI/3010, VI/3307 —. Der Bundestag wolle beschließen: § 1 Abs. 1 Satz 2 erhält folgende Fassung: Leere Transportmittel können verplombt werden, wenn ihnen ein Warenbegleitschein beigefügt wird, in dem das Transportmittel als „leer" bezeichnet ist. Bonn, den 9. Mai 1972 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 9 Umdruck 283 (neu) Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregie- 10962 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) — Drucksachen VI/3010, VI/3307 —. Das Gesetz über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) legt den Güterverkehrsunternehmen, die den Berlinverkehr bedienen, schwerwiegende Verpflichtungen auf. Um diesen Verpflichtungen und den auch weiterhin vorhandenen besonderen Verhältnissen im Güterverkehr von und nach Berlin (West) gerecht zu werden, muß ein Höchstmaß an Rechtssicherheit gewährleistet sein. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, alle wichtigen Fragen, die im Gesetz nur global behandelt wurden und einer detaillierten Auslegung bedürfen, besonders zu regeln. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Durchführung des Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der bestimmt ist, welche Zollbehörden für die Ermächtigung zur Selbstverplombung von Unternehmen zuständig sind und welche Auflagen diese Unternehmen erfüllen müssen, damit das Verfahren ordnungsgemäß ist und den Bestimmungen des Abkommens über den Transitverkehr entspricht. Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, Zolldienstanweisungen zu erlassen, in denen bestimmt wird, 1. welche Bautypen von Transportmitteln nicht verschlußfähig sind; 2. welche Arten von Gütern sich nicht für einen Transport unter Verplombung eignen; 3. wer in den unter 1. und 2. genannten Fällen für die Ausstellung von Ausnahmegenehmigungen zuständig ist und in welcher Form sowie in welchem Verfahren solche Bescheinigungen erteilt werden. Bonn, den 17. Mai 1972 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 10 Umdruck 284 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) — Drucksachen N/3010, VI/3307 —. Die in dem Gesetz über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und nach Berlin (West) vorgesehene Verplombungspflicht macht vor allem für Transportunternehmen, die nicht am internationalen Güterverkehr teilnehmen, erhebliche Umrüstungen an den Transportmitteln notwendig. Die Kosten für diese Umrüstung, die je Lastzug etwa 5000 DM betragen, würden bei den in erster Linie im Berlinverkehr eingesetzten kleinen und mittleren Unternehmen wirtschaftlich kaum tragbare Belastungen mit sich bringen. Eine Übernahme dieser Kosten durch den Bund ist daher erforderlich. Hierfür haben sich alle Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses sowie der Straßenverkehrstag der FDP am 8. April 1972 in Stuttgart ausgesprochen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Unternehmen des privaten Transportgewerbes die aufgrund der Bestimmungen des Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) entstehenden Kosten für die Herrichtung der Zollverschlußfähigkeit der überwiegend im Berlin-Verkehr beschäftigten und bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu erstatten und entsprechende Mittel bereitzustellen. Bonn, den 9. Mai 1972 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 11 Umdruck 286 Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) — Drucksachen VI/3010, VI/3307 —. Die Bundesregierung wird ersucht: 1. Die Bundeszollverwaltung in personeller und sachlicher Hinsicht so auszustatten, daß der Berlinverkehr in der einfachsten, schnellsten und günstigsten Weise durchgeführt werden kann; 2. In Fällen, in denen Transportunternehmen durch die Belastung mit Umrüstungskosten für die verschlußsichere Herrichtung von Transportmitteln in ihrer Existenz beeinträchtigt werden, eine Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 187. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Mai 1972 10963 Finanzhilfe, insbesondere durch die Gewährung von niedrig verzinslichen oder zinslosen Darlehen vorzusehen. Bonn, den 10. Mai 1972 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 12 Umdruck 285 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) — Drucksachen VI/3010, VI/3307 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, über Erfahrungen mit der Verplombung von Leerfahrzeugen dem Bundestag nach einer angemessenen Frist zu berichten und eine erneute Überprüfung einer Freistellung der Leerfahrzeuge vom Verplombungszwang für den Fall vorzunehmen, daß die gesammelten Erfahrungen dies nahelegen. Bonn, den 10. Mai 1972 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion
Gesamtes Protokol
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618700000
Die Sitzung ist eröffnet.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Meine Damen und Herren! Am 14. Mai 1972 ist unser Kollege Theodor Blank im Alter von 66 Jahren nach schwerer Krankheit in einem Bonner Krankenhaus gestorben. Erst vor drei Wochen hatte er aus Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit sein Bundestagsmandat niedergelegt. Er hatte geahnt, den Strapazen dieser Tage nicht mehr gewachsen zu sein.
Theodor Blank wurde am 19. September 1905 in Elz an der Lahn geboren. Schon als Tischlerlehrling im Ruhrgebiet befaßte er sich intensiv mit sozialen Fragen und wurde 1930 jüngster Sekretär im Zentralverband Christlicher Fabrik- und Transportarbeiter. Seine Entlassung durch die Nationalsozialisten 1933 nutzte er, indem er das Abitur nachholte und bis Kriegsausbruch Mathematik, Physik und Ingenieurwesen in Münster und Hannover studierte.
Nach der Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft Ende Juni 1945 wandte sich Theodor Blank wieder der Politik zu. Als Mitgründer der Christlich-Demokratischen Union Westfalens und des Deutschen Gewerkschaftsbundes, als Stadtverordneter in Dortmund, Landtagsabgeordneter in Düsseldorf und Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates gehörte er zu den Männern der ersten Stunde seiner Partei und hatte von Anfang an entscheidenden Anteil an der Entwicklung der deutschen Nachkriegsgeschichte. Theodor Blanks historische Leistung vor Gründung der Bundesrepublik war es, im Frankfurter Wirtschaftsrat als Sprecher der Arbeitnehmer sich für die wirtschaftspolitische Konzeption Ludwig Erhards einzusetzen und der Freien Marktwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen.
Unserem Haus, dem Deutschen Bundestag, gehörte Theodor Blank seit 1949 bis April dieses Jahres ununterbrochen an. Mit seinem Namen bleibt der Aufbau unserer Bundeswehr und die Gestaltung einer modernen Sozialpolitik untrennbar verbunden.
Als Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers seit November 1950 und Leiter der „Dienststelle Blank" meisterte er die schwierige und undankbare Aufgabe, die zum Schutze der Bundesrepublik Deutschland notwendige Wiederbewaffnung und Wehrpflicht in einer schwierigen Zeit vorzubereiten.
1955 wurde er der erste Verteidigungsminister und setzte das mühselige Aufbauwerk einer in das westliche Verteidigungssystem integrierten Bundeswehr fort.
Seiner christlich-sozialen Grundhaltung entsprach ganz seine achtjährige Tätigkeit als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung von 1957 bis 1965, in denen er für die Interessen der Arbeitnehmer, der Kranken und Alten kämpfte. Zahlreiche sozialpolitische Reformen, so im Bereich der Vermögensbildung, der Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung und der Lohnfortzahlung, konnte er durch seinen unermüdlichen Einsatz entwickeln und durchsetzen. Auch seine politischen Gegner haben ihn dabei mit ihrem Respekt begleitet.
Theodor Blank sind Enttäuschungen und Niederlagen nicht erspart geblieben. Er ist jedoch nicht müde geworden, an seinen Vorstellungen festzuhalten, von denen viele seiner Zeit vorausgingen und erst unter seinen Amtsnachfolgern verwirklicht wurden. Theodor Blank hat sich durch sein aufopferungsvolles Wirken zum Wohle unseres Landes Verdienste erworben, die über seinen Tod hinaus wirken werden und uns verpflichten.
In einem Telegramm an die Familie unseres verstorbenen Kollegen habe ich in Ihrer aller Namen unsere aufrichtige Teilnahme und unser Mitgefühl übermittelt. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, zunächst spreche ich unserem Kollegen Herrn Abgeordneten Dichgans die herzlichsten Glückwünsche des Hauses zu seinem gestrigen 65. Geburtstag aus.

(Beifall.)

Es liegt Ihnen folgende Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Übereinkommen und Empfehlungen der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation auf ihrer 55. Tagung im Oktober 1970
— Drucksache VI/3407 —
zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend), Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen



Präsident von Hassel
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften

(Berichtszeitraum Oktober 1971 bis März 1972)

Bezug: Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967
— Drucksache VI/3413 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Rechtsausschuß, Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Betr.: Entschließung zu dem Vertrag über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Königreichs Norwegen und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zu den Europäischen Gemeinschaften
— Drucksache VI/3427 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung im Ältestenrat wollen wir die heutige Tagesordnung ergänzen um die
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hauser (Sasbach), Erhard, Dr. Lenz, von Thadden, Vogel und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
— Drucksache VI/3441 —
Ist das Haus damit einverstanden? — Die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 9. Mai 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gruhl, Volmer, Biechele, Freiherr von Fircks und Genossen betr. Bundesinnenministerium — Drucksache VI/3383 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/3429 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 8. Mai 1972 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, zwischenzeitlich bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung des Rates über die Finanzierung der Interventionsausgaben bel Wein
— Drucksache VI/2498 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung der Schutzmaßnahmen auf dem Sektor Zucker
— Drucksache VI/3084 —
Verordnung (EWG) des Rates
zur Änderung der Verordnung Nr. 1009/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
über die Anwendungsregeln im Zuckersektor im Falle eines außergewöhnlichen Preisanstiegs auf dem Weltmarkt
— Drucksache VI/3213 —
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 10. Mai 1972 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, zwischenzeitlich bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung (EAG) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Bediensteten der gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EG-Vorlagen
Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden
— Drucksache VI/3385 — überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (Euratom) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden
— Drucksache VI/3391 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates (EWG) zur Verlängerung bestimmter, die Gewährung von Zuschüssen aus dem EAGFL, Abteilung Ausrichtung, betreffender Fristen für die Jahre 1971, 1972 und 1973
— Drucksache VI/3415 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emissionen von luftverunreinigenden Gasen aus Dieselmotoren von Kraftfahrzeugen
— Drucksache VI/3425 —
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates (EWG) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2780/71 über die teilweise Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Waren
— Drucksache VI/3428 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
— Drucksache VI/3156 —
Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)

— Drucksachen VI/3393, zu VI/3397 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Achenbach Abgeordneter Dr. Heck

(Erste Beratung 171., 172., 173. Sitzung)

Gleichzeitig rufe ich zur verbundenen Beratung Punkt 2 auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen
— Drucksache VI/3153 —
Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)

— Drucksachen VI/3396, zu VI/3396 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Haack
Abgeordneter Dr. Bach

(Erste Beratung 171., 172., 173. Sitzung)




Präsident von Hassel
In der Fortsetzung der Aussprache erteile ich Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Carlo Schmid das Wort.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0618700100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gebe ich zu dem Gesetz zum Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und zu dem Gesetz zum Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen folgende Erklärung ab.
Der zweite Weltkrieg hat Deutschland und Europa gespalten. 27 Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten ist dieser Zustand noch nicht überwunden. Seit Jahren bemühen sich die Weltmächte im Interesse des Friedens, von der Konfrontation zur Kooperation zu gelangen.
Unsere geschichtliche Vergangenheit und die geographische Lage im Herzen Europas verpflichten uns, einen eigenen deutschen Beitrag zur Sicherung des Friedens zu leisten.
Die vorliegenden Verträge bezeugen den Friedenswillen der Bundesrepublik Deutschland, verankern den wechselseitigen uneingeschränkten Gewaltverzicht der Vertragspartner, sind die Ausgangsposition für weitere Verträge mit den Ländern Osteuropas und bilden die Voraussetzung für den
I Übergang zu einem friedlichen Nebeneinander und möglichen Miteinander.
Der deutsch-sowjetische Vertrag führt die Bundesrepublik Deutschland in den Prozeß einer Politik der Kooperation ein, die im Interesse einer friedlichen Entwicklung zwischen beiden Teilen Europas von den Weltmächten eingeleitet worden ist.
Mit dem Warschauer Vertrag wird ein Schlußstrich unter die leidvolle Geschichte des deutschpolnischen Verhältnisses in der Vergangenheit gezogen. Die Wunden, die der zweite Weltkrieg geschlagen hat, sind noch nicht verheilt. Europa wird nur gesunden, wenn die Feinde von gestern wieder zusammenfinden. Eine Aussöhnung verlangt unseren beiden Völkern die Überwindung bitterer Gefühle ab.
Die Bundesrepublik Deutschland wird nach diesem Vertrag die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens nicht mehr in Frage stellen. Dieser Schritt wird zu einer allmählichen Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen beitragen.
Unseren Landsleuten aus den früheren deutschen Ostgebieten hat der zweite Weltkrieg ein besonderes Opfer auferlegt. Sie sind aufgerufen, den Weg der beiden Völker in eine glücklichere Zukunft mit zu bahnen.
Die Verträge stimmen mit der Politik unserer Verbündeten in der NATO und unserer europäischen Freunde überein. Sie alle haben ihr Interesse an der ihnen zugrunde liegenden Politik bekundet. Sie haben sich darüber hinaus ausdrücklich mit ihr identifiziert und sie als einen Beitrag zu der ihnen allen gemeinsamen Friedenspolitik bezeichnet. Damit ermöglichen die Verträge die Fortsetzung der europäischen Einigung.
Diese Verträge widersprechen nirgends den Verpflichtungen, die das Grundgesetz uns auferlegt.
Die Bundesrepublik Deutschland handelt beim Abschluß dieser Verträge nur im eigenen Namen. Sie steht dabei unter den Vorbehaltsrechten der drei Westmächte und unter den Rechten und Pflichten der Vier Mächte für Berlin und Deutschland als Ganzes.
Diese Verträge bilden darüber hinaus eine entscheidende Voraussetzung für die Regelungen, die zur Überwindung der Spannungen innerhalb Deutschlands notwendig sind.
Der amerikanische Präsident Nixon erklärte am 9. Februar 1972 — ich bitte, zitieren zu dürfen —:
Wir erreichen in einem Schritt von größter Bedeutung ein Abkommen über Berlin. Wenn es eine Stadt gegeben hat, wo während der letzten 20 Jahre ein dritter Weltkrieg hätte ausbrechen können, so war es Berlin. Dieses neue Abkommen verhindert die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen den Supermächten.
Ich füge dieser Feststellung nichts hinzu.
Zusammen mit der Ratifizierung der Ostverträge wird die erste Berlin-Vereinbarung der Vier Mächte nach dem zweiten Weltkrieg in Kraft treten.
Diese Vereinbarung garantiert im weitesten Sinne die Zukunft und Lebensfähigkeit der Stadt Berlin, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges ein gefährlicher Spannungsherd in Europa gewesen ist.
Sie garantiert zum erstenmal den ungehinderten zivilen Verkehr zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland und die gewachsenen Bindungen von Berlin (West) an die Bundesrepublik Deutschland. Die Rechtmäßigkeit dieser Bindungen wird von der Sowjetunion und der DDR nicht mehr in Frage gestellt. Es besteht Übereinstimmung darüber, daß sie auch in Zukunft weiter ausgebaut werden können.
Als ein besonderer Schritt muß gewertet werden, daß erstmalig die Bundesrepublik Deutschland unbestritten Berlin in internationale Verträge einbeziehen kann und die Westberliner Bürger den Schutz der Bundesrepublik Deutschland auch in den Ostblockstaaten genießen werden.
Die gesicherte Rechtsstellung Berlins findet einen ersten Niederschlag in dem Außenhandelsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion, in den Berlin (West) voll einbezogen ist.
Die beiden deutschen Regierungen und der Senat von Berlin haben durch innerdeutsche Vereinbarungen zum Zustandekommen des Berlin-Abkommens beigetragen. Dadurch wurde erstmalig eine Entspannung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR eingeleitet.



Dr. Schmid (Frankfurt)

Der Verkehrsvertrag, der in diesen Tagen von der Bundesrepublik Deutschland und der DDR paraphiert wurde, ist ein erster Schritt zur Öffnung des Tores zwischen beiden Teilen Deutschlands. Er macht in seiner Auswirkung die Grenzen durchlässiger und schafft Möglichkeiten, die von uns gewünschte Freizügigkeit schrittweise zu erreichen.
Zusätzlich sind auf dem Gebiet des Post- und Fernsprechwesens Abmachungen getroffen worden.
Alles in allem bringen die mit diesen Vereinbarungen eingeleiteten Entwicklungen Erleichterungen für die Menschen in Deutschland, die wir für besonders wichtig halten. Letzten Endes machen sie menschliche Beziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands wieder möglich.
Der Verkehrsvertrag bahnt normale zwischenstaatliche Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten an, die wir pflegen und weiterentwickeln müssen. Dies ist ein Weg, der den Menschen in Deutschland dient. Er kann dazu führen, der Grenze in Deutschland ihre Unmenschlichkeit zu nehmen.
Wir wissen, daß diese Verträge auf beiden Seiten Wünsche offenlassen. Aber die Partner der Verträge sind beiderseits an die Grenzen des ihnen Möglichen gegangen. Unter der Voraussetzung des beiderseitigen guten Willens stellen die Verträge eine gute Ausgangsposition für eine friedliche Entwicklung in Europa dar.
Die beiden zur Abstimmung vorliegenden Verträge leiten eine politische Entwicklung in Europa ein, in deren Verlauf die unnatürliche Zerrissenheit des Kontinents überwunden werden soll. Nur in einer solchen Entwicklung liegt die Hoffnung der Deutschen, eines Tages ihr unbestreitbares Recht auf Selbstbestimmung ausüben zu können.
Mit der Zustimmung zu dieser Politik dienen wir nicht nur den allgemeinen Anliegen des Friedens, sondern auch den besonderen Interessen unseres Volkes.
Die Fraktion der SPD stimmt deshalb den vorliegenden Verträgen zu.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei der FDP.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618700200
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0618700300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur abschließenden Lesung der Gesetzentwürfe zur Ratifizierung der Verträge mit der UdSSR und der Volksrepublik Polen gebe ich für die Fraktion der Freien Demokraten folgende Erklärung ab.
In den letzten Wochen ist für die Öffentlichkeit besonders deutlich geworden, welche vorrangige Aufgabe es für die deutsche Außenpolitik ist, einen Beitrag für die Erhaltung und Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt zu leisten. Die Ereignisse in anderen Teilen der Erde haben gezeigt, daß der Frieden nur durch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Verständigung gesichert werden kann. Auf Europa bezogen heißt das: der
Aussöhnung Deutschlands mit den osteuropäischen Staaten kommt bei der Sicherung des Friedens gerade jetzt eine entscheidende Bedeutung zu. Diesem Ziel dienen die Verträge, die dem Hohen Hause heute zur Ratifizierung vorliegen.
Für uns haben die Verträge aber auch eine moralisch-politische Bedeutung. Die leidvolle Geschichte gerade der deutsch-polnischen, aber auch der deutsch-russischen Beziehungen verlangt geradezu nach einer Überwindung des ewigen Revanche- und Rachedenkens. Mit diesen Verträgen wird ein entscheidender Schritt zur Überwindung der bitteren Vergangenheit getan in dem vollen Bewußtsein, daß noch ein langer, mühseliger Weg zurückzulegen sein wird, bis wir wirklich von der Lösung all der Probleme sprechen können, die unsere Länder und die Menschen in diesen Ländern belasten.
Die Entscheidung, die das Parlament heute zu fällen hat, wird von hohem geschichtlichen Rang sein. Wir Freien Demokraten vertrauen darauf, daß der Deutsche Bundestag die Kraft finden wird, einen Markstein zu setzen, der für den Beginn einer zukunftsträchtigen Entwicklung in Europa steht, für die Bereitschaft zur Verständigung über die Grenzen von Machtblöcken hinweg, für die Fähigkeit der Bundesrepublik Deutschland, Friedenspolitik als entscheidendes Element jeder realistischen Politik zu begreifen und auch zu betreiben, und für den Mut, die Wirklichkeit nicht länger mit Wunschdenken gleichzusetzen, sondern die Wünsche und Möglichkeiten an der Wirklichkeit zu orientieren. Wer dies tut, hat das Gesetz des Handelns auf seiner Seite. Er nimmt das Recht voll in Anspruch, selbst zu bestimmen, was richtig und wichtig und für die Gestaltung der eigenen Zukunft von Bedeutung ist. Die Entwicklung geht dann nicht über ihn hinweg, sondern wird von ihm mit geprägt.
Dies, meine ich, ist — auf den Staat und die Nation übertragen — im wahrsten Sinne des Wortes eine patriotische Politik. Sie schließt Weltoffenheit, Freundschafts- und Nachbarschaftspflege und die Bereitschaft zum Abbau trennender Schranken zwischen den Staatengemeinschaften ebensowenig aus wie das grundsätzliche Einverständnis zur Zusammenarbeit mit Staaten unterschiedlicher politischer Systeme. Die Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und mit der Volksrepublik Polen berücksichtigen diese Prinzipien. Wer in ihrem Zusammenhang von Verzicht redet, hat nur dann recht, wenn er den generellen Verzicht auf Gewalt und damit den Verzicht auf eine Politik des selbstmörderischen Risikos meint. Auf nichts sonst wird verzichtet, auf keine Rechte, schon gar nicht auf das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen, und somit auch auf keine Pflichten, wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland formuliert sind. Im Gegenteil! Wenn es nach den Jahren und Jahrzehnten der auseinanderstrebenden Entwicklungen in Deutschland noch einen Weg zu vernunftbestimmtem Neben- oder Miteinander gibt, wenn die Kluft zwischen den beiden Staaten in Deutsch-



Mischnick
land noch überbrückt und die menschliche Begegnung wieder bis hin zur Wendemarke der Normalität entwickelt werden kann, dann nicht zuletzt auf Grund der politischen Chancen, die uns diese Verträge eröffnen; denn sie schaffen den Rahmen — sie haben ihn teilweise bereits geschaffen —, innerhalb dessen ein Klima des Vertrauens denkbar wird; wohlgemerkt: keine blinde Vertrauensseligkeit, denn damit wäre niemandem und am wenigsten dem Frieden gedient.
Deshalb auch unsere feste Verankerung im nordatlantischen Bündnis, unser unbedingter Wille zur wirtschaftlichen und politischen Integration in Westeuropa und unsere Wachsamkeit in der Auseinandersetzung mit aggressiven Ideologien. Es geht nicht um das Aufgeben unserer Positionen und Ziele, sondern es geht um das Aufgeben einer Haltung, die unsere Beziehungen zu den Warschauer Paktstaaten und deren Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland nicht von permanenten Irritationen und Spannungen freizuhalten verstand. Diese Spannungen nun endlich abzubauen bedeutet, Erstarrungen zu lösen und damit Spielraum zu gewinnen für die Bewältigung oder zumindest allmähliche Reduzierung der in Mitteleuropa und speziell in Deutschland angestauten Probleme.
Ein Anfang ist gemacht. Es gibt das Berlin-Abkommen, das mehr als nur ein erfolgreich verlaufener Test des guten Willens der Vier Mächte ist. Es gibt den paraphierten Verkehrsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt auch die offenkundige Bereitschaft, in beiden deutschen Staaten darüber hinaus mehr zu tun, um endlich die widernatürliche Konfrontation zwischen den Deutschen allmählich abzubauen. Natürlich wünschen wir uns, daß dies rascher und umfassender als bisher geschieht. Wir wissen aber auch, daß 20 Jahre Verhärtungen nicht in wenigen Monaten aufzuweichen sind. Wem es ernst ist damit, für die Menschen einzutreten, und wer nicht nur um bestimmter Ideologien willen oder falsch verstandener Prinzipien wegen Politik treibt, der muß jetzt ja zu den Verträgen sagen.
Wer wie ich Gelegenheit hatte, mit vielen Deutschen aus der DDR zu sprechen — sei es hier, sei es in Berlin, sei es im Ausland —, weiß, wie stark die Zustimmung zu den Verträgen auch bei den Menschen der DDR ist. Die Menschen in der DDR sind nüchtern genug, um zu wissen, daß sie nur langsam mit Erleichterungen für sich selbst rechnen können. Aber sie wissen auch, daß nur mit der Ratifizierung der Verträge für sie eine Chance auf mehr Freizügigkeit besteht. Es liegt jetzt an uns, diese Vorstellungen nicht zu enttäuschen. Jeder in diesem Hohen Hause weiß, daß ohne die jetzt zur Entscheidung anstehende Politik des absoluten Gewaltverzichts und der vertraglichen Regelungen diese Fortschritte nicht erzielt worden wären. Jeder weiß, daß das gewonnene Terrain nur gesichert werden kann, wenn kein Bruch in der eingeleiteten Entwicklung eintritt. Und jeder weiß auch, daß eine Fortführung der eingeleiteten Verbesserungen ohne die Verträge so wenig gesichert wäre wie ein Haus ohne ein Fundament. Wer den Einsturz riskieren will, möge sich gegen das Fundament entscheiden! Wem an einer vertraglichen Grundlage für die Sicherung des Friedens und für gemeinsames Handeln in Deutschland zugunsten aller Deutschen gelegen ist, der sage ja zu diesen Verträgen!
Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt den Verträgen zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618700400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kiesinger

Dr. Kurt Georg Kiesinger (CDU):
Rede ID: ID0618700500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Fraktion habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben.
Die CDU/CSU-Fraktion hat in einer der längsten und intensivsten Beratung in ihrer Geschichte beschlossen, sich in ihrer großen Mehrheit bei der Abstimmung über die Zustimmungsgesetze zum deutsch-sowjetischen und zum deutsch-polnischen Vertrag der Stimme zu enthalten.
Wäre es bei der Lage, in der wir uns bei der ersten Lesung der Verträge befanden, geblieben, so hätte die CDU/CSU-Fraktion am heutigen Tage ihre Haltung bei der ersten Lesung bestätigen müssen. Damals, Ende Februar, hat die CDU/CSU-Fraktion durch alle ihre Redner ihre ablehnende Haltung geschlossen zum Ausdruck gebracht und begründet. Unsere Hauptsorge war, daß durch die Politik der Bundesregierung und die von ihr abgeschlossenen Verträge die deutsche Frage in der Substanz nicht offenbleiben, die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes gefährdet und der Vorbehalt eines gesamtdeutschen Friedensvertrages entwertet werde.
Ich muß in aller Klarheit feststellen, daß diese Sorgen nicht einfach geschwunden sind. Aber in der Zwischenzeit hat sich eine politische Lage entwickelt, bei der sich herausgestellt hat, daß die Bundesregierung im Deutschen Bundestag über keine sie tragende Mehrheit mehr verfügt. In dieser Lage sah sich die Regierung veranlaßt, im Blick auf die Ostverträge nach einem gemeinsamen Weg mit der Opposition zu suchen. Über zwei Jahre glaubte die Regierung, diesen Weg allein gehen und auf eine Zusammenarbeit in diesen Lebensfragen der Nation mit der Opposition verzichten zu können. Die Opposition war zu einer solchen Zusammenarbeit immer bereit. Sie ist deshalb auch sofort auf das späte Angebot des Bundeskanzlers eingegangen. Es wurde eine gemeinsame Entschließung erarbeitet, die dem Hohen Hause vorliegt. Diese Entschließung enthält folgende wesentliche Klarstellungen.
Erstens. Die Verträge dienen der Herstellung eines Modus vivendi, d. h. eines geregelten Übergangszustandes, der eine abschließende, gerechte Regelung der zentralen Fragen der Sicherheit und des Friedens in Europa nicht präjudiziert.
Zweitens. Die Verträge nehmen einen Friedensvertrag nicht vorweg und schaffen keine Rechtsgrundlagen für die heute bestehenden Grenzen.



Dr. h. c. Kiesinger
Drittens. Das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung wird durch die Verträge nicht berührt. Die Lösung der deutschen Frage wird nicht präjudiziert. Eine friedliche Politik der Wiederherstellung der nationalen Einheit des deutschen Volkes steht nicht im Widerspruch zu den Verträgen.
Viertens. Unser Verteidigungsbündnis und die politische Einigung Europas werden nicht behindert. Regierung und Opposition sind sich in dem Ziel einig, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft stufenweise zu einer politischen Union fortzuentwickeln.
Fünftens. Die Deutschen dürfen in Deutschland von gesicherten Fortschritten in der Freizügigkeit für Menschen, Ideen und Informationen nicht ausgeschlossen werden.
Die CDU/CSU-Fraktion mißt dieser Resolution und dem dazu vereinbarten Verfahren eine hohe politische und rechtliche Bedeutung zu. Dieser Umstand hat sie heute zu ihrem Entschluß bestimmt, durch ihre Enthaltung einerseits kein Scheitern der Verträge herbeizuführen, andererseits das Ja aller Parteien des Deutschen Bundestages zu der gemeinsamen Entschließung zu erreichen, die wir als eine verbindliche Grundlage der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland für die Zukunft betrachten sollen.
In der heutigen Entscheidung der Union mögen die Vertragspartner, mögen auch unsere Verbündeten und vor allem das ganze deutsche Volk den unbeirrbaren Willen der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union erkennen, dem inneren Frieden unseres Volkes und dem Frieden und der Verständigung unter den Völkern zu dienen. Dieses Ziel kann aber nur durch die Bereitschaft aller zu einem dauerhaften und gerechten Ausgleich der Interessen aller Völker erreicht werden.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618700600
Das Wort hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Schütz.
Schütz, Regierender Bürgermeister von Berlin: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den bekannten Gründen haben die Berliner im Deutschen Bundestag und im Bundesrat kein volles Stimmrecht. Sie haben dieses Recht auch heute nicht, wo es um eine Sache geht, an der uns in Berlin jetzt gerade besonders liegt. Sie haben nicht das Recht, bei der Ratifizierung des Warschauer Vertrages und des Moskauer Vertrages in den gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik Deutschland mitzuentscheiden. Ich wende mich deshalb heute an Sie, die Mitglieder des Deutschen Bundestages, mit der Bitte um Aufmerksamkeit und um Unterstützung.
Die Bundesrepublik Deutschland hat vor der Unterzeichnung der Ostverträge ihre Ratifizierung davon abhängig gemacht, daß für Berlins Probleme eine befriedigende Regelung gefunden würde. Sie hat genau wie die westliche Verteidigungsgemeinschaft Berlin zum Testfall all ihrer Entspannungsbemühungen bestimmt. Damit hat die deutsche Politik buchstäblich alles auf Berlin gesetzt. Sie hat ihre gesamte Politik nach Osten hin untrennbar und unaufhebbar an Berlin geknüpft. Es ist meine Meinung: Noch niemals seit Kriegsende war Berlin so einbezogen, so der Angelpunkt, so ein Zentrum der deutschen Politik. Dieser Umstand bringt es objektiv mit sich, daß Berlin tatsächlich wieder etwas von dem einnimmt, was ihm über viele Jahre nur zugeschrieben wurde: die Mitte in Deutschland zu sein. Mit „Berlin als Mitte" ist gemeint, daß die Akzentuierung unserer Stadt Möglichkeiten eröffnet, mit den 17 Millionen Deutschen in der DDR zu einem geregelten Nebeneinander zu kommen. Auch das ist jetzt weit davon entfernt, nur selbstbefriedigende Rederei zu sein. Die deutschen Zusatzverhandlungen zum Viermächteabkommen über Berlin haben gezeigt, daß man sinnvoll miteinander sprechen und auch zum Ziele kommen kann.
Mit „Berlin als Mitte" ist also gemeint — und niemand kann es in Abrede stellen —, daß hier objektiv für alle in Deutschland etwas geschieht. Dafür spricht das Berlin-Abkommen selbst, denn das Abkommen vom 3. September 1971, das die Vier Mächte aus ihrer Verantwortung für Berlin über die Stadt geschlossen haben, ist heute weder hier im Bundestag noch in Berlin Gegenstand kontroverser Debatten. Das kann man wohl mit Fug und Recht sagen. Einmal in Berlin selbst nicht mehr: Die anfängliche Skepsis zahlreicher Berliner gegenüber dem Abkommen, die sich unschwer aus den traurigen Erfahrungen vieler Jahre erklärte, ist — je länger, desto mehr — der Einsicht und dem Vertrauen in das Abkommen gewichen. Die Woche um Ostern hat durch den Vorgriff der DDR auf das Abkommen gezeigt, daß die Regelungen, die dieses Abkommen für den Transitverkehr zwischen West-Berlin und dem Bundesgebiet und die Vereinbarung für den Reise- und Besucherverkehr nach Ost-Berlin und in die DDR vorsehen, praktikabel sind. Die Skepsis gegenüber den von beiden deutschen Seiten getroffenen Abkommen und Vereinbarungen, die auch auf der Kompliziertheit dieser Abkommen beruhte, hat sich verflüchtigt. Die Berliner wissen: das geht so.
Zum anderen ist das Abkommen vom 3. September 1971 aber auch in der Bundesrepublik allgemein nicht mehr kontrovers. Ich denke dabei an die vielfältigen Versicherungen, die in diesem Hohen Haus von allen Seiten darüber abgegeben wurden, daß man all die Verbesserungen und Erleichterungen begrüßt, die das Abkommen den Berlinern bringt, und ich denke daran, wie der Vorredner, der frühere Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, in der ersten Lesung in diesem Hause erklärt hat, daß da etwas erreicht worden ist, und in diesem Zusammenhang dieser Bundesregierung den Glückwunsch der Opposition ausgesprochen hat. Daraus sollte deutlich werden, meine Damen und Herren, daß das Berlin-Abkommen im Grunde unstrittig ist und heute von allen bejaht wird, ganz gleich, ob Regierung oder Opposition. Nichts kann darüber hinwegtäuschen.
Ich brauche nicht ausführlich darzulegen, was dieses Abkommen unserer Stadt selbst bringt. Die So-



Regierender Bürgermeister Schütz
wjetunion bestätigt mit ihm die Rechte unserer Schutzmächte und ihre Anwesenheit in der Stadt. Damit ist Berlin im Fundament gesichert. Die Sowjetunion erkennt die Bindungen West-Berlins an die Bundesrepublik Deutschland an, die vielfachen Verflechtungen also und die Zugehörigkeit Berlins zur wirtschaftlichen, zur sozialen, zur rechtlichen, zur gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland überhaupt sowie die Außenvertretung Berlins durch den Bund, selbstverständlich bei Beachtung der obersten Gewalt der zuständigen Mächte. Damit ist Berlins Lebensfähigkeit endgültig sichergestellt.
Berlin bekommt Zugänge auch zu Lande nach dem Bundesgebiet, auf denen Personen sich unbehindert bewegen und Güter unbehindert befördert werden können. Die Berliner bekommen das Recht auf Besuche und Reisen nach Ost-Berlin und in die DDR.
Was diese beiden letzten Regelungen, die aus dem ergänzenden Abkommen zwischen der Bundesregierung und der DDR und dem Abkommen zwischen dem Senat von Berlin und der DDR folgen, für die Praxis und für das Leben jedes einzelnen Berliners bedeuten, weiß jeder in unserem Land; darüber ist genug gesprochen worden.
Das Inkrafttreten dieses Berlin-Abkommens hängt nun gewiß nicht formalrechtlich, aber politisch-substantiell mit den beiden Verträgen zusammen, um die es jetzt und hier in diesem Hause geht. Und wiederum besteht im Grunde, wenn ich es richtig sehe, Einigkeit auch im Deutschen Bundestag darüber, daß dies so ist. Wir alle haben in dieser oder jener Weise darauf gedrungen, daß mit dem Moskauer Vertrag eine befriedigende Berlin-Regelung einhergehen müsse. Die Bundesregierung hat diese Forderung gegenüber der Sowjetunion durchgehalten und durchgesetzt, und so ist es geschehen. Es ist außer Frage — und das berührt ihre rechtliche Unabhängigkeit voneinander nicht —, daß die beiden Ostverträge und das Berlin-Abkommen im Sinne der Gleichzeitigkeit in Kraft treten müssen.
Der Vorstellung, meine Damen und Herren, von einem praktizierten Berlin-Abkommen ohne Ratifizierung des Moskauer Vertrages muß ich aber zusätzlich hier widersprechen, weil sie in die theoretisch wie praktisch überwundene Annahme zurückfällt, es könnte eine isolierte Berlin-Regelung geben, separiert vom Ost-West-Verhältnis, vor allem aber isoliert vom Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Sowjetunion. Ich kann heute nur das wiederholen, was wir übrigens alle gemeinsam in Berlin in all den früheren Jahren immer wieder und immer wieder deutlich zu machen versuchten: Es gibt keine isolierte Lösung, keine befriedigende Regelung für Berlin außerhalb der politischen Zusammenhänge in Europa und außerhalb der politischen Zusammenhänge zwischen dem Westen und dem Osten überhaupt. Darum geht es mir heute. Das wäre nicht einmal wünschenswert. Es muß uns in Berlin gerade darauf ankommen, die Stadt aus jeder wie immer gearteten Sonderstellung herauszubringen. Es kann nicht unser Interesse sein, Berlin als Relikt des kalten Krieges in einer entspannungsbereiten und tatsächlich entspannteren Welt oder einem entspannteren Europa zu erhalten. Uns konnte und kann es in Ansehung der wirklichen Interessen Berlins und seiner Bevölkerung nur darum gehen, Berlin mit der Bundesrepublik zugleich in die gesamte europäische Entwicklung einzuordnen. Wir wollen nicht mehr, aber wir wollen auch nicht weniger.
Die Gefahr, daß Berlin zum Hindernis der Entspannung in Europa und zum Hindernis auf dem Wege zu einer gesamteuropäischen Friedensordnung werden könnte, ist ausgestanden. Mehr noch, die gelungene und die befriedigende Verständigung über Berlin, über den schwierigsten Punkt in Europa, ist zum Zeichen dafür geworden, daß Verständigung überall in Europa gelingen kann.
Sicherlich, meine Damen und Herren — das weiß ich auch —, die Verträge von Moskau und Warschau stehen auch in sich. Sie sind für die Bundesrepublik Deutschland die wünschenswerte und die notwendige Ergänzung zu ihrem Eingebundensein in den Westen. Sie haben also unabhängig von Berlin ihren Eigenwert und ihr Eigengewicht. Aber Berlin hat den beiden Verträgen zugestimmt, weil beide Verträge Verträge zum Frieden sind und weil im Zusammenhang mit beiden Verträgen seine über zwei Millionen Bewohner die Inkraftsetzung des Berlin-Abkommens erleben werden.
Deshalb wiederhole ich heute vor diesem Deutschen Bundestag mit großem Ernst den Appell des Abgeordnetenhauses von Berlin an jedes einzelne Mitglied dieses Hauses: Sagen Sie ja zum Warschauer Vertrag, sagen Sie ja zum Moskauer Vertrag, und sagen Sie damit ja zu mehr Frieden für uns alle und zu einer gesicherten Zukunft für Berlin!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618700700
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Bundesminister Scheel.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0618700800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die hinter uns liegende große Auseinandersetzung hier im Hause und draußen hat uns allen noch einmal klargemacht, daß die Abstimmung, die wir heute vornehmen werden, in das Leben dieses Landes tief eingreift. Noch nie hat eine Frage die Gemüter unseres Volkes so erregt, noch nie sind sich die Meinungsfronten so unerbittlich gegenübergestanden. Wir können davon nicht überrascht sein. Nur an wirklich großen Zielen vermögen sich die Geister zu scheiden. Die großen Ziele müssen uns am Ende aber auch wieder zusammenführen, und der Friede in unserem Lande, der Friede mit unseren Nachbarn und der Friede in der Welt ist ein solches Ziel. Es gibt Augenblicke, da muß man im Machtkampf einmal anhalten, da muß man den notwendigen Parteienstreit unterbrechen, da lasten die Interessen der Republik zu schwer, um einfach weitermachen zu können. Das darf nicht als Verkleistern der Gegensätze oder Verwischen der Fronten mißverstanden werden; es sind einige Minuten



Bundesminister Scheel
Atempause in der konfliktschwangeren Geschichte dieser Jahre innenpolitischer Hochspannung und knappster Mehrheitsverhältnisse.
Meine Damen und Herren, wer hätte mehr Verständnis für den Wunsch einer Fraktion, einer Partei nach Geschlossenheit bei der Abstimmung als ich selbst! Denn auch in der Partei der Freien Demokraten haben diese Verträge gezerrt. Treue und alte Freundschaften sind darüber zerbrochen. Wir beklagen das. Und trotzdem: hier geht es um mehr als nur Fraktionsdisziplin, so wichtig sie sein mag. Es geht um die Nation. Es geht um die Frage, wo jeder einzelne Abgeordnete selber steht, was er persönlich verantworten kann vor sich und vor der Geschichte, vor allem aber vor den Menschen in unserem geteilten Land.
Die Frage darf erlaubt sein, ob eine Stimmenthaltung dem gerecht wird. Die Bundesregierung ist sich der Tatsache bewußt, daß es sich um eine tiefgreifende Entscheidung handelt. Sie hat einerseits mit der Überwindung der Vergangenheit zu tun, sie berührt andererseits die Zukunft der unteilbaren deutschen Nation, die sich ihre Einheit unter Opfern und Kämpfen errungen hat. Diese Entscheidung greift auch in die Erlebnisse und Erinnerungen der Menschen ein, die nach dem zweiten Weltkrieg und durch den zweiten Weltkrieg ihre Heimat verloren haben.
Dies allein gebietet uns, die entstandenen Meinungsfronten zu respektieren. Nicht einmal durch Worte sollten wir die kaum vernarbten Wunden aufreißen. Wir haben das in der Hitze des Gefechts vielleicht manchmal übersehen. Allerdings sollte man erwarten, daß auch die kritische Wertung der Politik der Bundesregierung in einer maßvolleren Sprache geführt wird, als dies manchmal geschehen ist. Sosehr die Erinnerungen und Gefühle, die sich auf das ganze Deutschland beziehen, unsere taktvolle Achtung verdienen, sowenig können wir übersehen, daß sich heute im Jahre 1972 neue Fragen stellen, die der Zukunft des Friedens auf unserem Kontinent gelten. Die Lage in Ost und West, in der wir unsere außenpolitischen Interessen zu vertreten haben, ist in einem starken Wandel begriffen. Europäische Partner und atlantische Verbündete sind von diesem Wandel erfaßt. Wir müssen mit ihnen Tuchfühlung halten, wenn wir den Boden unter den Füßen nicht verlieren, sondern unsere Grundsätze in einer veränderten Welt bewahren wollen.
Die Auseinandersetzung über die Verträge war hart. Wir und andere außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben zuweilen besorgt die Frage gestellt, ob die Diskussionen schließlich zu einer gefährlichen Polarisierung der politischen Kräfte in diesem Lande führen würden. Manch einer mag sich gefragt haben, ob unsere junge Demokratie wohl auch mit Fragen dieser Tiefe und Reichweite im Rahmen ihrer Institutionen fertig werden würde. Ich glaube, heute am Ende einer langen und leidenschaftlichen Auseinandersetzung dürfen wir auf allen Bänken dieses Hauses feststellen: die zweite deutsche Republik hat diese Probe trotz allem bestanden. Bei knappsten Mehrheitsverhältnissen hat sie den Kurs gehalten, ihre innere Stärke bewiesen und die Gemeinsamkeit aller Demokraten in diesem Lande bewahrt. Wir kennen Beispiele aus der Geschichte und der Gegenwart demokratischer Staaten, die mit ihren nationalen Fragen nicht fertig geworden sind. Da, wo Gewalt und Unduldsamkeit die Argumente erst einmal verdrängt haben, ist für die Demokratie wenig Platz.
Die Bundesrepublik Deutschland ist heute und morgen bereit, das Verhältnis der beiden deutschen Staaten so zu regeln, daß für die Menschen die Teilung erträglicher gemacht wird. Wir dürfen nicht zulassen, daß durch Feindseligkeit, Verbohrtheit oder Gleichgültigkeit das Ziel der Einheit der Nation endgültig verschüttet wird. Alle Welt weiß, daß die Deutschen der Bundesrepublik die Einheit der Nation nicht als einen Rückfall in nationalistische Übertreibungen verstehen. Seit 1949 hat die Bundesrepublik Deutschland immer wieder entschlossen ihren Beitrag geleistet, um den europäischen Nationen eine über das Nationale hinweg übergreifende Einheit zu ermöglichen. Auch in der europäischen Politik hat der Methodenstreit zwischen den Parteien niemals das gemeinsame Streben nach der europäischen Einheit in Frage stellen können. Heute und in Zukunft wird die Hoffnung der gegenwärtigen und der kommenden Generationen auf ein vereintes Europa gerichtet sein. Die Bundesrepublik Deutschland wird wie bisher zur Festigung und Entwicklung der Gemeinschaften beitragen.
Diese Europäischen Gemeinschaften bilden die Grundlage für eine moderne Gesellschaft. Die Jugend erhält die für sie so wichtigen Ziele und einen neuen Horizont ihrer Möglichkeiten. Die neuen Grenzen Europas — um einen Begriff Kennedys zu zitieren — werden in dem Maße sichtbar, wie die alten nationalen Grenzen an Bedeutung verlieren, indem sie die Völker zusammenführen anstatt sie zu trennen. Dies gilt für den Osten ebenso wie für den Westen. Die politische Union Europas wird und soll das Einigungswerk krönen. In einer Welt der Unsicherheit und der tiefgreifenden Veränderungen muß Europa mit einer Stimme sprechen. Dann wird es sich in der Welt wieder Gehör schaffen können. So wird die Politik der Entspannung und der Zusammenarbeit zwischen Ost und West in Europa bisher von den gemeinsamen Wünschen der europäischen Völker und Regierungen getragen, und sie wird weiter von diesen gemeinsamen Wünschen und dem gemeinsamen Willen getragen werden.
Die Durchführung wird in Zukunft, so hoffen wir, Sache eines einheitlich und gemeinsam organisierten Willens sein. Die bereits bestehende politische Zusammenarbeit der EWG-Partner muß auf der bevorstehenden europäischen Gipfelkonferenz das dazu notwendige Instrumentarium erhalten. Die Vertretung der uns alle berührenden europäischen Interessen auf der europäischen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit wird eine erste wichtige Gelegenheit bieten, gemeinsam aufzutreten und gemeinsam zu handeln. Sicherheit durch Abschreckung wo erforderlich, Zusammenarbeit durch Enspannung wo möglich — dies ist das auf zwei Säulen ruhende Konzept der Atlantischen Allianz des Jahres 1972.



Bundesminister Scheel
In dieses Konzept fügen sich die Ostverträge nahtlos ein. Jedermann kann sich leicht ausmalen, was ein Scheitern dieser Verträge für die Zusammenarbeit des Bündnisses bedeuten würde. Am deutlichsten hat das wohl vor einigen Tagen noch Averell Harriman ausgesprochen, den ich zitieren möchte. Er sagte:
Mit der Ablehnung der Verträge wäre die Möglichkeit weiteren Fortschrittes verloren. Es gäbe keine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa; die Verhandlungen über beiderseitige ausgewogene Verminderung von Truppen und Rüstung in Europa würden ausgesetzt werden. Das Versagen Westdeutschlands,
— so sagte er —
durch die Ratifizierung des Vertrages, den seine Regierung ausgehandelt hat, die Spannung zu mindern, würde im Kongreß
— im amerikanischen Kongreß —
die Unterstützung für große einseitige Rückzüge der US-Streitkräfte in Europa verstärken.
Das sagte Harriman, der nicht irgend jemand ist. Er ist ein Mann von Ansehen und Gewicht, und man sollte seine Äußerungen ernst nehmen.
Aber auch ohne diese Hinweise ist doch leicht einzusehen, daß eine Bundesrepublik, die für die gemeinsame Politik der Allianz einen Hemmschuh darstellt, so gut wie keine Möglichkeit mehr hat, einen positiven Einfluß im Sinne unserer Interessen auszuüben. Vor allem geht es hier um unseren Einfluß auf den Weg, den die europäische Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit und die Verhandlungen über gegenseitige ausgewogene Truppenreduzierungen einschlagen werden. In beiden Verhandlungskomplexen geht es um primäre deutsche Interessen.
Um deutsche Interessen wird es auch gehen, wenn Präsident Nixon am 22. Mai zu Gesprächen mit der sowjetischen Führung nach Moskau fährt. Wir wissen alle, daß Präsident Nixon auf seiner Reise von schweren Sorgen begleitet sein wird. Er will und muß einen Durchbruch zum Frieden in Vietnam erreichen. Wir Deutschen, die wir der Freundschaft und dem Engagement der Vereinigten Staaten für unsere militärische Sicherheit so viel verdanken, sollten diese Mission des Präsidenten nicht noch erschweren oder gar ihr Scheitern herbeiführen. Wie würde dieser Besuch in Moskau wohl enden, wenn er sich im Schatten einer Ablehnung der Verträge im Deutschen Bundestag abspielen müßte? Es gibt im Leben der Nationen, auch der großen und mächtigen, Augenblicke, wo die Treue und die Dankbarkeit eines Bündnispartners eine Rolle spielen, und das sollten wir nicht vergessen.
Bei den Gesprächen zwischen den beiden Supermächten geht es um bedeutende Dinge. Der offene Krieg in Ostasien ist zu beenden; der schwelende Krieg im Nahen Osten ist auszutreten. Die Lage im Mittelmeer muß geklärt werden. In Moskau geht es im großen um dasselbe, was wir mit unseren bescheidenen Mitteln tun wollen.

(Unruhe.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618700900
Einen Augenblick bitte, Herr Außenminister. Darf ich bitten, die Unterhaltungen, falls sie geführt werden müssen, etwas weiter im Hintergrund und nicht hier vorne zu führen. Sonst werden diejenigen, die der Verhandlung folgen wollen, gestört.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0618701000
Es geht um den Versuch, von der Konfrontation zur Kooperation zu kommen. Der Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der beiden Großen zueinander und dem Verhältnis zwischen den europäischen Staaten in Ost und West ist evident. Weil der Friede und die Sicherheit unteilbar sind, müssen auch die Anstrengungen hierfür unteilbar sein. Mit den Verträgen übernimmt die Bundesrepublik Deutschland ihren Anteil an den Bemühungen um mehr Frieden in der Welt.
Die Verträge sind nicht das Ergebnis eines leichten, harmonischen Meinungsaustauschs gewesen, sondern ein hart errungener Ausgleich im Schatten zweier Menschenalter von Mißverständnissen und schweren Konflikten. Es kann das erste ausgehandelte Resultat keine Bestätigung deutscher Fernziele und Hoffnungen sein. Es zeichnet einen gewiß mühsamen Weg der Verständigung vor, einen Weg, der durch die politische Landschaft Osteuropas hindurchführen muß so, wie sie vom schrecklichsten Krieg der Geschichte gestaltet wurde.
Meine Damen und Herren! Von den schweren und weltbedrohenden Krisen der Nachkriegszeit wurden zwei in Europa selbst entzündet. Beide Male geschah das in Berlin. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn mit dem amerikanischen Präsidenten und den Regierungen der Drei Mächte die ganze Welt auf die Lage Berlins nach diesen Verträgen blickt. Hier soll erwiesen werden, ob zwischen den Supermächten ein teil- oder schrittweiser Abbau des politischen Zündstoffs möglich ist oder nicht.
Es ist aller Welt bekannt, daß die Berlin-Regelung der Vier Mächte und diese Verträge sachlich zusammenhängen. Sicherlich ist rechtlich zutreffend, daß der Bundestag über diese Verträge zu befinden hat und über nichts anderes. Aber wir können unserer realen Verantwortung nicht entfliehen. Es ist meine Pflicht, jeden Zweifel darüber zu tilgen, welche Interessen der Berliner, welche Interessen unseres Volkes und letztlich der ganzen Welt mit der Ratifizierung verknüpft sind. Warum machen wir denn dies alles, wenn nicht zum Wohle der Menschen, die an den Lasten der Teilung am schwersten zu tragen haben?!
Die ernsthaften Anstrengungen von uns allen, die Argumente der Opposition und die gemeinsame Entschließung, die von allen drei Fraktionen im Deutschen Bundestag eingebracht wurde, sollten dem Vertragswerk eine breitere Mehrheit verschaffen. Die Bundesregierung würdigt ohne Vorbe-



Bundesminister Scheel
halte und ohne Hintergedanken die politische Leistung des Oppositionsführers in diesen schweren Wochen. Seine Bemühungen hätten es verdient gehabt, von seiner Fraktion honoriert zu werden.

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Ist doch unsere Sache! — Abg. Dr. Hammans: Das geht Sie gar nichts an!)

Doch leider ist das nicht geschehen.
Wir bedauern das aus einem sachlichen Grunde: weil die gemeinsame Entschließung, der die CDU/ CSU ja zustimmen wird, wie Herr Dr. Kiesinger soeben gesagt hat, durch die angekündigte Enthaltung bei der Abstimmung einfach an Wert verlieren wird. Das wird man ja wohl nüchtern und objektiv feststellen dürfen.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir, meine Damen und Herren, werden uns an unseren Teil der Gemeinsamkeit halten. Die Entschließung des Deutschen Bundestages, die von allen Fraktionen eingebracht wurde, wird dem Vertreter der Sowjetunion als ein Dokument der Bundesrepublik Deutschland, das sich die Bundesregierung zu eigen macht, förmlich übergeben. Man kann davon ausgehen, daß sie dem Präsidium des Obersten Sowjet, das das Ratifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen hat, bekannt wird und daß ihre widerspruchslose Entgegennahme jenen bedeutenden Tatbestand unterstreicht, den die Bundesregierung immer wieder betont hat: daß die Entschließung nicht im Widerspruch zu den Verträgen steht. Die Verträge, die hier zur Abstimmung vorliegen, nehmen keine friedensvertragliche Regelung für Deutschland vorweg. Sie sind also weder ein Teil- noch ein Ersatzfriedensvertrag. Wir haben uns bei den Verhandlungen an den Richtpunkten des Grundgesetzes orientiert, und wir haben klargestellt, daß die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin fortbestehen.
Doch die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Art. I des Warschauer Vertrages verpflichtet, die Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze Polens nicht in Frage zu stellen. Dies gilt ohne Einschränkung, solange es die Bundesrepublik Deutschland gibt. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber dem polnischen Volk, dies jetzt zu sagen, und es ist ebenso ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber den Vertriebenen in unserer Bevölkerung und ihren Kindern, die für viele von uns die Hauptlast des verlorenen Krieges getragen haben.
Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Tagen wie sicher auch Sie aufmerksam die Stimmen des Auslands zu den politischen Vorgängen in der Bundesrepublik registriert. Mir ist dabei wieder einmal klargeworden, wie dünn das Fundament im Osten und im Westen ist, auf dem wir diesen Völkern entgegengehen, wenn wir um ihr Vertrauen werben und bitten. Ich wage zu behaupten, daß das Ausland am Geschick unseres Staates noch nie so intensiv und konzentriert anteil genommen hat wie in diesen Tagen. Ich sage das nicht in einem parteipolitischen Interesse, sondern ganz im Gegenteil. Die Bundesrepublik Deutschland kann es sich nicht leisten, die Meinungen der engeren und weiteren Nachbarn zu ignorieren oder gar über sie hinwegzugehen. Diese Verträge sind zu sehen nicht nur im Zusammenhang mit der großen politischen Umwelt der Gemeinschaften und des Bündnisses, sondern auch im Hinblick auf das Bild, das unsere Freunde sich von uns machen. Die Ablehnung dieser Verträge würde zu einer allgemeinen Enttäuschung der Menschen in der Welt führen, die so vieles, was die Demokraten dieses Landes in den letzten 23 Jahren gemeinsam an Vertrauenskapital angesammelt haben, wieder zerstören müßte.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie daher trotz der mir bekannten Vorentscheidung bitten, Ihre Stimme diesen Verträgen zu geben. Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, nicht nur weil dies meine Pflicht als Außenminister dieses Landes ist, sondern auch aus der Überzeugung heraus, daß unser Volk die Aussöhnung mit den osteuropäischen Völkern braucht, so wie diese Völker uns brauchen, um den doppelten Torso Europa wieder zusammenzufügen. Ich bitte Sie darum, meine Damen und Herren, weil ich der Überzeugung bin, daß meiner Generation, die die Schrecken des zweiten Weltkriegs von Anfang bis zu Ende miterlebt hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir auch!)

die Aufgabe gestellt ist, den Schlußstein in das Gewölbe der Aussöhnung und des Friedens in Europa endlich einzufügen. Meine Generation war an dem Kriegsgeschehen beteiligt. Ob sie es will oder nicht, sie trägt eine Verpflichtung. Sie darf diese Last nicht auf kommende Generationen abwälzen.
Gustav Stresemann, der sich in dem Bemühen um die Überwindung von Kriegsfolgen aufgerieben hat, sagte in seiner mutigen Rede zur Aufgabe des passiven Widerstands im Jahre 1923: „Wir sind hier diejenigen, die zu kämpfen haben für die, die nach uns kommen." Das, meine Damen und Herren, gilt auch heute.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618701100
Meine Damen und Herren, in der allgemeinen Aussprache liegen weitere Wortmeldungen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache zu beiden Tagesordnungspunkten.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe Art. 1, 2 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Bevor wir jetzt zur Schlußabstimmung kommen, erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Arndt (Hamburg) zur Abgabe einer Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0618701200
Herr Präsident, ich gestatte mir, Ihnen eine schriftliche Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu überreichen. *)

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618701300
Diese Erklärung ist zu Tagesordnungspunkt 1 abgegeben worden, über den
*) Siehe Anlage 1



Präsident von Hassel
wir zunächst abstimmen. Zur Abgabe der Erklärung zu Tagesordnungspunkt 2, Herr Abgeordneter Czaja, werden Sie dann aufgerufen, wenn wir zur Schlußabstimmung über diesen Punkt kommen.
Wir kommen nun zur Schlußabstimmung. Von der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU/CSU ist namentliche Abstimmung begehrt worden. Wir haben demnach eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Einsammeln der Stimmkarten zu beginnen.

(Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, ich darf einen Augenblick unterbrechen. Jetzt wird — das ist doch völlig klar — über Punkt 1 der Tagesordnung, den Vertrag mit Moskau, abgestimmt.
Meine Damen und Herren, sind alle Stimmkarten abgegeben worden? — Ich stelle fest, daß das der Fall ist.
Ich schließe den Abstimmungsvorgang zum Tagesordnungspunkt 1 und bitte die Schriftführer, die Stimmen auszuzählen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe zunächst bekannt, daß vor Schluß der Abstimmung vom Kollegen Weigl und von Herrn von Kühlmann-Stumm noch zwei weitere Erklärungen zur Abstimmung nach § 59 der Geschäftsordnung abgegeben worden sind *).
Das Ergebnis der Abstimmung über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gemäß Punkt 1 unserer Tagesordnung liegt vor. Das Abstimmungsergebnis sieht folgendermaßen aus. 496 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Davon haben gestimmt mit Ja 248, mit Nein 10, enthalten haben sich 238. Die Berliner Abgeordneten haben wie folgt abgestimmt: 12 Ja-Stimmen, 10 Enthaltungen, zusammen 22 Stimmen. Damit ist das Ratifizierungsgesetz zu diesem Vertrag angenommen.
*) Siehe Anlagen 2 und 3
Ergebnis:
Abgegebene Stimmen 496 und 22 Berliner Abgeordnete. Davon
Ja: 248 und 12 Berliner Abgeordnete
Nein: 10 Abgeordnete
Enthalten: 238 und 10 Berliner Abgeordnete.
Ja
SPD
Adams
Dr. Ahrens
Anbuhl
Dr. Apel
Arendt (Wattenscheid) Dr. Arndt (Hamburg) Baack
Baeuchle
Bäuerle
Bals
Barche
Dr. Bardens Batz
Bauer (Würzburg)

Bay
Dr. Bayerl
Dr. Bechert (Gau Algesheim) Becker (Nienberge)
Dr. Beermann
Behrendt Bergmann Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer Brandt
Brandt (Grolsheim) Bredl
Brück (Holz)

Brünen Buchstaller
Büchler (Ebersbach) Büchner (Speyer)
Dr. von Bülow Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Corterier
Cramer
Dr. von Dohnanyi Dürr
Eckerland
Dr. Ehmke
Frau Eilers
Dr. Enders
Engholm
Dr. Eppler
Esters Faller
Dr. Farthmann Fellermaier
Fiebig
Dr. Fischer
Flämig
Frau Dr. Focke
Folger
Franke (Hannover) Frehsee
Frau Freyh
Fritsch Geiger
Gerlach (Emsland) Gertzen
Dr. Geßner
Glombig
Gnädinger
Grobecker
Dr. Haack
Haar (Stuttgart)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Halfmeier
Hansen Hansing Hauck Dr. Hauff
Henke
Frau Herklotz Hermsdorf (Cuxhaven) Herold

(Hessisch Lichtenau)

Hörmann (Freiburg) Hofmann
Horn
Frau Huber
Jahn (Marburg) Jaschke Junghans
Junker Kaffka
Kahn-Ackermann Kater
Kern
Killat-von Coreth
Dr. Koch
Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann Kriedemann
Krockert
Kulawig Lange Langebeck
Dr. Lauritzen
Lautenschlager
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Maibaum Marquardt
Marx (München)

Matthes Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinicke (Oberhausen) Metzger
Michels Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller (Mülheim)

Müller (Nordenham)

Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann Neumann Dr. Nölling
Dr. Oetting
Offergeld Frau Dr. Orth
Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter
Pensky
Peters (Norden)

Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl
Frau Renger
Richter
Dr. Rinderspacher
Rohde
Rosenthal
Roß
Säckl
Sander Saxowski
Dr. Schachtschabel
Dr. Schafer (Tübingen)

Frau Schanzenbach
Scheu
Dr. Schiller
Schiller (Bayreuth)

Frau Schimschok
Schirmer Schlaga
Dr. Schmid (Frankfurt) Schmidt (Braunschweig)
Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)
Dr. Schmidt (Krefeld)

Schmidt (München)

Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle Schollmeyer
Schonhofen
Schulte (Unna)

Schwabe Seefeld Seibert Seidel
Frau Seppi
Simon
Dr. Slotta Dr. Sperling
Spillecke



Staak (Hamburg)

Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak
Vit
Walkhoff
Dr. Weber (Köln) Wehner
Welslau
Wende Wendt Westphal
Dr. Wichert
Wiefel Wienand
Wilhelm
Wischnewski
Dr. de With
Wittmann (Straubing) Wolf
Wolfram
Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt (Berlin)

Bartsch Bühling Dr. Dübber
Heyen
Frau Krappe
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei Sieglerschmidt
FDP
Dr. Achenbach
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Frau Funcke
Gallus Geldner Genscher
Graaff Grüner Jung
Kirst
Kleinert Krall
Logemann
Mertes Mischnick
Moersch Ollesch Opitz
Peters (Poppenbüll) Scheel
Schmidt (Kempten) Spitzmüller
Wurbs
Berliner Abgeordnete Borm
Fraktionslos
Dr. Müller (München)

Nein
CDU/CSU
Dr. Becher (Pullach)

Dr. Czaja Dr. Gatzen Freiherr von und zu
Guttenberg
Dr. Hermesdorf (Schleiden) Dr. Hupka
Dr. Jaeger
Dr. Wittmann (München) Zoglmann (Gast)
FDP
Frhr. von Kühlmann-Stumm
Enthaltungen
CDU/CSU
Dr. Abelein Adorno
Dr. Aigner Alber
von Alten-Nordheim
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Artzinger
Dr. Bach
Baier
Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becker (Mönchengladbach)

Becker (Pirmasens) Berberich
Berding
Berger
Bewerunge Biechele
Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck Bittelmann Blumenfeld
von Bockelberg
Dr. Böhme
Frau Brauksiepe
Breidbach Bremer
Bremm
Brück (Köln) Dr. Burgbacher
Burger
Damm
Dasch
van Delden Dichgans Dr. Dittrich Dr. Dollinger
Draeger
von Eckardt Ehnes
Engelsberger
Dr. Erhard
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke (Osnabrück)

Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Früh
Dr. Fuchs Dr. Furler Frau Geisendörfer
Geisenhofer
Gerlach (Oberhau) Gewandt
Gierenstein Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen) Dr. Gölter
Dr. Götz Gottesleben
Frau Griesinger
Dr. Gruhl Haase (Kassel)

Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein
Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser (Bad Godesberg) Dr. Hauser (Sasbach)
Dr. Heck Dr. Hellige
Helms (Gast)

Höcherl Hösl
Horstmeier Horten
Dr. Hubrig Hussing Dr. Huys
Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jahn (Braunschweig) Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Katzer
Dr. Kempfler
Kiechle
Kiep
Dr. h. c. Kiesinger
Frau Klee Dr. Klepsch Dr. Kley
Dr. Kliesing (Honnef) Klinker
Köster
Krammig Krampe Dr. Kraske Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Leicht
Lemmrich Lensing
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenze (Attendorn)
Lenzer
Link
Löher (Dortmund)

Dr. Löhr Looft
Dr. Luda
Lücke (Bensberg)

Lücker (München) Majonica
Dr. Martin
Dr. Marx (Kaiserslautern) Maucher
Meister
Memmel Dr. Mende Mick
Dr. Mikat Dr. Miltner
Dr. Müller (Aachen-Land) Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)
Dr. Müller-Hermann Mursch (Soltau-Harburg) Niegel
Dr. von Nordenskjöld Orgaß
Ott
Petersen
Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger
Pohlmann
Dr. Prassler
Dr. Preiß
Dr. Probst
Rainer Rawe
Reddemann
Dr. Reinhard
Richarts
Riedel (Frankfurt)

Dr. Riedl (München)

Dr. Rinsche
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Roser
Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schedl Schlee Schlichting-von Rönn
Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt (Wuppertal) Schmitt (Lockweiler)
Dr. h. c. Schmücker Schneider (Königswinter) Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. Schober
Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) Schulhoff
Schulte (Schwäbisch Gmünd) Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Seiters
Dr. Siemer
Solke
Spilker Springorum
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Starke (Franken)

Stein (Honrath)

Steiner
Frau Stommel
Storm
Strauß Struve Stücklen Susset von Thadden
Tobaben Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar
Vogel
Vogt
Volmer
Wagner (Günzburg)

Dr. Wagner (Trier)

Frau Dr. Walz



Präsident von Hassel
Dr. Warnke Wawrzik
Weber (Heidelberg)

Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Wendelborn
Werner
Windelen Winkelheide
Wissebach Dr. Wörner Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel
Dr. Wulff Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Frau Berger
Dr. Gradl
Dr. Kotowski
Kunz
Müller (Berlin) Frau Pieser
Dr. Schulz (Berlin) Dr. Seume (Gast) Wohlrabe
Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung des Tagesordnungspunktes 2, des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen. Ich rufe auf die Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift. Das Wort wird hier nicht gewünscht. Vor der Schlußabstimmung hat nach § 59 unserer Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Czaja das Wort zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung erbeten.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0618701400
Meine Damen und Herren! Nach § 59 der Geschäftsordnung gebe ich zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen eine schriftliche Erklärung *) im eigenen Namen und im Namen der Damen und Herren des Hauses ab, die sie mitunterschrieben haben.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618701500
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung über das Ratifizierungsgesetz. Auch hier ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich darf die Schriftführer bitten, mit dem Einsammeln der Stimmkarten zu beginnen.
Meine Damen und Herren, es dauert noch einen Augenblick. Ich darf die Zeit nutzen, um einen Ehrengast auf unserer Diplomatentribüne zu begrüßen, nämlich Seine Exzellenz den Präsidenten des Parlaments der Unabhängigen Kooperativen Republik Guyana, Herrn Sase Narain. Herzlich willkommen, Herr Präsident, im Deutschen Bundestag und bei uns in der Bundesrepublik Deutschland!

(Beifall.)

Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über die Vorlage unter Tagesordnungspunkt 2, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen, bekannt. 496 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben, und zwar haben mit Ja 248, mit Nein 17 gestimmt bei 231 Enthaltungen; zusammen 496. Von den Berliner Abgeordneten haben 12 mit Ja gestimmt und 10 sich der Stimme enthalten. Damit ist das Ratifizierungsgesetz zum Tagesordnungspunkt 2 angenommen.
*) Siehe Anlage 4
Ergebnis:
Abgegebene Stimmen 496 und 22 Berliner Abgeordnete.
Davon
Ja: 248 und 12 Berliner Abgeordnete
Nein: 17 Abgeordnete
Enthalten: 231 und 10 Berliner Abgeordnete.
Ja
SPD
Adams
Dr. Ahrens Anbuhl
Dr. Apel
Arendt (Wattenscheid)

Dr. Arndt (Hamburg)

Baack
Baeuchle Bäuerle
Bals
Barche
Dr. Bardens Batz
Bauer (Würzburg)

Bay
Dr. Bayerl
Dr. Bechert (Gau Algesheim) Becker (Nienberge)
Dr. Beermann
Behrendt Bergmann Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer
Brandt
Brandt (Grolsheim)

Bredl
Brück (Holz) Brünen
Buchstaller
Büchler (Ebersbach) Büchner (Speyer)
Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann Collet
Corterier Cramer
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm
Dr. Eppler Esters
Faller
Dr. Farthmann
Fellermaier Fiebig
Dr. Fischer Flämig
Frau Dr. Focke
Folger
Franke (Hannover)

Frehsee
Frau Freyh Fritsch
Geiger
Gerlach (Emsland)

Gertzen
Dr. Geßner
Glombig Gnädinger
Grobecker Dr. Haack Haar (Stuttgart)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Halfmeier Hansen Hansing Hauck
Dr. Hauff Henke
Frau Herklotz
Hermsdorf (Cuxhaven) Herold
Höhmann (Hessisch Lichtenau)

Hörmann (Freiburg)

Hofmann Horn
Frau Huber
Jahn (Marburg)

Jaschke Junghans Junker Kaffka
Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Killat-von Coreth
Dr. Koch Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann
Kriedemann
Krockert Kulawig Lange
Langebeck Dr. Lauritzen
Lautenschlager
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Maibaum Marquardt
Marx (München)

Matthes Matthöfer Frau Meermann
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinicke (Oberhausen) Metzger
Michels Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller (Mülheim)

Müller (Nordenham)

Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann [Neumann Dr. Nölling



Dr. Oetting
Offergeld
Frau Dr. Orth
Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter
Pensky
Peters (Norden)

Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl
Frau Renger
Richter
Dr. Rinderspacher
Rohde Rosenthal
Roß
Säckl
Sander Saxowski
Dr. Schachtschabel
Dr. Schafer (Tübingen) Frau Schanzenbach
Scheu
Dr. Schiller
Schiller (Bayreuth)

Frau Schimschok
Schirmer Schlaga
Dr. Schmid (Frankfurt) Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)
Dr. Schmidt (Krefeld) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle Schollmeyer
Schonhofen
Schulte (Unna)

Schwabe Seefeld Seibert Seidel Frau Seppi
Simon
Dr. Slotta
Dr. Sperling
Spillecke
Staak (Hamburg)

Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak
Vit
Walkhoff
Dr. Weber (Köln)

Wehner Welslau Wende Wendt Westphal
Dr. Wichert
Wiefel Wienand
Wilhelm
Wischnewski
Dr. de With
Wittmann (Straubing) Wolf
Wolfram Wrede Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt (Berlin)

Bartsch Bühling Dr. Dübber
Heyen
Frau Krappe
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei
Sieglerschmidt
FDP
Dr. Achenbach
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Frau Funcke
Gallus Geldner Genscher
Graaff Grüner Jung
Kirst
Kleinert Krall
Logemann
Mertes Mischnick
Moersch Ollesch Opitz
Peters (Poppenbüll)

Scheel
Schmidt (Kempten) Spitzmüller
Wurbs
Berliner Abgeordnete Borm
Fraktionslos
Dr. Müller (München)

Nein
CDU/CSU
Dr. Becher (Pullach)

Dr. Czaja von Fircks Dr. Götz
Freiherr von und zu Guttenberg
Dr. Hermesdorf (Sehleiden) Dr. Hupka
Dr. Jaeger Frau Kalinke Dr. Mende Rock
Stahlberg Storm
Windelen
Dr. Wittmann (München) Zoglmann (Gast)
FDP
Frhr. von Kühlmann-Stumm
Enthaltungen
CDU/CSU
Dr. Abelein Adorno
Dr. Aigner Alber
von Alten-Nordheim
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Artzinger
Dr. Bach Baier
Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becker (Mönchengladbach)

Becker (Pirmasens) Berberich
Berding
Berger
Bewerunge Biechele Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck Bittelmann Blumenfeld
von Bockelberg
Dr. Böhme
Frau Brauksiepe Breidbach Bremer
Bremm
Brück (Köln)

Dr. Burgbacher
Burger
Damm
Dasch
van Delden Dichgans Dr. Dittrich Dr. Dollinger
Draeger
von Eckardt Ehnes
Engelsberger
Dr. Erhard
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich Franke (Osnabrück)

Dr. Franz Dr. Freiwald
Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer
Gerlach (Obernau) Gewandt
Gierenstein Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen) Dr. Gölter
Gottesleben
Frau Griesinger
Dr. Gruhl Haase (Kassel)

Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein
Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser (Bad Godesberg) Dr. Hauser (Sasbach)
Dr. Heck Dr. Hellige
Helms (Gast)

Höcherl Hösl
Horstmeier Horten
Dr. Hubrig Hussing Dr. Huys Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jahn (Braunschweig) Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Katzer
Dr. Kempfler
Kiechle Kiep
Dr. h. c. Kiesinger
Frau Klee Dr. Klepsch Dr. Kley
Dr. Kliesing (Honnef) Klinker
Köster
Krammig Krampe Dr. Kraske Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Leicht
Lemmrich Lensing
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenze (Attendorn) Lenzer
Link
Löher (Dortmund)

Dr. Löhr Looft
Dr. Luda
Lücke (Bensberg)

Lücker (München) Majonica
Dr. Martin
Dr. Marx (Kaiserslautern) Maucher
Meister Memmel Mick
Dr. Mikat Dr. Miltner
Dr. Müller (Aachen-Land) Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)
Dr. Müller-Hermann Mursch (Soltau-Harburg) Niegel
Dr. von Nordenskjöld Orgaß
Ott
Petersen Pfeifer
Picard
Pieroth
Dr. Pinger Pohlmann Dr. Prassler
Dr. Preiß Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann
Dr. Reinhard
Richarts
Riedel (Frankfurt)

Dr. Riedl (München)




Präsident von Hassel
Dr. Rinsche
Dr. Ritgen
Dr. Ritz
Röhner
Rösing
Rollmann
Rommerskirchen
Roser
Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schedl
Schlee
Schlichting-von Rönn Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt (Wuppertal) Schmitt (Lockweiler)
Dr. h. c. Schmücker Schneider (Königswinter)

Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. Schober
Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) Schulhoff
Schulte (Schwäbisch Gmünd) Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Seiters
Dr. Siemer
Solke
Spilker
Springorum
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen) Dr. Starke (Franken) Stein (Honrath)
Steiner
Frau Stommel
Strauß
Struve
Stücklen
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar
Vogel
Vogt
Volmer
Wagner (Günzburg) Dr. Wagner (Trier) Frau Dr. Walz
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber (Heidelberg) Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Wendelborn
Werner
Winkelheide
Wissebach
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Dr. Wulff
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete Amrehn
Frau Berger
Dr. Gradl
Dr. Kotowski
Kunz
Müller (Berlin)

Frau Pieser
Dr. Schulz (Berlin) Dr. Seume (Gast) Wohlrabe
Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über die Ausschußanträge — jeweils unter Ziffer 2 in den beiden Drucksachen —, die Eingaben für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? —

(Abg. Wehner: Christliche Enthaltsamkeit üben!)

Keine.
Wir treten nunmehr in die Behandlung des Entschließungsantrags auf Umdruck 287 *) ein. Das ist der Antrag der drei Fraktionen des Deutschen Bundestages vom 10. Mai 1972. Ich eröffne die Aussprache. Wir das Wort zum Entschließungsantrag der drei Fraktionen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, hat der Abgeordnete Dr. Beermann das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung.

Dr. Friedrich Beermann (SPD):
Rede ID: ID0618701600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemäß § 59 der Geschäftsordnung darf ich dem Herrn Präsidenten eine persönliche Erklärung **) zum Entschließungsantrag Umdruck 287 übergeben.
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 5

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618701700
Meine Damen und Herren, auch zu diesem Entschließungsantrag der drei Fraktionen ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich eröffne die Abstimmung.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck 287 bekannt. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Abgeordneten sind 496 Stimmen abgegeben worden. Davon haben 491 mit Ja, also für die gemeinsame Entschließung gestimmt. Enthalten haben sich 5 stimmberechtigte Abgeordnete. Von den Berliner Abgeordneten haben alle 22 ihr Stimmrecht ausgeübt. Davon haben 22 mit Ja gestimmt; keine Enthaltung, keine Nein-Stimme. Damit ist der Entschließungsantrag der drei Fraktionen angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 495 und 22 Berliner Abgeordnete. Davon
Ja: 490 und 22 Berliner Abgeordnete
Enthalten: 5 Abgeordnete.
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein Adorno
Dr. Aigner Alber
von Alten-Nordheim
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Artzinger Dr. Bach
Baier
Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becker (Mönchengladbach)

Becker (Pirmasens) Berberich
Berding
Berger
Bewerunge Biechele
Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck Bittelmann Blumenfeld
von Bockelberg
Dr. Böhme
Frau Brauksiepe Breidbach Bremer
Bremm
Brück (Köln) Dr. Burgbacher
Burger
Damm
Dasch
van Delden Dichgans
Dr. Dittrich Dr. Dollinger Draeger
von Eckardt Ehnes
Engelsberger
Dr. Erhard
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke (Osnabrück)

Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Früh
Dr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach (Obernau)

Gewandt Gierenstein Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen)

Dr. Gölter Dr. Götz
Gottesleben Frau Griesinger
Dr. Gruhl
Freiherr von und zu Guttenberg
Haase (Kassel)

Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein
Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser (Bad Godesberg)

Dr. Hauser (Sasbach)

Dr. Heck Dr. Hellige
Helms (Gast)

Dr. Hermesdorf (Sehleiden) Höcherl
Hösl



Horstmeier Horten
Dr. Hubrig Hussing
Dr. Huys
Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jaeger
Dr. Jahn (Braunschweig) Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Katzer
Dr. Kempfler
Kiechle
Kiep
Dr. h. c. Kiesinger
Frau Klee Dr. Klepsch Dr. Kley
Dr. Kliesing (Honnef) Klinker
Köster
Krammig Krampe
Dr. Kraske Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Leicht
Lemmrich Lensing
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenze (Attendorn)
Lenzer
Link
Löher (Dortmund)

Dr. Löhr Looft
Dr. Luda
Lücke (Bensberg)

Lücker (München) Majonica
Dr. Martin
Dr. Marx (Kaiserslautern) Maucher
Meister
Memmel Dr. Mende Mick
Dr. Mikat Dr. Miltner
Dr. Müller (Aachen-Land) Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)
Dr. Müller-Hermann Mursch (Soltau-Harburg) Niegel
Dr. von Nordenskjöld Orgaß
Ott
Petersen Pfeifer
Picard
Pieroth
Dr. Pinger Pohlmann Dr. Prassler Dr. Preiß Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Dr. Reinhard
Richarts
Dr. Riedl (München)

Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. Ritz
Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Roser Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schedl Schlee Schlichting-von Rönn
Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt (Wuppertal) Schmitt (Lockweiler)
Dr. h. c. Schmücker Schneider (Königswinter) Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. Schober
Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) Schulhoff
Schulte (Schwäbisch Gmünd) Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Seiters
Dr. Siemer
Solke Spilker Springorum
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Starke (Franken)

Stein (Honrath)

Steiner
Frau Stommel
Storm Strauß Struve Stücklen
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar Vogel Vogt Volmer Wagner (Günzburg)

Dr. Wagner (Trier)

Frau Dr. Walz
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber (Heidelberg)

Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Wendelborn
Werner
Windelen
Winkelheide
Wissebach
Dr. Wittmann

(München)

Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel
Dr. Wulff
Ziegler
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn Frau Berger
Dr. Gradl
Dr. Kotowski
Kunz
Müller (Berlin)

Frau Pieser
Dr. Schulz (Berlin) Dr. Seume (Gast) Wohlrabe
SPD
Adams
Dr. Ahrens Anbuhl
Dr. Apel
Arendt (Wattenscheid)

Dr. Arndt (Hamburg)

Baack
Baeuchle Bäuerle
Bals
Barche
Dr. Bardens Batz
Bauer (Würzburg)

Bay
Dr. Bayerl
Dr. Bechert (Gau Algesheim) Becker (Nienberge)
Dr. Beermann
Behrendt Bergmann Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer
Brandt
Brandt (Grolsheim)

Bredl
Brück (Holz) Brünen
Buchstaller
Büchler (Ebersbach)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet
Corterier Cramer
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm
Dr. Eppler Esters
Faller
Dr. Farthmann
Fellermaier Fiebig
Dr. Fischer Flämig
Frau Dr. Focke
Folger
Franke (Hannover)

Frau Freyh Fritsch
Geiger
Gerlach (Emsland)

Gertzen
Dr. Geßner Glombig
Gnädinger Grobecker Dr. Haack
Haar (Stuttgart)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Halfmeier Hansen
Hansing Hauck
Dr. Hauff Henke
Frau Herklotz
Hermsdorf (Cuxhaven) Herold
Höhmann (Hessisch Lichtenau)

Hörmann (Freiburg) Hofmann
Horn
Frau Huber Jahn (Marburg)

Jaschke Junghans Junker
Kaffka
Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Killat-von Coreth
Dr. Koch Koenig
Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann Kriedemann
Krockert Kulawig Lange
Langebeck Dr. Lauritzen
Lautenschlager
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper
Lenders
Liedtke
Löbbert
Dr. Lohmar Maibaum Marquardt
Marx (München)

Matthes Matthöfer Frau Meermann
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinike (Oberhausen) Metzger
Michels
Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller (Mülheim)

Müller (Nordenham)

Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann Neumann Dr. Nölling Dr. Oetting Offergeld Frau Dr. Orth
Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter
Pensky
Peters (Norden)

Pöhler
Porzner
Raffert
Ravens
Dr. Reischl Frau Renger



Präsident von Hassel
Richter
Dr. Rinderspacher
Rohde Rosenthal
Roß
Säckl
Sander Saxowski
Dr. Schachtschabel
Dr. Schäfer (Tübingen) Frau Schanzenbach
Scheu
Dr. Schiller
Schiller (Bayreuth)

Frau Schimschok
Schirmer
Schlaga
Dr. Schmid (Frankfurt) Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)
Dr. Schmidt (Krefeld) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle
Schollmeyer
Schonhofen
Schulte (Unna)

Schwabe Seefeld Seibert Seidel Frau Seppi
Simon
Dr. Slotta
Dr. Sperling
Spillecke
Staak (Hamburg)

Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak
Vit
Walkhoff
Dr. Weber (Köln)

Wehner Welslau Wende Wendt Westphal
Dr. Wichert
Wiefel Wienand
Wilhelm
Wischnewski
Dr. de With
Wittmann (Straubing) Wolf
Wolfram
Wrede Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt (Berlin)

Bartsch Bühling Dr. Dübber
Heyen
Frau Krappe
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei
Sieglerschmidt
FDP
Dr. Achenbach
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Frau Funcke
Gallus Geldner Genscher
Graaff Grüner Jung
Kirst
Kleinert Krall
Frhr. von Kühlmann-Stumm Logemann
Mertes Mischnick
Moersch Ollesch Opitz
Peters (Poppenbüll)

Scheel
Schmidt (Kempten) Spitzmüller
Wurbs
Berliner Abgeordnete
Borm
Fraktionslos
Dr. Müller (München)

Enthaltungen CDU/CSU
Dr. Becher (Pullach) Dr. Czaja
Dr. Hupka
Riedel (Frankfurt) Zoglmann (Gast)

(Abg. Mattick: Herr Präsident, ich möchte etwas zur Abstimmung über die erste Entschließung sagen!)

Das Wort zur Abstimmung über die erste Entschließung hat Herr Abgeordneter Mattick.

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0618701800
Meine Damen und Herren, bei der Abstimmung über die Entschließung ist dem Herrn Präsidenten ein Irrtum unterlaufen. Bei Entschließungen zählen die Berliner Stimmen vollberechtigt mit und werden nicht gesondert gezählt.

(Abg. Wehner: Jawohl!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0618701900
Wir kommen zu dem Entschließungsantrag Umdruck 288 *), eingereicht von den Abgeordneten Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion der CDU/CSU. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es ist vorgeschlagen worden, diesen Entschließungsantrag an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — sowie an den Rechtsausschuß und den Innenausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Da keine Wortmeldungen vorliegen, können wir abstimmen.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Innerdeutscher Ausschuß, nicht „Innenausschuß" !)

— Hier steht „Innenausschuß".

(Abg. Dr. Barzel: Innenausschuß wegen der Zuständigkeit!)

— „Innenausschuß" ist also richtig. Sollte es noch Probleme geben, Herr Professor Dr. Schäfer, dann kann man sie später klären.
Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Nein-Stimmen und Enthaltungen ist der Überweisungsvorschlag angenommen.
Ich rufe Punkt 3 unserer Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verplombung im Durchgangsverkehr von zivilen Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)

— Drucksache VI/3010 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/3331 —
Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache VI/3307 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dübber (Erste Beratung 162. Sitzung)

Ich darf den Berichterstattern für ihre Berichte danken und zunächst fragen, ob die Berichterstatter zur Ergänzung ihrer Berichte das Wort wünschen. — Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618702000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stellt am Schluß der parlamentarischen Beratung des Ver-
*) Siehe Anlage 7



Frau Berger
plombungsgesetzes noch einmal fest, daß sich der Verplombungszwang, der mit diesem Gesetz eingeführt wird, nicht aus dem Wortlaut des Viermächte-Abkommens ableiten läßt. Das Viermächte-Abkommen sieht vielmehr eine ganz klare Kann-Bestimmung vor, die sich nach unserer Auffassung nicht in eine Muß-Bestimmung umdeuten läßt.

(V o r sitz : Vizepräsident Frau Funcke.)

Leider geht schon das Transitabkommen in diesem Punkt über den Rahmen des Viermächte-Abkommens hinaus, denn aus Art. 20 ergibt sich praktisch ein Zwang zur Verplombung, der in dem uns vorliegenden Verplombungsgesetz endgültig statuiert ist.
Wir bedauern diesen unserer Meinung nach unnötigen Zwang. Wir glauben, daß für Berlin und vor allem für die betroffene Wirtschaft eine einfachere und ebenso überzeugende Lösung hätte gefunden werden können. Das ganze Problem ist aber sowohl in den innerdeutschen Verhandlungen als auch bei den Vorarbeiten für diesen Gesetzentwurf mit einer oft unerträglichen und für den Außenstehenden unbegreiflichen Hektik behandelt worden.

(Abg. Frau Griesinger: Sehr richtig!)

Besonderes Gewicht erhält der gesetzliche Verplombungszwang aber erst dadurch, daß er mit der schematischen Anwendung zollrechtlicher Vorschriften auf den Berlin-Verkehr gekoppelt wird. Auch dieses Verfahren hätten wir aus politischen Gründen gern vermieden gesehen, zumal der Transitverkehr von und nach Berlin künftig nicht nur mit erheblichen Kosten für die Umrüstung der Fahrzeuge, sondern auch durch ein äußerst unpraktisches und aufwendiges Abfertigungsverfahren belastet wird.
Es hätte weitaus einfachere Verfahren gegeben. Sie sind der Bundesregierung aus zahlreichen Änderungsanträgen der Opposition und vor allem aus den Stellungnahmen der betroffenen Wirtschaft durchaus bekannt.
Wir glauben nicht, daß sich die Abfertigung eines Lastzuges unter den heute voraussehbaren Umständen innerhalb von zehn Minuten — wie es die Bundesregierung sagt — vollziehen wird. Der von der Regierung gewollte umständliche internationale Zollverschluß muß nämlich nicht nur an den Zollabgangsstellen angelegt, sondern auch noch an der Grenzkontrollstelle geprüft werden. Als nächster Schritt folgt dann, daß er darüber hinaus sowohl bei der Einfahrt in die DDR als auch bei der Ausfahrt aus der DDR einer weiteren gründlichen Beschau unterliegen wird. Das alles dürfte wesentlich mehr als zehn Minuten in Anspruch nehmen.
Wenn schon die Einführung des Verplombungszwanges und die Anwendung von internationalen Zollbestimmungen nach Meinung der Bundesregierung aus zwingenden politischen Gründen nicht mehr rückgängig zu machen waren, hätte man bei der parlamentarischen Behandlung des Verplombungsgesetzes wenigstens alle Anstrengungen unternehmen müssen, um die zahlreichen Unklarheiten, die noch heute im Gesetzentwurf enthalten sind, auszumerzen oder zu klären.
Meine Fraktion hat in den Ausschüssen immer wieder auf Klarstellungen und klare Formulierungen gedrängt und eine Reihe von Änderungsvorschlägen eingebracht. Auch die große Zahl von Stellungnahmen von Spitzenverbänden der Wirtschaft, der Industrie- und Handelskammer zu Berlin und den unmittelbar betroffenen Fachverbänden hatte nur eines zum Ziel: nämlich Unklarheiten aus dem Gesetzentwurf zu beseitigen und die einzelnen Unternehmen und Fahrer künftig vor Auseinandersetzungen mit den Behörden der DDR zu schützen.
Nachdem sich der Innerdeutsche Ausschuß Anfang März in Berlin nicht nur über die notwendigen Baulichkeiten orientiert hatte, sondern in einem Hearing auch den Vertretern der Wirtschaft Gelegenheit gab, ihre Bedenken und Wünsche vorzutragen, hatten wir den Eindruck, daß wir uns in der Sache doch sehr nahegekommen waren und daß eine Einigung auf einer breiteren Basis möglich sei. Nach Abschluß der Beratung im Innerdeutschen Ausschuß und auch im federführenden Finanzausschuß müssen wir uns allerdings fragen, zu welchem Zweck der Ausschuß die Sachverständigen aus der Wirtschaft in Berlin überhaupt angehört hat.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Die Regierungsparteien haben nämlich die in Berlin gewonnenen Kenntnisse praktisch nicht genutzt. Sonst hätte eine Vielzahl der konstruktiven Änderungswünsche in den Ausschußverhandlungen einen Niederschlag finden müssen.
Sämtliche Änderungsanträge der Opposition — ich will das hervorheben — hätten überdies die von der Regierung gewollte politische Substanz des Gesetzentwurfs überhaupt nicht verändert.
Im Innerdeutschen Ausschuß und im Finanzausschuß sind alle Änderungsanträge der Opposition ausnahmslos mit der denkbar kleinsten Mehrheit von jeweils nur einer Stimme abgelehnt worden. Die Wünsche und Vorschläge der unmittelbar betroffenen Wirtschaft hatten offenbar ebensowenig eine Chance, berücksichtigt zu werden.
Ich sprach vorhin schon von der Eile, mit der dieser Gesetzentwurf Anfang Dezember, nur wenige Tage nach dem Abschluß der Berlin-Verhandlungen, den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt worden ist. Unter diesen Umständen war ein ausgereifter Entwurf auch gar nicht zu erwarten. Wie groß die Eile gewesen ist, beweist allein schon die Tatsache, daß die Bundesregierung unmittelbar nach Einbringung ihres eigenen Gesetzentwurfes erste Änderungsvorschläge dazu vorgelegt hat.
Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man es nur als ein Kuriosum bezeichnen, daß der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Gesetzentwurf offensichtlich nicht einmal bekannt war, daß zum Beispiel Schrott im Berlin-Verkehr nicht nur auf Binnenschiffen, sondern auch auf Eisenbahnwaggons verladen wird.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




Frau Berger
Jeder Fachmann hätte diese Frage sofort beantworten können, wenn sie ihm nur gestellt worden wäre. Das allerdings ist nicht geschehen.
Es ist praktisch zu keiner Konsultation mit der Wirtschaft durch die Regierung gekommen. Ich muß dies heute ausdrücklich noch einmal betonen, weil mehrmals von Vertretern der Bundesregierung unzutreffenderweise das Gegenteil behauptet worden ist.
Bei einer abschließenden Würdigung des hier vorliegenden Gesetzentwurfes stellen wir fest, daß eine möglichst umfassende Verplombung im Berlin-Verkehr von allen Mitgliedern dieses Hauses für richtig und für notwendig gehalten wird. Dadurch soll erreicht werden, daß Mißbrauchskontrollen nach Art. 16 des Transitabkommens vom 11. Dezember 1970 möglichst gar nicht erst stattfinden müssen.
Wir sind deshalb bereit, unsere Bedenken zurückzustellen, die wir gegen die Zwangsverplombung angemeldet haben. An unserer Ansicht, daß eine einfachere Art der Verplombung ohne Zwang ausreichend gewesen wäre, halten wir fest.
Die Anwendung internationaler Zollbestimmungen können wir nur dann als gerade noch tragbar ansehen, wenn sie sich ausschließlich auf die für die technische Abwicklung notwendigen Vorschriften beschränkt, wie sie z. B. auch für den Transport von unversteuertem Branntwein innerhalb der Bundesrepublik angewandt werden.
Darüber hinaus bleiben aber die Elemente einer Übereinstimmung leider außerordentlich dürftig. Die Punkte, in denen unsere Auffassungen von denen der Koalition abweichen, sind dagegen weit zahlreicher.
1970 wurden im Straßengüterverkehr von und nach Berlin 130 000 Leerfahrten, also Fahrten mit leeren Fahrzeugen, gezählt. 1971 waren es 140 000. Zu dieser Frage der Leerfahrzeuge wird sich mein Kollege Krammig noch ausführlicher äußern.
Im übrigen sind die Unternehmen des Güterfernverkehrs und ihre Fahrer unserer Meinung nach keineswegs ausreichend davor gesichert, daß auch künftig Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den DDR-Behörden darüber stattfinden, ob sie vom Verplombungszwang befreit sind oder nicht.
Die Ausnahmen vom Verplombungszwang sind gefährlich unpräzise. Ich stelle in diesem Zusammenhang nur einige Fragen, die sich auf den Abs. 2 des § 1 beziehen:
Welche Fahrzeuge gelten als nicht verplombungsfähig?
Welche Güter brauchen nicht unter Verplombung zu fahren, weil sie sperrig sind oder ein Verschluß wirtschaftlich vollkommen unsinnig wäre?
Wie sollen Unternehmen und Fahrer vor Auseinandersetzungen mit DDR-Organen über die Frage geschützt werden, ob sie verplombt fahren müssen oder nicht?
Dafür hätten längst im Rahmen von Rechtsverordnungen und Dienstanweisungen des zuständigen
Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen entsprechende Regelungen vorbereitet werden müssen. Wir stellen fest, daß uns bis heute Entwürfe weder für Durchführungsverordnungen noch für Dienstanweisungen dieses Ministeriums bekannt sind, obwohl dies klipp und klar in Aussicht gestellt worden ist.
Unter all diesen Bedingungen sieht sich meine Fraktion außerstande — —

(Abg. Wehner: Sich der Stimme zu enthalten! — Heiterkeit bei der SPD.)

— Herr Kollege Wehner, Sie sollten gerade diese praktische Frage des Verkehrs von und nach Berlin wesentlich ernster nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich würde Ihnen dringend empfehlen, sich mit dieser Materie zu beschäftigen; dann würde Ihnen wahrscheinlich die Lust am Ulk vergehen. Das muß ich Ihnen sagen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Wehner.)

Unter all diesen Bedingungen sieht sich meine Fraktion außerstande, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir behaupten nicht, daß dieses Gesetz völlig unpraktikabel sei.

(Abg. Wehner: Guck mal an!)

und daß die Wirtschaft nicht mit ihm leben könne.
— Herr Wehner, wir sind aber ebenso der Ansicht,

(Abg. Wehner: Endlich bringe ich Sie auf die Palme!)

daß ein Gesetz, das unseren Änderungswünschen Rechnung getragen hätte, wesentliche Vorteile gebracht und den Berlin-Verkehr, Herr Wehner, tatsächlich leichter, besser und rechtssicherer gemacht hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Hier kriegen Sie doch wenigstens Beifall!)

Wir möchten allerdings noch einmal mit Nachdruck darauf hinweisen, daß unsere gravierenden Bedenken abgeschwächt werden könnten, wenn sich die Koalition dazu bereitfände, in der dritten Lesung des Gesetzentwurfs insbesondere einem Entschließungsantrag meiner Fraktion zuzustimmen, der im wesentlichen die Regelung der Selbstverplombung und eine exakte Definition der Ausnahmen vom Verplombungszwang beinhaltet.
Meine Fraktion würde es begrüßen, wenn sich die Koalition im Interesse des Berlin-Verkehrs entschließen könnte, wenigstens hierzu ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618702100
Das Wort hat Herr Bundesminister Franke.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618702200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den sehr eingehenden Ausschußberatungen zu diesem Gesetz, in denen so-



Bundesminister Franke
wohl die technischen Einzelheiten als auch die Wünsche der interessierten Wirtschaftskreise ausführlich zur Sprache gekommen sind, darf ich mich hier auf die grundsätzliche politische Bedeutung des Verplombungsgesetzes beschränken. Natürlich wird zu den einzelnen technischen Fragen, wenn das Gesetz beschlossen ist, in den Durchführungsbestimmungen der beteiligten Ministerien vielen Anregungen Rechnung getragen. Das ist auch schon bei den Beratungen zum Ausdruck gekommen, wie Sie sich erinnern werden.
Der Kerngedanke des Verplombungsgesetzes ist die Ausschaltung von Unwägbarkeiten hinsichtlich der Kontrollbefugnis der DDR im Bereich des Güterverkehrs. Dies war einer der wesentlichen Punkte, die die Drei Mächte bei ihren Verhandlungen mit der Sowjetunion durchsetzen konnten. Die Beseitigung der materiellen Kontrolle, d. h. die Beschränkung der Kontrollbefugnisse der DDR auf die Prüfung der Begleitdokumente, gilt für verplombte Transportmittel einerseits und für Fahrzeuge mit offener, d. h. einsehbarer Ladefläche andererseits. So ist es im Viermächteabkommen vorgesehen. Für geschlossene Fahrzeuge, bei denen keine Plomben angelegt sind, sind dagegen die Kontrollbefugnisse der DDR in keiner Weise beschränkt. In solchen Fällen hat die DDR nach dem Viermächteabkommen das volle Durchsuchungsrecht. Uns ging es darum — und deswegen diese Gesetzesvorlage —, das Kontrollrecht auf ein Minimum zu begrenzen. Darum auch das Bemühen, eine solche Gesetzesbestimmung zum Tragen zu bringen.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Wir meinen, eine fortbestehende unbeschränkte Kontrollbefugnis würde die Klarheit der Verhältnisse im Verkehr von und nach Berlin erheblich in Frage stellen. In der Praxis, meine Damen und Herren, könnte im übrigen nicht unterschieden werden zwischen diesem materiellen Kontrollrecht einerseits und der sogenannten Mißbrauchskontrolle andererseits, die für Fahrzeuge mit offener, d. h. einsehbarer Ladefläche nach dem Viermächteabkommen in bestimmten, eng umgrenzten Fällen zulässig ist.
Bei der umfassenden Verplombungspflicht, wie sie im Verplombungsgesetz vorgesehen ist, entfällt das materielle normale Durchsuchungsrecht, abgesehen vom Falle eines Mißbrauchsverdachts, der sehr eng umschrieben ist, vollständig. Die DDR hat nur noch ein Mißbrauchskontrollrecht bei offenen Fahrzeugen; das heißt, sie kann nur noch bei konkretem Mißbrauchsverdacht Durchsuchungen durchführen, und zwar eben nur bei offenen Fahrzeugen.
Aus diesem Grunde und nur aus diesem Grunde hat die Bundesregierung auf eine umfassende Verplombungspflicht so großen Wert legen müssen.
Natürlich ist es zum guten Funktionieren dieses Massenverkehrs von größter Bedeutung, daß eine mißbräuchliche Ausnutzung der Verkehrserleichterungen unterbunden wird, und natürlich besteht auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verplombung und der möglichst weitgehenden Beseitigung von Mißbrauchsmöglichkeiten.
Entscheidend ist für uns jedoch, daß die umfassende Verplombungspflicht praktisch einen von Durchsuchungen freien Güterverkehr von und nach Berlin gewährleistet. Darum bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf in der von den Auschüssen vorgelegten Fassung Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Vizepräsident Frau Funcke; Wird das Wort zur Generalaussprache noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Einzelberatung in zweiter Lesung.
Zu § 1 liegt ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 282 *) vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Krammig das Wort.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0618702300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Begründung dieses Antrages, der als einziger von neun Anträgen, die in den beiden beteiligten Ausschüssen zur Abstimmung gestellt worden waren, übriggeblieben ist, will ich den Versuch unternehmen, Ihnen darzutun, wie das Viermächteabkommen in der Praxis durch das Transit-Abkommen und durch das Verplombungsgesetz ausgefüllt wird.
Mit dem Antrag, der Ihnen vorliegt, beabsichtigen wir zu erreichen, daß bei leeren Transportmitteln eine Verplombung erfolgen kann, wenn den Transportmitteln ein Warenbegleitschein beigefügt ist, in dem sie als „leer" bezeichnet worden sind.
Die Regierungsvorlage dagegen sieht für diesen Tatbestand in § 1 Abs. 1 vor, daß auch leere Transportmittel, soweit nicht im Einzelfall im Verwaltungsweg Ausnahmen zugelassen werden, generell einer Verplombungspflicht unterliegen. Das Viermächteabkommen besagt, die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken erkläre, daß der Transit-Verkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland auf Straßen, Schienen und Wasserwegen durch das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik ohne Behinderungen sein werde, daß dieser Verkehr erleichtert werde, damit er in der einfachsten und schnellsten Weise vor sich gehe, und daß er Begünstigung erfahren werde.
In Übereinstimmung damit hat die Regierung der UdSSR ihren Schreiben an die Regierungen der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika eine Anlage beigefügt, aus der sich ergibt, daß für den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern Vorschriften gelten sollen, die „in der einfachsten, schnellsten und günstigsten Weise, wie es in der internationalen Praxis vorzufinden ist", diesen Verkehr ermöglichen. In Übereinstimmung damit wird gesagt, daß
bei Transportmitteln, die nicht verplompt werden können, wie z. B. offene Lastkraftwagen, die Kontrollverfahren auf die Prüfung der Begleitdokumente beschränkt werden. In beson-
*) Siehe Anlage 8



Krammig
deren Fällen, in denen hinreichende Verdachtsgründe dafür vorliegen, daß nichtverplombte Transportmittel Materialien enthalten, die zur Verbreitung auf den vorgesehenen Wegen bestimmt sind, oder daß sich in ihnen Personen oder Materialien befinden, die auf diesen Wegen aufgenommen worden sind, kann der Inhalt der nichtverplombten Transportmittel geprüft werden. Die Verfahren zur Behandlung derartiger Fälle werden zwischen den zuständigen deutschen Behörden vereinbart.
Auch die Interpretation, die das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zum Viermächteabkommen über Berlin vom 3. September 1971 herausgab, hat diese Anlage des Schreibens der UdSSR an die drei Signatarmächte erwähnt. Danach ist die Situation so, daß nach dem Viermächteabkommen ein Zwang zur Verplombung leerer Fahrzeuge nicht vorgesehen ist.
Ein Hinweis darauf, daß Transportmittel, die keine Güter enthalten, ebenfalls mit Verschlüssen versehen werden können, erscheint zum erstenmal im sogenannten Transitabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West). In den nachfolgenden Verhandlungen zwischen den Regierungsvertretern ist also offenbar über dieses Thema gesprochen worden und in sehr extensiver Auslegung dessen, was im Viermächteabkommen steht, auch eine Verplombung leerer Transportfahrzeuge in Aussicht genommen worden.
In der Beschreibung des Verfahrens für die Ausfertigung und Behandlung von Warenbegleitscheinen für diesen Transit heißt es unter I in Ziffer 3, daß ein Warenbegleitschein auch leeren Transportmitteln beizufügen ist, die mit Verschlüssen versehen werden, wobei im Warenbegleitschein das Transportmittel als „leer" zu bezeichnen ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618702400

Um zu gewährleisten, daß nach Inkrafttreten des Viermächteabkommens und des Transitabkommens möglichst viele Transporte unter die Privilegierung des verplombten Transitverkehrs fallen, hat die Bundesregierung die Initiative zu einer gesetzlichen Regelung ergriffen, nach der im Berlin-Verkehr alle Gütertransportmittel grundsätzlich verplombt werden müssen. In dem Gesetzentwurf wird klar definiert, in welchen Fällen Ausnahmen von der Verplombungspflicht zugelassen werden können.
„Leerfahrzeuge", so heißt es am Schluß dieser Ziffer über Güterverkehr, „brauchen nicht verschlossen zu werden, wenn sie offen, d. h. mit einsehbarer Ladefläche fahren".
Nun, ich hatte mehrere Jahre beruflich das Vergnügen oder, wenn Sie wollen, die Aufgabe, mich auch mit solchen Fragen der Verplombung von Fahrzeugen und Gütern zu befassen. Da in diesem Zusammenhang im Viermächteabkommen von der internationalen Praxis und von der besonderen Erleichterung, die dieser Verkehr erfahren soll, die Rede ist, muß ich Ihnen sagen, daß das, was in diesem Gesetzentwurf unter § 1 Abs. 1 im Satz 2 vorgeschlagen wird, allen internationalen Gepflogenheiten widerspricht.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Nirgendwo in der Welt gibt es so etwas, daß leere, leicht einsehbare Fahrzeuge verplombt werden müssen. Nur im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) soll das in Zukunft so sein.
Daher wiederholen wir den in den Ausschußberatungen gestellten Antrag, daß man wenigstens zulassen sollte, daß die Verplombung fakultativ sein kann und nicht obligatorisch sein muß. Im Jahre 1971 sind 140 000 Leerfahrten von Berlin (West) nach der Bundesrepublik und auch umgekehrt durchgeführt worden. Diese Aussage ist in den Ausschußberatungen unwidersprochen geblieben. Bedenken Sie doch bitte, welche Arbeit den Transportunternehmern aufgebürdet wird, wenn bei verplombungsfähigen Fahrzeugen nun auch dann, wenn sie leer fahren, eine Plombe oder mehrere Plomben angebracht werden müssen! Da das allen internationalen Gepflogenheiten widerspricht, appelliere ich an den gesunden Menschenverstand, auch im Transitverkehr zwischen Berlin (West) und der Bundesrepublik die fakultative Verplombung gelten zu lassen. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618702500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dübber.

Dr. Ulrich Dübber (SPD):
Rede ID: ID0618702600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will es sehr kurz machen und mit wenigen Worten sagen, aus welchen politischen Gründen wir den Vorstellungen von Herrn Krammig nicht folgen können.
Was will dieses Gesetz? Es sieht vor, daß künftig jede Ware, die die Bundesrepublik in Richtung Transitstrecke verläßt, unter Verschluß reist und damit den Einwirkungen Dritter entzogen ist. Die Ware reist also exterritorial. Das vorliegende Gesetz hält dieses Prinzip strikt durch und will die Zahl der Ausnahmen nur auf die technisch bedingten Fälle bemessen. Wenn wir, wie es Ihr Antrag auf Umdruck 282, den Sie hier begründet haben, zur Folge hätte, beim Leerverkehr eine Ausnahme machen — das wären in Einzelfällen bis zu 400 Fahrzeuge täglich —, dann leben automatisch die Kontrollrechte der DDR wieder auf, und zwar bis zu einem solchen Umfang, daß nahezu jedes zweite Fahrzeug wieder in die DDR-Kontrolle muß, und das ist eben gerade das, was wir politisch nicht mehr wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich kann nicht verstehen, warum Sie dieses politisch bedingte Prinzip hier durchlöchern wollen.



Dr. Dübber
Aus diesen Gründen muß ich sagen, daß wir nach zwei Jahrzehnten bitterer Erfahrungen auf all diesen Gebieten darum bitten, den hier von Herrn Krammig begründeten Antrag abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618702700
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 282. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über § 1 in der vorliegenden Fassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 1 ist angenommen.
Ich rufe die §§ 2, 3, 4, 5, 6, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer großen Zahl von Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.
Ich rufe die
dritte Beratung
auf. Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —

(Abg. Wehner: Sie enthalten sich sogar für Berlin!)

Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nun die Entschließungsanträge auf in der Reihenfolge, wie sie uns vorliegen, und zwar zunächst den Entschließungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 283 (neu) *) ; ich bitte darauf zu achten, daß der Umdruck neu gedruckt worden ist. Hierzu hat Herr Abgeordneter von Bockelberg das Wort.

Helmut von Bockelberg (CDU):
Rede ID: ID0618702800
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem das Gesetz nun in dritter Lesung verabschiedet worden ist, kommt auf den Praktiker die Frage zu, wie es wohl am besten zu praktizieren ist.

(Abg. Wehner: Durch Enthaltungen! — Beifall bei der SPD.)

— Das schadet nichts, Herr Wehner. Ich habe festgestellt, daß das Gesetz tatsächlich verabschiedet wird, ich habe mich nicht darüber ausgelassen, ob mit Ihrer oder mit meiner Stimme. Es geht jetzt um die Handhabung des Gesetzes. Die Ortsbesichtigung in Berlin hat ergeben, daß noch einige Dinge zu regeln sind, um dieses Gesetz in seiner Handhabung griffiger zu machen. Dieser Umdruck 283 (neu) enthält die Vorschläge meiner Fraktion, die schon auf ein Mindestmaß zurückgedreht worden sind, um Ihnen, meine Damen und Herren, die Zustimmung zu ermöglichen.

(Abg. Wehner: Wir enthalten uns!)

*) Siehe Anlage 9 Das ist gut, dann wird die Entschließung mit unseren Stimmen angenommen.

(Abg. Wehner: Wir wollen erst eine Dampferfahrt machen!)

— Das ist genehmigt, Herr Wehner. Wenn Sie so gerne Schiffchen fahren, lade ich Sie sogar auf mein Segelboot ein.

(Abg. Wehner: Die Flagge stellen Sie!)

Der Vorschlag enthält einmal eine Rechtsverordnung und zum anderen eine Zolldienstanweisung. Beides ist seinerzeit, als wir die Ortsbesichtigung durchführten, von den zuständigen Beamten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen zugesagt worden. Es soll in der Rechtsverordnung bestimmt werden, welche Zollbehörden für die Ermächtigung der Selbstverplombung zuständig sein sollen. Der Selbstverplombung kommt im Hinblick auf das Ausmaß des Berlin-Verkehrs eine ganz besondere Bedeutung zu, weil nämlich sonst die Rechnung, die uns aufgemacht worden ist, daß für ein Fahrzeug nicht mehr als 10 Minuten für die Verplombung gebraucht werden, nicht mehr aufgeht. Es ist notwendig, daß nicht nur in Berlin (West), sondern auch in der Bundesrepublik die selbstverplombenden Firmen genannt und bestimmt werden und dazu eine klare Rechtsverordnung erlassen wird. Wir müssen uns immerhin daran gewöhnen, daß unter Umständen die Berechtigung zur Verplombung an Hand der Plomben oder der Streifen in der DDR überprüft wird.
Der zweite eingearbeitete Antrag beschäftigt sich mit einer Zolldienstanweisung, die insbesondere Wert darauf legt, welche Vereinbarungen mit der DDR getroffen worden sind und daß der Inhalt dieser Dienstvorschriften auch von der DDR anerkannt wird. Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen stellt sich bisher auf den Standpunkt, daß Ausnahmegenehmigungen für solche Fälle, die nicht eindeutig dem Inhalt der Art. 6 und 7 des Abkommens über den Transitverkehr entsprechen, sondern, wie es der Wunsch der Wirtschaft ist, gerade eine Entscheidung in Zweifelsfragen herbeiführen sollen, keinen Schutz vor der Behandlung dieser Fälle nach Art. 20 des Transitabkommens bieten. Damit wären diese Vorschriften praktisch wertlos.
Die Wirtschaft hat aber ein grundlegendes Interesse daran, daß bei Zweifelsfragen unter keinen Umständen der Unternehmer oder gar der Fahrer sich selbst mit den Kontrollorganen der DDR auseinandersetzen muß, wenn in Ausnahmefällen Zweifel eintreten. Es muß daher festgelegt werden, und zwar in Form eines noch offenen, nicht abschließenden Beispielskatalogs, welche Fahrzeuge von beiden Grenzkontrollen als nicht verschlußfähig anerkannt werden.
Dabei geht es selbstverständlich nicht um eindeutige Fälle — wie etwa Tieflader oder Autotransporter —, sondern um solche Fälle, bei denen es wirklich Meinungsverschiedenheiten geben könnte, z. B. bei bestimmten Arten von Kleintransportern.
Die Zolldienstanweisung muß weiterhin einen ebenfalls nicht abschließenden Beispielskatalog über diejenigen Güter enthalten, die nicht unter Ver-



von Bockelberg
schluß genommen werden können oder bei denen ein Verschluß unsinnig oder unvernünftig teuer und kostspielig wäre. Der Begriff „sperrige Güter" deckt diesen Güterkatalog nicht ab. Es wäre z. B. völlig unsinnig, Sand oder andere Baumaterialien zu verplomben, obwohl sie, anders als z. B. Peitschenmasten oder große Eisenträger, praktisch verplombungsfähig wären.
Die Zolldienstanweisung muß schließlich alle Stellen bezeichnen, die solche Ausnahmegenehmigungen ausstellen können. Das Verfahren muß geregelt werden, d. h. vor allem müssen die Unterlagen, die der Transportunternehmer vorzulegen hat, bezeichnet werden. Schließlich muß das Aussehen der Bescheinigung festgelegt werden. Auch hier kommt es darauf an, daß sowohl ausstellende Stellen als auch Verfahren und Art der Bezeichnung der DDR bekannt und mit ihr vereinbart sind.
Ich sagte vorhin schon, daß sich unsere Fraktion auf diese wenigen Punkte beschränkt hat. Ich darf Sie bitten, um die Praktikabilität dieses vom Hause gewünschten Gesetzes sicherzustellen, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618702900
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Offergeld.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0618703000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Bemerkungen zu diesem Entschließungsantrag. Die CDU/ CSU versucht offenkundig, da sie bei politischen Fragen nur noch zu Enthaltungen fähig ist, ihr Profil hier dadurch zu beweisen, daß sie Entschließungsanträge über Selbstverständlichkeiten in möglichst großer Form produziert.

(Beifall bei der SPD. — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung hat selbstverständlich — das hat sie auch schon in den Ausschußberatungen erklärt — Rechtsverordnungen vorbereitet, und zwar genau des Inhalts, wie es hier gefordert wird.

(Zuruf des Abg. Haase [Kassel].)

Im übrigen ist es ein außergewöhnliches Verfahren und nicht üblich, daß die Legislative sich in die Kompetenzen der Exekutive einmischt,

(Abg. Reddemann: Sie sollten nicht ganz so polemisieren!)

d. h. Entschließungen über Zolldienstanweisungen faßt. Das ist ausgesprochen Sache der Exekutive.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieser Entschließungsantrag beschäftigt sich mit Selbstverständlichkeiten. Ich halte es für überflüssig, diesen Antrag hier anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : Hören Sie mal, was macht denn der Etat? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618703100
Das Wort wird nicht mehr begehrt. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 283 (neu). Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 284 *) auf. — Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0618703200
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem Antrag auf Umdruck 284, der die Bitte der CDU/CSU-Fraktion enthält, den Unternehmen des privaten Transportgewerbes, die von den Bestimmungen des Gesetzes über die Verplombung betroffen sind, entstehende Kosten zu ersetzen, habe ich folgendes zu erklären.
Wir sind der Auffassung, daß eine der unbefriedigendsten Regelungen im Zusammenhang mit diezem Verplombungsgesetz die ist, daß zwar die Folgekosten, die an den Grenzübergangsstellen entstehen, jene 50,4 Millionen DM, übernommen werden, daß aber die unmittelbaren Kosten, also die Kosten, die das Transportgewerbe unmittelbar betreffen, von der Regierung nicht übernommen werden sollen. Dies haben Vertreter der Bundesregierung und der Regierungskoalition insbesondere in der letzten Zeit deutlich erklärt. Sie haben gesagt, daß sie nicht bereit sind, eine volle Kostenübernahme zu gewährleisten. Mittlerweile haben sie sich sogar mit dem Senat von Berlin verständigt, der ursprünglich anderer Auffassung war und nun — wohl nicht aus sachlichen, sondern aus politischen Gründen — auf die Koalitionseinheitslinie eingeschwenkt ist.
Meine Damen und Herren, es geht um einen Betrag von ungefähr 10 Millionen DM, wenn ich recht informiert bin. Wir haben in den vergangenen Jahren und insbesondere auch in diesem Jahr eine Reihe von Zahlungen geleistet, die im Zusammenhang mit den innerdeutschen Verhandlungen stehen. Ich darf diese Zahlungen hier noch einmal kurz nennen, damit die Größenordnungen bekannt sind. Es sind Zahlungen, die immerhin die Summe von rund 250 Millionen DM bei dem Postausgleichsverfahren ausmachen, es sind jährlich 30 Millionen DM auf das Postscheckkonto der Ostberliner Regierung für diesen Postausgleich, es sind Zahlungen im Rahmen des Transitabkommens in Höhe von rund 235 Millionen DM jährlich — zu unserem Leidwesen übrigens auf ein frei verfügbares Konto der SED-Regierung in West-Berlin bei der Bank für Gemeinwirtschaft, was schnellstens abgestellt werden sollte — und jetzt erneut 10 Millionen DM für die Oster- und Pfingstregelung ebenfalls auf dieses frei verfügbare Konto.
Ich will mich hier nicht gegen diese Zahlungen wenden. Das tut auch niemand in unserer Fraktion. Diese Zahlungen sind zum Teil schon während der
*) Siehe Anlage 10



Wohlrabe
Großen Koalition eingeleitet worden. Sie haben im wesentlichen auch im Haushaltsausschuß stets einstimmige Billigung gefunden. Ich wende mich nur dagegen, daß man, wenn wir hier ein solches Gesetz machen, von dem ein bestimmter Gewerbezweig besonders hart betroffen ist, wegen des Betrages von rund 10 Millionen DM kleinlich ist, sich auf Kredite hinausredet und dann eventuelle Finanzhilfen in Aussicht stellt. Dies beinhaltet der Antrag der SPD und FDP. Diese Auffassung teilen wir nicht. Wir sind der Meinung, daß es sich hier um politische Folgekosten handelt, die auch dieses Haus und diese Regierung zu übernehmen bereit sein müssen. Deshalb stellen wir diesen Antrag.
Ich darf noch eine weitere kurze Begründung für unseren Antrag geben. Es kann, wie ich sagte, kein Zweifel bestehen, daß es sich bei diesen Umrüstungskosten um Kosten handelt, die eben aus allgemeinpolitischen Überlegungen entstehen. Dabei muß die Frage geprüft werden, ob sie diesen Unternehmern zugemutet werden können oder nicht. Es sind keine Kosten, für die üblicher- und billigerweise ein Verkehrsteilnehmer aufkommen muß, z. B. dann, wenn die Straßenverkehrs-Zulassungsordnung geändert wird und dadurch etwa generell Einbauten oder Umbauten an Fahrzeugen erforderlich werden. Es sind vielmehr Kosten, die ausschließlich jenen Unternehmen entstehen, die einen bestimmten Verkehr, nämlich den Berlin-Verkehr, betreiben.
Mehr als 40 % dieses Verkehrs trägt der Lastwagen, und zwar deshalb, weil der Güterfernverkehr die schnellste und wirtschaftlich günstigste Transportmöglichkeit anbieten kann. Daß der Straßengüterverkehr im Gegensatz zu den Verhältnissen im Bundesgebiet einen derartig herausragenden Platz einnehmen konnte, liegt an den uns bekannten Schwierigkeiten, vor allem bei der Deutschen Reichsbahn und den besonderen Verhältnissen auf den Berliner Zugangswegen. Es ist darüber hinaus sicher für die Allgemeinheit von großem Interesse, daß alle Vorteile, die der Güterkraftverkehr bietet, auch künftig für die Berliner Wirtschaft nutzbar gemacht werden. Gerade deshalb ist es unserer Meinung nach erforderlich, daß die öffentliche Hand sich hier im Interesse der Allgemeinheit nicht engherzig zeigt, sondern im Rahmen der bisher großangelegten finanziellen Zahlungen, die auf Grund innerdeutscher Verpflichtungen entstanden sind, auch hier bereit ist, die Zahlungen zu übernehmen, und zwar voll und ganz, wie sie entstehen.
Kürzlich hat der Kollege Mattick von der SPD-Fraktion eingewandt, daß im Berlin-Verkehr für das betroffene Transportgewerbe ein Preispolster in den Tarifen stecke. Dem wird widersprochen. Wir konnten uns überzeugen und konnten feststellen, Herr Kollege Mattick, daß auf den Strecken von und nach Berlin der gleiche Regeltarif gilt und angewendet wird. Ich glaube, das ist ein ganz gewichtiger Gesichtspunkt, der bei der Betrachtung dieses Antrags nicht außer acht gelassen werden darf. Der Transport auf einer Strecke in Westdeutschland kostet nicht mehr und nicht weniger als der Transport auf einer gleich langen Strecke im Berlin-Verkehr, da es auch hier nur eine Tarifgrundlage gibt. Ich würde also bitten, auch das Argument, hier sei ein Polster, nicht mehr in die Argumentation einzuführen, weil es ein falsches Argument ist.
Ich bitte, darüber hinaus auch folgendes zu sehen. Manche versuchen den Eindruck zu erwecken, als wenn durch das Verplombungsgesetz ein normaler Berlin-Verkehr entstehen würde. Auch das ist nicht der Fall. Der Verkehr bleibt trotz Verplombung anomal; denn Verplomben ist nichts Normales. Normal wäre es, wenn man normal durchfahren könnte. Ich möchte das zur politischen Betrachtung mit allem Nachdruck sagen.

(Beifall bei der CDU/CDU.)

Der Verkehr wird durch dieses Gesetz also höchstens normalen Verhältnissen angenähert.
Durch diese politische Handhabung entstehen Mehrkosten. Wir bitten, daß diese Mehrkosten, wie es übrigens auch der FDP-Verkehrstag beschlossen hat, übernommen werden. Wir möchten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, bitten, unserem Antrag die Zustimmung zu geben, und rechnen dabei insbesondere auf die Stimmen der FDP in der Hoffnung, daß sie die Glaubwürdigkeit ihrer Partei auch hier im Plenum beweist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Auf die Weise machen Sie mit dem Hintern kaputt, was Sie mit dem Mund haben aufbauen wollen! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618703300
Das Wort hat der Abgeordnete Barche.

Hermann Barche (SPD):
Rede ID: ID0618703400
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 284 von vornherein zu erklären, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die Fraktion der FDP diesen Antrag ablehnen werden, da er nach unserer Meinung keine sachliche Begründung hat.
Ich darf mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsident, gleich den Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion und der FDP-Fraktion auf Umdruck 286 vortragen. Dieser Antrag geht davon aus, daß wir eine Lösung finden wollen, die es ermöglicht, im Berlin-Verkehr dort zu helfen, wo es notwendig ist. Diese Erfahrung haben wir bei einem Besuch des Innerdeutschen Ausschusses an den Grenzkontrollpunkten in Berlin gesammelt. Wir sind auch der Meinung — daher das Ersuchen der Koalitionsfraktionen auf Umdruck 286 —, daß die Bundesregierung, um eine zügige Abwicklung des Berlin-Verkehrs zu gewährleisten, für die notwendigen personellen Veränderungen, aber auch für die sachlichen Veränderungen schnellstens sorgen muß. Nach unserer Meinung müssen gewisse Engpässe im personellen Bereich beseitigt werden. Aber auch eine Verbesserung der baulichen bzw. technischen Anlagen ist erforderlich. Die Kosten hierfür, die ausschließlich vom Bund getragen werden, belaufen sich allein für diese sachlichen Aufwendungen auf 50 Millionen DM.



Barche
Ziffer 2 unseres Entschließungsantrags will im Gegensatz zu dem Entchsließungsantrag der CDU/ CSU Umdruck 284 keine generelle Übernahme der Umrüstungskosten, sondern nur dort — wie ich schon erwähnt habe — eine Finanzhilfe gewähren, wo nachweisbar existenzgefährdende oder wirtschaftliche Schwierigkeiten für den Unternehmer entstehen. Der Bund würde durch den CDU/CSU-Entschließungsantrag mit weiteren 20 Millionen DM belastet. Nun kann man zwar sagen, 20 Millionen DM seien nicht viel, aber 50 und 20 sind schon 70 Millionen DM, und so kommt eines zum anderen.
Es ist zu erwarten, daß durch den in Zukunft reibungslosen und ohne Zeitverlust stattfindenden Berlin-Verkehr die Umrüstungskosten von 2500 DM pro Lkw, zumal 75 % der Umrüstungskosten für die Berliner Unternehmer und 25 % für die Unternehmer aus der Bundesrepublik steuerlich abgeschrieben werden können, sich von allein amortiseren werden. Wir haben kein Verständnis dafür, daß in diesem Fall der Bund durch massiven politischen Druck der Fachvereinigung Güterverkehr Berlin zur generellen Übernahme der Umrüstungskosten gezwungen werden soll. Beispielsweise schreibt die Fachvereinigung in einem Brief vom 14. Dezember 1971 an das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen u. a.:
Ohne feste Zusage der Übernahme der Kosten auf den Bund wird kein Unternehmer die Umrüstung in Angriff nehmen.
Ich meine, meine Damen und Herren, damit hat diese Fachvereinigung die politische Bedeutung dieses Gesetzes nicht erkannt.

(Abg. Wehner: Sehr wahr! — Zuruf des Abg. Wohlrabe.)

Auch bitte ich, zu bedenken: Wenn so etwas Schule macht und seinen Niederschlag in Anträgen von Fraktionen des Bundestages findet, entziehen wir uns selber den Boden für gesetzliche Maßnahmen, die diesen oder jenen Wirtschaftszweig — beispielsweise mit dem Umweltschutzgesetz — finanziell belasten müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im ganzen gesehen wird das Verplombungsgesetz auch ohne generelle Übernahme der Umrüstungskosten für die im Berlin-Verkehr tätigen Unternehmer mehr Vorteile als Nachteile bringen. Das Güterverkehrsgewerbe wird von dem neuen Transitabkommen dadurch profitieren, daß sich die Abfertigungszeiten ermäßigen werden, daß aber vor allem die Sicherheit des Verkehrs wächst und keine Sperrungen mehr vorkommen können. Dieser Vorteil dürfte auch finanziell so hoch zu veranschlagen sein, daß eine Kostenübernahme durch das Gewerbe zumutbar ist. Der Bund erbringt seinerseits erhebliche Aufwendungen für den Bau großzügiger Abfertigungsplätze, die wiederum die Voraussetzung für die Beschleunigung der Abfertigung sind und ein Vielfaches der Umrüstungskosten ausmachen.
Ich meine, daß auch die Fachverbände bei ruhiger Überlegung zu der gleichen Auffassung kommen wie wir, daß den Berufskollegen geholfen werden muß, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Das trifft ganz besonders für die Kanalschiffahrt zu. Alle anderen, bessergestellten Unternehmen sollten aus prinzipiellen und Solidaritätsgründen auf Übernahme der Umrüstungskosten durch den Bund verzichten.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Umdruck 286 die Zustimmung zu geben, weil er eine gute Kompromißlösung darstellt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618703500
Bitte schön, Herr Abgeordneter Horten!

Alphons Horten (CDU):
Rede ID: ID0618703600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär und auch Herr Kollege Barche, daß in diese Diskussion, bei der es sich doch wirklich um rein sachliche Fragen handelt und wo wir uns im Ausschuß darum bemüht haben, einen sachlichen Weg für eine möglichst gute Praktikabilität dieses Gesetzes zu finden, jetzt derselbe unsachliche Ton hineinkommt, wie er teilweise auch während der Ausschußverhandlungen festzustellen war.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie haben wohl Grund, sich zu beschweren?)

Drei Beweise dafür. Vor der Behandlung dieses Gesetzes ist interfraktionell vereinbart worden, daß unser Entschließungsantrag Umdruck 283 mit gewissen Einschränkungen — Herr Dübber, Sie wissen das auch — angenommen werden sollte, um der Sache zu nützen. Wir haben gehofft, daß dieser Vereinbarung im Interesse der Sache entsprochen würde. Leider sind wir getäuscht worden.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Das klingt so schön!)

Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, haben erwähnt, daß viele Dinge, die an sich in die Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums fielen, in unseren Anträgen behandelt worden sind. Herr Barche, desto erstaunlicher ist es, daß der im ersten Teil Ihres Entschließungsantrages Umdruck 286 unterbreitete Vorschlag eine Sache betrifft, hinsichtlich der, wie Sie genau wissen, der Oberfinanzpräsident von Berlin bei der Behandlung in Berlin erklärt hat, sie gehöre in die Zuständigkeit der Finanzverwaltung Berlin und solle deswegen in den parlamentarischen Beratungen zweckmäßigerweise nicht behandelt werden.
Dritter Punkt. Herr Barche, Sie haben hier ausführlich begründet, daß die Entschädigung für die Umrüstung nach einer sehr allgemeinen Formulierung nur den Unternehmungen gewährt werden soll, die in ihrer Existenz beeinträchtigt werden. Sie erinnern sich, daß wir bei dem Hearing in Berlin gerade über diesen Punkt sehr ausführlich gesprochen haben und daß nach meiner klaren Erinnerung kein Meinungsunterschied darüber bestand, daß, da es



Horten
sich hier ja um Folgen einer politischen Regelung handelt, nach dem Gleichheitsgrundsatz verfahren werden muß, wobei ein gerechtes Verfahren natürlich sehr sorgfältig zu erarbeiten wäre.
Aus diesen Gründen können wir Ihrem Entschließungsantrag Umdruck 286 leider nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618703700
Wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen dann zunächst über den Entschließungantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 284 ab. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wegen des Sachzusammenhangs rufe ich jetzt den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Umdruck 286 *) auf. Der Antrag ist bereits
*) Siehe Anlage 11 begründet. Wünscht noch jemand das Wort dazu? — Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir hierüber ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist gegen zahlreiche Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 285 **) auf. Möchte jemand den Antrag begründen? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 7. Juni 1972, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.