Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 30. April 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller-Hermann, Gewandt, Rollmann, Mursch , Orgaß und Genossen betr. Schiffsbesetzungs- und Ausbildungsordnung (SBAO) — Drucksache VI/2011 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2140 verteilt.
Der Ausschuß für Wirtschaft hat gegen die nachfolgenden, bereits im Amtsblatt der EG verkündeten Verordnungen bzw. Richtlinie keine Bedenken erhoben:
Verordnung . des Rates zur Ausdehnung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 109/70 des Rates vom 19. Dezember 1969 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern auf weitere Einfuhren
- Drucksache VI/1816 —Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kolophonium, einschließlich „Brais résineux", der Tarifstelle 38.08 A des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache VI/1995 —Richtlinie des Rates zur Verlängerung der im Artikel 10 der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1968 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe vorgesehenen Frist
— Drucksache VI/1836 —
Wir treten ein in die
Fragestunde
— Drucksachen VI/2132, VI/2143 —
Der amtierende Präsident hat die Dringende Mündliche Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft für die heutige Fragestunde zugelassen:
Trifft die Feststellung des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie vom 3. Mai 1971 zu, nach der Mitte des Jahres Massenentlassungen im deutschen Straßenbau zu befürchten sind, wenn Bund, Länder und Gemeinden nicht schnellstens Anschlußaufträge für die zweite Hälfte des Jahres vergeben?
Herr Staatssekretär Rosenthal!
Herr Kollege, die von Ihnen zitierte Feststellung dürfte überzogen sein. Die Bestände sind zwar niedrig: 2,6 Monate; 1967 waren es 2,3 Monate. Das ist in der Hauptsache
darauf zurückzuführen, daß wegen der guten Winterbaumonate mit ungefähr 27% höherer Leistung der saisonübliche Anstieg der Bestände ausgeblieben ist. Das bedeutet, daß ohne diese Winterbaumonate die Bestände ungefähr bei 3,1 Monaten liegen würden. An bauwirksamen Haushaltsmitteln, also inklusive der Verpflichtungserklärungen, werden 1971 4,1 Milliarden DM gegenüber 3,7 Milliarden DM 1970 zur Verfügung stehen. Real ist das infolge der Preissteigerung allerdings weniger.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie damit die Aussage von Herrn Bundesverkehrsminister Leber aus der Verkehrsdebatte der letzten Woche bestätigen, in der Herr Minister Leber darauf hingewiesen hat, daß zwar die Auftragsbestände in der Straßenbauwirtschaft abgeschmolzen sind — abgeschmolzen allerdings auf ein normaleres Niveau —, daß aber für die zweite Hälfte dieses Jahres von seiten des Bundes als Auftraggeber keineswegs mit einem Minus zu rechnen ist, da der Bund nach Genehmigung des Bundeshaushalts in der Lage sein wird, das Straßenbauvolumen in dem vorgesenen Maß durchzuhalten?
Herr Kollege, ich habe nur den Teil der Ausführungen von Herrn Minister Leber gehört, der sich mit der längerfristigen Auslastung, die in hohem Maße gegeben ist, befaßt. Was die kurzfristige Auslastung betrifft, so hat der Konjunkturrat zunächst die Freigabe zusätzlicher Mittel noch nicht empfohlen. Es kann sein, daß man diese Frage noch einmal überprüfen muß, wenn sich die Situation verschärft.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Kostensteigerungen in der Straßenbauwirtschaft, die nach meiner Überzeugung nur zu einem Teil auf Lohnkostensteigerungen zurückzuführen sind, hinsichtlich des Auftragsvolumens und auch hinsichtlich der disponiblen finanziellen Möglichkeiten des Bundes?
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6886 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Herr Kollege, ich möchte Ihnen eigentlich die Antwort mit Ihrer Frage geben. Ich glaube, daß die Preissteigerungen teilweise auf die Lohnsteigerungen zurückzuführen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre vorletzte Auskunft dahin gehend verstehen, daß Sie in Gegensatz zu Bundesverkehrsminister Leber stehen, der am 28. April vor diesem Hohen Hause gesagt hat, und zwar bezogen auf dieses Jahr:
So voll ausgelastet, wie die Straßenbauwirtschaft von der Nachfrage des Bundes her war und wie sie 1971 durch Daten, die im Haushalt festgeschrieben sind, ausgelastet wird, war sie noch nie in der Vergangenheit?
Ja, Herr Kollege Müller-Hermann, aber Sie selbst sind doch immer dafür, daß wir eine sehr vorsichtige Haushaltsführung betreiben,
und deshalb müssen wir uns in dieser Frage nach der jeweiligen konjunkturellen Situation richten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
— Herr Abgeordneter Müller-Hermann, Sie haben leider keine weitere Zusatzfrage.
— Herr Abgeordneter, nach den Richtlinien für die Fragestunde haben Sie nur eine Zusatzfrage.
Eine Zusatzfrage hat jetzt der Herr Abgeordnete Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Auskunft entnehmen, daß die Meldungen der Zeitungen, daß es in Hessen bereits Massenentlassungen im Straßenbau gegeben habe, demnach falsch sind?
Herr Kollege, das müßte ich nachprüfen.
Ich will aber, Herr Präsident, gerne auch noch die Frage des Kollegen Müller-Hermann zusätzlich beantworten: Ja zu Herrn Minister Lebers Äußerungen. Konjunkturell werden wir flexibel handeln.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase .
Verehrter Herr Staatssekretär, sind die Ziffern zutreffend, die besagen, daß im Straßen- und Straßenbrückenbau der nominale Rückgang 9 % bzw. 18 %, der reale also 21 bis 32 % beträgt?
Herr Kollege, hierzu kann ich nur sagen, daß ich den Verkehrsminister bitten werde, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.
Ihre Frage, Herr Abgeordneter Haase, steht nicht mehr in dem nach den Richtlinien geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausgangsfrage.
Damit ist die Behandlung der Dringlichen Mündlichen Frage abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Für die Antworten steht Herr Staatssekretär von Dohnanyi zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, den Termin für die mündliche Reifeprüfung in den Bundesländern so rechtzeitig anzusetzen, daß die Abiturienten ihr Studium noch zum jeweiligen Sommersemester aufnehmen können?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, bei der angeregten Verlegung könnten im Höchstfall nur 30 Unterrichtswochen im letzten Schuljahr zur Verfügung stehen, und deswegen müßte gleichzeitig die erneute Vorverlegung des Schuljahrbeginns und -endes auf den Ostertermin mit entsprechenden Terminänderungen für die Abschlußprüfungen aller Schulstufungen vorgesehen werden. Die Ausbildungseinrichtungen haben sich aber inzwischen weitgehend auf die augenblicklichen Regelungen eingestellt. Aus diesem Grunde, Herr Kollege Enders, hält die Bundesregierung Schritte, wie Sie sie angeregt haben, nicht für erforderlich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß bei der gegenwärtigen Regelung mit Prüfungen im Mai und Juni die Effektivität des Unterrichts in der von Oster- und Pfingstferien sowie verschiedenen Feiertagen unterbrochenen Unterrichtszeit in keinem Verhältnis steht zu dem Verlust eines Semesters und der langen Wartezeit bis zur Aufnahme des Studiums im Herbst?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6887
Herr Kollege Enders, ich glaube, daß man die Besonderheiten des Frühjahrs — insbesondere des Monats Mai und der Feiertage, auf die Sie hingewiesen haben — ja auch als günstige Voraussetzung betrachten kann, um sich auf die Abschlußprüfung vorzubereiten. Insofern kann ich Ihnen hier eigentlich nicht zustimmen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht auch für die wehrpflichtigen Abiturienten von Vorteil, wenn sie im April einrücken und nach der Entlassung aus der Bundeswehr im Herbst des nächsten Jahres das Studium zum Wintersemester ordnungsgemäß aufnehmen könnten?
Der Bundesminister der Verteidigung führt seit längerem Gespräche mit der Konferenz der Kultusminister mit dem Ziel, die Reifeprüfungstermine so abzustimmen, daß die Abiturienten unmittelbar nach Abschluß der Prüfung einberufen werden können, so daß sie rechtzeitig zum Wintersemester des folgenden Jahres ihr Studium aufnehmen können. Für 1972 sind zwei Einberufungstermine — der 1. Juni und der 1. Juli — in Aussicht genommen. Eine weitere Vorverlegung ist deswegen unter dieser Perspektive im Augenblick offenbar nicht notwendig.
Ich rufe Frage 2 des Abgeordneten Flämig auf:
Hat die Bundesregierung bereits die Mitglieder in dem neu zu bildenden Wissenschaftsrat der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Gemeinschaften benannt, und wenn nein, welche Gründe liegen für die Verzögerung vor?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Flämig, die Bundesregierung hat drei nach den Beschlüssen des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 16./17. Dezember 1970 von ihr zu benennende deutsche Mitglieder des Allgemeinen Beirats der Gemeinsamen Forschungsstelle Mitte April 1971 berufen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung der Bildung dieses Wissenschaftsrates zugestimmt, weil sie in ihm Ansätze für eine Mitbestimmung der Wissenschaftler sieht, und verspricht sie sich von ihm eine größere Effektivität der Forschung? Oder gibt es noch andere Gründe für die Bildung dieses Wissenschaftsrates?
Die Bildung des Beirates, Herr Kollege Flämig, hat eine Vielzahl von Gründen. Einer der Gründe ist sicherlich der, Wissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, zur Meinungsbildung hinsichtlich der Entwicklung der Forschungsprogramme beizutragen. In erster Linie aber geht es dabei um die Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Verwaltung, also den politischen Ebenen. Aus diesen drei Bereichen soll deswegen je ein Mitglied berufen werden, und entsprechend hat auch die Bundesregierung die Berufungen vorgenommen. Es ist dies also ein Beirat zur Hilfe bei der Formulierung der Politik.
Darf ich also, Herr Staatssekretär, Ihre Antwort so verstehen, daß damit zu rechnen ist, daß durch die Schaffung dieses Wissenschaftsrates und auch durch die Ernennung eines Generaldirektors die dringend erforderliche Ausarbeitung eines mittelfristigen Forschungsprogramms für die Gemeinsame Forschungsstelle beschleunigt werden kann?
Daran ist gar kein Zweifel, Herr Kollege Flämig.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Haase werden vom Bundesminister der Verteidigung beantwortet.
Ich rufe die Fragen 5 und 6 der Frau Abgeordneten Jacobi auf:
Hat die Bundesregierung bei ihrer Bildungsplanung schon einmal den Bedarf an Akademikern nach einzelnen Wissensgebieten und Berufssparten errechnet?
Wann gedenkt die Bundesregierung, solche Zahlen zur Grundlage ihrer Planung zu machen und zu veröffentlichen?
Zunächst frage ich den Herrn Staatssekretär, ob er beide Fragen gemeinsam beantwortet. — Ja. Die Fragestellerin ist auch einverstanden.
Frau Kollegin, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft wurden zwei Forschungsaufträge vergeben, um den fächerspezifischen Bedarf bis 1980 abschätzen zu lassen. Bei diesen Vorschätzungen wird der Arbeitskräftebedarf nach Berufsklassen abgeschätzt, und es wird mit Hilfe einer Unternehmensbefragung versucht, Anhaltspunkte für den Bedarf durch eine Analyse der für einzelne Berufspositionen benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten zu gewinnen. Die Ergebnisse beider Forschungsaufträge sind in die Überlegungen zum Bildungsgesamtplan eingegangen. Sie werden gegenwärtig redaktionell bearbeitet und erscheinen voraussichtlich im Sommer dieses Jahres in einer Schriftenreihe des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft.
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6888 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Ist beabsichtigt, solche Erkenntnisse auch an den Gymnasien bekanntzugeben?
Sicherlich, Frau Kollegin Jacobi. Sie wissen, die Bundesregierung hat in der Bund-LänderKommission darauf gedrängt, daß in verstärktem Umfange Berufsberatung bis in die Gymnasien hinein als ein Teil der Bildungsplanung verstanden wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß schon heute aus durchaus verständlicher Zurückhaltung in einigen Sparten der Industrie unsere jungen Leute nicht mehr unterkommen?
Frau Kollegin Jacobi, mir ist im Augenblick eigentlich nur bekannt, daß wir einen großen Arbeitskräftebedarf in der Bundesrepublik haben. Ich kann mir die Situation, wie Sie sie eben beschrieben haben, nicht konkret vorstellen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es handelt sich dabei durchaus um Akademiker, nicht allgemein um einen Kräftebedarf. Sie machen hoffentlich da Unterschiede in der Einstellung zu den einzelnen Sparten.
Frau Kollegin Jacobi, es mag sicher Einzelfälle geben, in denen ein ausgebildeter junger Mensch nicht sofort die Position findet, die er finden möchte. Aber ich glaube, Sie können doch im Augenblick noch nicht davon sprechen — jedenfalls ist der Bundesregierung dies nicht bekannt —, daß es größere Bereiche im akademischen Sektor z. B. gebe, in denen junge Ausgebildete keine Berufschance hätten.
Eine letzte Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Darf ich Sie bitten, Herr Staatssekretär, sich dazu einmal genau in den naturwissenschaftlichen Sparten zu erkundigen?
Frau Kollegin Jacobi, gerade was die naturwissenschaftlichen Sparten angeht, halte ich Ihre Feststellung nicht für begründet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Slotta.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß Ihr Ministerium bereits im Jahre 1969 auf die Notwendigkeit der Erstellung von Bedarfsprognosen hingewiesen hat?
Herr Kollege Slotta, das ergibt sich ja aus der Vergabe dieser Studien und aus Antworten, die ich in diesem Hohen Hause im Jahre 1970 bereits zu dieser Frage gegeben habe.
Die Herren Abgeordneten Dr. Gölter — Frage 7 — und Weigl — Frage 9 — haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Hermesdorf auf:
Welche Maßnahmen, die zur Milderung bzw. zur Beseitigung des Lehrermangels beitragen können, beabsichtigt die Bundesregierung den Ländern vorzuschlagen und im Rahmen von Vereinbarungen mit den Ländern zu fordern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Hermesdorf, der Bund beabsichtigt, sich im Rahmen seiner Mitwirkung in der Bund-Länder-Kommission für die Bildungsplanung an Vorhaben zu beteiligen, welche auf die Linderung bzw. Beseitigung des Lehrermangels gerichtet sind. So wird der Bund zusammen mit den Ländern langfristige Maßnahmen ins Auge fassen wie etwa den Ausbau der Hochschulkapazitäten, Reformen im kurrikularen Bereich der Studiengänge für Stufenlehrer mit Auswirkung auf die Studiendauer, Verbesserung der Durchlässigkeit der Lehrämter und dadurch Entlastung in Bereichen, wo besonders gravierende personelle Engpässe bestehen, Einsatz von Schulassistenten zur Entlastung von Lehrern in bestimmten administrativen und technischen Bereichen. Die finanzielle Förderung durch den Bund wird in den genannten Bereichen im Wege von Vereinbarungen mit den Ländern nach Art. 91 b des Grundgesetzes zu erfolgen haben, soweit es sich um die Durchführung von Vorhaben handelt, die Modellcharakter besitzen. Über die Förderung von Modellen hinaus können weitere Maßnahmen, insbesondere solche kurzfristiger Art, welche sich zum Teil auch aus den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Ländern ergeben, nach der Zweckbestimmung der dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel nicht mitfinanizert werden.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6889
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung in der einleitenden, zusammenfassenden Darstellung im Bildungsbericht unter Abschnitt VI Absatz 5 den Ländern Unterstützung von Maßnahmen zur Behebung des Lehrermangels angeboten hat, und ist Ihnen bewußt, daß Sie auch heute nur Planungen für die Zukunft in Aussicht stellen und hier nicht getroffene Maßnahmen aufführen können?
Herr Kollege Hermesdorf, ich würde dem nicht zustimmen können. Denn die Bundesregierung hat unter dem ersten Punkt, den ich erwähnt habe - Ausbau der Hochschulkapazitäten —, z. B. durch das Schnellbauprogramm einen Beitrag geleistet. Mit anderen Worten, die Bundesregierung muß sich innerhalb der ihr zustehenden verfassungsmäßigen Kompetenzen bewegen. Aber innerhalb dieser Kompetenzen hat sie durchaus bereits aktiv Beiträge zur Behebung des Lehrermangels geleistet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung im Besitz von genauen Zahlen über das gegenwärtige Defizit an Lehrern im gesamten Schulbereich, aufgegliedert nach Schulformen, Lehrbefähigungen und Fachrichtungen, da nur auf der Basis solcher Unterlagen Planungen erstellt und Maßnahmen eingeleitet werden können?
Herr Kollege Hermesdorf, die Bundesregierung hat in der Bund-Länder-Kommission vorgeschlagen, eine statistische Erhebung zu machen, deren Ergebnisse uns erst in die Lage versetzen würden, die Lücken, die durch den Lehrermangel verursacht sind, im einzelnen zu errechnen. Die Ergebnisse dieser Befragung liegen mir noch nicht vor. Es war auch nicht immer einfach, sich mit allen Ländern auf ein Erhebungsverfahren zu einigen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Für die Antworten steht der Parlamentarische Staatssekretär Dorn zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel auf:
Wann wird die Bundesregierung die im Gesetz zum Schulz geilen Fluglärm vorgesehenen Durchführungsverordnungen erlassen, damit die in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zugunsten der Fluglärmgeschädigten so schnell wie möglich in Kraft gesetzt werden können?
Herr Kollege Dr. Apel, das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm ist am 2. April 1971 verkündet worden; es ist am darauffolgenden Tage in Kraft getreten. Im Interesse der vom Fluglärm betroffenen Bevölkerung ist die Festsetzung der Lärmschutzbereiche und die Bestimmung der Schallschutzanforderungen vordringlich. Zur Vorbereitung der Rechtsverordnungen, durch die die Lärmschutzbereiche festgelegt werden, sind bereits vor Inkratftreten des Gesetzes Verhandlungen mit einer Gruppe von Experten, die am Göttinger Fluglärm-Gutachten 1965 maßgeblich beteiligt waren, aufgenommen worden. Diese Expertengruppe wurde inzwischen mit der Ermittlung der für die Festsetzung der Lärmschutzbereiche maßgebenden äquivalenten Dauerschallpegel beauftragt.
Die Bundesregierung wird so schnell wie möglich im Einvernehmen mit den Ländern die Rechtsverordnungen erlassen. Angesichts der besonderen und im einzelnen noch nicht voll überschaubaren Schwierigkeiten, die die Durchführung des Fluglärmgesetzes bereitet, ist die Bundesregierung derzeit noch nicht in der Lage, einen genauen Zeitpunkt für den Erlaß der Durchführungsvorschriften anzugeben.
Herr Staatssekretär, ich kann Ihrer Antwort doch mit Sicherheit entnehmen, daß Pressemeldungen nicht zutreffen, nach denen es noch Jahre dauern könnte, bis dieses Gesetz wirklich exekutiert werden kann, weil erst dann die Durchführungsverordnungen vorliegen werden?
Herr Kollege Dr. Apel, Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, daß diese Pressemeldungen nicht stimmen. Anderenfalls wäre das Tempo, das sowohl die Bundesregierung wie dieses Haus bei der Beratung und Verabschiedung des Gesetzes an den Tag gelegt haben, völlig sinnlos gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung ihre Durchführungsverordnungen vorgelegt haben wird, müssen die Bundesländer ihrerseits nachziehen. Können wir davon ausgehen, daß, wenn die Bundesregierung einmal in ihrem Bereich insbesondere die Lärmschutzbereiche abgegrenzt hat, auf der Ebene der Länder relativ schnell zu den Durchführungsverordnungen geschritten werden kann?
Wir glauben, daß wir eine gemeinsame Regelung mit den Ländern finden können, denn uns liegt natürlich daran, daß wir hier eine Regelung finden, die für alle Länder nach Möglichkeit den gleichen Wortlaut und die gleichen Vorschriften hat.
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6890 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Ich rufe die Frage 11 der Frau Abgeordneten Dr. Orth auf. — Die Frau Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Evers auf:
Trifft es zu, daß von Elektrizitätswerken, deren Kapital sich teilweise, überwiegend oder ganz in öffentlichem Eigentum befindet, eine unerträgliche Umweltbeeinträchtigung betrieben wird, indem sie durch das Absenken des Wasserspiegels von Stauseen zur Elektrizitätsgewinnung das Landschaftsbild verunstalten und den Erholungswert der Landschaft für eine immer größer werdende Zahl von Menschen beeinträchtigen, das mit dem Grundgesetz kaum vereinbar scheint?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Evers, mir ist nicht bekannt, daß von den Elektrizitätswerken in der von Ihnen geschilderten Form unerträgliche Umweltbeeinträchtigungen verursacht werden. Stauseen, die wasserwirtschaftlichen Zwecken und der Elektrizitätsgewinnung dienen, müssen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Landschaft unter zwei Gesichtspunkten gesehen werden.
Durch den Bau eines Stausees wird im allgemeinen das Landschaftsbild grundsätzlich bereichert und der Erholungswert der Landschaft gesteigert. Dafür gibt es genügend Beispiele in den Alpen und vor allen Dingen auch in den Mittelgebirgen. Dagegen kann durch den Betrieb von Stauseen dann das Landschaftsbild beeinträchtigt werden, wenn Ausmaß und Dauer der Wasserspiegelschwankungen zu groß sind. Deshalb enthalten die wasserrechtlichen Zulassungen auch Anordnungen hinsichtlich des Absenkens des Wasserspiegels eines Stausees, bei deren Festlegung die Erfordernisse der Landschaftspflege mit zugrunde gelegt werden.
Zusatzfrage!
Würden Sie mir zustimmen, Herr Staatssekretär, daß die Auflagen, die derartigen Elektrizitätswerken einmal gemacht worden sind, heute vielleicht einer Überprüfung bedürften, da wir den Fragen des Umweltschutzes und der Erhaltung der Landschaft heute größere Bedeutung beimessen, als wir es früher getan haben?
Ich meine, daß man sich über diesen Fragenkomplex durchaus unterhalten kann. Nur muß man eben, wie ich glaube, eindeutig zwischen Bau, Inbetriebnahme und Betrieb der Stauseen unterscheiden, weil sich dadurch natürlich unterschiedliche Wertungen auch für die Elektrizitätswerke ergeben könnten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Selbstverständlich gibt es eine Güterabwägung, Herr Staatssekretär. Aber meinen Sie nicht, daß die Notwendigkeit, den Spitzenstrombedarf kurzfristig zu decken, auf der einen Seite und das Erholungsbedürfnis sowie die Sicherung der Existenzgrundlagen der Bevölkerung in Höhengebieten auf der anderen Seite heute unter Umständen ein Überdenken dieser Güterabwägung erfordern könnten?
Ich bin nicht sicher, Herr Kollege Dr. Evers, daß das ein spezieller Grund wäre, neue Überlegungen in dieser Richtung anzustellen. Sie wissen, daß die Elektrizitätswerke heutzutage in der Lage sind, Strom auf Vorrat zu einer Zeit abzunehmen, zu der durch die Höhe des Wasserspiegels keine Beeinträchtigung im Rahmen der Landschaftspflege eintritt.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in Ausschöpfung der ihr bereits jetzt nach Artikel 75 des Grundgesetzes zustehenden Rahmenkompetenz geeignete Schritte zu unternehmen, um das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst unversehrten Landschaft gegenüber den kommerziell oder technisch bedingten Bestrebungen der Elektrizitätswerke nach kontinuierlicher Elektrizitätserzeugung zu sichern?
Herr Kollege Dr. Evers, es ist das Ziel der Umweltschutzpolitik dieser Regierung, die Erhaltung einer menschenwürdigen Umwelt und das Wachstum unserer Wirtschaft miteinander in Einklang zu bringen. Dieser Grundsatz gilt auch für Bau und Betrieb von Stauseen zur Gewinnung elektrischer Energie.
Die Vorschriften des Wasserrechts geben den für die Erteilung wasserrechtlicher Zulassungen zuständigen Landesbehörden die Möglichkeit, die aus Gründen der Erhaltung einer möglichst unversehrten Landschaft erforderlichen Auflagen für Bau und Betrieb von Stauseen zu erteilen.
Sofern der Bundesregierung konkrete Fälle der von Ihnen, Herr Kollege, genannten Art bekanntwerden, wird sie nicht zögern, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auf einen Ausgleich gegensätzlicher Interessen hinzuwirken und mitzuhelfen, geeignete Lösungen sowohl für die Erhaltung der Landschaft und ihres Naturhaushaltes als auch für die Nutzung der Wasserschätze zu finden.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Bay auf:
Sind der Bundesregierung die aus den USA kommenden Berichte über schwere Umweltschäden als Folge unterirdischer Industrieabfall-Deponien bekannt, und ist sie gewillt, ähnliche Entwicklungen in unserem Land von vornherein zu verhindern?
Herr Kollege Bay, der Bundesregierung sind die von Ihnen genannten Berichte im einzelnen nicht bekannt. Soweit im Bundesgebiet schon jetzt Abfallstoffe unterirdisch gelagert werden, ist es Sache der zuständigen Berg-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6891
Parlamentarischer Staatssekretär Dornbehörden, dafür zu sorgen, daß Schäden für die Umwelt vermieden werden.In dem Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes, der dem Bundestag demnächst zugehen wird, sind besondere Vorschriften für die Beseitigung von Abfällen in Bergwerken aufgenommen worden. Jede Abfallbeseitigung in einer der Bergaufsicht unterliegenden Anlage bedarf danach der Genehmigung der Bergbehörde, die nur dann erteilt werden darf, wenn Schäden für die Umwelt nach menschlichem Ermessen nicht zu befürchten sind.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die in den Tageszeitungen veröffentlichten Berichte nicht bekannt, wonach Industriebetriebe in den USA flüssige Abfallstoffe durch sehr enge Druckleitungen, die mehrere Kilometer in den Boden hineinreichen, unter hohem Druck tief ins Erdinnere hineindrücken und daß diese Stoffe innerhalb relativ kurzer Zeit irgendwo wieder zum Vorschein kommen?
Herr Kollege, diese Berichte sind mir nicht bekannt. Ich bin aber, falls Ihnen solche Berichte zur Verfügung stehen, gern bereit, sie sofort der zuständigen Abteilung unseres Hauses zur Überprüfung zuzuleiten.
Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Slotta:
Wie steht die Bundesregieurng zu dem in einem Vortrag in der Evangelischen Akademie Tutzing und dann in der Presse behandelten Vorschlag von Prof. Dr. Neuloh, Saarbrücken, den Gastarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen , den Erwerb einer doppelten Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, um sie als Teil der Bevölkerung schneller und reibungsloser zu integrieren?
Herr Professor Slotta, das deutsche Einbürgerungsrecht gilt in gleicher Weise für alle Ausländer, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wollen. Sondervorschriften für ausländische Arbeitnehmer bestehen nicht, sie wären sicherlich auch nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung aller Einbürgerungsbewerber vereinbar.
Unter politischen Gesichtspunkten ist bei der Beurteilung des erwähnten Vorschlages folgendes zu berücksichtigen. Die Entsendeländer sind im allgemeinen daran interessiert, daß die im Ausland tätigen Arbeitnehmer nach einer gewissen Zeit zurückkehren. Eine gezielte Einbürgerung nach den Vorstellungen von Professor Neuloh würde diesem Interesse zuwiderlaufen und könnte deshalb unsere Beziehungen zu diesen Staaten belasten. Ein solches Risiko würde nicht durch eine doppelte Staatsangehörigkeit ausgeschlossen, ganz abgesehen davon, daß die Beibehaltung der Heimatstaatsangehörigkeit häufig gar nicht möglich und zu dem rechtspolitisch mit dem international geltenden Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit nicht vereinbar wäre.
Im übrigen sollte im Hinblick auf eine frühere expansive Einbürgerungspolitik auch schon der Eindruck massenhafter Einbürgerungsmaßnahmen vermieden werden.
Aus diesen rechtlichen und politischen Erwägungen kann die Bundesregierung den erwähnten Vorschlag nicht aufgreifen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß nach Untersuchungen z. B. des Instituts für empirische Soziologie in Saarbrücken, aber auch anderer Institute, etwa 40 % der Gastarbeiter bereit sind, langfristig, eventuell sogar für immer, mit ihren Familien in der Bundesrepublik zu bleiben?
Herr Kollege Professor Slotta, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß das — so richtig unterstellt — wahrscheinlich zu diesem Ergebnis führen würde. Nur taucht natürlich dann bei uns auch die Frage auf, wie die Gastarbeiter ihre persönliche Situation und auch die Frage des Wunsches ihrer zukünftigen Staatsangehörigkeit beurteilen, wenn eine wirtschaftliche Situation eintreten würde, die nicht dem entspricht, was sie vielleicht erhoffen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie bei Ihrem Standpunkt bedacht, daß es ja bereits früher große industrielle — ich möchte fast sagen — Völkerwanderungen gab, etwa zwischen 1880 und 1910, die zu einer Integration von Millionen Neubürgern in Deutschland geführt haben?
Ich bin davon überzeugt, denn ich komme aus Nordrhein-Westfalen und weiß also um die scherzhaften Benennungen bestimmter Fußballvereine in meiner näheren Heimat. Trotzdem, Herr Kollege Slotta, bin ich der Meinung, daß in dieser Frage die verfassungspolitischen Argumente ganz nüchtern geprüft werden müssen. Die Bundesregierung ist eben der Meinung, daß es im Interesse der Gleichbehandlung aller Ausländer nicht gut wäre, wenn wir jetzt Masseneinbürgerungen von Arbeitnehmern, die zur Zeit in der Bundesrepublik sind, durchführten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeorneten Sieglerschmidt.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Verleihung des Kommunalwahlrechts an ausländische Arbeitnehmer mindestens aus dem EWG-Bereich als Mittel der
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6892 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
SieglerschmidtEinbeziehung in das gesellschaftliche Leben unseres Landes?
Herr Kollege, diese Frage bedarf mit Sicherheit nicht nur einer sorgfältigen verfassungspolitischen, sondern auch verfassungsrechtlichen Überprüfung und auch der Diskussion in Brüssel; denn solche Fragen kann man mit Sicherheit hier nicht aus dem Handgelenk entscheiden. Ich bin auch der Meinung, daß solche Fragen überhaupt nur diskutiert werden können, wenn gleiche Voraussetzungen in allen europäischen Ländern gleichzeitig geschaffen werden können.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß man aber die Frage doch einmal in der Weise überprüfen müßte, ob nicht ein Unterschied gemacht werden sollte zwischen Gastarbeitern, die nicht mit deutschen Frauen verheiratet sind, und solchen, die mit deutschen Frauen verheiratet sind und schon mehrere Jahre hier leben?
Frau Kollegin, diese Fragen werden täglich über die Landesbehörden mit Einbürgerungsanträgen an unser Haus herangetragen. In diesem Bereich wird zur Zeit eine sehr progressive Entscheidungsfähigkeit spürbar.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, gebietet nicht der Gleichheitsgrundsatz, wesentlich Ungleiches auch ungleich zu behandeln, und unterscheiden sich nicht ausländische Arbeitnehmer, die auf lange Zeit, für zehn oder mehr Jahre, in der Bundesrepublik bleiben wollen, wesentlich von denen, die nur für eine Zweijahresperiode hierherkommen, so daß man gerechtfertigterweise manche anders behandeln könnte?
Das kann man machen. Aber wenn Sie die Zwei- und Zehnjahresfrist ansprechen, Herr Kollege, müssen Sie auch davon ausgehen, daß nach dem zur Zeit verfassungsrechtlich gehandhabten Verfahren normalerweise nach einem zehnjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik unter gleichzeitiger Bekundung des ernsthaften Willens, hierzubleiben und die Staatsbürgerschaft auf Dauer zu haben, eine positive Entscheidung getroffen wird.
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Müller werden vom Auswärtigen Amt beantwortet.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Wittmann auf:
Hat die Bundesregierung — ähnlich wie die USA — Erhebungen angestellt, in welchem Ausmaß sich die Verwendung von Einwegflaschen in der Bundesrepublik Deutschland durchgesetzt hat?
Die Bundesregierung hat im Rahmen der Arbeiten für das angekündigte Programm zum Schutz und zur Gestaltung der Umwelt auch Erhebungen darüber angestellt, in welchem Ausmaß sich die Verwendung von Einwegflaschen in der Bundesrepublik durchgesetzt hat. Sie wird nach Auswertung dieser Ermittlungen in dem angekündigten Programm hierzu Stellung nehmen.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Wittmann auf:
Welche Möglichkeiter sieht die Bundesregierung im Falle eines ansteigenden Trends, die Verwendung von Einwegflaschen zu beschränken, um diesem Müllproblem rechtzeitig entgegenwirken zu können?
Die Bundesregierung prüft zur Zeit die rechtlichen Möglichkeiten zur etwa notwendig werdenden Einschränkung der Verwendung von Einwegverpackungen und Einwegbehältnissen und wird hierzu in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Abfallbeseitigungsgesetzes noch im Monat Mai dieses Jahres Vorschläge unterbreiten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wittmann.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, die Industrie aufzufordern, künftig nur brennbares Verpackungsmaterial zu produzieren, z. B. also nicht Plastikflaschen und dergleichen, damit beim verstärkten Einsatz von Müllverbrennungsanlagen weniger Rückstände aus der Verbrennung entstehen bzw. diese Behältnisse überhaupt verbrannt werden können?
Das wird einer der Gesichtspunkte sein, die in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates eine Rolle spielen werden.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung bei dem Entwurf des Abfallbeseitigungsgesetzes vordringlich beachten, daß es um eine Abfallverhütung geht und unter dieses Gesetz auch die Produktion von Einwegflaschen fällt?
Frau Kollegin, das Ge-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6893
Parlamentarischer Staatssekretär Dornsetz wird beiden Gesichtspunkten Rechnung tragen. Sie werden das feststellen können, wenn der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet sein wird.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Konrad auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Chemischen Werke Hüls in Marl, gegebenenfalls in welchem Umfang, mit ihren Abwässern Quecksilber in die Lippe einleiten, und welche Abwehrmaßnahmen kämen nach Auffassung der Bundesregierung in Betracht?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Konrad, der Bundesregierung war nicht bekannt, daß die Chemischen Werke Hüls in Marl mit ihren Abwässern Quecksilber in die Lippe einleiten. Auf Anfrage teilte uns das für die Wasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zuständige Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Düsseldorf folgendes mit:
Die Chemischen Werke Hüls stellen Produkte her, bei deren Fabrikation Quecksilber benötigt wird. Das dabei anfallende Abwasser wird so weit gereinigt, daß der Inhalt an Quecksilber bei 2 Gamma pro Liter liegt, das entspricht zwei Teilen Quecksilber auf 1 Milliarde Teile Wasser. Die von den Aufsichtsbehörden veranlaßten Untersuchungen ergaben Gesamtkonzentrationen von 1 bis 2 Gamma Quecksilber pro Liter im Lippewasser. Diese Werte liegen wesentlich unter dem für Trinkwasser maximal zulässigen Grenzwert von etwa 5 Gamma pro Liter. Die Lippe wird im übrigen insbesondere wegen ihres hohen Salzgehaltes auf dieser Strecke praktisch nicht für Zwecke der Trinkwasserversorgung benutzt.
Das Abwasser der Chemischen Werke Hüls und das Abwasser der Lippe werden seit Jahren durch Fischkontrollbecken an mehreren Stellen geprüft. Die Eliminierung von Quecksilber wird in dem genannten Werk auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des Arbeitsschutzes nach behördlichen Auflagen durchgeführt. Bei den bisher festgestellten geringen Quecksilberkonzentrationen in der Lippe sind zur Zeit Abwehrmaßnahmen nicht erforderlich; das Werk hat versichert, daß es sich im Rahmen der technischen Möglichkeiten bemüht, den Quecksilbergehalt des Abwassers noch weiter zu senken.
Soweit die Auskunft des Landes Nordrhein-Westfalen auf die Anfrage.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem einige Abgeordnete des Innenausschusses sich von den sehr gründlichen Arbeiten des zuständigen Abwasserverbandes überzeugt haben und uns dabei Quecksilberableitungen nicht bekanntgeworden sind, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung
eine Möglichkeit sieht, auf den Verband und auf das zuständige nordrhein-westfälische Ministerium dahin gehend einzuwirken, der Quecksilberableitung in die Lippe erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Herr Kollege, ich glaube, nach der Antwort, die uns von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gegeben worden ist — ich habe sie vorhin hier vorgetragen —, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß nicht nur eine ständige Überprüfung, wie sie in den Fischkontrollbecken vorgesehen ist, erfolgt, sondern daß auch Wasseruntersuchungen durchgeführt werden. In dem Moment, wo der Quecksilbergehalt kritischere Höhen annähme, würden von der Landesregierung mit Sicherheit sofort Maßnahmen ergriffen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß Quecksilbereinleitungen in Wasser, die sich oftmals — wenn auch unter wirtschaftlich erschwerten Umständen — vermeiden ließen, in jedem Fall eine hohe Gefahr darstellen?
Herr Kollege Konrad, im vollen Umfang Ihrer Frage kann ich Ihnen nicht zustimmen. Die Zuleitung von Quecksilber führt nämlich nicht in jedem Falle zu einer Beeinträchtigung des Trinkwassers, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen. Und diese bestimmten Voraussetzungen sind an Hand der Zahlen hier ja noch einmal eindeutig dargelegt worden.
Die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Pieroth wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Bayerl zur Verfügung. Die Frage 22 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Arnold eingebracht:
In welchem Stadium befinden sich die Vorbereitungen für ein neues Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung?
Herr Kollege Arnold, wir arbeiten zur Zeit an dem Regierungsentwurf zu einem neuen GmbH-Gesetz. Es ist beabsichtigt, den Entwurf noch in diesem Jahr den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen.
Zusatzfrage.
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6894 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Herr Staatssekretär, soll diese Materie nach der Vorstellung der Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode abschließend geregelt werden?
Wir gehen davon aus.
Ich rufe die Frage 23 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Vorschrift über die Zulassung von Rechtsanwälten in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern nicht bewährt hat, weil sie jüngere Anwälte gegenüber älteren Anwälten, die hei dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung beim Landgericht und Oberlandesgericht zugelassen waren, benachteiligt?
Gnädige Frau, uns ist die in Ihrer Frage angesprochene Problematik insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg sehr wohl bekannt. Sie wissen aber, daß sich der Gesetzgeber im Interesse des rechtsuchenden Bürgers grundsätzlich für die Singularzulassung der Rechtsanwälte bei den Oberlandesgerichten ausgesprochen hat. Durch den Wechsel des Anwalts sollte erreicht werden, daß der Partei für die zweite Instanz ein möglichst unbefangener Rechtsrat zuteil wird. Aus verfassungsrechtlichen Gründen hielt man es jedoch für notwendig, die bei Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung bestehenden gleichzeitigen Zulassungen bei einem Landgericht und einem Oberlandesgericht aufrechtzuerhalten.
Den hierdurch begründeten Nachteil für Rechtsanwälte, die nach dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung zugelassen worden sind, hat der Gesetzgeber erkannt und damals in Kauf genommen. Er ist davon ausgegangen, daß dieser Nachteil mit dem Ausscheiden der älteren Rechtsanwälte aus dem Berufsleben zunehmend an Bedeutung verlieren wird.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Aufrechterhaltung der sehr zahlreich bestehenden Simultanzulassungen in Baden-Württemberg und Bayern zu Spannungen innerhalb der Anwaltschaft geführt hat. Die Frage der Singular- oder Simultanzulassung wird im Zusammenhang mit der Änderung des Gerichtsaufbaus im Zuge der Justizreform neu zu prüfen sein. Hierbei werden auch die Erfahrungen, die mit dem gegenwärtigen System gemacht worden sind, einzubeziehen sein.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Entscheidung wurde ja in der 3. Legislaturperiode getroffen; sie liegt also lange zurück. Kann ich Ihre letzten Äußerungen so verstehen, daß die Bundesregierung unabhängig davon genau prüfen wird, wie sich die Benachteiligung insbesondere der jüngeren Anwälte auswirkt? Diese sind ja bei einer Simultanzulassung der älteren Anwälte praktisch beim Aufbau einer selbständigen Praxis erheblich benachteiligt. Sie werden auf diese Weise veranlaßt, im Angestelltenverhältnis bei simultan zugelassenen Anwälten zu arbeiten. Die Benachteiligungen sind doch außerordentlich.
Gnädige Frau, wir sind dabei, mit einer Arbeitsgruppe auch diese Problematik zu prüfen. Wir hoffen, daß wir im Zuge der Justizreform zu einem einheitlichen Zulassungssystem für die Rechtsanwälte kommen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Erwartung, die man seinerzeit hatte — worauf Sie hingewiesen haben —, daß sich die getrennte Zulassung bewähren würde, in diesem Umfang nicht zutrifft? Es soll wohl nicht geändert werden, daß bei den Landgerichten Berlin, Bremen, Hamburg und Saarbrücken die Simultanzulassung nach fünf Jahren immer möglich ist. Wäre es nicht angebracht, sich auf dieses System, das sich bewährt hat, zu einigen?
Gnädige Frau, das ist uns sehr wohl bekannt. Ich würde es trotzdem für ungut halten, wenn wir vor der Justizreform eine Neuregelung des Zulassungssystems vornehmen würden, weil wir dann in sehr kurzer Zeit gezwungen wären, eine neue Regelung vorzunehmen.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Roser auf:
Wieviel Stellungnahmen welchen Inhalts haben die Organe des Bundes in Sachen Sexualstrafrechtsreform während der 6. Legislaturperiode erreicht, und wie viele Bürger haben sich in welchem Sinne dazu geäußert?
Herr Kollege Roser, unserem Hause sind zu den Arbeiten am Entwurf eines Vierten Strafrechtsreformgesetzes zahlreiche, zum Teil sehr eingehende Stellungnahmen zugegangen. Darüber hinaus haben sich sehr viele Bürger in Eingaben mit einzelnen Regelungen befaßt. Bei den meisten dieser Eingaben stand die Problematik der Pornographie im Mittelpunkt. Es ist mir völlig unmöglich, Ihnen die Zahl dieser Stellungnahmen und Eingaben zu nennen. Ebensowenig kann ich Ihnen ein einigermaßen vollständiges und richtiges Bild über deren Inhalt geben. Wir pflegen, Herr Kollege, Stellungnahmen und Eingaben nicht zu zählen. Wir lesen sie sehr genau, und wir werten sie aus.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich die Gründe erfahren, die Sie veranlassen, nicht auch
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6895
Roserder Quantität solcher Eingaben Ihre Aufmerksamkeit zu schenken?
Sie haben mich völlig mißverstanden. Wir schenken auch der Quantität dieser Eingaben unsere volle Aufmerksamkeit, nur würde ich es für grundfalsch halten, wenn wir über diese Eingaben eine Dokumentation machten. Wir haben in unserem Hause nicht Dokumentationen oder Statistiken anzufertigen, sondern längst überfällige Reformen in die Wege zu leiten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Gibt es eine Gewähr dafür, daß auch zahlenmäßig festgehalten wird, wie viele Eingaben Ihr Haus und andere Organe des Bundes erreicht haben? Es wird auch sonst gezählt, und es werden auch sonst Statistiken gemacht.
Herr Kollege, ich halte es nicht für sehr sinnvoll, die Hunderte von Eingaben, insbesondere die Formulareingaben, von unseren Beamten zählen zu lassen.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, teilweise werden auch wir als Abgeordnete mit diesen Eingaben und Zuschriften überschüttet. Ist auch beim Bundesjustizministerium festzustellen, daß sich zahlreiche Eingaben nahezu wörtlich gleichen, so daß man sie nur als eine Eingabe werten kann.
Gnädige Frau, ich sprach in diesem Zusammenhang von Formulareingaben, die sich in Wort und Inhalt und zum Teil auch in der Polemik völlig gleich sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schlaga.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob eventuell mit Hilfe der Opposition oder finanziert durch diese oder von anderer Seite Vereinigungen, Gruppierungen oder Bürgerinitiativen mit dem Ziel gegründet worden sind, gegenüber der Regierung, dem Parlament und der Öffentlichkeit massiv den falschen Eindruck zu erwecken, die Sexualstrafrechtsreform dieser Regierung würde ethische oder moralische Normen vermeintlich außer Kraft setzen wollen?
Herr Kollege, hinsichtlich der Finanzierung solcher Aktionen durch die Opposition ist mir nichts bekannt. Mir ist aber sehr wohl bekannt, daß in unserem Lande da und dort und auch hier in diesem Hause immer wieder versucht wurde, unsere Reformvorstellungen entstellt darzustellen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, da es bei der Bundesregierung üblich ist, auch die Steuereinnahmen zu zählen, frage ich, ob es der Bundesregierung etwa peinlich ist, zu sagen, wie viele dieser Eingaben, von denen Herr Kollege Roser vorher sprach, überhaupt angekommen sind.
Herr Kollege, ich glaube, Sie wissen den Unterschied zwischen Steuereinnahmen und Formulareingaben im Hinblick auf die Pornographie zu schätzen.
Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete de With.
Herr Staatssekretär, kann nicht aus dem Text dieser Stellungnahmen, die zum Teil auch den Abgeordneten zugegangen sind, geschlossen werden, daß den Einsendern der wahre Sachverhalt des Entwurfs überhaupt nicht bekannt gewesen ist und daß viele Stellungnahmen bei Kenntnis des Sachverhalts unterblieben wären?
Herr Kollege, das trifft mit Sicherheit bei 90 % aller Einzeleingaben zu.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, gerade weil ich manche Statistiken in unserem Lande manchmal für übertrieben halte, möchte ich fragen: Glauben Sie nicht, daß es Ihrem Amt zumutbar wäre wenigstens die Eingänge zu numerieren und ihre Zahl festzuhalten?
Dr. Bayer!, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Nein, Herr Kollege, das glaube ich bei der Arbeitsbelastung unseres Hauses und bei der Qualität einiger Eingaben nicht.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
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6896 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß angesichts des großen Umsatzes der pornovertreibenden Industrie und der Menge der Eingaben etwa hundert Prozent unserer Bevölkerung ein zu starkes Interesse — sei es positiv oder negativ — an Pornographie haben?
Das glaube ich nicht nur, davon bin ich überzeugt, Herr Kollege.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann zur Verfügung. Ich rufe die Fragen 40 und 41 des Herrn Abgeordneten Löffler auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge, die in der VPK vom 20. April 1971 zur Vermeidung der härtesten Auswirkungen des Schweinezyklus unterbreitet worden sind?
Ist die Bundesregierung bereit, eine entsprechende Ergänzung der EWG-Schweinemarktordnung in Brüssel anzuregen?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Löffler, die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß der in der „Verbraucherpolitischen Korrespondenz" vorgeschlagene Abschöpfungsautomatismus den Schweinezyklus nicht ausschalten kann, weil die Schweinezyklen in der Gemeinschaft und in Drittländern häufig zusammenfallen und das Abschöpfungssystem nicht ursächlich für den Schweinezyklus ist.
Abgesehen davon sieht die gegenwärtige Marktordnung fakultative Maßnahmen zur Senkung der Abschöpfung bei steigenden Preisen sowie eine bewegliche Gestaltung der Ausfuhrerstattungen vor. Von diesen Instrumenten ist bisher auch schon Gebrauch gemacht worden.
Ein System automatischer Abschöpfungssenkungen vermag keine besseren Ergebnisse zu erbringen, weil — wie die Erfahrung gezeigt hat — in Zeiträumen geringen Angebots und hoher Schweinepreise in der Gemeinschaft die Exportländer ihre Lieferpreise um die Abschöpfungsermäßigung erhöht haben, so daß die Importe keine preisdämpfende Wirkung hatten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß durch einen Abschöpfungsautomatismus wenigstens die härtesten Spitzen des Schweinezyklus abgebaut werden könnten?
Vielleicht, Herr Kollege Löffler, könnte
man bei den Spitzen einiges erreichen. Wenn es um diese Fragen geht, sind ja die Vorschläge der Verbraucherverbände mit in der Beratung. Ich darf aber darauf hinweisen, daß gerade die Drittländer ihre Produktion mit nach den Entwicklungen innerhalb der EWG ausrichten, so daß von der Exportseite her nicht allzuviel zu erwarten sein wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht auch, gerade weil eben die Drittländer ihre Produktion auch nach den Produktionsständen der EWG ausrichten, daß ein Automatismus der Abschöpfungen für die Drittländer eine bessere Orientierung für ihre Schweineproduktion wäre und damit das Zusammenfallen zweier Schweineberge verhindert werden könnte?
Ich würde es doch für besser halten, nicht einen Automatismus, sondern ein flexibleres System anzuwenden, wie das zur Zeit ja auch geschieht. Ich habe das ja eben schon mit beantwortet.
Die Frage 42 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens eingebracht. Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 43 ist von dem Herrn Abgeordneten Pensky gestellt. — Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Pieroth wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Hermesdorf auf:
Ist die Bundesregierung bereit, der Empfehlung der Beratenden Versammlung des Europarates vom 27. Januar 1971 zu entsprechen und die freiwillige Zusammenarbeit in der Landwirtschaft auf dem Gebiet der Produktion als ein Mittel neben anderen zur Verbesserung der Produktionsstruktur, zur Kostenersparnis und zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu unterstützen, hierfür u. a. die zweckdienlichen wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, die Landwirte über die Möglichkeiten und eventuelle Vorteile der verschiedenen Formen zwischen- und überbetrieblicher Zusammenarbeit informieren und beraten zu lassen und wissenschaftlich kontrollierte Modellversuche zu fördern?
Herr Kollege Dr. Hermesdorf, die Politik der Bundesregierung entspricht seit langem der Empfehlung der Beratenden Versammlung des Europarates vom 27. Januar 1971 — Dokument 2887 —. Unter anderem wurden zweckdienliche wirtschaftliche Voraussetzungen zur Förderung der überbetrieblichen Zusammenarbeit im Rahmen der am 1. Januar 1971 in Kraft getretenen Richtlinien
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6897
Parlamentarischer Staatssekretär Logemannfür die Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen in der Land- und Forstwirtschaft geschaffen. In diesem Zusammenhang ist ferner das Gesetz zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes — das sogenannte Marktstrukturgesetz — mit acht Durchführungsverordnungen zu nennen.Um befriedigende gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Voraussetzungen zur Bildung von landwirtschaftlichen Kooperationen schaffen zu können, hat die Bundesregierung einen Forschungsauftrag an eine Gruppe von Professoren unter Leitung von Prof. Dr. Kroeschell, Göttingen, vergeben. Eingehend über die gesellschafts- und steuerrechtliche Problematik unterrichtet auch die im Auftrag des Bundesernährungsministeriums erstellte Untersuchung über „Neue Kooperationsformen in der Landwirtschaft", die im Dezember 1970 veröffentlicht und der vorgenannten Gruppe von Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt worden ist. Weitere Aktivitäten sind auf wissenschaftlicher und publizistischer Ebene in Durchführung befindlich bzw. eingeleitet.Auf gesetzgeberischer Ebene ist eine Änderung des Bewertungsgesetzes in Vorbereitung, wonach die im landwirtschaftlichen Einzelbetrieb zulässigen Vieheinheiten ohne steuerrechtliche Benachteiligung auf Kooperationen in der Rechtsform von Personengesellschaften, Genossenschaften und Vereinen übertragen werden können. Darüber hinaus soll das Umsatzsteuergesetz dahin gehend geändert werden, daß Dienstleistungen, die von Kooperationen für ihre Mitglieder erbracht werden, einem ermäßigten Steuersatz dann unterliegen sollen, wenn sie sich im Rahmen der in der Landwirtschaft üblichen Tätigkeiten halten.Die Förderung wissenschaftlich kontrollierter Modellvorhaben ist zur Zeit nicht beabsichtigt, da diesen Vorhaben nach unserer Auffassung kein repräsentativer Charakter zukommt.
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Bittelmann werden schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung. Die Fragen 48 und 49 des Abgeordneten Zebisch werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 50 des Abgeordneten Geisenhofer auf:
Glaubt die Bundesregierung auf Grund der neuesten Presseveröffentlichungen über die rückläufigen Geburtenziffern noch an das Funktionieren der langfristigen Planung in der Rentenversicherung?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung beobachtet seit längerer Zeit die derzeitige und die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung sowie deren Einfluß auf die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen. Sie hat im Rentenanpassungsbericht 1971 — Drucksache VI/2040 — dargelegt, daß bei den langfristigen Vorausschätzungen u. a. die abgestimmten Daten über die natürliche Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt worden sind. Aus diesem Grunde besteht keine Veranlassung, die jüngsten Aussagen über die positive Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen bis zum Jahre 1985, die Durchführbarkeit der jährlichen Rentenanpassungen und das Funktionieren des Finanzierungssystems der Rentenversicherungen in Zweifel zu ziehen.
Soweit es die Entwicklung angeht, die sich auf Grund von Vorausschätzungen des Statistischen Bundesamts in der ferneren Zukunft, also über 1985 hinaus, abzeichnet, ist folgendes anzumerken: Selbst wenn es in den Jahren nach 1990 zu einem ungünstigeren Verhältnis zwischen der Zahl von Erwerbstätigen einerseits und Rentnern andererseits kommen sollte, als vor einigen Jahren angenommen wurde, so wird dieses Verhältnis im Jahre 2000 immer noch weit günstiger sein als am Ende dieses Jahrzehnts auf dem Gipfel des sogenannten „Rentenbergs".
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Feststellung des Statistischen Bundesamts, wonach in den letzten vier Jahren fast eine Viertelmillion Kinder weniger geboren wurden und daß unter Zugrundelegung der Geburtenrate des Jahres 1970 bis zum Jahre 2000 sieben Millionen Kinder weniger geboren werden?
Herr Kollege, Sie haben damit ein allgemeines Thema angesprochen, das im Grunde genommen über die langfristigen Planungen der Rentenversicherung hinausgeht und, wie ich meine, als solches auch im Rahmen allgemeiner gesellschaftspolitischer Zusammenhänge erörtert werden müßte. Ich konnte, ausgehend von Ihrer Frage, in meiner Antwort nur auf den Zusammenhang zwischen den Daten der Bevölkerungsentwicklung und den Daten der Rentenversicherung hinweisen. Im übrigen werden wir, wie ich anfügen darf, den gesamten Fragenbereich auch aus Anlaß der Beratung des Rentenversicherungsberichts im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eingehend erörtern können.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Geisenhofer auf:In welcher Finanzsituation befindet sich die knappschaftliche Rentenversicherung, d. h., wie hoch werden die Defizite bis 1973 geschätzt?
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6898 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Herr Kollege, die gegenwärtige und die zu erwartende Finanzlage der knappschaftlichen Rentenversicherung sind — dem gesetzlichen Auftrag entsprechend — im Rentenanpassungsbericht 1971 — Drucksache VI/2040 — auf den Seiten 61 bis 89 ausführlich dargestellt und erläutert worden. Ich darf mich darauf beziehen.
Die vom Bund gemäß § 128 des Reichsknappschaftsgesetzes zu tragenden Unterschiedsbeträge zwischen den Einnahmen und den Ausgaben werden nach der zitierten Quelle
im Jahre 1971 3,7 Milliarden DM,
im Jahre 1972 4,2 Milliarden DM,
im Jahre 1973 4,6 Milliarden DM
betragen.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Schedl auf:
Worauf führt die Bundesregierung die steigenden Kosten seit 1969 in der gesetzlichen Unfallversicherung zurück, und welche Maßnahmen sind im Rahmen der „Inneren Reformen" vorgesehen, Gefahren und Kosten zu senken?
Herr Kollege, Sie haben in Ihrer Frage Probleme angesprochen, die eingehend im Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung für die Jahre 1968 und 1969 behandelt worden sind. Soweit es die Zahlen für 1970 angeht, sind uns bisher nur vorläufige Ergebnisse gemeldet worden. Nach einer ersten Beurteilung beruhen die Mehrausgaben der gesetzlichen Unfallversicherung seit 1969 im wesentlichen auf folgenden Ursachen.
Erstens. Die Bestandsrenten der gesetzlichen Unfallversicherung sind zum 1. Januar 1970 um 6,1 v. H. und zum 1. Januar 1971 um 9,3 v. H. angepaßt worden.
Zweitens. Bei den neu festgesetzten Renten haben die seit 1969 eingetretenen Lohnerhöhungen zu entsprechend höheren Leistungen geführt.
Drittens. Die wegen der gestiegenen Unfallzahlen sowie der höheren Krankenhauskosten vermehrten Ausgaben für Heilbehandlung und die gestiegenen Leistungen der Rehabilitation haben zu einer gewissen Ausgabenvermehrung geführt.
Soweit es nun die von Ihnen erfragten Maßnahmen angeht, hat die Bundesregierung kürzlich einen umfangreichen Bericht vorgelegt, der nicht nur eine Bestandsaufnahme des Unfallgeschehens und der Unfallkosten enthält, sondern auch konkret darlegt, auf welche Weise u. a. der Gesundheitsschutz in den Betrieben und der technische Arbeitsschutz sowie die Unfallursachenforschung verbessert werden sollen. Diese Maßnahmen, Herr Kollege, sind ein Schwerpunkt sozialpolitischer Reformen. Das ist auch in der letzten Woche in der Bundestagsdebatte deutlich geworden und wird den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung noch eingehend beschäftigen.
Keine Zusatzfrage.
Der Herr Abgeordnete Katzer ist nicht im Saal, so daß seine beiden Fragen 53 und 54 schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Wawrzik auf:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend dem § 27 e der Gemeinsamen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung einen Kostenbetrag bei Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden festzusetzen, bis zu dessen Höhe eine Genehmigung des Aufsichtsamts nicht erforderlich ist?
Ich wäre dankbar, Herr Präsident, wenn ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten im Zusammenhang beantworten dürfte.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Wawrzik auf:
Wenn ja, welche Höhe würde die Bundesregierung für angemessen halten, um sowohl eine wirksame Verwaltungsvereinfachung zu erzielen, wie auch eine Erweiterung der Rechte der Selbstverwaltung zu erreichen?
Durch das 3. Rentenversicherungsänderungsgesetz ist die Genehmigung von Bauvorhaben für einen wichtigen Teilbereich, nämlich die Rentenversicherung der Arbeiter, so ausgestaltet worden, daß § 27 e RVO für diesen Bereich zur Zeit weitgehend gegenstandslos ist. Dies folgt aus § 1390 a Abs. 3 RVO in Verbindung mit der Baudringlichkeitsverordnung 1970, wonach ein Träger der Arbeiterrentenversicherung bei Nichterreichen der vorgeschriebenen Rücklage nur dringliche Bauvorhaben durchführen darf.
Auch die Arbeitsministerien der Länder haben sich in einer Besprechung am 23. Juli 1970 dafür ausgesprochen, von der Festsetzung eines Kostenbetrags für die Genehmigungsfreiheit von Bauvorhaben vorerst abzusehen.
Ich möchte aber hinzufügen, Herr Kollege, daß die Bundesregierung eine Überprüfung des § 27 e RVO für angezeigt hält. Sie soll im Zusammenhang mit einer Neufassung der Vermögensanlagevorschriften der Reichsversicherungsordnung erfolgen, mit der sich die zuständigen Gremien der Sachverständigenkommission für das Sozialgesetz demnächst befassen werden. Dabei sollen die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, auf die Sie auch hingewiesen haben, besonders beachtet werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, diese Bestimmung bezieht sich nicht nur auf den Bereich
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Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6899
Wawrzikder Rentenversicherung, sondern auch auf den Bereich der Krankenversicherung. Würden Sie es auch in der Zukunft für notwendig halten, z. B. bei einer Auflage des Gewerbeaufsichtsamtes in bezug auf eine Bauveränderung, hierzu noch die Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde einholen zu lassen?
Herr Kollege, gerade weil sich die Bestimmung nicht nur auf einen Zweig der Sozialversicherung, sondern, wie Sie richtig gesagt haben, auf mehrere bezieht, soll sie im Rahmen der Vorarbeiten für den Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs überprüft werden. Das trägt dem von Ihnen genannten Gesichtspunkt Rechnung.
Eine weitere Zusatzfrage.
Können Sie in etwa einen Termin nennen, bis zu dem dieser Vorgang abgeschlossen sein wird?
Herr Kollege, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich den zeitlichen Ablauf der Arbeit der Sachverständigenkommission hier nicht so ohne weiteres fixieren möchte.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:
Welche Fortschritte hat die Bundesregierung bei ihren Bemühungen zur Koordination der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitsmarktforschung erzielt, mit welchen Kostenveränderungen?
Herr Kollege, Sie haben mit Ihrer Frage einen sehr vielfältigen Bereich angesprochen.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsmarktforschung zunehmend wichtiger werden. Bedeutungsvoll erscheinen dabei unter anderem die hinreichende Information über die vielfältigen Forschungen, eine an den Arbeitsmarktproblemen orientierte Vergabe von Forschungsprojekten sowie die Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis.
Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wurde inzwischen die Informationsstelle für Forschungen auf dem Gebiet der Beschäftigung eingerichtet. Die hier gewonnenen Informationen gehen in die künftig vierteljährlich erscheinende Dokumentation zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ein, die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in diesen Tagen erstmals gemeinsam vorlegen werden. Eine problemorientierte Vergabe von Forschungsprojekten strebt die Bundesregierung durch intensive Zusammenarbeit mit einer Reihe von auftraggebenden und forschenden Stellen an. So wirken Vertreter der Bundesressorts bei den Beratungen des Forschungsprogramms des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit und der arbeitsmarktpolitischen Untersuchungen des RKW mit. Zwischen der Bundesregierung und der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel besteht eine enge Verbindung. Außerdem unterrichten sich in Gesprächen, zu denen unser Haus einlädt, die für die Arbeitsmarktpolitik zuständigen Referenten von Bund und Ländern sowie der Bundesanstalt für Arbeit regelmäßig über die jeweiligen Forschungsaktivitäten. Mit Vertretern der Arbeitgeber und der Gewerkschaften werden Fragen der Arbeitsmarktforschung im Arbeitskreis „Arbeitsmarktpolitik" des BMA erörtert.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Erlangen hat inzwischen einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die praxisorientierte Aufbereitung der Forschung gelegt: in der Schriftenreihe „Mitteilungen" werden die wichtigsten Untersuchungen des Instituts in übersichtlicher Form dargestellt. Die „Materialien zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" enthalten leicht verständliche Darstellungen, insbesondere zur praktischen Verwendung für die Arbeits- und Berufsberatung. Im Entstehen ist ein Handbuch zu den ausbildungs- und berufsspezifischen Beschäftigungschancen. Hier zeigt sich auch ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Zusammenarbeit des Erlanger Instituts mit dem neuen Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung in Berlin.
Es liegt auf der Hand, Herr Kollege, daß durch diese von uns jetzt eingeleitete und geförderte Koordinierung ein wachsender Ertrag der durchgeführten Maßnahmen erreicht werden kann. Bei dem derzeitigen Stand wäre es allerdings schwierig, das schon in Zahlen im einzelnen ausdrücken zu wollen. Sie können aber versichert sein, daß wir auch dieser Seite der Forschung unsere besondere Aufmerksamkeit widmen werden.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich mich ausnahmsweise darauf beschränken, Herr Präsident, dem Herrn Staatssekretär für diese besonders gründliche Antwort zu danken.
Meine Damen und Herren, ich habe aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung nur noch die beiden Fragen 58 und 59 des Herrn Abgeordneten Varelmann vorliegen. Herr Abgeordneter, wenn Sie einverstanden sind, daß diese Fragen sehr knapp beantwortet werden, würde ich sie, damit der Geschäftsbereich abgeschlossen wird, noch aufrufen.
— Dann rufe ich noch die Fragen 58 und 59 des Herrn Abgeordneten Varelmann auf:
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6900 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenMüssen die Versicherten in der Rentenversicherung der Arbeiter weiterhin befürchten, von der Bereitstellung der Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch die Rentenversicherung ausgeschlossen zu sein?Ist es gerechtfertigt, die Versicherten in der Rentenversicherung der Arbeiter in bezug auf die Forderung des Wohnungsbaus, insbesondere von Eigenheimen, schlechter zu stellen als die Versicherten in der Angestelltenversicherung?
Herr Kollege, wie bereits bei der Beantwortung der Fragen des Kollegen Härzschel in der 71. und 76. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Oktober bzw. 5. November 1970 zum Ausdruck gekommen ist, beruht die Tatsache, daß die Träger der Arbeiterrentenversicherung im Gegensatz zu der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zur Zeit keine Darlehen für den Wohnungsbau gewähren können, auf der unterschiedlichen Finanzlage der beiden Zweige der Rentenversicherung. Ihnen, Herr Kollege, ist bekannt, daß das Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz präzise Bestimmungen darüber enthält, daß ein Teil der Rücklagen der Rentenversicherungsträger liquide gehalten werden muß.
Zur Zeit ist die Lage so, daß die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Liquiditätsreserve bereits gebildet hat. Auch bei der Arbeiterrentenversicherung hat die günstige wirtschaftliche Entwicklung zu einem erheblichen Anstieg der Liquiditätsreserve seit 1969 geführt. Das gesetzlich vorgeschriebene Soll ist allerdings noch nicht voll erfüllt. Es kann aber damit gerechnet werden, daß bei weiterhin anhaltender günstiger Entwicklung der Beitragseinnahmen auch hier das Liquiditätsreservesoll in absehbarer Zeit erreicht sein wird, so daß die Arbeiterrentenversicherung ihren Versicherten wieder in gewissem Umfange Darlehen für den Wohnungsbau gewähren kann.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wirkte sich die Strukturveränderung der Wirtschaft in diesem Bereich nicht sehr einseitig negativ für den Arbeiter aus? Wäre es nicht angebracht, mehr darum bemüht zu sein, hier wieder eine Gleichstellung zwischen Arbeitern und Angestellten zu erreichen?
Herr Kollege, ich darf Sie daran erinnern, daß die Wirkungen der Strukturveränderung der Wirtschaft auf die Finanzlage der Träger der Rentenversicherung seinerzeit im Zusammenhang mit dem Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz eingehend beraten worden sind. Eines der Ergebnisse dieser Beratung waren die Finanzierungsvorschriften, die die Liquidität aller Träger der Rentenversicherung sichern sollen.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht verfehlt, wenn die Arbeiter wie in diesem Punkt — wenn es sich auch nur um den Bereich des Wohnungsbaus handelt — hinsichtlich der Leistungen der Rentenversicherung gegenüber den Angestellten im Nachteil sind?
Herr Kollege, ich habe schon darauf hingewiesen, daß sich die günstige wirtschaftliche Entwicklung auch bei den Trägern der Arbeiterrentenversicherung auswirkt. Es ist zu erwarten, daß sich das auch hinsichtlich der Wohnungsbaudarlehen zeigen wird. Im übrigen sind wir darüber mit den Trägern der Rentenversicherung im Gespräch.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.Meine Damen und Herren! Der Europatag, den wir heute gemeinsam mit 16 anderen europäischen Staaten begehen, erinnert an die Unterzeichnung des Statuts für den Europarat vor nunmehr 22 Jahren.Wie schon in den vergangenen Jahren ist auch diesmal der 5. Mai, der die Mottos „Mehr Demokratie für Europa" und „Die Grenzen fallen, wenn Sie wollen" trägt, kein Tag der Feier, sondern ein Tag der Mahnung, der Verpflichtung und der Hoffnung.Die europäische Haltung dieses Hohen Hauses gehört zu seiner Geschichte. Abgeordnete aller Fraktionen haben gerade auch in den Krisensituationen der Europapolitik in der Vergangenheit und in der Gegenwart immer wieder bedeutsame Initiativen ergriffen und die Ziele europäischer Politik auch in der nüchternen täglichen Parlamentsarbeit lebendig erhalten. Die Gründung der interfraktionellen Gruppe „Initiative Direktwahl" vor einigen Wochen ist hierfür das jüngste Beispiel.Wir alle, meine Damen und Herren, bleiben dazu aufgerufen, weiterhin mit Zähigkeit und Geduld, die zu den besten Tugenden jeder konstruktiven Politik gehören, für die Verwirklichung einer Politischen Union in Europa zu arbeiten. Hierzu gehören der Abbau der Grenzkontrollen, die Direktwahl des Europäischen Parlaments und die Stärkung seiner Befugnisse, die Erweiterung der EWG, eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion, die Gleichberechtigung aller Bürger — auch der Gastarbeiter — und nicht zuletzt eine gesamteuropäische Verständigung.Dieser Weg wird lang und beschwerlich sein. Jenen 36 Kolleginnen und Kollegen aus unserer Mitte, die sich dieser Aufgabe mit besonderer Intensität widmen, dankt das Hohe Haus heute herzlich für die bisher geleistete Arbeit und gibt ihnen die Ermutigung, ihr Werk für ein einiges und starkes Europa mit Realismus und Ausdauer fortzusetzen.
Ich darf dann folgendes bekanntgeben. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Ge-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6901
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenSetzentwurf zur Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen — Drucksache VI/2114 —, der in der 115. Sitzung an den Wirtschaftsausschuß zur Federführung überwiesen wurde, noch zur Mitberatung an den Innenausschuß überwiesen werden. Ist .das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Nunmehr rufe ich Punkt 2 der heutigen Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms
— Drucksache VI/2117 —Das Wort hat zur Begründung der Vorlage der Herr Bundeswohnungsbauminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf mit dem Kurztitel „Wohnungsbauänderungsgesetz 1971" hat das Ziel, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms zu schaffen. Es handelt sich dabei um eine gezielte Novellierung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zu dem Zweck, in die gesetzlichen Förderungsvorschriften diejenigen Änderungen und Ergänzungen einzufügen, die zur Realisierung und Abwicklung des langfristigen Wohnungsbauprogramms erforderlich sind. Mit dem Gesetzentwurf soll also keine weitgespannte Umgestaltung oder gar Reformierung der geltenden Gesetzesgrundlagen für die Förderung des Wohnungsbaues vorgenommen werden. Das soll vielmehr einem Dritten Wohnungsbaugesetz überlassen bleiben.Hier geht es vielmehr bewußt darum, die aktuellen Fragen zu regeln, die sich aus Anlaß des neuen Förderungsprogramms für den Wohnungsbau ergeben. Diese inhaltliche Beschränkung der Novelle war geboten, damit das von der Bundesregierung beschlossene und mit den Ländern abgestimmte Wohnungsbauprogramm möglichst schnell anlaufen kann. Es ist daher in dieser Novelle auch nur ein Teil der Fragen aufgegriffen worden, die die CDU/ CSU-Fraktion in ihrem Antrag zur Novellierung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes — Drucksache VI/142 — behandelt hat.Bevor ich auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs eingehe, möchte ich gern das langfristige Wohnungsbauprogramm etwas näher erläutern dürfen. Denn hier liegt das eigentliche Schwergewicht der Wohnungspolitik der Bundesregierung, und hier findet es seinen Ausdruck. Das Gesetz selbst gibt darüber wenig Auskunft, weil, wie ich meine, zum Glück nicht alles gesetzlich geregelt zu werden braucht. Aber bevor ich nähere Ausführungen über das Gesetz mache, erlauben Sie mir einige grundlegende Bemerkungen zur gegenwärtigen Wohnungsmarktsituation überhaupt.Die Wohnungsversorgung in der Bundesrepublik und die Lage am Wohnungsmarkt werden, so scheint mir, vielfach noch nicht richtig beurteilt. Trotz der hohen Wohnungsbauleistungen in den beiden vergangenen Jahrzehnten ist die Wohnungsversorgung in der Bundesrepublik noch keineswegs ausgeglichen. Natürlich ist die Lage in den einzelnen örtlichen Wohnungsmärkten unterschiedlich. Sicher gibt es überwiegend ländliche und auch dünner besiedelte Gebiete, in denen kein Wohnungsmangel besteht. Aber in den Städten und in den industriellen Ballungs- und Entwicklungsgebieten sieht das Bild ganz anders aus. Hier entsteht neben dem vorhandenen Fehlbedarf durch die Wanderungsbewegungen der einheimischen Bevölkerung und durch die Zuwanderung der ausländischen Arbeitskräfte ständig neuer Wohnungsbedarf, der zusätzlich gedeckt werden muß. Neueste Untersuchungen, die in meinem Hause durchgeführt werden, über die Entwicklung in den Stadtregionen haben ergeben, daß die Bevölkerung in den 68 Stadtregionen der Bundesrepublik von Mitte 1961 bis Anfang 1970 — also innerhalb von 81/2 Jahren — überwiegend durch Zuwanderung um nahezu drei Millionen, das sind rund 10 0/o, gewachsen ist. Dieser Nachfrageüberhang, der damit entsteht, drückt natürlich die Mieten nach oben, so daß die auf Starthilfe oder auf ständige Hilfe der Gesellschaft angewiesenen Gruppen unserer Bevölkerung — und ich denke dabei vor allem an die jungen Ehepaare, an die kinderreichen Familien sowie die alten, kranken und alleinstehenden Menschen — selten oder nie zu einer Wohnung kommen, die ihren Bedürfnissen angepaßt ist und die auch ihren finanziellen Möglichkeiten entspricht.Wir alle kennen doch den Zustand, daß junge Ehepaare nach der Eheschließung getrennt wohnen müssen und nicht zu einer eigenen Wohnung kommen. Wir alle wissen auch von alten Menschen, die manchmal ihre Wohnung aufgeben müssen, weil sie die Mieten nicht mehr aufbringen können und kaum Aussicht auf eine angemessene Altenwohnung haben. Niemand wird doch leugnen wollen, daß trotz aller Bemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden immer noch zahlreiche Plätze in Altenheimen und Altenpflegeheimen fehlen. Dabei nimmt die Zahl der im Rentenalter befindlichen Bundesbürger auf Grund des Altersaufbaues unserer Bevölkerung noch ständig zu. Wir alle wissen auch, daß es viele kinderreiche Familien gibt, die immer noch in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben.Meine Damen und Herren, die amtliche Gebäude-und Wohnungszählung von Oktober 1968 hat ergeben, daß es in der Bundesrepublik noch rund 800 000 — 800 000! — Familien und Haushalte ohne eigene Wohnung gibt, also Haushalte, die noch in Barakken, in Nissenhütten, Wohnlauben und ähnlichem leben müssen oder in einzelnen Räumen von Gebäuden ohne Küche und Bad und — überwiegend Familien — auch noch in Untermiete. Bei diesen 800 000 sind natürlich die Bewohner von Appartements nicht berücksichtigt worden, wie gelegentlich fälschlicherweise oft behauptet wird.Aber neben dieser quantitativen Unterversorgung, vor allem in den Verdichtungsräumen, gibt es auch noch eine beträchtliche qualitative Unterversorgung
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6902 Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Bundesminister Dr. Lauritzenunserer Bevölkerung im Wohnungswesen. Denn in der Bundesrepublik leben trotz des gehobenen Lebensstandards noch Millionen von Familien in „Wohnungen", die diese Bezeichnung meines Erachtens nicht verdienen. Wenn es nach den Ergebnissen der eben zitierten Wohnungszählung in der Bundesrepublik mehr als vier Millionen Wohnungen gibt, die nicht einmal eine Toilette, geschweige denn ein eigenes Bad, innerhalb der Wohnung haben, und wenn die gleiche Zahl von Wohnungen aus der Zeit vor 1900 stammt, dann ergibt sich, daß jede fünfte Wohnung in der Bundesrepublik keine Innentoilette hat oder bereits 70 Jahre alt ist. Wohnung s-mangel und qualitative Mängel in der Wohnungsversorgung müssen die Betroffenen um so härter empfinden, je mehr sich die allgemeinen Wohnverhältnisse gebessert haben oder weiter verbessern.Um hier Schritt für Schritt Wandel zu schaffen, hat die Bundesregierung ihr langfristiges Wohnungsbauprogramm entwickelt, das wohlabgewogen die Problemgebiete der Bundesrepublik und darin vorrangig gerade diejenigen Menschen entlasten soll, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.Ziel dieses Programms der Bundesregierung ist es, dem angesichts der gerade dargelegten Tatbestände, wie ich meine, nicht zu verantwortenden Rückgang der Wohnungsbauförderung des Bundes seit dem Jahre 1956 entgegenzuwirken und die Wohnungsbauleistungen in den kommenden Jahren wieder auf einen solchen Stand zu bringen, daß jährlich 200 000 bis 250 000 Wohnungen mit Mitteln für den sozialen Wohnungsbau gefördert werden.Ein derartiges Programm setzt naturgemäß eine erhebliche gemeinschaftliche Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden voraus. Dies entspricht aber auch dem in § 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes verankerten Grundsatz, daß die Wohnungsbauförderung eine öffentliche Aufgabe ist, die in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht wird.Der finanzielle Anteil, mit dem sich der Bund an dieser Aufgabe beteiligt, wird — das ergibt sich bereits aus dem Haushaltsplan 1971 — erheblich aufgestockt. In den vergangenen Jahren hatten bekanntlich auf Grund der ursprünglich gesetzlich festgesetzten Degression der Bundesmittel die Länder immer stärker die Hauptlast der Finanzierung zu tragen. Wenn der Bund aber seiner Mitverantwortung für die Wohnungsversorgung unserer Bürger gerecht werden will — und das will diese Bundesregierung —, dann muß auch er sich mit einem angemessenen finanziellen Beitrag beteiligen.Dies soll durch das langfristige Wohnungsbauprogramm geschehen, das damit aber zugleich auch die Förderungsarten modifiziert und stärker als je zuvor auf die sich aus den vorhandenen Sachzwängen ergebenden Prioritäten abhebt.Meine Damen und Herren, dieses Gesamtprogramm sieht im einzelnen folgende Schwerpunkte vor: erstens ein Sozialprogramm, das aus einer Grundförderung und einer Intensivförderung besteht, zweitens ein Regionalprogramm, das sich auf bestimmte Gebiete der Bundesrepublik bezieht und drittens ein Programm zur Modernisierung des Althausbestandes.Im Sozialprogramm stellt der Bund nach diesem Gesetz für die Grundförderung allgemein im Bundesgebiet künftig jährlich 150 Millionen DM langfristig zur Verfügung. Ich darf darauf hinweisen, daß dieser Betrag im Haushaltsplan 1971 auf 180 Millionen DM aufgestockt worden ist. Diese Mittel werden voll als Darlehen gegeben und auf die einzelnen Länder nach der Einwohnerzahl verteilt. Aus diesen Mitteln wird aber zur Förderung des Wohnungsbaues für Facharbeiter und Schlüsselkräfte in den Zonenrandgebieten vorab ein Sonderkontingent von 17 Millionen DM bereitgestellt. Dieser Betrag ist, wie Sie wissen, durch Beschluß des Hohen Hauses vom 10. Februar 1971 um weitere 10 Millionen DM aufgestockt worden.Darüber hinaus soll durch die Intensivförderung im zweiten Teil dieses Programms die Wohnungsversorgung für diejenigen Personengruppen, die bisher noch immer nicht ausreichend versorgt werden konnten, durch eine gezielte Förderungsaktion verbessert werden. Hierbei geht es vor allem um die wohnungsmäßige Versorgung der kinderreichen Familien, der alten Menschen, der jungen Familien, der Alleinstehenden und der Schwerbehinderten. Für diese Zwecke stellt der Bund den Ländern zusätzlich den Betrag von 250 Millionen DM zur Verfügung. Die Mittel werden mit der Auflage gegeben, daß die Länder einen angemessenen Anteil der Bundesförderung als langfristige Baudarlehen weitergeben, um damit auch eine Miete zu sichern, die der mehr statistischen Entwicklung der Einkommensverhältnisse gerade dieser Personengruppen angepaßt ist.Ich darf mit Befriedigung feststellen, meine Damen und Herren, daß es nach langen und auch etwas mühevollen Verhandlungen mit den Ländern nunmehr gelungen ist, sicherzustellen, daß im Rahmen dieses von mir dargestellten Intensivprogramms im Jahre 1971 von den Ländern mindestens 25 000 Wohnungen zusätzlich gefördert werden.Im Regionalprogramm, dem zweiten Teil unseres langfristigen Wohnungsbauprogramms, sollen in diesem Jahr ferner 50 000 Wohnungen zusätzlich, und zwar allein vorn Bund, gefördert werden. Hierbei geht es um eine Wohnungsbauförderung in besonderen regionalen Schwerpunkten. Solche regionalen Schwerpunkte sind vor allem Entwicklungsschwerpunkte in wirtschaftlich schwachen Gebieten oder in Gebieten mit einseitiger Wirtschaftsstruktur, wie z. B. das Zonenrandgebiet, Bundesausbaugebiete und Bundesausbauorte. Hier werden die Strukturverbesserungsmaßnahmen der Bundesregierung im Rahmen der „Regionalen Aktionsprogramme", also im Bereich der Wirtschaftspolitik, durch flankierende Maßnahmen im Bereich des Wohnungsbaues unterstützt.
— Eben nicht, sondern aktive. Das würde ich allerdings eine aktive Sanierung nennen. Wenn wir im Rahmen der „Regionalen Aktionsprogramme" zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und flankierendeBundesminister Dr. Lauritzen Maßnahmen für cien Wohnungsbau treffen, würde ich das eine ausgesprochen aktive und nicht eine passive Sanierung nennen. Liegt hier ein Mißverständnis vor?
— Gut! Darüber müssen wir uns einmal im Rahmen einer Debatte über die Wirtschaftspolitik im einzelnen unterhalten.Schwerpunkte sind weiterhin Orte mit besonders hohem Wohnungsbedarf infolge starker Unterversorgung oder hoher Zuwanderungsraten und Orte in städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsgebieten.Auf die besonderen Ziele dieses Regionalprogramms ist auch die Methode der Förderung zugeschnitten, denn hier sind neuartige „Aufwendungsdarlehen" gewissermaßen als Starthilfe vorgesehen. Diese Aufwendungsdarlehen werden zur Mietverbilligung auf zwölf Jahre gewährt, und zwar degressiv gestaffelt, also auf Null auslaufend. Vom fünfzehnten Jahr an sind sie wieder mittelfristig zurückzuzahlen, so daß damit später wieder Rückflüsse zur Verfügung stehen, die dann erneut für den Wohnungsbau eingesetzt werden können.Die auf diese Weise geförderten Wohnungen sind für solche Personen bestimmt, die öffentlich geförderte Wohnungen frei machen oder — das ist eine wesentliche Neuerung in diesem Gesetzentwurf deren Jahreseinkommen die jeweilige Einkommensgrenze des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, hier also die des § 25 des Gesetzes, bis zu 40 % übersteigt. Damit, meine Damen und Herren, werden bei diesen Wohnungen im Rahmen dieses Regionalprogramms gerade solche Wohnungssuchende besonders berücksichtigt, die zwar nicht die hohen Mieten oder Lasten des freifinanzierten Wohnungsbaus tragen können, die aber wohl bereit sind und, da bei ihnen mit einer mehr dynamischen Entwicklung des Einkommens gerechnet werden kann, auch im Laufe der Jahre in der Lage sein werden, eine nach Kostenmietgrundsätzen ermittelte begrenzte Miete aufzubringen. Durch die zeitliche Befristung der Förderungsdauer, also hier auf zwölf Jahre, und durch die Degression der Förderungsmittel wird damit zugleich erreicht, daß hier künftig eine Fehlsubventionierung nicht mehr eintreten kann.Parallel zu den genannten Wohnungsbauprogrammen dem Sozialprogramm und dem Regionalprogramm - soll durch ein weiteres zweiteiliges Modernisierungsprogramm die Modernisierung und Instandsetzung von jährlich 50 000 Altbauwohnungen gefördert werden. Hierfür stellt der Bund 20 Millionen DM als Bundesdarlehen zur Verfügung, die wie bisher schon nach den bestehenden Richtlinien eingesetzt werden sollen, aber darüber hinaus — und das ist das Neue in diesem Programm — werden auf die Dauer von fünf Jahren jährlich 9 Millionen DM Zinsverbilligungszuschüsse bereitgestellt, um damit Kapitalmarktmittel für Modernisierungsmaßnahmen zu verbilligen.Durch dieses Modernisierungsprogramm wird gleichzeitig dafür gesorgt, daß auch der Wohnungsbestand, also die vorhandenen Wohnungen, an die heutigen Wohnungsbedürfnisse angepaßt werden und daß sie wieder für längere Zeit zur angemessenen Wohnungsversorgung beitragen können.Meine Damen und Herren, dieses hier skizzierte Wohnungsbauprogramm mit den verschiedenen Teilprogrammen spiegelt sich allerdings in dem hier vorgelegten Gesetzentwurf nicht wider, denn dieser Gesetzentwurf enthält lediglich Änderungen rechtstechnischer Art, die ich nun im einzelnen hier nicht vortragen möchte, weil sie Ihnen in der gedruckten Vorlage vorliegen. Aber lassen Sie mich auf das zentrale Problem eingehen, um das es sich bei diesem Gesetzentwurf handelt, nämlich die Neuabgrenzung des Personenkreises, der künftig im sozialen Wohnungsbau begünstigt sein soll: ich meine damit die Erhöhung der Einkommensgrenzen.Die Einkommensgrenze ist, was den Grundbetrag angeht, zuletzt im Jahre 1957 festgesetzt worden, und die Familienzuschläge sind zuletzt im Jahre 1965 geändert worden; sie entsprechen daher bei weitem nicht mehr den inzwischen eingetretenen Änderungen unserer Einkommensverhältnisse in weiten Schichten der Bevölkerung. Deswegen ist eine Anpassung dieser Grenzen an die heutige Einkommensstruktur dringend notwendig. Ich glaube, wir können auch in diesem Hause eine weitgehende Übereinstimmung aller Fraktionen in dieser Hinsicht feststellen, denn auch die CDU/CSU-Fraktion hat in ihrem eigenen Gesetzentwurf eine Erhöhung der Einkommensgrenzen vorgesehen.Aber auch das Mietniveau der jetzt und künftig gebauten Sozialwohnungen erfordert eine angemessene Korrektur der Einkommensgrenzen. Die Länder haben sich bisher, meine Damen und Herren, in der Praxis weitgehend damit geholfen, daß sie zu einer allgemeinen „Regelgrenze", die das Gesetz vorsieht, großzügige Toleranzen zugelassen haben, oft bis zu 20 % und darüber hinaus. Dieser Zustand soll jetzt durch eine neue gesetzliche Regelung beendet werden.Nach den Vorstellungen der Bundesregierung, wie sie ihren Niederschlag in dem Gesetzentwurf gefunden haben, ist vorgesehen, den bisherigen Grundbetrag von 9000 DM jährlich auf 12 000 DM zu erhöhen also 1000 DM im Monat — und die Zuschlagsbeträge für die Familienangehörigen von je 2400 DM jährlich auf je 3000 DM aufzustocken.Meine Damen und Herren, das ist aber dann noch nicht das Bruttoeinkommen, sondern zu diesen Beträgen können noch das Kindergeld, die allgemeine Werbungskostenpauschale nach dem Steuergesetz und der Arbeitnehmerfreibetrag hinzugerechnet werden. Das würde bedeuten, daß zukünftig die Einkommensgrenze für einen Vierpersonenhaushalt - Ehepaar und zwei Kinder — bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1850 DM im Monat liegen wurde, während sie heute bei 1450 DM liegt. Im übrigen soll es dabei bleiben — eine sehr wichtige Entscheidung- , daß für die Wohnungsberechtigung im sozialen Wohnungsbau das Einkommen des Haushaltsvorstandes maßgebend ist.
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6904 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Bundesminister Dr. LauritzenIch meine, daß die gelegentlich erhobene Forderung, das gesamte Familieneinkommen zugrunde zu legen, nicht akzeptabel und auch nicht praktikabel ist; denn damit würde man von einer Einkommensbasis ausgehen, die doch sehr starken Schwankungen unterliegt, Denken Sie nur einmal an den Fall, daß eine Ehefrau eine Zeitlang mitarbeitet, dann aus familiären Gründen, weil die Kinderzahl es nicht zuläßt, die Arbeit aufgeben muß, nach einiger Zeit aber wieder in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben. Die Berechtigung, eine Sozialwohnung zu beziehen, soll deshalb im Grundsatz nur von dem auf die Dauer erzielbaren Einkommen, d. h. den Einkünften des Hauptverdieners, abhängig sein. Die Einkünfte mitverdienender Angehöriger werden wie bisher innerhalb bestimmter Freibeträge bei der Berechnung der Einkommensgrenzen nicht miteinbezogen.Bei Förderungsmaßnahmen im Rahmen des sogenannten zweiten Förderungsweges — ich denke dabei insbesondere an das von mir erwähnte Regionalprogramm — sollen künftig auch noch höhere Einkommensgruppen von Wohnungsuchenden begünstigt werden. Hier ist eine Überschreitung der soeben genannten neuen Einkommensgrenze um bis zu 40% vorgesehen, andererseits sind jedoch die Förderungshöhe und die Förderungsdauer begrenzt.In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage nach der sogenannten „Fehlbelegung" oder besser nach der „Fehlsubventionierung" gestellt Dazu möchte ich folgendes sagen: Es ist keineswegs beabsichtigt, dieses Problem nun mit der Erhöhung der Einkommensgrenze als gelöst anzusehen. Niemand wird jedoch bestreiten können, daß die Größenordnung dieses Problems durch eine erhebliche Erhöhung der Einkommensgrenzen sehr stark relativiert werden wird. Weiter wird niemand bestreiten können, daß sich auch die Gewichtung dieses Problems in der Zukunft ständig dadurch verringern wird, daß das Regionalprogramm eine ganz neue Förderungsart einführt, bei der eine Fehlbelegung nicht vorstellbar ist. Außerdem haben die Länder ihre Wohnungsbauförderung schon sehr weitgehend von der Darlehensförderung auf die zeitlich begrenzte Zinssubventionierung umgestellt, bei der ja auch eine Fehlbelegung nicht entstehen kann.Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß die Konferenz der für das Wohnungswesen zuständigen Länderminister und Senatoren die Vorschläge, die eine von mir berufene Bund-Länder-Kommission erarbeitet hat, als zu wenig differenziert und in ihrer Durchführung zu wenig praktikabel abgelehnt hat. Dabei ist insbesondere auf den hohen Verwaltungsaufwand und die Beunruhigung von Millionen Bundesbürgern durch eine solche Maßnahme hingewiesen worden. Ein Land hat für den Fall, daß der Bund eine solche Regelung gesetzlich durchführen würde, sogar Verfassungsklage angedroht.
Schleswig-Holstein.
Andere Länder haben zu erkennen gegeben, daß sie sich möglicherweise einem solchen Verfahren anschließen würden, insbesondere wenn man die Einfamilienhausbesitzer einbeziehen würde. Einige sagen: Wir müssen sie einbeziehen, andere meinen: Wir müssen sie auslassen. Hier taucht die Frage der Gleichheit vor dem Gesetz wieder auf. Ich wollte nur auf dieses Problem aufmerksam machen.Auf Grund der Stellungnahme der Länder sind wir jetzt dabei, den von der Bund-Länder-Kommission erarbeiteten Vorschlag weiter zu prüfen und im einzelnen auszuarbeiten. Noch ist völlig offendaraus mache ich kein Hehl , wieweit die Gedanken, die wir entwickeln, von Bund und Ländern als praktikabel akzeptiert werden; denn Bund und Länder sind ja schließlich diejenigen, die diese Regelung dann durchführen müssen. Ich habe die Absicht, eine Punktation aufzustellen, in der bis ins Detail alle Vor- und Nachteile einer denkbaren Lösung gegeneinander abgewogen werden. Die Bundesregierung muß bei der Abwägung des Für und Wider eine Entscheidung treffen, und ich möchte versuchen, eine solche Entscheidung noch in diesem Jahr herbeizuführen.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sieht die Ihnen vorliegende Gesetzesvorlage als besonders eilbedürftig an. Wir möchten erreichen, daß das Wohnungsbauprogramm möglichst schnell anläuft. Deshalb hat die Bundesregierung dem Hohen Hause den Gesetzentwurf bereits zugeleitet, ohne daß uns die Stellungnahme des Bundesrates vorliegt. Nach den Beratungen mit den Ländern und den ersten Beratungen in den Ausschüssen des Bundesrates ist jedoch damit zu rechnen, daß die Konzeption des Gesetzentwurfs insgesamt vom Bundesrat akzeptiert wird. Die Bundesregierung würde es daher sehr begrüßen, wenn die Beratung dieses Entwurfes so zügig voranginge, daß wir mit einer baldigen Verabschiedung des Gesetzes rechnen können. Wir möchten mit diesem Entwurf, der doch ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse vieler Bürger ist, das erreichen und dem wäre eine schnelle Verabschiedung des Gesetzentwurfes dienlich , was schon seit langer Zeit von uns erwartet wird, nämlich eine entscheidende Hilfe in der weiteren Förderung des Wohnungsbaus.
Damit ist die Vorlage begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dei Feststellung beginnen, Herr Minister, daß Sie eine Rede ohne Polemik gehalten haben. Das freut uns denn das dient der Sache, um die es hier geht. Diese Sache erfordert meiner Meinung nach Zusammen arbeit und nicht Polemik.Trotzdem muß ich Ihnen, so leid mir das tut, et. was ins Stammbuch schreiben. Deshalb habe mich zu Wort gemeldet. Die Regierung hat sich mit der Einbringung dieser Vorlage zweifellos im Rahmen des Grundgesetzes bewegt, auch wenn dem Hoher Hause dieser Gesetzentwurf vorgelegt wird, ohm daß die Stellungnahme des Bundesrates und die Antwort der Bundesregierung darauf vorliegen
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Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6905
MickHerr Minister, wir meinen, daß man aus Gründen der Achtung des Parlaments und der parlamentarischen Arbeit von dieser verfassungsmäßigen Möglichkeit wirklich nur dann Gebrauch machen sollte, wenn Not am Mann ist.
Ich hätte das hingehen lassen, wenn dies nicht schon die zweite Vorlage wäre, bei der so verfahren worden ist. Die Vorgängerin dieser Vorlage, das sogenannte Maßnahmengesetz, hat genau auf demselben Wege — auch damals lag die Stellungnahme des Bundesrates nicht vor - den Weg ins Parlament gefunden. Ich halte eine solche Methode nicht für gut, zumal dann immer der sittliche Appell an das Parlament erfolgt, eine unvollkommene Vorlage so schnell wie möglich zu beraten, weil sie so eilbedürftig sei und weil damit großen Notständen abgeholfen werden müsse. Ich wehre mich dagegen — das würde ich bei jeder Bundesregierung tun —, daß die Bundesregierung das Parlament und die zuständigen Ausschüsse unter die Pression der schnellen Behandlung stellt und den Abgeordneten in der öffentlichen Meinung dann allzuleicht das Mäntelchen umgehängt wind, daß sie die Beratungen und damit die Lösung anstehender dringender Probleme schuldhaft verzögern.
Ich wäre zu Dank verpflichtet, wenn wir das in Zukunft anders handhaben könnten. Wir wissen auch, daß eine solche Methode die Verhandlungen nicht fördert. Im Gegenteil, diese Methode hemmt die Behandlung der Probleme in den zuständigen Ausschüssen - ich kann das für den in diesem Fall zuständigen Fachausschuß sagen -, weil nicht alleMeinungen so aufgenommen und verdaut werden, daß die Sachlichkeit der Behandlung der anstehenden Fragen von vornherein gegeben ist.Herr Minister, Sie haben hier in dankenswerter Objektivität - ich begrüße das ausdrücklich — gesagt, daß dieses Gesetz keine weitgespannte Umwandlung oder Reformierung des geltenden Gesetzes bedeutet. Auch unsere Vorlage, die Sie ja — für diese Sachlichkeit danke ich Ihnen — als Alternative dargestellt haben, hat ebenfalls nicht den Anspruch darauf erhoben, sich in weitgespannten Alternativen zu ergehen. Sie will das im Augenblick Notwendige tun und uns die Freiheit lassen, weitere Probleme zu überlegen, um sie zu lösen. Ich darf allerdings darauf aufmerksam machen, daß dieser Entwurf der CDU/CSU nun seit über einem Jahr vorliegt, wobei ich wiederum, Herr Minister, ohne Polemik sage, daß wir uns da etwas leichter tun. Ich hoffe, daß Sie diesen Vorteil in diesem Hohen Hause bald wieder haben werden.
Zwei Gedanken möchte ich noch aussprechen. Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, wenn ich nicht zu dieser Einbringung etwas hätte sagen wollen. Mein Kollege Erpenbeck wird zu einigen sachlichen Punkten Stellung nehmen. Ich glaube, wir haben uns nicht nur Gedanken darüber zu machen, wie wir neue Wohnungen bauen — das ist überhaupt eine problematische Angelegenheit; ich will hier nichtauf die gegenwärtige finanzielle Situation, auf Baukostensteigerungen und dergleichen eingehen —, sondern wir haben uns auch lebhaft Gedanken über die effektiven Möglichkeiten zu machen, die im vorhandenen Wohnungsbestand liegen, vor allem im Bestand des sozialen Wohnungsbaus. Ich bin z. B. nicht der Meinung, Herr Minister, daß wir es mit dieser Einkommensgrenze bewenden lassen können. Die Bezieher im Sinne des sozialen Wohnungsbaus hoher Einkommen sollten nach meiner Meinung nicht das Recht haben, in Sozialwohnungen zu ziehen, die etwa vor zehn oder vor fünf Jahren gebaut worden sind. Man kann sehr wohl Unterscheidungen treffen. Das wird den vorhandenen Wohnungsbestand, wie ich schon sagte, effektiver machen; dadurch wird aber auf der anderen Seite auch der Bund eine Menge Geld sparen. Ich denke hier an das Wohngeld. Dafür müssen Anreize geschaffen werden — was nach meiner Meinung bedeutend billiger ist —, hier zu Wechseln zu kommen, anstatt einfach neu zu bauen.Eine letzte Bemerkung, die ich machen will. Ich habe mich immer gegen etwas gewehrt, womit man in jeder Versammlung Beifall erreichen kann, nicht nur in CDU/CSU-Versammlungen, auch in Versammlungen der Gewerkschaften usw., daß man nämlich von den Fehlbelegungen im sozialen Wohnungsbau spricht. Nach dieser Erhöhung der Einkommen halte ich das nicht mehr für eine erstrangige Frage. Mir scheinen andere Fehlbelegungsarten eine wesentlich größere Rolle zu spielen. Ich denke etwa an Fälle, in denen alleinstehende Frauen oder alleinstehende Männer noch in der DreizimmerKüche-Wohnung hocken, weil sie nicht in der Lage sind, eine kleinere Wohnung zu erwerben. Hier müßten wir überlegen, wie man vor allem auch den Wohnungsunternehmen — wer in diesen Wohnungsunternehmen tätig ist, kennt dieses Problem — Anreize bietet, solche Umbesetzungen von sich aus vorzunehmen. Diese Anreize könnten vielleicht schon darin bestehen, daß man Umzugskosten, Kosten für die Dekoration an den Fenstern, und was es sonst noch für Möglichkeiten gibt, erstattet.Meine Damen und Herren, ich erwarte, daß wir uns in der Beratung dieser Novelle von unserem Sachverstand leiten lassen und zu einem Ergebnis kommen, das uns trotz der vorhandenen Misere im sozialen Wohnungsbau die im Augenblick bestmögliche Regelung zur Behebung der Wohnungsnot finden läßt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wiefel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mick hat in seinen Ausführungen zwar vielleicht mit einigen kleinen oppositionellen Seitenhieben den Minister attackiert, sich aber sonst im wesentlichen auf Elogen beschränkt. Es ist eine erfreuliche Sache, daß die Sachlichkeit der Ausschußberatungen einmal in dieses Haus übertragen und nicht allzuviel zum Fenster hinausgeredet wird. Ich möchte Ihnen,
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WiefelHerr Kollege Mick, jedenfalls dafür danken, daß Sie die Voraussetzungen für eine sachliche Diskussion geschaffen haben. Auch ich kann dann einige Dinge, die ich zu sagen gedachte, etwas tiefer stapeln. Ich weiß allerdings nicht, was Herr Erpenbeck noch bringen wird.
Unter Umständen müßten wir uns dann hinterher noch einmal unterhalten.Der durch die Bundesregierung eingebrachte vorliegende Gesetzentwurf eines Wohnungsbauänderungsgesetzes ist durch den Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, Herrn Dr. Lauritzen, wohl und eingehend begründet worden und entspricht den Zielen sozialdemokratischer Wohnungsbaupolitik.
— Sozialdemokratischer Wohnungsbaupolitik. Warum sollten wir das nicht? Wir machen doch nicht Ihre Politik.
Es geht also im wesentlichen darum, daß wir hier ein langfristiges Programm in der Richtung aufgestellt haben, den von der öffentlichen Hand geförderten Wohnungsbau durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden wieder auf eine jährliche Leistung von 200 000 bis 250 000 Wohnungen zu erhöhen. Wir möchten die Entwicklung auf diesem Gebiet nicht Zufälligkeiten überlassen. Bei allem Lob, das wir der Eigeninitiative zollen, und bei allem Wissen, daß der Eigenheimbau auch weiterhin gefördert werden muß, sollte der Staat, wie das in allen modernen Industrieländern der Welt der Fall ist, dennoch planend finanzielle Voraussetzungen, die zur Durchführung eines solchen Programms nun einmal erforderlich sind, vorlegen und ordnend eingreifen. Ich meine, die Regierung hätte hierfür das richtige Konzept gefunden.Es ist ja schwierig. Wenn man so ein Wort wie „Planung" in den Mund nimmt, entstehen bei Ihnen meist irgendwelche Horrorvorstellungen. Auf der anderen Seite ist es wohl so, daß Sie sich an die Worte „mittelfristige Finanzplanung", „langfristiges Wohnungsbauprogramm und dessen Planung" schon gewöhnen werden.
— Es steht etwas Gutes dahinter, Herr Erpenbeck.
— Nun gut, wenn Sie polemisieren wollen: Wenn die superoptimistischen Vorstellungen des damaligen Wohnungsbauministers richtig gewesen wären, hätte es im Jahre 1971 diese Probleme gar nicht mehr geben dürfen, und daß wir uns heutedarüber unterhalten müssen, liegt wohl daran, daß die Konzeption, die Sie damals entwickelt haben, offensichtlich nicht ganz die richtige war.
Der Minister hat hier doch mit Deutlichkeit gesagt, daß wir noch 800 000 Haushalte haben, die nicht so untergebracht sind, wie es schlechterdings hätte erwartet werden müssen, und daß somit auch der Auftrag des Grundgesetzes, neben dem gesicherten Arbeitsplatz auch eine gesicherte Wohnung zu schaffen, noch nicht erfüllt ist.
Herr Abgeordneter Wiefel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ott?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gestatte.
,Herr Kollege, geben Sie mir zu, daß durch die Zuwanderung von 2 Millionen Gastarbeitern der Wohnungsmarkt in entscheidender Weise negativ beeinflußt werden mußte und daß das damals, 1960, nicht vorausgesehen werden konnte?
Ich will Ihnen folgendes sagen. Damals konnte schon eine ganze Menge vorausgesehen werden, auch wenn zugegeben werden muß, daß einiges hinzugekommen ist. Aber dann hätte man die Daten eben in dieser Hinsicht längerfristig ermitteln und darstellen müssen, als es hier geschehen ist. Hier sind die Verhältnisse doch im wesentlichen immer heruntergespielt worden. Hier ist doch immer gesagt worden: Es ist ja gar nicht so schlimm, wie ihr Sozialdemokraten das mit eurem wohnungspolitischen Buhmann an die Wand malt! So hat man uns damals von Ihrer Seite attackiert.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Baier?
Ich gestatte Sie; aber dann möchte ich weiterkommen, damit ich mich an meine Redezeit halten kann.
Herr Kollege, würden Sie mir bitte sagen, welche konkreten Aussagen des früheren Wohnungsbauministers Lücke, der während seiner Amtszeit bekanntlich alljährlich weit mehr Wohnungen fertiggestellt hat ohne die pompöse Bezeichnung „langfristiges Wohnungsbauprogramm" -, Sie gemeint haben, als Sie davon sprachen, daß noch ein großes Wohnungsproblem zu bewältigen sei?
Ich habe das Empfinden gehabt — und meine politischen Freunde haben es eben mit mir gehabt —, daß die Dinge, wie ich Ihnen eben sagte, durch Herrn Lücke heruntergespielt worden sind, indem gesagt wurde: Das wird sich in einigen Jahren dann schon so geregelt haben. Wir sind der
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6907
WiefelMeinung gewesen, daß man hier etwas planvoller und tatkräftiger hätte zugreifen müssen.
- Gestatten Sie mal! Das soll ja gar nicht verkannt werden. Aber daß durch den Lücke-Plan frühreife Früchte vom Baum geschüttelt worden sind, das erkennen wir doch heute als Wohnungspolitiker alle. Sonst wären wir, wie gesagt, doch nicht in dieser Situation.
- Ja, bitte, das unterscheidet eben Ihre Meinung von der unseren.
— Nur mit dem Unterschied, daß Sie der Meinung sind, daß wir in den vier Jahren das aufholen könnten, was Sie in 15 Jahren vielleicht nicht getan haben.
— Nein, nein, Sie können es nur nicht vertragen, wenn man Ihnen das sagt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baier?
Herr Kollege, darf ich Sie nach Ihren letzten Ausführungen bitten, dem Haus bekanntzugeben, unter welcher Amtszeit eines Wohnungsbauministers mehr Wohnungen gebaut worden sind als etwa unter der von Minister Lücke? Und sind Sie bereit, zuzugeben, daß gerade im letzten Jahr unter Minister Lauritzen und der SPD-Regierung die wenigsten Sozialwohnungen in Deutschland gebaut wurden?
Darüber kann man füglich streiten.
Wir sind ja auch in einer völlig anderen Situation.
Wir haben ja noch einiges von Ihrem Erbe, meine Damen und Herren, zu verdauen.
Meine Damen und Herren, ich bin schon darauf aufmerksam gemacht worden, daß auf der Tribüne Beifallskundgebungen stattfinden. Ich habe mich auch soeben selbst überzeugen können. Meine Damen auf der Tribüne, nur Mitglieder dieses Hohen
Hauses äußern sich zu den Ausführungen der Redner. Ich bitte, darauf zu achten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Meermann?
Ja, Herr Präsident! Aber vielleicht darf ich mir erlauben zu sagen: das wäre dann endgültig die letzte.
Bitte, Frau Kollegin!
Herr Kollege, würden Sie bitte auch die Kollegen von der Opposition darauf aufmerksam machen, zu welcher Zeit die wenigsten Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden sind?
Meine Damen und Herren, vielleicht können wir uns doch auf der von Herrn Mick eingeschlagenen Ebene, die ich an sich einzuhalten gedachte, bewegen. Aber mit Zwischenrufen ist es ja immer so eine Sache; da wird man je nach Temperament schon einmal ein bißchen in Rage gebracht.Meine Damen und Herren, jedenfalls sind diese in Höhe von 150 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau eingestellten Mittel eine solide gesetzliche Grundlage. Darüber hinaus hat dieses Hohe Haus auch sehr hohe Beträge für die Durchführung eines langfristigen Wohnungsbauprogramms verankert. Wir als Sozialdemokraten — Sie dürfen sich darauf verlassen, und schließlich werden wir es mit Ihnen gemeinsam tun werden mit Sicherheit dafür sorgen, daß diese Beträge in den jährlichen Etatisierungen verbleiben.Wir haben soeben über Wohnungsbau und Konjunkturpolitik gesprochen. Da sind in den letzten Tagen recht interessante Dinge zutage getreten.
Gewisse Leute, die als Präsidenten von Verbandsvertretungen tätig sind, tun so, als wären Preissteigerungen von etwa 15 % etwas völlig Normales und als wäre dabei nur 1 % Unternehmergewinn zu erwarten.Dazu muß ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, das muß in der Öffentlichkeit zwangsläufig eine anheizende Wirkung und wiederum Unsicherheit produzieren. Aber auch in diesem Hause gibt es ja Leute, die das hier und da mit Fleiß betreiben. Ich bin jedenfalls der Meinung, daß solche Äußerungen in der Lage, in der wir uns gegenwärtig befinden, als unverantwortlich zurückzuweisen sind.Zurück zum Gesetz! Wenn ich den Kern der Sache sehe, glaube ich, daß wir im Ausschuß, was die Zahlungs- und Finanzierungsvorschläge angeht, gar nicht so weit auseinander sein werden. Hier klaffen die Vorstellungen keineswegs erheblich auseinander. Vor allem dürfen wir, glaube ich, darüber froh
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Wiefelsein, daß nach § 6 Abs. 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs kinderreiche Familien erstmalig Darlehen auch für Altbauwohnungen erhalten sollen, damit ihnen die Eigenversorgung mit Wohnraum erleichtert wird. Das Gesetz enthält, wie durch den Minister bereits dargelegt, eine Vielzahl von Verbesserungen. Der Unterschied zwischen dem Regierungsentwurf und dein Entwurf der Opposition besteht im wesentlichen darin, daß in dem einen Fall das Familieneinkommen, in dem anderen das Einkommen des Haushaltungsvorstandes zugrunde gelegt werden soll. Wir haben uns schon in der Vergangenheit in unserer Arbeitsgruppe und im Ausschuß sehr viele Gedanken darüber gemacht. Auch im Protokoll ist nachzulesen, daß meine Kollegin Frau Meermann sich einmal in dieser Richtung geäußert hat. Dennoch haben wir noch nach besseren Lösungen gesucht, über die wir uns hier im Plenum in der ersten Lesung nicht zu streiten brauchen. Darüber können wir im Ausschuß sicher mit der nötigen Sorgfalt sprechen.Wir sind der Meinung, daß das Familieneinkommen durch Mitbeschäftigung der Ehefrau, der Kinder, durch Studium, durch Ausscheiden von Angehörigen aus dem Familienverband einem ständigen Wechsel unterworfen sein kann, so daß unnötige Komplikationen heraufbeschworen werden können. Das ist etwas anderes als beim Wohngeld, das langfristig für einen Zeitraum von einem Jahr festgelegt wird. Vielleicht sollten Sie sich diese Aspekte bei Ihrer künftigen Beratung und Entscheidung doch noch einmal durch den Kopf gehen lassen.Nun etwas zu dem Problem der Fehlsubvention. Dieser Begriff sollte das Wort „Fehlbelegung" ersetzen. Ich habe da von Herrn Orgaß, der zuweilen recht interessante Dinge von sich gibt, im „Hamburger Abendblatt" etwas gelesen. Herr Orgaß, Sie haben früher schon Initiativen angemeldet. Ich wäre froh darüber, wenn es dann nicht nur beim Mundspitzen bliebe,
sondern wenn Sie bei Ihren Freunden vielleicht ein paar Anhänger mehr hätten, die dann auch mit Ihnen gemeinsam pfiffen.Wir kennen das Problem der Fehlsubventionierung. Daß es schwierig ist, dieses Problem in gerechter Weise zu lösen, das wissen auch Sie in der Opposition. Schon Herr Lücke hat sich die Zähne daran ausgebissen; der Begriff des „Rausschmeißergesetzes" ist ja bekannt.
Aber die Vorschläge der Bund-Länder-Kommission können doch nicht deswegen nicht weiterverfolgt werden, weil etwa die Bundesregierung das nicht wollte, sondern weil die Länder, vor allem die CDU-regierten Länder, gesagt haben: Wir machen das nicht mit. Schleswig-Holstein hat z. B. bereits eine Verfassungsklage angedroht. Bayern hat zuerst gedrängt: Wenn der Bund nichts gegen die Fehlbelegung tut, dann tun wir etwas. Jetzt sagt Herr Merkt plötzlich: Das kommt nicht in Frage.- Wir müssen hier also zusammen zu einer völlig neuen Diskussionsgrundlage kommen.Die Regierung hat allerdings erkennen lassen, daß sie, auch wenn sie diesem Problem ein großes Maß an Wichtigkeit beimißt, nicht bereit ist wie dasauch der Herr Minister geäußert hat -, auf diesem Gebiet sozial nicht vertretbare Zustände zu dulden, z. B. den, daß jemand, der als Referendar noch in eine Sozialwohnung hineinkonnte, heute in einer B-Besoldungsgruppe noch Sozialwohnungsbesitzer sein kann. Herr Minister, ich würde Sie bitten, sich zu dieser Sache etwas Passendes einfallen zu lassen.Alles in allem, meine Damen und Herren, halten meine Freunde und ich diesen Wohnungsbauänderungsgesetzentwurf der Bundesregierung für eine sehr gute Vorlage zur Ergänzung bisheriger wohnungsrechtlicher Bestimmungen. Wir dürfen Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, und Ihrem Hause für die Vorlage danken, die ganz sicher unsere Zustimmung erhalten wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung legt heute dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Durchführung eines langfristigen Wohnungsbauprogramms vor. Ich möchte in der ersten Lesung — um die handelt es sich heute — nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen.Der Gesetzentwurf hat zum Ziel, den sozialen Wohnungsbau stärker zu fördern, um dem vorhandenen Wohnungsfehlbestand entgegenzuwirken. Unser aller Aufgabe, so glaube ich, muß es sein, dieses Ziel zu erreichen. Es ist müßig, jetzt noch einmal nachzukarten und in der Vergangenheit herumzuwühlen, welche Regierung nun mehr und welche weniger Wohnungen gebaut hat. Ich glaube, wir sollten den Blick mehr auf die Zukunft richten.
— Das haben Sie gesagt, Herr Kollege, das habe ich nicht gesagt. — Der Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen sowie der Haushaltsausschuß haben dem Einzelplan 25 zugestimmt, und auch das Parlament hat die stärkeren Ansätze gebilligt.Das Sofortprogramm hat das Ziel, jährlich wieder mindestens 200 000 bis 250 000 Wohnungen zu finanzieren.Das langfristige Wohnungsbauprogramm setzt folgende Schwerpunkte: erstens das Sozialprogramm, zweitens das Regionalprogramm und drittens das Modernisierungsprogramm. Der Bund stellt zur Grundförderung 150 Millionen DM für die Länder zur Verfügung. Darüber hinaus werden 250 Millionen DM für besondere Personengruppen, wie junge Familien, kinderreiche Familien, alte Menschen, alleinstehende Schwerbeschädigte, als Intensivförderung bereitgestellt.Die zunächst vorgesehene Konzeption, weitere 50 000 Wohnungen zu fördern, läßt sich leider für 1971 nicht ganz realisieren, weil sich die Länder auf
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WurbsGrund ihrer Finanzsituation nicht in der Lage sahen, entsprechende Mittel in dieser Höhe zur Verfügung zu stellen. Die Länder gehen auch in verstärktem Maße zur Annuitätsförderung über, um den gewünschten Effekt zu erreichen.Die letzte Bemerkung, meine Damen und Herren, zeigt Ihnen sehr deutlich, wie schwer es ist, heute schon eine präzise Zahl der zu fördernden Wohnungen festzulegen, weil wir nicht wissen, wie sich die Preissituation weiter gestaltet.
Im Regionalprogramm sollen jährlich etwa 50 000 Wohnungen aus nichtöffentlichen Mitteln vom Bund allein finanziert werden. Die Mittel sollen für Entwicklungsschwerpunkte in wirtschaftlich schwachen Gebieten bzw. für Gebiete mit einseitiger Wirtschaftsstruktur — z. B. für das Zonenrandgebiet, für die Bundesausbaugebiete und für die Bundesausbauorte verwendet werden. Das Programm soll im Wege von Aufwendungsdarlehen finanziert werden. Im Rahmen dieses Programms sind für fünf Jahre Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von rund 1,7 Milliarden DM jährlich vorgesehen.Bei dieser Finanzierungsmöglichkeit ergibt sich jedoch die Frage, ob man nicht den Aufwendungszuschüssen Vorrang vor den Aufwendungsdarlehen einräumen sollte.
Hierzu zwei Bemerkungen: Die Konsequenz des Aufwendungsdarlehens besteht für den Mieter einmal darin, daß er nach Ablauf von zehn Jahren infolge des Wegfalls der Grundsteuervergünstigung eine Mieterhöhung hinzunehmen hat, daß des weiteren nach dieser Konzeption die Miete nach 12 Jahren erneut um etwa 60 Pfennig erhöht wird, weil die letzte Zuschußrate entfällt, und daß dann noch einmal nach 15 Jahren dadurch eine Erhöhung eintritt, daß der Vermieter den Restbetrag des Darlehens zu verzinsen und zu amortisieren hat. — Es wird also in diesen 15 Jahren für den Mieter eine erhebliche Belastung eintreten; die Möglichkeit einer Zinssenkung für das Darlehen ist bei Abstimmung mit dem Wohnungsbauminister selbstverständlich gegeben.Die Grundsätze der Förderung mit Darlehen führen darüber hinaus aber auch für den Vermieter dazu, daß er nach 15 Jahren höher verschuldet ist, als dies zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Bauvorhabens der Fall war. Das heißt, daß der Bauherr nach 15 Jahren erheblich höhere Tilgungen zu leisten hat, als ihm Abschreibungen zur Verfügung stehen. Dabei ergibt sich dann noch die Frage, ob der Vermieter nach 15 Jahren die dann zu kalkulierende Miete noch erzielen kann, weil die Wohnungen nach 15 Jahren gegebenenfalls nicht mehr den Erfordernissen eines modernen Wohnungsbaus entsprechen. — Diese Fragen sollten meines Erachtens im Ausschuß eingehend diskutiert werden.Für Maßnahmen der Modernisierung und Instandhaltung von etwa 50 000 Wohnungen werden jährlich vom Bund 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Weitere 9 Millionen DM jährlich stehen für die Dauer von fünf Jahren für Zinsverbilligungszuschüsse bereit. Diese Mittel sind weder einem bestimmten Personenkreis vorbehalten noch an eine Einkommensgrenze gebunden. Und ich darf mir hier, Herr Bundesminister, die Frage erlauben, ob wir nicht künftighin versuchen sollten, diese Mittel im Rahmen des Möglichen aufzustocken, um die Erhaltung der Substanz bestehender Altbauten in jedem Falle zu gewährleisten.Des weiteren wird mit dieser Gesetzesvorlage eine Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes angestrebt. Von Bedeutung ist besonders die Änderung des § 25, also die Änderung der Einkommensgrenzen. Die geplante Erhöhung der Einkommensgrenzen trägt den veränderten Verhältnissen Rechnung. So ist z. B. vorgesehen, die Grenze beim monatlichen Einkommen von bisher 750 DM auf 1000 DM zu erhöhen. Das entspricht einer Erhöhung der Jahreseinkommensgrenze von bisher 9000 DM auf 12 000 DM. Die Zuschläge für Familienangehörige sollen von bisher 200 DM monatlich auf 250 DM, d. h. von bisher 2400 DM jährlich auf 3000 DM jährlich angehoben werden. Die Vorschläge der Länder bezüglich der Änderung der Jahreseinkommensgrenzen gingen zum Teil wesentlich über die Vorstellungen der Bundesregierung hinaus. Die Bundesregierung hat sich allerdings den Ländervorschlägen nicht anzuschließen vermocht.Noch eine letzte Bemerkung. Dieses Gesetz soll durch weitere Maßnahmen, vor allem durch das sogenannte „Artikelgesetz" mit Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs, ergänzt werden. In diesem „Artikelgesetz" ist auch ausdrücklich auf die Lösung des sogenannten Fehlbelegungsproblems hingewirkt worden. Hierzu wurden schon Ausführungen von meinen beiden Herren Vorrednern gemacht, so daß ich mich bei diesen Fragen verhältnismäßig kurzfassen kann. Ich möchte bitten, daß wir uns dieses Problems annehmen. Es trifft nicht zu, daß sich die Koalitionsfraktionen bisher nicht mit dem Problem befaßt hätten. Wenn wir das große Werk des Städtebauförderungsgesetzes endgültig verabschiedet haben, werden wir Gelegenheit haben, uns diesem Problemkreis zuzuwenden. Ich hoffe, daß wir zu einer Lösung kommen werden.Im übrigen stimmt die FDP-Fraktion dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Erpenbeck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei aller Sachlichkeit — und Wohnungsbaupolitik ist ohne nüchterne, sachliche Überlegung und entsprechendes nüchternes, sachliches Handeln überhaupt nicht effektiv zu gestalten — bin ich doch, Herr Kollege Wiefel, um der Sachlichkeit willen verpflichtet, einige kritische Bemerkungen vorzubringen.
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ErpenbeckDer Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat in seiner Rede erklärt, daß die Bundesregierung die Gesetzesvorlage als besonders eilbedürftig angesehen hat. Herr Kollege Mick hat unsere Meinung dazu gesagt, wie man solche eilbedürftigen Dinge behandelt. Ich halte es geradezu für unzumutbar für die Abgeordneten, ohne Vorliegen aller Unterlagen ein solches Gesetzeswerk auch nur in erster Lesung zu behandeln. Niemand bestreitet, daß auf dem Gebiete des Wohnungsbaues dringend Aktivitäten erforderlich sind. Das Zweite Wohnungsbaugesetz ist infolge der verhängnisvollen Wirtschafts- und Preispolitik änderungsbedürftig geworden, und das nicht erst seit gestern und heute.
Schon seit dem 5. Dezember 1969 liegt ein Entwurf der CDU/CSU zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vor, der nicht nur eine Änderung der Einkommensgrenzen vorsah, sondern auch die ganz besondere Förderung der Modernisierung des Althausbesitzes — neben dem Wohnungsneubau — zum Ziele hatte. Mit diesem Gesetzentwurf allerdings hatten es weder die Bundesregierung noch die Koalitionsfraktionen im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen besonders eilig.
Denn dieser Entwurf schmort nach wie vor.
So großes Gewicht nun die Bundesregierung der Eilbedürftigkeit der heutigen Vorlage zumißt, so wenig Gewicht hat der Inhalt des Gesetzentwurfs selbst. Seit Monaten hat Herr Dr. Lauritzen in allen Teilen der Bundesrepublik in der ihm und dem Ministerium zur Verfügung stehenden Lautstärke sein langfristiges Wohnungsbauprogramm angekündigt. Ich sage das hier, weil der Minister für Städtebau und Wohnungswesen es heute morgen in seiner Rede als Kern seiner Ausführungen dargestellt hat. Es ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht in der Presse eine Notiz über diese neue deutsche Wohnungsbau-Wunderwaffe zu lesen war. Das muß man sagen, weil ja hieran Erwartungen geknüpft sind. Wir möchten nicht, daß es eines Tages ein böses Erwachen gibt. Wir sollten uns heute schon kritisch fragen — das war mein Zuruf vorhin, Herr Kollege Wiefel —, ob das, was denn hinter den Plänen und Programmen steckt bzw. darin steht, auch realisierbar ist.
Das Gesetz will die Grundlage für den sozialen Wohnungsbau bis zum Jahre 2000 schaffen, so hat es der Minister schon vor Monaten gesagt. Durch dieses Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 soll die Voraussetzung für das langfristige Wohnungsbauprogramm geschaffen werden. Die jährliche Wohnungsbauleistung im sozialen Wohnungsbau soll, wie es ja auch auf dem Vorblatt zu diesem Gesetzentwurf steht und wie es uns von der Bundesregierung mitgeteilt ist, „wieder" auf 200 000 bis 250 000 Wohnungen erhöht werden. Meine Damen und Herren, das ist doch die durchaus ehrliche Feststellung auch der Bundesregierung, daß es jetzt darumgeht, das, was in früheren Jahren bereits geleistet wurde, nun mühsam wieder zu erreichen.
Wir könnten den Wohnungsbauminister nur beglückwünschen, wenn es ihm gelänge, den sozialen Wohnungsbau auch nur auf die Zahl von 200 000 Wohnungen wieder anzuheben.
Denn die Bilanz der bisherigen, vierjährigen Amtszeit von Herrn Minister Dr. Lauritzen ist doch ein wenig bedrückend: 130 000 echte Sozialwohnungen 1969. Die Zahl für 1970 liegt uns noch nicht vor; es ist zu vermuten, daß sie noch darunter liegt.In Zwischenrufen aus dem Plenum ist soeben die Frage nach den Leistungen und nach den Mitteln gestellt worden. Dazu darf ich Ihnen sagen, daß seit dem Jahre 1950 bis einschließlich 1965 — ich darf auch noch das Jahr 1966 dazuzählen — die Zahl der erstellten Wohnungen im sozialen Wohnungsbau niemals unter 200 000 gelegen hat; in vielen Jahren hat sie sogar über 300 000 und in der oberen Hälfte des dritten Hunderttausend gelegen.Meine Damen und Herren, es geht nicht um die Frage nach der Höhe der Mittel, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, sondern für uns alle und besonders für die Berechtigten ist die Frage interessant, wie viele Wohnungen erstellt worden sind, nichts anderes.
Das langfristige Wohnungsbauprogramm, das nun durch die speziellen Änderungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ermöglicht werden soll, soll ein Förderungsergebnis von 200 000 Sozialwohnungen erbringen. Dieses Ergebnis kann nicht mit großen Worten erreicht werden, sondern nur durch die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden, wobei alle drei und dazu noch der Kapitalmarkt als solcher bare Kassenmittel zu erbringen haben. Früher ist mit wenig öffentlichen Mitteln sehr viel gebaut worden, heute wird mit sehr viel öffentlichen Mitteln nur sehr wenig gebaut.
Über die Bereitstellung dieser öffentlichen Mittel zeichnen sich aber die Aussagen des Gesetzes, jedenfalls soweit sie den Bund betreffen, durch vornehmste Zurückhaltung aus. Für die Durchführung des reinen Sozialprogramms oder Grundförderungsprogramms ist die Bereitstellung von jährlich 150 Millionen DM vorgesehen. Dieser Betrag ist schon seit dem Jahre 1966 — auch das sollten Sie sich, meine Damen und Herren, wieder einmal ins Gedächtnis zurückrufen oder nachlesen — im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgelegt. Also auch hier ist keinerlei Änderung und trotz der enorm gestiegenen Baupreise auch keine Änderung der Summen eingetreten. Wie der soziale Wohnungsbau in Anbetracht der exorbitanten Baupreissteigerungen und des immer noch unerträglich hohen Hypothekenzinssatzes gesteigert werden soll, ist uns unerfindlich.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6911
ErpenbeckHerr Minister, Sie haben sich gegenüber Ihren früheren Ankündigungen in letzter Zeit im Zusammenhang mit dem langfristigen Wohnungsbauprogramm viel bescheidener gegeben. Sie sprechen nämlich jetzt nur noch von einer Steigerung um 10 % im Rahmen dieses Grundförderungsprogramm. Dabei wäre es ganz interessant, auch einmal die absoluten Zahlen zu hören, damit die Bevölkerung weiß, worum es eigentlich geht. Wenn Sie von 130 000 oder 150 000 Wohnungen ausgehen, kommen Sie bestenfalls — ich nehme einmal eine hohe Zahl an - auf 165 000 Wohnungen.Nun soll zu diesem Grundförderungsprogramm ein Intensivprogramm treten, nach dem vorzugsweise — das begrüßen und unterstützen wir — der Bau von Wohnungen für alte Menschen, junge Familien, kinderreiche Familien und Alleinstehende gefördert werden soll. Herr Minister, Sie haben noch Anfang des Jahres gesagt, daß mit Hilfe dieses Intensivprogramms zusätzlich 50 000 Sozialwohnungen gefördert werden sollten. Heute morgen haben Sie erklärt, es sollten mindestens 25 000 Wohnungen gefördert werden. Dafür wurden im Bundeshaushalt 1971 250 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Herr Minister, Ihre Länderkollegen haben Sie sicherlich darauf aufmerksam gemacht, daß ein Förderungsbetrag von 5 000 DM je Wohnungseinheit bei einem zur Verfügung zu stellenden Gesamtförderungsbetrag von rund 37 500 DM in keiner Weise ausreicht. Sie haben sich deswegen ja auch bereit erklärt, Förderungsbeträge bis zu 12 500 DM zu geben. Auch wenn wir nur von durchschnittlich 12 500 DM ausgehen, ist es immer noch sehr fraglich, ob im Rahmen des Intensivprogramms damit wirklich 25 000 Wohnungen erstellt werden können. Das ist nach Adam Riese schon nicht mehr möglich. Es hat die Opposition nicht überrascht, daß die Bauwirtschaft gerade in diesen Tagen eine erneute Baukostensteigerung von 15 % vorausgesagt hat.Das sogenannte Regionalprogramm, das der Bund allein finanzieren will, soll nun eine letzte Hilfe sein. Im Rahmen dieses Programms wollen Sie noch einmal 50 000 Wohnungen im steuerbegünstigten Wohnungsbau auf dem sogenannten zweiten Förderungsweg fördern. Prinzipiell könnten wir auch dieses Programm begrüßen, aber nur dann, Herr Minister, wenn es auf einer realistischen Grundlage stünde. Leider sehen wir diese Grundlage nicht.Die Mittel dafür sollen zunächst vom Kapitalmarkt vorgelegt und nach einer gewissen Zeit vom Bund zurückgezahlt werden. Die Rückzahlungsverpflichtungen des Bundes für diese 50 000 Wohnungen beziffert das Ministerium auf 1,7 Milliarden DM. Da dieses Programm fünf Jahre hintereinander durchgeführt werden soll, muß der Bund dafür insgesamt 8,5 Milliarden DM aufbringen. Woher der Bund bei seiner augenblicklichen Finanzlage, die von Monat zu Monat schlechter wird, dieses Geld hernehmen will, bleibt der Phantasie jedes einzelnen überlassen, es sei denn, man belastet die Bevölkerung mit unerträglichen Steuererhöhungen. Dieses Programm kann nach Lage der Dinge, wenn man einmal davon absieht, daß es das teuerste Wohnungsbauprogramm aller Zeiten ist, nur als von Geburt an schwindsüchtig bezeichnet werden.Dazu kommt, daß es den Keim einer enormen Mietsteigerung in sich trägt. Da nämlich die Verbilligungsmittel des Bundes stufenweise herabgesetzt werden und nach einer gewissen Zeitspanne die Rückzahlungsverpflichtungen des Bauherrn zusätzlich auf die Mieten durchschlagen werden, muß damit gerechnet werden, daß die Mieten dieser Wohnungen auf der heutigen Kostenbasis in einigen Jahren auf 7 bis 8 DM je qm Wohnfläche steigen werden. Wir fragen die Bundesregierung, wer diese Mieten zahlen soll und ob man einen solchen Wohnungsbau im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus noch als sozial bezeichnen kann.Wir können uns aber auch mit den Zielen dieses Regionalprogramms in voller Breite nicht einverstanden erklären, Herr Minister. Die Gesetzesbegründung sagt dazu kurz und bündig, daß diese Förderungsmittel in die Entwicklungsschwerpunkte und Bedarfsbrennpunkte geleitet werden sollen. Herr Minister, es geht bisher — und ich möchte das einmal in aller Bescheidenheit und ganz ruhig hier sagen -- unwidersprochen im Lande das, wie ich jetzt sagen möchte, Gerücht, daß der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen bestimmten Städten mit bestimmten Mehrheiten bzw. den ihnen nahestehenden großen Wohnungsbaugesellschaften bereits entsprechende Zusagen hinsichtlich der Verteilung der Mittel des Regionalprogramms gemacht habe. Vielleicht waren das nur Auswüchse der Wahlkämpfe, die sich hier fortsetzen. Aber, Herr Minister, ich glaube, daß dazu wirklich von Ihnen ein Wort gesagt werden müßte,
denn es geht einfach nicht an, daß auch nur das Gerücht sich weiter fortpflanzt, bestimmte Städte mit bestimmten Mehrheiten und bestimmten Wohnungsbaugesellschaften hätten hier schon vorweg Zusagen bekommen.
— Vielleicht weiß man im Ministerium etwas davon.Herr Minister, wir vermissen insbesondere die Festlegung einer angemessenen Förderung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen im Sinne einer breiten Eigentumsstreuung.
Wir werden uns mit allen verfügbaren Mitteln zur Wehr setzen, wenn dieses Programm nur ein weiterer Schritt zur Sozialisierung des Wohnungsbaus sein sollte.
Daß es große Gesellschaften gibt, die auf die Durchführung eines solchen Programms nur warten, daran haben wir wahrlich keinen Zweifel.Ich darf abschließend noch ein Wort zu den Einkommensgrenzen sagen, zu denen Herr Mick schon das Wesentliche gesagt hat. Herr Minister, wenn die Monatseinkommensgrenze nunmehr bei einem Vier-
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Erpenbeckpersonenhaushalt bei 1750 DM liegt das bedeutetdoch ein Bruttoeinkommen von 2000 DM im Monat —, so muß man fragen, ob damit die Ziele des sozialen Wohnungsbaus noch erreicht werden können. Denn nach den Berechnungen werden dann 78 % der Haushalte in der Bundesrepublik — und das sind 17 Millionen Haushalte — im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus berechtigt. Was hier an Erwartungen geweckt wird und was tatsächlich erfüllt werden kann, steht doch in einem außerordentlich krassen Mißverhältnis. Meine Damen und Herren, dann würde das Programm zu Lasten der sozial Schwächeren gehen, denen nach unserer Meinung vorrangig geholfen werden muß. Deshalb verlangen wir, daß bei der Beratung dieses Gesetzes Vorschriften eingefügt werden, wonach in erster Linie die wirklich sozial schutzbedürftigen Kreise in den Genuß der öffentlich geförderten Wohnungen kommen. Wir wollen einen sozialen Wohnungsbau, der sich nicht nur so nennt, sondern der es tatsächlich auch ist. Dazu bedarf es im Gesetz entsprechender Bestimmungen, für die sich die CDU/CSU-Fraktion mit aller Kraft einsetzen wird.Meine Damen und Herren, wir unterstützen realistische Programme und sind bereit zu der notwendigen Zusammenarbeit, die Herr Mick schon von dieser Stelle aus angeboten hat. Wir lehnen aber utopische Programme ab, weil sie in der Regel zu Lasten der sozial Schwächsten gehen. Das zu verhindern, ist unser Wille, und deshalb auch bei dieser ersten Lesung diese kritischen Anmerkungen.
Das Wort hat der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den einleitenden Ausführungen des Herrn Kollegen Mick hatte ich eigentlich angenommen, Herr Erpenbeck werde sich auf demselben Niveau halten. Ich bin sehr enttäuscht, Herr Erpenbeck, daß Sie hier in einer öffentlichen Sitzung des Bundestages von Gerüchten Gebrauch machen.
Das finde ich unverantwortlich. Ich weise diese Unterstellungen ganz entschieden zurück. Das ist nicht die Basis, auf der Herr Mick und ich miteinander verhandeln wollen. So geht es nicht, Herr Erpenbeck. Das sind Vergiftungen, die vielleicht in einem Wahlkampf vorkommen können — ich vermeide sie auch dort —; aber ins Parlament gehören sie nicht.
Herr Erpenbeck: Wie können Sie sich hier hinstellen und sagen, für 75 % der Bevölkerung würden Erwartungen erweckt, die nicht erfüllt werden könnten? Haben Sie nicht nachgerechnet, daß die Erhöhung der Einkommensgrenze den Bevölkerungskreis nicht größer zieht, als er 1957 unter ganz anderen Einkommensverhältnissen war?
Das ist doch das Entscheidende. Das haben Sie völlig übersehen oder nicht sagen wollen. So können wir nicht miteinander diskutieren.
— Nein, das stimmt eben nicht. Die Einkommensentwicklungen sind über die Einkommensgrenze von 1957 hinweggegangen. Wir passen die Grenze jetzt wieder an und kommen auf keinen höheren Prozentsatz als 1957. Wollen Sie das bitte einmal nachrechnen.Ich möchte noch einmal den Versuch unternehmen, die Entwicklung der Bewilligungen und der Fertigstellungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau darzulegen und auf die Gründe dafür hinzuweisen. Ich weiß, daß es dabei wieder große Unruhe im Hause geben wird, und werde mich deshalb bemühen, in gedämpfter Tonart anzufangen.
Der Lücke-Plan sah im Haushalt 1957 700 Millionen DM für den öffentlich geförderten Wohnungsbau vor.
— Jetzt geht es ja schon wieder los. Das, was Ihnen nicht paßt, wollen Sie nicht hören, um dann verkaufen Sie Geschichten, die einfach nicht richtig sind.
— Ihr Einwand geht völlig an der Sache vorbei; aber das wollen Sie ja, weil Sie vermeiden wollen, daß ich etwas sage, was Ihnen nicht gefällt.
— Sie werden mich nicht daran hindern, das zu sagen, was ich sagen will.
Die 700 Millionen DM sind Jahr für Jahr um 70 Millionen DM verringert worden, und man wäre 1967 bei Null angekommen, wenn wir uns nicht entschieden dagegen zur Wehr gesetzt hätten. Wir sind bei 150 Millionen DM gelandet. Das war der LückePlan.
Es ist nicht zu bestreiten, daß das Tief der Förderung des Wohnungsbaus durch Bundesmittel im Jahre 1966 lag. Damals betrug der Bundesanteil 8 %. Wissen Sie, was das bedeutet, meine Damen und Herren von der Opposition? — Von 12 Wohnungen, die im Jahre 1966 mit öffentlichen Mitteln des Bundes und der Länder gefördert worden sind, haben die Länder elf Wohnungen und hat der Bund
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Bundesminister Dr. Lauritzeneine Wohnung gefördert! So weit waren wir 1966 abgesunken.Nun ist es doch ein Gedankenfehler, anzunehmen, daß sich das Tief in der Förderung im selben Jahr in einem Tief in der Fertigstellung auswirkt. Das Tief in der Fertigstellung tritt ein oder zwei oder drei Jahre später ein. Das weiß jeder, der mit Wohnungsbau zu tun hat. Wenn ich heute Gelder zur Verfügung stelle, werden die Wohnungen im nächsten oder übernächsten Jahr fertig. Das heißt also, dieses Tief in der Wohnungsbauförderung des Bundes hätte 1967 oder 1968 auftreten müssen.
- Herr Baier, lassen Sie mich das einmal im Zusammenhang vortragen. Nachher können Sie meinetwegen eine Frage von zehn Minuten stellen. Jetzt möchte ich die Zwischenfrage nicht zulassen. Sie müssen das, was ich zu sagen habe, endlich einmal hören. Glauben wollen Sie es ja sowieso nicht, und wissen wollen Sie es auch nicht.
- Nun seien Sie einmal friedlich, Herr Baier!Dieses Tief des Jahres 1966 in der Finanzierung des Bundes hat sich deswegen 1967 und 1968 in den Fertigstellungen nicht niedergeschlagen, weil wir mit den Konjunkturprogrammen der Bundesregierung erhebliche Mittel in den Wohnungsbau gepumpt und weil die Länder zunächst das Fehlen der Bundesmittel ausgeglichen haben. Das hat sich dann in die Jahre 1969 und 1970 verlagert. Deswegen — das ist nicht zu bestreiten ist im Jahre 1970 ein Tief entstanden.
Es resultierte aus dem Rückgang der Bundesmittelund aus der Tatsache, daß die Länder diesen Rückgang über die Jahre nicht haben auffangen können.Daraus ziehe ich die Konsequenz: Wir können die Lage nur verbessern, wenn wir mehr Bundesmittel in den Wohnungsbau hineinstecken. Deswegen auch das langfristige Wohnungsbauprogramm. Daß dieses Mehr an Mitteln im Jahre 1970 nicht zur Verfügung gestellt werden konnte, ist von diesem Platz auch im Jahre 1970 von mir ausdrücklich gesagt worden. Wir konnten doch angesichts der gegebenen Konjunktursituation im Jahre 1970 nicht mit einem so großen Volumen des Wohnungsbaus in den Markt gehen. Das kann doch niemand bestreiten.
— In diesem Jahr stehen doch erheblich mehr Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung. Die Steigerung der Mittel von nahezu 40 % im Haushalt bedeutet, daß der Bundesanteil an der Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus von 8% im Jahre 1966 auf 40 % im Jahre 1971 ansteigt. Ich meine, das ist eine gute Leistung, die gar nicht einfach zu erbringen war. Es erfordert schon einige Überzeugungskraft und einige Anstrengungen, dieses Mehr anMitteln dem Bundesfinanzminister abzuringen. Ich bin froh, daß das erreicht worden ist.
— Zu den höheren Baukosten will ich Ihnen einmal etwas sagen, meine Damen und Herren.
— Die Zinsentwicklung ist ja rückläufig, wie Sie sehen.Ich bin etwas überrascht über Äußerungen aus der Bauwirtschaft in der letzten Zeit. Der genannte Satz von 15 °/o stimmt nicht mit den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes überein. Ich empfinde es als eine schlechte Praxis, daß Vertreter der Verbände die zu erwartenden Preiserhöhungen schon vorher in der Öffentlichkeit ankündigen, um damit anscheinend so etwas wie eine Quasi-Legitimation für solche Preiserhöhungen zu schaffen. Das ist nach meiner Meinung eine ganz bedenkliche Politik.
Nun zu dem Programm selber. Herr Erpenbeck, Sie sind mit den Zahlen sehr großspurig umgegangen. Ich habe festgestellt, daß im Jahre 1970 etwa 150 000 bis 160 000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau fertiggestellt wurden. Die endgültigen Zahlen liegen uns noch nicht vor. Ich habe Ihnen gesagt, daß das Regionalprogramm 50 000 Wohnungen und das Intensivprogramm 25 000 Wohnungen umfaßt. Wenn ich diese Wohnungen zu den 150 000 Wohnungen hinzuzähle, komme ich auf 225 000 Wohnungen. Damit liege ich genau in der Mitte dessen, was ich als Zielprojektion angegeben habe: 200 000 bis 250 000 Wohnungen. Daß die Länder das Intensivprogramm nicht bis zu einer Größenordnung von 50 000 Wohnungen mitgemacht haben, ist einfach darin begründet, daß sie sich nicht in der Lage sahen, den auf sie dann entfallenden Länderanteil aufzubringen. Dies hat sich in der Auseinandersetzung mit den Ländern herausgestellt.
— Die Zahl der Wohnungen liegt doch aber genau in der Mitte dessen, was ich als Rahmen in der Zielprojektion langfristig ansteuere. Es scheint mir ein ganz gutes Ergebnis zu sein, wenn ich es im ersten Jahr, im Jahre 1971, erreiche, auf 225 000 Wohnungen — die Zielprojektion war, wie gesagt, 200 000 bis 250 000 Wohnungen — zu kommen.
— Das klang bei Ihnen eben anders, als Sie hier gesprochen haben.
— Das ist Ihr gutes Recht.Herr Erpenbeck, was das Regionalprogramm angeht, so beurteile ich die Dinge aus zwei Gründen ganz anders. Wir fördern mit dem Regionalpro-
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6914 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971
Bundesminister Dr. Lauritzengramm die Wohnungsversorgung von Bevölkerungsgruppen, die bisher nicht zum Zuge gekommen sind, weil sie genau zwischen dem Förderungsrahmen des sozialen Wohnungsbaus und den Bedingungen des freifinanzierten Wohnungsbaus lagen. Auf diese große Breite der Einkommensgruppen wird jetzt das Regionalprogramm abgestellt. Die Einkommensgrenze ist um 40% erhöht worden, um auch für diese Bevölkerungsgruppen ausreichenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wobei sich ja insbesondere bei dieser Förderungsform und dieser Förderungsmethode, die wir vorgesehen haben, Eigentumsmaßnahmen anbieten.Ich glaube, es wird über das, was sonst noch hier gesprochen worden ist, im Ausschuß noch manches zu sagen sein. Wenn Sie in diesem Gesetzentwurf Zahlen vermissen, so möchte ich Ihnen dazu sagen, ich halte es bei der mittelfristigen Finanzplanung, wie diese Bundesregierung sie handhabt, nicht für richtig, feste Zahlen in die Gesetze zu übernehmen, sondern den Förderungsrahmen im jährlichen Haushaltshaltsplan festzulegen und in der mittelfristigen Finanzplanung so flexibel zu bleiben, daß wir auch einmal über anfänglich festgelegte Zahlen hinausgehen können. Ich warne unter Hinweis auf das Zweite Wohnungsbaugesetz mit 700 Millionen DM Anfangsbetrag und degressiver Gestaltung, eine solche Regelung noch einmal wiederholen zu wollen. Einen Finanzminister dafür zu gewinnen, daß er auf Jahre hinaus in einem Gesetz einen festen Rahmen akzeptiert, wird sehr schwierig sein. Wir müssen also in der mittelfristigen Finanzplanung elastisch bleiben, um auch die Möglichkeit zu haben, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, mit höheren Mitteln in den Wohnungsbau hineinzugehen.Lassen Sie mich noch etwas zu einem Hinweis sagen, der nach meiner Meinung etwas mißverstanden worden ist. Es ist sehr viel über die Eilbedürftigkeit dieses Gesetzentwurfes gesprochen worden. Ich war der Meinung, solange wir nicht mit den Ländern die Details des langfristigen Wohnungsbauprogramms im einzelnen festgelegt haben, sollte ich nicht vor den Bundestag treten und ihm sagen, wie die gesetzliche Regelung aussehen muß. Davon hing es ab. Das andere ist: Es ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn ein Gesetz einmal eilbedürftig ist; nur war meine Bitte, diese Eilbedürftigkeit zu akzeptieren, weder als Pression noch als ein Appell gedacht. Es ist mir nur aufgefallen, daß Sie so lange darüber gesprochen haben. Welchen Grund das haben mag, kann ich allerdings nicht feststellen. Ich wäre Ihnen trotzdem dankbar, wenn wir dieses Gesetz bald hätten.
Keine weiteren Wortmeldungen.Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Punkte 3 bis 5 der Tagesordnung auf:3. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen— Drucksache VI/ 1860 —4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
— Drucksache VI/2118 —5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Niederlassungsvertrag vom 23. April 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat— Drucksache VI/2122 —Es handelt sich um von Mitgliedern des Hauses und von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe. Wird das Wort zu diesen Punkten gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Das ist der Fall, dann ist so beschlossen.Damit ist überwiesender Entwurf eines Gesetzes über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend —, den Innenausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;der Entwurf eines Graduiertenförderungsgesetzes an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend —, den Innenausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;der Entwurf eines Gesetzes zu dem Niederlassungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschalnd und dem Spanischen Staat an den Ausschuß für Wirtschaft.Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Josten, Hirsch, Schmidt , Dr. Kliesing (Honnef), Dr. Schmidt (Krefeld), Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur .nderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes— Drucksache VI/ 1586 -Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache VI/2138 —Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht vor.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 118. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Mai 1971 6915
Vizepräsident Dr. SchmidWir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe Artikel I auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 172 *) vor. Wird er begründet? — Herr Kollege Josten, bitte, walten Sie Ihres Amtes als Begründer dieses Antrags.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratungen im Innenausschuß haben beim Entwurf einer Fünften Novelle zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz zu einem einstimmigen Beschluß geführt.
Es war sicher nicht ,die Schuld des Vorsitzenden, unseres Kollegen Schäfer, sondern in diesem Falle, Herr Kollege Schäfer, war uns ein Fehler unterlaufen, so daß jetzt ein Passus mit diesem Änderungsantrag geändert werden soll. Heute morgen wurde schon richtig darauf hingewiesen, daß die Nr. 3, in der es heißt:
Witwen verstorbener ehemaliger Kriegsgefangener, sofern sie keine neue Ehe eingegangen sind.
praktisch doppelt gedruckt ist. Entscheidend aber geht es um den Antrag unter b des Umdrucks 172:
Vor dem letzten Satz wird folgender Satz eingefügt:
„Voraussetzung ist, daß der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.
Ich bitte Sie, diesem interfraktionellen Ändeungsantrag einer Gruppe von Abgeordneten zuzustimmen. Er will lediglich eine Ausweitung vermeiden. Auf Einzelheiten brauche ich hier nicht näher einzugehen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Wird das Wort dazu gewünscht? Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 2
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 172. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir stimmen nunmehr über Art. I in der neu beschlossenen Fassung ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen — Ebenfalls einstimmige Annahme.
Art. II, — III, — IV — sowie Einleitung und Überschrift! — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der
Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir stimmen nunmehr über den Antrag des Ausschusses unter Nr. 2 ab, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Punkt 7 der Tagesordnung soll nach einer Vereinbarung der Fraktionen abgesetzt werden. Wir alle wissen, daß die Sache, die dieser Punkt behandeln soll, ein besonderes Anliegen des Präsidenten ist und daß der Präsident verhindert ist, unserer Sitzung beizuwohnen. Es wird auch gut sein, wenn sich der Ältestenrat noch einmal mit dieser Sache befaßt.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Plenarsitzung ein auf Donnerstag, den 6. Mai, 14 Uhr, zur Fragestunde.
Ich schließe die heutige Sitzung.