Protokoll:
6078

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 78

  • date_rangeDatum: 11. November 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:43 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 78. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 Inhalt: Gedenkworte für den verstorbenen ehemaligen Präsidenten der Französischen Republik, Charles de Gaulle 4345 A Überweisung von Vorlagen des Bundesministers der Finanzen an den Haushaltsausschuß 4345 C Frist für die Einreichung von Schriftlichen Fragen 4345 D Amtliche Mitteilungen 4345 D Fragestunde (Drucksache VI/1386) Frage des Abg. Unertl (CDU/CSU) : Gewährung von Entwicklungshilfe an die neue chilenische Regierung Dr. Eppler, Bundesminister . . . . 4346 C, 4347 A, B Unertl (CDU/CSU) . . 4346 D, 4347 A, B Frage des Abg. Josten (CDU/CSU) : Einbeziehung von Jungakademikern in Entwicklungsdienste Dr. Eppler, Bundesminister . . 4347 C, D Josten (CDU/CSU) 4347 C, D Frage des Abg. Folger (SPD) : Abbau von Kupfer durch eine südafrikanische Bergwerksgesellschaft in den österreichischen Alpen Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 4348 A, B Folger (SPD) . . . . . . . . 4348 B Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) : Anwerbung von Spionen durch östliche Nachrichtendienste Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 4348 C, D, 4349 A Engelsberger (CDU/CSU) . 4348 D, 4349 A Frage des Abg. Berger (CDU/CSU) : Steigerung der Nettogehaltssumme für Beamte Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . 4349 B, C, D, 4350 A, B Berger (CDU/CSU) 4349 C, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 4350 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 4350 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 4350 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 Frage des Abg. Berger (CDU/CSU) : Anpassung der Beamtenbesoldung an die allgemeine Einkommensentwicklung Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 4350 C, D, 4351 A Berger (CDU/CSU) 4350 C, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 4351 A Frage des Abg. Wagner (Günzburg) CDU/CSU) : Differenz der Besoldung zwischen den Beamten der Länder und denen des Bundes Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 4351 A, C, D, 4352 A, B, C, D, 4352 A, B Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 4351 B, 4352 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4351 C Unertl (CDU/CSU) 4351 C, D Raffert (SPD) 4351 D Berger (CDU/CSU) 4352 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 4352 A Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 4352 C Volmer (CDU/CSU) 4352 C Brück (Köln) (CDU/CSU) 4352 D Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . 4353 A, B Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) : Vorstellungen im Bundeskanzleramt über eine Verbesserung der Besoldung für die Beamten Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 4353 C, D, 4354 A, B, C, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 4353 C Berger (CDU/CSU) 4353 D Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 4353 D Volmer (CDU/CSU) 4354 A Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4354 B Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 4354 B Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 4354 C Frage des Abg. Volmer (CDU/CSU) : Vorlegung des Gutachtens zur Frage des Besoldungsrückstandes im öffentlichen Dienst Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 4355 A, B, C Volmer (CDU/CSU) 4355 B Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 4355 B Berger (CDU/CSU) 4355 C Frage des Abg. Volmer (CDU/CSU) : Stellungnahme der Bundesregierung zu den Protestaktionen der Beamten Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4355 D, 4356 A Volmer (CDU/CSU) . . . 4355 D, 4356 A Frage des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Vorlegung einer Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Richterbesoldung und den Folgerungen für das gesamte Besoldungsrecht Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 4356 B, C, D Berger (CDU/CSU) . . . . . . . 4356 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 4356 D Frage des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Bericht der Bundesregierung über die Arbeiten zur Aufstellung einer den Amtsinhalt stärker berücksichtigenden Bewertungsordnung Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4357 A, B Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . 4357 B Brück (Köln) (CDU/CSU) 4357 B Fragen des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Vermögenswirksame Leistungen für Versorgungsempfänger Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . 4357 C, D, 4358 A, B Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 4357 D, 4358 A Berger (CDU/CSU) . . . . . . . 4358 B Frage des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU) : Vorlage des Härteberichts zum Gesetz zu Art. 131 GG Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 4358 B, D, 4359 A Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 4358 D Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 4359 A Frage des Abg. Brück (Köln) (CDU/CSU) : Neuregelung der Vor-, Aus- und Fortbildung der Beamten Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4359 A, B Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . . . 4359 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 III Frage des Abg. Brück (Köln) (CDU/CSU) : Studienkommission zur Untersuchung der Stellung und der Aufgaben des öffentlichen Dienstes in Staat und Gesellschaft Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär 4359 C Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte (SPD, FDP) (Drucksache VI/1363) — Erste Beratung — Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 4359 D Urbaniak (SPD) . . . . . . . . 4360 B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . . 4361 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Agrarpolitik (Drucksachen VI/1145, VI/ 1303) in Verbindung mit Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Maßnahmen der Bundesregierung in der Einkommens-, der Struktur- und der Sozialpolitik für die deutsche Landwirtschaft (Drucksache VI/1187, VI/1302), mit Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (Drucksache VI/945) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1407), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen VI/1384, zu VI/1384) — Zweite und dritte Beratung —, mit Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (Drucksache VI/249) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung) (Drucksache VI/1384) — Zweite Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zur Nachversicherung landwirtschaftlicher Unternehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache VI/438) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache VI/1384) — Zweite Beratung — Ehnes (CDU/CSU) 4362 D Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 4370 B Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 4377 C Ertl, Bundesminister . . 4380 C, 4423 B Arendt, Bundesminister . . . . . 4389 A Dr. Ritz (CDU/CSU) 4391 A Dr. Schiller, Bundesminister . . . 4395 B Lotze (SPD) 4398 C Höcherl (CDU/CSU) 4400 C Gallus (FDP) 4402 D Niegel (CDU/CSU) 4407 A Marquardt (SPD) . . . . . . . 4409 D Bittelmann (CDU/CSU) 4412 A Klinker (CDU/CSU) 4414 D Löffler (SPD) 4415 D Helms (FDP) 4418 B Dasch (CDU/CSU) 4419 C Dr. Gleissner (CDU/CSU) 4420 C Struve (CDU/CSU) 4425 D Horstmeier (CDU/CSU) 4427 B Wolf (SPD) 4428 A Röhner (CDU/CSU) . . . . . . 4428 C Dr. von Bülow (SPD) 4429 D Schonhofen (SPD) 4430 A Entwurf eines Gesetzes über eine Zählung in der Land- und Forstwirtschaft (Landwirtschaftszählungsgesetz 1971) (Drucksache VI/1133); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1368), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen VI/1282, Nachtrag zu VI/1282) — Zweite und dritte Beratung — 4431 C Entwurf eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache VI/ 1000) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1383), Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksache VI/1351) — Zweite und dritte Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 119) ; Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksache VI/1351) — Zweite Beratung — Hofmann (SPD) . . . . . . . . 4432 B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 4433 D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . . 4435 D Genscher, Bundesminister . . . . 4437 A Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer besonderen Ausgleichsabgabe auf eingeführten Branntwein (Drucksachen VI/1222, zu VI/ 1222) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache VI/1387) — Zweite und dritte Beratung — 4438 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundes- republik Deutschland zu den Abkommen über den Internationalen Währungsfonds und über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vom 28. Juli 1952 und des Gesetzes über das Europäische Währungsabkommen vom 26. März 1959 (Drucksache VI/ 1245) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache VI/1388) — Zweite und dritte Beratung — 4438 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1970 (ERP- Wirtschaftsplangesetz 1970) (Drucksache VI/912) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache VI/ 1379) — Zweite und dritte Beratung — 4438 C Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes (Drucksache VI/1314, zu VI/1314); Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1413), Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache VI/1389) — Zweite und dritte Beratung — 4438 D Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (Drucksache VI/936) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1408), Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache VI/1366) — Zweite und dritte Beratung — 4439 A Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache VI/ 1011) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/1409), Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache VI/1390) Zweite und dritte Beratung Damm (CDU/CSU) 4439 C Genscher, Bundesminister . . 4440 B Neumann (SPD) 4440 C 011esch (FDP) 4441 B Entwurf eines Gesetzes über vordringliche Änderungen auf dem Gebiet des Steuerrechts (Steueränderungsgesetz 1971) (Drucksachen VI/1313, zu VI/1313) Erste Beratung — 4441 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (Drucksache VI/1352) — Erste Beratung 4441 D Entwurf eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten (Drucksache VI/ 1333) — Erste Beratung — 4442 A Bericht gem. § 60 Abs. 3 GO über den Stand der Beratungen des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes Haase (Kellinghusen) (SPD) . . . . 4442 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . • 4442 D Dr. Bußmann (SPD) 4444 C Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 4445 C Pensky (SPD) . . . . . . . . 4446 A Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Adolf von Thadden, Bende bei Hannover, Dr. Siegfried Pohmann, München, Waldemar Schütz, Hannover, und weiterer vier Präsidiumsmitglieder der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Bevollmächtigter: RA Dr. jur. Wolfgang Huber, München, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 6. Deutschen Bundestag vom 28. September 1969 (Drucksache VI/1311) Schoettle (SPD). . . . . . . . . 4447 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 18/70 — Zollkontingent für Holzschliff) (Drucksachen VI/ 1327, VI/ 1378) . . . . . 4448 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (Drucksache VI/1380 Erste Beratung — Jahn, Bundesminister 4448 C Nächste Sitzung 4448 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4449 A Anlage 2 Antrag Umdruck 90 zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Maßnahmen der Bundesregierung in der Einkommens-, Struktur- und der Sozialpolitik für die deutsche Landwirtschaft (Drucksachen VI/1187, VI/1302) 4449 B Anlagen 3 und 4 Anträge Umdrucke 89 und 92 zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Agrarpolitik (Drucksachen VI/1145, VI/1303) 4450 A Anlage 5 Änderungsantrag Umdruck 87 zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft (Agrarsoziales Ergänzungsgesetz) (Drucksachen VI/249, VI/438, VI/945, VI/1384, zu VI/1384) 4451 A Anlage 6 Entschließungsantrag Umdruck 88 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen VI/1000, VI/1351) 4451 B Anlage 7 Änderungsantrag Umdruck 91 zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksachen VI/1011, VI/1390) . . 4451 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Dr. Weber (Köln) (SPD) zu seiner Mündlichen Frage betr. Vorschriften über Mindestwohnfläche und Mindestausstattung 4452 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Pohlmann (CDU/CSU) zu seiner Mündlichen Frage betr. bundeseinheitliche Aushaltungs-Richtlinie für Rohholz 4452 C Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Hussing (CDU/CSU) betr. die Zahl der in Strafanstalten einsitzenden Rauschgifttäter 4452 D Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. die Unterstellung in einem Informationsdienst, daß von der Bundesregierung kein verstärkter Kampf gegen die zunehmende sexuelle Verwilderung in Publikationsorganen zu erwarten sei . . . . . . . 4453 B Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Hein (Salzgitter-Lebenstedt) (CDU/CSU) betr. die Zentrale Erfassungsstelle der Westdeutschen Länderjustizverwaltungen zur Registrierung von Gewalt und Willkürakten an der Zonengrenze und in der DDR . . . . . 4453 C Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Härzschel (CDU/CSU) betr. Einschaltpreise für Werbespots im Zweiten Deutschen Fernsehen und bei Werbegesellschaften von ARD-Rundfunkanstalten 4453 D Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Jung (FDP) betr. periodische Begehung von Wohnsiedlungen der Bundeswehr . . . . . . . . . 4454 A Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Teilnahme des Reichsbundes der Kriegs-und Zivilbeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen an Vorbereitungsarbeiten der kommunistisch gesteuerten Verfolgteninternationale mit dem Ziel der Unterstützung einer europäischen Sicherheitskonferenz . . . . . . . . . . 4454 C Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hammans (CDU/CSU) betr. Durchsetzung des presserechtlichen Anspruchs auf Gegendarstellung . . . 4454 D Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Zebisch (SPD) betr Untersuchungsergebnisse bezüglich der Abgasdichte auf Schulwegen 4455 A Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Helms (FDP) betr. Speisekartoffeleinfuhren 4455 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 4345 78. Sitzung Bonn, den 11. November 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 13. 11. Dr. Aigner * 12. 11. Dr. Arndt (Berlin) 13. 11. Dr. Artzinger * 13. 11. Blumenfeld 11. 11. Frau Brauksiepe 11. 11. Buchstaller 11. 11. Dr. Burgbacher 11. 11. Corterier 11. 11. Damm 11. 11. Dr. Erhard 11. 11. Flämig 11. 11. Dr. Furler 11. 11. Dr. Geßner 11. 11. Dr. Götz 30. 11. Frau Griesinger 11. 11. Dr. Hallstein 13. 11. Dr. Hein 13. 11. Heyen 31. 12. Dr. Huys 13. 11. Dr. Jungmann 31. 1. 1971 Kater 11. 11. Dr. Kiesinger 13. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 11. 11. Frau Krappe 14. 11. Dr. Kreile 13. 11. Kriedemann * 13. 11. Lange 11. 11. Lenze (Attendorn) 11. 11. Dr. Löhr * 11. 11. Lücker (München) * 11. 11. Mattik 11. 11. Matthöfer 13. 11. Meister * 13. 11. Müller (Aachen-Land) * 11. 11. Neumann 11. 11. Petersen 11. 11. Pöhler 11. 11. Dr. Pohle 13. 11. Richarts * 11. 11. Dr. Schachtschabel 11. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 13. 11. Schmidt (Würgendorf) 11. 11. Schulhoff 11. 11. Springorum * 11. 11. Steiner 13. 11. Strauß 13. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Jaeger 31. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 90 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Großen Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Maßnahmen der Bundesregierung in der Einkommens-, der Struktur- und der Sozialpolitik für die deutsche Landwirtschaft - Drucksachen VI/1187, VI/1302 -. Der Bundestag wolle beschließen: Um die konsequente Weiterentwicklung der eingeleiteten Neuorientierung in der Agrarpolitik zu gewährleisten, wird die Bundesregierung ersucht, 1. in der Agrarpreispolitik bei den Verhandlungen im Ministerrat der EG ein für die deutsche Landwirtschaft günstiges Ergebnis anzustreben. Dazu gehört vor allem die weitere Heranführung des Futtergetreidepreises an den des Weichweizens, um dadurch auch zu einer Produktionsumlenkung zu gelangen, sowie die Heraufsetzung des Rinderorientierungspreises. Für die infolge der Kostensteigerungen erforderliche Anhebung des Trinkmilchpreises sollte bald eine Entscheidung getroffen werden. Der Markt muß genau beobachtet werden, damit - soweit wie möglich - Maßnahmen gegen einen Preisverfall bei einzelnen landwirtschaftlichen Produkten ergriffen werden können. Bei der Beurteilung der Erzeugerpreisentwicklung ist auch in den folgenden Jahren der Einkommensausgleich für die DM- Aufwertung zu berücksichtigen. 2. in der Agrarstrukturpolitik ,die Konzeption des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms mit seinen entscheidenden Verbesserungen für die Landwirtschaft auch im Hinblick auf die Überführung zur Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder weiter auszubauen. Dabei müssen alle Maßnahmen der allgemeinen Agrarstrukturpolitik und der regionalen Wirtschaftspolitik darauf gerichtet sein, den Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft zu fördern. 3. in der Agrarsozialpolitik a) gemäß dem Grundsatzbeschluß der Bundesregierung vom 22. Oktober 1970 möglichst schnell einen Gesetzentwurf für die Einführung einer Pflichtkrankenversicherung für Landwirte vorzulegen, damit das Gesetz zum 1. Januar 1972 in Kraft treten kann. Die Empfänger des landwirtschaftlichen Altersgeldes müssen beitragsfrei sein. b) Vorschläge für die Reform der landwirtschaftlichen Alterssicherung und der Unfallversicherung zu unterbreiten. Die Altershilfe muß zu einer echten. Altersversorgung ausgebaut werden; ,die Überprüfung des bisherigen Systems ist gesetzlich geboten. Die Unfallversicherung muß stärker auf die Belange der in der Landwirtschaft wirklich tätigen Personen abgestellt werden. 4450 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 4. in der Steuerpolitik beschleunigt Maßnahmen zu treffen, die eine rationelle Zusammenarbeit in landwirtschaftlichen Kooperationen ermöglichen. Bonn, den 10. November 1970 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 3 Umdruck 89 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Agrarpolitik — Drucksachen VI/1145, VI/1303 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 1970 — 1 BvL 17/67 — geschaffene latente Rechtsunsicherheit im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr ist durch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU vom 30. September 1970 nicht beseitigt worden (Drucksache VI/1207). Die Ungewißheit über den Inhalt der von der Bundesregierung vorzuschlagenden gesetzlichen Neuregelung hat Stagnation und unerwünschte Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt sowie erhebliche Unruhe bei den Betroffenen zur Folge. Ein schnelles Handeln der Bundesregierung erscheint dringend erforderlich. Die Bundesregierung wird daher ersucht, 1. die angekündigte gesetzliche Neuregelung umgehend vorzulegen, 2. die Neuregelung so zu gestalten, daß den fiktiven Anschaffungskosten die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundezulegen sind, daß weiterhin wegen der anerkannt typischen landwirtschaftlichen Eigenheiten ausreichende Befreiungstatbestände, Freibeträge und sonstige Steuer- bzw. Tarifvergünstigungen geschaffen werden, wie dies vom Bundesverfassungsgericht angeregt worden ist, 3. sofern ein entsprechender Gesetzentwurf aus unabweisbaren Gründen nicht umgehend vorgelegt werden kann, die bestehende Rechtsunsicherheit unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes durch eine sofortige geeignete Übergangsregelung zu beseitigen. Bonn, den 10. November 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 4 Umdruck 92 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Agrarpolitik — Drucksachen VI/1145, VI/1303 — Nach Ansicht der Fraktion der CDU/CSU ist die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU zur Agrarpolitik in weiten Teilen unbefriedigend. Die derzeit schwierige wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft wird von der Bundesregierung nicht genügend berücksichtigt. Auf den für die deutsche Landwirtschaft wichtigen Gebieten der Erzeugerpreise, der Betriebsmittelkosten, der Sozialpolitik und der Strukturpolitik sind die Ausführungen der Bundesregierung so vage, daß sie einer Konkretisierung im Sinne dieses Entschließungsantrages bedürfen. Die Fraktion der CDU/CSU beantragt daher: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Rahmen der bevorstehenden Agrarpreisverhandlungen im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften angesichts der für die Landwirtschaft unerträglichen Preis-/Kostenentwicklung darauf hinzuwirken, daß das Agrarpreisniveau angehoben wird. Vordringlich ist hierbei a) eine Angleichung der Preise von Weichweizen und Futtergetreide entsprechend ihrem Futterwert unter Aufrechterhaltung des Weizenpreises, b) eine Anhebung des Rinderorientierungspreises um 24 DM/100 kg auf 290 DM/100 kg, c) eine Anhebung des Interventionspreises für Butter um zwei Rechnungseinheiten, d) eine Anhebung des Interventionspreises für - Magermilchpulver um vier Rechnungseinheiten, e) eine Anhebung des Zuckerrübenpreises auf 7,25 DM/dz, f) eine Anhebung des Grundpreises für Schweinehälften auf 291,22 DM/100 kg; 2. angesichts der in der Molkereiwirtschaft gestiegenen und noch laufend steigenden Produktionskosten den Trinkmilchpreis um mindestens 4 Pfennig je Liter anzuheben; 3. die Altershilfe für Landwirte für Verheiratete auf monatlich 240 DM und für unverheiratete Berechtigte auf 160 DM anzuheben; 4. auf dem Gebiet der Agrarstrukturverbesserung, der Investitionsförderung und beim Küstenschutz sicherzustellen, daß hierfür ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden, die die steigenden Kosten in diesen Sektoren mindestens ausgleichen, so daß das Volumen aller Maßnahmen im Bereich der Agrarstrukturverbesserung und des Küstenschutzes auch bei Einführung der Gemeinschaftsaufgaben wenigstens nicht zurückgeht. Besondere Beachtung ist dabei der wirtschaftlichen Entwicklung in Grünlandgebie- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 4451 ten und in von der Natur benachteiligten Gebieten zu widmen. Bonn, den 11. November 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 5 Umdruck 87 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft (Agrarsoziales Ergänzungsgesetz — ASEG —) — Drucksachen VI/249, VI/438, VI/945, VI/1384, zu VI/1384 —. Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 1 § 1 wird wie folgt geändert: 1. Der Nummer 1 wird folgende Nummer 01 vorangestellt: ,01. § 4 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Das Altersgeld beträgt ab 1. Juli 1971 für den verheirateten Berechtigten 240 Deutsche Mark, für den unverheirateten Berechtigten 160 Deutsche Mark monatlich." ' 2. In Nummer 2 erhält § 12 Abs. 2 folgende Fassung: „ (2) Der Beitrag ist für alle Beitragspflichtigen gleich. Er beträgt ab 1. Januar 1971 bis 30. Juni 1971 27 Deutsche Mark, ab 1. Juli 1971 33 Deutsche Mark." 3. Nummer 3 erhält folgende Fassung: „3. § 13 wird gestrichen." Bonn, den 10. November 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 6 Umdruck 88 Entschließungsantrag des Abgeordneten Freiherr von Fircks und der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (23. ÄndG LAG) — Drucksachen VI/ 1000, V1/1351 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zum 1. April 1972 dem Deutschen Bundestag 1. über die bisherige Entwicklung und den Stand des Antragseingangs nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz zu berichten; 2. auf der Grundlage dieser Ergebnisse sowie unter Berücksichtigung des bis zum Ende der Antragsfrist nach dem Beweissicherungsgesetz am 31.Dezember 1972 erwarteten weiteren Antragseingangs eine Gesamtschätzung der Kosten für die Erfüllung der Ansprüche auf Hauptentschädigung für Zonenschäden vorzulegen. Bonn, den 10. November 1970 Freiherr von Fircks Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 7 Umdruck 91 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes — Drucksachen VI/1011, VI/1390 —. Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel 1 werden die Nummern 1 und 2 durch folgenden Wortlaut ersetzt: § 7 wird wie folgt geändert: a) Die Absätze 1 und 2 erhalten folgende Fassung: „(1) Dem Soldaten, der Grundwehrdienst leistet, wird am 1. Dezember und nach Maßgabe des Absatzes 2 bei der Entlassung eine besondere Zuwendung gewährt. (2) Die Zuwendung beträgt nach Ableistung eines Grundwehrdienstes von — zwei Monaten 75 Deutsche Mark, — fünf Monaten 80 Deutsche Mark, — acht Monaten 120 Deutsche Mark, — elf Monaten 160 Deutsche Mark, — vierzehn Monaten 200 Deutsche Mark, — siebzehn Monaten 240 Deutsche Mark. Auf die Zuwendung sind während des Grundwehrdienstes bereits gewährte Zuwendungen anzurechnen. Die Zuwendungen dürfen den Gesamtbetrag von 240 Deutsche Mark nicht übersteigen. Die Zuwendung unterliegt dem Kaufkraftausgleich nach § 2 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes, wenn der Soldat nach § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes doppelten Wehrsold erhält." b) Absatz 3 wird gestrichen. c) Die Absätze 4 bis 6 werden die Absätze 3 bis 5. d) In dem neuen Absatz 3 werden die Zahlen „1969" und die Worte „oder in den Fällen des § 1 Abs. 4 oder des § 2 Abs. 3 dieses Gesetzes seinen Dienst nicht ausübt" gestrichen. 4452 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 2. Artikel 2 erhält folgende Fassung: „Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am 1. November 1970 in Kraft." Bonn, den 11. November 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 10. November 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Weber (Köln) (SPD) zu seiner Mündlichen Frage t). Die Regelungen über die Errichtung von Wohnheimen sind in den für die Durchführung aller Maßnahmen auf dem Gebiet des Bau- und Wohnungswesens zuständigen Ländern nicht einheitlich. Besondere Vorschriften über Mindestwohnfläche und Mindestausstattung bestehen nur in den Ländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Nach den Wohnheimbestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1969 darf bei Wohnschlafzimmern für 2 und mehr Personen in der Regel eine Wohnfläche von 8 qm je Person nicht unterschritten werden. Diese Bestimmungen gelten grundsätzlich gleichermaßen für Deutsche wie für Ausländer. Abweichend von diesem Grundsatz sind nach dem Runderlaß des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen 284/69 vom 23. Mai 1969 bei der Förderung des Baues von Unterkünften für ausländische Arbeitnehmer durch die Bundesanstalt für Arbeit ausnahmsweise mindestens 5 qm Wohnfläche je Person zulässig. Die Bundesanstalt fördert den Bau von Unterkünften für ausländische Arbeitnehmer mit dieser Mindestwohnfläche seit 1960 mit erheblichen finanziellen Mitteln. Da diese Unterkünfte entsprechend den von der Bundesanstalt aufgestellten „Grundsätzen" vom 28. Oktober 1960 in Festbauweise als abgeschlossene Wohneinheiten errichtet werden, läßt sich der Beurteilung ,der Wohngröße die Gesamtwohnfläche (einschließlich Flur und Nebenräumen) zugrunde legen, die wesentlich über 5 qm je Person liegt. Eine Vergrößerung der Mindeswohnfläche je Person würde die Baukosten der Unterkünfte und damit die Kostenmiete je Bettplatz erhöhen. Sie würde damit zugleich die nicht erwünschte Folge haben, daß die ausländischen Arbeitnehmer, die nicht bereit sind, höhere Mieten zu zahlen, in nicht kontrollierte Unterkünfte ausweichen. Ich habe den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit ,gebeten, in die „Grundsätze über die Förderung der Unterkünfte" eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die Gesamtwohnfläche dieser Unterkünfte 8 qm je Person nicht unterschreiten darf. Der *) Siehe 52. Sitzung Seite 2646 D Präsident wird dem Vorstand der Bundesanstalt eine Änderung der „Grundsätze" in diesem Sinne vorschlagen. Der Runderlaß des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen 284/69 soll entsprechend modifiziert werden. Darüber hinaus wird im Rahmen der beabsichtigten Revision der Richtlinien für die Unterkünfte italienischer Arbeitnehmer aus dem Jahre 1964 eine entsprechende Regelung über die Mindestwohnfläche angestrebt. Erste Verhandlungen mit italienischen Regierungsstellen haben bereits begonnen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 10. November 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Pohlmann (CDU/CSU) zu seiner Mündlichen Frage *). Die Sortierung nach der Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Rohholz vom 31. Juli 1969 — die fakultativ ist — wird von allen Landesforstverwaltungen und, soweit bekannt, auch von den Gemeinden und vom Privatwald freiwillig mit Beginn des Forstwirtschaftsjahres 1971 eingeführt. Zwischen den Bundesministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Spitzenverbänden der Forst- und Holzwirtschaft ist vereinbart worden, die Erfahrungen bei der Anwendung der Verordnung im Wirtschaftsjahr 1971 abzuwarten. Sollte sich hierbei nach Überwindung der Anlaufschwierigkeiten die Notwendigkeit ergänzender Richtlinien herausstellen, so ist vorgesehen, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Ländern und unter Abstimmung mit den Verbänden der Forst- und Holzwirtschaft bundeseinheitliche Richtlinien herausgibt. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hussing (CDU/CSU) (Drucksache VI/1339 Frage A 34) : Wie viele deutsche Staatsangehörige sitzen in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und im Ausland wegen Rauschgiftvergehen in Strafanstalten ein? Statistische Angaben über die Zahl der deutschen Staatsangehörigen, die wegen Rauschgiftdelikten verurteilt sind und ihre Strafe in Justizvollzugsanstalten der Bundesrepublik Deutschland oder im Ausland verbüßen, sind nicht vorhanden. Die vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden herausgegebene Strafvollzugsstatistik enthält keine Angaben darüber, wieviel Rauschgifttäter in den Justizvollzugs- *) Siehe 76. Sitzung Seite 4255 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 4453 anstalten einsitzen, da Rauschgiftdelikte bislang im Straftatenverzeichnis der Vollzugsstatistik nicht besonders ausgewiesen werden. Im Hinblick auf die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland wird die Bundesregierung deshalb im Einvernehmen mit den Landesjustizverwaltungen prüfen, ob künftig auch Vergehen gegen das Opiumgesetz in das Straftatenverzeichnis der Strafvollzugsstatistik aufgenommen werden sollen. Hinsichtlich der Anzahl der Verurteilungen wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz sind zur Ergänzung der Antwort der Bundesregierung vom 28. März 1968 (Drucksache V/2789) auf die Kleine Anfrage betr. Status, Beurteilung und Maßnahmen auf dem Sektor Rauschgifte und Drogen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom Statistischen Bundesamt fernmündlich folgende Angaben mitgeteilt worden: In den Jahren 1966 bis 1968 sind in der Bundesrepublik Deutschland wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz rechtskräftig verurteilt worden: Jahr Verurteilte davon Ausländer insgesamt oder Staatenlose 1966 138 59 1967 176 80 1968 304 99 Für das Jahr 1969 liegen noch keine Ergebnisse vor. Bei der Systematik der Strafverfolgungsstatistik, der diese Zahlen entnommen sind, läßt sich allerdings die tatsächliche Zahl der Verurteilungen wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz nicht ermitteln. Wegen der geringeren Strafandrohung nach dem Opiumgesetz ist davon auszugehen, daß eine in Tateinheit oder Tatmehrheit mit einem Strafgesetz mit höherer Strafandrohung ausgesprochenen Verurteilung in der Strafverfolgungsstatistik nicht als Rauschmittelvergehen erscheint. Hierauf ist bereits bei der vorgenannten Antwort der Bundesregierung vom 28. März 1968 hingewiesen worden. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1339 Frage A 35) : Trifft die im Informationsdienst „R + S Information — Bonner Politischer Dienst" am 21. Juli 1970 veröffentlichte Unterstellung zu, daß von der jetzigen Bundesregierung kein verstärkter Kampf gegen die zunehmende sexuelle Verwilderung in verschiedenen Publikationsorganen zu erwarten sei, da eines der übelsten pornographischen Produkte, „Die St. Pauli-Nachrichten", in einer Firma hergestellt werde, die zur Sozialdemokratischen Konzentrations-GmbH gehöre? Nein, Herr Kollege, die Unterstellung, von der die Sie sprechen, ist böswillig und trifft nicht zu. Die Bundesregierung läßt sich in ihren Reformvorstellungen nicht von sachfremden Überlegungen leiten. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hein (Salzgitter-Lebenstedt) (CDU/CSU) (Drucksache V/1339 Fragen A 36 und 37) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Bemühungen des niedersächsischen Justizministers Schäfer zu unterbinden, die Zentrale Erfassungsstelle der Westdeutschen Länderjustizverwaltungen zur Registrierung von Gewalt und Willkürakten an der Zonengrenze und in der DDR, die ihren Sitz in Salzgitter hat, aufzulösen? Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß ein solches Vorgehen gegen den Geist und den Inhalt der Europäischen Konvention der Menschenrechte, die von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert ist, verstößt? Der Justizminister des Landes Niedersachsen hat gelegentlich der Justizministerkonferenz vom 28. bis 30. Oktober 1970 in Hannover die Frage der weiteren Arbeit und Organisation der Zertralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter aufgeworfen. Die Frage ist eingehend erörtert worden. Die Justiminister der Länder haben nach Abstimmung mit dem Bundesminister der Justiz wie folgt Stellung genommen: Nach Unterrichtung durch Herrn Justizminister Schäfer über die Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter sehen die Justizminister keinen Anlaß, ihre früheren Beschlüsse über die Einrichtung und Tätigkeit dieser Erfassungsstelle abzuändern. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Die Bundesregierung steht uneingeschränkt hinter der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Mit Ihrer Frage sprechen Sie aber das Problem an, welche Behörde in der Bundesrepublik Deutschland für die Strafverfolgung von Gewalt- und Willkürakten an der Zonengrenze und in der DDR zuständig ist. Dieses ist eine Frage der Organisation und der zweckmäßigen Zuständigkeitsregelung, die nach Auffassung der Bundesregierung außerhalb des Rahmens der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten liegt. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Härzschel (CDU/CSU) (Drucksache VI/1339 Frage A 59) : Hält die Bundesregierung die Erhöhung der Einschaltpreise für Werbespots im 2. Deutschen Fernsehen und bei fünf Werbegesellschaften von ARD-Rundfunkanstalten in der Höhe zwischen 10 und 35 % für gerechtfertigt? 4454 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 Ihre Frage ist identisch mit dem zweiten Teil Ihrer Frage, die wegen Ihrer Abwesenheit in der Fragestunde am 15. Oktober 1970 bereits schiftlich von Staatssekretär Schöllhorn beantwortet wurde, denn zwischen „gerechtfertigt" oder „wie beurteilt" ist ein geringer Unterschied. In jedem Fall hat jedoch Herr Schöllhorn in dem zweiten Teil . seiner Antwort, die ich Ihnen noch einmal zuschicke, Ihre Frage beantwortet. Wenn Sie noch zusätzliche Fragen haben, werde ich gern versuchen, Ihnen diese auch außerhalb der Fragestunde zu beantworten. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 11. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jung (FDP) (Drucksache VI/1386 Frage A 1): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die im gemeinsamen Erlaß des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen sowie des Bundesministers der Verteidigung an alle Oberfinanzdirektionen und Wehrbereichsverwaltungen (I B 4 -56 71 02 - 2 - bzw. U II 5 - Az.: 45-30-01 v. 31. 10. 1969) erbetene zweijährige periodische Begehung von Wohnsiedlungen in vielen Fällen noch immer nicht durchgeführt ist, und wann werden die Begehungen voraussichtlich abgeschlossen sein? Der Bundesregierung ist bekannt, daß die periodische Begehung von Wohnsiedlungen der Bundeswehr bisher nicht in allen Standorten durchgeführt ist. Bereits bei Herausgabe des gemeinsamen Erlasses am 31. Oktober 1969 an die Oberfinanzdirektionen und Wehrbereichsverwaltungen war erkennbar, daß die in Betracht kommenden 503 Standorte der Bundeswehr im Hinblick auf den Personal- und Zeitaufwand nicht in kurzer Zeit aufgesucht werden können. Der Erlaß sieht daher auch vor, „möglichst" alle 2 Jahre die Standorte zu begehen und „anstehende" Probleme gemeinsam zu erörtern. Er empfiehlt ferner, solche Standorte vorzuziehen, in denen sich Schwierigkeiten, insbesondere im Verhältnis Vermieter/Mieter ergeben haben oder abzeichnen. Da sich zu klärende Fragen auch in bereits begangenen Standorten jederzeit erneut ergeben können, ist ein Abschluß im Sinne einer Beendigung der Begehung nicht zu erwarten, zumal auch der gemeinsame Erlaß möglichst einen wiederholten Besuch der Standorte vorsieht. Andererseits-liegt es durchaus im Rahmen des Ermessens der Oberfinanzdirektionen und Wehrbereichsverwaltungen, solche Standorte, in denen erkennbar keine Probleme anstehen oder sich abzeichnen, in längeren als zweijährigen Zeiträumen aufzusuchen oder evtl. gar auf eine Begehung zu verzichten. Auf Grund des gemeinsamen Erlasses haben die Oberfinanzdirektionen und Wehrbereichsverwaltungen 87 Standorte aufgesucht, davon 10 mehrmals. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 11. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1386 Frage A 6) : Wie bewertet die Bundesregierung die Mitarbeit des „Reichsbund" an den Vorbereitungsarbeiten einer von der FER, der kommunistisch gesteuerten Verfolgteninternationale, geplanten Veranstaltung, die das Ziel hat, eine sogenannte europäische Sicherheitskonferenz zu unterstützen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß der „Reichsbund der Kriegs- und Zivilgeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen" auf seiner 7. Bundestagung am 1. bis 3. Oktober 1970 in Koblenz beschlossen hat, die Kontakte zu den WiderstandskämpferVerbänden in Osteuropa zu verstärken. Im Rahmen dieser Bestrebungen haben Vertreter des „Reichsbundes" am 21./22. Oktober dieses Jahres in Belgrad an einer u. a. von der „Fédération internationale des résistants (FIR)" geförderten Sitzung nationaler Verbände ehemaliger Widerstandskämpfer teilgenommen. Diese Tagung sollte Zeitpunkt, Ort und Themen eines europäischen Treffens ehemaliger Widerstandskämpfer Europas vorbereiten, auf dem Fragen eines „auf die Grundsätze der Vereinten Nationen gegründeten Sicherheitssystems aller europäischen Völker" erörtert werden sollen. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, zu der Mitwirkung des „Reichsbundes" bei dieser vorbereitenden Tagung eine wertende Stellungnahme abzugeben. Es gehört nicht zu ihren Befugnissen, demokratischen Organisationen wegen der Wahl ihrer Gesprächspartner Lob oder Tadel auszusprechen. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 11. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hammans (CDU/CSU (Drucksache VI/1386 Frage A 7) : Hält es die Bundesregierung trotz der Pressefreiheit, die auch ich bejahe, nicht für notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um in Zukunft Berufsstände oder Einzelpersönlichkeiten, die möglicherweise Presseverleumdungen in besonderen Maßen ausgesetzt sind, gegenüber solchen Behauptungen zu schützen und diese Presseorgane durch eine Änderung der betreffenden Bestimmungen zu zwingen, auch eine wahrheitsgemäße Gegendarstellung mit der gleichen Placierung in ihrem Organ zu veranlassen? Ein Anspruch auf Gegendarstellung ist bereits in den Landespressegesetzen gegeben. Er steht der „betroffenen Person oder Stelle" zu, soweit sie durch eine „im Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung" betroffen ist. Unabhängig vom presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch gibt es zivilrechtliche Ansprüche, wenn jemand durch eine Presseveröffentlichung geschädigt wird. Wird Zugleich durch die Veröffentlichung eine Strafbestimmung verletzt, so tritt entweder nach Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 4455 den allgemeinen Strafrechtsvorschriften oder nach den Landespressegesetzen die Strafverfolgung ein. In diesem Rahmen kennt das Strafrecht einen besonderen Ehrenschutz für den Bundespräsidenten, für Verfassungsorgane in Bund und Ländern und ihre Mitglieder sowie für Personen, die im politischen Leben stehen. Durch dieses System ineinandergreifender Rechtsvorschriften wird bereits heute ein weitgehender Rechtsschutz erreicht. Bei den Vorarbeiten für den Entwurf eines Presserechtsrahmengesetzes des Bundes wird jedoch in meinem Hause zur Zeit geprüft, wie der Rechtsschutz in Übereinstimmung mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit im Bereich des Gegendarstellungsanspruchs und bei der Sorgfaltspflicht der Presse verstärkt werden kann. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 11. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache VI/1386 Fragen A 21 und 22) : Hat die Bundesregierung oder haben andere Stellen in der Bundesrepublik Deutschland die Abgasdichte auf den Schulwegen unserer Kinder in den Städten untersucht, und wie sind die Untersuchungsergebnisse ausgefallen? Wird die Bundesregierung mit den Ländern dahin gehend Verbindung aufnehmen, daß der Schulanfang auf Zeiten verschoben wird, die außerhalb der größten Verkehrsdichte liegen, damit die Schulkinder weder den Gefahren des Straßenverkehrs noch den Gefährdungen durch hohe Abgaskonzentrationen in den Straßen ausgesetzt sind? Der Bundesregierung sind keine speziellen Untersuchungsergebnisse bezüglich der Abgasdichte auf Schulwegen bekannt. Die Belastung der Luft mit Luftverunreinigungen auf Schulwegen kann nur mit Hilfe von Analogiebetrachtungen aus den Ergebnissen anderer Messungen hergestellt werden. Der morgendliche Schulanfang fällt im allgemeinen mit dem Maximum der Verkehrsdichte und damit mit einer Höchstbelastung durch Abgase von Kraftfahrzeugen zusammen. Man kann davon ausgehen, daß unsere Kinder auf den Schulwegen maximal bis zu 30 Minuten den Einwirkungen von Kraftfahrzeugabgasen ausgesetzt sind. Unter ungünstigen meteorologischen Verhältnissen ist über einen Zeitraum von 30 Minuten der Hauptverkehrszeit in den Zentren der Großstädte eine Konzentration von 25 ppm (parts per million) Kohlenmonoxid festgestellt worden. Die kurzfristigen Einwirkungen von 25 ppm Kohlenmonoxid über einen Zeitraum von 30 Minuten erscheinen nach den vorliegenden Forschungsergebnissen noch unbedenklich. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß in den Verdichtungsgebieten die Luft nicht nur durch Kohlenmonoxid verunreinigt ist. Die Bundesregierung ist deshalb der Ansicht, daß grundsätzlich die Verunreinigung der Luft an den Quellen zu bekämpfen ist und daß alle Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Luft so rein wie möglich zu halten. Insbesondere gilt dies für die Entgiftung der Abgase aus Kraftfahrzeugen. In der Bundesrepublik und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sind Vorschriften erlassen worden, durch die der Auswurf von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen vermindert wird (Anlage XI, XII, XIII und XIV der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Ein Gesetz zur Verminderung der Bleizusätze der Kraftstoffe ist in Vorbereitung. Die Bundesregierung wird alle Anstrengungen unternehmen, um die dort festgelegten Grenzwerte weiter zu senken. Der BMBW wird dieses Problem der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in einem Brief unterbreiten. Über das Ergebnis wird er Sie schriftlich unterrichten. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 10. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Helms (FDP) (Drucksache VI/1386 Frage A 48) : Welches sind nach Auffassung der Bundesregierung die Gründe dafür, angesichts eines inländischen Überangebotes die Speisekartoffeleinfuhren z. B. aus Griechenland mengen- und wertmäßig freizugeben (Bundesanzeiger Nr. 193 vom 16. Oktober 1970, Ausschreibung 242199)? Der augenblickliche Preisdruck auf den norddeutschen Speisekartoffelmärkten wird nicht durch Drittlandeinfuhren verursacht. 1. Die Einfuhren aus Drittländern sind nicht liberalisiert. Vielmehr bestehen nur begrenzte und handelsvertraglich festgelegte Einfuhrkontingente, und zwar über 70 000 t aus Polen und bis zu 2000 t aus der Tschechoslowakei. Beide Kontingente sind ausschließlich für die Versorgung West-Berlins bestimmt und wurden bisher zumeist nicht ausgenutzt. Nur in Ausnahmejahren wurden begrenzte Partien dieser Kontingente von der heimischen Veredelungsindustrie übernommen, wenn diese sich mit dem benötigten Spezialrohstoff im Inland nicht ausreichend versorgen konnte. 2. Alle übrigen Speisekartoffeleinfuhren kommen aus den EWG-Mitgliedstaaten; diese Einfuhren sind vertragsgemäß liberalisiert. Die Ausschreibung von Einfuhrmöglichkeiten für Speisekartoffeln aus Griechenland entspricht Artikel 37 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland, wonach die Vertragsparteien die allgemeinen Vorschriften zur Beseitigung von Einfuhrkontingenten sowie von Abgaben und Maßnahmen gleicher Wirkung anzuwenden haben. 4456 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 Die gesamte Speisekartoffelernte Griechenlands erreichte 1969 nur 220 000 t; sie gestattet keine nennenswerten Ausfuhren. 3. Der Preis in der EWG wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Die gesamte EWG-Kartoffelernte ist in diesem Jahr nicht größer als im Vorjahr. Obgleich auch die deutsche Kartoffelernte 1970 mit 16,25 Millionen t nur um 1,7% über der von 1969 liegt, bleiben die diesjährigen Erzeugererlöse erheblich hinter denen des Vorjahres zurück. Hauptursache ist eine größere Produktionsausweitung in Norddeutschland (allein in Nie- dersachsen und Schleswig-Holstein 1,07 Millionen t mehr als im Vorjahr). Da das Angebot in Süddeutschland trotz unterdurchschnittlicher Ernte für die dortige Nachfrage ausreicht, sind übergebietliche Absatzmöglichkeiten für norddeutsche Ware beschränkt. Hinzu kommt, daß die norddeutschen Kartoffelsorten zum Teil nicht der Geschmacksrichtung anderer Absatzregionen entsprechen und im Gegensatz zu Süddeutschand ausreichende Verarbeitungs- und Veredlungskapazitäten fehlen. Der Angebotsdruck in Norddeutschand beeinträchtigt leider die Preisentwicklung im gesamten Bundesgebiet.
Gesamtes Protokol
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gedenken wir des vorgestern gestorbenen ehemaligen Präsidenten der Französischen Republik, Charles de Gaulle.
Als am gestrigen Tage die Nachricht von dem Heimgang des Staatspräsidenten in der Bundeshauptstadt bekanntwurde, richtete der Präsident dieses Hauses folgendes Telegramm an den Präsidenten der Nationalversammlung der Französischen Republik, Herrn Achille Peretti:
Die Nachricht vom Tode des ehemaligen Präsidenten der Französischen Republik Charles de Gaulle hat in der Bundesrepublik Deutschland tiefe Anteilnahme ausgelöst.
Persönlich und im Namen des Deutschen Bundestages übermittle ich Ihnen, Herr Präsident, und allen Mitgliedern ,der Nationalversammlung Frankreichs unser aufrichtiges Mitgefühl. Wir trauern mit Ihnen um einen großen Franzosen und Europäer, der gemeinsam mit dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Konrad Adenauer die Aussöhnung zwischen Franzosen und Deutschen möglich gemacht hat.
Das Lebenswerk Charles de Gaulles hat die Geschichte unseres Kontinents wesentlich bestimmt. Es verpflichtet ,die lebenden Generationen unserer Völker über seinen Tod hinaus, die deutsch-französische Freundschaft weiter zu stärken und mit immer neuem lebendigem Geist zu erfüllen. Wir bewahren ihm unseren Respekt für ein tapferes Lebenswerk im Dienst seines Vaterlandes, für die Überwindung alter Gegensätze in Europa und damit für den Frieden auf unserem Kontinent.
Der Herr Präsident hat gleichzeitig der Witwe des Verstorbenen das aufrichtige Mitgefühl und die herzliche Anteilnahme des Deutschen Bundestages ausgesprochen.
Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, der Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung ,dem Bundestag folgende Vorlagen zugeleitet, die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichnet sind und die dem Haushaltsausschuß überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundesminister der Finanzen
Betr.: Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 15 02 Tit. 681 11 (Schul- und Berufsausbildungsbeihilfen an jugendliche Zuwanderer)

— Drucksache VI/1305 —
Vorlage des Bundesministers der Finanzen
Betr.: Finanzierung der Olympischen Spiele 1972
hier: Grundsätzliche Einwilligung in eine überplanmäßige Haushaltsausgabe bei Kap. 06 02 Tit. 893 15
— Drucksache VI/1306 —
Vorlage des Bundesministers der Finanzen
Betr.: Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 14 18 Tit. 553 01 (Erhaltung der Schiffe, Betriebswasserfahrzeuge, Boote, schwimmenden Geräte und sonstigen Marinegeräte)

— Drucksache VI/1307 —
Vorlage des Bundesministers der Finanzen
Betr.: Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 14 12 Tit. 517 01 — Bewirtschaftung der Grundstücke, Gebäude und Räume
— Drucksache VI/1312 —
Vorlage des Bundesministers der Finanzen
Betr. : Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 10 03 Tit. 683 88 (Frachthilfe für Getreide) Hj. 1970 bis zur Höhe von 7,0 Millionen DM
— Drucksache VI/1318 —
Das Haus ist damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Der Ältestenrat empfiehlt ihnen, den in der 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. November 1970 gefaßten Beschluß über die Vorverlegung der Einreichungsfrist für Fragen von freitags 15 Uhr auf freitags 11 Uhr auf die Schriftlichen Fragen auszudehnen. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das Haus mit der entsprechenden Änderung von Nr. 18 der Richtlinien für die Fragestunde ebenfalls einverstanden.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 5. November 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Probst, Dr. Riedl (München), Geisenhofer, Roser, Dr. Schneider (Nürnberg), Dr. Kreile, Niegel und Genossen betr. Wohnsituation der Studenten — Drucksache VI/1285 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1391 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat am 6. November 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauff, Dr. Meinecke (Hamburg), Dr. Lohmar, Raffert, Jung, Graaff, Grüner, Krall, Mertes und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Datenverarbeitung — Drucksache VI/1276 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1396 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 9. November 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Klepsch, Dr. Zimmer-
4346 Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode - 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970
Vizepräsident Frau Funcke
mann, Damm, Ernesti, Dr. Marx (Kaiserslautern), Haase (Kassel) und Genossen betr. Finanzplanung Verteidigungshaushalt für die Jahre 1971/1974 — Drucksache VI/1286 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/1398 verteilt.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Ausschuß für Wirtschaft haben gegen die nachfolgenden, vom Rat der EG inzwischen verkündeten Verordnungen keine Bedenken erhoben:
Verordnung (EWG) des Rates über eine erneute Verlängerung der in Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17/64/ EWG fiber die Bedingungen für die Beteiligung des EAGFL vorgesehenen Frist für das Jahr 1969
— aus Drucksache VI/1184 —Verordnung (EWG) Nr. 1218/70 des Rates vom 29. Juni 1970 über die Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Richtpreis und zum Interventionspreis für tlsaaten Im Wirtschaftsjahr 1970/1971
Verordnung (EWG) Nr. 1219/70 des Rates vom 29. Juni 1970 zur Festsetzung der Hauptinterventionsorte für Ölsaaten und der dort geltenden abgeleiteten Interventionspreise für das Wirtschaftsjahr 1970/1971
Verordnung (EWG) Nr. 1220/70 des Rates vom 29. Juni 1970 zur Änderung der Verordnung Nr. 116/67/EWG über die Beihilfe für Ölsaaten
Verordnung (EWG) Nr. 1221/70 des Rates vom 29. Juni 1970 zur Änderung der Verordnung Nr. 876/67/EWG zur Einführung einer zusätzlichen Beihilfe für in Italien verarbeitete Raps- und Rübsensamen
— Drucksache VI/1071 —
Verordnung (EWG) des Rates über die Einfuhr von Olivenöl aus Spanien
— Drucksache VI/1094 —
Verordnung des Rates über die Einfuhr von Olivenöl aus Tunesien
— Drucksache VI/1105 —
Verordnung des Rates zur Aufnahme weiterer Waren in die im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 1025/70 des Rates aufgeführte Liste (1. Erweiterung).
— Drucksache VI/1099 —
Verordnung des Rates über die teilweise Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Pampelmusen und Grapefruits (Tarifstelle 08.02 D)

— Drucksache VI/1202 —
Verordnung (EWG) des Rates über die Einfuhr von Zitrusfrüchten mit Ursprung in Spanien
— Drucksache VI/1096 (neu)
Verordnung (EWG) des Rates über die Einfuhr von Zitrusfrüchten mit Ursprung in Israel
— Drucksache VI/1106 —
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EWG-Vorlagen
Verordnung des Rates zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 162/69 betreffend den aktiven Veredelungsverkehr bestimmter Milcherzeugnisse
— Drucksache VI/1370 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates betreffend die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die in Zollagern und Freizonen zulässigen üblichen Behandlungen
— Drucksache VI/1371 —
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die zeitweilige Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für Balsamterpentinöl der Tarifstelle 38.07 A und für Kolophonium der Tarifstelle 38.08 A
— Drucksache VI/1372 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über eine ergänzende Abschlagszahlung auf die für den EAGFL, Abteilung Garantie, für den Verbuchungszeitraum „zweites Halbjahr 1969" in Betracht kommenden Ausgaben
— Drucksache VI/1373 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
Drucksache VI/1386 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens anwesend. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Jung auf. — Ist Herr Jung anwesend? — Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zur Beantwortung ist Herr Minister Eppler anwesend. Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Unertl auf:
Treffen Meldungen zu, wonach die Bundesregierung der neuen chilenischen Regierung besondere Entwicklungshilfen gewährt, und welche Bedingungen wurden ggf. für diese Hilfen vereinbart?
Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0607800100
Herr Kollege Unertl, die Bundesregierung gewährt der neuen chilenischen Regierung keine besondere Entwicklungshilfe. Dementsprechend wurden auch keine besonderen Bedingungen vereinbart. Die Bundesregierung wird ihre bestehenden Verpflichtungen vertragsgemäß einhalten und die laufenden Projekte weiterführen. Die chilenische Regierung weiß, daß wir sie in ihrem Bemühen, die wirtschaftliche und soziale Lage zu festigen, wie bisher auch weiterhin tatkräftig unterstützen wollen. Wir sind bereit, Chile auch in unsere künftige Planung einzubeziehen. Entsprechende Vorschläge der chilenischen Regierung für die weitere technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit müssen abgewartet werden. Nach Eingang neuer Vorschläge werden wir diese wohlwollend prüfen und im Rahmen unserer Möglichkeiten auch berücksichtigen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607800200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607800300
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß nach der Neubildung der dortigen Regierung der neue Präsident nach Pressemeldungen erklärt hat, daß er als volkswirtschaftliche und wirtschaftliche Notwendigkeit die Verstaatlichung von Unternehmen in ausländischer Hand vorhat? Er sagt zwar, daß er zunächst den Eisenerz- und Kupferbergbau verstaatlichen will, später aber — so heißt es dann — sollen die gleichen Maßnahmen auch in anderen Wirtschaftsbereichen eingeleitet werden. Ist Vorsorge getroffen, daß die Gelder, gegen deren Hingabe, wenn kein Mißbrauch getrieben wird, ich nichts einzuwenden habe, dann auch in unserem Sinne verwendet werden?

(Anhaltende starke Unruhe.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607800400
Herr Minister, einen Augenblick bitte! — Ich bitte das Haus um Ruhe. Wenn Gespräche geführt werden müssen, daim bitte draußen. Es ist hier nichts zu verstehen.
— Bitte schön, Herr Minister!




Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0607800500
Herr Kollege Unertl, die Bundesregierung verhält sich nach dem Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Sie wird also ihre Entwicklungspolitik nicht an solchen internen Maßnahmen einer Regierung orientieren können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607800600
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607800700
Herr Bundesminister, ich lasse dies ja voll und ganz gelten. Aber im Rahmen der Verwendung von Steuergeldern wäre doch eine gewisse Vorsicht auch bei der Hingabe von Entwicklungshilfegeldern am Platze. Ich denke insbesondere auch an andere Länder.

(Zurufe von der SPD: Frage!)

- Ich frage den Herrn Bundesminister — ob Sie da drüben zuhören können oder nicht —

(Zurufe von der SPD: Unerhört! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich schließe mich vollkommen dem an, was die Präsidentin gerade festgestellt hat. Ich habe sonst gar nichts vor, und es steht mir gar nicht das Recht zu, Sie bei der Unterhaltung zu stören. Aber das ist kein guter parlamentarischer Stil.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607800800
Herr Kollege Unertl, ich bitte, die Frage kurz und bündig zu stellen.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607800900
Ich frage den Herrn Bundesminister, ob nicht auf Grund der bekannten Tatsache, daß z. B. gerade auch in den südafrikanischen Staaten unter Umständen die Gefahr besteht, daß dort die kommunistischen Guerillas unterstützt werden und Waffen in der UdSSR kaufen, nicht auch gerade bei der Hingabe von Entwicklungshilfe etwas mehr Vorsicht am Platze wäre.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0607801000
Herr Kollege Unertl, als Mitglied des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist Ihnen sicherlich bekannt, daß die Bundesregierung niemandem auf dieser Welt einfach Geld gibt, mit dem er tun oder auch lassen kann, was ihm behagt, sondern daß die Bundesregierung mit der Regierung des jeweiligen Landes Projekte vereinbart, die diesem Land und uns richtig und für den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt dieses Landes förderlich erscheinen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607801100
Es tut mir leid, Herr Kollege Unertl; Sie haben Ihre zwei Fragen gestellt. Sie können ja vielleicht später einmal weitere Fragen stellen.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der auf dem 6. Deutschen Evangelischen Akademikertag beschlossenen Resolution Nr. 4 zu entsprechen, die sich mit der Einbeziehung von Jungakademikern in Entwicklungsdienste befaßt?

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0607801200
Herr Kollege Josten, es trifft zu, daß Wehrpflichtige unter Freistellung vom Grundwehrdienst nur dann für den Entwicklungsdienst tätig werden können, wenn sie nicht älter als 22 bzw. 23 Jahre sind. Das bedeutet, daß für Akademiker, die normalerweise ihr Studium in diesem Alter noch nicht abgeschlossen haben, bisher eine entsprechende Freistellung nicht möglich ist.
Ich bin mit dem Bundesminister der Verteidigung darin einig, daß jährlich bis zu 300 Akademikern die Chance gegeben werden soll, Entwicklungsdienst an Stelle von Wehrdienst zu leisten. Die Bundesregierung ist gegenwärtig dabei, dafür die organisatorischen, fachlichen und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dies ändert allerdings nichts daran, Herr Kollege, daß auf Grund des Bedarfs der Entwicklungsländer und der bisherigen Erfahrungen nur Entwicklungshelfer mit abgeschlossener Berufsausbildung Entwicklungsdienst leisten sollen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607801300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0607801400
Herr Minister, halten Sie z. B. den Vorschlag, welchen die 3. Akademie des Cusanuswerkes dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit gemacht hat, für eine gute Lösung, nach dem Abiturienten auf Wunsch vom Wehrdienst zurückgestellt werden, um nach dem Studium gemäß ihrer Qualifikation in Entwicklungsländern arbeiten zu können?

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0607801500
Herr Kollege, darauf läuft unser Programm hinaus, und zwar für eine bestimmte, begrenzte Zahl.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607801600
Eine weitere Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0607801700
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung eine Gesetzesänderung vorschlagen wird, wonach durch eine Heraufsetzung der Altersgrenze die Mitarbeit von Jungakademikern im Entwicklungsdienst ermöglicht wird.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0607801800
Nein, Herr Kollege, die Bundesregierung wird keine Gesetzesänderung vorschlagen, weil dadurch Weiterungen entstehen, die Sie und ich wahrscheinlich nicht wollen. Die Bundesregierung wird vielmehr versuchen, dasselbe Problem für den von mir angesprochenen Personenkreis auf dem Verwaltungsweg zu lösen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607801900
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Herrn Bundesminister Eppler für die Beantwortung der Fragen.
Jetzt wären die Fragen 46 und 47 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung,



Vizepräsident Frau Funcke
Landwirtschaft und Forsten an der Reihe. Da sie jedoch im Zusammenhang mit der heute noch zu führenden Debatte stehen, sind sie jetzt nicht zugelassen.
Die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Helms wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dorn zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Folger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine südafrikanische Bergwerksgesellschaft- in den österreichischen Alpen mit dem Abbau von Kupfer beginnt und die dabei entstehenden chemisch verseuchten Abwässer über die Tiroler Ache in den oberbayerischen Chiemsee gelangen können, und, wenn ja, was wird sie dagegen tun?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607802000
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß eine südafrikanische Bergwerksgesellschaft in den Kitzbühler Alpen Kupfer abzubauen beabsichtigt. Wegen der dadurch zu befürchtenden schädlichen Verunreinigungen auch deutscher Gewässer hat die Bayerische Staatsregierung bereits Verbindung mit der Tiroler Landesregierung aufgenommen. Wie mir die Bayerische Staatskanzlei mitgeteilt hat, sollen diese Gespräche demnächst fortgesetzt werden. Es sei bisher noch nicht bekannt, ob und in welchem Umfang bereits Schürfrechte verliehen worden sind.
Sollten die unmittelbaren Gespräche zwischen den bayerischen und den Tiroler Behörden zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, wird die Bundesregierung geeignete Schritte gegenüber der österreichischen Bundesregierung unternehmen, um Schädigungen, die durch die Abwässer eines Kupferabbaues zu befürchten sind, von deutschen Gewässern abzuwenden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607802100
Eine Zusatzfrage.

Erwin Folger (SPD):
Rede ID: ID0607802200
Herr Staatssekretär, wäre es möglich, daß das Auswärtige Amt schon jetzt mit der österreichischen Regierung verhandelt, damit das Unglück nicht erst passiert?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607802300
Herr Kollege, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß wir mit der Bayerischen Staatsregierung noch einmal Fühlung nehmen sollten, um so schnell wie möglich festzustellen, ob die Schürfrechte bereits verliehen worden sind und wann mit den Arbeiten begonnen wird. Dies sollten wir tun, damit wir uns zum geeigneten Zeitpunkt einschalten können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607802400
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 5 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Was gedenkt die Bundesregierung gegen die vom Bundesamt für Verfassungsschutz bestätigte Tatsache zu tun, daß in der
Bundesrepublik Deutschland täglich zwei Spione für den östlichen Geheimdienst angeworben werden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607802500
Herr Kollege, die von Ihnen genannte Zahl bedarf in zweifacher Hinsicht einer Klarstellung. Zum einen sind darin auch die erfolglosen Anwerbungsversuche enthalten, zum anderen handelt es sich um sämtliche Versuche östlicher Nachrichtendienste, innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland Personen für Spionageaufträge gegen die Bundesrepublik anzuwerben.
Die Zahl von rund 700 festgestellten Anwerbungsversuchen im Jahr darf zwar nicht verharmlost werden, erscheint dadurch aber in einem anderen Licht. Fast zwei Drittel der Werbungsversuche wurden gegenüber Reisenden der Bundesrepublik Deutschland in der DDR vorgenommen. Diese Werbungsversuche kann die Bundesregierung natürlich nicht verhindern. Der weit überwiegende Teil der Versuche scheitert jedoch, weil die Angesprochenen sich nicht zu einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit bereit erklären. Durch die Beschränkung von Ostblockreisen für Geheimnisträger und durch Aufklärung und Warnung von Personen, die bei Ostblockreisen Anwerbungsversuchen ausgesetzt werden könnten, wird dem Erfolg solcher Versuche ebenfalls entgegengewirkt.
Gegen die Anwerbungsversuche in der Bundesrepublik Deutschland und gegen die Auswirkungen erfolgreicher Werbungen richtet sich die Arbeit der für die Spionageabwehr zuständigen Abteilung im Bundesamt für Verfassungsschutz. Personelle und technische Ausstattung dieser Abteilung sind verstärkt worden; auch für 1971 werden entsprechende zusätzliche Mittel beantragt werden.
Im übrigen ist der sogenannte vorbeugende Geheimschutz intensiviert worden. Dazu gehören Sicherheitsüberprüfungen von Geheimnisträgern, ständiger Erfahrungsaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden und den Sicherheitsbeauftragten bei Behörden, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen sowie Veranstaltungen von aufklärenden Vorträgen, Verteilung von Informationsmaterial und Vorführung von Lehrfilmen.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch die gerade in letzter Zeit erfreulich gestiegene Zusammenarbeit der Bevölkerung mit den Sicherheitsbehörden. Alle Bürger unseres Staates bleiben aufgerufen, einschlägige Wahrnehmungen oder Anwerbungsversuche unverzüglich den zuständigen Behörden mitzuteilen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607802600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Engelsberger.

Matthias Engelsberger (CSU):
Rede ID: ID0607802700
Herr Staatssekretär, liegen Schätzungen darüber vor, wie viele Spione aus dem Osten in der Bundesrepublik angesetzt sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607802800
Es liegen Schätzungen



Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
vor. Ob diese Schätzungen den Realitäten entsprechen, ist eine Frage, die ständig überprüft wird und die kein Mensch genau beantworten kann.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607802900
Eine weitere Zusatzfrage.

Matthias Engelsberger (CSU):
Rede ID: ID0607803000
Herr Staatssekretär, wie vereinbart sich die Eskalation auf dem Gebiete der Spionage von seiten des Ostens in der Bundesrepublik mit den Entspannungsbemühungen der Bundesregierung gegenüber der DDR und der Sowjetunion? Ist das, was hier geschieht, nicht gerade konträr: einerseits verhandeln wir, bemühen wir uns um friedliche Regelungen, andererseits wird die Zahl der Spione in der Bundesrepublik noch verstärkt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607803100
Herr Kollege, von einer Eskalation in den letzten Jahren kann überhaupt keine Rede sein. Wenn die Zahlen zutreffen, die in früheren Jahren veröffentlicht worden sind, waren damals erheblich mehr Versuche als zur Zeit unternommen worden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607803200
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 6 des Abgeordneten Weigl wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans! — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Berger auf:
Trifft die von Herrn Staatssekretär Dr. Schöllhorn in der Fragestunde vom 15. Oktober 1970 (vgl. Stenographischer Bericht Seite 4076 [B]) aufgestellte Behauptung, „den Arbeitnehmern verbleibt unter Berücksichtigung der eingetretenen Steigerungen der Lebenshaltungskosten eine Zunahme der reinen Nettolohn- und -gehaltssumme von gut 8 %", auch für die Beamten zu?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607803300
Herr Kollege Berger, diese Schätzung, von der Sie sprechen, steht unter der Prämisse, die Herr Staatssekretär Dr. Schöllhorn in der Fragestunde vom 15. Oktober dargestellt hat und die Sie, Herr Kollege, in Ihrer Frage nicht erwähnt haben. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin aus dem Protokoll zitieren:
ich wollte, unsere Statistik wäre so aussagefähig, daß wir solche Durchschnittsrechnungen disaggregieren könnten. Bei uns in der Bundesrepublik fehlt nach wie vor eine einigermaßen zuverlässige und aktuelle Einkommensstatistik. Alle Versuche, eine solche Statistik einzuführen — die Vorschläge sind schon seit vielen Jahren auf dem Tisch , sind bisher gescheitert. ... weil sich nach dem Einspruch der Länder keine Mehrheit im Vermittlungsausschuß ergeben hat."
Nach Meinung der Bundesregierung spricht zwar einiges dafür, daß sich auch für Beamte eine Nettogehaltssumme voraussichtlich in dieser Höhe ergeben wird. Ich darf das aber noch einmal unter die von dem Herrn Kollegen Dr. Schöllhorn genannte Prämisse stellen: Eine ganz eindeutige aussagefähige Zahl ist leider nicht vorhanden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607803400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607803500
Bezieht sich Ihre Vermutung, Herr Staatssekretär, daß bei den Beamten diese Zahl von 8 % ungefähr erreicht wird, auf die Bundesbeamten, auf die Landesbeamten und auf die Versorgungsempfänger?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607803600
Herr Kollege Berger, diese Frage ist so unterschiedlich zu sehen, wie Sie sie schon gestellt haben. Sie wissen, daß in einer Reihe von Bundesländern sehr unterschiedliche Entscheidungen getroffen worden sind, sowohl von den Landesregierungen als auch von den Landesparlamenten, und daß die Bundesbeamten bisher in dem gleichen Umfang nicht zum Zuge gekommen sind, wie das bei den Landesbeamten der Fall gewesen ist. Das gleiche gilt allerdings auch innerhalb der Bundesländer für den Bereich der Versorgungsberechtigten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607803700
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607803800
Würden Sie, Herr Staatssekretär, den Hinweis auf diese Prämisse nicht bedauern, die in der Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllborn an dieser Stelle überhaupt nicht erwähnt ist, wenn die Bundesregierung doch in den Anzeigen des Presse- und Informationsamtes — wie Sie sicherlich wissen — feststellt, daß das Arbeitnehmereinkommen in den ersten 6 Monaten um 14,2 % gestiegen ist, und wenn die Beamten nunmehr die Frage stellen, wieso das Presse- und Informationsamt dort 14,2 % bzw. real 8 % herausstellt, während Sie sagen, bezüglich der Beamten hätten Sie lediglich eine Hoffnung, ungefähr 8 % zu erreichen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607803900
Herr Kollege Berger, ich habe nicht gesagt, daß ich lediglich eine Hoffnung habe, sondern ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir, wenn wir alle Bereiche des öffentlichen Dienstes mit Bundes-, Länder- und Kommunalbeamten sehen, wahrscheinlich dieses Ergebnis erreichen werden. Sie haben nach der differenzierten Beurteilung oder Einstufungsmöglichkeit für die verschiedenen Bereiche gefragt, und ich habe Ihnen gesagt, daß hier zwischen Bund und Ländern leider ein Nachteil zugunsten der Bundesbeamten sichtbar geworden ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607804000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner.




Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607804100
Herr Staatssekretär, teilen Sie die im August von Herrn Bundesminister Genscher geäußerte Meinung, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Jahre 1970 voll an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt worden sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607804200
Ich kann im Moment nicht sagen, ob das von Herrn Minister Genscher so geäußert worden ist, wie Sie es zitieren. Daß es die Auffassung der Bundesregierung war, dafür zu sorgen, wissen Sie. Wir werden nachher auf die Frage des Art. 74 a GG noch zu sprechen kommen. Ich möchte dieser Antwort jetzt nicht vorgreifen. Eines ist aber ganz sicher, daß die Bundesregierung mit ihren vielfältigen Bemühungen, es dahin kommen zu lassen, leider nicht in vollem Umfang die Unterstützung gefunden hat, die sie sich gewünscht hat.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607804300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0607804400
Herr Staatssekretär, wenn es eine verläßliche Dokumentation über die Steigerungen des Einkommens bei uns nicht gibt — wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, daß es eine verläßliche Statistik nicht gibt —, darf ich Sie fragen, worauf die Bundesregierung ihre Behauptungen in den soeben erwähnten Anzeigen stützt.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607804500
Es gibt keine verläßliche Statistik in vollem Umfang und in allen Abgrenzungen, die dafür erforderlich wäre. Es gibt die Steuerstatistik, aus der die Bundesregierung einen großen Teil der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Unterlagen erhält, wie Sie selber wissen. Es gibt darüber hinaus eine Reihe von Einkommenstatistiken in den einzelnen Berufsgruppen, so daß man hier nach den Entwicklungstendenzen der vergangenen Jahre zu einigermaßen greifbaren Grenzwerten und Tendenzen kommen kann, die aber nicht ganz genau umrissen werden können, solange wir keine völlig eindeutige Einkommenstatistik haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607804600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider (Nürnberg).

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0607804700
Herr Staatssekretär, wollen Sie mit Ihrer letzten Antwort zum Ausdruck bringen, daß die Bundesregierung bei ihren Anzeigen von Zahlenwerten ausgeht, die Sie jetzt hier im Parlament nicht nachweisen können?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607804800
Nein, ich habe im Gegenteil erklärt — wenn Sie recht zugehört haben, Herr Kollege Schneider —, daß es eine ganze Reihe von Steuerstatistiken und anderen Ermittlungen, die ich im einzelnen aufgeführt habe, gibt. Aus diesen statistischen Unterlagen ergeben sich eindeutige Tendenzen, und aus diesen Unterlagen ergeben sich auch für bestimmte Berufsgruppen — ich darf das, was ich vorhin schon in der Antwort auf die Frage von Herrn Schulze-Vorberg gesagt habe, noch einmal betonen — klare Aussagen, allerdings nicht für den gesamten Umfang.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607804900
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Berger auf:
Durch welche Maßnahmen hat die Bundesregierung sichergestellt, daß ihre Ankündigung, die Beamtenbesoldung zum 1. Januar 1971 an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen, auch termingerecht verwirklicht wird?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607805000
Herr Kollege, die Bundesregierung hat umfassende Analysen aufgestellt und Berechnungen für zahlreiche Alternativlösungen durchgeführt. Diese sorgfältige Vorbereitung wird es ermöglichen, in Zusammenarbeit mit allen in Betracht kommenden Stellen termingerecht zu einem sachgerechten und angemessenen Vorschlag für eine Anpassung, die zum 1. Januar 1971 wirksam wird, zu gelangen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607805100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607805200
Hält die Bundesregierung es für termingerecht, wenn ein Vorschlag über die Anpassung dem Bundestag etwa Mitte Dezember zugeht, so daß der Bundestag voraussichtlich vor Anfang oder Mitte März keine entsprechenden Beschlüsse fassen kann?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607805300
Die Bundesregierung hält es für termingerecht, Herr Kollege Berger; denn frühere Bundesregierungen haben, wie Sie wissen, Gesetzentwürfe dieser Art fast immer nach dem Stichtag eingebracht. Das Parlament hat aber in Übereinstimmung auch mit früheren Bundesregierungen Termine, die damals vereinbart worden sind, eingehalten, und das wird auch in diesem Fall möglich sein.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Sehr richtig! Genauso!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607805400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607805500
Bedauert die Bundesregierung, die es doch wohl zweifellos besser machen will als zumindest ihre Vorgängerin, nicht — wobei ich entschieden die Behauptung zurückweisen möchte, daß es immer so geschehen ist, wie Sie es, Herr Staatssekretär, sagen , daß dann im März ein entsprechendes Gesetz rückwirkend ab 1. Januar in Kraft treten muß?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607805600
Herr Kollege Berger, die Bundesregierung bedauert das deshalb nicht, weil



Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
damit den betroffenen Kreisen, nämlich den Beamten, auf jeden Fall ab 1. Januar zu dem verholfen
wird, was die Bundesregierung zu tun beabsichtigt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607805700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607805800
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, gegebenenfalls zum 1. Januar eine Abschlagszahlung an die Bundesbeamten zu leisten?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607805900
Diese Frage kann ich im Moment nicht konkret beantworten, Herr Kollege Wagner. Das wird die Bundesregierung prüfen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607806000
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:
Wird die Bundesregierung sicherstellen, daß neben der notwendigen Anpassung der Beamtenbesoldung an die allgemeine Einkommensentwicklung die Besoldungsdifferenz, die zwischen den Ländern und dem Bund besteht und die von dem Vertreter der Bundesregierung in der Sitzung des Innenausschusses am 17. September 1970 mit 5 v. H. beziffert worden ist, zusätzlich ausgeglichen wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607806100
Herr Kollege Wagner, in der Tat muß nach der seit Ende 1969 eingetretenen Entwicklung davon ausgegangen werden, daß sich die Mehrzahl der Länder gegenüber dem Bund erneut einen Besoldungsvorsprung, insbesondere durch Einführung von Zulagen und durch umfangreiche Höherstufungen innerhalb der Besoldungsordnungen, verschafft hat. Im Durchschnitt kann man die Höhe dieses Vorsprungs mit etwa 5 % ansetzen.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß hier ein Ausgleich zugunsten der Bundesbeamten geschaffen werden muß. Sie wird dieser Frage bei den Besoldungsmaßnahmen der nächsten Zeit besondere Beachtung schenken und sich unter Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten — als eine solche bietet sich z. B. eine stufenweise Vereinheitlichung an — sobald wie möglich um eine Bereinigung bemühen. Das Gelingen dieses Vorhabens hängt jedoch entscheidend auch davon ab, daß die von der Bundesregierung angestrebte und vom Bundesrat im ersten Durchgang gebilligte Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Besoldungs- und Versorgungsrecht nach Art. 74 a des Grundgesetzes alsbald von diesem Hohen Hause beschlossen wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607806200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607806300
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, den Ausgleich für diese Besoldungsdifferenz ebenfalls zum 1. Januar 1971 zu gewähren?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607806400
Herr Kollege Wagner, Sie wissen, daß diese Regelung im Rahmen des Dritten Besoldungsneuregelungsgesetzes durchgeführt werden muß, und das wird im Jahre 1971 geschehen. Zu welchem endgültigen Zeitpunkt, kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen. Daß der Bundesinnenminister hier bestimmte Vorstellungen hat, können Sie sich sicher vorstellen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607806500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0607806600
Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, warum die Bundesregierung nicht auf Grund der bestehenden Rechtslage in der Lage sein sollte, einen Ausgleich für die Differenz von etwa 5% für die Bundesbeamten durchzuführen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607806700
Weil die Rechtslage dem entgegensteht, Herr Kollege.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Sehr richtig!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607806800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607806900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Lage, zu sagen, wie hoch denn überhaupt der Besoldungsrückstand ist, und zwar im Zusammenhang mit den im letzten Jahr besonders gestiegenen Lebenshaltungskosten, die nach einer Pressemeldung von heute morgen mit 11 % angegeben werden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607807000
Herr Kollege Unertl, ich habe das, was die Bundesregierung zu tun beabsichtigt, hier erklärt. Daß in der Frage der Lebenshaltungskosten und des Besoldungsvorschlags der Bundesregierung versucht wird, eine Vereinbarung zu treffen, die beiden Teilen gerecht wird, werden Sie verstehen.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607807100
Keine ausreichende Antwort!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607807200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0607807300
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß die Angleichung und die Vereinheitlichung der Besoldung auch wesentlich von einer Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 a des Grundgesetzes abhängen. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Haltung gerade das Land Bayern in diesem Punkt einnimmt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607807400
Die Haltung des Freistaates Bayern ist der Bundesregierung bekannt.

(Abg. Unertl: Sie ist eindeutig!)




Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
— Sie ist immer eindeutig, wie hier gerade der Kollege Unertl sagt, leider nicht zugunsten der Bundesbeamten.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Und da fragen die noch!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607807500
Eine Zusatzfrage der Abgeordnete Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607807600
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht Verständnis dafür, daß man vor der angestrebten Einfügung des Art. 74 a in das Grundgesetz wissen will, welchen Gebrauch die Bundesregierung von diesen erweiterten Kompetenzen zu machen gedenkt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607807700
Herr Kollege Berger, ich glaube, es gibt kaum jemanden unter den betroffenen Verbandsvertretern, der die Vorstellungen der Bundesregierung nicht sehr genau kennt. Die Bundesregierung hat mit allen Bereichen, die dafür zuständig sind, eine Vielzahl von Gesprächen geführt und ihre Absichten eindeutig und klar erkennen lassen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607807800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schneider.

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0607807900
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zuzugeben, daß mit der Einfügung des Art. 74 a ein Harmonisierungseffekt erzielt werden soll und daß die Bundesregierung auch bei der heutigen Verfassungs- und Rechtslage keineswegs gehindert ist, die Bundesbeamten besser, nämlich in der Höhe der Länderbeamten, zu besolden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607808000
Herr Kollege Schneider, Sie wissen doch ganz genau, daß es nicht nur darauf ankommt, die Gehälter der Bundesbeamten in ein bestimmtes Verhältnis zu den Gehältern der Länderbeamten zu bringen, sondern daß es von ganz entscheidender Bedeutung ist, die Besoldungsvielfalt für gleiche Tätigkeiten innerhalb dieses Staates endlich zu beenden, und daß eine Besoldungsgerechtigkeit auf diesem Wege nur erreicht werden kann, wenn der Art. 74 a eingefügt wird.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607808100
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607808200
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zu bestätigen, daß den Mitgliedern dieses Hauses die gesamte Besoldungskonzeption der Bundesregierung bisher nicht bekanntgegeben wurde?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607808300
Herr Kollege Wagner, die
Bundesregierung hat im Innenausschuß mehrfach dazu Stellung genommen. Ich werde nachher bei einigen anderen Fragen, die hier eine Rolle spielen, mit Sicherheit noch darauf zu sprechen kommen. Meine Antwort an den Kollegen Berger, in der ich von der Information der Verbandsvertreter gesprochen habe, hat der Kollege Berger wohl richtig verstanden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607808400
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Professor Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0607808500
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß gerade die Fragen, die hier gestellt wurden, und die Antworten, die Sie hierzu gegeben haben, die Notwendigkeit der Änderung der Rahmengesetzgebung und der Einfügung des Art. 74 a für sich selber begründen, und daß es nicht üblich, auch nicht möglich ist, die ganze sich daraus ergebende Bundesgesetzgebung hier nun darzulegen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607808600
Herr Professor Schäfer, ich bin mit dem, was Sie gesagt haben, in vollem Umfang einverstanden. Die Bundesregierung teilt diese Konzeption.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607808700
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Volmer.

Günter Volmer (CDU):
Rede ID: ID0607808800
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob das von Ihnen vorhin zitierte Dritte Besoldungsneuregelungsgesetz recht bald eingebracht werden wird und ob es identisch sein wird mit dem Entwurf des Neuregelungsgesetzes, der nachträglich als Denkmodell bezeichnet wurde?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607808900
Sie gehen von einer falschen Prämisse aus, Herr Kollege. Was in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, war kein Referentenentwurf unseres Hauses, sondern ein Vorentwurf, der in der zuständigen Abteilung diskutiert und erstellt worden ist. Der Referentenentwurf ist bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht fertig. Darüber hat es eine Reihe von Verhandlungen gegeben. Sie werden auch feststellen, daß die Bundesregierung sich in den letzten Wochen mehrfach im Rahmen von Ministergesprächen vorbereitet hat, um eine klare Konzeption für dieses Dritte Besoldungsneuregelungsgesetz zu erreichen. Die Unterstellung, daß das, was als Vorentwurf bekanntgeworden ist, ein Entwurf der Bundesregierung sei, trifft in vollem Umfang nicht zu.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607809000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0607809100
Herr Staatssekretär, da zum wiederholten Male von Art. 74 a die Rede war, darf ich Sie fragen: Hätte die Bundesregierung nicht, nachdem Art. 75 geändert war, etwas mehr Mut aufbringen müssen, einzelne Länder, die als Dienstherren den gezogenen Rahmen überschritten,



Brück (Köln)

durch verfassungsrechtliche Schritte zur Ordnung zu zwingen?

(Zuruf von der SPD: Bayern!)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607809200
Herr Kollege Brück, Sie wissen, daß sich die Bundesregierung mit diesem Fragenkomplex befaßt hat und daß der Bundesinnenminister auf der Innenministerkonferenz in dieser Frage eine gemeinsame Auffassung mit den Innenministern erzielt hatte, daß jedoch die Beschlüsse des Deutschen Bundestages, die ja in einer Reihe von Voraussagen und bestimmten Terminierungen für das Jahr 1971 gefaßt worden sind — wenn ich mich recht erinnere, sogar einstimmig —, von den Landesparlamenten nicht akzeptiert und nicht berücksichtigt worden sind. Die Landesparlamente als die gesetzgebenden Körperschaften dieser Länder sind über diese Entscheidungen hinausgegangen und haben völlig neue Fakten geschaffen, so daß sich die Bundesregierung permanent darum bemühen mußte, hier für gerechtere Bewertungsmaßstäbe einheitliche Lösungen zu finden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607809300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Riedl. — Es tut mir leid, Herr Kollege Brück, Sie hatten schon eine Zusatzfrage.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0607809400
Herr Staatssekretär, ist es nicht sonderbar, daß die Bundesregierung einen sogenannten Vorentwurf, den Sie nicht einmal als Referentenentwurf bezeichnen, den zuständigen Verbänden zur Diskussion zuleitet und dann ganz offensichtlich davon wieder abrückt? Gehört es zum Stil dieser Bundesregierung, daß man zunächst Denkmodelle in die Welt setzt und dann, wenn man Kritik gegenüber diesen Denkmodellen verspürt und enttäuschte Hoffnungen in der Öffentlichkeit erkennt, davon wieder abrückt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607809500
Herr Kollege Riedl, es ist der Stil dieser Bundesregierung, erst nachzudenken und dann etwas als Regierungsvorlage zu erstellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

Das gehört auch in diesen Bereich.
Sie wissen, daß ich hier leider nur für die Bundesregierung sprechen kann. Sonst könnte ich Ihnen aus der Vergangenheit eine Fülle ähnlicher Beispiele nennen, die Vorgänger auch in unserem Ressort betreffen.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0607809600
Herr Staatssekretär, es gibt aber auch Beispiele aus dieser Bundesregierung in solcher Fülle.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607809700
Meine Damen und Herren, wir wollen diese Frage nun beenden.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Wagner (Günzburg) auf:
Trifft es zu, daß im Bundeskanzleramt eigene Vorstellungen über eine Besoldungsverbesserung für, die Beamten entwickelt worden sind, die mit dem Bundesinnenminister als dem zuständigen Fachminister nicht abgestimmt worden sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607809800
Herr Kollege Wagner, dies trifft in keiner Weise zu. Es sind im Gegenteil die Vorstellungen des Bundesministeriums des Innern zur Besoldungsverbesserung jeweils in voller Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt erörtert worden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607809900
Eine Zusatzfrage.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607810000
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann Pressemeldungen über einen Stufenplan zur Verbesserung der Besoldung der Bundesbeamten, der angeblich im Bnudeskanzleramt erarbeitet wurde?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607810100
Die Bundesregierung ist nicht für Pressemeldungen zuständig.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607810200
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607810300
Herr Staatssekretär, halten Sie also diese Pressemeldungen ausdrücklich für falsch?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607810400
Wenn sie so geschrieben worden sind, wie Sie es geschildert haben, Herr Kollege Wagner, ja.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607810500
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607810600
Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Staatssekretär, daß bei zahlreichen Veranstaltungen im weiten Lande einige Beamte aufstehen und sagen: „Nach den Informationen, die ich aus dem Bundeskanzleramt erhalten habe — und die von Herrn Ministerialdirektor Ehrenberg stammen sollen —, ist folgendes beabsichtigt", und daß zu diesen Fragen der Herr Innenminister gesagt hat, er wisse nichts davon?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607810700
Derartige Meldungen sind mir nicht bekannt. Aber es wäre ein etwas außergewöhnliches Verfahren, wenn Beamte oder Persönlichkeiten aus einzelnen Behörden über interne Vorgänge innerhalb der Bundesregierung informiert werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607810800
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Professor Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0607810900
Herr Staatssekretär, wollen Sie bitte davon Kenntnis nehmen

(Zuruf von der CDU/CSU: Frage!)

— ja, ich frage, ob der Herr Staatssekretär davon
Kenntnis nehmen will —, daß mir der Inhalt der

Dr. Schäfer (Tübingen)

Frage des Herrn Kollegen Wagner und der Zusatzfrage des Herrn Kollegen Berger vor kurzem bekannt wurde, daß ich Nachfrage im Bundeskanzleramt gehalten habe und daß mir von dort aus bestätigt wurde, solche Meldungen seien sachlich und inhaltlich unrichtig?

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nichts Neues!)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607811000
Ich nehme das gern zur Kenntnis, Herr Kollege Schäfer. Es würde auch der Auffassung der Bundesregierung entsprechen, daß so gehandelt wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607811100
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Volmer.

Günter Volmer (CDU):
Rede ID: ID0607811200
Herr Staatssekretär, darf ich die Antwort so verstehen, daß zunächst einmal kein Mehrstufenplan aus dem Bundeskanzleramt vorliegt, und darf ich fragen, ob Ihr Haus bereit ist, den als Denkmodell bezeichneten Vorentwurf recht bald diesem Hause als Gesetzentwurf vorzulegen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607811300
Nein, davon können Sie nicht ausgehen, Herr Kollege. Die Bundesregierung wird dem Hause nur dann einen Gesetzentwurf zuleiten, wenn er vorher als Referentenentwurf mit allen Ressorts abgesprochen worden ist und die Billigung des Kabinetts gefunden hat.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607811400
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0607811500
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugeben, daß durch diese Veröffentlichung verschiedener Denkmodelle eine wesentliche Beunruhigung in der Beamtenschaft aufgetreten ist, und wären Sie bereit, alles zu tun, damit endgültig Klarheit über die Linie herrscht?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607811600
Über die Linie herrscht Klarheit, Herr Kollege. Ich wäre allerdings auch einer Reihe von Kollegen in diesem Hause — vor allen Dingen auch solchen aus dem Bereich der Opposition — dankbar, wenn sie nicht noch mehr zur Beunruhigung beitrügen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schäfer [ Tübingen]:: Dahinter steckt System!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607811700
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0607811800
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer vorletzten Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung im Augenblick für die Besoldungsneuregelung überhaupt noch keine Konzeption hat und daß dieser Umstand in krassem Widerspruch zu Äußerungen in derzeit publizierten Anzeigen steht?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607811900
Herr Kollege Schneider, diese Unterstellung ist von Anfang bis Ende falsch. Die Bundesregierung hat eine klare Konzeption. Diese Konzeption hat sie mit den zuständigen Häusern abgesprochen, und in einer Reihe von Ministergesprächen haben wir versucht, aus dieser Konzeption einen Referentenentwurf zu entwickeln, der dem Kabinett zugeleitet werden kann.
Aber Sie dürfen eben an der Tatsache nicht vorbeigehen, daß der Bundesregierung durch eine Reihe von Bundesländern — unter anderem auch durch das Land, aus dem Sie kommen bei der Fortschreibung der Arbeit dadurch unerhörte Schwierigkeiten gemacht worden sind, daß permanent neue Regelungen geschaffen worden sind, die wir bei der Fortschreibung im Rahmen unseres Referentenentwurfs berücksichtigen müssen, damit keine weitere Benachteiligung für die Bundesbeamten eintreten kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607812000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0607812100
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, hier konkret zu sagen, in welchen Punkten die bayerische Staatsregierung die Bundesregierung an der Entwicklung einer sinnvollen und vernünftigen Besoldungskonzeption gehindert hat?

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Da fragen Sie noch?)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607812200
Nein, Herr Kollege Riedl, denn das habe ich nicht behauptet.

(Abg. Dr. Schneider [Nürnberg] : Sicher haben Sie das!)

— Entschuldigen Sie, Sie müßten dann schon etwas differenzierter zuhören. Ich habe behauptet, daß die Bundesregierung durch Entwicklungen in einer Reihe von Bundesländern — und zwar, weil dort im Laufe der letzten Monate neue beamtenrechtliche Regelungen eingeführt worden sind — ständig dazu gezwungen worden ist, ihre eigene Vorlage immer wieder fortzuschreiben, damit im Falle der Verabschiedung des Art. 74 a dann auch eine Lösung gefunden werden kann, die die Bundesbeamten nicht benachteiligt. Deswegen mußten wir z. B. die Frage der Zulagensysteme für die Studienräte an den bayerischen Gymnasien mit in diese Regelung einbeziehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schneider [Nürnberg].)

— Entschuldigen Sie, ich habe ja gesagt, in einer Reihe von Bundesländern, und habe als Beispiel auch Ihr Land erwähnt. Ich kann nur das wiederholen was ich Ihnen schon gesagt habe.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607812300
Keine weiteren Zusatzfragen.



Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Volmer auf:
Aus welchen Gründen kann die Bundesregierung dem vom Deutschen Bundestag bei der Verabschiedung des Siebten Besoldungsänderungsgesetzes angenommenen Entschließungsantrag, mit dem sie ersucht worden ist, ihr zur Frage des Besoldungsrückstandes im öffentlichen Dienst in Auftrag gegebenes Gutachten bis zum 31. Dezember 1970 vorzulegen, nicht termingerecht entsprechen?

(Abg. Wehner: Es sind immer dieselben!) Bitte schön, Herr Staatssekretär!


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607812400
Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Erstattung des Gutachtens der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG in Frankfurt, einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, übertragen. Diese Gesellschaft führt seit dem Frühjahr dieses Jahres sorgfältige und intensive Untersuchungen durch. Sie hat inzwischen mitgeteilt, daß sie im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit des Gutachterauftrags das Gutachten nicht bis Ende des Jahres vorlegen kann. Ich meine, bei der Bedeutung der Angelegenheit sollten wir den Grundsatz respektieren, daß Genauigkeit und Gründlichkeit gegenüber der Geschwindigkeit Vorrang haben.
Die Bundesregierung legt Wert auf die Feststellung, daß sie als erste Regierung einen solchen Auftrag zur Ermittlung des Besoldungsrückstandes erteilt hat. Hätten sich frühere Regierungen schon zu einem solchen Schritt entschlossen, so wäre Ihre Frage, Herr Kollege, jetzt nicht mehr zu stellen gewesen. Im übrigen hätte man dann bei der Einholung eines neuerlichen Gutachtens auf früher angewandte Grundsätze zurückgreifen können. Dadurch wäre die Zeitdauer bis zur Erstattung des neuen Gutachtens wesentlich verkürzt worden.
Aufschluß über den derzeitigen Stand der Arbeit an dem Gutachten erhoffe ich mir von der nächsten Sitzung des Beirates, der die Treuarbeit bei der Erstellung des Gutachtens unterstützt, am 20. November 1970. Ich bin gern bereit, Sie nach dieser Sitzung entsprechend zu unterrichten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607812500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Volmer.

Günter Volmer (CDU):
Rede ID: ID0607812600
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß am 20. November eine Sitzung stattfindet. Ist die Regierung bereit, wenn nach dieser Sitzung gewisse Teilergebnisse bekanntgeworden sind, bis zu dem ursprünglichen Termin, dem 31. Dezember, einen Zwischenbericht vorzulegen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607812700
Herr Kollege, der letzte Satz meiner Antwort lautete: Ich bin gerne bereit, Sie nach dieser Sitzung entsprechend zu unterrichten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607812800
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0607812900
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung, falls ein Besoldungsrückstand festgestellt wird, zusammen mit dem Gutachten auch Vorschläge für den Abbau des Besoldungsrückstandes vorlegen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607813000
Ich gehe davon aus, Herr Kollege Wagner.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607813100
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607813200
Herr Staatssekretär, werden bis zum 31. Dezember dieses Jahres wenigstens einige Vorerkenntnisse, gewissermaßen ein Zwischenbericht, vorliegen, auf Grund dessen man schon Entscheidungen für das Haushaltsjahr 1971 treffen kann?

(Abg. Wehner: Das hatten wir schon einmal! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Das ist doch schon beantwortet!)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607813300
Herr Kollege Berger, ich habe mich jetzt schon mehrfach bereit erklärt, nach dieser Sitzung z. B. den Innenausschuß oder einzelne Kollegen oder auch das Haus zu informieren. Mehr kann ich an dieser Stelle nicht sagen. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, kann niemand beurteilen, solange uns die Unterlagen nicht vorliegen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607813400
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Volmer auf:
Welche Stellungnahme gibt die Bundesregierung zu den sich in letzter Zeit häufenden Protestaktionen der Beamten ab?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607813500
Es handelt sich um Aktionen verschiedener Beamtengruppen, die bestimmte Berufe oder Fachrichtungen repräsentieren. Sie wollen sich Gehör verschaffen, um jeweils für sich eine Berücksichtigung ihrer Forderungen im Besoldungsgefüge zu erlangen. Dies ist in einer Zeit, in der ein Gesamtkonzept zur Besoldung erstellt werden muß, verständlich. Tatsächlich liegt aber die Schwierigkeit darin, den zahlreichen Sonderinteressen Rechnung zu tragen und zugleich eine sachgerechte und allseits als ausgewogen akzeptierte Gesamtlösung zu finden. Es wäre im allgemeinen Interesse zu begrüßen, wenn das Verständnis auch hierfür in der Öffentlichkeit verstärkt werden könnte.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607813600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Volmer.

Günter Volmer (CDU):
Rede ID: ID0607813700
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie diese Veranstaltungen für berechtigt halten, ob Sie nicht radikale Tendenzen befürchten und was Sie zu tun gedenken, um solche Veranstaltungen von vornherein als unnötig erscheinen zu lassen?




Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607813800
Ich bitte um Entschuldigung, Frau Präsidentin. — Den letzten Teil Ihrer Frage habe ich akustisch leider nicht verstanden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607813900
Bitte, noch einmal!

Günter Volmer (CDU):
Rede ID: ID0607814000
Der letzte Teil der Frage: Was gedenken Sie zu tun, damit solche Veranstaltungen in Zukunft von vornherein überflüssig werden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607814100
Herr Kollege, dazu wird keine Regierung in der Lage sein. Wenn ich das recht in Erinnerung habe, hat es das zur Zeit aller Regierungskoalitionen im Bundesgebiet gegeben. Es kommt darauf an, aus den berechtigten Forderungen, die von den einzelnen Gruppierungen vorgetragen werden, nachdem wir in der Frage des Bildungssystems in verschiedenen Bereichen andere Voraussetzungen fordern, nunmehr auch besoldungsrechtlich die Konsequenzen zu ziehen. Daß die Organisationen, die sich hier in besonderer Weise angesprochen fühlen, nunmehr öffentliche Protestveranstaltungen durchführen und daß die Abgeordneten der Fraktionen dieses Hauses an diesen Protestveranstaltungen auch als Diskussionsteilnehmer teilnehmen, scheint mir ein berechtigtes Anliegen in einer parlamentarischen Demokratie zu sein.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607814200
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Warum hat die Bundesregierung dem Ersuchen des Innenausschusses vom 29. April 1970, bis zum 1. Oktober 1970 eine Gesamtkonzeption zur Richterbesoldung und den sich daraus ergebenden Folgerungen für das gesamte Besoldungsrecht in Form einer Formulierungshilfe vorzulegen, bis zur Stunde nicht entsprochen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607814300
Herr Kollege Riedl, der Innenausschuß hat bei seiner Beschlußfassung selbst erkannt, daß es zweifelhaft ist, ob die Bundesregierung die erbetene Formulierungshilfe bis zum 1. Oktober 1970 vorlegen kann. Er hat daher — und das verschweigt Ihre Frage — die Bundesregierung ersucht, die Formulierungshilfe „möglichst" bis zum 1. Oktober vorzulegen.
Im übrigen darf ich davon ausgehen, daß Ihnen der Bericht bekannt ist, den Vertreter meines Hauses über die Besoldungs- und Tarifsituation des öffentlichen Dienstes am 17. September 1970 im Innenausschuß des Deutschen Bundestages erstattet haben. In dem Bericht sind die Gründe dafür, daß die Bundesregierung das Konzept bis zum 1. Oktober 1970 nicht vorgelegt hat, im einzelnen dargelegt worden. Der Ausschuß hat hierauf die weitere Beratung des Initiativentwurfs des Bundesrates betreffend die Richterbesoldung, der Ausgangspunkt des von Ihnen angeführten Ersuchens vom 29. April 1970 war, einmütig bis zum Jahresende ausgesetzt und damit die vorgetragenen Gründe anerkannt.
Insbesondere die uneinheitliche Besoldungsentwicklung der jüngsten Zeit in den Ländern erfordert neue umfassende Dispositionen, die die Bundesregierung unter Koordinierung mit der allgemeinen Einkommens- und Wirtschaftsentwicklung so rechtzeitig zur Vorlage eines Konzepts auswerten wird, daß termingerecht eine Entscheidung über die für das Jahr 1971 notwendigen Besoldungsverbesserungen und die anstehenden dringlichen Strukturfragen getroffen werden kann.
Ich darf auch bei dieser Gelegenheit wiederholen, daß das Hohe Haus der Bundesregierung die schwierige Aufgabe einer umfassenden Besoldungsneuregelung durch eine alsbaldige Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Einführung des Art. 74 a GG wesentlich erleichtern kann.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607814400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607814500
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß, nachdem nun weder ein Gesetzentwurf noch eine Formulierungshilfe vorliegt, am 31. Dezember dieses Jahres die sogenannte Harmonisierungspause für die Lehrer zu Ende geht und damit ein meines Erachtens unerträglicher Zustand insofern eintritt, als in der Praxis in den Ländern etwas ganz anderes besteht, als es gesetzlich möglich sein sollte?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607814600
Herr Kollege Berger, diese Harmonisierungspause ist leider nie effektiv geworden. Vielmehr hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Bundesländern abweichend von dem Beschluß des Deutschen Bundestages andere Regelungen getroffen. Die Bundesregierung hat sich —das war ja mit ein Teil der beschwerlichen besonderen Situation für die Erarbeitung unseres Referentenentwurfs — permanent mit den inzwischen neu eingetretenen Regelungen in den Bundesländern auseinandersetzen müssen, um hier nicht zu einer Verschlechterung auf Bundesebene insgesamt zu kommen und mit dafür Sorge zu tragen, daß die Bundesländer, die sich in dieser Frage „bundestreu" verhalten haben, nicht dadurch bestraft werden, daß zusätzlich ihre eigenen Beamten zusammen mit den Bundesbeamten benachteiligt werden. -

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607814700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Professor Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0607814800
Herr Staatssekretär, wollen Sie bitte noch einmal ausdrücklich betonen, daß die beiden Beschlüsse des Innenausschusses vom April über die Vertagung bis Oktober und vom 17. September über die Aussetzung der Beratung bis Ende des Jahres einstimmig, d. h. also mit den Stimmen der Opposition, gefaßt worden sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607814900
Was der Vorsitzende des Innenausschusses unseres Parlaments hier ausführt, kann ich nur bestätigen.




Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607815000
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung dem vom Deutschen Bundestag bei der Verabschiedung des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes angenommenen Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung ersucht worden war, bis zum 1. Oktober 1970 über die Arbeiten zur Aufstellung einer den Amtsinhalt stärker berücksichtigenden Bewertungsordnung zu berichten, nicht nachgekommen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607815100
Hierzu darf ich auf den Zwischenbericht des Bundesministers des Innern an den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages vom 5. Oktober 1970 verweisen, ferner auf meine schriftliche Antwort vom 16. Oktober 1970 auf Fragen, die Herr Kollege Wagner zu demselben Thema gestellt hat. Letztere finden Sie im Stenographischen Bericht über die 74. Sitzung vom 16. Oktober 1970 auf Seite 4112 als Anlage 18.
Ich möchte besonders hervorheben, daß den Vorbereitungen zur Erstellung eines Besoldungskonzepts sicher Vorrang einzuräumen war. Überdies steht einer umfassenden Berichterstattung ohnehin entgegen, daß die zur Aufstellung einer konkretisierenden Bewertungsordnung notwendige Ausgangsbasis durch unkoordinierte besoldungspolitische Einzelentscheidungen in den Ländern ständiger Veränderung unterliegt. Alle Bemühungen sollten deshalb darauf konzentriert werden, auf der Grundlage der dem Bundestag vorgeschlagenen Verfassungsänderung zunächst wieder einheitliche Fixpunkte zu setzen, die eine Weiterentwicklung und eine Modernisierung der Besoldung erst ermöglichen können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607815200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Riedl.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0607815300
Herr Staatssekretär, indem ich Ihre Hemmungsgründe gern anerkenne, darf ich Sie fragen, ob Sie in der Lage sind, einen konkreten Termin für die Bekanntgabe der erforderlichen Bewertungsordnung hier zu nennen.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607815400
Nein, ich kann noch keinen genauen Termin nennen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607815500
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0607815600
Herr Staatssekretär, ich darf Sie noch einmal fragen — bzw. auch daran erinnern —: Ist es möglich, daß diese Dienstpostenbewertung, wie ich es einmal nennen will, möglichst bald zum Zuge kommt? Denn sonst können Sie machen, was Sie wollen, Sie werden nie zu einer allseits befriedigenden Besoldungsregelung kommen können.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607815700
Der letzte Teil Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Brück, war eine Feststellung. Sie wissen, daß sich das Parlament, speziell der Innenausschuß des Deutschen Bundestages, seit vielen Jahren um eine solche Regelung bemüht. Sie wissen als Beamter aber auch selbst, wie unerhört schwierig die Frage der Dienstpostenbewertung dadurch wird, daß nicht nur auf der Bundes-, sondern auch auf der Länderebene und noch viel stärker auf der Kommunalebene die Frage der Dienstpostenbewertung inzwischen gegenüber der ständigen Veränderung des Stellenkegels weit in den Hintergrund getreten ist und daß dadurch praktisch auch die Frage der Dienstpostenbewertung in einem neuen Licht gesehen werden muß.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607815800
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider (Nürnberg) auf:
Hat die Bundesregierung einem Antrag des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 2. Juni 1970 entsprochen und im Zusammenhang mit dem Gesetz über vermögenswirksame Leistungen für Bundesbeamte, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit die Fragen geprüft, ob und inwieweit Versorgungsempfänger und sonstige aus dem Berufsleben Ausgeschiedene vermögenswirksame Leistungen erhalten können, die Beschränkung der Anspruchsberechtigten hinsichtlich der Höhe der Bezüge aufgehoben, der Betrag der vermögenswirksamen Leistungen erhöht werden kann, und welche konkreten Ergebnisse hat sie dabei gefunden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607815900
Herr Kollege, die zuständigen Bundesministerien werden dem Antrag des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 2. Juni 1970 so bald wie möglich entsprechen. Die Überprüfung der vom Innenausschuß gestellten Fragen ist jedoch zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Hierzu gehört auch die besondere Problematik von vermögenswirksamen Leistungen für Versorgungsempfänger und sonstige aus dem Berufsleben ausgeschiedene Personen. Sie berührt einmal die Grundlagen der bisherigen Konzeption der Vermögensbildung, die vermögensbildende Maßnahmen nur für die im aktiven Arbeitsleben stehenden Personen vorsieht. Sie muß ferner die erheblichen Auswirkungen im Auge haben, die Regelungen für die Versorgungsempfänger auf andere Bereiche haben würden.
Sinn des Vermögensbildungsgesetzes ist es, zusätzlich zu Löhnen und Gehältern vermögenswirksame Leistungen zu gewähren. Entsprechend diesem Anliegen hat die Bundesregierung erstmals mit ihrer Gesetzesinitiative vermögenswirksame Leistungen an Beamte und Soldaten als gesellschaftspolitische Maßnahme vorgeschlagen. Diesem Vorschlag hat das Hohe Haus zugestimmt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607816000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0607816100
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, den hier angesprochenen Personenkreis bei den Maßnahmen zur Behebung des Besoldungsrückstandes besonders zu berücksichtigen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607816200
Die Bundesregierung ist bereit, diese Frage erneut zu prüfen. Inwieweit dieser Personenkreis berücksichtigt werden kann, wird nicht zuletzt das Parlament selbst mit entscheiden.




Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607816300
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider (Nürnberg) auf:
Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß vermögenswirksame Leistungen deshalb nicht auf die notwendigen Besoldungsanpassungen angerechnet werden können, weil Versorgungsempfänger bisher noch keine derartigen Leistungen erhalten und sie bei einer Anrechnung erneut benachteiligt würden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607816400
Frau Präsidentin, ich bitte insoweit um Entschuldigung, als ich versucht habe, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider gemeinsam zu beantworten.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Das hat er gemacht!)

Ich bin aber gern bereit, eventuelle Zusatzfragen des Kollegen Schneider zu beantworten. Ich habe vergessen — ich bitte dafür um Entschuldigung —, in meinem Eingangssatz zu erwähnen, daß die Antwort sich auf beide Fragen bezog.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607816500
Herr Kollege Dr. Schneider, Sie können also noch Zusatzfragen stellen.

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0607816600
Ich verzichte auf Zusatzfragen, weil Sie ohnedies nach der Antwort des Herrn Staatssekretärs auf meine Fragen nichts wesentlich Neues mehr bringen könnten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607816700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607816800
Wie ist die in der Presse erschienene Mitteilung zu verstehen, daß der Herr Bundesinnenminister neben der notwendigen Besoldungsanpassung vorsieht, daß den Beamten ab 1. Januar 1971 unter Fortfall der Grenze von 1000 DM 26 DM statt bisher 13 DM monatlich vermögenswirksam gezahlt werden können? Kann man das miteinander verbinden?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607816900
Das wird bei den Überlegungen der Bundesregierung eine Rolle spielen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607817000
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Warum konnte die Bundesregierung den vom Herrn Bundesminister des Innern in der Sitzung des Innenausschusses vom 22. Januar 1970 für den 1. Oktober 1970 angekündigten Härtebericht zum Gesetz zu Artikel 131 GG nicht termingerecht vorlegen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607817100
Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung am 12. Juni 1969 ersucht, den sogenannten Härte bericht spätestens bis zum 31. Dezember 1970 vorzulegen. Diesen Termin wird die Bundesregierung einhalten. Eine Zusage, den Bericht bis zum 1. Oktober zu erstellen, hat der Bundesminister des Innern nicht gegeben.
Ihre Frage geht offenbar auf den Bericht des Bundesministers des Innern über „Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung und über besondere Verwaltungs- und Organisationsmaßnahmen im Bereich des Innern" vom 22. Januar 1970 gegenüber dem Innenausschuß zurück. Der Bericht befindet sich als Anlage beim Sitzungsprotokoll über die 6. Sitzung des Ausschusses vom 22. Januar 1970. Aus Nr. 9 g) dieses Berichts möchte ich hier die in Betracht kommenden Aussagen zitieren:
Der vom Innenausschuß am 12. Juni 1969 bis spätestens 31. Dezember 1970 zum Gesetz zu Art. 131 angeforderte sogenannte Härtebericht soll nach dem Stand der Arbeiten im Ministerium früher vorgelegt werden. Wir wollen uns bemühen, ihn dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Oktober 1970 vorzulegen.
Im Hinblick auf die augenblicklich überaus starke Belastung meines Hauses hat sich dieser von uns selbst gesetzte Zeitplan in diesem speziellen Fall — nicht verwirklichen lassen.
Der vom Ausschuß gesetzte Termin wird jedoch, wie ich eingangs schon ausgeführt habe, eingehalten werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607817200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0607817300
Herr Staatssekretär, läßt sich aber heute schon übersehen, ob eine weitere Novellierung des 131er-Gesetzes von der Bundesregierung geplant ist und vorgelegt werden wird, oder ist der Stand der Arbeiten noch nicht so weit vorgeschritten, daß sich dazu überhaupt etwas sagen läßt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607817400
Die Bundesregierung weiß, daß in dieser Frage noch keine abschließende Regelung gefunden ist. Deshalb wird eine Novellierung erforderlich sein. In welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt das geschehen kann, wird Bestandteil der Beratungen im Innenausschuß des Deutschen Bundestages sein.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607817500
Eine zweite Zusatzfrage.
Freiherr von' Fircks (CDU/CSU) : Muß ich Ihre Antwort so verstehen, daß mit dem Bericht zum 31. Dezember 1970 seitens der Bundesregierung dem Plenum noch keine Novelle vorgelegt wird?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607817600
Nein. Dazu ist die Bundesregierung auch nicht aufgefordert gewesen, Herr Kollege.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607817700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schäfer.




Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0607817800
Herr Staatssekretär, würden Sie bitte in diesem Zusammenhang noch einmal bestätigen, daß der Innenausschuß um diesen Bericht gebeten hat, um seinerseits eine Beurteilungsgrundlage zu haben, und daß er nicht um eine Gesetzesvorlage der Regierung gebeten hat?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607817900
Ich bin dieser Meinung. Die Auffassung der Bundesregierung ist so gewesen, Herr Professor Schäfer.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607818000
Wir kommen zur Frage 19 des Herrn Abgeordneten Brück:
Hat die Bundesregierung ein Konzept über die Neuregelung der Vor-, Aus- und Fortbildung aller Beamten ausgearbeitet?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607818100
Die Neuordnung der Vor-, Aus- und Fortbildung aller Beamten steht in engem Zusammenhang mit der Neugestaltung des Bildungswesens, vor allem dem künftigen Angebot an Bildungsabschlüssen, und mit der künftigen Laufbahngestaltung insgesamt.
Als eine der wichtigsten Grundlagen der Bildungsreform, die in Zusammenarbeit mit den Bundesländern vorbereitet wird, wird schon in nächster Zeit der Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes eingebracht werden.
Für die Laufbahngestaltung kommt es sodann besonders auf die Struktur der Verwaltungsaufgaben und die daraus herzuleitenden Leistungsanforderungen an.
Die Bundesregierung hat im Rahmen des personell und finanziell zunächst Möglichen entsprechende Untersuchungen in Bereichen, die für die Reformansätze besonders wichtig sind, eingeleitet.
Die Untersuchungen zur Neuordnung der Vor-, Aus- und Fortbildung der Beamten müssen sich im übrigen in den Rahmen der Gesamtuntersuchungen zur Reform des öffentlichen Dienstes einfügen, die der nach dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. Februar 1970 vorgesehenen Studienkommission obliegen. Die Bundesregierung kann den von der Studienkommission zu entwickelnden grundlegenden Gestaltungsvorstellungen nicht vorgreifen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607818200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0607818300
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob daran gedacht ist, bei der Erarbeitung der sogenannten Richtlinien in der Zukunft sowohl schon in der Ausbildung als auch später in der Fortbildung einen stärkeren Austausch der der Beamtenschaft auch zur Wirtschaft vorzusehen, damit jener Vorwurf, der heute häufig erhoben wird, Beamte seien zu wirtschaftsfremd, endlich entfällt?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607818400
Diese Überlegungen werden mit Sicherheit eine Rolle spielen, Herr Kollege Brück. Inwieweit man sie kurzfristig realisieren kann, ist eine Frage, die ich Ihnen heute noch nicht endgültig beantworten kann.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607818500
Keine Zusatzfrage. — Ich habe den Eindruck, die Antwort auf die Frage 20 war schon mit dabei. Oder gibt es da noch eine zusätzliche Antwort, Herr Staatssekretär? —Frage 20 des Herrn Abgeordneten Brück:
Hat die Bundesregierung die nach dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. Februar 1970 einzusetzende Studienkommission unabhängiger Fachleute, die Stellung und Aufgaben des öffentlichen Dienstes in Staat und Gesellschaft von heute untersuchen und Vorschläge für eine zeitgemäße weitere Entwicklung eines modernen öffentlichen Dienstes unterbreiten soll, bereits berufen?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0607818600
Man kann zur Frage 20 nur wenig sagen, Frau Präsident.
,Die Bemühungen, aus den verschiedenen Fachbereichen, Körperschaften und Verbänden geeignete Persönlichkeiten als Mitglieder der Studienkommission zu gewinnen und die für den Arbeitsbeginn der Studienkommission erforderlichen Grundlagen zu schaffen, sind so weit fortgeschritten, daß die Studienkommission in diesen Tagen berufen werden kann. Unabhängig davon hat eine beim Bundesministerium des Innern eingerichtete Arbeitsgruppe, idie der Studienkommission zuarbeiten soll, bereits mit materiellen Vorarbeiten für die Untersuchungen der Studienkommission begonnen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607818700
Keine Zusatzfrage. Zu den Fragen 21 und 22 hat der Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. — Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dorn.
Wir kommen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte
— Drucksache VI/ 1363 —
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0607818800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU- Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab.
Die CDU/CSU-Fraktion hält das Verfahren, das mit dieser Vorlage angewandt wird, grundsätzlich für höchst bedenklich. Noch liegt dem Hohen Hause kein Gesetzentwurf für die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vor. Trotzdem wird mit dieser heute in erster Lesung anstehenden Vorlage verlangt, mit Rücksicht auf den angekündigten Entwurf für die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes eine Verlängerung der Amtszeit der zur Zeit im Amt befindlichen Betriebsräte bis zum April 1972 herbeizuführen.
Wenn das Schule macht, meine Damen und Herren, daß Fristen, die der Gesetzgeber gesetzt hat, ohne zwingende Gründe auf diese einfache Weise verlängert werden, erweist sich das Parlament



Müller (Berlin)

als Gesetzgeber einen außerordentlich schlechten Dienst.

(Abg. Dr. Schellenberg: Damit haben Sie ja schon 1953 angefangen!)

Mit der Verlängerung der Amtszeit der zur Zeit im Amt befindlichen Betriebsräte um ein Jahr setzt sich das Parlament unter Zugzwang. Innerhalb dieser Frist muß nämlich dann ein umfangreicher und eine schwierige Materie behandelnder Gesetzentwurf beraten und verabschiedet werden, wenn der Gesetzgeber nicht Gefahr laufen will, diese Fristen eventuell erneut verlängern zu müssen. Der Gesetzgeber muß doch mindestens Zeit haben, die Regierungsvorlage ernsthaft zu prüfen, zu entscheiden und gegebenenfalls einzelne Vorschriften auf Grund eigener Vorstellungen zu ersetzen. Wenn der Gesetzgeber darauf verzichten wollte, würde er seiner Aufgabe nicht gerecht werden.
Wenn bisher irgendwelche Fristen verlängert wurden, Herr Kollege Schellenberg, dann geschah dies zu einem Zeitpunkt der Beratung eines Gesetzes, in dem man übersehen konnte, wann die Gesetzesvorlage voraussichtlich verabschiedungsreif sein werde. Jedenfalls haben wir größte Bedenken gegen dieses ungewöhnliche Verfahren.
Wir werden der Überweisung der Gesetzesvorlage an den zuständigen Ausschuß nicht widersprechen, behalten uns aber für die zweite und dritte Lesung unsere Entscheidung vor.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607818900
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.

Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID0607819000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Fraktion der CDU/CSU gegen den vorliegenden Gesetzentwurf rechtliche Bedenken oder überhaupt Bedenken erhebt

(Zuruf von der SPD: Schwerwiegende Bedenken! — Heiterkeit bei der SPD)

— das will ich feststellen, Herr Kollege Müller: schwerwiegende Bedenken —, so ist darauf hinzuweisen, daß in den Jahren 1953 und 1954, in denen die CDU den Bundeskanzler stellte, nicht weniger als vier Gesetze über die Verlängerung der Wahlperioden der Betriebsräte und Personalräte ergangen sind.

(Abg. Ruf: Das stimmt eben nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nun hören Sie doch bitte zu; wir kommen doch noch zur Beratung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Welche Gesetze sind das denn?)

Dabei ging man so weit, nicht nur die Amtsperioden der noch amtierenden Betriebsräte zu verlängern, sondern auch das an sich abgelaufene Amt von Betriebs- oder Personalräten wieder aufleben zu lassen, sofern Neuwahlen noch nicht stattgefunden hatten.
Hier wird also offensichtlich wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen nach dem Grundsatz, daß
Vorlagen richtig sind, wenn sie von der CDU/CSU, aber falsch und rechtlich unzulässig sind, wenn sie von dieser Regierungskoalition kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn behauptet wird, die früheren Verlängerungsgesetze hätten sich immer nur auf künftige Wahlperioden bezogen, so verwechselt die CDU/ CSU-Fraktion wohl das Gesetz vom 15. Dezember 1964 mit den vorgenannten Verlängerungsgesetzen. 1964 wurde in der Tat die Amtszeit der Betriebsräte für die kommende Wahlperiode von zwei auf drei Jahre heraufgesetzt.

(Abg. Ruf: Na also!)

— Kollege Ruf, ich bin noch nicht am Ende, hören Sie bitte zu! Die Brocken, die Sie zu verdauen haben, kommen noch!
Um Ihnen das Nachsuchen nach Ihren früheren Leistungen auf diesem Gebiet zu erleichtern, darf ich Ihnen einige Fundstellen angeben. Erstens: Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte vom 8. Januar 1953. Mit § 1 dieses Gesetzes wurde die Wahlperiode für die Betriebsräte um ein Vierteljahr bis zum 31. März 1953 verlängert. Nach § 1 Abs. 2 wurde außerdem bestimmt

(Zuruf des Abg. Ruf)

— warum sind Sie denn so unruhig? Hören Sie doch bitte zu! —, daß auch die Wahlperiode derjenigen Betriebsräte bis zum gleichen Zeitpunkt verlängert wird, deren Amtsdauer bei Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufen war, sofern Neuwahlen nicht stattgefunden hatten.
Zweitens: Gesetz vom 20. März 1953 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes vom 8. Januar 1953 über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte. Nach § 2 dieses Gesetzes wurde die Wahlperiode der amtierenden Betriebsräte, deren Amtszeit mit dem 31. März 1953 oder später ablief, nochmals bis zur Durchführung der Neuwahlen, längstens jedoch bis zum 14. Mai 1953, verlängert.
Drittens: Gesetz vom 30. März 1953 über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts.

(Abg. Müller [Berlin] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Kollege Müller, ich lasse keine Frage zu.
Nach § i dieses Gesetzes wurde die Wahlperiode der amtierenden Betriebsräte und Personalvertretungen in den Verwaltungen und Betrieben der öffentlichen Hand bis zum 31. März 1954 verlängert. Nach § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes wurde diese Verlängerung auch für Betriebsräte und Personalvertretungen vorgenommen, deren Wahlperiode schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes, aber nach dem 1. Januar 1953, abgelaufen war, sofern eine Neuwahl nicht stattgefunden hatte.
Viertens: Zweites Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode der Personalvertretungen vom 29. März 1954. Hier sah § 1 eine nochmalige Verlängerung der Amtsperiode der am 31. März 1954



Urbaniak
im Amt befindlichen Betriebsräte in den Verwaltungen und Betrieben der öffentlichen Hand bis zum Inkrafttreten des in § 81 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vorbehaltenen Gesetzes vor, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1954.
Das sind die von mir angekündigten Fundstellen. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß die Verlängerung der Amtszeit die Betriebsräte, die Gewerkschaften und die Betriebe in keiner Weise unvorbereitet trifft. Sie wird von den Gewerkschaften öffentlich nachhaltig gefordert und erspart Gewerkschaften und Arbeitgebern die Kosten für Wahlen im Jahre 1971, die wir 1972 nach dem neuen Gesetz vollziehen müssen.
Abschließend will ich betonen, daß die Koalitionsparteien durch Vorlage dieses Gesetzes ihre Absicht bekräftigen wollen, die Beratung des in allernächster Zeit vorliegenden Entwurfs eines Betriebsverfassungsgesetzes in diesem Hohen Hause mit allen Kräften zu fördern. Sie hoffen nach mannigfachen Äußerungen aus Kreisen der CDU/CSU-Fraktion, daß die Opposition sie bei diesem Bemühen wirksam unterstützen wird. Die Koalitionsparteien sähen es als ein gutes Zeichen für deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf diesem wichtigen Gebiet der inneren Reformen an, wenn diese Fraktion auf den Vorbehalt ihres Widerspruchs verzichtete. Die Betriebsräte und die Belegschaften in den Betrieben sowie die Gewerkschaften erwarten, daß die Beratungen des Betriebsverfassungsgesetzes

(Abg. Ruf: Legen Sie es doch erst einmal vor! — Abg. Frau Kalinke: Wo ist es denn?)

nach Verabschiedung dieses Gesetzes aufgenommen werden können, damit die Betriebsratswahlen 1972 nach einem neuen fortschrittlichen Betriebsverfassungsgesetz vorbereitet werden können und die Betriebsratsarbeit 1972 entsprechend gestaltet werden kann. Herr Kollege Müller, für die Erklärung der CDU werden die Arbeitnehmer draußen im Lande kein Verständnis haben.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607819100
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0607819200
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Urbaniak hat schon deutlich gemacht, weshalb die Fraktionen der Regierungskoalition der Meinung sind,

(Abg. Ruf: Das genügt ja dann!)

daß dieses Gesetz heute hier eingebracht und daß die Betriebsratswahlen um ein Jahr verschoben werden sollen. Aber die Erklärung der CDU/CSU veranlaßt mich, noch einiges dazu zu sagen.
Einmal möchte ich feststellen: Man war sich ursprünglich im Ältestenrat darüber einig, daß dieses Gesetz heute hier eingebracht und daß keine formalrechtlichen Bedenken, die jetzt plötzlich erhoben werden, angemeldet werden sollen.

(Abg. Dr. Schellenberg: Hört! Hört!)

Bis heute früh war man sich darüber einig, ich müßte falsch unterrichtet sein, wenn es anders wäre.

(Abg. Müller [Berlin] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Ich freue mich, daß Sie gesprochen haben, Herr
Kollege Müller; ich freue mich über die Erklärung.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607819300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0607819400
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen entgangen, daß ich in der Erklärung keine formalrechtlichen Gründe aufgeführt habe, sondern daß ich ausschließlich gesagt habe, wir seien mit dieser Methode, uns unter Zugzwang zu setzen, nicht einverstanden, denn es liege noch keine Vorlage des Betriebsverfassungsgesetzes vor?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0607819500
Herr Kollege Müller, ich wollte Sie mit Ihrer Erklärung ja entschuldigen, ich wollte das auf formalrechtliche Gründe nehmen. Aber anscheinend haben Sie Erfahrungen aus Zeiten, wo Sie immer etwas versprochen haben, aber dann nicht in der Lage waren, das durchzusetzen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und deshalb sind Sie wohl vorsichtig geworden. Solche Erfahrungen haben auch wir aus Koalitionsberatungen mit Ihnen aus der Vergangenheit.
Mich veranlaßt hauptsächlich folgendes, hier noch etwas zu sagen: Die sozialdemokratische Fraktion und die FDP-Fraktion haben sich bei der Regierungsbildung im vorigen Jahr darauf geeinigt, daß wir in dieser Legislaturperiode, sobald es nach den Vorbereitungen möglich ist, eine Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz vorlegen werden. Das können Sie in der Regierungserklärung nachlesen.

(Abg. Rasner: Deswegen muß es doch noch nicht stimmen!)

— Herr Kollege Rasner, ich muß immer wieder sagen: Erfahrungen, die mit Versprechungen von Ihnen gemacht worden sind, treffen nicht auf diese Regierungskoalition zu.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Siehe Steuersenkung!)

— Herr Kollege Rasner, Sie sollten eigentlich in diesem einen Jahr gemerkt haben, daß die jetzige Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen sehr konsequent die Dinge, die in der Regierungserklärung standen, die sie gemeinsam vereinbart haben, Schritt für Schritt und sehr zügig durchführen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Nein! — Abg. Ruf: Keine Spur! — Abg. Rasner: Siehe Steuersenkung!)

— Herr Kollege Rasner und Herr Kollege Müller, der Sie die Erklärung abgegeben haben, wir werden in Kürze einen solchen Gesetzentwurf vorlegen.

(Abg. Ruf: Was heißt „in Kürze"?)




Schmidt (Kempten)

Ich bin sicher, daß wir, nachdem Sie die Bereitschaft zur Mitarbeit an diesem Gesetz bereits angekündigt haben, in guten und zügigen Beratungen dieses Gesetz so verabschieden können, daß die Betriebsratswahlen 1972 nach dem neuen Gesetz, das zu einer besseren Betriebsverfassung führen soll, durchgeführt werden können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607819600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ott?

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0607819700
Herr Kollege Schmidt, können Sie mir die Gründe sagen, warum die von Ihnen am 10. Oktober auf einem Podiumsgespräch in Augsburg für die nächsten 14 Tage angekündigte Vorlage des Betriebsverfassungsgesetzentwurfes bis heute nicht möglich gewesen ist?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0607819800
Herr Kollege Ott, wenn Sie sich genau an dieses Podiumsgespräch zurückerinnern, werden Sie wissen, daß ich gesagt habe: In den nächsten 14 Tagen, drei Wochen wird das, was zunächst einmal als Entwurf, als Konzept vorhanden ist — ich habe damals einiges darüber gesagt —, der Öffentlichkeit bekannt werden. Man wird dann mehr darüber diskutieren können. Das ist inzwischen der Fall.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607819900
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Überweisungsvorschlag des Ältestenrates. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vor. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung auf:
3. a) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Agrarpolitik
— Drucksachen VI/ 1145, VI/1303 —
b) Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP
betr. Maßnahmen der Bundesregierung in der Einkommens-, der Struktur- und der Sozialpolitik für die deutsche Landwirtschaft
— Drucksachen VI/1187, VI/ 1302 —
4. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL)

— Drucksache VI/945 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VII... —Berichterstatter: Abgeordneter ...
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (10. Ausschuß)

— Drucksachen VI/1384, zu VI/1384 —
Berichterstatter: Abgeordneter Wolf (Erste Beratung 61. Sitzung)

b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte
— Drucksache VI/249 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung (10. Ausschuß)

— Drucksache VI/1384 —
Berichterstatter: Abgeordneter Wolf (Erste Beratung 34. Sitzung)

c) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Nachversicherung landwirtschaftlicher Unternehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung
— Drucksache VI/438 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung (10. Ausschuß)

-- Drucksache VI/1384 —
Berichterstatter: Abgeordneter Wolf (Erste Beratung 36. Sitzung)

Das Wort zur Beratung hat der Abgeordnete Ehnes für die CDU/CSU-Fraktion. Es sind 45 Minuten !Redezeit beantragt.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607820000
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages begrüßt es, !daß wir heute die Große Anfrage hier im Hohen Hause behandeln können Wir hatten Verständnis für die Verschiebung dieser Debatte, und ich bringe im Namen meiner Fraktion zum Ausdruck, daß wir uns freuen, daß der amtierende Bundesminister heute hier dieser Debatte beiwohnt und daß er seine Gesundheit wiedererlangt hat. Die Oppositionsfraktion übermittelt Ihnen, verehrter Herr Minister, durch mich die besten Genesungswünsche.

(Beifall.)

Wenn wir heute zu der Großen Anfrage, die die Oppositionsfraktion eingereicht hat und die Regierung beantwortet hat, Stellung nehmen, darf ich vorweg mitteilen, daß wir als CDU/CSU inzwischen ein Jahr der Überprüfung haben verstreichen lassen, weil es dieser Fraktion bekannt ist, daß die Aufgaben der Agrarpolitik in der Europäischen Gemeinschaft nicht einfach zu lösen sind und weil wir lange genug in der Regierungsverantwortung selbst diese Agrarpolitik verantwortet haben. Ich darf dazu sagen, daß aus diesem Jahr Agrarpolitik der neuen Bundesregierung für uns ein Jahr der Enttäuschung geworden ist; nicht nur für die Oppositionsfraktion, sondern vor allem für die Landwirte draußen im Lande, die zur Zeit in größter Sorge über die zukünftige Entwicklung sind. Von der Bundesregie-

Ehnes
rung wird nicht von den Fragen ausgegangen, die wir in der Großen Anfrage gestellt haben, sondern in der Antwort werden in geradezu unverständlicher Weise andere Daten gesetzt. Es war in diesem Hohen Hause eine gute Gepflogenheit, daß sich jede Regierung bemüht hat, bei den Fragen einer Großen Anfrage in aller Objektivität einen gewissen Höhepunkt zu setzen. Deswegen waren wir von den Unionsparteien enttäuscht, daß wir auf unsere Fragen eine völlig unbefriedigende, verschleierte Antwort bekommen haben, die die Agrarpolitik in der Öffentlichkeit in einem anderen Licht erscheinen läßt, als dies wirklich der Fall ist.
Die Unterlassungen und das Unvermögen der Regierung, die Konjunktur zu steuern, sind für die deutsche Landwirtschaft ganz besonders nachteilig; denn die Landwirtschaft gehört in unserer Gesellschaft zu den Berufszweigen, die von der Inflation im besonderen betroffen sind und dieser Preisentwicklung ganz besonders wehrlos gegenüberstehen, weil ihre Preise in Marktordnungen gebunden sind. Deswegen hat die Landwirtschaft keinen Weg, sich selbst zu Wehr zu setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir von der CDU/CSU stehen auf dem Standpunkt, daß die zwei größten Feinde, die die Landwirtschaft überhaupt hat,

(Abg. Wehner: Die CDU und CSU sind!)

a) die Inflation und b) der Radikalismus sind, weil beides nicht zu dem führt, was wir in dieser Situation erwarten, nämlich zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Agrarpolitik, so wie sie in den letzten zwanzig Jahren eingeleitet und von verschiedenen Koalitionen fortgesetzt wurde.
Die erste Frage, die wir von der Opposition gestellt haben, lautet, wie sich die Preise von Dezember 1969 bis jetzt entwickelt haben. Die Bundesregierung hat diese Frage völlig übergangen und gibt uns in ihrer Antwort einen Überblick über die Preisentwicklung der Jahre 1969/70 und der Jahre 1968/69. Das heißt also, sie beantwortet unsere Frage für die Zeit, in der unser Freund Hermann Höcherl die Verantwortung für dieses Ressort getragen hat,

(Abg. Dr. Ritz: Sehr wahr!)

und gibt der Öffentlichkeit Zahlen bekannt, die seine Regierungsverantwortung im Ministeramt rechtfertigen.
Meine Damen und Herren, die Regierung gibt bekannt, daß die Erzeugerpreise um 3,6 % und die Betriebsmittelpreise nur in einer Relation von 3,3 % gestiegen seien. Dazu darf ich Ihnen sagen, daß die wahren Zahlen anders aussehen

(Abg. Dr. Ritz: So ist es!)

und daß auch die Zahlen, die Sie, Herr Bundesminister, gestern in Bad Godesberg bekanntgegeben haben, in keinem einzigen Fall, gemessen am Bundesdurchschnitt, zutreffen. Die Landwirtschaft hat ihren Abrechnungen zufolge auch bei Getreide andere
Erfahrungswerte zugrunde zu legen, nämlich diejenigen, nach denen abgerechnet worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese unrichtige Auskunft ist deshalb in aller Schärfe zurückzuweisen; denn der Index der Erzeugerpreise ist von Juli 1969 bis Juli 1970 von 106,3 auf 105,4 gesunken. Der Index der Einkaufspreise ist im selben Zeitraum von 103,2 auf 108,9 angestiegen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das sind andere Zahlen als diejenigen, die Sie Ihrer Antwort zugrunde gelegt haben.
Herr Bundesminister, es erhebt sich deshalb hier die Frage: Sind Sie für Ihre Person für die Beantwortung der Großen Anfrage verantwortlich, oder zeichnet derjenige dafür verantwortlich, der die Antwort auf unsere Große Anfrage unterzeichnet hat, nämlich Staatssekretär Dr. Griesau?

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen]: Wie lange sind Sie eigentlich hier im Hause?)

Wenn 'Sie auf Grund Ihrer Abwesenheit durch Krankheit tasächlich nicht persönlich dafür verantwortlich zeichnen,

(Abg. Wehner: Es ist ziemlich impertinent, wie Sie das machen!)

wäre es eine noble Geste von Ihnen, wenn Sie dies hier öffentlich feststellen. Denn die Landwirtschaft draußen will wissen, ob für diese Aussage Dr. Griesau oder Bundesminister Ertl persönlich verantwortlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607820100
Herr Kollege Ehnes, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607820200
Bitte sehr, Herr Fellermaier!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0607820300
Herr Kollege Ehnes, sollte Ihnen, obwohl Sie dem Hause schon seit einigen Wochen angehören, entgangen sein, daß in der Geschäftsordnung steht: Große Anfragen beantwortet die Bundesregierung?

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607820400
Große Anfragen beantwortet die Bundesregierung.

(Abg. Dr. Ritz: Um so schlimmer!)

Die Bundesregierung hat aber auch nach der Geschäftsordnung des Bundestages — und das erwartet dieses Hohe Haus — diejenigen Zahlen bekanntzugeben, die ,das Statistische Bundesamt ausweist, und nicht Zahlen, die sie selbst erfindet.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Die Fragestellung, Herr Kollege Dr. Schmidt, war: Wie haben sich die Preise seit Dezember 1969 bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt? Unsere Antwort darauf lautet, daß die Agrarpreise von Dezember 1969 bis September 1970 um 7,4% gefallen und die Kostenpreise bei den Bedarfsartikeln um über 5%



Ehnes
angestiegen sind. Damit ist festzustellen, daß das Preisniveau der landwirtschaftlichen Produkte heute wieder das Preisniveau des Jahres 1961 erreicht hat. Wenn Sie dem die Unkostenseite gegenüberstellen, dann können Sie sich selbst denken, daß unter diesen Voraussetzungen auch gut strukturierte landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr existenzfähig sein werden. Es geht uns von der Opposition auch darum, festzustellen, daß gut strukturierte Betriebe unter diesen Voraussetzungen nicht mehr bestehen können.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sie überdrehen ja schon wieder!)

Die Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel sind in dem Berichtszeitraum für Bauten und Maschinen unterschiedlich, aber insgesamt gesehen um zirka 20 % gestiegen. In dieser Antwort ist nicht berücksichtigt, daß die Löhne in der Zwischenzeit um 9 % gestiegen sind. Insofern hat die Bundesregierung unsere Große Anfrage mit einer halben Wahrheit beantwortet.
Durch die gesamte Antwort der Bundesregierung zieht sich wie ein roter Faden der Ausgleich für die Aufwertungsverluste. In der Regierungserklärung vom 28. Oktober vorigen Jahres hat Herr Bundeskanzler Brandt erklärt, die Landwirtschaft solle an der Wohlstandsentwicklung teilhaben. Gerade durch diesen Ausgleich der Aufwertungsverluste will die Bundesregierung nachweisen, daß dies eingetreten sei. Ich darf dazu erstens feststellen, daß die Ausgleichszahlungen degressiv sind. Ihnen ist ja bekannt, daß vom Jahre 1974 an von Gesetzes wegen keine Ausgleichszahlungen mehr geleistet werden.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen]: Das ist ja einfach nicht wahr!)

— Damit, Herr Dr. Schmidt, steht fest, daß die Agrarpreissenkung um 8,5% in der Bundesrepublik Deutschland voll wirksam wird.

(Abg. Wehner: Das ist noch nicht einmal eine Milchmädchenrechnung! — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das ist die Unwahrheit!)

— Es steht doch fest, daß im Jahre 1972 von dem Betrag von 920 Millionen DM bereits 110 Millionen DM für andere Zwecke verwendet werden. Im Jahre 1973 sind es dann 220 Millionen DM weniger, und ab 1974 erfolgt keine Ausgleichszahlung mehr. Das bedeutet einen Verlust von 8,5 %.
Es, ist auch interessant, wie diese Aufwertungsverluste beim Import und beim Export durchschlagen. Wer die genauen Zahlen des Imports verfolgt, der kann feststellen, daß in dem Berichtszeitraum die Einfuhr von Geflügel aus Holland, weil die Einfuhrpreise günstiger sind, um 8,3 % zugenommen hat und daß die Einfuhr von Geflügelfleisch aus den osteuropäischen Staaten im Berichtszeitraum sogar um 32,6 % gestiegen ist. Auch auf dem Schweinesektor, wo die Preise einen geradezu vernichtenden Tiefstand erreicht haben, weist die Statistik aus, daß die Einfuhr von Schweinen und Schweinefleisch in der Berichtszeit um 39 % gestiegen ist. Dies zeigt ganz deutlich, daß die Bauern in der Bundesrepublik Deutschland infolge dieser Veränderung des Wechselkurses einem weit stärkeren Kostendruck und einer weit stärkeren Konkurrenz unterliegen, als es vor der Aufwertung der Fall war und als es insbesondere auch von Herrn Bundesminister Schiller vorausgesagt worden ist.
Wenn dieser unhaltbare Zustand anhält, können Sie versichert sein, daß in Ihrer Regierungszeit der nächsten drei Jahre, also in dieser Legislaturperiode, ein solcher Abstand in der Einkommenslage zu erwarten ist, daß die Landwirtschaft auf der Strecke bleiben wird. Dies ist aus der Entwicklung sicher zu schließen. Die Preis-Kosten-Auseinandersetzung kann durch andere Maßnahmen nicht mehr aufgehalten werden.
Ich darf Sie fragen, Herr Bundesminister: Wollen Sie das in Ihre Person gesetzte Vertrauen der Bauern, das bei Ihrem Amtsantritt zweifellos vorhanden war, restlos verspielen?

(Abg. Wehner: Sie sind ein Ehrenmann! — Abg. Dr. Ritz: Leider wahr, Herr Wehner!)

— Herr Wehner, auch die Landwirtschaft hat in unserer Gesellschaft einen Platz.
Wenn Sie überzeugt werden wollen, wie die Preissituation ist, dann darf ich Ihnen folgende Tabelle bekanntgeben. Nach einem Preisvergleich des Statistischen Bundesamtes vom 8. November 1970 beträgt der Unterschied zu den Preisen des Vorjahresmonats bei Schweinen 55,90 DM, bei Kühen 16,04 DM, bei Bullen 11,50 DM, bei Kälbern 11 DM und bei 100 kg Butter 27,50 DM.

(Abg. Dr. Ritz: Alles minus!)

Wenn das der Fraktion der SPD noch nicht die Überzeugung gibt, daß das, was ich hier vortrage, sachlich begründet ist, kann ich nur sagen: es tut mir außerordentlich leid.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie sind eine Ehrenmann! Sie fließen über vor Mitleid! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage 3 ist gesellschaftspolitisch sehr wichtig. Die Opposition wird leider in ihrer Auffassung bestärkt, daß die Aussagen der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1970 über die künftige Einkommensentwicklung der Landwirtschaft aufrechterhalten werden. Auch Sie, Herr Minister Ertl, haben ja — wenn auch indirekt — dazu gesagt, daß es der Landwirtschaft gleich sein kann, ob sie ihr Einkommen direkt über die Preise oder durch bestimmte Maßnahmen bekommt. Ich kann nur sagen: die Aussage im Jahreswirtschaftsbericht 1970, nach der „es für den Landwirt zweitrangig sein dürfte, ob sich das Einkommen ... aus überhöhten Preisen auf Kosten des Verbrauchers oder aus niedrigeren Preisen zu Lasten des öffentlichen Haushalts herleitet" , steht in absolutem Widerspruch zur Auffassung der Opposition.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)




Ehnes
Ich muß Sie an das Zehn-Punkte-Programm der FDP erinnern, das Sie bei Ihrem Amtsantritt zugrunde gelegt haben. Wir hätten die Durchführung dieses Zehn-Punkte-Programms sehr begrüßt, aber davon hat doch nicht mehr ein einziger Punkt seine Gültigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In unserer Frage 4 geht es um die Förderungsschwelle. In dieser Förderungsschwelle zeigt sich die Unsinnigkeit des ganzen Programms. Die Bundesregierung ist in ihrer Antwort der Opposition wirklich in die Falle gegangen. Wir wollten ja erfahren, wie die Preis-Kosten-Entwicklung aussehen wird. Diese Preis-Kosten-Entwicklung wird von Ihnen durch eine Schutzbehauptung in der Öffentlichkeit so dargestellt, daß Sie erklären: Man kann mit Zunahmen und Preisverbesserungen in allen Bereichen rechnen. Ich muß dazu sagen: wenn Sie den Weg, den Sie in den letzten drei Monaten auf der preispolitischen Seite eingeschlagen haben, fortsetzen, wird nach unserer Überzeugung jede landwirtschaftliche Förderung sowieso aufhören, weil es in diesem Bereich zu einem Stillstand kommt, weil bei diesem Preis-Kosten-Verhältnis kein Mann und keine Frau draußen noch die Verantwortung für eine Neuorientierung und für eine Neuausstattung des Betriebes übernehmen wird. Ich werde auf die Konditionen noch im einzelnen zu sprechen kommen.
Nach dem dargestellten Niveau kann man sich schon ausrechnen, wie das Preis-Kosten-Verhältnis im kommenden Frühjahr aussehen wird. Allerdings gibt es sehr widersprüchliche Meldungen. Auf der einen Seite erklärt die Bundesregierung: Wir haben die Überschüsse beseitigt. Gestern ist beim Deutschen Bauernverband dagegen gesagt worden: Die Überschüsse sind so permanent, daß man an die Preiserhöhungen nicht heran kann.
Wenn die Betriebsmittelpreise weiter nach oben gehen, wird sich die Bundesregierung davon überzeugen lassen müssen, daß die Rationalisierung in den Betrieben aufhört und daß die Aussage, idle im Förderungsprogramm gegenüber der Landwirtschaft gemacht worden ist, geradezu grotesk wirken wird.
Ich darf hier auch noch feststellen, daß das Förderungsprogramm nicht entsprechend ausgestattet ist. Im Vergleich mit dem Förderungsprogramm der früheren Bundesregierung fehlen immerhin 100 Millionen DM in diesem Bereich. Angesichts der Preissteigerungen wird sich jeder selbst ausrechnen können, wie sich das Volumen draußen in den landwirtschaftlichen Betrieben in der Gesamtheit auswirken wird.
Die in der Großen Anfrage weniger berücksichtigte Lage auf dem Obst- sowie auf dem Eier- und Geflügelmarkt möchten wir mit einbeziehen, denn gerade in diesen Bereichen haben wir, wenn der Durchschnittspreis für Eier in der vergangenen Woche zwischen 6 und 8 Pfennigen ab Hof gelegen hat, einen Stand erreicht, der mit dem des Jahres 1913 auf dem Gebiet der Eierwirtschaft verglichen werden kann.
Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Antwort auf die Frage 5 absolut dürftig ausgefallen ist, was die Erzeugerpreispolitik angeht, und daß die in der Öffentlichkeit 'bekannte Aussage Ides amtierenden Bundesministers, niedergelegt am 2. März 1966, zu einer Luftblase geworden ist. Sie lautet wörtlich:
... die Gretchenfrage an alle Fraktionen und Parteien: Wie hältst du es mit den Agrarpreisen, mit den Erzeugerpreisen? Bist du bereit, dem Bauern dasselbe zuzugestehen, was du der übrigen Wirtschaft auch zugestehst, nämlich das Einkommen über den Preis zu gestalten, oder hast du hier zwei Meßlatten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607820500

Behandelst du eine Gruppe anders als die andere? Das ist eine Kernfrage. ... die Frage der Preispolitik wird die Gretchenfrage bleiben; sie muß es auch, verehrter Herr Minister ...
— Damit war der Kollege Höcherl gemeint —.
Das weist das Protokoll aus. Und was weist das Protokoll aus, das über die gestrige Delegiertenversammlung in Bad Godesberg vom Deutschen Bauernverband niedergelegt werden muß? Es weist aus, daß von diesen Preisvorstellungen nichts mehr übriggeblieben ist, daß diese Sätze Wahltaktik waren

(Abg. Stücklen: Augenauswischerei!)

und eine falsche Aussage bedeutet haben. Es weist zudem indirekt aus, daß Ihre guten Bestrebungen, Herr Minister, im Kabinett nicht die entsprechende Würdigung erfahren haben; denn sonst würden Sie hinsichtlich der Preissituation anders auftreten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich komme damit zu einem anderen Punkt, zur Preispolitik beim Getreide. Sie wissen, daß hier eine Meldung durch die Öffentlichkeit geht, die das derzeitige Einkommensniveau der Landwirtschaft nicht richtig darstellt. Ich darf Ihnen sagen, daß die Weizen- und Gerstenpreise im Haupterzeugergebiet Bayerns — festgelegt am 10. September 1970, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Ernte zu 80% erfaßt und abgerechnet war — nicht so aussehen wie in Ihrer Darstellung, sondern daß das Ergebnis folgendermaßen aussieht: der Weizenpreis beträgt 34 DM + 8 % = 2,72 DM; der Endpreis ist also 36,72 DM. Demgegenüber der Weizenpreis des Vorjahres: 38,33 DM inklusiver Mehrwertsteuer.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Lediglich bei Braugerste ist — auch das wollen wir nicht verheimlichen — eine leichte Preisverbesserung festzustellen, nämlich auf 37 DM in der Abrechnung pro Doppelzentner plus 2,95 DM Mehrwertsteuer, so daß in der Endabrechnung der Braugerstepreis in diesem Jahr 39,95 DM gegenüber 37,28 DM im Vorjahr beträgt. Daß das nicht durch die Agrarpolitik begründet ist, sondern daß das späte Frühjahr insofern, als wir in diesem Bereich nur eine halbe Ernte erzielen konnten, den Ausschlag gegeben hat, ist Ihnen als Fachmann so be-



Ehnes
kannt wie uns; darüber brauchen wir sicherlich keine Auseinandersetzung zu führen.
Wenn Sie aber auf die Getreidepreissituation eingehen — die Diskussion darüber steht ja in Brüssel bevor —, ,darf ich auch einmal darauf verweisen, daß es für das Land, das am marktfernsten liegt, ganz schlecht aussieht, wenn man daran denkt, daß hier nicht nur die Regionalisierung auf dem Spiele steht, sondern daß hier vor allem auf dem Gebiet des Getreides ein neuer Qualitätsbegriff in der Form gefunden werden soll, daß nach ,dem Vorschlag der Kommission die Auswuchsgrenze von 8 auf 4%, der Feuchtigkeitsgehalt von 24 auf 16,5 %, der Fruchtkornanteil von 5 auf 3 %, der Kornbesatz von 6 auf 2,5% und der Anteil von Unreinheiten von 4 auf 0,5% gesenkt werden sollen.
Herr Minister, wir möchten Sie hier fragen: Werden Sie in Brüssel dafür sorgen, daß weder die Regionalisierung in diesem Ausmaß durchgeführt noch dieser Qualitätsbegriff eingeführt wird? Denn Ihre Aussage lautet, daß Sie eine bessere Qualitätsnorm schaffen wollen. Diese würde mit Sicherheit in den Höhengebieten der Bundesrepublik Deutschland zu einem weiteren Verdrängungswettbewerb führen, weil es ein Unterschied ist, ob man in Italien drei oder vier Monate unter heißester Sonne ernten kann oder ob man in Frankreich vier Wochen früher als in der Bundesrepublik mit der Ernte beginnen kann oder ob man hier Ende August/September bei bereits wieder längeren Nächten und weniger Sonne das Getreide einbringen muß. Wir von der Opposition fordern Sie auf, nicht nachzugeben, weil nach den Vorschlägen der Kommission bei Passau und bei Mühldorf ein Getreidepreis von unter 30 DM herauskäme. Das ist der Preis,. der im Jahre 1913 gezahlt wurde.
Ich glaube, hier haben Sie vor allem als bayerischer Landsmann die marktfernen Länder Schleswig-Holstein und Bayern besonders zu berücksichtigen, weil gerade dieses Marktgefälle und weil gerade diese große Entfernung und die Regionalisierung auf diese weit entlegenen Räume doppelt durchschlagen und die Landwirtschaft in einen absoluten Verdrängungswettbewerb bringen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, von dieser Regierung ist so viel über die Änderung beim Grünen Dollar, über die Wechselkursänderung gesprochen worden. Ich finde allerdings in dieser Zusammenstellung über die Wechselkursänderung keine deutliche Aussage, daß der Grüne Dollar verschwinden soll. Es ist geradezu bezeichnend für die Bundesregierung, daß auch gegenüber den Verbrauchern mit falschen Zahlen operiert wird. Die Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland hat Interesse daran, daß der Verbraucher mit besten und qualitativ hochwertigen Nahrungsgütern dauerhaft versorgt wird; sie hat aber kein Interesse daran, daß die Erzeugerpreise sinken und die Verbraucherpreise steigen. Die Gegenüberstellung der Lebensmittelpreise vom Juli 1969 und vom Juli 1970 zeigt, daß bei Rindfleisch ein Preis von plus 3,2 ausgewiesen ist, bei Rindfleisch zum Braten von plus 2,7, bei Schweinefleisch 6,2, bei Kotelett 6,7 und — man höre und staune — bei Roggenbrot von 9,3 und bei Mischbrot von plus 8 %.
Ich frage die Bundesregierung: Ist die Aussage in der Regierungserklärung noch zutreffend? Ich frage die Bundesregierung weiter: Wird hier der Art. 39 des EWG-Vertrages eingehalten, der besagt, daß den Landwirten in der Europäischen Gemeinschaft ein gutes Preisniveau gesichert sein soll, daß aber der Verbraucherschaft in der Bundesrepublik gute und beste Nahrungsgüter zu günstigen Preisen zur Verfügung gestellt werden sollen? Wir haben kein Interesse daran, daß der Lebensmittelverbrauch zurückgeht, wir weisen aber die Ausführungen der Regierung zurück, wenn feststeht, daß die Verbraucherpreise steigen und die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft von Tag zu Tag sinken. Wenn Sie die Notierungen dieser Woche verfolgen, können Sie feststellen, daß ein weiterer Schritt nach rückwärts getan wurde.
Als besonders gravierend möchte ich die Ausführungen zu den Fragen 11 und 12 bezeichnen. Bei den Fragen 11 und 12 geht es um dieses Preisniveau. Dazu darf festgestellt werden, daß beim gegenwärtigen Zinsniveau und bei der Preisentwicklung vor allem auf dem Bausektor die Investitionen im landwirtschaftlichen Betrieb voll zum Versiegen kommen werden. Das Bundesministerium ist von uns wie auch über einige Landesministerien aufgefordert worden, eine günstigere Kondition in der Form zu geben, daß die Zinsverbilligung erhöht wird. Dieser Forderung ist die Regierung nichtnachgekommen, so daß nach wie vor die 4 % zugrunde gelegt werden, die nach Aussage von Sachverständigen bei 20jähriger Laufzeit dazu führen, daß der Bauer, der investiert, eine Belastung von Zinsen und Amortisation hat, die zur Zeit und Stunde zwischen 12 und 13 % liegt. Das wurde im Anhörungsverfahren des Deutschen Bundestages von den Banksachverständigen festgestellt. Ich darf Ihnen sagen: Mit 12 und 13 °/o kann weder der Arbeiter sich ein Eigenheim bauen noch der Handwerker oder der Einzelhändler investieren, noch die Landwirtschaft Betriebsgebäude erweitern und Maschinen beschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Da hören jede Investition und Initiative auf.
Dabei muß man sich allerdings auch darüber im klaren sein, daß die Landwirtschaft nicht nur Produzent, sondern auch ein großer Abnehmer des Industriebereichs ist. Die Landschaft kann hier bald wieder anders sein. Immerhin beträgt der Auftragswert beispielsweise für die Schlepperindustrie und den landwirtschaftlichen Maschinenbau 3 Milliarden DM. Von der chemischen Industrie kauft die deutsche Landwirtschaft ebenfalls für 3 Milliarden DM. Für Energie und Treibstoff gibt sie 1,5 Milliarden DM aus. Die Bauleistungen der Landwirtschaft betragen jährlich über 2 Milliarden DM. Ihr bedeutendster Lieferant, die Futtermittelwirtschaft, hat einen jährlichen Umsatz von 5,6 Milliarden DM. Hinzu kommt die Ernährungswirtschaft mit einem Umsatz von rund 50 Milliarden DM, weiter das Ernährungshandwerk, das über eine halbe Million Be-

Ehnes
schäftigte verfügt, mit einem Umsatz von über 100 Milliarden DM.
Das läßt erkennen, daß es eine Entscheidung zu treffen gilt, die sich nicht an dem Produktionswert im Verhältnis zum Sozialprodukt orientiert, sondern an dem Gesamtproduktionswert auch der mit der Landwirtschaft verbundenen Bereiche mit einem Umsatz von über 100 Milliarden DM. Das zeigt auf, wie eng die wirtschaftliche Verflechtung der Landwirtschaft mit der übrigen Wirtschaft ist und wie schwer andererseits der Teil, der durch Marktordnungen gebunden ist, darunter leidet und wehrlos bleibt, wenn die inflationistische Preis-Kosten-Entwicklung voranschreitet.
Die Bundesregierung hat ein Förderungsprogramm und ein soziales Ergänzungsprogramm vorgelegt, worin eine Zinsverbilligung von 4% vorgesehen ist. Insgesamt gesehen, kommt das an die vorherigen Förderungskonditionen bei weitem nicht heran. Danach können z. B. bei Nebenerwerbsbetrieben die Mittel nur ganz begrenzt eingesetzt werden. Diese Betriebe können eine Zinsverbilligung lediglich für maximal 10 000 DM Darlehenswert erhalten, wenn sie für das Vorhaben eine unmittelbare Flächenbewirtschaftung in einer überbetrieblichen Zusammenarbeit nachweisen. Daß das in der Landwirtschaft nicht leicht praktikabel ist, wissen wir alle. Es betrifft aber im Nebenerwerb in manchem Land 80 % der in der Landwirtschaft tätigen Menschen. Die Betriebsgrößen sind eben so, daß der Bauer deshalb einen Zu- und Nebenerwerb aufgenommen hat. Bei Nebenerwerbsbetrieben kann grundsätzlich bei Zukauf, Neu-, Um- und Ausbau landwirtschaftlicher Wohnhäuser beispielsweise nur eine Maßnahme von 2 700 DM in Anspruch genommen werden, wenn dies im arbeitswirtschaftlichen Bereich notwendig ist und der Landwirt Mitglied der landwirtschaftlichen Alterskasse ist.
Dazu ist zu sagen: Wer hier eine Verbesserung feststellt, macht wirklich eine verkehrte Aussage. Wer von der Zielschwelle ausgeht und sie als Grundlage für die Feststellung nimmt, daß sich dadurch die Situation verbessert, der muß auch das, was jetzt im zweiten Entwurf als bereinigtes Förderungsprogramm vorliegt, als ganz dürftig bezeichnen. Wer davon ausgeht, daß man hinsichtlich des bereinigten Betriebseinkommens auf die Vollarbeitskraft mit 16 000 DM abstellen muß, und auf Grund der Vorstellungen unserer Fraktion und der Länder bereit war, eine 10%ige Erhöhung der Verminderung der Schwelle durchzuführen, d. h. wer ein paar tausend Mark im Nebenerwerb verdient, kann dann schon diese Schwelle erreichen. Die 3200 DM sind zwar ein kleiner Lichtblick, aber keine Hilfe für weite Regionen und Bereiche. Daran ändert sich auch nichts, wenn Sie, Herr Minister, im Vorort zum zweiten Entwurf sagen: „In der Diskussion hat das Programm wertvolle Änderungen und Ergänzungen erfahren." Ich kann dazu nur sagen: das sind keine wertvollen, sondern ganz dürftige Änderungen, denn die -Mindesteinkommensschwelle hat nach wie vor ihre Problematik. Auf der einen Seite werden die Mindesteinkommensgrenzen in der Öffentlichkeit verschiedenartig dargestellt, und auf der anderen Seite spielt in Ihrem Programm die Entfaltung der Persönlichkeit in einem freiheitlichen Staat überhaupt keine Rolle mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD. — Abg. Wehner: Dafür haben wir ja Sie — Abg. Saxowski: Das spricht man so gelassen aus!)

Wer die Programme in der Europäischen Gemeinschaft kennt — und Sie kennen Sie genau, Herr Saxowski —, weiß, daß es dort keine Zielschwelle gibt. Es gibt sie nur in der Bundesrepublik Deutschland.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sie irren sich!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607820600
Für Förderungsmaßnahmen sind in Italien der Wert des Hofes und die Persönlichkeit maßgebend; auf dieser Grundlage wird die Förderungswürdigkeit ausgesprochen.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Förderungswürdigkeit auf die Person abstellen. Dieser Gesichtspunkt ist im Programm in keiner Weise berücksichtigt. Das bedeutet, daß junge Landwirte auf Lebenszeit aus der Landwirtschaft verdrängt werden. Für uns erhebt sich heute also erneut die Frage: Wollen Sie noch behaupten, daß Sie Agrarpolitik ohne Preis- und Schenkeldruck betreiben wollen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte diesen Nivellierungen und Reglementierungen entschieden widersprechen. Auch die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse im Nord-SüdGefälle in der Bundesrepublik Deutschland haben keinerlei Berücksichtigung gefunden. Ich kann Ihnen garantieren, daß Sie sich in einigen Jahren bemühen werden, in gewissen Regionen unseres Landes nach Landwirten zu suchen, die als Landschaftspfleger auftreten; denn diese Art von Bodenkultur ist billiger als die Bezahlung von Landschaftsgärtnern.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Ritz: Umweltschutz!)

Die Bayerische Staatsregierung hat beispielsweise für den Regierungsbezirk Unterfranken eine Berechnung durchgeführt, aus der hervorgeht, daß allein für diesen Regierungsbezirk jährlich 18 Millionen DM nötig wären, wenn dort die Flächen, die nicht bewirtschaftet werden, weil sie landwirtschaftlich uninteressant oder nicht fruchtbar sind, von Leuten bewirtschaftet und gepflegt werden müßten, die keine Bauern sind, die also nach Stunden arbeiten, die nach Tarif bezahlt werden und ein verlängertes Wochenende haben wollen. Berücksichtigen Sie dies? Von dieser Förderungsmöglichkeit werden — -gerade auch in dem Land, aus dem Sie kommen — die wenigsten. Bauern erfaßt werden. Daran wird sich auch dadurch nichts ändern, daß man die Viehaufstockung dankenswerterweise in die Förderung beim Grünland hineingenommen hat. Ich wundere mich darüber, daß auch im zweiten Entwurf dieses Förderungsprogramms die Abfindung weichender Erben nicht zu finden ist, die bei größer werdenden Betrieben eine absolute Notwen-



Ehnes
digkeit darstellt. Eine solche Regelung wird zukünftig in der Landwirtschaft von besonderer Bedeutung sein, weil ,die Erbauseinandersetzung bei größeren Betrieben das Problem Nummer eins sein wird.
Der Gesamtaussage über dieses Förderungsprogramm muß natürlich das Volumen zugrunde gelegt werden. Wenn hier in diesem Hohen Hause bekanntgegeben wird, daß es in einigen Bereichen Baupreiserhöhungen von 40 % gibt, frage ich Sie, Herr Bundesminister: Woher beziehen Sie Ihre Unterlagen, und worauf basieren Ihre Aussagen, daß mit ,diesem Förderungsprogramm mit einem Volumen von, ich glaube, insgesamt 64 Millionen DM im Jahre 1971 etwas angefangen werden kann?
Ich möchte Ihnen aber auch einmal eine Berechnung vorlegen, weil ja Sachlichkeit vonnöten ist und weil das Hohe Haus auf Sachlichkeit Wert legen muß. Meine Damen und Herren, diese Berechnung ist auf einer Investitionssumme von 1000 DM aufgebaut. Jeder kann seine Investitionssummen dann entsprechend selbst berechnen .
Bei der derzeitigen Investitionsbeihilfe ist es so, daß nach dem Beispiel, das unser Fraktionskollege und Freund Hermann Höcherl angeführt hat, 1000 DM folgendermaßen finanziert wurden: 250 DM Eigenmittel, 150 DM Investitionsbeihilfe, 600 DM Kredit zu 7 % Zins, um 4 % verbilligt; ergibt zusammen 1000 DM. Nach dem Programm von Herrn Höcherl hat damals die Beihilfe des Bundes inklusive Investitionsbeihilfe und Zinszuschuß 390 DM betragen.
Nach ,der heutigen Berechnung beträgt diese, vom Bund aus gesehen, 255 DM bei 7 % Zins. Da aber der Bundesdurchschnitt bei der Zinsbelastung zur Zeit bei 8,75 bis 9% bei festverzinslichen Darlehen liegt, wird zukünftig aus Ihrem Programm über Zielschwelle und Eckschwelle und Eckfinanzierung und Zinsverbilligung noch eine Beihilfe des Bundes von insgesamt 124 DM herauskommen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das heißt, vor einem Jahr 390 DM, heute 124 DM. Dabei sind noch nicht die erhöhten Baukosten eingerechnet, Herr Minister, so daß Sie bei einer weiteren Steigerung ab nächstem Jahr mit plus minus Null rechnen können. Das heißt, Ihre eigene Initiative im Förderungsprogramm ist durch die PreisKosten-Entwicklung aufgefressen und für uns nicht mehr existent.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ich darf aber zu dieser Aussage noch ganz konkret Stellung beziehen, weil es auch in der Frage der Förderungsmöglichkeit und in der Frage der Eigentumsbildung für uns von ausschlaggebender Bedeutung ist, wie Sie, Herr Bundesminister, zukünftig die Aussagen der Jungdemokraten und der Jungsozialisten bewerten wollen.

(Zurufe von der SPD.)

Ich habe nicht 'die Zeit, Ihnen die einzelnen Aussagen hier vorzulegen. Ich wäre Ihnen aber sehr
dankbar, Herr Kollege Dr. Schmidt, wenn auch Sie
darauf hinwirkten, daß die Jungsozialisten endlich ihren Kampf gegen das Eigentum aufgeben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn gerade Sie sollten wissen, daß die Gesellschaft — —

(Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Fellermaier: Herr Ehnes, warum zerbrechen Sie sich den Kopf über uns?)

— Ich zerbreche mir deswegen den Kopf, weil es die Landwirtschaft am allerstärksten trifft. Ich habe nicht umsonst vorhin erklärt, daß Inflation und Radikalismus die Landwirtschaft am meisten bedrohen, und wer gegen ,das Eigentum angeht, ist bei mir Radikalist, kann er herkommen, wo er will, ob von links oder von rechts.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das heißt, wer gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstößt, sollte auch von der Verfassung her überprüft werden. Denn das Grundgesetz ist in der Bundesrepublik Deutschland immerhin unsere Grundlage zu unserer gesellschaftlichen Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Fellermaier: Herr Ehnes, kennen Sie überhaupt das Grundgesetz? — Abg. Wehner: Hat Ihre Partei nicht dagegen gestimmt damals? — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Herr Kollege Dr. Schmidt, ich habe Verständnis, daß Sie in diesem Punkt so allergisch reagieren. — Wenn der Herr Bremer und die Jungsozialisten, Steffen usw., diese Aussagen machen, dann ist das für uns noch nicht so verhängnisvoll, wie wenn der Herr Bürgermeister Weichmann und der Herr Bürgermeister Vogel in denselben Tenor verfallen. Da sind wir bedenklich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei dem ersten Personenkreis sind wir weniger bedenklich, aber bei dem zweiten Personenkreis werden wir aufmerksam,

(Abg. Fellermaier: Blühender Unsinn!)

weil das eine Umfunktionierung unserer Gesellschaft bedeutet, und da sagen wir den Kampf an.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bitte deshalb den Bundesminister, daß er uns Auskunft gibt, ob das Eigentum in dieser Form gesichert bleibt oder ob diese Umfunktionierung schon so weite Teile ergriffen hat, daß diese absolute Bedrohung, die ich ansprach, gegeben ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607820700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Unertl?

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607820800
Bitte sehr!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607820900
Herr Kollege Ehnes, es wäre gut, wenn Du richtigstellen würdest, - -

(Lachen bei der SPD.)

Wir sagen „Du" in Bayern und auch in Bonn.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607821000
Herr Kollege, ich hatte Ihnen zu einer Frage das Wort gegeben und nicht zu einem Glaubensbekenntnis.

(Abg. Unertl: Was hat das mit einem Glaubensbekenntnis zu tun?)


Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0607821100
Kollege Ehnes, es tut mir leid, daß ich nochmals bitten muß, klarzustellen, wer dieser Bremer ist; denn wir haben auch einen Abgeordneten Bremer in der CDU. Das muß deshalb richtiggestellt werden.

(Abg. Wehner: Sonst ist der gefährdet, ja? — Zuruf von der SPD: Wird er sonst ausgeschlossen?)


Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607821200
Ich meine den Herrn Bremer, der im „Spiegel"-Artikel in Zusammenhang mit einem Interview abgebildet ist als Chef der Jungdemokraten: Heiner Bremer aus Hamburg, mit dieser Abbildung.

(Abg. Wehner: Steckbrief!)

Ich glaube, ich darf mich darauf beschränken und brauche die Aussage nicht zu wiederholen, nachdem Sie diese alle kennen, die Aussage, in der er den Kampf gegen das Eigentum angesagt hat und über die auch in Saarbrücken auf dem Parteitag der SPD öffentlich diskutiert wurde und zu der dort Initiativen zu Gesetzentwürfen ergriffen wurden.

(Abg. Wehner: Der gehört eingesperrt?)

Meine Damen und Herren, bei den Punkten 16, 17 und 18 unserer Großen Anfrage kommt noch ein Problem, das von einem Teil der Kollegen manchmal so aufgefaßt wird, als wäre es ein rein bayerisches Problem. Es handelt sich um die Hopfenmarktordnung, es handelt sich um das Reinheitsgebot, und es handelt sich um die Kennzeichnung und Datierung der Herstellung.

(Abg. Fellermaier: Das mußte ja jetzt kommen!)

— Nachdem Sie ein Biertrinker sind, hoffe ich, daß ich Ihre Zustimmung habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich meine den Richtlinienentwurf nach Art. 10, den die Kommission in Brüssel vorgelegt hat.
Zur Zeit und Stunde ist die Situation die, daß Herr Bundesminister Ertl für das Reinheitsgebot eingetreten ist. Hier müssen wir von der Opposition aus feststellen, daß Sie, Herr Minister, leider die Hopfenmarktordnung nicht mit der Weinmarktordnung oder mit der Agrarfinanzierung gekoppelt haben; denn da hätten Sie eine weit bessere Voraussetzung gehabt als jetzt im Alleingang.

(Abg. Wehner: Wir wollen jetzt über den Petersilienexport reden!)

Genauso wie die Weinmarktordnung zugunsten Italiens für das Haupterzeugerland Italien verabschiedet worden ist, erwarten wir von der Bundesregierung und vom Ministerrat, daß das Reinheitsgebot bei Bier und die Hopfenmarktordnung zugunsten der deutschen Produzenten und Konsumenten, Verbraucher und Erzeuger gemeinsam, verabschiedet werden. Wenn diese Vorschrift nämlich seit über 500 Jahren besteht, wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland fast 80% des Bieres in der Gemeinschaft erzeugen und unsere Verbraucher schützen, damit sie beste Qualitäten mit Herkunftsbezeichnung und Herstellungsdatum angeboten bekommen, dann wäre es vom Interesse unserer Verbraucherschaft her ein großer Rückschritt, wenn künftig die Herkunftsbezeichnung und das Herstellungsdatum in dieser Rechtsvorschrift nicht mehr enthalten wären und umgekehrt durch verschiedene andere Mischmöglichkeiten ein Weg beschritten würde, nach dem von der deutschen produzierenden Landwirtschaft 700 000 t Braugerste nicht mehr abzusetzen wären, die heute für die Bierherstellung Verwendung finden. Dazu darf noch bemerkt werden, daß wir vom Lande Bayern her — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607821300
Herr Abgeordneter Ehnes, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Fellermaier zulassen? Ihr Satz wird nun allmählich doch zu lang. Sonst wird. die Frage nicht mehr im Zusammenhang gestellt.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607821400
Bitte!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0607821500
Herr Kollege Ehnes, würden Sie sich von Ihrem Kollegen Höcherl gelegentlich aus den Beratungen im Ministerrat in Brüssel sagen lassen, daß es sich nicht so einfach darstellt, wie Sie das hier in Lieschen-Müller-Art dargestellt haben, indem Sie sagen: Herr Bundesminister Ertl, warum haben Sie eigentlich die Hopfenmarktordnung nicht mit der Weinmarktordnung gekoppelt? Sie müssen doch wissen, daß darüber eben sechs entscheiden und nicht der Wunsch eines einzelnen Ministers ausschlaggebend ist.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU.)


Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607821600
Herr Kollege Fellermaier, ich würde Ihnen empfehlen, Ihre verehrte Frau Kollegin Strobel zu beeinflussen. Bei Herrn Höcherl habe ich das nicht nötig, weil er eine ganz klare Aussage gemacht hat. Ich darf Ihnen sagen: Auch die Vergangenheit zeigt dies. Die verehrte Frau Strobel ist hier. Es hat sich oft gezeigt, daß es in Brüssel etwas besser für die deutsche Landwirtschaft gegangen wäre, wenn die damalige Opposition die Forderungen der Regierung in der Marktordnungssache besser unterstützt hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Fellermaier: Hören Sie mal! Sich aus der Verantwortung stehlen, nennt man das!)

Da haben wir leider diese Liebe und diese Unterstützung nicht in dem Ausmaße erfahren, wie es heute der Fall ist.
Meine Damen und Herren! Zusammenfassend darf ich feststellen, daß die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage zur Agrarpolitik in Inhalt und Stil sehr dürftig war, daß wir mit



Ehnes
dieser Antwort nicht zufrieden sind. Ich darf weiter feststellen, daß die Landwirtschaft zur Zeit mit Erzeugerpreisen produzieren muß, die teilweise unter dem Stand des Jahres 1961 liegen. Außerdem darf ich feststellen, daß die in der Antwort enthaltene Aussage nicht den Tatsachen entspricht, sondern daß die Preissenkung heute 10 % und die Betriebsmittelkostensteigerung 5 % beträgt. Ferner muß ich sagen, daß die Landwirtschaft allein auf der Strecke bleibt, weil sie dieser inflationistischen Tendenz völlig kraftlos und wehrlos gegenübersteht und ihr nichts entgegenzustellen hat.
Abschließend darf ich folgendes sagen. Wenn die Bundesregierung nach wie vor handlungsunfähig bleibt und nicht in der Lage ist, bezüglich der PreisKosten-Entwicklung Stabilität in der Bundesrepublik einkehren zu lassen, werden Sie erleben, daß die Landwirte im kommenden Frühjahr illiquide sind; denn steigende Zinsen, steigende Löhne, steigende Bedarfsartikelpreise — —

(Abg. Wehner: Und steigende Phrasen!)

— Bei Ihnen, aber nicht bei der Opposition. Dazu ist uns diese Lage viel zu ernst. Mit dieser Aussage haben Sie sich selbst einen sehr schlechten Dienst erwiesen!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Das mußte kommen! — Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß uns die Debatte am heutigen Tage Aufschluß darüber gibt, warum die Bundesregierung nicht echt auf unsere Fragen eingegangen ist. Ich hoffe, daß wir dann in Sachlichkeit erfahren, wie es in den nächsten Monaten mit der Landwirtschaft weitergehen soll.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607821700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen).

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0607821800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antworten der Regierung auf die beiden Großen Anfragen halten wir für völlig ausreichend,

(Lachen bei der CDU/CSU)

so daß ich mich gar nicht zu den einzelnen Teilen zu äußern brauche. Ich möchte deshalb einige mehr politische Bemerkungen machen.
Herr Kollege Ehnes, vorweg folgendes: Ich habe von Ihnen in der Tat nichts anderes erwartet; dafür sind Sie uns bekannt. In Ihren Ausführungen war wenig Wahrheit, aber sehr viel Dichtung!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Beweisen!)

Nach der Sommerpause vernahmen wir von der Opposition, daß die einjährige Schonfrist für die Regierung und für Bundesminister Ertl abgelaufen sei.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben viel Geduld gehabt!)

Was heißt schon „Schonfrist"? Die Opposition hat das ganze Jahr hindurch auf Regierung und Bundesminister Ertl einzuschlagen versucht, meistens ohne nennenswerte Wirkung.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Ach was!)

Das begann schon nach drei Wochen, als die Regierung kaum im Amt war.
Eigentümlich ist an dieser Bemerkung von der „Schonfrist", daß das Andreas-Hermes-Haus in Bad Godesberg zur selben Zeit dieselben Vokabeln benutzt hat. In der Tat ist man in einigen Bundesländern in eine Phase eingetreten, die wir alle überwunden glaubten. Sicher hängt das mit den dort stattfindenden Wahlen zusammen, aber Sie werden mir zugeben müssen, daß diese Parallelen doch mehr als auffällig sind. Ich frage mich: Warum? Die Spitze des Andreas-Hermes-Hauses kann keine Klage darüber führen, daß die Möglichkeiten der sachlichen Auseinandersetzung mit der Bundesregierung begrenzt gewesen sind. Niemals in den letzten 20 Jahren hat der Deutsche Bauernverband so oft Gelegenheit gehabt, im Palais Schaumburg Sorgen und Anliegen vorzutragen

(Abg. Niegel: Das war leider nötig! — weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

— Herr Niegel, regen Sie sich nicht auf; Sie kommen nachher aus dem Schreien nicht heraus! Sie werden sich wundern, was ich zu sagen habe! —, und das mit dem Erfolg, daß wir in dem einen Jahr agrarpolitisch mehr in Gang gesetzt haben, als in vielen früheren Jahren getan wurde.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Und das hat noch eine positive Nebenwirkung gehabt: daß der Herr Bundeskanzler fast zu einem' versierten Agrarpolitiker geworden ist.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

In diesem Zusammenhang muß auch die unverzügliche Aufnahme des Bauernverbandes in die Konzertierte Aktion gesehen werden. Nicht zuletzt hat erst vor wenigen Tagen ein fünfstündiges Gespräch

(Zurufe von der CDU/CSU: 11 Uhr 11!)

zwischen dem Präsidium des Deutschen Bauernverbandes und der Spitze der Regierung und meiner Partei stattgefunden.
Herr Präsident Heeremann hat gestern auf dem Bauerntag eine angemessene und an Fakten orientierte Rede gehalten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum dann vorher die Verdächtigungen?)

Wir nehmen das mit Befriedigung zur Kenntnis, wenn auch in der Sache noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die hat es immer gegeben!)

Aber für uns ist Vilshofen damit korrigiert. Wir
wissen nun ganz genau, wo die Scharfmacher sind.

(Zurufe von der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Die Feurys! Dr. Schmidt Doch nun zur Rolle der Opposition im Bereich der Agrarpolitik hier im Plenum und in der Öffentlichkeit. Anfang dieses Jahres war in der Deutschen Bauernzeitung zu lesen, die Opposition mache Krach mit Platzpatronen. Was das Geräusch betrifft, meine Damen und Herren von der Opposition, so hat sich bis heute daran nichts geändert. Nur eines hat sich geändert: Sie haben die Munition gewechselt. Sie — insbesondere die CSU — haben mit einer Art Tränengas operiert, damit man draußen nicht das erkennt, was Sie in den letzten zwanzig Jahren versäumt haben (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Jetzt kommt die Legende!)




und damit man auch nicht erkennen kann, was im letzten Jahr geschehen ist.
Sie haben auch das zu vernebeln versucht, was Sie tun würden, wenn Sie an der Regierung wären.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Jetzt kommt die berühmte Legende!)

Ich möchte das mit zwei recht aufschlußreichen Beispielen belegen. Das erste Beispiel ist das Förderungsprogramm, von dem hier schon die Rede war. Sie alle wissen, daß das schon in der Zeit der Großen Koalition konzipiert worden ist. Alle wesentlichen Einzelheiten sind in dem Buch „Die Welt zwischen Hunger und Überfluß" enthalten, das Sie in jeder Buchhandlung — auch hier im Hause — erwerben können. Sie sollten diese Ausgabe schon deshalb nicht scheuen, weil das Honorar Ihrem Parteifreund Hermann Höcherl zufließt.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich will Ihnen das Vergnügen an der' Lektüre nicht rauben; um Ihnen aber dennoch das Nachschlagen zu erleichtern, darf ich auf drei Stellen hinweisen. Auf den Seiten 124 bis 126 finden Sie das einzelbetriebliche Förderungsprogramm samt Zielschwelle und sogar mit einer Eingangsschwelle; mir persönlich ist das sehr sympathisch.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ich dachte, das sei ein Erbhof!)

Auf der Seite 136 wird das soziale Ergänzungsprogramm behandelt und auf Seite 138 die Wohnhausförderung. Dieses Konzept des Kollegen Höcherl hielten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, — wie auch ich — seinerzeit im Prinzip für genau so vernünftig wie andere auch.
Als nun aber diese jetzige Bundesregierung den ersten konkreten Entwurf herausbrachte, waren Sie die ersten, die den Grundgedanken des Programms, entwickelt von Herrn Höcherl, in Bausch und Bogen verteufelten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Herr Höcherl zog sich zurück, wechselte in eine andere Fakultät über. Dort gewinnt er neue, größere Maßstäbe und wird daran auch gemessen.
Natürlich kann man an diesem Förderungsprogramm das eine oder andere kritisieren. Auch meine Freunde und ich glauben, daß man das eine oder andere hätte anders machen können. Aber es ist ein fortschrittlicher Kompromiß, den wir für erträglich halten und auch billigen. Wir sind sicher, daß bei einer Fortschreibung das eine oder andere geändert werden kann. Wir müssen dann zum Beispiel auch mehr an die Landarbeiter denken.
Aber statt einer sachlichen Würdigung kamen von Ihrer Seite die „wahren Könner" zum Zuge. Z. B. hat Ihr Parteifreund Dr. Schneider, der Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes, das böse Wort vom Ausrottungsprogramm erfunden und damit den Auftakt zu einer Hetzkampagne gegeben, insbesondere in Bayern von der CSU getragen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

die ihresgleichen sucht und die vor einer Woche in Hamburg unter der Regie nun sogar eines Nichtbayern einen weiteren Höhepunkt erreicht hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann sind die Bayern gar nicht so schlecht?)

„Ausrottung", „Enteignung", „Sozialisierung der Landwirtschaft", das ist die Munition, meine Damen und Herren von der Opposition, mit der den Bauern und Landwirten suggeriert werden soll, der Regierungswechsel in Bonn sei fast mit der russischen Oktoberrevolution gleichzusetzen.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen]: „Verbrecher", „Volksverhetzer"!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich darf Sie allen Ernstes fragen, ob Sie sich darüber im klaren sind, was Sie damit eigentlich anstellen.

(Abg. Wehner: Sehr wahr! — Zurufe von der CDU/CSU.)

Wenn ich den Vorredner, Herrn Kollegen Ehnes, richtig verstanden habe, werden Sie, sobald Sie irgendwann wieder die Verantwortung übernehmen sollten, das ganze Agrarprogramm zerreißen — er hat es eben zerrissen — und unter dem Motto „Die Preise hoch, die Grenzen fest geschlossen" mit klingendem Spiel aus der EWG hinausmarschieren

(Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der CDU/CSU)

obwohl —

(Abg. Dasch: Eine völlig unsachliche Unterstellung! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— lassen Sie mich doch einmal ausreden; so wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus —

(Beifall bei den Regierungsparteien)

obwohl Ihr Kollege Lücker im Agrarbrief Nr. 5 auf Seite 7 gerade das Gegenteil gesagt hat.
Ein zweites Beispiel: Sie haben in den letzten Wochen einen Eventualhaushalt für 1971 gefordert. Das ist Ihr gutes Recht. Sie wollen aus dem Etat für das nächste Jahr einige Milliarden DM herausstreichen, natürlich ohne die Personalausgaben, die Sozialausgaben. und die Verteidigungsausgaben anzugreifen. Auf gut deutsch heißt das, daß Sie dann den Einzelplan 10 nach bewährtem Muster auf jedes Minimum reduzieren wollen,

(Zuruf von der CDU/CSU)




Dr. Schmidt (Gellersen)

das in der letzten Finanzplanung des Herrn Strauß festgelegt war. Erinnern Sie sich noch an die peinliche Situation bei der Verkündung des Agrarprogramms des Ministers Höcherl, als Herr Strauß eine halbe Stunde später jeglicher Zusage der Finanzierung des Agrarprogramms eine glatte Abfuhr erteilte? Bisher war bei Ihrem Schatten-Schatzminister weder für ein Agrarprogramm noch für einen sozialen Ergänzungsplan noch für eine ausgewogene Regionalpolitik Platz. Ich glaube, es ist an der Zeit, die Landwirtschaft davon zu unterrichten, daß ein Machtwechsel zur CDU/CSU im gegenwärtigen Augenblick nichts anderes bedeuten würde als ein vorzeitiges Ende des Aufwertungsausgleichs und ein Einfrieren aller agrarreformerischen Arbeiten in altes Polareis.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Barzel: Worauf stützen Sie diese Behauptung? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Man darf gespannt sein, wie dann Herr Klinker und sein Bauernverband aussehen würde, der in der vergangenen Woche mit der Parole „Bauern lernt von Al Fatah" auf die Straße gegangen ist.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Um nicht mißverstanden zu werden: Niemand wird der Landwirtschaft das Recht nehmen, für ihre Interessen einzutreten und, wenn es sein muß, zu demonstrieren. Dieses Recht hat auch sie. Aber es ist doch auffallend und wohl auch bezeichnend, daß die ersten Aktionen dieser Art seit dem Regierungswechsel ausgerechnet in Schleswig-Holstein stattgefunden haben, wo der Bauernverband früher niemals an spektakulären Demonstrationen beteiligt war, als die Koalition in Bonn anders aussah. Das kann natürlich an dem ruhigen, wegen seiner Sachlichkeit von uns hoch geschätzten Kollegen Struve gelegen haben. Aber jetzt auf einmal geht es los. Einem Mansholt beim Kartenspiel unter Gejohle und Gepfeife zuzusehen, das mag noch eine Geschmackssache sein.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber nach dieser Eskalation in Hamburg frage ich mich und frage ich Sie, Herr Klinker,

(Abg. Fellermaier: Jetzt wird „geklinkert" ! — Weitere Zurufe von der SPD)

wie wohl die Saat aufgehen wird, die Sie da säen:

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

„Bauern, lernt von Al Fatah!"

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Als ich das im Fernsehen sah — das können Sie mir glauben —, war ich tief betroffen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich habe mich als aktiver Landwirt geschämt, weil der Präsident Klinker ein solches Transparent überhaupt zugelassen hat.

(Erneuter Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Sehr wahr! — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich bin sicher, daß jeder nüchterne und real Denkende in Ihren Reihen genauso empfindet wie ich.

(Abg. Unertl: Bei Höcherl und Hundhammer war es erlaubt!)

Werden Sie die Geister wieder los, die Sie rufen?

(Abg. Franke [Osnabrück]: So wie ihr die Geister der Jusos nicht loswerdet!)

Ist Ihnen nicht klar, Herr Klinker, daß mit diesem Transparent und dem Aufruf, den Sie zugelassen haben und der im Fernsehen herausgestellt worden ist, eine direkte Beziehung zur „Schwarzen Fahne" des Jahres 1928, zum „Bombenlegerlied" herstellen: „Ich leg' die Bomb' im Landratsamt, im Reichstag Dynamit"?

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, die Lage der Landwirtschaft läßt sicher einen Freudenschrei nicht zu. Aber das Jahr 1969/70, das vergangene Wirtschaftsjahr, hat gegenüber früher keine Verschlechterungen gebracht. Was sich in den letzten paar Wochen am „Preishimmel" ergeben hat,

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Monaten!)

das wissen wir. Ich begrüße die ausdrückliche Feststellung des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes von gestern, daß die Lage der Landwirtschaft nicht von dieser Regierung allein, sondern auch von allen früheren Regierungen herbeigeführt worden ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das nehmen Sie bitte auch einmal zur Kenntnis!
Meine Damen und Herren, niemand bestreitet und niemand kann bestreiten, daß sich jeder einzelne Bauer heute Sorgen macht, Sorgen über die Zukunft seines Hofes und Sorgen über die Zukunft der nachwachsenden Generation in diesem Beruf. Warum das so ist, habe ich an dieser Stelle schon oft dargelegt. Der technische Fortschritt erzwingt einen Wandel in der Agrarstruktur, der sich durch politische Maßnahmen steuern, nicht aber in seiner Gesamtrichtung beeinflussen läßt. Das ist in der Bundesrepublik nicht anders als in den übrigen EWG-Ländern. Nicht nur der einzelne Landwirt, sondern auch seine Organisationen müssen sich damit gründlich auseinandersetzen. Das wird zum Teil auch getan; allerdings ist die Reaktion darauf recht unterschiedlich.
In den Niederlanden — jetzt kommt eine Antwort auch auf eine Bemerkung von Herrn Ehnes — hat die Berufsvertretung, die „Landbouwschap", die Regierung und die Parteien vor einigen Wochen dringend aufgefordert, dafür zu sorgen, daß das Tempo der Abwanderung aus der Landwirtschaft verdoppelt wird. In der Provinz Friesland haben die Bauernverbände einen Plan vorgelegt, in dem für die Grönlandbetriebe ein Mindestbestand von 40 Kühen und für die Ackerbaubetriebe eine Nutzfläche von durchschnittlich 40 ha als Ziel genannt werden. In Friesland gibt es heute noch rund 13 000 Grünlandbetriebe mit durchschnittlich 24 Kühen. Nach Abschluß des Strukturwandels werden — so die dortigen Bauernverbände — noch etwa 6000 Höfe mit einem mittleren Bestand von 50 Kühen übrig blei-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970 4373
Dr. Schmidt (Gellersen)

ben. Die von der friesischen Landwirtschaft - nicht etwa von der Regierung; unterscheiden Sie bitte — selber angestrebte Zielschwelle, die hier so stark kritisiert worden ist, beträgt in Holland 30 000 Gulden pro Betrieb. Sie werden zugeben, daß sich unsere 24 000 DM mit der Anrechnungsmöglichkeit für andere landwirtschaftliche Einkommen dagegen recht bescheiden ausnehmen.
Selbstverständlich erwartet der friesische Bauernverband, daß die Regierung seinen Mitgliedern bei der Umstellung hilft. Seine Ansprüche sind nicht gerade bescheiden. Sie schließen auch die Forderung ein, daß sich die Preise möglichst an den Kosten orientieren sollen. Aber weder in Friesland noch in anderen niederländischen Provinzen würde es heute ein Bauernführer wagen, der Regierung im Lande oder dem Ministerrat in Brüssel oder sonst wem mit einem Ultimatum von der Art zu drohen: Entweder werden die Preise sofort um 15 % heraufgesetzt, oder es kommt, wie Herr Klinker sagte — ich darf ihn doch wohl zitieren —, zu einer Eskalation bis — so war es auf dem Transparent zu lesen — zu den Methoden von Al Fatah.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607821900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dasch?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0607822000
Bitte sehr!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0607822100
Herr Kollege Dr. Schmidt, halten Sie eine Ausrichtung der deutschen Agrarpolitik auf die Größenordnungen, die Sie soeben erwähnt haben, für von dieser Bundesregierung und Ihrer Fraktion erwünscht und möglich?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0607822200
Ich habe erklärt: wir stehen zu dem Programm, das Herr Ertl uns vorgelegt hat. Da sind die Grenzen etwas niedriger. Das ist unser Maßstab.
Ich meine, das Ganze kommt im Grunde genommen einer Irreführung gleich, die ihresgleichen sucht. Lassen Sie mich, Herr Klinker, Sie noch einmal ansprechen, einen Mann, der im Europäischen Parlament Sitz und Stimme hat und sicher die realen Möglichkeiten kennt. Im übrigen muß ich ernsthaft die Frage stellen: was ist richtig, die Forderung, die Herr von Heeremann vor einigen Tagen dem Herrn Bundeskanzler und dem Präsidium der SPD vorgetragen hat, oder das, was Herr Klinker in Hamburg an Forderungen angemeldet hat? Gestern war Herr von Heeremann in seinen Ausführungen übrigens noch sehr bescheiden und vernünftig und anständig, als er davon sprach, daß die Bauern „angemessene" Preisanhebungen wünschen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Kritik muß sein; sie ist das Salz in der demokratischen Suppe. Was aber im tiefsten Süden und im höchsten Norden der Bundesrepublik von der Opposition und von den durch sie beeinflußten Organisationen im Augenblick geboten wird, ist nicht nur scharf gewürzt, es ist einfach ungenießbar. Dieses makabre Spiel mit der Gutgläubigkeit der Bauern
Gott sei Dank noch nicht überall — hat mit einer ehrlichen Vertretung des Berufsstandes nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der SPD.)

Man verzichtet auf jede, aber auch wirklich auf jede quantitative strukturelle Zielvorstellung. Man unterschlägt, daß die Entwicklungsfähigkeit in aller Regel von einer besseren Landausstattung abhängt und daß dort, wo aufgestockt werden soll, natürlich auch abgestockt werden muß. Man behauptet — das hat Herr Dr. Eisenmann, der Landwirtschaftsminister in Bayern, gerade vor einigen Tagen getan —, daß jeder Bauer bleiben könne, der Bauer bleiben wolle. Das ist derselbe Minister Dr. Eisenmann, der durch die Lande zieht und frank und frei behauptet, die Landwirtschaft werde von der Bundesregierung abgewürgt, aber dessen Glaubwürdigkeit dadurch gekennzeichnet ist, daß er in Bonn dem Förderungsprogramm seine Zustimmung gegeben hat, demselben Programm, das er im Lande draußen jeden Tag verteufelt.

(Abg. Wehner: Hört! Hört! — Widerspruch bei der CDU/CSU.)

— Wider besseres Wissen. Das sind Tatsachen, die Sie nicht negieren können.

(Abg. Stücklen: Das ist eine ganz falsche Behauptung! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Methode, mit der Sie seit einem Jahr regieren!)

— Wir lesen das doch jeden Tag in den Berichten der Zeitungen.

(Abg. Stücklen: Herr Schmidt, daß ist eine falsche Behauptung!)

— Wider besseres Wissen redet man gerade auch im süddeutschen Raum jeden Tag davon, daß die Regierung nicht ernsthaft bemüht sei, eine Anhebung der Erzeugerpreise durchzusetzen. Wenn Sie aber inzwischen gehört haben, was auch mit dem Kanzler vereinbart worden ist, müssen Sie zugeben, daß eine solche Behauptung frei erfunden ist. Man unterstellt, daß es mit preispolitischen Maßnahmen möglich sei, den Strukturwandel aufzuhalten, wobei man selbstverständlich das unter der Führung Ihrer Partei geschaffene EWG-System ignoriert. Man erklärt schließlich, es gebe Patentmedizinen in Gestalt von Produktionskontingenten, mit deren Hilfe alle Marktgesetze auf den Kopf gestellt werden könnten. So Herr Lücker im „Agrarbrief" Nr. 10, Seite 6. Er endet mit einem Appell an die Bundesregierung, seinem Konzept zu folgen, und mit dem bedeutungsvollen Satz: „Das könnte
— wieder einmal — ins Auge gehen." Ein tolles Eingeständnis des Herrn Lücker, was die Beurteilung seiner früheren Regierung hinsichtlich ihrer Tätigkeit in Brüssel anlangt. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.

(Abg. Wehner: Sehr wahr! — Abg. Fellermaier: Der muß es ja wissen!)

Wenn das mit den Kontingenten so einfach sein
soll, frage ich mich, warum es die europäischen Ver-



Dr. Schmidt (Gellersen)

bände und auch die EWG-Kommission in Brüssel noch nicht realisiert haben.

(Abg. Fellermaier: Und der Herr Lücker mit seiner Fraktion!)

Wo aber bleiben bei uns in Deutschland und auch bei Ihnen die Vorschläge nach der Art der friesischen Bauernverbände? Wo bleibt eine Strategie zur Verteidigung des Marktanteils der deutschen Landwirtschaft durch Erzeugergemeinschaften? Wo bleibt das Armel-Aufkrempeln als einzig mögliche Reaktion auf die Herausforderung der modernen Technik und auf das Zusammenwachsen der Volkswirtschaften in der EWG? Wo bleibt das Positive, das Konstruktive, das Realisierbare, meine Damen und Herren von der Opposition?

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Mit dem „Wo bleibt das alles" sprechen Sie jetzt sicher die Regierung an?!)

Wann wird vielen von Ihnen eigentlich bewußt, daß Sie mit dem Hochkitzeln von Vorurteilen im Lande — Herr Ehnes hat das beste Beispiel gegeben —, mit der negativen, nur auf Emotionen ausgerichteten Agitation, mit dem Wecken falscher Hoffnungen, mit dem Wegschieben aller Verantwortung auf den Staat und mit dem ganzen konservierten Hokuspokus die Landwirtschaft in eine Sackgasse hineintreiben, an deren Ende gar keine Agrarpolitik mehr gemacht werden kann, sondern nur noch Konkursverwaltung möglich ist?

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das ist doch schrecklich für Sie! Billige Polemik!)

- Natürlich ist es Ihnen peinlich; das weiß ich. Aber es mußte ja einmal gesagt werden.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das liegt unter Ihrem Niveau!)

Was haben Sie uns in einem Jahr alles zugemutet!

(Abg. Bewerunge: Unerhört! Sie wissen genau, welche Mühe sich die Landwirtschaft gegeben hat! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich weiß genau, was ich sage.
Wir rechnen nicht damit, daß die Kritik der Landwirtschaft an der Regierung nachläßt. Aber wir erwarten im Interesse der Bauern und Landwirte und im Interesse der Menschen im ländlichen Raum, daß sich die Zielrichtung dieser Kritik entscheidend ändert. Entwickeln Sie doch Denkmodelle für den Betrieb der Zukunft!

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Zeigen Sie uns doch moderne Formen der Kooperation bei der Produktion und bei der Vermarktung!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607822300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0607822400
Bitte sehr!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607822500
Herr Abgeordneter Schmidt, können Sie den Beweis Ihrer Behauptung von vorhin erbringen, daß Herr Landwirtschaftsminister Dr. Eisenmann, der bayerische Staatsminister, das einzelbetriebliche Förderungsprogramm in allen Punkten gebilligt hat? Ich habe nämlich soeben mit Herrn Regierungsdirektor Schuh am Telefon gesprochen. Er sagt, das, was Sie behauptet hätten, sei nicht wahr.

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! Gelogen!)


Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0607822600
Aus den Protokollen geht hervor, daß alle Länderminister zugestimmt haben. Nun kommen Sie!

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Da kann der Regierungsdirektor erklären, was er will.

(Abg. Stücklen: Welches Protokoll?)

— Das Protokoll der Sitzung der Ministerkonferenz.
Ich möchte Sie nur bitten, mit dafür zu sorgen, daß die Verhandlungsposition der Bauern beim Bezug von Betriebsmitteln und beim Absatz der Produkte nicht schlechter wird, als sie es heute schon ist. Gewiß, am Preisansteig der Betriebsmittel trägt die Landwirtschaft keine Schuld. Aber am Preisverfall der letzten Wochen bei Eiern, Geflügel, Schweinen und wahrscheinlich demnächst auch bei den Rindern trägt die Landwirtschaft doch eine gewisse Mitverantwortung.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Das kann man nicht leugnen. Herr Ehnes, das müssen Sie sich sagen lassen. Sie können doch nicht alles immer auf die Regierung abschieben, obwohl sie dafür gar nicht kann.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir kennen doch alle die Produktionszyklen, und wir wissen, daß sie sich in der EWG noch schärfer auswirken werden als früher.
Aber zurück zu den Betriebsmitteln. In allen möglichen Branchen haben Preisbrecher den Markt und die Preise wieder normalisiert. Bei den vielfach führenden Positionen in den landwirtschaftlichen Organisationen aller Art, die viele Kollegen gerade Ihrer Fraktion innehaben, frage ich mich, warum es bisher noch keinen Preisbrecher z. B. bei Pflanzenschutzmitteln und beim Stickstoffdünger gegeben hat, obwohl es an der Zeit ist, daß hier einiges geschieht. Oder sollte das die neuangekündigte sehr enge Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Industrie nicht zulassen?

(Abg. Bewerunge: Sie haben doch die Höchstpreisverordnung aufgehoben?)

— Ja, Gott sei Dank haben wir sie aufgehoben! —Und nun hören Sie auf, Lösungsvorschläge, die — wie der Gedanke der Partnerschaft von Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieben — ja auf ganz bestimmte Voraussetzungen zugeschnitten sind, zu ideologisieren. Hier stimme ich mit Ihrem Kollegen Horstmeier völlig überein. Kümmern Sie sich doch vielleicht auch ein bißchen mehr um den Markt als um die Höhe der EWG-Preise! Helfen Sie doch aktiv mit, daß die Regionalpolitik zu einem vollen Erfolg



Dr. Schmidt (Gellersen)

wird, z. B. durch Vorschläge für die Ansiedlung von Verarbeitungsbetrieben für die landwirtschaftliche Erzeugung! Kümmern Sie sich auch um diejenigen, die aus der Landwirtschaft ausscheiden müssen und wollen, ein bißchen mehr als bisher, und fordern Sie dann, wenn Sie das tun, die Regierung auf, diese Initiativen zu unterstützen! Das hielte ich für positive, praktische und gute Opposition. Aber machen Sie endlich Schluß damit, von diesem Staat, von der Bundesrepublik zu verlangen, er solle den Nachtwächter im Dorfe spielen, und ihm gleichzeitig mit Bomben zu drohen, wenn er nicht prompt pariert. Das ist doch einfach unerhört, und damit muß Schluß gemacht werden!

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

So wenig es, meine Damen und Herren, einem Arafat gelingt, den Staat Israel zu liquidieren, so wenig werden die grünen Fedajin aus Schleswig-Holstein diese oder eine andere Regierung dazu bringen können, die Verantwortung für das Schicksal einer Gruppe höher zu stellen als die Verantwortung für die Gesamtheit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Da es keine Gerechtigkeitscomputer gibt und da sich die Landwirtschaft nun einmal in der Minderheit befindet, muß sie nicht nur die jeweilige Regierung, sondern auch die Öffentlichkeit überzeugen. Die Landjugend, meine Damen und Herren von der Opposition, hat das begriffen, und ich möchte mich dafür bei dem Kollegen Horstmeier ausdrücklich bedanken. Sein mutiger Beitrag in dem Buch „Die Union in der Opposition" läßt aufhorchen. Er verdient, von allen Agrarpolitikern der Opposition gelesen und — wenn es geht — sogar beherzigt zu werden. Ich jedenfalls bin in weiten Passagen mit ihm in der Beurteilung der Lage und im Ziel völlig einig.
Was soll nun eigentlich, meine Damen und Herren von der Opposition, das vor allen Dingen draußen im Lande zu hörende Gerede von der eigentumsfeindlichen Politik der derzeitigen Koalition? Sie haben immer wieder erklärt, daß Sie Bauern und Spekulanten nicht in einen Topf zu werfen gedenken. Im Augenblick geht es für die Landwirtschaft um die juristisch nicht sehr einfache Frage der Entschädigung einer relativ kleinen Zahl der bäuerlichen Grundstücksbesitzer in städtebaulichen Entwicklungsbereichen. Man hat noch keine für alle befriedigende Formulierung, die diese Frage beantworten könnte, gefunden, aber an einer solchen Formulierung wird gearbeitet, und die Landwirtschaft kann völlig sicher sein, daß eine für sie vertretbare Lösung gefunden wird. Wir haben in dem Gespräch mit dem Deutschen Bauernverband eine Kommission gebildet, und wir werden sicher zu einer Verständigung über diese Formulierung kommen. Aber aus dieser Detailfrage die Behauptung abzuleiten, man wolle den Grund und Boden sozialisieren, ist doch eine ungeheuerliche Demagogie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Die Jusos!)

Noch haarsträubender sind die Rechenkunststücke, mit denen die CDU/CSU den Agraretat zu interpretieren versucht. Lassen Sie mich Ihnen erst einmal, um einiges richtigzustellen, die Entwicklung der mittelfristigen Finanzplanung vortragen. Seitens der alten Regierung waren für das Jahr 1970 für den inneren Teil 2,506 Milliarden DM vorgesehen. Die neue Regierung sieht 2,931 Milliarden D'M, also eine Steigerung um 425 Millionen DM vor. Für das interessante kommende Jahr 1971 hatten Sie mit der alten Regierung nur eine Steigerung von rund 20 Millionen DM geplant; wir in der neuen Regierung beabsichtigen neuerdings eine Steigerung von 520 Millionen DM. Ich frage Sie, ob man das nicht auch einmal in Ihren Reihen zur Kenntnis nehmen muß.

(Abg. Wehner: Sehr wahr! — Zuruf des Abg. Bewerunge.)

Wenn Sie von dem Stand ausgehen, den die Bundesregierung vorgefunden hat, dann sind der Landwirtschaft 1970 folgende Mittel neu zugeflossen — vergessen Sie das 'draußen nicht, darum sage ich es Ihnen laut und deutlich —: für den Direkteinkommensausgleich 920 Millionen DM, Aufwertungsausgleich über die 'Mehrwertsteuer 780 Millionen DM, Aufstockung des Agararhaushalts 1970 gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung von vorher 425 Millionen DM und aus Einsparungen vor wenigen Wochen — Marktordnung — nochmals 200 Millionen DM. Das macht zusammen über 2,3 Milliarden DM, die der Landwirtschaft in diesem Jahre neu zugeflossen sind, und das kann niemand leugnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Bewerunge.)

Noch eins, Herr Bewerunge — Herr Dasch, Sie reden ja nachher! —, im Interesse der Landwirtschaft — ich unterstreiche das und sage es ganz deutlich — bitte ich Sie dringend, ganz dringend, mir nähere Ausführungen zum Aufwertungsausgleich zu ersparen. Es gibt auch Hunde, die nicht schlafen. Das will ich nur dazu sagen. Auch im Haushalt für das kommende Jahr werden natürlich noch Korrekturen vorgenommen. Das gilt erst recht auch in der Finanzplanung für das Jahr 1972.

(Zuruf des Abg. Dr. Ritz.)

— Natürlich, aber wir stellen weitere Überlegungen an.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf folgende Positionen hinweisen, zuerst auf die am 1. Januar 1972 einzuführende Krankenversicherung. Sie war vor und auch in der Großen Koalition tabu. Jetzt gehen wir an dieses aktuelle Thema heran. Durch die Übernahme der Beiträge der Altenteiler im Rahmen der Krankenversicherung der Landwirte entstehen dem Bund zusätzliche Kasten von 322 Millionen DM für 1972, 355 Millionen DM für das Jahr 1973, 386 Millionen DM für das Jahr 1974 und 426 Millionen DM für das Jahr 1975 allein für diese eine sozialpolitische Aufgabe.
Zweitens. Für das landwirtschaftliche Altersgeld sind 639 Millionen DM für 1970 und 675 Millionen DM für 1971 veranschlagt. Bis Oktober 1971 muß eine Neuregelung des Altershilfegesetzes erfolgen.



Dr. Schmidt (Gellersen)

Sie dürfen versichert sein, daß diese Neuregelung keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung bedeuten wird.
Drittens. Für 'die Unfallversicherung waren in der mittelfristigen Finanzplanung für das laufende Jahr 180 Millionen DM vorgesehen. Wir haben mit Ihnen gemeinsam 235 Millionen DM daraus gemacht, für 1971 sogar 260 Millionen DM. Trotz erheblich verbesserter Leistungen können damit generelle Beitragserhöhungen vermieden werden.
Wir haben natürlich bei der Entscheidung, ob eine Anhebung des Altersgeldes oder eine weitere Beitragsbelastung für die wirtschaftenden Landwirte erfolgen sollte, die Alternative der Beitragsbelastung für die wirtschaftenden Landwirte gewählt. Für die kommenden Jahre werden wir nach neuen Verfahren suchen, die der besonderen Lage der Landwirtschaft gerecht werden, Verfahren, die mit einem überholten Zunftdenken Schluß machen und sich auch nach den agrarsozialen Leistungen unserer Nachbarländer richten.
Meine Damen und Herren, Sie haben uns in den letzten drei Wochen in Ihren Nachrichtendiensten unsoziales Verhalten im Ausschuß vorgeworfen. Wir glauben, daß wir gerade Verantwortung gezeigt haben, daß wir die sozialen Maßnahmen auf dem Lande Schritt für Schritt weiterentwickeln. Über das vor 15 Jahren entwickelte landwirtschaftliche Sozialwerk sind wir längst hinaus. Das war einmal beispielhaft. Aber Sie haben uns — das müssen Sie doch zugeben — ein ganzes Jahrzehnt daran gehindert, es zu verwirklichen. Wir waren — das müssen Sie sich noch einmal sagen lassen — schon bei der Konzipierung des Landwirtschaftgesetzes 1955/56 weit voran, als Ihnen das Wort „sozial" noch gar nicht über die Lippen ging. Wir und nicht Sie haben darum gekämpft, daß die Sozialpolitik auch in die Landwirtschaft Eingang fand. Die Landwirtschaft kann sicher sein, daß wir Lösungen auch für die Zukunft suchen und finden werden, die den Erfordernissen der Landwirtschaft angemessen sind. Ich möchte darauf verzichten, hier auf Einzelheiten einzugehen. Eines ist sicher, die Lösungen, die wir anstreben, werden fortschrittlich sein.
Noch zu einem anderen Problem. Wir reden seit mehreren Jahren von der steuerlichen Gleichstellung der Kooperation in der Landwirtschaft. Die Zusammenschlüsse gehören zu unserer Zeit. Das gegenwärtige Steuerrecht stellt ein Hindernis gegen diese moderne Entwicklung dar. Hier haben wir es mit einem außerordentlich schwierigen und komplexen Thema zu tun. Da geht es um die Körperschaft-, um die Grunderwerb-, um die Kapitalertrag-, um die Gewerbesteuer usw. usf. Mit der Entscheidung von Herrn Strauß vor einigen Jahren, daß es keine Sonderregelung vor der Steuerreform gibt, war im Finanzministerium alles blockiert. Nicht einmal gedankliche Arbeit wurde für dieses Thema aufgewendet. Erst von dieser Regierung wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, damit diese Problematik erörtert werden kann und Maßnahmen vorgeschlagen werden können. Wir sind der Meinung, daß dieses Problem so rasch wie möglich vom Tisch kommen sollte; denn es wäre unsinnig, z. B. den Aufbau von Erzeugergemeinschaften aus öffentlichen Mitteln zu fördern, ihre Mitglieder aber steuerlich schlechterzustellen als die nichtorganisierten Landwirte.
In diesem Bereich, meine Damen und Herren, vermisse ich leider auch genügend kräftige Initiativen des Berufsstandes, der offenbar noch nicht erkannt hat, wie groß die Chancen sind, die sich mit dem Marktstrukturgesetz bieten und, wie gefährlich es ist, daß sich die Bauern in anderen EWG-Ländern den modernen Marktbedingungen rascher und besser als bei uns anpassen. Wenn das Angebot unserer Landwirtschaft so zersplittert bleibt, wie es heute noch der Fall ist, kann auch die beste Absatzwerbung nicht sehr viel ausrichten. Warum werden, so frage ich mich, die Bauern für diese Möglichkeiten nicht mobilisiert? Ich möchte noch einmal den Appell an die gesamte Landwirtschaft richten, von den Möglichkeiten dieses Gesetzes Gebrauch zu machen. Die Misere bei Eiern, Geflügelfleisch und auch bei Schweinen wäre sicher nicht so einschneidend, wenn wir ein dichtes Netz von Erzeugergemeinschaften hätten. Was wir heute haben, meine Damen und Herren, kann doch kein Goliath mit den Mitteln der Politik beiseite räumen; 'das ist einfach unmöglich. Solche Initiativen und die staatlichen Hilfen zur Selbsthilfe sind selbstverständlich kein alleiniger Ersatz für die Preispolitik. Das soll und muß ausdrücklich unterstrichen werden.
Ich möchte mich gar nicht hinter der Feststellung verstecken, daß wir in der Preispolitik heute mit fünf und morgen mit neun Partnern in einem Boot sitzen, sondern nur Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, daß der Landwirtschaft außerhalb der Bundesrepublik bei den dortigen Inflationsraten die Kostenentwicklung noch erheblich mehr zu schaffen macht als unseren Bauern. Nun, das wird aller Voraussicht nach dazu führen, daß sich im EWG- Ministerrat sehr bald jene Mehrheiten finden lassen, die für Preisänderungsbeschlüsse nun einmal notwendig sind. Sie dürfen versichert sein, daß die deutschen Vertreter, solange sie den Direktiven unserer sozial-liberalen Regierung unterstehen, nicht zu jener Gruppe gehören werden, die für Preiskorrekturen nach unten plädiert. Das hat der Bundeskanzler in der Regierungserklärung deutlich gemacht, und Professor Schiller hat das unterstrichen. Aus taktischen Gründen würde ich es aber für unverantwortlich halten — auch für den Herrn Minister —, mit unseren ins einzelne gehenden Preisvorstellungen für das Wirtschaftsjahr 1971/72 schon heute auf den Marktplatz zu gehen. Die Geschichte der Entscheidungen über den Getreidepreis dürfte gezeigt haben, in welche Position man sich begibt, wenn man aller Welt den Aufmarschplan mitteilt, bevor die Preisschlacht überhaupt begonnen hat. Auch die Landwirtschaft muß und wird für dieses Vorgehen Verständnis haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun noch eine andere Bemerkung machen. Ich glaube, wir werden auch in den kommenden Jahren noch eine gewisse Durststrecke zu durchlaufen haben, nämlich bis zur Herstellung der Wirtschafts- und



Dr. Schmidt (Gellersen)

Währungsunion. Wir sollten diese Strecke mit guten Nerven überstehen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Am letzten Freitag hat Bundeswirtschaftsminister Schiller hier im Plenum einen vortrefflichen Beitrag geleistet und die ernsthaften Bemühungen der Bundesregierung um diese Wirtschafts- und Währungsunion noch einmal deutlich unterstrichen. Wenn dieser höhere Grad an Integration — hoffentlich noch in den 70er Jahren — erreicht ist, ergibt sich auch für die Landwirtschaft eine andere und, wie ich meine, wesentlich bessere Situation. Meine Damen und Herren, wir sollten diese relativ kurze Übergangsphase benutzen, um in unserem Land die strukturellen Probleme zu lösen und den Anpassungsprozeß zu beschleunigen, der sich unabhängig von der EWG und unabhängig von den Preisen vollzieht. Trendprognosen sind heute möglich. Der Ernährungsausschuß ist meinem Vorschlag gefolgt, Ende Februar in Berlin eine Anhörung zum Thema „Landwirtschaft 1980" abzuhalten. Dieser Beitrag wird uns in die Lage versetzen, die Situation der 70er Jahre genauer als bisher zu übersehen und daraus die entsprechenden Maßnahmen für die kommenden Jahre einzuleiten.
Wenn zur Erreichung eines bestimmten Produktionsvolumens nur eine bestimmte Zahl von Menschen notwendig ist, ist es in einer wachsenden Wirtschaft auf die Dauer unmöglich, einen überhöhten Anteil an Erwerbstätigen in diesem Berufszweig zu halten. Dieses einfache volkswirtschaftliche Gesetz sollten die Bauernverbände und auch die Opposition begreifen. Sie sollten auch helfen, die Landwirte darüber aufzuklären, daß nach diesem Gesetz verfahren werden muß. Alles andere ist unredlich, um nicht zu sagen — Betrug. Wer die Selbstausbeutung der Bauern noch fördert, wer sie veranlaßt, ihr Vermögen für Investitionen zu riskieren, die sich nicht auszahlen können, wer sie sogar daran hindert, ihren Kindern eine gute Ausbildung in einem anderen Beruf zu geben, muß sich allerdings den Vorwurf der bewußten Täuschung gefallen lassen. Wir werden uns an solchen Manövern auf keinen Fall beteiligen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Bis jetzt ist die Landwirtschaft als Zweig der deutschen Wirtschaft noch nicht gefährdet. Das wäre erst dann der Fall, wenn sie ihren Markt verlöre. Um das zu verhindern, ist die Anspannung aller Selbsthilfekräfte das Gebot der Stunde. Den Anstoß dazu haben wir mit dem neuen Agrarprogramm, mit der regionalen Strukturpolitik, mit dem Marktstrukturgesetz, mit einer neuen landwirtschaftlichen Sozialpolitik und mit vielen anderen Initiativen gegeben. Jetzt muß der Berufsstand damit etwas anfangen. Die Verbände wären völlig falsch beraten, wenn sie ihre Mitglieder in den nationalen Schmollwinkel führten und ihnen weiter vormachten, daß man sie geringschätze — das hat man ja immer wieder gehört —, unrecht behandele oder gar benachteilige. Noch sind wir optimistisch genug, zu erwarten, daß die realen Gegebenheiten auch bei uns mehr als bisher gewürdigt werden und die Bauern und ihre Organisationen von ihren Kollegen aus dem benachbarten Friesland und nicht von der El Fatah lernen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607822700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607822800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen stellten ihre Anfrage zur Agrarpolitik, weil sie der Bundesregierung Gelegenheit geben wollten, sachlich zur wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft Stellung zu nehmen. Die CDU/CSU- Fraktion hat es für richtig gehalten, schon in ihrer Anfrage mit einer gewissen Polemik zu beginnen. Meine Damen und Herren, übertriebene Polemik und Unsachlichkeit führt in der Diskussion im Lande — und das werden Sie ja feststellen — zur Hetze. Wir warnen davor.

(Sehr wahr! bei der SPD. — Abg. Dr. Ritz: Das hängen Sie sich an Ihren Hut!)

Was sollen wir davon denken, daß die CDU/CSU- Fraktion nach eigentumsfeindlichen Äußerungen einzelner Sozialdemokraten und Freier Demokraten fragt, obgleich sie wissen muß, daß der Bundesvorstand der FDP die unqualifizierten Äußerungen eines einzelnen führenden Jungdemokraten einstimmig zurückgewiesen hat?

(Zuruf von der CDU/CSU: Gestern! — Abg. Dr. Ritz: Er hat sie immer wiederholt!)

— Nein, er hat sie auch nicht wiederholt; damit das hier ganz klar ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aus Taktik!)

Sie wissen wie jeder in diesem Hause, daß die FDP-Fraktion von 1949 bis heute uneingeschränkt für das Eigentum eingetreten ist, auch für Förderungsmaßnahmen zur breiten Streuung von neuem Eigentum in der Hand aller Bürger. Keine Partei kann für jede Äußerung ihrer jungen Mitglieder aufkommen. Das können auch Sie von der CDU nicht. Sonst müßten wir Ihnen hier einen Katalog dessen vorlegen, was Mitglieder der Jungen Union im Gegensatz zu ihrer Partei gesagt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bedauere persönlich, daß Herr Dr. Starke so schnell den miesen Wahlkampfstil der CSU übernommen hat. Für meine Partei, meine Damen und Herren, begrüße ich seine Aktivität. Sie wird uns in Bayern den gleichen Wahlerfolg bringen wie in Hessen, wo ein anderer Überläufer uns behilflich war.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Stark [Nürtingen]: Wir sprechen uns wieder!)

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort zunächst die Entwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise und der Kosten des letzten Berichtsjahres, also der Zeit vom 1. Juli 1969 bis zum 30. Juni 1970 dargelegt. Herr Ehnes, in diesen Zeitraum fallen nur zwei bis drei Monate, in denen Ihr



Peters (Poppenbüll)

Minister Bundesminister war. Die Preise stiegen in diesem Vergleichszeitraum um 3,6 %, die Kosten um 3,3 %. Es wird hier von der Bundesregierung noch dargelegt werden, daß das offizielle Zahlen des Statistischen Bundesamts sind, und daß Sie mit Ihren Zahlen schief liegen.
Dazu kommt auf der Einnahmenseite ab November 1969 der Währungsausgleich, insbesondere ab 1. Januar 1970 3 % Mehrwertsteuer und 40% des Jahresbetrages von dem Flächenausgleich, und nicht, wie an einzelnen Stellen, z. B. auch in Schriften des Bauernverbandes verkündet wurde, in diesem Berichtsjahr der gesamte Währungsausgleich der Fläche nach für ein Jahr.
Die Rechnung für das letzte Berichtsjahr ergab eindeutig eine Besserstellung der Einkommen um 10% im Vergleich zum Vorjahr.
Nun, meine Damen und Herren, wir sind so ehrlich, auch die Zahlen der weiteren Monate zu nennen. Von Januar bis September 1970 sind die Preise um 1,7 % gefallen, die Kosten um 4,5% gestiegen. Rechnet man für diesen Zeitraum den Währungsausgleich mit hinein, dann ist bei den Einnahmen eine Besserstellung um 4,5 %, also in gleicher Höhe wie bei den Kosten, zu verzeichnen. Das ist die Wahrheit, Herr Struve; alles andere sind Märchen.
Ungünstiger ist der Vergleich der Monate September und Oktober dieses Jahres mit den gleichen Monaten des Vorjahres wegen der Preiseinbrüche bei Schweinen, Kühen, Kartoffeln, Obst und Eiern.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607822900
Herr Abgeordneter Peters, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Struve?

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0607823000
Sie gehen von Durchschnittswerten aus. Gestatten Sie mir folgende Frage: Nach der amtlichen Statistik ergibt sich beim Preisvergleich der Erzeuger ein Minus von 7,4% gegenüber dem Vorjahr. Wenn Sie das in Beziehung bringen zu den 25 Milliarden DM Einnahmen der Landwirtschaft, wollen Sie dann bitte ausrechnen, daß allein dort ein Preisverfall in Höhe von über 1,8 Milliarden DM entstanden ist?

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607823100
Nein, Herr Struve, das gestehe ich in keiner Weise zu, und zwar deshalb nicht, weil es falsch ist. Die 7,4 % betreffen den Monat September.

(Abg. Struve: Ja, natürlich!)

Gegen diese 7,4% müssen Sie zunächst aufrechnen, was an 3 % Mehrwertsteuer und über den Flächenausgleich gezahlt wird. Wenn Sie das nehmen, haben Sie nur noch 1% Schaden und mehr nicht.
Jedermann weiß, daß der Schweinezyklus nicht der Agrarpolitik angelastet werden kann. Wir begrüßen die Initiative des Deutschen Bauernverbandes, die Bauern aufzufordern, die Schweine mit leichterem Schlachtgewicht zu liefern, und wir begrüßen ebenfalls die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen. Ich bin der Meinung, daß man noch etwas Zusätzliches tun sollte, nämlich eine Ferkelabschlachtprämie für Spanferkel mit etwa 20 DM pro 20-kg-Ferkel zahlen, um zu erreichen, daß wir im Schweinezyklus schneller aus dem Tal herauskommen. Denn auch der Rinderpreis wird selbstverständlich von diesem Schweinezyklus mit nach unten gezogen.
Der Rückblick ergibt, daß Preisminderungen durch die DM-Aufwertung nicht nur voll ausgeglichen wurden, sondern daß der Ausgleich Einkommensverbesserungen brachte. Dazu kommt noch, daß durch die DM-Aufwertung das Unterlaufen der deutschen Preise vor der Aufwertung unterbunden wurde. Außerdem wäre die Kostensteigerung .ohne Aufwertung höher gewesen. Ich stelle zusammenfassend fest, meine Damen und Herren, daß bis zum Herbst 1970 die Einnahmen plus Währungsausgleich nicht niedriger waren als die Einnahmen im Vorjahr.
Hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklung sagt die Antwort der Bundesregierung, daß sich an ihrer grundsätzlichen Auffassung zur Agrarpreispolitik nichts geändert habe. Das bedeutet: Eintreten für Preiserhöhungen bei Produkten ohne Überschüsse, also bei Futtergetreide und bei Rindern. Der Bundesminister hat das gestern in der Versammlung des Bauernverbandes noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Es bedeutet ebenfalls eine Erhöhung des Trinkmilchpreises.
Voraussetzung für eine aktive Preispolitik ist die Beseitigung der Überschüsse bei Weizen, Milchprodukten, Schweinen und Zucker. Es ist ein unbestreitbares Verdienst dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, zusammen mit der EWG Entscheidendes getan zu haben, daß diese Überschüsse bisher in einem Maße abgebaut worden sind,

(Abg. Dr. Ritz: Das fing erst im Oktober an? Also wissen Sie, Herr Peters, Grimm's Märchen! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

wie wir das kaum erwarten konnten. Der Abbau der Überschüsse ist im besonderen ab Herbst 1969 geschehen,

(Abg. Dr. Ritz: Und was war 1968?)

im Vergleich zu dem Vorjahreszeitraum in verstärktem Maße. Das ist unbestritten.
Die starke Ausweitung des Agraretats 1970 um 1,6 Milliarden DM für Marktordnungen gegenüber 1969 diente ausschließlich dem Zweck des Abbaus der Überschüsse und der Marktstützung wegen der Aufwertung. Durch den Wegfall solcher Vorhaben im Jahre 1971 sind 800 Millionen DM frei geworden. Diese Summe konnte niemals dem eigentlichen Agraretat zugerechnet werden. Es war eine einmalige Maßnahme des Jahres 1970 im Interesse der deutschen Landwirtschaft.
Für die nationale Agrarpolitik stellte sich die Ausgangslage im Herbst 1969 folgendermaßen dar — ich wiederhole es noch einmal, obgleich es zum Teil schon gesagt worden ist —. Für 1970 wurde durch Kabinettsbeschluß und durch Haushaltsberatung die Strauß-Höcherlsche Etatkürzung in der mittelfristigen Finanzplanung in Höhe von 520 Millionen DM



Peters (Poppenbüll)

durchgeführt. Wir müssen es so oft sagen, Herr Dr. Ritz, damit Sie es endlich einmal begreifen!

(Abg. Dr. Ritz: Es wird auch durch das ständige Wiederholen nicht wahrer, Herr Peters! Das ist doch lächerlich!)

Im Frühjahr dieses Jahres wurden weitere 200 Millionen DM für Agrarstruktur- und Agrarsozialpolitik zur Verfügung gestellt, so daß wir im Vergleich zur mittelfristigen Finanzplanung der Regierung, in der Sie den Bundeskanzler stellten, im Jahre 1970 720 Millionen DM mehr zur Verfügung gestellt haben. Für 1971 wurden für die nationale Agrarpolitik vom Kabinett im Haushaltsentwurf weitere 110 Millionen DM vorgesehen. Dazu kommen weitere 60 Millionen DM, die nach Verhandlungen zwischen der Koalition und der Bundesregierung für die Berufsgenossenschaften bereitgestellt werden.

(Abg. Dr. Ritz: Ist das auch nur euer Verdienst?)

Damit komme ich zur Agrarsozialpolitik der Koalition, die im besonderen polemischen Angriffen der Opposition ausgesetzt war. Durch eine Novelle zum Altershilfegesetz wird die Landabgaberente von 275 DM auf 350 DM erhöht und der Kreis der Landabgebenden auf den fünffachen Betrag der landwirtschaftlichen Pflichtversicherung der Altershilfe erhöht, also auf 20 bis 25 ha. Gleichzeitig wird die Nachversicherung von aus der Landwirtschaft Ausscheidenden in den gesetzlichen Rentenversicherungen ermöglicht und der Nachversicherungsbetrag zu 70 % vom Bund bezuschußt.
Unzweifelhaft sind die Krankenversicherung und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Altersrente die bedeutendsten agrarsozialen Vorhaben. Die Koalitionsparteien haben sich vordringlich für die Pflichtversicherung auf berufsständischer Basis und für die Gratisversicherung der landwirtschaftlichen Altershilfeempfänger entschieden. Die berufständische Krankenkasse wird gewählt, weil die einseitige Öffnung der RVO-Kassen nur für Landwirte dem Gleichheitsprinzip widerspricht und der volle Rentnerzuschuß des Staates gewährleistet sein muß.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607823200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607823300
Bitte schön!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607823400
Herr Kollege Peters, können Sie mir sagen, warum die Bundesregierung eine schon vor fünf Wochen gestellte Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion genau zu diesem Thema der Pflichtkrankenversicherung nicht beantwortet, obwohl die Anfrage gerade diese Einzelheiten klären soll?

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607823500
Herr Niegel, ich bin nicht für die Bundesregierung verantwortlich. Sie müssen die Bundesregierung fragen; dazu haben Sie gleich Gelegenheit, wenn der Bundesminister spricht. Ich kann dem nicht vorgreifen.
Wir begrüßen den Beschluß des Kabinetts, daß das Gesetz mit einem Bundeszuschuß von zirka 350 Millionen DM jährlich am 1. Januar 1972 in Kraft treten kann. Ich will die einzelnen Jahresbeträge, die von Herrn Dr. Schmidt genannt worden sind, nicht noch einmal wiederholen. Für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bedarf es im nächsten Jahr gesetzlicher Änderungen der finanziellen Basis. Für 1971 ist sichergestellt, daß trotz zwanzigprozentiger Leistungserhöhung keine Beitragserhöhungen erfolgen. Wir haben den im Bundeshaushalt vorgesehenen Zuschuß von 180 Millionen DM auf 260 Millionen DM erhöht.
Die Erhöhung der landwirtschaftlichen Altersrente muß in der zeitlichen Reihenfolge nach den vorbezeichneten Maßnahmen rangieren, weil nicht alles auf einmal geschehen kann. Mit einer bedeutenden Erhöhung des Bundeszuschusses auch für diesen Komplex wird eine Beitragserhöhung unumgänglich werden. Geradezu lächerlich erscheint mir die Kritik an der Beitragserhöhung von 3 DM pro Monat ab 1972 in der Altershilfe

(Zuruf von der CDU/CSU: Ohne Leistungsverbesserungen! Ihr seid tüchtige Leute!)

in Anbetracht der Leistungen, die jetzt im agrarsozialen Bereich beschlossen worden sind und die an eine halbe Milliarde pro Jahr heranreichen, wenn Sie die Beträge für den Rentnerzuschuß — für die Berufsgenossenschaften, für die Landabgaberente und für die Nachversicherung zusammenzählen. Außerdem bedeutet die Gratisversicherung in der Krankenversorgung für die Rentner eine indirekte Erhöhung der Altersrente. Auch das ist gestern schon vom Minister dargelegt worden. Wir lehnen aus diesem Grunde — insbesondere aus Haushaltsgründen, weil wir nicht alles auf einmal finanzieren können — Ihren Antrag auf Erhöhung der landwirtschaftlichen Altersrente zu diesem Zeitpunkt ab.
Der landwirtschaftliche Berufsverband fordert mehr, als die Bundesregierung erfüllen kann. Auch für die Forderung des Bauernverbandes, für sachliche, klare Forderungen, meine Damen und Herren, habe ich volles Verständnis, insbesondere weil wir noch einen bedeutenden Abstand zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Wirtschaft festzustellen haben. Kein Verständnis habe ich allerdings für das heutige Verhalten der CDU/CSU-Fraktion. Sie waren 15 Jahre lang, als Sie den Bundeskanzler stellten, für wesentliche Fakten dieser Agrarpolitik verantwortlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kennen wir! Abg. Ott: Sie waren auch in der Regierung!)

— Wir waren nur zeitweise in der Regierung. — Ihre Dollpunkte in der Agrarpolitik — hören Sie genau zu, meine Damen und Herren! — waren die Getreidepreissenkungen, dann der Wortbruch in der EWG-Anpassung, dann in der Regierungsverantwortung Entschließungsanträge auf Preiserhöhungen und Etaterhöhungen und darauf die Meldung: In Brüssel nichts erreicht und im Haushalt kein Geld!

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607823600
Herr Abgeordneter Peters, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehnes?

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607823700
Herr Kollege Peters, stimmen Sie der Aussage zu, die Herr Staatssekretär Logemann gemacht hat? Er hat erklärt: Auch an der Mitverantwortung der FPD für die Agrarpolitik der kleinen Koalition bis 1966 soll nicht vorbeigegangen werden. Daß diese Agrarpolitik die Zustimmung der Bauern fand, beweist der stürmische Beifall, mit dem der Bundeskanzler der CDU/FDP-Regierung auf den Bauerntag in Düsseldorf bedacht wurde. — So Staatssekretär Logemann.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607823800
Herr Ehnes, selbstverständlich ist die FDP für die Zeit, in der sie mit in der Regierung war, verantwortlich.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Aber wir haben damals Verhandlungen geführt. Sie wissen, daß wir uns in der damaligen Koalition bis zum letzten gegen die Preisangleichung in der EWG und gegen die Preissenkungen gewehrt haben,

(Zurufe von der CDU/CSU: Wir alle!)

daß Sie sie wollten, daß Herr Schmücker sie wollte, daß er sie noch stärker gemacht hat, als nötig war, und daß wir nur nachgegeben haben, nachdem der Bauernverband zugestimmt hat. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Die jetzige Koalition und Regierung sagen nicht mehr zu, als sie halten können und werden.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Objektiv festzustellen ist, daß keine frühere Regierung in so kurzer Zeit so viel für die Landwirtschaft erreicht hat wie die jetzige:

(Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der CDU/CSU)

vollen Aufwertungsausgleich, Verhindeung jeglicher Preissenkungen — in dem Fach sind sie, meine Damen und Herren von der CDU ja firm —, Abbau der Überschüsse und aktive Preispolitik, Landabgaberente, Nachversicherung für aus der Landwirtschaft Ausscheidende, einzelbetriebliches Förderungsprogramm, um Fehlinvestitionen zu vermeiden, Pflichtkrankenversicherung für alle landwirtschaftlichen Familien mit Gratisversicherung für die landwirtschaftlichen Altersrentner und Erhöhung der Unfallrenten ohne Beitragssteigerung.

(Abg. Bewerunge: Das ist Ihr Kolossalgemälde für drei Jahre!)

Wir erwarten, daß die Agrarpolitik der Bundesregierung so erfolgreich fortgesetzt wird, wie sie im ersten Jahr war.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607823900
Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Bundesminister Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607824000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei dem Kollegen Ehnes sehr herzlich für seine Genesungswünsche bedanken. Das hat sehr gut getan. Es hat mir deshalb sehr gut getan — das möchte ich Ihnen hier ganz offen sagen, meine verehrten Kollegen der Opposition —, weil ich zwar eine sachlich harte Auseinandersetzung sicherlich vertrage — ich habe sie geführt, und was man selbst tut, muß man anderen zubilligen —, aber ehrenrührige Angriffe nicht vertrage.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich habe stets — da können Sie in allen Protokollen nachsehen — draußen viel sanfter gesprochen als hier im Parlament, weil ich draußen eine Gesamtverantwortung habe, ,die die Opposition genauso trägt wie 'die Regierung, wenn die Demokratie und dieser Staat auf die Dauer bestehen sollen.

(Beifall bei den 'Regierungsparteien. — Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Daher schmerzt es einen sehr, wenn man so etwas lesen muß.

(Bundesminister Ertl zeigt ein Plakat.)

Ich nehme an, daß der Kollege Gleissner sich heute dazu äußert, db er hinter dieser Aktion „Verrät Ertl die Bauern?" steht, so wie es in „Monitor" behauptet und wie es mir gesagt worden ist. Das ist Ehrabschneidung, und ich fordere auf, dazu Stellung zu nehmen. Denn einen Verräter lasse ich mich von niemandem nennen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieses Plakat ist auf einer Almbauernversammlung gemeinsam mit Aufrufen der NPD gegen den Landwirtschaftsminister Ertl verteilt worden.

(Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

Ich fordere auf, hierzu Stellung zu nehmen; denn so geht es nicht. Ich muß Ihnen sagen, das bricht mir das Herz.

(Abg. Ott: Wer sprach denn in Passau von Verrätern?)

— Ich habe das auf jeden Fall nie getan. Der Kollege Gleissner sitzt heute hier, und ich frage, ob das stimmt und ich erwarte, daß er darüber Rechnung ablegt, ob seine Person hinter dieser Aktion steht. Ich begrüße es sehr, daß sich der Bayerische Bauernverband davon distanziert hat, genauso wie ich Herrn Präsidenten Heeremann danke, daß er sich gestern in einer so sachlichen, fairen Weise verhalten hat.
Diese Art der Auseinandersetzung nützt keinem Mitglied dieses Hauses, sondern sie schadet der Demokratie und nutzt den Feinden der Demokratie.

(Beifall bei den 'Regierungsparteien. — Zurufe.)

Das muß einmal gesagt werden — denn auch ich habe ein Recht, irgendwann mein Herz auszuschütten —, damit wieder Sauberkeit und Stil in dieses Haus einziehen. In der „Stimme der Parteien" heißt es „Gleissner verreißt Ertl-Plan". Dann heißt es im

Bundesminister Ertl
„Miesbacher Kurier", wortwörtlich zitiert, Ertl folge bereits den Parolen der Jungsozialisten, die eine allgemeine Sozialisierung des Bodens fordern. Ich fordere hier den Beweis; denn das ist eine Verdächtigung, die ,des Beweises bedarf, oder die Entschuldigung ist fällig.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

So kann man nicht Politik machen, meine Damen und Herren. Ich hätte mich geschämt, wenn ich jemals in der Opposition in irgendeiner Versammlung irgend so etwas gemacht hätte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das schmerzt doppelt, wenn man lange Zeit das Gefühl hatte, dieser Kollege war eigentlich sogar ein Freund. Das tut weh.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Nein, das hat nichts mit Empfindlichkeit zu tun, sondern das hat etwas zu tun mit Ehrauffassung und Gerechtigkeitsgefühl und Anstand.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Ritz, ich habe es so aufgefaßt. Sie müssen verstehen, daß einem das sehr nahegeht. Ich muß Ihnen sagen: Das kann man nicht in dieser Form ertragen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Uns geht auch manches nahe!)

— Ja, ich habe Sie dabei auch immer verteidigt, Herr Müller-Hermann. Ich würde es, weil Sie das sagen, sehr begrüßen, wenn gerade Sie als Wirtschaftspolitiker zu den Preisforderungen Stellung nähmen, die jetzt erhoben werden. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen. Aber dann darf die CSU in Bayern nicht wiederum Wahlaufrufe mit Hinweisen auf die angebliche Inflation, die es, nebenbei gesagt, gar nicht gibt, bringen. Sie vergißt dabei nämlich, daß die Mark zu dem Zeitpunkt, als diese Regierung antrat, nur noch 56 Pfennige wert war.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das müssen Sie schon sagen. Sie dürfen dann nicht hingehen und erklären, Herr Müller-Hermann, wir trieben die Preise hoch oder Ertl habe die Preise hochgetrieben, wie es Herr Kollege Luda behauptet hat. Er hat doch nicht einmal die EWG-Preissenkungen zugelassen. Sie müssen dann schon mit einer Zunge und nach einem Konzept reden

(Abg. Schulte [Unna] : Sehr richtig! Sehr wahr!)

und dürfen nicht mit zwei verschiedenen Thesen hier bei den Hausfrauen und dort bei den Landwirten auftreten. Genauso erwarte ich, daß die verantwortlichen Finanzpolitiker der CDU/CSU einmal sagen, was mit dem 110-Milliarden-Haushalt geschehen soll, wo gestrichen werden sollte und wo wir mehr Mittel herbekommen sollen.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Fehlanzeige!)

Das gebieten Lauterkeit und Ehrlichkeit, und so muß man doch das Geschäft betreiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Das haben Sie von uns auch verlangt. Mit einem so unterschiedlichen Konzept darf man nicht auftreten. Sonst braucht man sich nicht zu wundern, wenn Demagogen mit Argumenten der Opposition ihr Geschäft machen.


(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sehr richtig! — Zuruf des Abg. Dr. Ritz.)

— Herr Ritz, ich möchte Ihnen folgendes sagen. Sie haben über die Entwicklung der Überschußbestände an Getreide in der Bundesrepublik gesprochen. Ich nenne jetzt die Zahlen, und zwar in tausend Tonnen: am 30. September 1969 3300, am 30. September 1970 1400.

(Abg. Dr. Ritz: Das bestreiten wir nicht!)

— Dann dürfen Sie aber nicht sagen, diese Regierung habe nichts getan. Das dürfen Sie dann nicht behaupten, sondern müssen mir wenigstens zugeben, daß das stimmt und daß es eine Tatsache ist.
Oder nehmen wir die Butter. Als ich mein Amt am 30. September 1969 übernahm, waren es 105 000 t, jetzt sind es 17 000 t. Das müssen Sie doch zugeben und dürfen nicht sagen: Das ist alles von selbst gekommen,

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Der liebe Gott hat es gemacht!)

— das hat alles der liebe Gott gemacht. Nein, so einfach ist es nicht. Dabei haben wir und, wie ich zugebe, natürlich auch die Absatzverhältnisse mitgeholfen. Ich glaube keineswegs, daß ich ein Wundermensch sei oder eine Wunderpolitik vertrete. Im Gegenteil! Aber eines will ich mir nicht nachsagen lassen, nämlich daß ich mich in diesem Jahr nicht redlich bemüht hätte, die Dinge in den Griff zu bekommen.

(Abg. Dr. Ritz: Das bestreiten wir doch gar nicht!)

Dabei ist etliches geschehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine sehr verehrten Anwesenden, ich möchte gleich noch auf einige andere Punkte eingehen. Sie haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, über den wir zu sprechen haben werden. Sie fordern darin z. B. die Anhebung des Interventionspreises für Butter. Ich habe den negativen Korrektivbetrag bei der Butter nicht eingeführt; ich habe ihn vor der Aufwertung beseitigt. Das ist doch das Faktum. Dadurch wurden die 8,5 % wiederum von 6,90 und nicht von 6,70 DM berechnet. Hier müssen Sie sich an diejenigen wenden, die den Butterpreis einmal gesenkt haben!

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Hier steht: Der Zuckerrübenpreis sollte auf 7,25 DM erhöht werden. Einen solchen Antrag haben die Freien Demokraten schon einmal gestellt. Gesenkt worden ist er aber doch vor meiner Zeit. Das müssen Sie doch auch sehen. Wenn Sie mir dabei helfen können, daß wir wieder zu besseren Verhältnissen kommen, bedanke ich mich für Ihre Hilfe.

(Abg. Dr. Ritz: Wir sitzen nicht im Ministerrat!)




Bundesminister Ertl
— Dazu möchte ich Ihnen noch etwas sagen, verehrter Herr Kollege Ritz, weil es sicherlich notwendig ist. Hier wurden viele Behauptungen über die allgemeine Situation aufgestellt. Ich bin der Meinung, das Schlimmste, das unserem Volk passieren könnte, wäre ein Inflation. Wir haben alle Grund, für Stabilität zu sorgen. Ich bin überzeugt, daß die Landwirtschaft mit vielen anderen mittelständischen Bereichen immer ein großes Opfer der Inflation ist. Aber auch das muß doch hier gesagt werden: im Zeitraum von 1962 bis 1964 wurde eine Preissteigerungsrate von 8,6 % festgestellt. Das ist ein Faktum. Für den Zeitraum von 1965 bis 1967 war es eine Preissteigerungsrate von 8,5 % und für den Zeitraum von 1968 bis 1970 eine solche von 8,2%. Oder habe ich vielleicht wiederum falsche Zahlen berichtet? Ich will damit nur einige Probleme anschneiden.
Weil hier davon gesprochen wurde, was diese Regierung geleistet hat, darf ich noch einmal folgendes ganz kurz zusammenfassend feststellen.
Erstens. Die aufwertungsbedingten Verluste der Landwirtschaft wurden voll ausgeglichen. Ich bin gerne bereit, den Beauftragten der Fraktionen das wissenschaftliche Gutachten über den Ausgleich zuzuleiten. Ich glaube, wir werden dann darüber weniger sprechen. Ich habe gestern schon bei einer anderen Gelegenheit darauf hingewiesen, und Herr Kollege Schmidt hat ebenfalls darauf verwiesen.
Zweitens. Die strukturellen Überschüsse in der Gemeinschaft wurden durch den Einsatz erheblicher Bundesmittel beschleunigt abgebaut. Damit wurde der Preisdruck bei Überschußprodukten entscheidend gemindert. Ich komme auf meine Zahlen noch einmal zurück. Einige Vorredner haben ja schon manches klargestellt. Ich erspare mir das jetzt. Die Minderung des Preisdrucks führte z. B. dazu — Herr Kollege Ehnes, ich wiederhole das —, daß die Erzeugererlöse einschließlich Mehrwertsteuer und Aufwertungsausgleich in den ersten Monaten des laufenden Wirtschaftsjahres 1970/71 wie folgt über dem Vorjahresniveau liegen: bei Weizen um 8 DM pro Tonne, bei Roggen um 6 DM und bei Braugerste um 40 DM. Wenn Sie es noch nicht glauben, Herr Ehnes, dann bitte ich Sie, wenigstens einmal nachzulesen, was beispielsweise die Marktberichterstelle des Bayerischen Bauernverbandes, dessen Präsidium Sie angehören und dessen führendes Mitglied Sie sind, selbst bekanntgegeben hat: Nettopreis für inländische Braugerste: 44,75 DM bis 45,25 DM. Meine Herren, auch das muß hier doch einmal gesagt werden, damit man nicht dauernd Schwarzmalerei betreibt, die möglicherweise parteipolitisch angepaßt ist, die aber den Tatsachen nicht entspricht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Das muß hier einfach gesagt werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Großhandelspreise!)

— Das mag sein. Aber Sie sind ja selbst Mitglied in
den Genossenschaften. Dann müssen sich die Bauern
in ihren Führungsgremien selbst durchsetzen. Ich
kann doch nicht auch noch die Verantwortung dafür übernehmen, was die Bauern von den Genossenschaften und vom Handel bekommen. Dafür gibt es jetzt ein Marktstrukturgesetz. Dann müssen Sie Erzeugergemeinschaften bilden, entsprechend verhandeln und entsprechende Abmachungen treffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

So einfach können Sie es sich nicht machen. So geht es nicht.
Zuletzt darf ich Sie noch an folgendes erinnern, ob es Ihnen paßt oder nicht. Ich benutze übrigens nur Material aus den Unterlagen des Bauernverbandes, weil dem besser geglaubt wird. Ich habe es auf meinem Tisch liegen lassen und lasse es gern einsehen.
Ich habe vor mir die Entwicklung der Butterinterventionspreise. Sie haben von 6,35 DM auf 6,50 DM, 6,55 DM angezogen. Das ist ein Faktum, das ich gegenüber den Verbrauchern sogar verantworten muß. Ich verantworte es. Aber ich lasse dann hier nicht schwarzmalen, auch nicht von der CDU/CSU. Das lasse ich nicht zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zum einzelbetrieblichen Förderungsprogramm brauche ich nichts zu sagen. Ich freue mich sehr, daß Herr Kollege Schmidt darauf eingegangen ist. Ich bekenne ganz ehrlich, ich habe hier vieles in Form einer Kontinuität gemacht. Mein Vorgänger hat vieles geleistet; darüber gibt es gar keinen Zweifel. Er hat sich sogar einmal über mich lustig gemacht, im „Bayernkurier" ist es nachzulesen. Aber ich bin ihm gar nicht böse. Als er nämlich damals sein Programm vorlegte, habe ich gesagt, wir sähen darin alte Bekannte und im großen und ganzen begrüßte ich es. So habe ich in der Opposition gesprochen. Ich habe gestern nachgelesen, das ist immer ganz nützlich, wie vielem ich damals in der Opposition zugestimmt habe. Darauf hat er im „Bayernkurier" geschrieben: Recht viel Besseres fällt dem Ertl ja wohl auch nicht ein, deshalb ist meine Agrarpolitik so gut. Und heute ist sie plötzlich bei Ihnen so schlecht geworden. Das verstehe ich nicht; das müssen Sie mir also deutlich machen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich habe — das will ich noch einmal betonen —die Krankenversicherungslösung vorgezogen, weil ich der Meinung bin, daß es dabei um das dringendste soziale Problem geht. Dieses Problem ist zeitlich noch dringender als die momentane Anhebung der Altershilfe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das heißt nicht, daß die Altershilfe abgeschrieben ist. Das gleiche gilt für den Zuschuß für die Unfallversicherung.
Die Einheitswerte bei Hopfen und Spargel, Obst und Forsten wurden gesenkt. Die Möglichkeiten der bäuerlichen Veredelungswirtschaft wurden durch Änderung des § 51 des Bewertungsgesetzes verbessert. Das Problem der Massentierhaltung ist aufgegriffen.



Bundesminister Ertl
Ich möchte meinem Kollegen Schiller nicht vorgreifen, aber doch sagen, daß im Rahmen der regionalen Strukturpolitik 1970 45 000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Ich weiß noch, wie groß und stolz man war — ich muß sagen: damals war das ein kühnes Beginnen —, als man die Zahl 20 000 in den Raum stellte. Jetzt sind wir bei 45 000. Sicherlich hat die konjunkturelle Lage mitgeholfen.
In Richtung auf die Wirtschafts- und Währungsunion sind erhebliche Fortschritte erzielt worden.
Das darf ich als kleine Einjahresbilanz hier vorlegen. Darauf hinzuweisen ist, wie ich meine, mein gutes Recht.
Bevor ich auf die Diskussionsbeiträge eingehe, möchte ich daran erinnern, wie die Agrarpolitik noch vor einem Jahr für die CDU/CSU ausgeschaut hat, und dazu einige Zitate bringen. Zunächst zwei Sätze aus dem Arbeitsprogramm der letzten Bundesregierung für die Agararpolitik. Dort heißt es:
Eine Anhebung der Preise für diese Produkte, insbesondere Milch und Zucker, ist erst dann wieder möglich, wenn unter Berücksichtigung des Außenhandels die Nachfrage auf Grund der Einkommens- und Bevölkerungsentwicklung die Höhe des Angebotes überschritten hat.
— Sie sehen, wie notwendig es war, daß Ertl die Überschüsse abbauen half. Ich habe das vollzogen, was Sie gefordert haben.
Mithin ist eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommenslage durch die Preispolitik
— so hieß es im Regierungsprogramm Ihrer Regierung, meine Herren von der Opposition —
bei diesen Produkten in absehbarer Zeit nicht möglich.
Das ist anscheinend vergessen worden.
Die beschränkten preispolitischen Möglichkeiten hat mein Vorgänger durchaus gesehen. Da stimme ich ihm zu. In der Einbringungsrede zum Grünen Bericht 1968 hat er im Zusammenhang mit der Preispolitik ausgeführt, daß „einer Anpassung der Agrarpreise an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung Grenzen gesetzt sind und daß im Interesse des Marktgleichgewichts die notwendige Anpassung der Erzeugung an ,den Verbrauch allein über den Preis nicht möglich ist".
Soweit die Feststellungen. Ich habe gestern schon die Gelegenheit wahrgenommen, darauf hinzuweisen, wie schwierig es ist, innerhalb der COPA zu einer gemeinsamen Basis zu kommen. Um wieviel schwieriger ist es dann natürlich, die unterschiedliche Interessenlage im Ministerrat zu einer Einheit zu bringen.
Aber eines darf ich hier doch feststellen. Als ich mein Amt übernahm, lagen massive Preissenkungsvorschläge bei Getreide, bei Butter und bei Zucker vor. Es wurde aber keine Preissenkung realisiert. Vor einem Jahr hatte die Landwirtschaft Sorge vor Preissenkungen. Heute sind wir Gott sei Dank wieder so weit, daß wir Preiserhöhungen diskutieren, und zwar konkret diskutieren können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich halte das immerhin für eine Veränderung in einem Jahr. Das muß hier einmal gesagt werden.
Ich habe mir die CSU-Korrespondenz vom 3. März 1970 zum Marktgleichgewicht sehr gut aufgehoben. Meine sehr verehrten Kollegen von der CSU, lesen Sie einmal nach, welche Vorschläge aus Ihren Reihen zur Herstellung des Marktgleichgewichts bezüglich Preise und ähnliches mehr gemacht worden sind. Ich freue mich, daß es nicht so gekommen ist. Die Bundesregierung kann wohl beanspruchen, daß sie sich hier aktiv und mit Nachdruck in Brüssel eingesetzt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun, ich will auf die Beschlüsse, die im Europäischen Parlament gefaßt worden sind, nicht noch einmal hinweisen, will aber einige Bemerkungen machen zu dem Arbeitsprogramm und zur Gestaltung der Agrarstrukturpolitik. In dem Arbeitsprogramm zur Agrarpolitik aus dem Jahre 1968 wurden zur einzelbetrieblichen Förderung folgende Leitlinien aufgestellt:
Wegen der wachsenden und berechtigten Einkommensansprüche der Landwirte und der unzureichenden Möglichkeiten der Betriebsaufstockung wird ein steigender Anteil der landwirtschaftlichen Betriebe nur in Verbindung mit einem außerlandwirtschaftlichen Neben- und Haupterwerb eine befriedigende Existenz finden. Die Agrarpolitik muß diesen Tatsachen durch differenzierte Maßnahmen Rechnung tragen.
Ich meine, genau das ist das Ziel meines einzelbetrieblichen Förderungsprogramms: dem durch differenzierte Maßnahmen Rechnung zu tragen. Und ich wundere mich, warum Sie hier nicht zustimmen, warum Sie hier nicht ja sagen. Ich bin allerdings überzeugt, daß die Dinge nach dem 22. November und wenn wir erst so weit sind, daß wir die Gemeinschaftsaufgaben haben —

(Sehr richtig! bei der SPD)

denn bis jetzt gehen ja viele Leute durch die Lande und verkünden, was sie alles verteilen, vergessen dabei aber, daß z. B. 86 % des verteilten Geldes aus dem Bundessäckel kommen und nicht aus dem Landessäckel, während dann später die Länder mit bezahlen müssen —, ganz anders ausschauen werden.
Ich darf hier weiter zitieren, damit nichts in Vergessenheit gerät:
Ab 1973 werden nur noch Betriebsentwicklungspläne von solchen Betrieben begutachtet, die zwei Jahre lang vor der Antragstellung Bücher geführt haben.
Und nun, Herr Kollege Ehnes und Herr Kollege
Niegel, passen Sie auf; das ist besonders gut für Sie,

(Zuruf von der SPD: Ja, richtig! Der Minister kennt seine Leute, muß ich feststellen!)




Bundesminister Ertl
damit Sie das besser in Leserbriefen verkünden können:
Die Investitionstätigkeit in Zu- und Nebenerwerbsbetrieben wird dagegen agrarpolitisch grundsätzlich nicht mehr gefördert.
So das Arbeitsprogramm der vorigen Regierung, meine Damen und Herren!

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dann können Sie nicht dauernd durch die Lande ziehen und solche Verdächtigungen ausstoßen, wie es hier ein Kollege tut, wenn er möglicherweise sogar von „Verrat" redet.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Zuruf von der SPD: Das ist schon mehr als doppelzüngig!)

Das muß ich sagen: Dann wäre die Revolution bei Ihnen schon längst fällig gewesen. Das muß hier einmal — es tut mir furchtbar leid — gesagt werden, weil es ja in der Tat so viel an Falschdarstellungen gibt, die man kaum mehr hinnehmen kann und zu denen sicherlich einmal eine entsprechende Richtigstellung notwendig ist.
Es wurde mit Recht darauf hingewiesen — Herr Kollege Struve, ich bin mit Ihnen dieser Meinung —, daß wir im September 1970 einen besorgniserregenden Abfall der Erzeugerpreise gehabt haben. Diese Auffassung teile ich mit Ihnen. Aber Sie werden mir zugeben, daß das bis jetzt nur im September festzustellen ist. Wir müssen allerdings die Entwicklung der Zukunft mit Sorge betrachten. Ich weiß, wie schwierig es zur Zeit mit den Schweinen ist. Ich bin mir dessen bewußt, daß wir hier einem Zyklustal entgegengehen. Ich habe von mir aus veranlaßt, was zu veranlassen ist, und ich werde den Markt sehr vorsichtig und sehr aufmerksam verfolgen.
Sie wissen — das möchte ich hier auch einmal sagen —: Erstmals sind heuer im September auch in Norddeutschland die Bullen durch die Einfuhr- und Vorratsstelle herausgenommen worden. In dieser Woche wird in Süddeutschland interveniert, und ich habe mir sagen lassen, daß dadurch mindestens in Augsburg gestern die Preise wieder stabilisiert worden sind. Allerdings: Wunder wirken von heute auf morgen kann ich nicht.
Dafür, daß im nächsten Jahr 2,6 Millionen Schweine mehr angeliefert werden, trägt der Minister sicherlich nicht allein die Verantwortung, sondern das ist eine Frage, bei der man sich wirklich überlegen muß, wie man einmal von dieser scheußlichen Zyklusentwicklung herunterkommt. Dabei gebe ich auch offen zu, daß mir der rasante Produktionsanstieg in Belgien und Holland große Sorge macht, und ich werde das auch zur gegebenen Zeit bei der nächsten Besprechung des Ministerrats anbringen. Denn es geht nicht, daß sich ein Partner permanent marktorientiert verhält und die anderen Partner nicht. Aber auch hier bin ich dabei, verschiedene Probleme zu lösen.
Es ist schon auf die Beteiligung der Freien Demokraten hingewiesen worden. Beim Anhören des Referats meines Kollegen Ehnes habe ich mir gesagt, wenn es so wäre, wie er es darstellt, würde ich an mir selbst verzweifeln und sicherlich auch die Konsequenzen ziehen. Er sagte, ich hätte eine Situation übernommen, in der es kostendeckende Preise für die Landwirtschaft gegeben habe, wo noch und noch gefördert worden sei, wo die Bauern geradezu eine Uberfülle von Förderung bekommen hätten. Da muß ich fragen, wieso ich bei den Förderungsmaßnahmen einen Bauchladen übernommen habe. Nur eben dadurch, daß diese 700 Millionen DM — —

(Zuruf des Abg. Dr. Ritz.)

— Kollege Ritz, auch wenn es Ihnen nicht paßt, es ist ein Faktum, daß wir die Förderungsmittel und damit auch die Überhänge beseitigen konnten, weil wir diese 700 Millionen DM mehr zur Verfügung gestellt haben. Das darf und muß doch einmal gesagt werden. Man darf dann ,doch nicht dauernd hergehen und sagen, das sei etwas Selbstverständliches. Mit dem Bauernverband haben wir nur 500 Millionen DM abgesprochen. So war das Abkommen vor der Wahl. 700 Millionen DM sind daraus geworden. Ich bin aber überzeugt, wenn ich heute 700 Millionen DM gebe, dann heißt es morgen 2 Milliarden DM, und wenn ich 2 Milliarden DM habe, heißt es 4 Milliarden DM. Ich kann machen, was ich will, ich werde es immer falsch machen, weil die Richtung nicht paßt!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Genau, der Sack wird immer größer!)

Das ist es, und das kann einen fast umbringen, ein Umstand, der einem weiß Gott sehr an die Nerven gehen kann.
Ich darf daran erinnern — auch das ist nachzulesen —, die sterilste Agrarpreisperiode, die es je gegeben hat, war die Periode von 1957 bis 1961. Da hat eine einzige Fraktion die absolute Mehrheit gehabt, meine Herren, Sie von der CDU/CSU. Da gab es keine Milchpreiserhöhung, da gab es nichts. Sie können ,das alles nachlesen. Erst als die Freien Demokraten wieder in die Regierung eintraten, ist wieder eine Milchpreiserhöhung erfolgt, dann wurde um den Zuckerrübenpreis gekämpft und anderes mehr. Wenn schon, dann wollen wir immer bei der lauteren Wahrheit bleiben und nicht so tun, als ob man selbst alles in Butter gehabt hätte

(Zuruf von der SPD.)

und nun plötzlich der Versuch gemacht würde, was gut gemacht worden ist, schlechter zu machen. Das soll kein Eigenlob sein, meine sehr verehrten Anwesenden. Die Lage ist ernst, und mir wäre sicherlich manches so lieber, wie es momentan ist, auf dem strukturellen Sektor, auf dem Preissektor und anderes mehr.
Sie alle kennen mit mir — das haben Sie auch zugegeben — die Schwierigkeiten, die sich nun einmal zwangsläufig aus der Konstruktion der EWG und den Verpflichtungen politischer Art, die wir eingegangen sind, ergeben. Ich habe erst vor kurzem meine Rede nachgelesen, die ich als erste hier in diesem Hohen Hause im Jahre 1962 gehalten habe. Ich habe damals gesagt: Ist es richtig, einseitig Agrarmarktordnungen ,aufzubauen und nicht gleichzeitig mit der Wirtschafts- und Währungs-



Bundesminister Ertl
union zu beginnen? Diese Regierung hat doch seit Den Haag begonnen, erstmals Fortschritte auf dem Wirtschafts- und Währungssektor zu machen. Das letzte Jahrzehnt war das Jahrzehnt einer isolierten Politik der Agrarmarktordnungen, und zwar unter der These: Frankreich das Agrargeschäft, Deutschland das Industriegeschäft. Man kann über diese These denken, wie man will, ich habe sie mir nicht zu eigen gemacht, ich will über sie auch nicht diskutieren, aber unter dieser These wurde doch das Konzept der Agrarmarktordnungen gemacht und beschlossen. Jetzt, wo die Regierung hergeht, den währungs- und wirtschaftspolitischen Gleichklang zu vollziehen, stellt man die Behauptung auf, man mache keinen Versuch, endlich auch zu einer Kosten- und Wettbewerbsharmonisierung zu kommen. In diesem Herbst ist zum erstenmal beschlossen worden, einen Beihilfenkatalog für alle Produkte auszulegen, weil man eine gemeinsame Agrarpolitik auf die Dauer nur machen kann, wenn die Beihilfen koordiniert werden; das ist eine Selbstverständlichkeit. In einem Jahr kann man zwar arbeiten, aber nicht alles lösen; das muß ich hier auch einmal sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das gilt auch für die Frage ,des Eigentums. Herr Kollege Ehnes, ich könnte auch sagen, ich habe die Entwürfe gelesen, die zum CDU-Programm eingereicht wurden. Was soll ,das?

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen}: Das ist hochinteressant!)

Ich könnte darüber etwas sagen. Ich könnte auch einige Leute aus München zitieren, Herr Kollege Ehnes, und zwar dazu, was sie zum bäuerlichen Eigentum sagen. Auch im Hinblick auf das Städtebauförderungsgesetz könnte ich etwas zitieren. Ebenfalls kann ich Namen von Personen dazu nennen, und zwar auch aus der CSU, die ganz anderer Meinung sind als Herr Gleissner und 'die sagen: Was interessiert uns schon Herr Gleissner! Dies und ähnliches mehr höre ich oft in Diskussionen. Aber was soll das?
Ich kann Ihnen nur sagen, was in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers auf Grund einer Großen Anfrage ausgeführt wurde. Da heißt es, daß es die breite Streuung des privaten Eigentums zu fördern und den bäuerlichen Bodenbesitz zu wahren gilt. Dafür möchte ich auch den Beweis vorlegen. Vergleichen Sie das Städtebauförderungsgesetz, das hier durch meine Mitwirkung, mit dem Städtebauförderungsgesetz, das durch Ihre Mitwirkung zustande gekommen ist. Dort können Sie einen Vergleich bezüglich der Wahrung des bäuerlichen Bodenbesitzes anstellen.

(Beifall bei der FDP.)

Das will ich Ihnen sehr gern in einer Synopse vorlegen.
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß schon — —

(Abg. Dr. Ritz: Sie haben unseren Entwurf offensichtlich nicht gelesen!)

— Doch, den habe ich sehr wohl gelesen.

(Abg. Dr. Ritz: Unseren Entwurf haben Sie mitgestaltet?)

— Ich spreche von dem Entwurf der Regierung Kiesinger. Ich glaube, es war Ihr Bundeskanzler, der — —(Abg. Stücklen: Der Entwurf ist doch gar
nicht verabschiedet worden!)
— Wissen Sie, das sind immer so schöne Märchen. Bei Ihnen ist immer nichts verabschiedet worden und dergleichen mehr. Fest steht auf jeden Fall, Herr Kollege Stücklen, daß Ihre Minister diesem Entwurf zugestimmt haben. Das ist Tatsache.

(Abg. Stücklen: Der Entwurf ist nie im Kabinett zur Abstimmung gekommen!)

— Den gibt es doch als Drucksache! Herr Kollege Stücklen, behaupten Sie doch nicht Sachen, die nicht stimmen; ich bitte Sie vielmals! Es gibt doch den Entwurf des Städtebauförderungsgesetzes der Regierung Kiesinger als Drucksache!

(Abg. Stücklen: Darüber ist gar nicht abgestimmt worden!)

— Wissen Sie, was Sie jetzt betreiben, ist beinahe mehr als Dialektik. So schnell kann man sich nicht aus der Verantwortung herausmogeln; das geht nicht, verehrter Kollege. Man muß zu den Taten stehen, im Guten wie im Schlechten, und darf nicht versuchen, sich permanent herauszumogeln. Das ist kein guter Stil.
Mit Recht wurde die Frage des Landauffangs und der Landverwertung sowie der Abfindung der weichenden Erben angesprochen. In meinem Hause wurden in Übereinstimmung mit den Herren Agrarministern der Länder zwei Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit Lösungsmöglichkeiten zu den Problemen Landauffang und -verwertung, Bodenfonds und Abfindung weichender Erben befassen. Ich habe meinen Herren Kollegen zugesagt, daß Sie über das Ergebnis der Untersuchung dieser Arbeitsgruppe unterrichtet werden.
Auf Antrag der FDP im Ernährungsausschuß wird außerdem heute dem Deutschen Bundestag ein Entschließungsantrag zur Beschlußfassung vorgelegt, der etwa folgendes vorsieht: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Deutschen Bundestag bis zum 31. März 1971 darüber Bericht zu erstatten, welche Maßnahmen getroffen werden sollten, um die Inanspruchnahme von Landabgaberenten, Prämien und Nachversicherungszuschüssen auch in den Fällen sicherzustellen, wo sich weder ein Käufer noch ein Pächter findet.

(Abg. Dr. Ritz: Das war aber unser Antrag! Den hatten wir schon gestellt! Er ist aber im Ausschuß abgelehnt worden!)

Weil ich schon bei dem einzelbetrieblichen Förderungsprogramm bin, noch etwas zur Zielschwelle. Auch die Schweiz hat ähnliche Vorstellungen: Offenlegung der Vermögensverhältnisse, dann Möglichkeit der Betriebsentwicklung. Ähnliche Regelungen gibt es in Großbritannien und in Frankreich. Dort



Bundesminister Ertl
werden genaue Größen verlangt und ähnliches mehr. Ich wollte das hier nur sagen.
Im übrigen fällt mir in diesem Zusammenhang der „Milchwirtschaftliche Informationsdienst" ein. Ich habe ihn doch bei mir, weil in ihm auch ganz Interessantes zu lesen ist. Herr Kollege Ehnes, ich nehme an, daß Sie diese Zahlen — da Ihr Parteifreund und mein verehrter Kollege im Bayerischen Landtag, Nüssl, Ihr Vorsitzender ist — für richtig halten. Im September-Bericht werden z. B. folgende Durchschnittsauszahlungspreise für Milch mit 3,7 % Fettgehalt genannt: August 1968 36,48 DM, August 1969 37,27 DM und August 1970 36,51 DM. Wenn Sie dann noch den Flächenausgleich hinzurechnen —ihn wollen Sie ja immer gern unterschlagen —, werden Sie feststellen, daß Sie mindestens auf die Zahl von August 1969 kommen; Sie kommen sogar darüber.
Weil der Kollege Kiechle da ist, will ich auch die Zahlen des Milchwirtschaftlichen Vereins für das Emmentaler Gebiet nennen. Ich weiß, daß man das nicht gerne hören will, denn es paßt nicht in die Schwarzmalerei.

(Zuruf von der SPD: Es tut aber gut!)

Die Zahlen lauten: August 1968 37,64 DM, August 1969 40,01 DM und August 1970 40,71 DM. Und dann kommt noch der Flächenausgleich hinzu.
Meine Damen und Herren, man muß bei der Wahrheit bleiben und darf die Wahrheit nicht verdrehen. Ich bin nicht stolz auf diesen Einkommensausgleich. Er war für mich eine Kompromißformel. Er deckt, glaube ich, die Einkommensverluste der Landwirtschaft ab und ist somit ein Beitrag zur Stabilität. Deshalb kann man diesen Einkommensausgleich - ich wiederhole es — niemals als Subvention für die Landwirtschaft bezeichnen. Es handelt sich hier vielmehr um eine volkswirtschaftliche Leistung für die Gesamtheit im Interesse der Stabilität.
Daß es gar nicht so schlecht ist, wie viele es darstellen, möchte ich hier wie folgt belegen. Ein bedeutender Mann des Deutschen Bauernverbandes hat dazu aufgefordert, pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche eine D-Mark für einen Kampffonds zu erheben, um also die Bevölkerung aufzuklären und über die Planungen zu unterrichten. Er schreibt — ich zitiere jetzt wörtlich —:
Wir haben uns reiflich überlegt, ob wir unseren Mitgliedern diese Sonderleistung zumuten können. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß unsere Bitte angesichts der weiteren Auseinandersetzungen auf nationaler und internationaler Ebene und des vom Bauernverband durchgesetzten DM-Aufwertungsverlustausgleichs in Höhe von rund 70 DM pro Hektar Getreide und Grünlandfläche, von rund 108 DM für Hackfrüchte,
— Obst ist dabei vergessen worden — den sie im Spätsommer erhalten,
— sie haben ihn sogar schon im Frühsommer erhalten —
notwendig und zumutbar ist.
Insoweit habe ich immerhin mitgeholfen, den Kampffonds für die deutsche Landwirtschaft zu finzieren. Das freut mich sehr. Ich glaube, daß ich damit auch einen konstruktiven Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit geleistet habe. Ich hoffe nur, daß man die Mittel aus dem Fonds dann auch entsprechend verwendet.

(Abg. Niegel: Mittelfranken!)

— Es wäre sehr nützlich, wenn Sie zur Aufklärung in Mittelfranken etwas beitrügen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Niegel, Sie können sich so große Verdienste im Hinblick auf eine Versachlichung der Auseinandersetzungen erwerben.
Herr Kollege Ehnes, Sie haben gefragt — ich möchte dieser Frage nicht ausweichen —, wie es mit den Förderungsmöglichkeiten ausschaut. Die Finanzierung von Investitionen in Höhe von 1000 DM sah bisher folgendermaßen aus: 250 DM Eigenmittel, 150 DM Investitionsbeihilfe, 600 DM zu einem auf 4 % verbilligten Zins. Ich möchte übrigens betonen, daß ich mit einer Zinsverbilligung um 4% nicht unbedingt zufrieden bin. Sie wissen, daß ich den Versuch gemacht habe, in einem Brief an die Länderminister zu erkunden, ob man nicht eine andere Lösung finden kann. Im Bundesrat haben die Landesfinanzminister eine weitere Ausdehnung der Zinsverbilligungsmarge unisono abgelehnt. Daß muß einmal festgestellt werden, damit nicht immer mit verschiedenen Karten gespielt wird. Wie gesagt, wir werden die Gemeinschaftsaufgabe haben, und dann werden wir sehen, wie wir gemeinsam mit den Ländern vorwärtskommen.
Bei kleinen Investitionen wirkte sich die Gewährung einer Investitionsbeihilfe günstiger auf die Finanzierung aus als bei hohen und langfristigen Investitionen. Es muß deshalb festgestellt werden, daß für niedrigere Investitionen mit kurzen Laufzeiten, insbesondere für Maschinen, Ihre Rechnung, Herr Kollege Ehnes, richtig ist. Mit steigender Investitionssumme und mit steigender Laufzeit wird jedoch die Finanzierung nach dem neuen Förderungsprogramm günstiger als die bisherige Finanzierung über Investitionsbeihilfen und Zinsverbilligung. Bei den besonders teuren Investitionen sind durch Gewährung von öffentlichen Darlehen, die im Vergleich zur Vergangenheit erhöht wurden, Verbesserungen erzielt worden. Von einer Verschlechterung kann daher nicht gesprochen werden.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607824100
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehnes?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607824200
Bitte.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607824300
Herr Minister, ich hätte eine Frage, damit kein Irrtum entsteht. Der bayerische Landwirtschaftsminister Dr. Eisenmann gibt mir hier schriftlich, daß er im Bundeslandwirtschaftsministe-



Ehnes
rium für eine Kreditverbilligung eingetreten ist, die auf 3 % bemessen werden sollte. Stimmt das? Ich habe es hier schriftlich.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607824400
Darüber wurde in der Agrarministerkonferenz der Länder gesprochen. Daraufhin habe ich an alle Kollegen einen Brief geschrieben, und der Erfolg war, daß im Bundesrat die Finanzminister der Länder es abgelehnt haben. Da muß sich der Herr Kollege Eisenmann an den Kollegen Pöhner wenden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607824500
Eine weitere Zusatzfrage.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607824600
Darf ich davon ausgehen, daß die Aussage, die Herr Eisenmann mir schriftlich gegeben hat, stimmt?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607824700
Nicht nur Herr Eisenmann, sondern auch andere Kollegen haben sich für eine Zinsverbilligung auf 3 % ausgesprochen. Ich habe gar nicht behauptet, daß der Herr Eisenmann das nicht gesagt habe. Sie stellen doch eine Frage, die gar nicht der Sache entspricht. Das ist eine ganz eigenartige Methode. Ich habe behauptet, daß die Finanzminister im Bundesrat es abgelehnt haben. Da muß ich zurückfragen: Ist der Kollege Eisenmann Finanzminister, oder ist er Landwirtschaftsminister? In der Besprechung des Programms waren wir alle der Meinung: Wenn sich nicht eine Verbesserung des Diskontsatzes ermöglichen läßt, sollte man den Versuch machen, möglicherweise zu einer größeren Zinsverbilligungsmarge zu kommen. Das war die Meinung aller Minister. Das war kein Antrag Eisenmann, sondern das war die Meinung bei einer Diskussion in der Agrarministerkonferenz. So ist die klare Antwort, und so sind die Fakten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607824800
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehnes?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607824900
Bitte!

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0607825000
Herr Minister, ich muß leider die Frage zum drittenmal stellen. Herr Eisenmann schreibt mir: „Ich habe deshalb im BML immer wieder aufgefordert, dieser Situation dadurch Rechnung zu tragen, daß der Agrarkredit auf 3% verbilligt wird." Ja oder nein möchte ich dazu hören.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607825100
Natürlich hat er das gesagt. Aber ich muß Ihnen ganz offen sagen, Herr Kollege Ehnes: Da muß sich der Kollege Eisenmann beim Herrn Finanzminister Pöhner durchsetzen können. Sie haben damit bestätigt, daß er sich in seinem eigenen Kabinett nicht durchsetzen konnte. Es tut mir leid,
Sie haben mich dazu provoziert, das hier festzustellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607825200
Herr Bundesminister, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Struve?

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0607825300
Herr Minister, könnten wir die Sache nicht klären, wenn ich die Frage stelle: War es bislang nicht so, daß die Höhe der Zinsverbilligung einzig und allein von der Bundesregierung beschlossen wurde, statt daß der Bundesrat eingeschaltet war?

(Abg. Dr. Ritz: Ja, das ist das Problem!)


Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607825400
Nein. Ich brauche die Zustimmung.
Im übrigen wissen ,Sie doch selbst — Sie waren doch lange genug in der Regierung, Herr Kollege Struve —, daß wir bereits Preissteigerungsraten von 4 % hatten — dazu wird der Kollege Schiller noch etwas sagen —, und da haben Sie auch bloß 4 % Verbilligung gehabt. Ich würde mich von Ihnen gern belehren lassen. Wenn Sie das früher geschafft hätten, würde ich das auch gern schaffen.

(Abg. Windelen: Wie war damals der Diskontsatz?)

— Wir hoffen doch, daß sich der Diskontsatz wieder normalisiert, Herr Windelen.

(Abg. Windelen: Von der Hoffnung werden die aber nicht satt, Herr Minister!)

— Das war leider auch früher so. Das war bei der Getreidepreissenkung so, und als im Jahr 1966 die Preissteigerungsrate 4,5% war, war es genauso. Da konnten sie auch nicht von der Hoffnung satt werden. Das muß ich Ihnen hier auch einmal sagen.
Ich stehe zu meiner Aussage, daß die Preispolitik eine Gretchenfrage ist. Nicht zuletzt habe ich mich deshalb bemüht, den Markt, wenn es irgendwie geht, wieder funktionsfähig zu machen, weil ich glaube, ,daß die heurigen Verhandlungen mindestens auf einigen Sektoren mehr Hoffnungen zulassen als die Verhandlungen noch vor einem Jahr, wo der Markt durch drückende Überschüsse gekennzeichnet war. Das ist das Problem. Insoweit kann man dann ,die Gretchenfrage positiver beantworten. Sie wissen, daß ich immer mit Klarheit gesagt habe — und dazu stehe ich —: Verbesserung des Rinderorientierungspreises, Verringerung der Spanne zwischen Weichweizen und Futtergetreidepreis. Und morgen werden wir im Kabinett die Frage des Trinkmilchpreises behandeln.
Ich möchte noch einmal betonen, bei der Einkommensrechnung dürfen Sie weder die 3 % Mehrwertsteueranteil noch die 920 Millionen DM außer acht lassen. Das muß auch gesagt werden.
Es wurde dann noch sehr ausführlich über die Anpassung der Landwirtschaft gesprochen. Das ist ein Prozeß, der sicherlich nicht leicht ist. Ich betone

Bundesminister Ertl
immer wieder, was ich tun kann, wird geschehen, um diesen Prozeß menschlich und sozial erträglich zu machen. Das ist ein Komplex, der weit über den rein strukturellen Bereich hinausgeht. Ich muß sagen, mein Amtsvorgänger hat hier Hervorragendes geleistet. Es geht darum, in Form von Regionalprogrammen, in Form der Infrastruktur die Voraussetzungen für eine gezielte und konstruktive Strukturpolitik zu schaffen, wobei die freie Entscheidung immer gewährleistet sein muß.
Ich wehre mich gegen folgendes. Wer sagt, daß in ,diesem Programm die freie Entscheidung nicht gewährleistet sei, der behauptet etwas, was nicht stimmt. Vielleicht hat er auch das Programm nicht gelesen. Das wäre dann ein Umstand, der ihm mildernd zugebilligt werden muß. Aber sowohl die sozialen Komponenten als auch der Überbrückungskredit als auch die Differenzierung der Schwellen und meine Zusage, daß in schwierigen Fällen eine neuerliche Überprüfung möglich ist, geben, glaube ich, die Möglichkeit zu einem 'Höchstmaß an Flexibilität.
Ich hatte von vornherein die Absicht, nach einem Jahr Bilanz zu ziehen. Ich wiederhole das, was ich gestern vor dem Bauernverband gesagt habe: Ich bilde mir nicht ein, daß mein Haus Dogmen verkündet, daß damit der Weisheit letzter Schluß gefunden ist und daß das Patentlösungen sind. Nein, man muß die Agrarpolitik permanent prüfen und auch permanent neugestalten. Ich werde mich darum bemühen, und darüber wird sich auch eine öffentliche Diskussion vollziehen. Wer aber heute so durch die Lande zieht und Böses verbreitet, dem muß ich allerdings sagen: Als ich mein Amt antrat, haben seit 1950 60 000 Betriebe ihre Produktion aufgegeben, sind gut 2 Millionen Menschen abgewandert und hatten keine soziale Alternative.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dazu sollte der Kollege Gleissner hier Stellung nehmen, warum er so lange hier geschwiegen hat. Er hätte da schon lange von Verrat reden können, wenn er dahintergestanden hätte, er oder seine Hintermänner. Es stehen sogar Landwirtschaftsbeamte dahinter, Herr Kollege Gleissner.

(Zustimmung des Abg. Saxowski.) Ich weiß mehr in der Sache.


(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Nein, ich habe kein schlechtes Gewissen, sondern ich -bin tief davon betroffen, daß ein Freund in dieser Form polemisiert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er weint gleich!)

Lassen Sie mich zum Schluß noch sagen: ich habe, glaube ich, gerade durch den Einkommensausgleich, nicht zuletzt durch die Einbeziehung der Almbauern in den Grünlandausgleich, vielleicht aus der Not eine Tugend gemacht, aber mitgeholfen, daß hier in einer schwierigen Situation Einkommenshilfen zustande kommen. Der Wohnhausbau soll berücksichtigt werden. Das Reineinkommen soll Berücksichtigung finden, ebenso Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, weil wir doch wissen, daß in von Natur aus benachteiligten Gebieten letzten Endes eine Vielzahl von Betrieben in der gemischten Form von Fremdenverkehr und Landwirtschaft ihre Dauerexistenz finden kann und finden muß. Das darf ich doch hinzufügen. Ich stimme dem Kollegen Ehnes zu, daß wir in diesen Bereichen gemeinsam Wege finden müssen, sei es im Schwarzwald, sei es im Bayerischen Wald, sei es in der Eifel, sei es in den bayerischen Alpen. Auch dort muß eine funktionsfähige Landwirtschaft erhalten werden. Das ist in der Tat eine Aufgabe, die weit über den rein wirtschaftlichen Aspekt hinausgeht und tief in den gesellschaftlichen Aspekt eingreift; denn hier handelt es sich um die Erhaltung der Funktion der Landschaft als Erholungs- und Freizeitlandschaft. Ich würde meinem ganzen Werdegang untreu, wenn ich das nicht erkennen würde.
Die Hopfenmarktordnung ist von der Kommission verbindlich für den Dezember zugesagt worden, und zwar deshalb, weil ich gesagt habe: Sonst stimme ich der Hanf- und Flachsmarktordnung nicht zu. Im übrigen stand dies schon lange zur Diskussion. Auch das ist eine Frage, bei der man nicht alles über denselben Leisten schlagen kann. Auf jeden Fall habe ich gesagt: Es gibt nur dann eine Hanf- und Flachsmarktordnung, wenn es auch eine Hopfenmarktordnung gibt. Wie Sie dem Protokoll des Ministerrats entnehmen können, hat die Kommission eine solche Zusage für den Dezember gemacht.
Zum Reinheitsgebot darf ich sagen, daß ich mich bemühen werde, unsere Interessen mit Nachdruck zu vertreten; denn ich halte das für ein sehr wichtiges Anliegen. Hier gibt es keine Differenzen; die Schwierigkeiten liegen vielmehr darin, daß andere Länder sagen: N u r nach eurem Reinheitsgebot geht es nicht! Hier werden wir Lösungen finden müssen, die auf keinen Fall unsere bewährte Bierherstellung in irgendeiner Form torpedieren.
Damit kein Mißverständnis auftritt, möchte ich darauf hinweisen, daß in der Agrarministerkonferenn keine formelle Abstimmung über das Förderungsprogramm stattfand. Ich will auch sagen, daß der Kollege Eisenmann bezüglich der Förderung schwere Bedenken gehabt hat. Ich glaube, mit ruhigem Gewissen behaupten zu können, daß die Grundkonzeption von allen Ministern bejaht wurde, wobei es allerdings Differenzierungen speziell bezüglich der Förderungsschwelle gab. Ich sage das nicht, um über irgendwelche Leute zu reden. Ich wünsche mir, daß draußen im Lande mit derselben Redlichkeit und Ehrlichkeit argumentiert wird.
Ich darf mich sehr dafür bedanken, daß man während meiner Erkrankung ein klein wenig Rücksicht genommen hat, zumindest von seiten einiger Leute.
Herr Kollege Ehnes und meine verehrte Opposition, es ist Ihr gutes Recht zu sagen, daß nicht genügend getan worden sei. Dieses Recht bestreite ich Ihnen nicht. Auf der anderen Seite ist es auch unser gutes Recht, auf das hinzuweisen, was geschehen ist. Wir werden uns nicht irremachen lassen, sonden alles in unseren Kräften Stehende zu tun versuchen, um unsere Zusagen im Rahmen der Regierungserklärung einzuhalten, damit der Landwirtschaft der schwere Anpassungsprozeß sozial erträglich ge-



Bundesminister Ertl
macht wird. Wir werden daran mitzuhelfen versuchen, daß die Landwirtschaft sich wirklich zu einem vollwertigen Partner in unserer Gesellschaft entwickelt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607825500
Wir treten damit in die Mittagspause ein. Nach dem derzeitigen Stand der Rednerliste werde ich nach der Mittagspause zunächst Herrn Bundesminister Arendt und dann dem Abgeordneten Dr. Ritz von der CDU/CSU das Wort erteilen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.15 Uhr bis 15.00 Uhr.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607825600
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herr Bundesminister Arendt.

Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0607825700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die fortschrittliche Agrarpolitik — wie die Bundesregierung sie betreibt — hat auch gewichtige sozial- und gesellschaftspolitische Bestandteile. Hierzu möchte ich einige Bemerkungen machen.
Im Sozialbericht 1970 hat die Bundesregierung dargelegt, daß der Strukturwandel in der Landwirtschaft besondere Maßnahmen der sozialen Sicherung erfordert. In diesem sozialpolitischen Kursbuch hat die Bundesregierung Verbesserungen bei der Landabgabenrente angekündigt. Sie sollen es den Landwirten erleichtern, unrentable Betriebe aufzugeben und die freiwerdenden Nutzflächen der Verbesserung der Agrar- und Infrastruktur zuzuführen.
Weiter hat die Bundesregierung in ihrem sozialpolitischen Kursbuch die Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung für die Landwirte, für ihre mithelfenden Familienangehörigen und für die Altenteiler angekündigt. Damit soll auch für die in der Landwirtschaft Tätigen eine soziale Sicherung bei Krankheit geschaffen werden. Ein Großteil ist heute völlig unzureichend oder gar nicht versichert. Die meisten Landwirte sind aber wegen ihrer ungünstigen Einkommensverhältnisse nicht mehr in der Lage, die oft schweren finanziellen Belastungen einer Krankheit allein zu tragen. Eine solidarische Krankenversicherung ist daher auch für die Landwirte dringend notwendig.
Zu dieser Auffassung ist übrigens auch ein Arbeitskreis gekommen, der im Auftrage der Bundesregierung die Möglichkeiten einer gesetzlichen Krankenversicherung der Landwirte untersucht hat. Dem Arbeitskreis gehörten Wissenschaftler, Vertreter des Deutschen Bauernverbandes, der Gewerkschaften, der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung sowie der Ärzteschaft an. Dieser Arbeitskreis hat sich mit Mehrheit für die Schaffung einer eigenständigen Krankenversicherung für die Landwirte ausgesprochen.
Die Bundesregierung hat es nicht bei Ankündigungen bewenden lassen. Sie hat gehandelt. Der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Landabgabenrente wurde so rechtzeitig vorgelegt, daß er bereits heute verabschiedet werden kann. An dieser Stelle möchte ich den beteiligten Ausschüssen dieses Hohen Hauses besonders dafür danken, daß sie diesen Gesetzentwurf noch ausgestaltet und vervollkommnet haben.
Der Gesetzentwurf zur Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung für Landwirte wird zur Zeit vorbereitet. In diese Vorarbeiten ist auch die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung eingeschaltet. Ich hoffe, den Entwurf alsbald vorlegen zu können.

(am 22. Oktober beschlossen. Sie lauten: 1. Die landwirtschaftlichen Unternehmer, ihre Familienangehörigen und die Altenteiler sind für den Krankheitsfall gesetzlich zu versichern. 2. Landwirten und Altenteilern, die ausreichend in der privaten Krankenversicherung versichert sind, ist die Möglichkeit zu geben, in ihrer Versicherung zu bleiben. 3. Die Versicherung der Landwirte und ihrer Familienangehörigen ist ausschließlich durch Beiträge zu finanzieren. Die Mittel für die Versicherung der Altenteiler sollen dagegen vom Bund aufgebracht werden. 4. Der Leistungsumfang soll grundsätzlich dem der Sachleistungen ,der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Jedoch wird für 'die durch längeren Krankenhausaufenthalt ausfallende Arbeitskraft des Betriebsinhabers eine Ersatzleistung für notwendig angesehen. 5. Die Krankenversicherung soll in Selbstverwaltungskörperschaften durchgeführt werden, die so leistungsfähig sein müssen, daß sie auch langfristig die Risiken der Krankenversicherung der Landwirte ausgleichen können. 6. Die soziale Betreuung der Versicherten bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit muß durch eine enge Zusammenarbeit der Träger der sozialen Sicherung der Landwirte auch im örtlichen Bereich gewährleistet sein. Soweit die Grundsätze! Soweit Ihre Kleine Anfrage, meine Damen und Herren von der Opposition, vom 22. September dieses Jahres — Drucksache VI/ 1176 — in Frage kommt, muß ich Ihnen sagen, daß zur Beantwortung eine Reihe von Spezialerhebungen erforderlich sind. Ich hoffe aber, daß Ihnen Ende dieses Monats eine Antwort zugehen kann. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt noch etwas zu den Einzelheiten des zur Verabschiedung anstehenden Gesetzentwurfs zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft sagen. Herr Minister, würden Sie zu dem vorherigen Komplex, nehme ich an — eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niegel gestatten? Herr Bundesminister, werden Sie die Gedankengänge, die uns Anlaß zu der Kleinen Anfrage zur Krankenversicherung in der Landwirtschaft gegeben haben, bei Ihrem Gesetzentwurf mitberücksichtigen? Herr Kollege, ich habe Ihnen gerade die Kabinettsentscheidung vom 22. Oktober in groben Zügen vorgetragen. Diese Punkte dier Kabinettsentscheidung vom 22. Oktober werden sich in den Grundzügen des vorzulegenden Gesetzes wiederfinden. Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? Werden Sie bei der Ausarbeitung Ihres Gesetzentwurfs auch davon ausgehen, daß ,die bisherigen freiwilligen Versicherungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, sei es Landkrankenkasse, sei es Ortskrankenkasse, einen Beitrag von 28 Mark bis etwa 50 Mark vorsehen — im Durchschnitt etwa 40 DM pro Betrieb in Oberfranken und Mittelfranken —, während Sie von 70 bis 80 DM bei der Pflichtversicherung sprechen? Wir haben noch gar nicht von Beiträgen gesprochen, Herr Kollege. Sie werden — ich sage das noch einmal — die Grundzüge, die 'das Kabinett am 22. Oktober beschlossen hat und die einen vollen Schutz in der Frage der Krankenversicherung für den genannten Personenkreis vorsehen, wiederfinden. Meine Damen und Herren! Dieses Agrarsoziale Ergänzungsgesetz bringt die Sicherstellung der Finanzierung der Altershilfe für Landwirte für die Jahre 1971 und 1972, es bringt Verbesserungen der Landabgaberente, und es bringt Verbesserungen für Maßnahmen zur ausreichenden Alterssicherung ausgeschiedener Landwirte, die eine Arbeitnehmertätigkeit aufgenommen haben. Ihnen wird die Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ermöglicht. Dazu leistet der Bund unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse. Zu den einzelnen Regelungen möchte ich folgendes bemerken. Die Finanzierung der Altershilfe für Landwirte ist für die Jahre 1971 und 1972 sichergestellt. Die Zuschüsse des Bundes, die in diesem Jahr 639 Millionen DM betragen, werden für 1971 auf 675 Millionen DM erhöht. Eine weitere Erhöhung auf 680 Millionen DM erfolgt im Jahre 1972. Die Beiträge werden für 1971 wie für 1970 auf 27 DM und für 1972 auf 30 DM monatlich festgesetzt. Bei der Landabgaberente sind folgende Verbesserungen vorgesehen. Der begünstigte Betriebsgrößenbereich für die Landabgaberente wird mehr als verdoppelt. Er wird auf das Fünffache der Mindesthöhe der Existenzgrundlage angehoben. Dadurch sind etwa 75 % aller Hauptund Zuerwerbslandwirte begünstigt. Gleichzeitig wird die Landabgaberente für den Verheirateten von 275 DM auf 350 DM und für den Unverheirateten von 180' DM auf 230 DM monatlich erhöht. Das sind Erhöhungen von rund 27 %. Bei abgabewilligen Landwirten, die deswegen keine Landabgaberente erhalten können, weil niemand da ist, der das Land aufnimmt, wird die Erstaufforstung der Landabgabe gleichgestellt. Dies kann nur ein erster Schritt zur Lösung des Gesamtproblems sein. Die Bundesregierung wird prüfen, welche weiteren Lösungen möglich sind. Entsprechend der vorgelegten Entschließung wird sie dem Hohen Hause über Lösungsmöglichkeiten berichten. Als völlig neue Maßnahme wird ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmern, die ihren Hof abgegeben haben und eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben, die Möglichkeit eröffnet, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachzuentrichten. Das Recht auf Nachentrichtung besteht für Zeiten nach dem 31. Dezember 1955, in denen der Unternehmer selbständig in der Landwirtschaft tätig war. Unter bestimmten Voraussetzungen wird das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen auch mitarbeitenden Familienangehörigen eingeräumt. Damit soll den Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich in der gesetzlichen Rentenversicherung eine ausreichende Alterssicherung zu schaffen. Sofern die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens strukturverbessernd im Sinne der Regelungen für die Landabgaberente erfolgt, gewährt der Bund zu den nachzuentrichtenden Beiträgen einen Zuschuß von 70 %. Auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung handelt die Bundesregierung gemäß der besonderen Situation der Landwirtschaft. Die rund 190 000 Unfallrenten aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung werden vom 1. Januar 1971 an durchschnittlich um 20 % erhöht. Ich habe für die landwirtschaftliche Unfallversicherung eine allgemeine Zwischenfestsetzung der durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienste angeordnet, die diese Rentensteigerung bringt. Die Mehraufwendungen von rund 55 Millionen DM im Jahre 1971 trägt der Bund. Außerdem haben wir die Zulagen für die etwa 18 000 schwerbeschädigten Rentenempfänger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung für 1971 gesichert. Wie in den beiden Vorjahren wird der Bund auch im kommenden Jahr Zuschüsse zu den Beiträgen zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung leisten und damit die Weiterzahlung der Zulagen gewährleisten. Für diese Zuschüsse wendet der Bund im kommenden Jahr 15 Millionen DM auf. Meine Damen und Herren, Sie sehen aus dieser kurzen Darstellung, daß die Bundesregierung ihre Verpflichtung im agrarsozialen Bereich ernst nimmt. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft um größere soziale Sicherung in der Landwirtschaft bemüht Bundesminister Arendt bleiben. Das gilt für die Bleibenden wie für die Ausscheidenden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ritz. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung. Die Vorwürfe, die heute vormittag gegen zwei meiner Fraktionskollegen, nämlich gegen die Kollegen Klinker und Gleissner, erhoben worden sind, werden nachher von ihnen selbst zurückgewiesen werden. Meine Damen und Herren, wir sind sehr wohl bereit, auf den gesundheitlichen Zustand von Herrn Minister Ertl Rücksicht zu nehmen. Nur, verehrter Herr Minister, Sie können Rücksichtnahme nicht mehr verlangen, wenn Sie selbst Polemik und Halbwahrheiten in die Debatte einführen. Ich muß das einfach am Anfang sagen, um Mißverständnissen nachher vorzubeugen. Meine Damen und Herren, wer die drei ersten Reden der Kollegen Dr. Schmidt (Zurufe von der SPD: Sehr wahr! — Genau! — Gut zusammengefaßt!)

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607825800
Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607825900
Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0607826000
Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607826100
Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607826200
Walter Arendt (SPD):
Rede ID: ID0607826300

(Zustimmung bei der SPD.)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607826400
Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0607826500

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer diesen Eindruck zu erwecken sucht, kann genauso gut die Behauptung aufstellen: Grimm's Märchen sind eine Dokumentation der Glaubwürdigkeit. Daß muß ich hier einmal mit Nachdruck sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir sind weit davon entfernt, so zu tun, als hätte es früher keine fehlerhaften Entwicklungen gegeben, als hätte es früher keine Schwierigkeiten gegeben, als wäre früher alles gut gewesen. Oh nein, davon sind wir weit entfernt. Nur, diese Einseitigkeit, mit der hier versucht wird, so zu tun, als wäre im letzten Jahr alles gut und alles, was davor war, schrecklich schlimm gewesen, ist schlichtweg unerträglich.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Wollen Sie leugnen, was bei Ihnen nicht gut war?)

— Verehrter Herr Kollege Wehner, lassen Sie mich folgendes mit aller Deutlichkeit sagen. Sie haben heute morgen hier eine Zwischenbemerkung gemacht, die ich noch einmal für das Protokoll festhalten will. Als der Herr Kollege Ehnes davon sprach, was die Hauptgegner der Landwirtschaft sind — er meinte Inflation und Radikalismus —, hielten Sie es für richtig, dazwischenzurufen, CDU und CSU seien die Hauptfeinde der Landwirtschaft.

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU.) Ich möchte, daß das hier festgehalten wird.

Meine Damen und Herren, was macht eigentlich die derzeitige Situation aus? Was ist es eigentlich, was die Landwirte draußen im Lande beunruhigt, und zwar unabhängig davon, ob Redner der Opposition oder andere ihnen das sagen, einfach deshalb, weil sie es am Portemonnaie und an den Rechnungen merken?

(Abg. Fellermaier: Wo liegen denn die Ursachen?)

— Darauf komme ich noch. Es ist Tatsache, daß die Erzeugerpreise von September 1969 bis September 1970 um 7,4 % gesunken sind.

(Abg. Saxowski: Nein!)

— Diese Zahlen stammen aus dem Landwirtschaftsministerium. Sie werden sie doch nicht anzweifeln, Herr Saxowski! Im gleichen Zeitraum sind die Kosten um 5,3 % gestiegen. Meine Damen und Herren, was heißt das denn nun in der Praxis? Laut Preisbarometer ZMP heißt das in der Praxis einen Rückgang bei Bullen um 9,80 DM, bei Kühen um 11,60 DM, bei Kälbern um 23 DM und bei Schweinen um 41,10 DM. Soll ich diese Liste beliebig fortsetzen? Das ist doch die Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit hat nicht nur eine Haltung des Protestes, sondern, was schlimmer ist, weithin eine Haltung der Resignation und der Verzweiflung gerade bei unseren tüchtigen Landwirten ausgelöst.

(Abg. Fellermaier: Und Sie stricken eifrig mit!)

— Das ist die Situation, die heute hier unter das Motto subsumiert worden ist: Im Grunde geht es allen gut, nur die böse Opposition will das nicht glauben.

(Abg. Wehner: Das sind Ihre Behauptungen!)

Das ist doch die Wirklichkeit, mit der wir es hier zu tun haben.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607826600
Wir fordern die Wiederherstellung des deutschen Getreidepreises für das nächste Wirtschaftsjahr. Nein, so illusionär sind wir gar nicht. Wir fordern das, was in unserem Entschließungsantrag steht, und werden es nachher noch begründen. Aber wir wollen doch die Tatbestände endlich einmal so aufzeichnen, wie sie sich tatsächlich ergeben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607826700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters? — Bitte!

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607826800
Herr Kollege Ritz, ist Ihnen noch bekannt, daß Sie damals dasselbe gefordert haben?

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0607826900
Herr Kollege Peters, mir ist nur bekannt, daß ich in keiner Versammlung, in der ich in den letzten zehn Jahren, in denen ich



Dr. Ritz
mich bemüht habe, agrarpolitisch tätig zu sein, gesprochen habe, den Begriff der kostendeckenden
Preise gebraucht habe. Ich habe zwar immer gesagt
— und dazu stehe ich auch heute noch —: auch in der Landwirtschaft müssen die Preise an den Kosten orientiert werden. Aber es ist natürlich eine Illusion, zu glauben, daß wir einen kostendeckenden Preis unabhängig von der differenzierten Lage der Betriebe in dieser Form verwirklichen können. Wir fordern aus diesem Grunde die Revision der Agrarpreise, wie es in unserem Entschließungsantrag steht.
Nun kann man heute, auch im Kommentar-Echo auf die gestrige Kundgebung des Bauernverbandes, feststellen, daß gesagt wird: Im Grunde ist das ja sehr berechtigt — wenn nicht das Problem des Marktgleichgewichts wäre. Diese Auffassung teilen wir durchaus. Natürlich sind wirklich progressive Fortschritte auf preispolitischem Gebiet erst möglich, wenn ein vernünftiges Marktgleichgewicht besteht.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Na also!)

Nur, Herr Kollege Schmidt (Gellersen), frage ich mich, ob wir wirklich gut beraten waren, als wir der endgültigen Agrarfinanzregelung in Brüssel mit einer Lastquote von für uns steigend bis knapp 38 % zustimmten, ohne einmal die Frage zu klären, was die Länder tun, die im Grunde diese Überschüsse produzieren. Denn das ist doch das Problem. Wir schlagen uns Jahr für Jahr mit Überschüssen herum, die gar nicht von uns produziert werden, während man es in anderen Ländern nicht nur duldet, daß mehr produziert wird, sondern sogar noch Anreize dafür schafft. Ich glaube, hier war eine Chance, bei der endgültigen Verabschiedung der Agrarfinanzregelung hier auch einmal eine gemeinsame Verantwortung herzustellen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

zu der wir uns im Grundsatz nach wie vor bekennen.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sie haben doch diese Argumente vorher gar nicht vorgebracht, sondern zugestimmt, Herr Kollege Ritz!)

— Diese Finanzregelung ist nicht unter unserer Regierung, sondern unter Ihrer Regierung erfolgt, verehrter Herr Kollege.
Ein Wort zu den Kosten. Wie wirken sich diese Kosten in der Praxis aus? 5,3 % hören sich relativ harmlos an. Ich will die Auswirkung an einem Beispiel demonstrieren. Mein Kollege Bewerunge hat mir gerade einen Brief gegeben, in dem ihm ein Landwirt mitteilt, daß er sich im Einvernehmen mit allen landwirtschaftlichen Dienststellen dazu entschlossen habe, eine Aussiedlung vorzunehmen. Ich kann es mir ersparen, den Ort zu nennen; ich werde den Brief dem Herrn Minister übergeben. Die Kostenanschläge beliefen sich im Vorjahr auf 360 000 DM. Die Finanzierung war gesichert. Man hat mit dem Bau begonnen. In diesem Jahr, wo der Rohbau fast abgeschlossen ist, zeigt sich, daß eine Finanzlücke von 80 000 DM besteht, und der Bauer fragt sich, wie er diese Lücke decken soll. So sieht das in der Praxis aus. Das ist doch die Wirklichkeit, mit der wir uns heute, auch Sie, jeden Tag draußen herumschlagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was ist zu tun? Das Wichtigste ist natürlich die Wiedererlangung der wirtschaftlichen Stabilität insgesamt. Denn neben den Rentnern, den Sparern und den Kinderreichen wird niemand von der inflationären Entwicklung so hart betroffen wie gerade die Bauern.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Darum ist die Hauptforderung zur Erlangung eines vernünftigen Kostengefüges die Wiederherstellung der Stabilität.
Aber wir sollten uns auch überlegen — das sollte auch diese Regierung tun —, wo wir konkrete Ansätze finden, um einen Beitrag zur Stabilität zu leisten. So frage ich mich, ob es nicht an der Zeit ist, daß die Bundesregierung einmal bei den Länderregierungen darauf hinwirkt, überaltete Bauverordnungen dahingehend zu ändern, daß im landwirtschaftlichen Bereich rationelles Bauen möglich ist. Ich denke auch daran — um ein zweites Beispiel zu nennen —, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister die Freigabe der Preisbindung beim Stickstoffdünger als einen großen Beitrag zur Stabilität gefeiert hat,

(Abg. Bewerunge: Fehlleistung!)

statt die Höchstpreisverordnung entsprechend positiv zu nutzen. Das Ergebnis dieses Beitrages zur Stabilität war ein Anstieg der Preise um rund 10%. Ich glaube, hier bestand wirklich eine Chance, von uns aus als Staat einen Beitrag zur Stabilität zu leisten.
Bundesminister Ertl hat heute und auch gestern außerhalb dieses Hauses versucht, den angeblichen Glanz seiner Leistungen noch dadurch aufzupolieren, daß er von der schwierigen Erblast gesprochen hat, die er übernehmen mußte.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das tut doch jeder! — Abg. Dr. Müller-Hermann: Eine alte Leier!)

Mir scheint es einfach notwendig zu sein, auf die Punkte, die hier und gestern eine Rolle gespielt haben, einzugehen. Da wird gesagt: Der Agrarmarkt war durch Überschüsse bei Getreide, Butter und Zucker gekennzeichnet; neben der überdurchschnittlich großen eigenen Ernte war Spekulationsgetreide aus Frankreich in großen Mengen hereingeflossen. Das sei zunächst unbestritten. Nur, Herr Minister, wer das sagt, der muß auch sagen, daß zur Stabilisierung der Märkte und zum Abbau der Überschüsse seit 1968 unter Ihrem Amtsvorgänger diese Maßnahmen angelaufen waren und daß es dieselben tüchtigen Beamten gewesen sind, die diese Politik unter Ihnen konsequent fortgesetzt haben. Das ist doch die ganze Wirklichkeit. Man sollte hier nicht immer mit Halbheiten und Halbwahrheiten operieren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das gilt auch für Sie!)

— Natürlich! — Lassen Sie mich dazu noch etwas sagen. Sie preisen derzeitig die Tatsache, daß nun
— Gott sei Lob und Dank — die Überschüsse redu-



Dr. Ritz
ziert, ja abgebaut sind. Gleichzeitig lesen wir dann aber in der Antwort auf die Große Anfrage, was da alles im nächsten Jahr wieder an Überschüssen auf uns zukommt. Da werden Zahlen genannt, meine Damen und Herren, die in ihrer Höhe selbst über das hinausgehen, was die Kommission in ihren Schätzungen für 1971 angibt.

(Sehr richtig! und Hört! Hört! bei der CDU/ CSU.)

Ich kann also nur sagen: das ist eine zwiespältige Politik, auf der einen Seite sich selbst zu loben, daß man ja alle Überschüsse schön abgebaut habe, aber gleichzeitig vorzubeugen, um deutlich zu machen, es werde ja viel schlimmer, als es gewesen sei, und damit gleichzeitig über den Schätzungen zu liegen, wie sie die Kommission selbst für einige Positionen angibt. Ich will das im einzelnen auch gar nicht vertiefen; mir scheint es aber notwendig zu sein, darauf hinzuweisen.
Zweitens. Herr Kollege Ertl, es kommt dann immer wieder Ihre Erblast, es kommt die Behauptung, daß Sie die Aufwertung durch die Kursfreigabe ja übernommen haben. Auch das steht hier unter Punkt 2: Die Aufwertung war durch die Wechselkursfreigabe faktisch vollzogen. — Ich kann also nur sagen, wenn Sie damit etwa auch noch den Eindruck erwecken wollen, Sie seien gegen diese Aufwertung gewesen, dann ist das einfach falsch. Sie wissen, daß diese Kursfreigabe gar nicht zu vermeiden war, weil diese Koalition in der Wahlnacht praktisch perfekt war und damit am Morgen des 29. September die Spekulationsgelder hineingeflossen sind. Auch hier nur die halbe Wahrheit, die Sie in diesem Punkte nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das muß man einmal in aller Deutlichkeit sagen; denn mit diesen Behauptungen kommen wir zu einer verzerrten Darstellung.
Sie sagen drittens — und das kommt immer wieder, etwa von Herrn Peters, von Herrn Logemann und von anderen —, im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung seien für Agrarförderungsmaßnahmen Kürzungen in Höhe von 500 Millionen DM vorgeschlagen gewesen. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie oft müssen wir denn von dieser Stelle aus noch wiederholen, daß die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung in Übereinstimmung der damaligen Koalitionspartner vertagt worden ist, um eine künftige Bundesregierung nicht zu präjudizieren? Wie oft müssen wir denn in diesem Hause noch erklären, daß sowohl der damalige Bundeskanzler als auch der damalige Bundeslandwirtschaftsminister und der Finanzminister mit Nachdruck erklärt haben, daß natürlich für die nationale Agrarpolitik mindestens 500 Millionen DM im Etat 1970 zusätzlich eingestellt werden müßten? Wir sollten doch mit dieser Mär — mehr ist es wirklich nicht — endlich aufhören.
Was die Situation des Haushalts selbst angeht, nur dies: Die großen Leistungen in der Gestaltung des Haushalts 1971 sehen schlicht und ergreifend so aus, daß wir, wenn ich einmal den Aufwertungsausgleich herausnehme — das muß ich ja wohl fairerweise tun —, für 1971 in den wesentlichen Positionen genau die Ansätze von 1969 wiederherstellen. Das ist die große Leistung im Agraretat im Einzelplan 10! Wenn Sie daraufhin, verehrter Herr Minister, als der starke Mann im Kabinett apostrophiert werden, kann ich nur sagen: dann war Hermann Höcherl ein grüner Riese,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

denn er hat seine Finanzforderungen gegenüber seinem eigenen Parteivorsitzenden durchsetzen müssen, und das war sicherlich nicht immer leicht.
Zu der vierten „Last", die Sie übernommen haben, zum Städtebauförderungsgesetz, wird mein Kollege Niegel selbst noch einiges sagen.
Meine Damen und Herren, nun einige wenige Bemerkungen zum Förderungsprogramm, das ja heute morgen in der Diskussion eine entscheidende Rolle gespielt hat. Auch hier begegnen wir einem merkwürdigen Widerspruch. Während man auf der einen Seite sagt: „Was für einen Bauchladen haben wir doch vorgefunden, ein furchtbares Durcheinander an Richtlinien, und wie groß ist doch die Leistung zu veranschlagen, daß Herr Ertl ein neues Programm vorgelegt hat", hört man gleichzeitig, wenn man dieses Programm attackiert: „Ja, was wollt ihr denn? Das haben wir nur von Herrn Höcherl abgeschrieben!" Sie müssen sich also, meine Damen und Herren, einmal entscheiden, was nun ist. Ist das die eigenständige Leistung von Herrn Ertl — nun gut, dann kann man darüber diskutieren. Ist es aber nur abgeschrieben, so muß ich sagen: Sie haben für dieses Abschreiben sehr lange Zeit gebraucht, nämlich über ein Jahr.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Das ist die Wirklichkeit.

In dem Zusammenhang wird natürlich über die Förderschwelle diskutiert. Lassen Sie mich dies sagen: bei unserer Kritik an der Förderschwelle geht es keineswegs etwa darum, daß nicht auch wir helfen wollen, Fehlinvestitutionen zu vermeiden. Unsere Kritik richtet sich doch dagegen, daß gerade die Preis- und Kostenentwicklung dieses Jahres sichtbar gemacht hat, wie problematisch es ist, ein Ziel anzustreben, das in vier Jahren verwirklicht werden soll, ohne gleichzeitig zu wissen, wie in diesen vier Jahren die Preisentwicklung, wie die Kostenentwicklung ist.
Meine Damen und Herren, die gezielte Förderung: damit hat Kollege Höcherl begonnen. Wir haben damals mit den Betriebsentwicklungsplänen angefangen, und wir sind durchaus der Meinung, daß dieses Verfahren verfeinert und ausgebaut werden muß. So sind wir aber z. B. der Meinung, daß es besser als eine Förderschwelle wäre, wenn man andere Daten zur Grundlage des Betriebsentwicklungsplanes machte, nämlich den Vermögensstatus ,des Betriebes, die Kapitalverzinsung, die Qualifikation des Betriebsleiters. Das sind die Positionen, die doch letztlich darüber entscheiden, ob ein Betrieb entwicklungsfähig ist oder nicht. Einen Betriebsentwicklungsplan, nach dem ich ein zu erzielendes Einkommen erreiche, will ich Ihnen wohl



Dr. Ritz
machen, auch wenn ich nicht Wirtschaftsberater bin. Ich schreibe da 500 Schweine mehr rein und habe damit rein theoretisch die Zielschwelle erreicht. Das ist doch nicht das Problem. Das Problem ist, daß wir aus der jetzigen Situation, in der sich die Betriebe befinden, eine Entwicklung fördern, die sicherstellt, daß die Investitionen rentabel sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist die Aufgabe, und wir glauben, daß diesem Ziel die Förderschwelle so nicht dient.
Meine Damen und Herren, niemand von uns verkennt doch etwa, daß sich in Zukunft der Strukturwandel fortsetzt. Wollen wir doch hier nicht versuchen, diesen Popanz aufzubauen: Die CDU ist im Grunde für Statik, und wir sind für Dynamik. Oh nein, wir wissen sehr wohl, daß der Strukturwandel weitergeht. Herr Minister Schiller, wir sind dankbar dafür, daß unsere regionalen Aktionsprogramme Erfolg haben. Natürlich sind wir dafür dankbar, wir haben sie ja gemeinsam erarbeitet, und Sie haben sie in diesem letzten Jahr fortentwickelt. Danke schön, dagegen ist gar nichts zu sagen, wir sind froh darüber.
Nur, meine Damen und Herren, eines muß man zum Förderungsprogramm dann auch noch sagen. Im Grunde kennen Sie nur drei Kategorien, jedenfalls nach einem Aufsatz von Staatssekretär Griesau dazu, den ich gelesen habe, einmal jene Betriebe, die auch in Zukunft ihre Hauptexistenz in der Landwirtschaft finden, zweitens jene, die nur noch in einem Übergang Landwirt sind, und drittens jene, die ausscheiden. Verzeihen Sie, Herr Minister Ertl, hier fehlt uns eine Kategorie, nämlich diejenigen Landwirte, für die die Landwirtschaft nicht Haupterwerb bleibt, für die sie aber durchaus eine erstrebenswerte Form des Nebenerwerbs bleibt. Die haben Sie voll ausgeklammert.
Nun habe ich heute morgen mit großem Interesse gehört, auch Sie seien der Meinung, man sollte jenen Betrieben, die zum Zwecke der Erhaltung der Kulturlandschaft bereit sind, ihre Grenzertragsböden weiterzubewirtschaften, in die Maßnahmen der sozialen Ergänzung hineinnehmen. Ich kann nur fragen: Warum haben Sie das Ihren Kollegen aus der Koalition nicht ein paar Wochen eher erzählt: Wir wären in der Lage gewesen, unseren Antrag, diesen Personenkreis in die Nachversicherung einzubeziehen, einstimmig zu verabschieden. Ich bin dankbar, daß offensichtlich unser Antrag auf fruchtbaren Boden gefallen ist, und kann nur hoffen, daß wir auch in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet zielstrebig fortfahren.
Meine Damen und Herren, was bleibt, ist natürlich die Höhe der Förderung. Herr Minister, das ist ein schwaches Argument, zu sagen, früher betrug die Förderung auch nur 4 °/o. Es ist doch nicht die böse Opposition, die sagt, daß bei dieser Kapitalmarktlage 4 °/o völlig unzumutbar seien, sondern es waren die Vertreter der Banken im Hearing, die gesagt haben, daß bei der derzeitigen Kapitalmarktlage davon auszugehen ist, daß bei einer Verbilligung um 4% dem Landwirt eine Nettoannuität von 8 % verbleibt. Nun machen Sie mir die Rechnung auf, wie der Landwirt damit fertig werden soll! Ich kann das nicht. Nun sagen Sie: Ich wollte ja, ich war ja wohlwollend, aber die Länderfinanzminister! Sie haben sich aus der Verantwortung gestohlen, Herr Minister. Sie waren in der Lage, für 1971 den Satz von 5 % festzulegen und dann im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe die Frage mit den Ländern auszudiskutieren. Natürlich werden sich Finanzminister immer wehren, wenn es heißt, sie sollen mehr zahlen, aber wir hatten hier die Möglichkeit, auf Grund der Notwendigkeiten, die vor uns stehen, einen Satz von mindestens 5% zu wählen und ,damit die Länder vor diese Alternative zu stellen, dem dann 1972 zuzustimmen oder nicht.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Herr Kollege Ritz, erinnern Sie sich daran, daß dieselben Leute in der Anhörung gesagt haben, daß sie von sich aus wahrscheinlich nicht über die Grenze von 5 % hinausgehen können?)

— Herr Kollege Schmidt (Gellersen), ich sprach jetzt nur von 5%.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen]: Aber Sie haben von 8 % gesprochen!)

— Nein! 8% Annuität, d. h. 8% bleibt die Belastung für den Landwirt. Da haben wir uns völlig mißverstanden. Aber ich glaube, ich habe mich ziemlich klar ausgedrückt. Ich bitte um Entschuldigung. Aber wir können das im Privatissimum gern nachholen.
Herr Kollege Schmidt (Gellersen), jetzt muß ich Sie persönlich ansprechen. Ich fand einen Satz in Ihrer Rede völlig deplaziert; Sie haben übrigens schon sehr viel bessere Reden gehalten als heute morgen.

(Zuruf von der SPD.)

— Natürlich! Jedermann hat das Recht, auch einmal schlecht zu reden. Was wollen Sie eigentlich, Herr Kollege? Sie haben heute einen Satz gebraucht, den ich nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich halte, nämlich daß es einfach nicht angehe, daß die Landwirtschaft ihre Verantwortung auf den Staat abschiebe. Verehrter Herr Kollege Schmidt (Gellersen), das ist in dieser Situation ein böser Satz.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will Ihnen auch sagen, warum. Dieser Satz geht nämlich völlig an dem Beitrag vorbei, den die Landwirtschaft der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten zur Stabilität der Gesamtwirtschaft erbracht hat. Das gilt sowohl für ihre Produktivitätssteigerung als auch für den hohen Beitrag, der daraus resultiert, daß sie über eine Million Menschen für die gewerblich-industrielle Wirtschaft freigesetzt hat.

(Zuruf von der SPD: Ohne Sozialplan!)

Das gilt auch für den Bereich der Marktstruktur. Hier haben wir noch Nachholbedarf. Ich bestreite das nicht. Wer mich kennt, weiß, was ich mit Bauern in dieser Frage diskutiere. Nur müssen wir halt sehen, daß wir einen riesigen Nachholbedarf haben, und zwar nicht durch die Schuld der Bauern, sondern durch eine 50jährige verfehlte Agrarpolitik bis 1949, die auf der Basis der Autarkie gestanden



Dr. Ritz
hat. Hier haben wir natürlich gegenüber unseren Nachbarn Holland und Dänemark einen Nachholbedarf. Den sollten wir gemeinsam

(Zuruf von der SPD)

— das haben wir durchaus getan — abbauen helfen.
Die Situation ist doch die, daß derzeit gerade die Tüchtigen unter den Landwirten resignieren, nicht diejenigen, die wissen, daß sie ohnehin nicht mehr zurechtkommen. Es sind die Tüchtigen, diejenigen, die sich angepaßt haben, die Anstrengungen unternommen, die investiert haben. Diese sind es, die derzeit voller Sorge, voller Resignation sind. Das ist nicht nur wegen der ohnehin schon schwierigen Preis-Kosten-Schere so, sondern auch deswegen — dieser Gedanke muß hier ebenfalls ausgesprochen werden —, weil sie sehen, daß die Sozialleistungen, z. B. für den französischen Farmer immer stärker ansteigen, während sie bei uns — nun, gut, mit Aussicht auf die Krankenversicherung wird etwas verbessert — im Bereich der Altershilfe vorerst stagnieren. Dazu wird mein Kollege Dasch etwas sagen.
Natürlich sehen unsere Landwirte auch, daß wir durch die Abwertung auf der einen und die Aufwertung auf der anderen Seite zu einer nominellen Verzerrung des Preisgefüges zugunsten der Franzosen, aber auch der Holländer gekommen sind, die wir zweifelsohne auch heute im Markt merken.
Verehrter Herr Minister, wir sprechen Ihnen nicht den guten Willen ab, wir sprechen Ihnen auch nicht Liebe zur Landwirtschaft ab. Aber, verzeihen Sie, guter Wille und auch Liebe zu einer Sache reichen allein nicht aus. Hinzu kommen müssen Konzeption und Durchsetzungsvermögen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

An beidem hat es letztes Jahr leider gemangelt.
Aus diesem Grunde kommen wir — ich sage: leider — zu dem Ergebnis, daß die agrarpolitische Bilanz dieses einen Jahres eine sehr magere Bilanz ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607827000
Das Wort hat Herr Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607827100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, gerade im Anschluß an die Äußerungen des Herrn Kollegen Ritz sollten wir uns alle vornehmen, bei der Diskussion aktueller agrarpolitischer Fragen den Stil der Nüchternheit und der Klarheit zu pflegen. Niemand sollte heute versuchen, den Bauern erneut etwas vorzumachen. Die deutschen Landwirte brauchen heute mehr denn je nichts als die reine Wahrheit.

(Beifall bei der SPD.)

Mit einer Politik der Illusionen, die früher einmal verfolgt wurde, haben wir Schluß gemacht. Dieser realistische Stil, Agrarpolitik zu betrachten, zu kritisieren und zu betreiben, wird auch vom Präsidium
des Deutschen Bauernverbandes akzeptiert. Herr Präsident von Heeremann hat gestern auf der Mitgliederversammlung des Bauernverbandes sehr deutlich gesagt, jene Kundgebung „dürfe und solle für niemanden Anlaß sein, sie parteipolitisch zu mißbrauchen". Er hat weiter gesagt — ich zitiere ihn wörtlich —: „Wir wissen auch, daß Fehler oder Versäumnisse in der Vergangenheit sich heute auswir-, ken."

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Damit hat Herr von Heeremann wohl auch Ihnen von der Opposition in höflicher Weise sagen wollen: Wer selber im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diese Abkehr von Illusionen und Blütenträumen der Vergangenheit sollte gerade in der Zukunft Grundlage jedes vernünftigen Dialoges und jeder politischer Äußerung über die deutsche Landwirtschaft sein. Die Versäumnisse und die Fehler der Vergangenheit werden zumindest von dieser Bundesregierung nicht als Entschuldigung für agrarpolitisches Laisser-faire aufgefaßt.
Diese Bundesregierung sieht die Landwirtschaft nicht als Außenseiter, sondern als integrierten Bestandteil unserer Gesamtwirtschaft an, d. h. Agrarpolitik muß mit der Gesamtwirtschaftspolitik verzahnt sein. Herr Kollege Höcherl und ich haben das ab 1968 zu erreichen versucht. Wir haben es aber in der neuen Bundesregierung auf erweiterter Stufenleiter fortgesetzt, Herr Kollege Höcherl. Das kommt z. B. im Jahreswirtschaftsbericht 1970 der Bundesregierung zum Ausdruck, in dem es zum erstenmal ein ausführliches Kapitel „Agrarpolitik in der wachsenden Wirtschaft" gibt. Wir wissen auch, daß diese Bundesregierung in diesem Jahr vor der außerordentlich schwierigen Aufgabe stand, in der Gesamtwirtschaft die 1969 verlorene Preisstabilität wieder zurückzugewinnen. Diese mühsame Arbeit werden wir auch im kommenden Jahr fortsetzen.
Wir wissen — in diesem Punkt stimme ich mit Herrn Kollegen Ritz überein —, daß die deutschen Landwirte in diesem Jahr ihrerseits einen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Stabilität leisten. Wir wissen aber auch, daß das Stabilitätsbewußtsein unserer Landwirte groß ist und daß ihr Interesse an der Stabilität wohlverstandenes Eigeninteresse ist. Es ist bekannt, daß die Landwirte in einem allgemeinen Prozeß sich beschleunigender Preissteigerungen nicht mitkommen. Es ist in der Tat so: Bricht in einer Volkswirtschaft ein offener Verteilungskampf aus — wie wir ihn in anderen Ländern sehen können —, der sich dann in hohen allgemeinen Preis- und Lohnsteigerungen niederschlägt, so gehören die Landwirte nicht zu den Gruppen, die in diesem Verteilungskampf vorne liegen. Deshalb ging diese Bundesregierung bei ihren notwendigen stabilitätspolitischen Maßnahmen von dem Grundsatz aus, daß die Landwirte in der Bundesrepublik in diesem Jahr durch die stabilitätspolitischen Maßnahmen nicht zusätzlich belastet werden sollten. Das kann man beweisen.



Bundesminister Dr. Schiller
Erstens. Es ist schon von dem Einkommensausgleich für die Aufwertung gesprochen worden, für den jährlich 1,7 Milliarden DM zur Verfügung stehen. Für die Zeit von 1970 bis 1973, d. h. also für vier Jahre, sind gesetzlich und finanzplanungsmäßig diese Summen bewilligt worden. Diesen Einkommensausgleich von 1,7 Milliarden DM noch für weitere drei Jahre sollten Sie, Herr Kollege Ritz und die anderen Kollegen von der Opposition, nicht immer außen vorlassen. Sie sollten doch nicht dem Motto folgen: Was einmal bewilligt ist, auch wenn es noch für weitere drei Jahre bewilligt ist, ist gegessen und damit vergessen. Das ist falsch.

(Beifall bei der SPD.)

Sie müssen den Einkommensausgleich in die Gesamtrechnung unserer landwirtschaftlichen Einkommensbildung in diesem Jahr und in den kommenden Jahren mit einbeziehen.
Dieser Ausgleich wurde gestern auch vom Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes mit den Worten anerkannt: Diese Bundesregierung hat zum Thema Aufwertung und Einkommensausgleich ihr Wort gehalten.
Wir wissen auch, daß dieser Einkommensausgleich dazu beigetragen hat, daß sich in diesem Jahr nicht so wie in früheren Jahren die Disparität zwischen landwirtschaftlichen Einkommen und Einkommen anderer Sektoren vergrößert hat. Dieser Einkommensausgleich — das müssen Sie einen Augenblick bedenken, zumal da er eben nicht die Vergangenheit betrifft, sondern noch weitere drei Jahre läuft — setzte doch ursprünglich bei seiner Berechnung voraus, daß infolge der Aufwertung die Erzeugerpreise auf der Basis des „Grünen Dollars", in D-Mark ausgedrückt, um 8,5 % absinken würde. Das war die ursprüngliche Rechnung: 8,5%, für jedes Prozent 200 Millionen DM, das macht zusammen 1,7 Milliarden DM. Tatsächlich stellen wir doch folgendes fest: die Erzeugerpreise sind in diesem Jahr von Januar bis September bei weitem nicht in diesem Maße abgesunken. Von Januar bis September dieses Jahres sind die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise gegenüber dem Vorjahr — das hat Herr Peters schon mit Recht zitiert — um 1,7 % abgesunken. Zum anderen sind die Betriebsmittelpreise in diesem Jahr nicht so stark angestiegen, daß sie damit etwa den ganzen Einkommensausgleich aufgezehrt hätten. Sie haben sich um 4,5% — Januar bis September — gegenüber dem Vorjahr erhöht. Aus diesen beiden Gründen, nicht so starker Abfall der Erzeugerpreise im bisherigen Jahresdurchschnitt und nicht so starkes Ansteigen der Betriebsmittelpreise, konnte insgesamt, zusammen mit dem Einkommensausgleich, die Relation der landwirtschaftlichen Einkommen zu denen der übrigen Wirtschaft in etwa gehalten werden. Ich füge auch hinzu, die Disparität wurde nicht wesentlich verringert. Aber es ist im Schnitt keine Verschlechterung eingetreten.
Zweitens. Die Bundesregierung hat weiter, wie Sie alle wissen, aus stabilitätspolitischen Gründen Anfang dieses Jahres Kürzungen und Sperrungen im Bundeshaushalt 1970 vornehmen müssen. Von diesen Kürzungen und Sperrungen ist der Agrarhaushalt ausdrücklich ausgenommen worden.
Drittens. Auch von den Lasten der weiteren Stabilitätsmaßnahmen vom Juli dieses Jahres spürt die Landwirtschaft wenig. Wir haben das absichtlich so konstruiert. Wir haben die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter ausgesetzt. Die für die Landwirtschaft geltenden Sonderabschreibungen, meine Damen und Herren, blieben erhalten, so daß agrarische Investitionen durch die Aussetzung der degressiven Abschreibung nicht zusätzlich belastet wurden.
Viertens. Von den Vorauszahlungen zur Einkommensteuer werden nur etwa 8 % aller landwirtschaftlichen Unternehmen betroffen. Von dem Gesamtaufkommen aus diesem Konjunkturzuschlag in der geschätzten Höhe von 5,2 Milliarden DM werden von unseren Landwirten nur etwa 15 Millionen DM — das sind ganze 0,3 % — aufgebracht werden.
Weshalb nenne ich diese vier Punkte? Nun, ich will zeigen, es kann keine Rede davon sein, daß diese Bundesregierung die deutsche Landwirtschaft als Stabilitätsfaktor mißbraucht habe oder das künftig etwa zu tun gedenke. Vielmehr hat die Bundesregierung die Landwirtschaft von den Lasten wichtiger und harter stabilitätspolitischer Maßnahmen sorgfältig freigehalten und abgeschirmt.
Im übrigen habe ich mich für die Zukunft nicht gegen einzelne Preiskorrekturen in der Landwirtschaft ausgesprochen. Vielmehr teile ich da voll und ganz die preispolitische Auffassung, die mein Kollege Ertl heute morgen namens der Bundesregierung vorgetragen hat.
Ich darf hier noch ein Weiteres anfügen. Wir beide, Herr Kollege Ertl und ich, sind vom Bundeskabinett beauftragt worden, uns in der Frage des Trinkmilchpreises zu verständigen. Ich kann sagen, wir beide, Herr Ertl und ich, werden in der Tat morgen mit einem gemeinsamen Vorschlag ins Kabinett gehen, und wir hoffen, daß das Kabinett unserem gemeinsamen Vorschlag in der Frage des Trinkmilchpreises folgen wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden es mir jedoch nachsehen, wenn ich umgekehrt vom Standpunkt des Bundeswirtschaftsministeriums auch ein Wort sage zu den Forderungen anderer nach einer generellen durchschnittlichen Erhöhung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise schlechthin um 10 oder 15 5, einer Forderung, die hoffentlich niemand in diesem Hause von sich aus aufstellt. Ich muß also vom Standpunkt des Wirtschaftsministers sagen, eine solche generelle durchschnittliche Erhöhung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise schlechthin um 10 oder gar 15 5, wie sie Herr Klinker in Hamburg forderte, würde zu einer unerträglichen Anhebung des allgemeinen Preisindexes für unsere Lebenshaltung bis zu 2 5 führen. Dies kann vielleicht nicht alle Bauern sofort überzeugen. Aber ich sage, ein solcher Preisschub würde einmal in Brüssel nicht durchzusetzen sein, und er würde zum anderen in unserer Wirtschaft erneut als Signal und als Anlaß für weitere allgemeine Preiserhöhungen angesehen werden. Bei solchen dann verursachten weiteren Preiserhöhungen aber kämen die Landwirte erfahrungsgemäß wieder nicht mit,



Bundesminister Dr. Schiller
d. h. sie würden mit Sicherheit am Ende eines neuen Preissteigerungsprozesses den kürzeren ziehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607827200
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dasch?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607827300
Bitte sehr!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0607827400
Herr Minister, nachdem Sie vorhin erklärt haben, die Landwirte sollten nicht die Stabilitätsgeschädigten sein, frage ich Sie jetzt, wenn Ihnen 10 oder 155 Verbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise zuviel sind: Bieten Sie dann wenigstens 5 bis 8 % an?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607827500
Ich kann hier nicht wie auf einem Viehmarkt in der schönen Stadt Husum mit Ihnen einen „Handel" über Preise versuchen. Ich kann Ihnen nur eines sagen, das, was autonom zu machen ist, ist der Trinkmilchpreis. Dazu habe ich Ihnen gesagt, Herr Ertl und ich gehen morgen mit einem gemeinsamen Vorschlag ins Kabinett. Alles andere, was multilateral im EWG-Bereich zu machen ist, hat Herr Ertl auch schon gesagt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607827600
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dasch?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607827700
Ja, bitte!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0607827800
Herr Minister Schiller, werden Sie, wenn Herr Ertl mit dem Auftrag der Bundesregierung nach Brüssel gehen will, um dort für eine wesentliche Preisverbesserung der Agrarprodukte zu kämpfen, ihn dann im Bundeskabinett unterstützen, und wird der Herr Bundeskanzler auf Grund seiner Richtliniengewalt dann tatsächlich auch hier die Anweisung geben, daß der Landwirtschaft etwas Spürbares gegeben wird?
Dr. Schiller,' Bundesminister für Wirtschaft: Ich kann kurz und knapp antworten. In unserer Antwort auf Ihre Große Anfrage steht: Die Bundesregierung ist nicht gewillt, von den Grundsätzen ihrer Agrarpreispolitik abzuweichen. Das ist unsere Linie.

(Abg. Dasch: Das war ja bisher keine Linie!)

Diese Linie ist bekannt.
Im übrigen freuen wir uns, daß die deutsche Landwirtschaft — wie wir gestern gehört haben — den Stufenplan für eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion unterstütz. In der Tat: erst eine volle Parallelität und schließlich Identität in den nationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft und erst die schrittweise Zusammenführung zur Währungsunion eröffnen auch der deutschen Landwirtschaft neue günstige Aussichten.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sehr gut!)

Die deutsche Landwirtschaft wird dann nicht mehr der Prellbock von Ungleichgewichten im monetären Bereich oder in anderen wirtschaftlichen Sektoren sein.
Aber es wäre ein großer Fehler — daß muß ich auch zu der augenblicklichen öffentlichen Diskussion sagen —, heute von uns aus zu fordern, daß der Grüne Dollar in Europa bis zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion aufgehoben werden müßte. Denn bei aller Problematik des Grünen Dollars, die ich aus dem vorigen Jahr sehr wohl kenne, müssen wir folgendes sehen: Wenn der Grüne Dollar jetzt, gerade in dieser Zwischenzeit bis zum Übergang zur Wirtschafts- und Währungsunion aufgehoben werden würde, würden wir sicherlich niemals das Endziel einer tatsächlichen Wirtschafts- und Währungsunion erreichen.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sehr gut!)

Wie Sie alle wissen, ist das Ziel der Agrarpolitik dieser Regierung, die Einkommen in der Landwirtschaft anzuheben und sie denjenigen in den übrigen Bereichen anzunähern. Ich glaube, die gesamte Entwicklung hat gezeigt — und dieses Jahr ist dafür auch ein Beispiel —, daß durch Agrarpreispolitik allein dieses einkommenspolitische Ziel auch nicht annähernd erreicht werden kann. Die Landwirtschaft sieht sich in einer wachsenden Wirtschaft bei steigenden Einkommen der Gesamtbevölkerung einer unterdurchschnittlichen Nachfrageausweitung gegenüber. Sie kann ihre Markteinkommen nur durch den Wandel der Produktionsstruktur und durch Einsparung von Produktionskosten erhöhen. Deswegen haben wir im Bundeswirtschaftsministerium schon seit 1968 jenes strukturpolitische Konzept, das der Kollege Ritz z. B. vorhin erwähnt hatte, in der Absicht entwickelt, den in ländlichen Räumen lebenden Menschen bessere Arbeitsplätze mit höheren Einkommen anzubieten.
Wir wollen mit jenen Zahlen, die wir auch für die zukünftige Entwicklung angegeben haben, nicht etwa ausdrücken, daß der Prozeß so und so verlaufen muß, sondern wir wollen nur angeben, was der Wirtschaftsminister in seiner eigenen Verantwortung an Auffangstellungen für in Zukunft ausscheidende Landwirte zu errichten hat. Heute sind wir schon gewöhnt, mit diesen Zahlen zu leben. Das verdanken wir auch dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herrn Kollegen Ertl, der sich in seinem letzten Grünen Bericht mit dem Bundeswirtschaftsministerium zu dieser rationalen Strukturpolitik mit Zahl und Maß bekannt hat. Wir sind dabei von der Erfahrungstatsache ausgegangen, daß bisher jährlich etwa 100 000 Beschäftigte, die in der Landwirtschaft tätig waren, ausgeschieden sind. Wie auch immer dieser Prozeß weitergeht, die dann zurückbleibenden aktiven Landwirte werden in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Einkommen erwirtschaften können, das dem in anderen Bereichen nicht nachsteht. Das war und ist der Sinn dieser regionalen Struktur-



Bundesminister Dr. Schiller
und Entwicklungspolitik. Ich darf hinzufügen, die Förderungsmittel für die regionale Strukturpolitik gerade in den ländlichen Räumen sind in den letzten Jahren laufend aufgestockt worden, und sie sind auch in diesem Jahr von den konjunkturpolitischen Kürzungen verschont geblieben. Während 1967 noch rund 170 Millionen DM Haushaltsmittel für die Regionalförderung in diesem Sinne bereitstanden, waren es 1969 325 Millionen DM und 1970 355 Millionen DM. Hinzu kommen Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz in Höhe von 270 Millionen DM im Jahre 1969 und 300 Millionen DM im Jahre 1970. Ergänzt werden diese Förderungsmittel durch jährlich mehr als 500 Millionen DM zinsgünstige Darlehen aus dem ERP-Sondervermögen und aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit. Auf diese Weise hat der Bund es geschafft, daß 1969 die Entstehung von 44 000 Arbeitsplätzen in strukturschwachen Gebieten mi t Haushaltsmitteln und durch erhebliche Steuerverzichte gefördert wurde, und in diesem Jahr werden wir nach den heute vorliegenden Daten mindestens ein gleich gutes Ergebnis erreichen.
Welche Probleme auch immer die Hochkonjunktur 1969 und 1970 aufgeworfen hat, meine Damen und Herren, für die gewerbliche Aufschließung und Entwicklung unserer ländlichen Räume ist diese Hochkonjunktur der Industrie ein reiner Segen gewesen. Im übrigen haben wir immer wieder festgestellt, daß die Landwirtschaft und insonderheit die landwirtschaftlichen Räume in unserem Wirtschaftsgebiet eine stetige, ungebrochene Expansion der Gesamtwirtschaft brauchen.
Insgesamt sind 1969 und 1970 ein Investitionsvolumen von etwa 10 Milliarden DM und die Entstehung von weit mehr als 100 000 neuen Arbeitsplätzen mobilisiert bzw. ermöglicht worden. Dieser Prozeß — in zwei Jahren 10 Milliarden Investitionsvolumen und mehr als 100 000 neue Arbeitsplätze -wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Die Chancen für die Landwirte werden damit von dieser Seite her größer, und weitere Arbeitsplätze sind in diesen Gebieten durch Rationalisierungs- und Umstellungsmaßnahmen besser und sicherer geworden. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis 1974 stehen die gleichen Instrumente für diese regionale Wirtschaftspolitik zur Verfügung.
Diesen Weg, meine Damen und Herren, werden wir also in den kommenden Jahren ebenso entschlossen weitergehen. Die Kombination von Agrarpolitik und Entwicklungspolitik in den ländlichen Räumen wird die Einkommen aller dort Arbeitenden dauerhaft erhöhen.
Ich sage noch einmal, mit spektakulären Preismaßnahmen ist dieses Ziel nicht zu erreichen. Niemand, der es mit der Verbesserung der Einkommen unserer Landwirte ernst meint, kann deshalb sein Heil in einer inflationären Agrarpolitik suchen. Ich sage vielmehr zusammenfassend, unsere Landwirtschaft ist gleichermaßen am gesamtwirtschaftlichen Wachstum und an der gesamtwirtschaftlichen Stabilität interessiert. An beiden soll sie ihren Anteil haben. Aber das ist nicht mit einem Patentrezept zu schaffen, sondern nur in einem ständigen Zusammenwirken der allgemeinen Konjunkturpolitik und der speziellen Strukturpolitik mit der Agrarpolitik. Und das nenne ich — alles in allem —„agrare Wirtschaftspolitik aus einem Guß".

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607827900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lotze.

Rudi Lotze (SPD):
Rede ID: ID0607828000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 und in dem einzelbetrieblichen Förderungs- und sozialen Ergänzungsprogramm des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 26. Oktober 1970 bringt die Bundesregierung ihren Willen zum Ausdruck, die Landwirtschaft zu einem gleichrangigen Teil unserer modernen Volkswirtschaft zu entwickeln, der an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung in vollem Umfang teilnehmen soll. Daran lassen wir nicht herumdeuteln. Dieses Wollen der Bundesregierung wird von den Koalitionsfraktionen uneingeschränkt unterstützt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie Herrn Schiller nicht zugehört?)

Deshalb fordern die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag auf Umdruck 90*)

(Abg. Stücklen: Erhöhung des Altersgeldes!)

— ich komme darauf, Herr Kollege Stücklen — die Bundesregierung auf, erstens in der Agrarpreispolitik im Ministerrat ein für die deutsche Landwirtschaft günstiges Ergebnis anzustreben, zweitens in der Agrarstrukturpolitik die Konzeption des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms weiter auszubauen und drittens in der Agrarsozialpolitik einen Gesetzentwurf für die Einführung der Krankenversicherung der Landwirte vorzulegen und Vorschläge für die Reform der landwirtschaftlichen Alterssicherung und der Unfallversicherung zu unterbreiten.
Und nun reisen Abgeordnete aus den Reihen der Opposition durchs Land und behaupten — wie auch heute hier — in Reden, Artikeln, Leserbriefen, diese Regierung gebe zwar viele Erklärungen ab,

(Abg. Dr. Ritz: So ist es!) stelle Programme auf


(Abg. Dr. Ritz: Stimmt auch!)

— Ihr Zwischenruf bestätigt meine Feststellung über Ihr Verhalten draußen im Lande —, sie denke aber nicht daran, dementsprechend zu handeln. Dieses Verhalten, Herr Kollege Dr. Ritz, Herr Kollege Ehnes, gibt mir Veranlassung, an einigen Beispielen aus dem Bereich der Agrarsozialpolitik zu beweisen, daß derartige Behauptungen falsch sind und wider besseres Wissen aufgestellt werden.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Im Jahr 1970 sind für die landwirtschaftliche Unfallversicherung, die Altershilfe, die Landabgabenrente und für den Landarbeiterwohnungs-
*) Siehe Anlage 2



Lotze
bau, den ich hier mit einbeziehe, also für agrarsoziale Maßnahmen, Bundesmittel in Höhe von 887 Millionen DM bereitgestellt worden. 1971 wird sich dieser Betrag für die gleichen Zwecke zusätzlich der 15 Millionen DM für die Nachentrichtung von Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen auf 982 Millionen DM, also fast 1 Milliarde DM, erhöhen. Durch diese Aufstockung der Mittel und durch Umschichtungen im Einzelplan 10 wird z. B. — ich wiederhole es, damit es endlich begriffen wird — ermöglicht, erstens den Bundeszuschuß für die landwirtschaftliche Unfallversicherung um 80 auf 260 Millionen DM anzuheben — dies bedeutet, daß trotz erheblicher Leistungsverbesserungen von durchschnittlich 20%

(Zustimmung bei der SPD)

generelle Beitragserhöhungen vermieden und damit zusätzliche Belastungen von den Landwirten abgewendet werden —,

(Abg. Raffert: Sehr gut!)

zweitens den Ansatz für die Altershilfe um 15 Millionen DM aufzustocken. Damit wird sichergestellt, daß den Anforderungen an diesen Titel voll Rechnung getragen werden kann. Durch diese Aufstokkung der Mittel einerseits und die Umschichtungen im Einzelplan 10 andererseits wird es zudem möglich, am 1. Januar, wie von Bundesminister Arendt angekündigt, ein agrarsoziales Ergänzungsgesetz in Kraft treten zu lassen, das erstens eine Anhebung der Landabgabenrente um die Ihnen bekannten Beträge und zweitens die Nachentrichtung von Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen für Landwirte vorsieht.
Meine Damen und Herren, wenn man nun noch — nur um es zu erwähnen — die Aufstockung der Mittel für den Landarbeiterwohnungsbau auf 7 Millionen DM im Jahre 1971 berücksichtigt und darüber hinaus an die Ausbildungs- und Umschulungsbeihilfen des Berufsausbildungs-, Arbeits- und Ausbildungsförderungsgesetzes erinnert,

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sehr gut!)

werden alle jene Lügen gestraft, die hier im Hause und mehr noch draußen im Lande den Menschen weismachen wollen, diese Regierung rede nur, aber handle nicht.

(Beifall bei der SPD.)

Die vorgetragenen Fakten zur Verbesserung der sozialen Struktur der Landwirtschaft beweisen, daß diese Regierung und die sie tragenden Parteien zielstrebig an der Erfüllung dessen arbeiten, was sie in Erklärungen und Programmen gesagt und versprochen haben.

(Beifall bei der SPD.)

Diese Fakten, und zwar auch im agrarsozialen Bereich, beweisen zudem, daß die Bundesregierung die von ihr angekündigten inneren Reformen Schritt für Schritt verwirklicht.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Wir werden nicht zulassen, daß Vertreter der Opposition und andere Gruppen diese Leistungen mies
machen, und zwar weder hier noch draußen im Lande.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das ist eine Regierung, die mehr Kritik wünschte!)

Meine Damen und Herren, ich möchte nun ein paar kurze Bemerkungen zur Krankenversicherung der Landwirte sowie zur Reform der landwirtschaftlichen Alterssicherung und Unfallversicherung machen. Dazu vorab folgendes. Wir werden — das wissen Sie genauso wie wir weder für 1971 noch für die folgenden Jahre unbegrenzte Mittel für Maßnahmen der Agrarsozialpolitik zur Verfügung haben. Das heißt, es müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Der Schwerpunkt Nummer eins besteht für die Koalitionsfraktionen darin, die Pflichtkrankenversicherung für Landwirte gesetzlich zu regeln. Die Landwirte und Altenteiler bedürfen des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes,

(Abg. Stücklen: Das haben Sie bei uns, aus unserem Berliner Programm, abgeschrieben!)

wobei ,die Beiträge für die Altenteiler vom Bund aufgebracht werden müssen.
Wir begrüßen daher den Beschluß des Bundeskabinetts vom 22. Oktober, nach dem der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beauftragt worden ist, unverzüglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Bei der Ausarbeitung des Entwurfs kann der Bundesarbeitsminister davon ausgehen, daß wir in den von seinem Hause entwickelten Grundsätzen für die Krankenversicherung der Landwirte weitestgehend übereinstimmen. Ich möchte Ihnen allerdings auch sagen, Herr Bundesminister, daß wir unter unverzüglicher Vorlage eine so rechtzeitige Vorlage verstehen, daß das Gesetz zum 1. Januar 1972 in Kraft treten kann.

(Beifall bei der SPD.)

Zur Reform der Alterssicherung und der Unfallversicherung stellen wir folgendes fest. Wir lehnen eine Erhöhung der Altershilfe zur Zeit deshalb ab, weil wir erstens der Einführung der Krankenversicherung für Landwirte den Vorrang geben

(Beifall bei der SPD)

und zweitens verhindern wollen, daß die Zuschüsse zur Unfallversicherung und Landabgabenrente gekürzt werden müssen.
Im übrigen muß das Finanzierungssystem der Altershilfe an Haupt und Gliedern reformiert werden.

(Beifall bei der SPD.)

Warum, meine Damen und Herren? Dazu nur ein paar Zahlen. Der Anteil des Bundeszuschusses an den Aufwendungen der Altershilfe — —

(Abg. Stücklen: Ist zu gering!)

— Zu gering, Herr Stücklen? Sie beweisen, daß Sie keine Ahnung haben.

(Lachen bei der CDU/CSU.)




Lotze
Der Anteil des Bundeszuschusses zu dieser Altershilfe — nun hören Sie zu — beträgt bei gleichbleibenden Leistungen 1971 — wieviel denn? —

(Abg. Stücklen: Sagen Sie es doch! — Lachen bei der SPD.)

70 %. Der Anteil beträgt bei der Knappschaft 60 %, bei der Rentenversicherung der Arbeiter 20 % und bei der Rentenversicherung der Angestellten rund 6 %.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das ist doch nicht in Ordnung.
Wir stehen, auch wenn Sie uns etwas anderes unterschieben wollen, nach wie vor zu dem Grundsatz, daß die Altershilfe ein wichtiges sozial- und strukturpolitisches Instrument ist und bleiben muß.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Und deshalb wollen Sie den Zuschuß kürzen?)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607828100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dasch?

Rudi Lotze (SPD):
Rede ID: ID0607828200
Nein. — Wir wollen, daß aus der Altershilfe eine Altersversorgung mit dem Ziel der Dynamisierung entwickelt wird.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Wer soll das bezahlen?)

Das kann man aber nur über die Reform des Finanzierungssystems erreichen. Dabei geht es auch um die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Beitrag und Leistung. Auch das sage ich hier. Um klar zu sagen, was ich damit ausdrücken will: wer gute Leistungen fordert, muß, wie in der übrigen Sozialversicherung auch, angemessene Beiträge entrichten.

(Beifall bei der SPD.)

Ein neues Finanzierungssystem muß gleichermaßen für die landwirtschaftliche Unfallversicherung entwickelt werden. Hier stehen wir doch vor der gleichen Tatsache, daß die Zahl der Beitragszahler laufend abnimmt, während die Leistungen an die der übrigen Berufsgenossenschaften angeglichen, d. h. erhöht werden sollen.

(Abg. Stücklen: Und die Knappschaft?)

Das sind die Gründe, aus denen die FDP- und die SPD-Fraktion in ihrem Antrag die Regierung auffordern, so schnell wie möglich Vorschläge für die Reform der landwirtschaftlichen Altershilfe und Unfallversicherung vorzulegen.
Meine Damen und Herren, wer mehr will als das, was diese Bundesregierung und die sie tragenden Parteien in einem Jahr auf dem Gebiete der sozialen Sicherung für die in der Landwirtschaft Tätigen geleistet und sich für die nächsten Jahre vorgenommen haben, der muß sagen, wie das finanziert werden soll. Auffordern zum Maßhalten, gleichzeitig aber mehr fordern und versprechen ist unredlich.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Nach dem Verlauf der Debatte und dem Verhalten einiger Oppositionsredner draußen im Lande kann ich nicht umhin, mit folgenden Feststellungen abzuschließen. Wir wären, meine Damen und Herren von der Opposition, auf dem Wege zur sozialen Sicherheit auf dem Lande ein wesentliches Stück weiter, wenn die Agrarpolitiker der CDU/CSU ihren Widerstand gegen jede Sozialpolitik in der Landwirtschaft früher als geschehen aufgegeben hätten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Stücklen.)

Ein letzter Satz! Wir könnten, Herr Kollege Stücklen, ein großes Stück weiter sein, wenn Sie zu der Zeit, als Sie Geld und Macht in diesem Hause hatten, einen Teil der Forderungen erfüllt hätten, die Sie heute an diese Regierung stellen, und nehmen Sie zur Kenntnis: das reiben wir Ihnen so lange unter die Nase, wie wir es politisch für notwendig halten und nicht Sie.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607828300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607828400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind Zeugen eines großen demonstrativen Solidaritätsaktes der Bundesregierung. Drei leibhaftige Bundesminister steigen auf die Tribüne und singen ein Minnelied für die Landwirtschaft.

(Abg. Wehner: Ist es damals von Ihnen nicht gesungen worden?)

— Nein, ich habe es allein gesungen, und es war schöner und harmonischer.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Anlaß ist aber auch durchaus geeignet für einen solchen Großeinsatz. Die Lage ist außerordentlich kompliziert. Ich darf mich zu einigen Bemerkungen äußern.
Herr Kollege Ertl — wir sehen Sie wieder unter uns —, Sie fechten hier in rührender Form für Wahrheit, Gerechtigkeit, Anstand und Demokratie. Aber diese Toga des Moralisten legen Sie draußen ab.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen]: So ist es!)

Wenn ich Ihren Spuren folge, kommen mir Bemerkungen ins Ohr, die sich mit diesem verbalistischen Moralismus nicht vertragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Ertl, was soll denn das heißen, wenn Sie die Vergangenheit anklagen? Ich kann mich erinnern, daß die FDP 15 Jahre an dieser Vergangenheit mitgewirkt und mitgestrickt hat. Natürlich weiß jeder, daß es innerhalb der FDP einen differenzierten Pluralismus gibt und daß es sehr schwer ist, eine einheitliche Meinung dieser FDP festzustellen. Wir haben es ja in den Koalitionsjahren immer wieder erlebt: die Minister haben zugestimmt, die Fraktion hat sich anders entschieden. Aber Sie können



Höcherl
sich nicht absentieren, und wenn Sie die Vergangenheit anklagen, klagen Sie auch das an, was in der Großen Koalition geschehen ist. Auch mit Ihrer Zustimmung hier in diesem Hause ist es damals, 1968, gelungen, daß sich das ganze Haus hinter ein gemeinsames Agrarprogramm stellte. Was soll denn diese ungekonnte Vergangenheitsbewältigung, Herr Kollege Ertl? Sie haben z. B. erklärt, Sie hätten von mir einen Bauchladen übernommen. Na, ich muß sagen: das war ein hervorragender, moderner Selbstbedienungsladen, den Sie da bekommen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Ritz hat bereits ausgeführt, daß Sie ein ganzes Jahr gebraucht haben, um die Richtlinien zusammenzustellen. Jetzt geben Sie das als Ertl-Plan aus. Ich muß sagen: alte Bekannte, von unseren hervorragenden Mitarbeitern längst formuliert! Dazu brauche ich eine Woche. Am 1. Januar 1970 hätten diese Richtlinien dasein müssen. Aber Sie haben sich ein ganzes Jahr lang mit recht unzulänglichen Argumenten wie „Investitionshilfe" und „mangels Masse" hinweggemogelt. Hier allerdings entscheidet die Kasse und sonst nichts. Das ist das, was Ihnen ernsthaft vorgeworfen werden muß. Die Vertröstung auf das Jahr 1971, — na, wir werden sehen, was bei Ihrer Wirtschaftspolitik im Jahre 1971 herauskommt.
Sie haben, Herr Kollege Ertl, vor allem auf das hingewiesen, was auf dem sozialpolitischen Gebiet geleistet worden ist. Aber Ihre Federn würden genauso glänzen, wenn Sie bei der Wahrheit geblieben wären. Wer hat denn die Kommission zur Krankenversicherungsreform für die Landwirtschaft eingesetzt?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. Stücklen: Altersgeld! Wer hat es eingeführt?)

Und ich möchte Sie nur warnend darauf hinweisen: Wenn Sie den versicherungsmathematischen Fehler begehen, eine berufsständische Krankenversicherung aufzubauen, werden Sie etwas erleben.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Jawohl!)

Aber nun gut, das soll Ihre Sorge sein. Wir werden zur rechten Zeit mit der Kritik zur Stelle sein.
Sie haben davon gesprochen, daß Sie eine moderne, kostenorientierte Preispolitik machen. Darf ich Sie ausdrücklich fragen: Gibt es eine Kabinettsentscheidung dahingehend, daß die Futtergetreidepreise und der Rinderorientierungspreis nachgezogen werden?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Was mußte ich in der „Agra-Europe" lesen? Herr Mansholt hat höhnend vorgetragen, er habe einen solchen Vorschlag auf den Tisch gelegt und der Ministerrat habe sich überhaupt nicht damit befaßt. Erklären Sie mir einmal diesen Widerspruch, Herr Kollege Ertl! Herr Mansholt, der ja nun gerade kein Preisenthusiast ist, macht einen solchen Vorschlag, und von Ihrer Seite — ich weiß nicht, was Sie dabei wirklich getan haben — geschieht nichts. Sagen Sie mir bitte, was das Kabinett beschlossen
hat, sagen Sie mir, ob Schiller oder ob Sie sich durchgesetzt haben!
Sie haben davon gesprochen, daß es in der ganzen Vergangenheit keine soziale Absicherung für die 600 000 Betriebsinhaber gegeben habe, die aufgegeben haben. Ja, meine Damen und Herren, diese 600 000, die aufgegeben haben, wurden durch unsere Wirtschaftspolitik aufgenommen, eingegliedert und in bessere Positionen gebracht. Das war deren freiwilliger Entschluß. Damals war es ja gar nicht notwendig, ein solches Fangnetz aufzubauen. Jetzt wird die Sache kompliziert, weil, wie Sie ja selber wissen, dunkle Wolken am Konjunkturhimmel heraufziehen.
Sie haben von der mittelfristigen Finanzplanung gesprochen und von der, die Sie übernommen haben. Sie wissen ganz genau, daß die mittelfristige Finanzplanung keine festen Positionen enthält, sondern daß es sich hier um Entwürfe handelt, die laufend fortgeschrieben werden. Es war selbstverständlich, daß auch diese Finanzplanung fortgeschrieben werden sollte. Die 500 Millionen DM waren von allen Beteiligten öffentlich und verbindlich zugesagt. Die Ihren sind nicht gekommen; sie sollen erst 1971 kommen, und dann sind sie längst durch die Preisentwicklung verschlungen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.) So ist es doch!

Mit großem Pathos wird darauf hingewiesen, daß der Aufwertungsausgleich zum Einkommen gezählt werden müsse und daß er eine besondere Leistung der Bundesregierung sei. Ich darf Ihnen folgendes sagen. Schadensersatz — und dann noch auf vier Jahre beschränkt — ist keine Tugend, sondern wenn durch einen administrativen Eingriff einer Berufsgruppe auf Grund der Entwicklung im gemeinsamen Agrarmarkt 8 1/2% der Einnahmen weggenommen werden, ist es die größte Selbstverständlichkeit, ist es nur recht und billig, daß das ersetzt wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Bedenklich ist, daß dies auf vier Jahre beschränkt und degressiv ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Und jetzt will ich Ihnen etwas sagen, ohne den Aufwertungsstreit neu beleben zu wollen. Sie hätten das aushandeln müssen, bevor aufgewertet wurde.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Dann hätten Sie vielleicht eine Lösung finden können, die nicht zeitlich beschränkt ist und die sich auf alle Produkte erstreckt. Die Situation ist heute so, daß die Geflügelwirtschaft — und bei den Schweinen zeichnet sich eine ähnliche Bewegung ab, und zwar nicht nur eine zyklische, sondern eine durch die Aufwertung hervorgerufene — mit ihren modernen Betrieben keine Chancen mehr hat, den Aufwertungsverlust zu überwinden, und daß wir mit großen Einbrüchen und schweren Verlusten zu rechnen haben. Vorsorge ist die Aufgabe der Regierung, aber ich habe noch nicht gehört, was Sie gegen diese Situation eigentlich unternehmen wollen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)




Höcherl
Es wäre besser gewesen, über die Umsatzsteuer zu einer Lösung zu kommen,

(Zuruf von der SPD: Wir sind gerade dabei!)

und zwar ganz. Damit wäre jedes Produkt ausgeglichen gewesen. Die Verwirklichung des Werner-Planes wird nämlich noch etwas auf sich warten lassen.
Zur Frage der Altershilfe haben wir einen Antrag vorgelegt, der noch begründet werden wird. Auch der Deckungsvorschlag wird noch begründet werden, und vielleicht werden Sie bei dieser Begründung sogar einige Überraschungen erleben, wenn das zutrifft, was ich soeben gehört habe. Sie haben recht, Herr Kollege Lotze: Die Altershilfe ist von uns eingeführt, wie ich mich erinnern darf. Das ist nicht Ihre Leistung.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Sie ist von uns eingeführt und ständig fortgeführt worden.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Die nehmen alles für sich in Anspruch!)

- Ja, der edle Teil der Vergangenheit ist ihre Leistung, alles andere haben wir zu tragen.

(Zuruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern].)

Nein, bei der Altershilfe geht es darum, wie Sie mit Recht gesagt haben, nicht nur den sozialpolitischen Teil, sondern auch den strukturpolitischen zu sehen. Wir stehen heute beim Durchschnittsalter der Betriebsinhaber innerhalb der Gemeinschaft mit am besten. Das ist das Entscheidende, das wurde durch die Altershilfe bewirkt. Gerade jetzt, wo es darauf ankommt, aus allen möglichen Quellen einen Ausgleich für die Preis- und Kostenentwicklung zu finden, wäre es meines Erachtens auch von Ihrer Seite einer gewissen Anstrengung wert, daß Sie sich an unserem Vorschlag beteiligen.
Herr Kollege Schiller, Sie haben erfreulicherweise wieder an das Jahr 1968, das Jahr unserer gemeinsamen Agrarpolitik, angeknüpft. Ich stehe zu diesen Grundsätzen, und zwar mehr als der Herr Kollege Ertl, der sich gar nicht mehr daran erinnern mag, weil das nicht mit seinem Namen, sondern mit seiner Opposition verbunden war. Das ist doch die Sache. Aber zu den Fehlern der Vergangenheit, Herr Professor Schiller, die Sie zur politischen Stützung Ihrer recht schwachen Koalition immer wieder hervorziehen, will ich Ihnen eines sagen: Dem Menschen ist es nicht gegeben, die Dinge der Zukunft in die Gegenwart zu projizieren. Wir mußten mit ganz anderen Koordinaten beginnen. Genau denselben Vorwurf könnte ich bei der Industrie, beim Gewerbe oder beim Handel, bei jedem Berufsstand, anbringen, wenn ich sagte, die Errungenschaften von heute hätten schon damals angesteuert und verwirklicht werden können. Wir haben beim Punkte Null begonnen und mußten anfangen, Schritt um Schritt und Stufe für Stufe diese Aufgaben vielfältigster Art zu bewältigen. Und wenn Sie behaupten, das wäre nicht gelungen, will ich nur sagen, das internationale Urteil ist der Meinung, daß uns mehr gelungen ist, als man draußen überhaupt zu begreifen vermag. Wenn so viel geleistet wird, ist es ja selbstverständlich, daß das eine und das andere nicht ganz glücken kann.
Ich möchte mich aber mit diesen Einzelheiten gar nicht weiter abgeben. Herr Kollege Ertl, ich will Ihnen. etwas ganz Ernstes sagen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607828500
Herr Kollege Höcherl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607828600
Ja, bitte schön!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0607828700
Herr Kollege Höcherl, Sie haben eben das gemeinsame Programm des Jahres 1968 erwähnt, sind aber sehr schnell weitergegangen: Würden Sie uns vielleicht auch sagen, wie Sie sich heute zur Durchführung des Programms stellen.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607828800
Mäßig, muß ich sagen, mäßige Fortschritte, aber immerhin ein Fortschritt.

(Heiterkeit.)

Herr Kollege Ertl, ich muß ein ganz ernstes Wort mit Ihnen sprechen. Sie sind der Eckmann dieser Koalition, "Sie haben sich umgesiedelt von ganz rechts nach sehr weit links, und zwar innerhalb verdammt kurzer Zeit. So war es doch. Ohne Sie wäre diese Koalition nicht zustande gekommen. Sie, Herr Kollege Ertl, haften nicht nur für den agrarpolitischen Teil, sondern Sie haften auch für die Wirtschaftspolitik und für die Außenpolitik. Dafür haften Sie, und das bei einer Wirtschaftspolitik, die einen so hohen Grad von Teuerung herbeiführt, daß die Landwirtschaft auf der Strecke bleiben muß, wie Herr Professor Schiller das auch mit Recht festgestellt hat. Da mußten Sie eingreifen.
Als FDP-Minister ließen Sie aber die Vorschläge von Professor Schiller vom Februar gar nicht zur Verwirklichung kommen, weil Sie für den 14. Juni Lebens- und Existenzangst hatten. So war es. Mit Rücksicht auf Ihre etwas, ja, schwindsüchtige Situation in der FDP mußten Sie notwendige Maßnahmen zurückstellen. Genauso war es. Und nach dem 14. Juni kam es. Sie werden aus dieser Haftung nicht entlassen, Herr Kollege Ertl. Alles, was hier passiert, im großen Bereich und im wirtschaftspolitischen Bereich, geht auf Ihre Beteiligung zurück. Sie allein haben das möglich gemacht. Ich darf schließen: Sehen Sie zu, wie Sie mit dieser Verantwortung fertig werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607828900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0607829000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir eine große Ehre, hier nach dem Landwirtschaftsminister a. D. Höcherl sprechen zu können. Ich glaube, es ist richtig, in diesem Zusammenhang auch gleich einmal eine Bilanz über



Gallus
die Agrarpolitik der vergangenen 20 Jahre zu ziehen.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : An der Sie selber beteiligt waren!)

— Herr Kollege, Sie fragen, warum ich hier irgendwelche Anschuldigungen erheben will. Ganz einfach deshalb, weil es meines Erachtens in der Agrarwirtschaft heute darum geht, sich Gedanken darüber zu machen, welchen Weg wir in der Zukunft beschreiten wollen.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen]. Das ist das Entscheidende!)

Meine sehr verehrten Anwesenden, man kann sich darüber streiten, ob der Ansatz der Agrarpolitik 1948/49 richtig oder falsch war.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Sie können ja bis zum Dreißigjährigen Krieg zurückgehen!)

Dazu möchte ich keine Ausführungen machen. Aber Tatsache ist, daß diese Bundesregierung, als sie vor einem Jahr antrat, bei der Landwirtschaft einen Verschuldungsgrad von nahezu 26 Milliarden DM angetroffen hat. Tatsache ist, daß 500 000 landwirtschaftliche Betriebe aufgehört haben zu existieren und nicht, wie Sie es jetzt sagen, Herr Kollege Höcherl, von der Industrie aufgefangen wurden. Diese Tatsache haben wir auch heute. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, daß diese 500 000 Betriebe in die sozialpolitische Wüste entlassen wurden.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU. Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diese Landwirte werden erst mit ihrem 65. Lebensjahr feststellen, wieviel weniger Rente sie im Vergleich zu den Kollegen bekommen, die mit ihnen am Schraubstock stehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607829100
Herr Abgeordneter, Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0607829200
Nein!

(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist noch unsicher!)

Jetzt stellen Sie das noch nicht fest; das kommt noch.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607829300
Meine Damen und Herren, es ist das Recht des Redners, Zwischenfragen abzulehnen.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0607829400
Wir müssen ganz klar sehen, daß wir in der vergangenen Agrarpolitik auch eine Bilanz von Fehlinvestitionen in Aussiedlungen und Althofsanierungen aufzuweisen haben. Ich glaube, die Anklage der Beratungsgeschädigten in der deutschen Landwirtschaft ist gar nicht so klein. Ich sage das alles nur deshalb, weil ich der Auffassung bin, daß wir an einem Wendepunkt der deutschen Agrarpolitik angekommen sind, wo wir uns zu überlegen haben, in welcher Richtung wir gemeinsam marschieren sollten.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard.)

— Ich sage Ihnen das eine: Ich kann hier mit gutem Gewissen das vertreten, was ich auch gestern auf der Delegiertenversammlung des Deutschen Bauernverbandes vertreten habe; vielleicht sind Sie dort gewesen. Ich kann hier nur wiederholen, daß der Markt vor einem Jahr völlig verstopft war und daß es Herr Ertl war, der diesen Markt wieder transparent gemacht hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der Mitte.)

— Sie können andere Auffassungen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren; das steht Ihnen durchaus zu.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Herr Gallus, kennen Sie die Preise von heute?)

Herr Dr. Stark, die Tatsachen sprechen für sich. Wir wollen hier doch eines nicht vergessen. Die Tatsache, daß wir in die EWG eingetreten sind, hat auch Konsequenzen für die 'deutsche Agrarpolitik. Gerade diese Konsequenzen sind von zu vielen Agrarpolitikern allzulange verschwiegen worden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es wurden die Preise angesprochen. Ich zähle mich durchaus zu jenen, die da glauben, daß in der Zukunft neben anderen wichtigen Maßnahmen die Preise eine entscheidende Rolle spielen. Ich sage Ihnen hier aber: Wer den EWG-Verträgen zugestimmt hat, muß heute auch erkennen, daß damals einiges falsch gelaufen ist, und zwar in der Hinsicht, daß die parlamentarische Kontrolle der EWG allzulange auf sich warten läßt. Was müssen wir heute tun, um angemessene Preise in der EWG zu erhalten? Ich sage es Ihnen am Beispiel des Obstbaues. In allen Ländern der EWG wurden Obstanlagen gemacht, um den Markt für sich in Anspruch zu nehmen, mit der Konsequenz, daß wir heute danach trachten müssen, Prämien zu geben, damit diese Junganlagen wieder verschwinden. Man hat nämlich allzulange nicht erkannt, daß ebenso wie in der Industrie auch in der Landwirtschaft der Grundsatz gilt, daß letzten Endes der Markt über die Preisgestaltung entscheidet.

(Abg. Burger: Das sind doch Gemeinplätze!)

Wenn Sie heute davon gesprochen haben, daß wir eine Überschußproduktion und unechte Preise für Eier und Geflügel haben, muß ich diejenigen, die in den letzten Jahren Verantwortung getragen haben, fragen: Warum haben Sie nichts dagegen getan, daß wir Hühnerbestände in einer Größenordnung von einer Million und mehr von denen bekommen haben, die ihr Geld anderswo als in der Landwirtschaft verdient haben?

(Abg. Burger: Was schlagen Sie vor? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Fragen Sie mal die SPD!)




Gallus
Ich glaube, daß es des Nachdenkens wert ist, sich — ausgehend von diesen Fakten — zu überlegen, wohin die Reise gehen soll.

(Abg. Burger: Tragen Sie doch mal Ihre Überlegungen vor!)

Ich möchte heute insbesondere zu diesem ErtlProgramm, einem Programm für 'die Zukunft, Stellung nehmen.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen]: Ist das ein Ertl-Programm oder ein Höcherl-Programm?)

Der deutschen Landwirtschaft ist nicht mehr damit gedient, daß man ihr sagt: Jeder, der Bauer bleiben will, kann Bauer bleiben. Der deutsche Landwirt will vielmehr wissen, unter welchen Bedingungen er in der Zukunft Bauer bleiben kann. Ich glaube, daß Minister Ertl und diese Bundesregierung die Antwort auf diese Frage nicht schuldig geblieben sind.
Der Herr Kollege Ehnes hat heute vormittag stellenweise den bayerischen Wahlkampf in dieses Hohe Haus übertragen.

(Abg. Ehnes: Dazu brauche ich von Ihnen keine Stellungnahme!)

Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade in Bayern mit Halbwahrheiten operiert wird, die ich von dieser Stelle aus einmal abklären muß. In einer Wahlkampfschrift heißt es z. B.:
Die Regierung und ihr Ernährungsminister haben gleichfalls verschiedentlich darauf hingewiesen, daß Einsparungen bei den Marktordnungsausgaben der nationalen Agrarpolitik zugute kommen müßten. Auch diese Versprechungen sind, wie schon manch andere, nicht wahrgemacht worden.
Tatsache ist — das wissen alle Kollegen dieses Hauses, gleichgültig ob sie der Koalition oder der Opposition angehören —, daß vor drei Wochen 198 Millionen DM an Marktordnungsausgaben in Ausgaben der deutschen Landwirtschaft überführt worden sind. Das ist die Wahrheit.

(Zuruf des Abg. Ehnes.)

— Herr Ehnes, ich glaube, Sie müssen dafür sorgen, daß diese Unwahrheit im bayerischen Landtagswahlkampf beseitigt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Ehnes: An erhöhten Zinsen geht noch mehr kaputt!)

Meine sehr verehrten Anwesenden, hier ist heute nun auch das Verhältnis des Bauernverbandes zur Politik des Staates angesprochen worden. Ich gehöre nicht zu jenen, die der Auffassung sind, daß dieser Berufsstand nicht genauso demonstrieren kann wie jeder andere Teil unseres Volkes. Das Recht der Demonstration ist in unserer Verfassung verbrieft, und es gilt für alle Gruppen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es richtig ist, daß ein echtes Spannungsverhältnis zwischen Berufsstand und Regierung besteht. Ich freue mich, daß manche Präsidenten — das ist das Neue an dieser Entwicklung —, nachdem sie jetzt der Opposition angehören, nun die Gelegenheit haben, sich entsprechend zu betätigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sehr richtig! Früher durften sie gar nicht reden!)

Die Preise standen heute oft im Mittelpunkt der Debatte. Dazu möchte ich eines sagen. Wer von Preisen spricht, muß auch anerkennen, daß uns alle in Zukunft die ungelöste Frage der Mengenregulierung in der EWG stark beschäftigen muß, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß die Landwirtschaft selbst mit dazu beiträgt, daß die Preise von Fall zu Fall kaputtgeschlagen werden.
Nun zu dem Förderungsprogramm. Ich habe davon gesprochen, daß ich der Auffassung bin, daß die Bundesregierung mit diesem Programm eine Antwort auf die Frage gegeben hat, wohin die Reise in der deutschen Agrarpolitik gehen soll. Ich glaube, daß gerade diese Tatsache der differenzierten Agrarpolitik hier in den Vordergrund gestellt werden muß. Es ist von seiten des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers nicht darum gegangen, ein Jahr zu mogeln, sondern es ist darum gegangen, dieses Programm, das zugegeben bereits vorher im Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben worden ist, für die deutsche Landwirtschaft tragfähig zu machen, mit der deutschen Landwirtschaft zu diskutieren. Ich glaube, kein Minister vorher hat diesen Weg in so ausgezeichneter Weise beschritten,

(Lachen bei der CDU/CSU) wie das von Herrn Ertl gemacht worden ist.


(Beifall bei den Regierungsparteien.-Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Wahlkampf! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das haben die Sachverständigen „bestätigt" !)

— Herr Kollege, Sie geben mir genau das Stichwort, nämlich die Fragen, die im Hearing aufgeworfen worden sind, als es darum ging: Förderschwelle, ja oder nein. Gerade in dieser Frage hätte sich die werte Opposition beinahe auf einen völlig falschen Dampfer gesetzt. Sie hatte sich bereits angeschickt, die Vorschläge von Herrn Professor Weinschenk, die er im Hearing des Ernährungsausschusses gemacht hat, zu den ihren zu machen, nämlich die Vorschläge, nach optimaler technischer Betriebsausrüstung regional eine entsprechende Anzahl von Betrieben festzulegen. Ich frage Sie, wo nach einer solchen Einstellung überhaupt der Freiheitsspielraum der deutschen Landwirtschaft geblieben wäre.

(Beifall bei der FDP. — Lachen bei der CDU/CSU.)

Das muß man hier einmal in aller Deutlichkeit sagen.
Wenn Sie der Meinung sind, daß die Neben- und Zuerwerbslandwirtschaft zu kurz gekommen sei, darf ich Ihnen sagen: Tatsache ist, daß die Neben- und Zuerwerbslandwirtschaft heute in der Bundesrepublik 65 bis 70 % der gesamten landwirtschaftlichen Betriebe ausmacht. Ich selbst komme aus einem Gebiet der Neben- und Zuerwerbslandwirtschaft. Ich gehöre nicht zu denen, die den Neben-



Gallus
und Zuerwerbslandwirten nur deshalb gut zureden, weil sie ihre Stimmen wollen, sondern ich gehöre zu jenen, die die Nöte der Familien, der Frauen, der Kinder gerade in den Zu- und Nebenerwerbsbetrieben besser kennen als ein Großteil von denen, die es aus den Großbetrieben heraus lediglich bei guten Ratschlägen belassen.
Ich sage Ihnen eines: Ich würde Sie davor warnen, in der deutschen Agrarpolitik die Neben- und Zuerwerbslandwirtschaft ideologisieren zu wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wer tut das denn? —Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Denn wer das tut, der leistet der deutschen Landwirtschaft einen schlechten Dienst.

(Abg. Dr. Stark Sie sind doch der Chefideologe von dem Verein!)

Meine sehr verehrten Anwesenden, lesen Sie einmal nach, was der Deutsche Bauernverband zur Nebenerwerbslandwirtschaft herausgebracht hat! Dann werden Sie hier eine andere Auffassung vertreten, die nicht nur vom politischen Stimmenfang gekennzeichnet ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Wie bei Ihnen!)

Ich darf in diesem Zusammenhang, weil ich schon eingangs davon gesprochen habe, nur noch einmal daran erinnern, daß mir die Förderschwelle, so wie wir sie heute haben, mit der regionalen zehnprozentigen Abschwächung und mit dem fünfprozentigen Beitrag für den Betriebsleiter mit 3200 DM Zusatzeinkommen aus nicht selbständiger Arbeit, lieber ist als alles andere. Denn das, was Sie als Ersatz dafür anbieten, ist nur dazu geeignet, ein Heer von Verwaltungsbeamten in eine Situation zu bringen, daß sie nicht wissen, nach welchen Grundsätzen sie bei der Förderung zu verfahren haben. Gerade von dieser Seite wird die Förderschwelle in dieser Form, wie wir sie heute haben, begrüßt. Sie ist auch in bezug auf die Situation in Süddeutschland völlig ausreichend. Denn vergessen Sie nicht: wer in Deutschland Agrarpolitik treibt, muß Rücksicht nehmen auf die Situation in den EWG-Ländern.

(Zurufe von der CDU/CSU: Auch auf die Preise! Das ist ja ganz neu!)

Und da haben Sie, Herr Ehnes, vergessen, daß die Durchschnittsbetriebgröße in Frankreich, Holland und Belgien größer ist als bei uns. Mit denen haben wir uns zu messen.

(Abg. Dr. Ritz: Das haben wir nicht gewußt! Das haben wir noch nie gehört!)

Ich habe nicht für die EWG gestimmt; da war ich noch nicht im Parlament.
Meine sehr verehrten Herren Kollegen, nun ist ja gerade hier die Frage sehr stark in den Vordergrund gerückt worden, ob die Nebenerwerbslandwirtschaft gefördert wird oder nicht. Ich sage: Sie ist hervorragend plaziert in diesem Förderungsprogramm mit der Tatsache der Inanspruchnahme des Bäuerinnen-Programms, mit der Möglichkeit, Fremdenzimmer ausbauen zu können, mit der Tatsache,
Kooperationen fördern zu können, dort, wo sich Nebenerwerbslandwirtschaft entsprechend entwikkeln wird.
Herr Ehnes, wenn Sie die Frage der Finanzierung hier so sehr in den Raum gestellt haben, dann muß ich Ihnen einmal sagen: Wenn Sie hier konkrete Beispiele anziehen wollen, dann müssen Sie zugeben, daß bei einer Aussiedlung, die 340 000 DM kostet, nach wie vor eine Altstellenbeihilfe von 30 000 DM eingesetzt ist, eine Erschließungsbeihilfe von 40 000 DM, 120 000 DM öffentliche Darlehen mit einem Zinssatz von 1 % und einer Tilgung von 2 %. Erst die restlichen 100 000 DM, die darüber hinaus gehen, werden aus den zinsverbilligten Kapitalmarktmitteln genommen,

(Zurf von der CDU/CSU: Bei doppelten Preisen!)

wobei wir alle glauben, daß der heutige Diskontsatz eine vorübergehende Angelegenheit sein wird.
Aber nun komme ich zum Kernpunkt dessen, was Herr Ehnes hier im Blick auf den bayerischen Wahlkampf als Vorwurf gegenüber dieser Koalition angesprochen hat,

(Abg. Ehnes: Das weise ich zurück! Das hat mit der Wahl nichts zu tun!)

nämlich als Vorwurf in bezug auf das Eigentum. Ich darf feststellen, daß gerade die CDU als Opposition in diesem Hause wie anderswo den Eindruck zu erwecken versucht,

(Abg. Stücklen: Das hat Herr Dahrendorf uns eingebrockt!)

als sei durch diese Koalition oder durch die FDP das Eigentum als Institution gefährdet oder in Frage gestellt. Bei den krampfhaften Bemühungen, einen Beweis dafür zu bringen, wird immer wieder die eine oder andere Äußerung von Außenseitern zitiert, weil keiner der anwesenden Kollegen der CDU oder CSU in der Lage ist, eine Entscheidung oder Entschließung vorzuweisen, und zwar entweder für diese Regierung oder für diese Koalition oder auch von einem Entscheidungsorgan der FDP, daß die Institution des Privateigentums von uns in irgendeiner Weise gefährdet sei.

(Abg. Stücklen: Herr Bremer!)

In der Ihnen eigenen Beziehung zur Wahrheit und zu dem christlichen Gebot: „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten"

(Lachen bei der CDU/CSU)

verschweigen Sie gleichzeitig die Äußerungen und Stellungnahmen aus den eigenen Reihen,

(Abg. Stücklen: Wo wäre Dahrendorf geblieben?)

die mindestens dem entsprechen, was Sie anderen vorwerfen', wenn sie nicht noch teilweise darüber hinausgehen.. Hier in diesem Hause oder in Landtagswahlkämpfen wird so getan, als existiere ein linker CDU-Flügel oder ein Herr Norbert Blüm in der CDU überhaupt nicht und als habe es auch kein Ahlener Programm gegeben. Dort jedoch, wo man glaubt, Arbeiterstimmen fischen zu können — mit



Gallus
entsprechenden Aussagen —, wird so getan, als bestehe die ganze CDU aus dem linken Flügel und als sei der Wirtschaftsrat die einflußreichste Nebenerscheinung, die man sich überhaupt denken kann.

(Abg. Ehnes: Hat das mit Agrarpolitik etwas zu tun? Zur Sache!)

— Ich komme gleich dazu.
Im übrigen darf ich auf eine Stellungnahme von Professor Föhl in der Sachverständigenanhörung zum Dritten Vermögensbildungsgesetz verweisen, wo er zu dem Investivlohnverfahren der CDU meinte:
Es kommt mir fast so vor — und ich bitte, mir zu verzeihen, wenn ich es hier zum Ausdruck bringe —, daß es die gute alte Marx-Ideologie ist, die hier wieder zum Tragen kommt.
Das ist bei der CDU geschehen. Es könnte auch sein, daß ein Beschluß der Hamburger CDU zum Programmparteitag noch nicht bis in die Köpfe der heutigen Debattenredner der CDU/CSU vorgedrungen ist oder daß sie ihn schamhaft verschweigen, weil er so gar nicht in die Verdächtigungen der Koalitionsparteien hineinpaßt, die die CDU-Repräsentanten hier und anderswo verbreiten. Pressemeldungen zufolge —

(Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU)

— ich habe sie hier! — verlangt nämlich die Hamburger CDU, daß Wertsteigerungen von Grundstücken, die durch öffentliche Planung oder Investitionen verursacht sind, der „Allgemeinheit zugute kommen müssen". Wenn man in dem Zusammenhang wie die Vertreter der CDU/CSU im Hinblick auf den Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes von Sozialisierung spricht, so sind solche Vorschläge das Höchstmaß dessen, was man sich in diesem Zusammenhang darunter überhaupt vorstellen kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wer mit seinen Linken, wie die CDU, selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Der sollte nicht mit „Bremer" werfen! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das ist wohl eine Wahlkampfrede von früher?! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Herr Kollege, das bessert sich! Keine Sorge!
Was die Fragen des Städtebauförderungsgesetzes anbetrifft, können wir sehr wohl darauf verweisen, daß unser Herr Bundeslandwirtschaftsminister wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Verbesserung dieses Gesetzentwurfs erreicht wurde, insbesondere im Hinblick darauf, daß wir eine klare Abgrenzung der zu sanierenden Gebiete haben werden, daß die Frage des Preises im Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium geregelt werden muß und — die Tatsache ist für die FDP von entscheidender Bedeutung — daß die Möglichkeit der Reprivatisierung besteht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber wie?)

Ich glaube, es sind Ansätze dafür gegeben, daß den Bauern mehr gedient ist, als das bei dem vorigen Gesetzentwurf der Fall gewesen ist.
Nun noch ein Wort zum sozialen Ergänzungsprogramm. Obwohl ich lange Zeit anderer Auffassung war —

(Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU)

— ja, meine Damen und Herren, ich bin so ehrlich, das zuzugeben —, begrüße ich die Tatsache, daß diese Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur berufsständischen Krankenversicherung vorlegen wird, die einige ganz wesentliche Elemente beinhalten wird, nämlich daß die alte Last voll vom Staat übernommen wird und darüber hinaus genauso wie bei der Berufsgenossenschaft die Möglichkeit des Einsatzes von Betriebshelfern gegeben ist. In bezug auf dieses Gesetz, für das bereits im Jahre 1972 320 Millionen DM vorgesehen sind, möchte ich einmal mit den Worten des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes von Heeremann, sagen: Hier hat die Bundesregierung nicht gekleckert, sondern geklotzt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch die offene Frage der Erhöhung des Altersgeldes ist von der FDP und dieser Bundesregierung nicht aufgehoben. Sie ist aufgeschoben, weil auch Sie als Opposition zugeben müssen, daß derjenige, der es mit der Zukunft der deutschen Landwirtschaft und mit ihrer sozialen Sicherung ernst meint, dafür sorgen muß, daß wir von der Altershilfe zu einer echten Altersversorgung kommen müssen. Zu dieser echten Altersversorgung haben die deutsche Landwirtschaft und der Staat ihren entsprechenden Teil beizutragen. Dabei bin ich überzeugt, daß diese Bundesregierung bereit ist, diese Probleme in der Zukunft mit dem Berufsstand zu klären.
Wenn gerade in der heutigen Diskussion von seiten der Opposition immer wieder so sehr darauf abgehoben wurde, als ob diese Regierung oder die FDP irgend jemanden mit sozialpolitischen oder Ergänzungsmaßnahmen dazu zwingen wollte, das Feld in der Landwirtschaft zu räumen, so darf ich hier feststellen, daß der Entwurf eines Gesetzes der CDU/CSU zur Nachversicherung landwirtschaftlicher Unternehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung — Drucksache VI/438 — in erster Linie dieser Tatsache Rechnung trägt, nämlich dahin gehend, die Dinge mit Druck bereinigen zu wollen. Hier heißt es in der Begründung zu Art. 1 Nr. 2:
„Die Last der Nachversicherung für einen landwirtschaftlichen Unternehmer trägt nach dem Gesetzentwurf der Bund und der landwirtschaftliche Unternehmer je zur Hälfte."
— Das haben wir mit unseren 70 % weit überschritten. —
Dieser Vorschlag beruht auf der Erwägung, daß der Strukturwandel der deutschen Landwirtschaft in den letzten Jahren aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen — vor allem aber durch die vorzeitige Verwirklichung des gemeinsamen Agrarmarktes — ausgelöst wurden und im Interesse des weiteren Wachstums der

Gallus
industriellen und gewerblichen Wirtschaft zu beschleunigen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen von der Opposition, hier haben Sie niedergeschrieben, was Sie in dieser Diskussion bestreiten. Ich bin der Auffassung: wenn die Landtagswahlkämpfe vollends vorüber sind und die Probleme der deutschen Agrarpolitik sich versachlichen werden, wird man auch in diesem Hause zu den Realitäten zurückkehren und an die Verwirklichung der Vorschläge herangehen.

(Zuruf bei der CDU/CSU: Das kann man nur hoffen!)

Sie werden dann feststellen, daß es keine wesentliche Alternative in der deutschen Agrarstrukturpolitik und Agrarsozialpolitik gegenüber dem gibt, was diese Bundesregierung unter ihrem Bundeslandwirtschaftsminister Ertl diesem Hause vorgelegt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607829500
Meine Damen und Herren! Das war die erste Rede des Kollegen Gallus in diesem Hause. Wir wünschen ihm eine erfolgreiche parlamentarische Laufbahn. — Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Abgeordnete Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607829600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht darf ich an die schwungvollen Ausführungen des Herrn Kollegen Gallus anknüpfen, der in seine Jungfernrede die Wahlkampfreden, die er derzeit im bayerischen Landtagswahlkampf hält, übertragen und übernommen hat.

(Abg. Fellermaier: Dann hat er von Herrn Ehnes gut gelernt!)

— Das Stichwort Ehnes werde ich gleich aufgreifen. Sie haben meinen Kollegen Ehnes kritisiert, und ich muß sagen: Herr Kollege Ehnes ist in seiner heutigen Einführungsrede zur Begründung der Großen Anfrage meines Erachtens sachlich gewesen,

(Widerspruch von der SPD)

wenn man es abwägt, auf jeden Falle sachlicher als Herr Gallus in seiner halben Stunde. Zum zweiten muß ich erklären, wenn man sagt, Herr Ehnes habe die Atmosphäre des Wahlkampfes gerade in der Frage des Eigentums in die Debatte getragen, so muß ich antworten, daß Herr Ehnes — erstens — nicht Wahlkampfleiter der CSU in Bayern ist und — zweitens — Abgeordneter des Wahlkreises Ansbach ist. Das möchte ich klar herausstellen.

(Zuruf bei der SPD: Na und?)

Die Rede des Herrn Ehnes war sachlich und mit Zahlen untermauert und ist bis jetzt noch nicht widerlegt worden, auch nicht vom Herrn Bundesernährungsminister.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Herr Gallus meinte, uns vor einer Ideologisierung der Nebenerwerbslandwirtschaft warnen zu
müssen, dann müssen wir antworten: wir haben in der Politik niemals eine Ideologie oder einen Ideologieersatz gesehen; wir gehen vielmehr von den Realitäten und den Notwendigkeiten aus. Das ist gerade in unserem süddeutschen, kleinstrukturierten Raum der Fall. Wenn Sie meinen, Herr Gallus, daß wir die überwiegende Anzahl von bäuerlichen Betrieben, die im Neben- und Zuerwerb bewirtschaftet werden, von vornherein abschreiben sollten — bitte schön, dann wünsche ich Ihnen viel Glück und Erfolg dazu.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich vorneweg ein Wort zu dem sagen, was heute morgen Herr Bundestagsabgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen) erklärt hat. Herr Bundesernährungsminister Ertl mußte mehr oder weniger zugeben, daß das, was Herr Dr. Schmidt sagte, nicht stimmt. Ich sehen mich veranlaßt, auch dazu einiges zu sagen. Die auf Grund meiner Zwischenfrage an Herrn Kollegen Dr. Schmidt gegebene Auskunft des Kollegen Schmidt, daß Staatsminister Dr. Eisenmann dem einzelbetrieblichen Förderungsprogramm zugestimmt hat, trifft nämlich nicht zu. Ich habe mit Herrn Ministerialdirektor Hopfner vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium gesprochen —

(Zuruf des Abg. Fellermaier)

— wir müssen uns ja vergewissern—, und er hat erstens ausdrücklich erklärt, daß das besagte Protokoll, das meinetwegen im Bundesernährungsministerium bestehen kann, dem bayerischen Landwirtschaftsministerium nicht vorliegt. Zweitens hat Herr Dr. Eisenmann große Bedenken in der Länderagrarministerkonferenz vorgetragen, und zwar a) zur Höhe der Förderungsschwelle und generell zur Förderungsschwelle überhaupt und b) zur Frage der Zinsverbilligung. Denn Herr Dr. Eisenmann hat — und das hat Herr Minister Ertl heute auf die Frage von Herrn Ehnes zugeben müssen — eine Zinsverbilligung auf 3 % gefordert. Und er hat c) seine Bedenken zur Koppelung der Landabgabe mit Sozialmaßnahmen vorgetragen. Hierzu meldete er seine großen Bedenken an, und die stehen auch heute noch im Raum. Das wollte ich zur Klarstellung deutlich sagen.
Ein Weiteres. Herr Bundesernährungsminister, mir liegt Ihr Flugblatt vor, das Sie in einer Auflage von 235 000 Stück an die bayerischen und vor allem an die mittelfränkischen Bauern gerichtet haben, mit dem Titel „Liebe Bäuerinnen und Bauern". Darin schreiben Sie unter F:
Gerade aber die Bäuerin und der Bauer müssen die ganze Wahrheit kennen. Nur so können sie beurteilen, wer wirklich hilft.
Sie haben dann auch in Anzeigen in landwirtschaftlichen Fachblättern, insbesondere in der „Hopfenrundschau", herausgestellt, daß Sie der Garant für eine ehrliche Politik sind. Da sollte man meinen, daß man es in diesem Flugblatt — das zwar nicht Sie persönlich und nicht die FDP herausgeben, sondern das laut Impressunm vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, Oktober 1970, herausgegeben wurde, also praktisch eine offizielle Schrift 'darstellt — mit dem angekün-



Niegel
digten Prinzip der Wahrheit auch ernst meint. Man hat darin verglichen, was der Bund und was der Freistaat Bayern für die Landwirtschaft leisten. Hier hat man es mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Die Zahlen der Leistungen des Freistaats Bayern wurden hier wesentlich geringer angegeben, als sie tatsächlich sind. Zum Beispiel gibt der Herr Minister Ertl an — er ist ja für diese Schrift verantwortlich —, daß Bayern für die Flurbereinigung nur 74 Millionen DM zusteuert. Tatsache ist, daß 101 Millionen DM gegeben werden. Praktisch wurde ein Viertel unterschlagen. Auf dem Gebiet ,des landwirtschaftlichen Wegebaus ist noch krasser. Hier wird gesagt, daß nur 1,1 Millionen DM gegeben werden. Tatsache ist, daß 5,4 Millionen DM gegeben werden. Ich könnte hier Position um Position aufgreifen, wo die Wahrheit praktisch unterschlagen wird.
Nun, Herr Minister Ertl, ich unterstelle, daß Ihre Unterlagen vielleicht nicht ganz vollständig waren und Sie vielleicht nicht den Mut hatten, beim Staatsminister Dr. Eisenmann anzurufen und ihn zu bitten, daß er Ihnen die wirklichen Zahlen gibt. Aber dann, so meine ich, müßten Sie das auf jeden Fall in einer gleichen Auflage von 235 000 Stück noch rechtzeitig vor dem 22. November korrigieren; denn sonst ist es mit der Wahrheit vorbei.
Nun möchte ich noch eine Bemerkung zur Antwort auf die Große Anfrage machen. Hier wurde heute morgen von Kollegen Ehnes ganz deutlich herausgestellt, daß die Antwort unvollständig und zum Teil irreführend ist und daß mit falschen Zahlen operiert wurde. Diese Behauptung — ich habe es vorhin schon gesagt — ist noch nicht aus dem Raum. Ich bitte Sie doch, dazu ganz deutlich Stellung zu nehmen.
Eine weitere Ergänzung. Sie stellen jetzt die Anhebung des Trinkmilchpreises als den großen Erfolg heraus und meinen, damit könnte das Einkommen der Landwirtschaft wesentlich verbessert werden. Ich begrüße es, daß es zur Anhebung des Trinkmilchpreises kommt. Aber damit sind die Probleme keineswegs gelöst. Denn gerade was die bayerische Landwirtschaft betrifft, wird von den 4 Pf, um die der Preis angehoben wird, im Höchstfall ein halber Pfennig bei der Landwirtschaft ankommen, und zwar infolge des geringen Trinkmilchanteils.
Herr Gallus, Sie haben vorhin die Frage des Städtebauförderungsgesetzes und der Eigentumspolitik angesprochen. Herr Minister Ertl hat heute morgen darauf hingewiesen, daß er es gewesen sei, der das Städtbauförderungsgesetz wesentlich verbessert habe. Da muß ich gleich fragen, Herr Minister Ertl: Wo liegt denn die echte Verbesserung des Städtebauförderungsgesetzes? — Sie haben lediglich den § 48 Abs. 5 eingeführt, der davon spricht, daß eine Verordnung erlassen werden kann, die gewisse Richtwerte für die Entschädigung von Grund und Baden ,der Landwirtschaft vorsieht. Dazu möchte ich klar sagen, daß diese Verordnung keineswegs über ,die einschneidenden Bestimmungen des Entwurfs der Regierung für ein Städtebauförderungsgesetz hinausgehen kann. Man wollte der Landwirtschaft, die durch das Städtebauförderungsgesetz mit Recht aufgeschreckt worden ist, lediglich ein wenig Sand in die Augen streuen und sie beruhigen. Denn eine Rechtsverordnung kann einen vom Gesetzgeber geschaffenen Rahmen niemals durchbrechen. Wenn der Entschädigungsrahmen in § 20 auf den landwirtschaftlichen Verkehrswert begrenzt ist, kann der Verordnungsgeber niemals darüber hinausgehen. Das wollte ich jedenfalls dazu angemerkt haben.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607829700
Lassen wir es wegen des Koalitionsverhältnisses, das wir nicht stören wollen, im Kabinett durchgehen. Sie haben aber dann draußen in Versammlungen, in Stellungnahmen und Interviews immer wieder betont, daß Sie hundertprozentig zu diesem Städtebauförderungsgesetz stünden und es auch verträten. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn es nur im Schnellschußverfahren das Kabinett passiert. Sie billigen also nach wie vor auch die darin enthaltenen eigentumsfeindlichen Tendenzen, die insbesondere von den Bauernverbänden sowie den Haus- und Grundbesitzerverbänden herausgestellt worden sind. Ich weiß, daß die Bauernverbände mit Ihnen und auch mit dem Wohnungsbauministerium verschiedene Gespräche geführt und auf ihre Bedenken hingewiesen haben. Sie haben Sie auch gebeten, Herr Minister Ertl, Sie möchten im Hinblick auf das neue Urteil über die Besteuerung des Verkaufs von Grund und Boden Ihre Haltung revidieren, um zumindest zu einer verbesserten Form der Entschädigung beizutragen. Sie haben aber diese Eingabe des Bauernverbandes zur Besteuerung ebenfalls abgelehnt.
Ich will auf Einzelheiten des Städtebauförderungsgesetzes hier nicht eingehen.

(Zuruf von der SPD: Das ist auch besser so!)

Es ist auch nicht meine Aufgabe, heute darüber eine Debatte zu führen. Ich wollte nur sagen, daß die Regelung, auf die sich Herr Minister Ertl beruft, für die Landwirtschaft keineswegs akzeptabel ist und daß dagegen auch der Deutsche Bauernverband als Vertreter der Landwirtschaft ist.
Ich möchte aber noch etwas anderes ansprechen, Herr Bundesminister. Es gibt — das ist vorhin schon erwähnt worden — Leute Ihres FDP-Bundesvorstandes, die bewußt die Eigentumsfrage zur Diskussion stellen und sagen, Eigentum sei kein Tabu mehr. Lassen wir einmal die Jungdemokraten und auch die Jungsozialisten beiseite, für die ich Verständnis habe. Aber es gibt auch noch ganz andere, stellvertretende Ausschußvorsitzende in diesem Hause, die geachtet sind, die sich bewußt zur Frage des Eigentums äußern. Ich darf aus der „Oberhessischen Presse" vom 2. Oktober 1970 zitieren. In Marburg hat der Herr Kollege Martin Hirsch Ausführungen zum Bodenrecht gemacht. Er ergänzte z. B. Feststellungen zum Bodenrecht damit, daß er sagte, es sei eines der großen Versäumnisse der letzten Regierung gewesen, das Bodenrecht nicht geändert zu haben. Er fuhr fort, er halte es für unmöglich,



Niegel
daß Grund und Boden überhaupt noch in Privathand seien. Hören Sie sich einmal diesen Ausspruch an! Der dortige Oberbürgermeister Drechsler warf noch ein, man müsse zu einer Lösung kommen, wie sie die Sozialdemokratie vor hundert Jahren gefordert habe.

(Abg. Dr. Ritz: So rückständig ist man!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607829800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fellermaier?

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607829900
Bitte schön, Herr Kollege!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0607830000
Herr Kollege, haben Sie sich eigentlich einmal darum bemüht, vor Ihrer Rede die gesamten Ausführungen, die der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Martin Hirsch, dort gemacht hat, zu prüfen, Ausführungen, bei denen er sich — das darf ich hier sagen — sicherlich vom Godesberger Programm dieser Partei hat leiten lassen, das unverändert gerade auch für diese Fragen gilt?

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607830100
Herr Kollege Fellermaier, wenn Sie das Godesberger Programm so auslegen — wie es Herr Martin Hirsch ausgelegt hat —, daß der Grund und Boden nicht mehr in Privathand sein soll, dann gratuliere ich Ihnen zu dieser Erläuterung. Aber auch die Arbeitnehmerkonferenz der SPD in Schweinfurt hat am 10. und 11. Oktober eine ähnliche Forderung gestellt. Aber nicht nur das! Der SPD-Parteitag in München sprach sich in einer Entschließung für die Bodenkommunalisierung aus, ebenso der SPD-Unterbezirk von Bremen und auch der SPD-Oberbürgermeister Möller in Frankfurt. Es sind also nicht allein die Jungsozialisten und die Jungdemokraten,

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Auch in der Jungen Union gibt es solche Stimmen!)

es sind schon Leute, die man ernst nehmen muß. Ich möchte vor diesen eigentumsfeindlichen Tendenzen. ganz deutlich warnen.
Herr Bundesminister Ertl, wenn Sie schon, wie Sie sagen, sich für das Eigentum hinstellen — das hat auch der Herr Dr. Griesau in seinem Wahlbrief an die hessischen Bauern herausgestellt —, dann, meine ich, sollten Sie ebenfalls so viel Einfluß auf das Bundeskabinett nehmen und genommen haben, daß in der Bodenrechtskommission, die von Bundesminister Lauritzen einberufen wurde, auch Leute vertreten sind, die zumindest vom Eigentum her kommen, ferner entsprechend qualifizierte Juristen, Verfassungsjuristen, welche die Frage des Bodenrechts verfassungsrechtlich beurteilen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607830200
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit läuft langsam ab. Ich darf Sie bitten, zum Abschluß zu kommen.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607830300
Ich werde zum Abschluß kommen, Herr Präsident.
Geben Sie bitte eine Erklärung dazu, Herr Bundesminister, warum kein Vertreter der bäuerlichen Landwirtschaft in dieser Bodenrechtskommission ist, und geben Sie eine Auskunft darüber, warum kein Vertreter des Haus- und Grundbesitzes darin ist. Geben Sie eine Auskunft, warum keine bekannten Verfassungsrechtler darin sind. Sagen Sie vielleicht auch, ob Sie überhaupt dazu gehört worden sind. Falls nicht, würde ich mich an Ihrer Stelle beim Bundeskanzler beschweren, daß eine Bodenrechtskommission eingesetzt wird, die das Bodenrecht dahin gehend reformieren will, wie ich es vorhin zitiert habe.

(Abg. Saxowski: Das ist eine Behauptung, die völlig verdreht ist! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Abschließend möchte ich nur sagen, meine Damen und Herren, daß die Frage des Eigentums für uns keine Frage des Wahlkampfes ist. Wir werden auf jeden Fall, solange wir hier in der Opposition sind, aufpassen, daß mit dem Eigentum hier nichts passiert. Gerade die Landwirtschaft hat hier am meisten zu verlieren. Ich wünsche Ihnen, Herr Bundesminister Ertl, daß Sie Ihre Aufpasserrolle richtig ernst nehmen. Bisher haben Sie meines Wissens auf diesem Gebiet nicht das erfüllt, was Sie draußen in Bierzelten sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607830400
Das Wort hat der Abgeordnete Marquardt.

Werner Marquardt (SPD):
Rede ID: ID0607830500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lohnt nicht, auf das, was der Kollege Niegel gesagt hat, einzugehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch das dauernde Beschwören von Vermutungen macht die Dinge nicht real.
Aber in Wort zu dem, was der Genosse Dr. Ritz so mit großer Entrüstung — —

(Zurufe von der CDU/CSU: Genosse?)

— Kollege. Wir haben einmal eine Zeit gehabt, da unterschrieb man „Ritz, Schmidt und Genossen". Seitdem ist er mir in so guter Erinnerung, genossenschaftlich gesehen, so daß das entschuldbar bleibt.
Herr Kollege Ritz, Sie haben sich vorhin so sehr entrüstet und so getan, als hätten wir hier dargestellt, ein Jahr prachtvollster Entwicklung liege hinter uns. Ich finde, Sie sind einer Sinnestäuschung unterlegen. Sie sind nämlich der Wunschvorstellung nachgelaufen, als könne diese Debatte völlig so geführt werden, wie Sie sich das in der Anlage gedacht hatten: daß hier die Angeklagten auf der Regierungsbank säßen und Sie feste auf sie eindonnern könnten. Das ist eine Fehleinschätzung.

(Zuruf des Abg. Dr. Ritz.)

— Herr Ritz, in dieser Einschätzung, wie Sie sich das hier vorgestellt haben, gehe ich sicher nicht ganz fehl. Denn derjenige, der ohne kritische Distanz Ihre Große Anfrage mit den in Frageform gekleideten Unterstellungen gelesen hat, und wer die Pole-



Marquardt
mik, von Ihren Wahlrednern draußen verkauft, über sich ergehen lassen muß, konnte zu zwei verschiedenen, aber gleichermaßen falschen Schlußfolgerungen kommen.
Die erste Folgerung wäre die, daß er meinen könnte, die deutsche Landwirtschaft habe 20 Jahre prachtvollster Zeiten, 20 herrliche, goldene Jahre hinter sich, und erst in dem einen Jahr sozial-liberaler Koalition sei das große Chaos über sie hereingebrochen. Es gibt die zweite Schlußfolgerung, daß er nämlich meinen könnte, diese sozial-liberale Koalition sei gar schon 20 Jahre am Wirken, das Chaos — das Sie hier immer aufzeigen — sei die Folge ihres Tuns und es sei allerhöchste Zeit, daß die Opposition endlich an das Regieren komme, um ihre umwälzenden Vorstellungen in die Tat umzusetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es wurde sogar von „Bauchladen" gesprochen!)

— Ja, ja. — Es ist ein sehr simpler Versuch der Opposition, von den eigenen Fehlern und Unterlassungen der Vergangenheit abzulenken, den Schwarzen Peter anderen zuzuschieben und die Legende von der eigenen Unschuld und von der eigenen Vollkommenheit aufzubauen. Sie werfen dieser Regierung und den Regierungsparteien Halbwahrheiten am laufenden Band vor. Was Sie gebracht haben und was von Ihnen im Wahlkampf behauptet worden ist, das ist schon fast die volle Unwahrheit. Solche Fehldarstellungen, Herr Dr. Ritz, haben es an sich, daß sie, wenn man ihnen nicht ständig widerspricht, Wurzel fassen. Deshalb habe ich mich zum Wort gemeldet. Ich möchte nochmals einiges geraderücken, auch wenn Ihnen das langweilig erscheinen mag.
Zunächst zwei grundsätzliche Bemerkungen zur Preispolitik. Niemand — da ist sich das Haus wohl einig — mißgönnt der deutschen Landwirtschaft kostendeckende oder kostenorientierte Preise. Auch wir Sozialdemokraten anerkennen die Leistungen der Landwirtschaft für unsere Volkswirtschaft und wissen, mit welchen Schwierigkeiten die Landwirtschaft ringt. Deshalb wird ihr auch Hilfe zuteil. Meine Fraktion ist mit dem Koalitionspartner und der Regierung willens, das, was an preispolitischen Möglichkeiten gegeben ist, auszuschöpfen. Was wir darunter verstehen und was wir für möglich halten, haben wir unter der Ziffer 1 unseres Antrages niedergeschrieben. Das ist unsere Aussage zu diesem Bereich.
Allerdings haben wir — darin unterscheiden wir uns vielleicht von Ihnen, insbesondere sicherlich von Herrn Klinker — eine Selbstbeschränkung vorgenommen, weil wir die Augen nicht davor verschließen können, daß unserem Begehren bei administrativ festgelegten Preisen Grenzen gesetzt sind. Wie auch die Antwort der Regierung deutlich gemacht hat, leiden wir in der Europäischen Gemeinschaft — wir können das beklagen; aber es ist so — immer noch an strukturellen Überschüssen bei einzelnen Erzeugnissen. Daß die Landwirtschaft der Bundesrepublik daran am wenigsten beteiligt ist, ändert nichts an der Tatsache, daß diese Berge da waren, und bietet demjenigen, der davon betroffen ist, nur geringen Trost. Der Umstand, daß jetzt der Butterberg, der Zuckerberg und der Getreideberg fast weggeschmolzen worden sind, ändert die Tatsache auch nicht. Auf die Dauer und bei etwa noch größer werdender Produktion werden wir die enormen Mittel zur Denaturierung, zur Exportförderung politisch kaum noch vertreten und wegen der finanziellen Enge schwerlich noch aufbringen können. Wir haben eine Marktsättigung, und wir haben teilweise Überproduktion. Von daher läßt sich meines Erachtens eine pauschale allgemeine Preiserhöhung derzeit nicht durchsetzen. Hinzu kommt — das wissen Sie wie wir —, daß solche Preisbeschlüsse in Brüssel einstimmig getroffen werden müssen, und wir kennen doch aus leidvoller Erfahrung die Schwierigkeit eines solchen Begehrens. Wer dagegen Behauptungen von der Art, es sei wohl möglich, ein Plus von 15 % zu erreichen, aufstellt, betreibt Augenauswischerei.
Zum Beweis dafür, daß ich mit dieser Einschätzung, die die Regierung ja ebenso vertritt, nicht allein stehe, will ich einen Teil einer früheren Rede, die in diesem Hause gehalten worden ist, zitieren. Da heißt es:
Die vor allem unter einkommenspolitischen Gesichtspunkten getroffenen Preisbeschlüsse der Gemeinschaft waren bei einigen wichtigen Erzeugnissen nicht in der Lage, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen. Insbesondere bei Zucker und Milch sind strukturelle Überschüsse entstanden,
— das ist, nebenbei gesagt, jetzt auch noch so —
die nur mit steigenden finanziellen Aufwendungen auf den Märkten innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft untergebracht werden können. Obwohl der politische Druck in Richtung auf eine Senkung dieser Preise ständig wächst, wird die Bundesregierung bei den bevorstehenden Brüsseler Verhandlungen mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft mit Nachdruck für die Beibehaltung der derzeitigen Preisverhältnisse bei Milch und Zucker eintreten.

(Beifall in der Mitte.)

— So bescheiden waren Sie einmal, meine Damen und Herren! —
Andererseits muß klar ausgesprochen werden, daß bei den Waren mit strukturellen Überschüssen die Grenzen der Preispolitik eindeutig erreicht sind. Zur Eindämmung der wachsenden Kosten der Finanzierung dieser Überschüsse, die allein mehr als die Hälfte des gesamten Agrarfondsvolumens beanspruchen, ist die preispolitische Abstinenz bei Überschußproduktion eine sowohl agrar- wie auch finanzpolitische Notwendigkeit.
Und nun hören Sie den letzten Satz:
Eine Anhebung dieser Preise bei diesen Waren ist erst dann wieder möglich, wenn die steigende Nachfrage in das Angebotsvolumen hineingewachsen ist,



Marquardt
Sie werden es kaum glauben: der das gesagt hat, ist der frühere Minister Höcherl.

(Abg. Dr. Ritz: Das glaube ich sofort!)

Und das, was er gesagt hat, ist weiterhin gültig, denn die strukturellen Überschüsse sind weiterhin vorhanden. Das bleibt Wahrheit, Herr Ritz. Wahrheiten schmecken bitter, aber sie sind besser als Schönfärberei und Illusionsmacherei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD. — Abg. Dr. Ritz: Wir haben der Finanzregelung zugestimmt, ohne uns um das Marktgleichgewicht zu bemühen!)

— Auch richtig! — Aber nun eines, Herr Ritz: ob es uns gefällt oder nicht, es bleibt uns im Bereich der Preise nur ein enger Bewegungsspielraum. Und von daher haben wir den Rückschluß gezogen, daß die besondere Verpflichtung und die Notwendigkeit besteht, mit anderen Mitteln und Maßnahmen die Einkommenslage und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft verbessern zu helfen. Auch wenn Sie diesen Bereich der Politik nehmen, finden Sie in früheren Reden von Herrn Höcherl beherzigenswerte Feststellungen, die Ihre eigenen Legenden selbst widerlegen. Ich wundere mich, denn das, was er heute zur Regionalpolitik gesagt hat, steht in diametralem Widerspruch zu dem, was der gleiche Herr Höcherl, der ja Trapezkünstler eigener Art ist und trotz seines gedrungenen Körperbaues den dreifachen Salto ständig zustande bringt,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

sagte, als er vor anderthalb Jahren Herrn Schiller noch und noch lobte, und wovon er heute als Herr Höcherl gar nichts mehr wissen will.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Sehen Sie, die CDU/CSU stellt mit — ich will es einmal so vorsichtig ausdrücken — schöner Einfachheit in der Begründung ihrer Großen Anfrage fest, daß die Politik der Bundesregierung — dazu geführt habe, daß sich die Preis-Kosten-Schere zuungunsten der Landwirtschaft geöffnet habe. Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß Sie damit den Eindruck erwecken wollten, als sei diese Entwicklung — die Öffnung einer Preis-Kosten-Schere — etwas ganz Neues, als sei sie erstmalig als Folge des Tuns der neuen Regierung zu beobachten.

(Abg. Dr. Klepsch: Neu ist die ja nicht!)

Deshalb auch hier zwei Feststellungen. Erstens. Wie die Regierung überzeugend dargestellt hat, sind Ihre Behauptungen und Unterstellungen zumindest für das Wirtschaftsjahr 1969/70 unrichtig. Das zweite: Richtig ist dagegen, daß in der Vergangenheit unter 20 .Jahren Kanzlerschaft der CDU/ CSU tatsächlich eine Preis-Kosten-Schere entstanden ist. Wenn Sie es noch näher wissen wollen, lesen Sie die Reden des früheren Bauernverbandspräsidenten Rehwinkel nach. Der hält Ihnen am laufenden Band den Spiegel vor.
Ich will hier nicht alle möglichen Beispiele aufzählen. Rechnungsjahr 1966/67 Preisverfall 13 % bei pflanzlichen Erzeugnissen, 7 % bei tierischen Erzeugnissen; längerfristig gesehen für 1961 bis 1967 ein Rückgang im Preis von 14 % bei pflanzlichen Erzeugnissen, aber Lohnerhöhungen im landwirtschaftlichen Bereich um 53 %.
Meine Herren von der CDU/CSU, das ist die historische Wahrheit. Sie mögen sagen: Was soll man schon mit statistischen Durchschnittszahlen, mit Indexziffern kann man alles begründen. Wenn Sie aber so argumentieren — Sie haben es heute zum Teil versucht —, müssen Sie sich den Spiegel der Vereinfachung selbst vorhalten, und Sie müssen das dann auch für die Ertragslage der Landwirtschaft gelten lassen. Damit meine ich, daß es ein bißchen zu einfach ist, immer nur von der Landwirtschaft und der Ertragslage der Landwirtschaft zu sprechen. Sie wissen auch um die Einkommensunterschiede zwischen Hackfrucht- und Futterbaubetrieben, zwischen den Betriebsgrößen und in den Problemgebieten. Deshalb kann man mit pauschalen Maßnahmen, mit den klassischen Mitteln der Agrarstruktur nicht weiterkommen und schon gar nicht mit den „Gießkannen"-Hilfen unseligen Angedenkens. Von daher sind wir darangegangen, eine Bündelung agrarstruktureller, marktstruktureller, sozialpolitischer und regionalpolitischer Maßnahmen vorzunehmen und individuell zum Einsatz zu bringen.
Noch etwas, was Sie sich in Erinnerung rufen sollten: Wir haben erste gute Ansätze mit dem Agrarprogramm der Großen Koalition gehabt, übrigens einem Programm, für das Sozialdemokraten tatkräftig Entwicklungshilfe geleistet hatten. Wir haben das Marktstruktur- und das Marktfondsgesetz aus diesem Hause heraus entwickelt. Aber leider ist so vieles, was daraus möglich gewesen wäre, unerfüllt geblieben, wobei ich nicht untersuchen will, aus welchen Gründen; auch das ist heute schon angesprochen worden. Die sozialliberale Koalition ist ein Stück darüber hinausgegangen. In Richtung auf eine moderne Agrarpolitik haben wir erstmalig durch das hier schon beschriebene einzelbetriebliche Förderungsprogramm ein umfassendes, in sich geschlossenes und vor allem zukunftweisendes Instrumentarium geschaffen, das Hilfe zur Selbsthilfe, zur Anpassung und zur Umstellung in der Landwirtschaft geben soll.
Nun, wir geben es zu, das ist kein bequemes Papier. Das setzt im Bereich der Investitionsförderung beispielsweise harte Kriterien und Voraussetzungen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607830600
Herr Kollege, die Zeit läuft ab.

Werner Marquardt (SPD):
Rede ID: ID0607830700
Aber auch das bejahen wir. Meine Herren Bewerunge, Dr. Ritz, wie ich Sie hier sitzen sehe, wie viele Gedanken haben wir uns im Ausschuß auch darüber gemacht, welche Fehlinvestitionen und Fehlentwicklungen es in der Vergangenheit gegeben hat. Wir sind der Meinung, daß für unsere Landwirtschaft und ihre Dispositionen Stunden der Wahrheit und der Klarheit hilfreich sind. Wir wollen nicht, daß die Schallplatten der Vergangenheit wieder aufgelegt und gespielt



Marquardt
werden. Wir werden gemeinsam mit unserem Koalitionspartner die begonnene neue Agrarpolitik fortsetzen, auch gegen Obstruktion und Widerstand Neu- oder Altkonservativer durchsetzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607830800
Das Wort hat der Abgeordnete Bittelmann.

Otto Bittelmann (CDU):
Rede ID: ID0607830900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung behauptet, genau wie der Herr Minister Ertl es gestern nachmittag und heute vormittag wieder getan hat, die Landwirtschaft habe an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilgenommen. Mit solchen Behauptungen ist den Landwirten nicht geholfen, insbesondere dann nicht, wenn sie feststellen müssen, daß das nicht zutrifft.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Herr Minister Schiller hat heute gesagt, der Einkommensabstand sei nicht größer geworden. Er hat wahrscheinlich das Wirtschaftsjahr 1969/70 gemeint. Es geht aber darum, jetzt exakte Unterlagen über die derzeitige Situation der deutschen Landwirtschaft zu erstellen und festzustellen, welche Möglichkeiten der Entwicklung sie mittel- und langfristig hat, um ein gleichrangiger Partner in der Volkswirtschaft zu werden; nur dann lassen sich die nötigen Schlußfolgerungen ziehen. Dazu gehört vor allem, daß die gesamte Kostensituation und hier insbesondere die Belastungen durch das Fremdkapital genau beobachtet werden.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, in welchem Maße die wirtschaftlichen Betriebe durch die Kreditkostenerhöhung auf Grund der Diskonterhöhung zusätzlich belastet werden, halte ich für unbefriedigend.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Der Hinweis, daß keine Agrarkreditstatistik besteht, ist, glaube ich, ein Ausweichen. Es wäre für die Regierung ein leichtes gewesen, sich bei den führenden Agrarkreditinstituten zu informieren

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

und dann darzulegen, wie die Situation in Wirklichkeit ist.

(Abg. Bewerunge: Sehr wahr!)

Im März dieses Jahres hat Herr Staatssekretär Dr. Griesau auf eine Frage des Abgeordneten Schröder (Sellstedt) geantwortet. Die Frage war: Wie werden sich die Belastungen auswirken? Die Antwort: Er werde sich informieren und dann die Information bekanntgeben. Das ist bis heute noch nicht geschehen. Das zeigt doch, daß hier möglicherweise bewußt eine Unterrichtung unterlassen worden ist und daß das Ergebnis wahrscheinlich für die Landwirtschaft nicht sehr günstig ausgefallen wäre.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es ist offensichtlich, daß in diesem Jahr die Landwirtschaft durch die Entwicklung der Erzeugerpreise einerseits und der Produktionskosten andererseits in eine ganz beachtliche Liquiditätsenge geraten ist. Finanzierungen aus Eigenkapitalbildungen kommen überhaupt kaum in Betracht. Das Ausweichen auf den Agrarkredit zur Überbrückung ist bei den augenblicklichen Konditionen kaum zu verantworten. Aus der Antwort der Bundesregierung geht zwar hervor, daß bei langfristigen Krediten unter Hinzurechnung der Zinsverbilligung im Augenblick mit einem Anstieg des bisherigen Zinssatzes um 1 1/2 % zu rechnen ist. Das würde bei langfristigen Krediten allerdings schon eine Zinssteigerung von 50 % bedeuten. Aber führende Agrarkreditinstitute, bei denen ich mich erkundigt habe, haben mir vorgerechnet, daß die Landwirtschaft für das Fremdkapital für die kurz-, mittel- und langfristigen Kredite, im Kalenderjahr 1970 im Vergleich zu 1969 auf Grund der Erhöhung des Zinssatzes 270 Millionen DM zusätzlich aufbringen muß. Meine Damen und Herren, darin sind nicht die kurzfristigen Verbindlichkeiten oder die Warenkredite beim Landhandel enthalten. Sie können auch sagen: die Warenschulden, die die Landwirte beim Landhandel haben, die eine Größenordnung von 3 Milliarden DM ausmachen. Dort schlägt der Zins von 12% mindestens heute voll durch.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es im vorigen Jahr noch 8 % waren, bringen die 4 % mehr bei 3 Milliarden DM noch einmal 120 Millionen DM Zinsen, so daß die Landwirtschaft am Ende dieses Jahres 390 Millionen DM Zinsen mehr aufzubringen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Viertel des Betrages, den die Landwirtschaft insgesamt in diesem Jahr an Zinsleistungen zu erbringen hat. Das sind 25 % Zunahme während eines Jahres!
Nun, meine Damen und Herren, geben Sie genau acht! Im Jahre 1970 muß die Landwirtschaft 390 Millionen DM an Zinsen mehr aufbringen. Im Haushaltplan der Bundesregierung steht eine Zinsverbilligung von 392 Millionen DM. Das heißt, wer gehofft hat, einen erheblichen Betrag für Zinsverbilligungen zu bekommen — 392 Millionen DM —, muß auf der anderen Seite feststellen, daß wir nun 390 Millionen DM in die Hand nehmen müssen, um den gestiegenen Zinssatz auszugleichen.

(Abg. Ehnes: Das ist die Wahrheit!)

Meine Damen und Herren, an der Preisentwicklung durften wir nicht teilnehmen, um für die Stabilität zu sorgen, wie Herr Minister Schiller gesagt hat. Aber an den gestiegenen Zinsen durften wir partizipieren; auf diesem Gebiet müssen wir auch unseren Teil aufbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht hier aber nicht um die Konditionen und um die Zinsen allein, sondern auch um die Kreditfähigkeit unserer Betriebe. Noch vor wenigen Jahren sagte Herr Direktor Noell von der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf einer Tagung in Hannover: Wir Bankleute haben es ja sehr einfach. Wir können der Landwirtschaft über die Theke praktisch jeden Kredit geben, ohne ein Risiko einzugehen, weil wir



Bittelmann
wissen, daß der Wert der Betriebe relativ hoch ist, die Zinsen aber relativ niedrig sind, wenn man die Zinsverbilligung berücksichtigt. — Die Banken gingen also kein Risiko ein. Die Landwirte konnten die Kredite aufnehmen und ihre Betriebe entsprechend ausstatten.
Heute ist das ganz anders. Heute ist nicht mehr der Substanzwert, sondern der Ertragswert für die Kredithergabe der Institute maßgebend. Und mit dem Ertragswert sieht es traurig aus. Immer weniger Betriebe wirtschaften noch mit Plus und sind den Banken gute Kunden. Das muß einmal ganz deutlich gesagt werden.
Meine Damen und Herren, es stimmt zwar, daß alle Bereiche von den Steigerungen der Zinsen und von den Kreditkonditionen, die so viel schwerer geworden sind, betroffen sind. Im Unterschied zu anderen Wirtschaftsbereichen können wir Landwirte diese gestiegenen Zinssätze aber nun leider nicht auf unsere Verkaufsprodukte abwälzen. Konstante oder gar sinkende Erzeugerpreise — ich glaube nicht daran, daß die Milch noch 40 Pf kostet; in meinem Betrieb bekomme ich für den Liter 3,7%ige Milch 5 Pf weniger, als ich vor einem Jahr erhalten habe; Herr Minister Ertl mag hier vielleicht einen Sonderfall zitiert haben; ich kenne im Raume Nordhannover auch noch eine andere Molkerei, wo es zu hohen Milchpreisauszahlungen kommt, aber im Durchschnitt kommt es nicht dazu —, sinkende Preise für Milch, Eier, Geflügel und jetzt auch ganz erheblich sinkende Preise das haben wir heute wiederholt gehört — bei den Schweinen und dazu die erheblich geringeren Erlöse auf Grund einer schlechteren Getreideernte haben die Betriebe in arge Bedrängnis gebracht und die Einnahmen arg zusammenschmelzen lassen. Wenn ich weiter daran denke, in wie vielen Gebieten in diesem Jahr Hochwasser- und Dürreschäden zu verzeichnen waren
— die Ausfälle betrugen 20, 30 und teilweise sogar 40 % , dann werden Sie mir zugestehen müssen, daß es mit dem Teilhaben der Landwirte an der Einkommens- und Wohlstandsentwicklung nicht weit her ist.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Herr Bittelmann, da haben Sie recht! Das stimmt!)

— Das geben Sie mir zu, Herr Schmidt. Dafür bin ich Ihnen dankbar.
Ich habe auch an die Bundesregierung geschrieben und darum gebeten, denen, die so arg betroffen sind, zu helfen. Mir ist aber daraufhin mitgeteilt worden, dafür seien die Länder zuständig. Mit den Ländern ist das aber so eine Sache. Ich möchte hier lobend Schleswig-Holstein erwähnen, das in einem solchen Fall Kredite bis zur Höhe von 60 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat, und zwar nicht zu einem um 4 % verbilligten Zinssatz, sondern zu einem Zinssatz von 4 %. Meine Damen und Herren, das war von dem Land Schleswig-Holstein eine Tat, die diese armen Leute, die in Bedrängnis geraten waren, wohl zu schätzen wissen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, den Aussagen namhafter Agrarwissenschaftler anläßlich des Hearings zum Förderungsprogramm haben wir — wir taten das mit Besorgnis — entnehmen müssen, daß das landwirtschaftliche Realpreisniveau in den nächsten Jahren möglicherweise jährlich um 4 % sinken wird. Wenn das der Fall sein sollte, werden die Finanzierungsmöglichkeiten, die wir haben, noch erheblich weiter eingeschränkt; sie werden sich verschärfen, vor allen Dingen dann, wenn die Bundesregierung dagegen nichts tut. Die Bundesregierung muß versuchen, die Stabilität wiederherzustellen.
Im Förderungsprogramm — das ist von Herrn Kollegen Ritz hier schon gesagt worden — ist zwar vorgesehen, daß uns eine Zinsverbilligung um 4 % gewährt werden soll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem augenblicklichen Zinsniveau reicht eine Verbilligung um 4 % nicht aus, um Kredite in der Landwirtschaft aufnehmen zu können.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Gehen Sie mal zur Bundesbank!)

Der Kapitaldienst, der sich daraus ergibt, beträgt nach wie vor 8 bis 9 %. Einen Kapitaldienst von 8 bis 9 % können wir insbesondere in der augenblicklichen Situation, wo wir eine Abwärtsbewegung bei den Preisen haben, nicht herauswirtschaften. Das ist ausgeschlossen. Ich selber bin praktischer Landwirt. Ich weiß, bis zu welchem Zinssatz ich Investitionen bestenfalls noch verzinsen kann.
Da müssen wir unseren Berufskollegen raten, größte Vorsicht walten zu lassen. Aber wenn die Landwirtschaft nicht mehr investiert, wenn sie es nicht mehr wagt, Investitionen zu diesen Zinssätzen vorzunehmen, gerät sie mehr und mehr in die roten Zahlen. Hier ist also irgendeine Hilfe dringend erforderlich. Wenn die Zinssätze am freien Kapitalmarkt nicht bald erheblich sinken — und, meine Damen und Herren, keiner von uns hier in diesem Hohen Hause glaubt wohl daran, wenn die Bundesregierung selber Anleihen zu 8 1/2% herausgibt, die eine Rendite von 9,2 % erbringen —, dann kommen wir in der Landwirtschaft gar nicht mehr mit.
Es ist erfreulich, daß Herr Minister Ertl gesagt hat: Ich war ja für eine Erhöhung der Zinsverbilligung. Herr Minister Ertl, wir hätten es begrüßt, wenn das bereits in diesem Entwurf zum Förderungsprogramm zum Ausdruck gekommen wäre, wie Herr Ritz vorhin schon betont hat. Dann hätten wir um diesen Fall wahrscheinlich nicht mehr zu streiten brauchen, und Sie hätten sagen können: Jawohl, ich war für eine Erhöhung der Zinsverbilligung, und nun steht sie im Förderungsprogramm drin. Wenn sich die Finanzminister der Länder dagegen ausgesprochen haben, dann, Herr Minister Ertl, müssen wir uns etwas einfallen lassen, um der Landwirtschaft ein Äquivalent zu bieten. Es ist schon einmal von Sockelbeträgen gesprochen worden. Der Ansatz dafür im Haushalt ist sehr gering. Ich glaube, er beträgt ganze 64 Millionen DM. Ich weiß nicht, was Sie mit den 64 Millionen DM vorhaben. Aber wenn Sie wollen, daß wir investieren, daß wir fortschrittlich bleiben, müsen uns andere Maßnahmen zur Verfügung stehen als diese Zinsverbilligung um 4 %.
Meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit sollte ich auch einmal erwähnen, daß die Gesamtbelastung mit Fremdkapital — nicht etwa, weil die



Bittelmann
CDU so lange an der Regierung war — nunmehr den Betrag der gesamten Einheitswerte in der Bundesrepublik überschritten hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Wer von uns Landwirt ist und rechnen kann, weiß, daß damit der Hektar mit 2000 DM Fremdkapital belastet ist. Bei niedrigen Zinssätzen und erträglichen Zinsverbilligungen ist das zu verkraften. Aber 2000 DM pro Hektar hoch zu verzinsen bedeutet allein schon eine volle Pacht. Es ist nicht möglich, solche Verzinsungen noch weiter ansteigen zu lassen, indem man bei einer Zinsverbilligung um 4 % mit einem Kapitaldienst von 8 bis 9 % investiert.
Ich bin der Ansicht wie Sie, Herr Minister Ertl, daß uns eine erhöhte Zinsverbilligung genutzt hätte. Sie hätte nicht zu einem Aufpulvern und zu einem Anheizen des Booms geführt, sondern sie hätte in bescheidenem Maße dazu beigetragen, die rapide zunehmende Verschuldung der Landwirtschaft abzustoppen. Meine Damen und Herren, wie sollen die landwirtschaftlichen Betriebe sonst Investitionen finanzieren? Wenn die Erzeugerpreise sinken — das steht fest —, wenn sie unter ständigem Preisdruck stehen, wenn die Produktionskosten steigen — auch das steht fest , wenn eine Eigenkapitalbildung — das wissen die Landwirte - heute so gut wie ausgeschlossen ist und wenn der Zins unerschwinglich ist, auch noch unerschwinglich trotz der Zinsverbilligung um 4 %, können wir Investitionen nicht verkraften.
Nach Aussage von Herrn Dr. Noell — ich habe ihn vorhin schon einmal zitiert; ich glaube, er ist ein Fachmann auf diesem Gebiet — befinden sich im Augenblick 75 % unserer landwirtschaftlichen, nennen wir es ruhig einmal: Vollerwerbsbetriebe in einem labilen Zustand. Das weitere Schicksal dieser 75 % der Betriebe, die sich in einem labilen Zustand befinden, wird also davon abhängen, wie die künftige Preis-Kosten-Entwicklung sein wird. Dabei wird auch entscheidend sein, wie die Finanzierungshilfen sind, ,die die Bundesregierung zu geben gewillt ist. Die Alternative heißt hier also: entweder kostengerechte Preise oder verbesserte Finanzierungsbeihilfen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607831000
Ihre Zeit läuft ab, Herr Kollege.

Otto Bittelmann (CDU):
Rede ID: ID0607831100
Vor mir liegt das Konzept der FDP zur Agrarpolitik mit den zehn Punkten. Herr Minister Ertl und Herr Staatssekretär Logemann, wir haben den dringenden Wunsch, daß Sie aus diesem Zehn-Punkte-Programm einen Punkt erfüllen. Vielleicht ist es ein wichtiger. Ich darf diesen Punkt, der unter Nr. 3 angeführt ist, einmal zitieren:
Eine auf die Kostendeckung ausgerichtete Erzeugerpreispolitik ist nach wie vor Kernstück landwirtschaftlicher Einkommenspolitik. Zur Durchsetzung höherer Erzeugerpreise erwartet die FDP eine härtere Verhandlungsführung der Bundesregierung.
Herr Minister Ertl, Sie haben es schwer, wenn Sie in Brüssel verhandeln. Sie haben durchblicken lassen, daß möglicherweise Preiserhöhungen für unsere Erzeugnisse drin sind. Ich habe Ihnen die Alternative aufgezeigt: entweder günstigere Finanzierungsmöglichkeiten oder Preisanstieg. Andernfalls sind wir nicht mehr in der Lage, Investitionen vorzunehmen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607831200
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zu einem Abschluß kommen. Die 15 Minuten sind überschritten.

Otto Bittelmann (CDU):
Rede ID: ID0607831300
Ja.
Die Tatsachen, die ich hier aufgeführt habe, die Preissteigerungen und die Preiseinbußen, stehen im krassen Gegensatz zu dem, was von der Bundesregierung behauptet wird, daß nämlich die Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommens- und Lohnentwicklung teilgenommen habe. Die Landwirte erwarten daher — und wir hier, die wir aus der Landwirtschaft kommen, möchten das unterstützen —, daß sich die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nach dem Grundgesetz bewußt ist und gleichmäßig für das Wohl aller in unserem Staat sorgt. Zu ihnen gehören auch die in der Landwirtschaft tätigen Menschen und ihre Familien.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607831400
Meine Damen und Herren, ich spreche dem Kollegen Bittelmann für seine Jungfernrede den Glückwunsch des Hauses aus.

(Beifall.)

Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Klinker.

Hans-Jürgen Klinker (CDU):
Rede ID: ID0607831500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute morgen hat es der agrarpolitische Sprecher der SPD-Fraktion für notwendig gehalten, Ausführungen zu machen, die sich mit der verbandspolitischen Arbeit und auch mit meiner Person beschäftigten. Gestern war Herr Dr. Schmidt Gast beim Deutschen Bauerntag und hat die Worte des Präsidenten Freiherr von Heeremann gehört. Er sagte, Aussagen in einer solchen Versammlung sollten nicht parteipolitisch mißbraucht werden. Ich muß sagen, verehrter Herr Dr. Schmidt, die ausgezeichneten Ausführungen von Herrn Ehnes hätten für Sie eigentlich Veranlassung genug sein sollen, detailliert auf diese fundierten Ausführungen zu antworten und nicht in eine Polemik auszuweichen. Denn, Herr Dr. Schmidt, Sie wissen ja ganz genau, wie sich die Meinungsbildung im berufsständischen Leben vollzieht; Sie waren ja Präsident des Kleinbauernverbandes, den Sie dann in den Bauernverband überführt haben. Sie wissen also ganz genau, daß ein Präsident nicht machen kann, was er will, sondern daß die demokratisch gewählten Organe zur Beschlußfassung treiben und daß das dann durchzuführen ist, was diese demokratisch gewählten Organe beschließen.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Ich bin sogar noch Mitglied dieses Verbandes!)




Klinker
— Deswegen spreche ich ja auch zu Ihnen.
Ich darf Ihnen sagen, Herr Dr. Schmidt, daß im Grunde genommen die ganze Frage, weswegen die Bauernverbände so unruhig sind gestern doch in aller Deutlichkeit erörtert worden ist und daß die Beschlüsse des Deutschen Bauernverbandes, demonstrative Aufklärungsaktionen in einzelnen Teilen der Bundesrepublik durchzuführen, Ihnen sicherlich nicht unbekannt gewesen sind.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Demonstration in Hamburg mit äußerster Disziplin abgelaufen ist, wenn auch leider Gottes dieses eine Schild dazwischengekommen ist, an dem Sie sich nun polemisch aufhängen.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das hätten Sie verhindern müssen!)

Wenn da 10- oder 12 000 Mann stehen, können Sie nicht jedes einzelne Schild prüfen.
Und noch etwas: Die Schilder, die andere Demonstranten teilweise gezeigt haben, begrüße ich auch nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber Sie sollen wissen, Herr Dr. Schmidt, daß ich das „El Fatah" nicht unterstreiche.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das freut mich!)

Sie haben ja gestern gehört, was der Deutsche Bauernverband erklärt hat. Er wird, was die Möglichkeiten der nationalen Agrarpolitik betrifft, im Februar oder spätestens im März eine Bilanz ziehen und sich überlegen, welche legalen Mittel er einsetzen muß, um das Lebensrecht unserer Landwirte zu erhalten. Ich glaube, das ist ein legales Recht. Darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten.
Ich bin ebenfalls der Meinung, daß in Bad Godesberg sehr klare Beschlüsse gefaßt worden sind. Ich möchte deutlich zum Ausdruck bringen, daß die Ausgangsbasis für diese Aktionen des Deutschen Bauernverbandes und der regionalen Bauernverbände letztlich die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts, d. h. also des Preisindex von 1960 bis zum ersten Halbjahr 1970 ist: Die Preissteigerungen betragen in diesem Zeitraum in der verarbeitenden Industrie 25%, in Handel und Verkehr um 35 %, im Dienstleistungssektor um 80 %, im Baugewerbe um 58 %, in der Energiewirtschaft um 19 % und in der Land- und Forstwirtschaft um 11 %. Darum geht es im Grunde genommen. In der Regierungserklärung steht klar, was sich die Regierungsparteien vorgenommen haben. Gestern haben Sie gemerkt, daß der größte deutsche Berufsverband — das ist nun einmal der Deutsche Bauernverband — gewillt ist, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um diese Schwierigkeiten auszuräumen.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Das akzeptieren wir!)

Deswegen bin ich der Meinung, daß Ihre Polemik, verehrter Herr Dr. Schmidt, falsch am Platze war.
Dann haben Sie noch Kiel und Mansholt erwähnt. Herr Mansholt hat viel gelernt, Herr Dr. Schmidt.
Er hat eine verbesserte Vorlage gemacht, und er wird sie noch besser machen, wenn wir um die Lösung der Probleme hart ringen.
Sie haben gefragt, was denn nun richtig sei: 10 oder 15%? Sie wissen genauso gut wie ich, daß 10 % nicht genügen, um die Disparität zu beseitigen. Aber eine harte Verhandlungstaktik in Brüssel — ich kann nur hoffen, daß es dem Minister Ertl gelingt, diese Verhandlungen hart zu führen — kann durchaus dazu führen, daß ein Grenzausgleich beschlossen wird, ohne das Prinzip des Gemeinsamen Marktes zu verändern. Dabei hätte die Kommission das Vorschlagsrecht, und der Ministerrat hätte dann die Preise nach den nationalen Kosten festzusetzen. Dann würde nämlich der Steuerzahler Geld sparen. Aber wenn diese Dinge nicht vorgetragen werden, wenn nur abgewehrt wird, wenn keine Vorstöße gemacht werden, wenn — das sage ich auch im Hinblick auf die gestrigen Äußerungen — die deutsche Regierung nicht endlich einmal unabdingbare Forderungen stellt — andere Länder verstehen es auch, solche Forderungen zu stellen —, werden keine Erfolge zu verzeichnen sein. Darum geht es dem Deutschen Bauernverband bei seinen ganzen Anstrengungen.
Herr Dr. Schmidt, zum Schluß möchte ich Ihnen sagen, Sie haben der Solidarität im Deutschen Bauernverband einen sehr guten Dienst erwiesen. Die deutschen Bauern werden auf Grund der Ausführungen, die Sie gemacht haben, und auch auf Grund meiner Ausführungen, die ja in allen Verbandsorganen erscheinen werden, sehr wohl zu wählen wissen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607831600
Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0607831700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf zwei — wie ich glaube — wesentliche Punkte eingehen, die in den verschiedensten Beiträgen der Oppositionssprecher aufgetaucht sind. Erster Punkt: Die Regierung ist an allem schuld! Zweiter Punkt: Die Agrarpreise sind zu niedrig und müssen höher sein.
Zum ersten Punkt lassen Sie mich sagen: Niemand wird erwarten, daß die Opposition die Regierung lobt. Das ist nicht ihre Aufgabe. Aber jeder wird erwarten, daß die Opposition sich schon um des Effektes willen bemüht, eine Opposition aus einem politischen Guß zu führen, und das bedeutet, daß man sich entscheiden muß:
Entweder bekennt man sich zu der eigenen 20jährigen Regierungszeit und zu dem, was in dieser Zeit geschehen ist. Dann kann man nicht der Regierung Brandt/Scheel, die ein Jahr im Amt ist, alle Probleme und alle Erscheinungen anlasten, deren Ursachen weit vor dem Antritt dieser Regierung zu datieren sind, so wie es in gewisser Hinsicht Herr Klinker eben getan hat. Es ist nicht möglich, in einem Jahr die Probleme der Landwirtschaft so weit zu klären, daß solche Erscheinungen, wie sie hier —



Löffler
zum Teil mit Recht — dargestellt worden sind, nicht mehr auftreten.
Oder man sagt als Opposition: Wir trennen uns von unserer eigenen politischen Vergangenheit und von unserer politischen Verantwortung und machen die Regierung tatsächlich für alles voll verantwortlich. Aber, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, davor möchte ich warnen; denn dadurch gestehen Sie sich selbst indirekt ein, daß Ihre zwanzigjährige Politik insofern gescheitert ist, als es Ihnen nicht gelungen ist, eine Politik zu betreiben, die durch festgelegte Entwicklungen auch in die Zukunft hineinwirkt. Die zwanzigjährige Agrarpolitik der CDU hätte doch — mit ihren eigenen Worten gesprochen und ihren Gedankengängen folgend — so gut sein müssen, daß sie ein Minister der sozialliberalen Koalition gar nicht in einem Jahr hätte zerstören und solche Zustände in der deutschen Landwirtschaft hätte herbeiführen können. Hier müßten Sie sich erst einmal entscheiden, wie Sie Ihre eigene politische Stellung in diesem Bereich sehen wollen.
Völlig unmöglich erscheint es mir, je nach dem politischen Anlaß und je nach dem Bedarf das eine oder das andere Roß für die politische Schlacht zu satteln. Es gibt zwar in der deutschen Sprache nicht den Ausdruck „Doppelrössigkeit" ; aber es gibt den Ausdruck „Doppelzüngigkeit". Ich glaube, daß dieser Ausdruck genau auf den Tatbestand zutrifft, den wir leider in vielen Debatten zu verzeichnen haben, wo Sie von jeweils nach den Bedarf wechselnden Argumentationsansätzen ausgehen und Ihre Darlegungen bringen.
„Ein Jahr Regierung ist genug!", hat Herr Ehnes vorhin gesagt; ich würde sagen: „Ein Jahr Opposition ist auch genug, um —

(Zurufe: Vorsicht! und Beifall der CDU/CSU)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke herzlich für diesen Beifall. Sie hätten nur den verkürzten Nebensatz abwarten müssen, den ich jetzt mit „um" einleite: um die grundsätzliche politische Plattform für die harte Arbeit innerhalb der Opposition zu finden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein weiterer unvereinbarer Dualismus scheint mir zum Beispiel darin zu liegen, daß Sie auf der einen Seite — das haben Sie oft genug getan — eine globale Kürzung des Haushalts fordern, aber in den einzelnen Fachbereichen jeweils noch etwas aufstocken wollen, ohne im einzelnen zu sagen, woher Sie das Geld nehmen wollen.

(Zuruf des Abg. Bittelmann.)

— Herr Bittelmann, auch uns befriedigt die Zinssituation nicht, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir haben auch in unserer Gruppe darüber gesprochen, ob nicht eine Verbesserung möglich ist. Aber wo ist in diesem so genau kalkulierten Einzelplan 10 noch etwas möglich? Sie müßten dann, Herr Dr. Ritgen, auch sagen, woher Sie das Geld nehmen wollen. Im übrigen darf ich anfügen, daß die Diskontsätze nicht ewig sind und daß es die Politik der Bundesregierung ist, gerade darauf hinzuwirken,
daß die Bundesbank wieder die Handlungsfreiheit erhält, die Diskontsätze zu senken.
Ich glaube, diese Politik, einmal globale Kürzungen, zum anderen aber in Einzelfällen mehr zu fordern, ist ein Widerspruch in sich selbst. Sie erinnert mich ein wenig an einen Ehemann, der seine Frau weniger Kostgeld gibt, aber dann von ihr besseres Essen, mehr Getränke und bessere Wohnverhältnisse verlangt. Als ich meiner Frau ähnliche Gedankengänge vortrug, wollte sie darin Anzeichen einer Schizophrenie erkennen. Aber lassen wir den Ausdruck Schizophrenie, sprechen wir lieber von dem edleren Wort „der zwei Seelen in einer Brust". Ich habe manchmal noch in anderer Hinsicht das Empfinden, als ob Sie zwei Seelen in einer Brust hätten, einmal eine nationale und einmal eine europäische. Auf der einen Seite fordern Sie mit Recht — und das findet auch bei anderen Parteien Unterstützung —, daß das politisch vereinigte Europa so schnell wie möglich kommt, weil das in unserer heutigen Welt eine Lebensnotwendigkeit für unseren Kontinent ist. Das bedeutet aber andererseits, daß wir Abschied nehmen müssen von einer Politik, die sich in erster Linie um nationale Belange kümmert, Abschied nehmen müssen von einer Politik des nationalen Vorteils. Herr Höcherl selbst ist es gewesen, der hier am 11. März gesagt hat, daß es ihm als Landwirtschaftsminister ebenfalls nicht gelungen ist, höhere Preise in Brüssel durchzusetzen. Der jetzige Landwirtschaftsminister, Herr Ertl, hat hier bekundet, was er in dieser Hinsicht tun wird. Ich glaube, man sollte das dann auch wirklich anerkennen und an den tatsächlichen Gegebenheiten messen. — Ich möchte mich jetzt nicht weiter mit den Widersprüchen in Ihren Aussagen beschäftigen, das werden die Historiker später sehr viel besser tun als ich.
Einiges zu den Agrarpreisen. Zu den Agrarpreisen hat die Regierungskoalition klar Stellung genommen. Es liegt ein Antrag von uns vor; Sie haben ihn gelesen. Wir haben in der Anfrage etwas darüber ausgesagt; Herr Minister Ertl und auch Minister Schiller haben heute dazu Stellung genommen. Überall dort, wo es möglich und nötig ist, werden wir uns bemühen, die Agrarpreise angemessen zu erhöhen, soweit das eben in unserer Macht steht. Dazu sage ich jetzt allen Ernstes: Wir müssen aber auch gleichzeitig darauf hinweisen, daß sich die Probleme der Landwirtschaft nicht allein mit einer Anhebung der Erzeugerpreise lösen lassen. Wir wissen — Herr Dr. Ritz ist vorhin darauf eingegangen —, daß etwa von 1880 an, dem Beginn des landwirtschaftlichen Einfuhrschutzes, der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Einkommenspolitik auf preispolitischen Maßnahmen gelegen hat.
Wir müssen aber erkennen, daß wir im Rahmen der EWG eine solche Politik nicht mehr total durchführen können, ganz abgesehen davon, daß dieser These, daß das Einkommen in erster Linie aus den Erzeugerpreisen zu fließen hat, schon seit Jahrzehnten von namhaften Vertretern der Wirtschaftswissenschaft und der Agrarwissenschaft widersprochen wird. Ich will hier gar nicht so weit gehen, wie ich es neulich in einer Verlautbarung der Vereinigung

Löffler
der Wirtschaftsdienste gelesen habe, wonach die Fiktion, daß die Agrarpreise der Lohn der Landwirtschaft seien, zu den größten Lügen unserer Agrarpolitik gehöre. Aber ich möchte mich dennoch gerade mit diesem Satz beschäftigen, weil ich glaube, daß durch diesen Satz eine Bewußtseinsänderung in der Bevölkerung signalisiert werden kann, die uns eventuell dabei hinderlich sein wird, die Probleme der Landwirtschaft zu lösen und wirkungsvoll anzupacken. Denn solche Worte kommen bei den Verbrauchern selbstverständlich nicht allzu gut an. Es sollte dabei bleiben: Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung die große Bedeutung herausgestrichen, die die sozial-liberale Koalition der Lösung unserer agrarpolitischen Probleme beimißt. Die Regierung hat es in diesem einen Jahr auch auf diesem Gebiet nicht an Entschlossenheit und Taten fehlen lassen, auch wenn Sie ,das anders sehen. Vorhin hat Herr Dr. Ritz gesagt, wir malen alles weiß. Das ist so; das ist eine schöne Kontrastfarbe zu schwarz. Sie malen alles schwarz. Vielleicht lassen sich da einige Abtönungen hineinbringen, Herr Dr. Ritz, die dann die ganze Debatte ein wenig versachlichen würden. Aber eine solche entschlossene Reformpolitik, wie sie die Regierung betreiben will, kann dadurch gefährdet werden, daß unrealistische, die Öffentlichkeit beunruhigende und zum Teil schockierende Forderungen erhoben werden, von denen jeder weiß, daß sie sich nicht realisieren lassen.
Die Hinweise, daß immer weniger Verständnis für eine total auf den Erzeugerpreis abgestimmte Agrarpolitik aufgebracht wird, häufen sich in der letzten Zeit. So wurde etwa in einem Landfunk erklärt —ich zitiere wörtlich —, „daß es absolut sinnlos ist, einfach Forderungen zu stellen, die sich nun einmal beim besten Willen im EWG-Ministerrat angesichts der Überschußsituation in vielen Bereichen nicht realisieren lassen. Das hängt nicht davon ab" — so fährt der Sprecher fort —, „welche Partei in Bonn die Regierung bildet." — Ich bitte Sie, diese Worte zu beherzigen. Denn nach dem Gesetz der Demokratie werden Sie ja eines Tages auch wieder die Regierung bilden.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Eines Tages; Herr Bewerunge, damit wir uns da recht verstehen: eines fernen Tages.
Wir würden es jedenfalls bedauern, wenn die Ansätze zu einer konstruktiven Agrarpolitik durch unrealistische Forderungen zerschlagen würden.
Ich glaube, die Opposition täte in dieser Situation gut daran, nicht nur darauf zu achten, wie ihre Forderungen und ihre Argumente in der Öffentlichkeit, insbesondere auf dem flachen Lande, ankommen. Ich habe vorhin Ihren Antrag auf Umdruck 92 gelesen und ihn mit unserem Antrag verglichen. Selbst wenn ich nicht Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion wäre, würde ich sagen: Es ist auffallend, was beide Anträge voneinander unterscheidet. In Ihrem Antrag wird sehr vieles über Preise ausgesagt, d. h. es wird gesagt, die Preise sollten steigen. Zweitens wird gesagt: Wir wollen mehr Geld von der Regierung. Ich würde davon nur einen Punkt, nämlich die
Ziffer 3, ausnehmen, die sich mit der Altershilfe der Landwirte beschäftigt, obwohl auch hier wieder die Regierung stärker zur Kasse gebeten werden soll. Ich glaube, das ist einfach nicht mehr das hinlängliche Instrumentarium für eine moderne Agrarpolitik. Hier müssen auch andere Fragen mit einbezogen werden.

(Abg. Dr. Klepsch: Welche?)

— Ich nenne die Fragen gleich. Meine Fraktion wäre sicherlich bereit, sachlich mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Welche Möglichkeiten sieht z. B. die Opposition, im Rahmen der EWG Preiserhöhungen für bestimmte landwirtschaftliche Produkte durchzusetzen?

(Abg. Dr. Klepsch: Welche sehen Sie denn?)

Welche Vorstellungen entwickelt die Opposition, um Agrarpreispolitik und Agrarstrukturpolitik in ein vernünftiges Verhältnis zueinander zu bringen, wie es z. B. die Bundesregierung in ihrem Förderungsprogramm zu tun versucht hat? Bitte, Herr Dr. Ritz, dazu fehlt einiges, und dazu ist in der heutigen Debatte von Ihrer Seite wenig gesagt worden.
Welche Bildungskonzeption hat die Opposition zur Unterstützung der Reformbestrebungen auf dem flachen Lande? Welche Vorstellungen entwickelt sie z. B., um der Landwirtschaft im Zuge eines ständig abnehmenden Erzeugeranteils am Endprodukt einen hinreichenden Gewinn zu sichern? Ein Problem, mit dem wir uns heute bereits mehrfach beschäftigt haben, nämlich daß das Endprodukt immer teurer wird und die Erzeugerpreise dennoch sinken.
Das sind Probleme, über die mit Ihnen zu diskutieren wir durchaus bereit sind. Das sollte aber, wie wir glauben, nicht in polemischer Art geschehen, und es sollte auch nicht in der Weise geschehen, daß eine Partei oder eine Parteiengruppierung für sich in Anspruch nimmt, allein Agrarpolitik in Deutschland zu betreiben. Ich sage Ihnen ehrlich: Ich halte auch nicht allzuviel davon, daß wir rechthaberisch im Hinblick auf die Vergangenheit sind. Ich glaube, viel wichtiger ist für uns alle, daß wir Einfallsreichtum im Hinblick auf die Zukunft entwickeln.
Heute ist viel über Preise für Schweine, über Rinder, Milch, Kosten, Diskontsätze und Zinssätze gesprochen worden. Das sind alles wichtige Dinge. Aber — entschuldigen Sie bitte! — ich habe ein bißchen den Eindruck, daß wir über diese mehr technokratischen Begriffe tatsächlich den Menschen vergessen, der auf dem Lande lebt.

(Abg. Dr. Ritz: Herr Löffler, das, was Sie soeben nannten, betrifft das Einkommen! Das ist doch keine Technokratie!)

— Nein, warten Sie doch ab, Herr Dr. Ritz! Zum Einkommen habe ich schon etwas gesagt. Wir vergessen darüber den Menschen, wenn wir so tun
— Herr Dr. Ritz, das ist doch nicht ehrlich —, als könnten wir mit der Anhebung der Erzeugerpreise die Verhältnisse auf dem flachen Lande tatsächlich so gestalten, daß z. B. das Ziel, das sich die Bundesregierung gesetzt hat, erreicht würde.



Löffler
Ich glaube z. B. auch nicht, daß Herr Mansholt, nur weil Herr Klinker in Kiel unter dem Gelächter der Bauern auf der Bühne Skat gespielt hat, seinen Plan revidiert hätte. Ich sage Ihnen ehrlich: Wenn das für Herrn Mansholt ein Grund gewesen wäre, seinen Plan zu revidieren, wäre er in Brüssel an der falschen Stelle. Zum Glück kenne ich Herrn Mansholt gut genug, um zu wissen, daß er andere Gründe gehabt hat.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Er hätte ihn sicherlich noch überzeugender revidieren können, wenn man versucht hätte, sich mit ihm sachlich auseinanderzusetzen.
Ich darf jetzt zum letzten Bereich kommen; ich sehe nämlich, daß meine Redezeit gleich abgelaufen ist. Ich möchte, was ich schon einmal habe tun müssen, noch einiges über Bildungspolitik sagen. Der Landwirtschaftsminister hat in seinem letzten Grünen Bericht angekündigt, daß er einen umfassenden Plan für das ländliche Bildungswesen vorlegen werde. Die Regierung ist bei der Arbeit. Man wäre wahrscheinlich schon etwas weiter, wenn es im Ministerium ein Bildungsreferat gegeben hätte. Herr Ertl hat jetzt erst eines einrichten lassen. Nun ist es nicht so, daß in diesem Ministerium nie ein Bildungsreferat vorhanden gewesen wäre. Es war eines da. Es wurde vor vier Jahren aufgelöst, zu einem Zeitpunkt, als die Bedeutung von Bildungsinstitutionen und von gleichen Chancen im Hinblick auf die Bildung bereits mitten in der gesellschaftspolitischen Diskussion stand. Heute sind so viele Worte des Lobes über Herrn Höcherl gesagt worden, daß ich glaube, er wird es ertragen, wenn ich die Feststellung treffe, daß die Auflösung dieses Referats zu dem damaligen Zeitpunkt eine Fehlentscheidung war, u. a. auch für die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft. Da Sie schon immer auf die berufsständische Vertretung der deutschen Landwirtschaft hören, würde ich Sie bitten, freundlicherweise z. B. auch einmal auf das zu hören, was der Deutsche Bauernverband über die Bildungspolitik sagt. Wenn Sie das aufgreifen und in diesem Raum politisch vertreten, dann finden Sie unsere volle Unterstützung; denn das ist das für das Land Modernste, was man bisher gehört hat. Da haben Sie sogar als Fraktion einen gewissen Nachholbedarf.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607831800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Helms.

Wilhelm Helms (FDP):
Rede ID: ID0607831900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Großen Anfragen der CDU/CSU-Fraktion und der Koalitionsfraktionen nach meiner Auffassung zufriedenstellend und umfassend beantwortet. Als letzter Sprecher der FDP-Fraktion danke ich Herrn Minister Ertl für seine Ausführungen, insbesondere aber dafür, daß er trotz seiner Krankheit es sich nicht hat nehmen lassen, zu dieser Stunde hier Rede und Antwort zu stehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Diese Aussprache hat nach meiner Auffassung Klarheit über die Einstellung, die Maßnahmen und die Initiativen der Regierung zu den Problemen der Landwirtschaft gebracht. Die unbefriedigende Vergangenheitsbewältigung mit geschliffenen Argumenten hier im Hause hat sicher etwas Reizvolles und wird sicher einige Gedanken für die Diskussion in unserer gemeinsamen Arbeit bringen.
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit haben wir vereinbart, daß ich meinen Diskussionsbeitrag streiche, und unseren Entschließungsantrag hier einbringe und begründe.
Zu Punkt 1 unseres Antrags, der dem Hohen Hause vorliegt, möchte ich zur Verdeutlichung folgendes sagen. Beide Fraktionen anerkennen die Leistung Minister Ertls, angesichts der erklärten Preissenkungsabsichten im Ministerrat im letzten Jahr Preissenkungen verhindert zu haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Inzwischen hat sich gegenüber den Einkommensverbesserungen im Wirtschaftsjahr 1969/70 im laufenden Wirtschaftsjahr die Einkommenssituation in der Landwirtschaft soweit verändert, daß es unabdingbar ist, mit einer Anhebung des Futtergetreidepreises und einer Erhöhung des Rinderorientierungspreises in den bevorstehenden preispolitischen Beratungen den derzeitigen gefährlichen Trend in der landwirtschaftlichen Einkommensentwicklung in eine positive Richtung umzukehren. Die Bundesregierung hat dazu und zur kostenorientierten Anhebung des Trinkmilchpreises die nachhaltige Unterstützung der Koalitionsfraktionen. Wir versprechen uns neben den einkommenspolitischen Wirkungen von den Maßnahmen eine wünschenswerte Verringerung der Aufwendungen für Weichweizendenaturierung und Exporterstattungen sowie bei den Milchprodukten eine wirksame Abschwächung der Neigung, für die Interventionen zu produzieren.
Es ist auch zu erwägen und zu praktizieren, in Brüssel für alle Marktordnungsprodukte, die von der Marktlage her eine Preisverbesserung erlauben, Preisanhebungen anzustreben, wie es Herr Minister Ertl angekündigt hat.
Wir ersuchen die Bundesregierung, einerseits im Zusammenwirken mit Brüssel rechtzeitig Vorkehrungen gegen einen rapiden Preisverfall, wie z. B. bei Schweinen, zu treffen und andererseits durch beschleunigte Verbesserung des agrarstatistischen Materials der Landwirtschaft die unternehmerische Orientierung zu erleichtern. Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen der EWG darauf hinzuwirken, mit den Partnerländern ein Instrumentarium der Planung und Unterrichtung zu schaffen, das es ermöglicht, rechtzeitig Überproduktionen zu vermeiden.
Zu Punkt 2 der Entschließung. Die beiden Fraktionen begrüßen die termingerechte Fertigstellung des einzelbetrieblichen Förderungs- und sozialen Ergänzungsprogramms und unterstützen die Absicht des Bundesministers, das Förderungsprogramm nach Maßgabe seiner Bewährung in der Praxis auszubauen.



Helms
Wir sind uns darüber im klaren, daß die allgemeine Agrarstrukturpolitik und das einzelbetriebliche Förderungs- und soziale Ergänzungsprogramm nur die eine Seite der Neuordnung und Gesundung des ländlichen Raumes darstellen. Sie müssen ein Torso bleiben, wenn die regionale Wirtschaftspolitik und sonstige Infrastrukturpolitik nicht erheblich mehr als bisher ergänzend an ihre Seite gestellt werden, damit sich der notwendige Strukturwandel möglichst ohne soziale Härten und ohne sozialen Abstieg der Betroffenen vollzieht.
Zu Punkt 3. Die Koalitionsfraktionen haben sich entschlossen, angesichts der knappen verfügbaren Finanzmittel vorrangig die Einführung einer Pflichtkrankenkasse für Landwirte zu betreiben. Unserem Eindruck nach befinden wir uns damit im Einklang mit den Wünschen des überwiegenden Teils der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Durch die Freistellung der Altersgeldempfänger von Beiträgen zur Krankenversicherung dürfte manchem Betriebsführer das Treffen einer sack- und zukunftsgerechten Berufsentscheidung — unbeeinträchtigt durch ,die Sorge um die soziale Sicherung seiner Altenteiler — erleichtert werden. Auch daran ist uns gelegen.
Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, daß die landwirtschaftliche Altershilfe nach dem Willen der SPD und der FDP nicht zum Stiefkind der Agrarsozialpolitik werden wird. Bei den Reformvorschlägen, die wir von der Bundesregierung bald erwarten, soll es sich um Vorschläge handeln, die auf eine echte Altersversorgung und -sicherung mit einer zwingenden Anpassungsformel einerseits und realistischen Eigenleistungen andererseits hinauslaufen.
Zu Punkt 4. Nach dem neuen Programm sollen Neben- und Zuerwerbsbetriebe einzelbetriebliche Förderung künftig unter der Voraussetzung in Anspruch nehmen können, daß sie sich in Kooperationen zusammenfinden.
Die Koalitionsfraktionen unterstützen dies, meinen aber, daß parallel dazu steuerliche Maßnahmen beschleunigt, d. h. noch vor der Steuerreform, getroffen werden sollten, um die betriebliche Zusammenarbeit rentabel zu gestalten. Alles in allem soll jedoch dem Grundsatz 'Rechnung getragen werden, daß der bäuerliche Einzelbetrieb unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht schlechter gestellt wird als Kooperationen und umgekehrt.
Ich bitte, der Überweisung unseres Antrages an den Ernährungsausschuß zur weiteren Beratung zuzustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607832000
Meine Damen und Herren, die Geschäftslage sieht folgendermaßen aus. Ich habe zur Zeit noch fünf Wortmeldungen vorliegen. Anschließend wird der Herr Landwirtschaftsminister sprechen. Wir haben noch eine umfangreiche Tagesordnung zu erledigen. Darf ich deshalb anregen, daß sich die Redner möglichst kurz fassen, damit wir heute noch mit der Tagesordnung fertig werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dasch.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0607832100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Löffler hat gemeint, wir hätten uns von den letzten 20 Jahren Agrarpolitik distanziert. Wir haben, Herr Kollege Löffler, danach gefragt und das hier kritisch angemerkt, was im ersten Jahr dieser sogenannten Reformregierung nach unserer Auffassung agrarpolitisch absolut verschlechtert worden ist. Noch mehr bestürzt uns, daß offensichtlich für 1971, wenn Sie weiter regieren, keine Besserungsaussichten bestehen.
Herr Professor Schiller hat hier als Bundeswirtschaftsminister vor einer inflationären Agrarpreispolitik gewarnt. Da muß man ja fragen: Was sollen die Bauern denn verlangen, wenn ihnen 1970 auf Grund des Kaufkraftschwundes ihrer Verkaufserlöse in der Größenordnung von 5 bis 8 % 1,5 bis 2,4 Milliarden DM verlorengehen, aber nicht nur keine Verbesserung der Agrarpreise stattfindet, sondern jetzt im Herbst bei den entscheidenden Einnahmen im Veredelungssektor tatsächlich eine ganz klare Verschlechterung eintritt? Der Herr Professor Schiller ist genau an der Aussage vorbeigegangen, wie er die von ihm selbst für 1971 prognostizierten Preissteigerungen, die er schamhaft mit 3 % beziffert, tatsächlich ausgleichen möchte. Er hat nichts angeboten, und er wir wahrscheinlich keinen Vorschlag im Kabinett unterstützen, der darauf hinausliefe, daß die Landwirtschaft über verbesserte Erzeugerpreise zumindest einen Teilausgleich für den Kaufkraftschwund ihrer Produktion wirklich erhalten kann.
Aber nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was wird denn eintreten, wenn sich der Herr Bundeswirtschaftsminister mit seinen Voraussagen wiederum irrt und wenn im nächsten Jahre an Preissteigerungsrate oder Inflationsquote das Doppelte oder noch mehr auf uns zukommt? Wo steht denn dann die Landwirtschaft? Darauf hätten wir gerne eine Antwort gehabt, aber die wurde uns hier in der Tat nicht gegeben. Eine realistische Agrarpolitik, wie sie schließlich auch Herr Professor Schiller vorgeschlagen hat, besteht doch unter anderem darin, zu sehen, daß die Landwirtschaft bereits einen Rationalisierungsgrad erreicht hat, bei dem sie mit Rationalisierung allein diese Quoten nicht mehr selbst verkraften kann, sondern darauf angewiesen ist, über verbesserte Preise, die ja direkt auf ihr Einkommen durchschlagen, Erleichterungen zu bekommen bzw. einen Ersatz für das, was sie in den Jahren 1970 und 1971 verloren hat oder verlieren wird.
Wenn ich mir ein paar Worte zur Sozialpolitik gestatten darf, möchte ich eines auch sehr deutlich sagen. Man soll die Bedeutung der Preis- und Marktpolitik nicht unterschätzen, denn die beste Sozialpolitik bleibt wirkungslos, wenn dem Bauern vorher sein Einkommen geschmälert oder weggenommen wurde. Ein Prozent der Verkaufserlöse von 30 Milliarden DM sind 300 Millionen DM. Das ist genau das Geld, das für 1972 zur Bezahlung der gesamten Krankenversicherung der Altenteiler vorgesehen ist. Da muß man sich doch darüber im kla-



Dasch
ren sein, daß eine entscheidende Verbesserung der Situation der Landwirtschaft in allererster Linie bei den Erzeugerpreisen und beim Volumen des Markabsatzes zu suchen ist. Wenn wir Sozialpolitik für die Landwirtschaft treiben, dann, meine Damen und Herren, in erster Linie unter dem Gesichtspunkt, daß sie zur Entlastung der aktiven Landwirte beiträgt, daß sie nicht noch mehr belastet. Ich möchte das besonders den Kollegen von der SPD sagen, die meinen, man könne der Landwirtschaft das auferlegen, was ihr durch den Strukturwandel aufgezwungen wird.

(Zuruf von der SPD: Wer sagt das denn?)

Wir müssen ganz deutlich darauf verweisen, daß kein anderer Berufsstand innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte einem so großen Strukturwandel, einer so großen inneren Umschichtung und auch einer so großen Umschichtung zu anderen Berufszweigen unterworfen war und vermutlich auch im nächsten Jahrzehnt unterworfen sein wird. Deswegen dürfen wir Sie, meine Damen und Herren, bitten, nicht von fernen Verbesserungen zu sprechen, von einer Verbesserung der Altershilfe zu einer Rente. Bitte, Sie können hier und heute handeln, wenn Sie zwei Dinge mit uns beschließen: erstens den Bauern die Sicherheit zu geben, daß sie die Altenlast nicht allein zu tragen haben, also die Defizithaftung wieder einzuführen, zweitens der von uns vorgeschlagenen Erhöhung der Altershilfe auf 240 bzw. 160 DM ab Mitte 1971 zuzustimmen. Wir sehen besonders auch in den jetzigen Beschlüssen des Ernährungsausschusses — wir haben das ja auch vorgeschlagen —, nämlich Erhöhung der Berufsunfallrenten, eine Maßnahme, die keine stärkere Belastung der Landwirtschaft bedingt. Wir wünschen ebenso, daß die Krankenversicherungslast der Altenteiler vom Bund übernommen wird und daß die Landwirte und Bauern, die noch keinen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz genießen, nochmals die Möglichkeit des Zutritts bekommen.
Eines bitte ich aber recht deutlich zu sehen. Bei all diesen Überlegungen sollten wir uns darüber im klaren sein, daß die Landwirtschaft auch in ihrem aktiven Teil ein Berufsstand ist, der unten immer kleiner und oben immer größer wird. Die Sorge für die Zukunft heißt, wir müssen den geringen Berufseinstieg in die Landwirtschaft nicht nur sozialpolitisch oder gesellschaftspolitisch beachten, sondern müssen die Konsequenzen durchrechnen. Denn wenn nicht bald bessere Chancen für die Zukunft der Landwirtschaft geboten werden, haben wir damit zu rechnen, daß ein immer kleinerer Teil der Jugend in die Landwirtschaft einsteigt. Und so, wie man jetzt gelegentlich versucht, diesen Einstieg zu verleiden oder Leute aus der Landwirtschaft herauszubekommen, werden wir in absehbarer Zeit den Spieß umkehren müssen. Der geringe Berufseinstieg in die Landwirtschaft weist darauf bereits ganz deutlich hin.
Wir bitten also darum, diese Sozialhilfen für die Landwirtschaft besonders auch unter dem Aspekt zu sehen ,daß die Landwirtschaft einem großen Strukturwandel unterworfen ist und daß man einem zahlenmäßig immer geringer werdenden Berufsstand nicht das volle Gewicht dieser Änderungen auflasten kann. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die heutige Debatte zum Anlaß zu nehmen, durch heute von diesem Parlament zu fassende Beschlüsse in realistischer Sicht der Lage der Landwirtschaft die Lage dieser Landwirtschaf und derer, die dort nachwachsen wollen, so zu verbessern, daß wir auch in Zukunft eine genügende Zahl von Bauern haben, die das Land bewirtschaften, eine Veredelungsproduktion treiben und damit für die Wirtschaft und für die Bevölkerung wertvolle Dienste leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607832200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0607832300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit, weil ich mich veranlaßt sehe, zu den Ausführungen des Herrn Bundesernährungsministers von heute vormittag und zu dem, was er zur Opposition im Lande sagte, einiges zu ergänzen und einiges zu bemerken.
Herr Bundesminister, es geht in der Auseinandersetzung — lassen Sie mich diese Vorbemerkung machen —, wie Sie wissen, gerade was Ihr Förderungsprogramm betrifft, um eine Weichenstellung in der Agrarpolitik. Es geht darum, welchen Weg wir gehen wollen, den Weg der rein ökonomischen industrialisierten Großlandwirtschaft oder de n Weg der bäuerlichen Landwirtschaft. Sie wissen selbst, daß es bei dem Streit, bei dem Sie den Weg der bäuerlichen Agrarpolitik früher hart vertreten haben, in der Bauernschaft, aber heute auch in der städtischen Bevölkerung bis hin zum Naturschutzring, bis hin zu den Leuten, die wissen, daß ihre Landschaft bedroht ist, wenn keine bäuerliche Struktur mehr vorhanden ist, um Auseinandersetzungen geht, die sehr tief gehen und den Höhepunkt der Opposition, Herr Bundesminister, noch gar nicht erreicht haben. Wir stehen nach den Wahlen und im nächsten Frühjahr erst vor den Folgen, die jetzt durch das Förderungsprogramm ausgelöst werden.
Herr Bundesminister, eine zweite Bemerkung. Ich sage es in aller Freundschaft, und ich will die Freundschaft zu Ihnen wahrhaftig nicht brechen. Auch Freunde müssen sich manchmal die Wahrheit ganz hart sagen, auch wenn es nicht immer direkt erfolgen kann. Sie sollten Opposition gewohnt sein. In der Zeit, als Bundesminister Höcherl Ernährungsminister war — ich habe die Zitate hier und könnte sie vortragen, bis hin zu den „Galgen" und schwarzen Fahnen und was es alles gab —, haben Sie die Opposition gesehen und toleriert, und zum Teil waren Sie mit dabei. Sie haben selbst auch, manchmal mit Recht, harte Formulierungen gefunden. Hier haben wir Ihnen in der Opposition sogar manchmal applaudiert, und jetzt sind Sie eigentlich recht empfindlich, legen sofort subtile demokratische Maßstäbe an, wenn irgendwo hart angegriffen wird. Sie übersehen, daß nicht nur an einer Stelle, die Sie heute zitiert haben, nämlich im Fall der Münchner Schutzgemeinschaften, Bayrischer Heimatschutz,



Dr. Gleissner
Grüne Aktion, Komitee „Rettet die bäuerliche Landwirtschaft" etc., sondern auch in Niederbayern, in der Oberpfalz, in Hamburg, in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, überall eine Opposition sich ausbreitet und wächst, von der sich der Berufsstand vielleicht noch zurückhält, weil wir vor Wahlen stehen, was mit Recht geschieht, die aber morgen virulent werden kann. Die Bauernschaft steht vor steigender Resignation, und die ländliche Bevölkerung würde morgen, wenn es nach Ihrem Förderungsprogramm ginge — für Ihre Maßnahmen haben Sie bei dem hohen Zinssatz, der heute wiederholt zur Debatte gestanden hat, gar kein Geld —, verstärkt das Land verlassen. Wir wissen, was dann wäre. Wundern Sie sich also nicht, wenn Opposition entsteht!
Nun eine Bemerkung zu einigen Aktionen, die Sie angezogen haben. Die Grüne Aktion, die verschiedenen Schutzgemeinschaften und wie sie alle heißen — ich zähle sie jetzt nicht auf —, haben gegen die Expansion Münchens und gegen ungehemmte Industrialisierung gekämpft; sie haben gegen Hofolding und gegen eine Fehlanlage des Flughafens, in Verbindung damit gegen den CSU-Minister Schedl in offener Feldschlacht gekämpft; sie haben gegen Hundhammer im Fall Ebersberger Forst und Münchner Wälder gekämpft; sie haben gekämpft gegen eine Planung von 20 000 neuen Arbeitsplätzen einer Großfirma in München-Perlach, wo die Wohnungsnot permanent zur Debatte steht und überall als Problem Nr. 1 gesehen wird. Das haben diese Schutzgemeinschaften gemacht.
Ich kenne die meisten Schutzgemeinschaften. Ich bin nicht Mitglied. Ich kenne die Hofoldinger. Ich könnte die Schutzgemeinschaften in diesem überlasteten Raum aufzählen und darlegen, wie sie sich gegen Fehlplanung wehren, so wie es legitim in vielen Beispielen in der Schweiz geschieht, um auf alle Parteien Druck mit legitimen Mitteln auszuüben, um auch zwischen den Wahlen Fehlentwicklungen zu bekämpfen und wirksame Demokratie zu beweisen.
So haben sich die Schutzgemeinschaften auch in einem Flugblatt „Rettet die bäuerliche Landwirtschaft!" eingesetzt. Darüber war geschrieben: „Verrät Ertl die bäuerliche Landwirtschaft?" Dort war aufgeführt, was er früher gesagt hat, und es wurde hinzugefügt, was jetzt in Gefahr ist. Die Leute werden Ihnen morgen Beifall geben, Herr Ertl, wenn manches korrigiert wird und wenn in manchen Dingen auch eine entscheidende Wende vorgenommen wird.
Herr Bundesminister, es ist eine Verleumdung, wenn all diese Aktionen, sobald sie demokratisch virulent und interessant werden, aber nicht in das Programm dieser Regierung passen, in die rechte bzw. politisch radikale Ecke abgeschoben werden. Man kauft und holt das Fernsehen, macht eine sogenannte demokratische Sendung und sendet in einer Art Fernsehdiktatur genau das, was man will, bringt opferbereite demokratische Bürger in die Nähe der NPD, ohne daß sich diese Bürger dagegen wehren können. Ich frage mich: Wer hat dieses Fernsehen bezahlt? Wer hat es nach München geschickt? Wer hat harmlose Bürger, die von den Dingen der Fernseh-Macht nichts verstehen, befragt, ausgenützt und mißbraucht? Dagegen sollte man sich wehren, wenn es um die Demokratie geht. Aber das ist das Übliche; man darf es fast nicht einmal sagen und kaum angreifen.
Nun, Herr Minister, muß ich, um das zu Ende zu bringen, ein Zweites sagen. Sie haben eine Zeitung aus dem Kreis Miesbach, wo Sie wohnen und wo mein Wahlkreis ist, zitiert. Ich kenne diese Pressenotiz noch nicht, werde sie aber nachlesen; ich habe Ihr Zitat da. Es handelt sich um eine Versammlung, die ich kenne. Dort hat der Bürgermeister von Wall, einer berühmten bayerischen Bauerngemeinde in Miesbach mit großer Geschichte, einer Bauerngemeinde, die früher fast nie CSU, sondern immer nur Bayernpartei gewählt hat, erklärt: „Unser früherer Landwirtschaftsdirektor Ertl, den wir geschätzt und geliebt haben legt uns heute ein Programm vor, wonach — ich habe in der Schule lesen und schreiben gelernt — „von 87 Höfen 80 verschwinden müssen bzw. abklassifiziert oder abgewertet werden." Das hat der Bürgermeister vorgetragen, und darum ging es. Das habe nicht ich gesagt, das hat er gesagt. Er fuhr fort: „Das gleiche Landwirtschaftsamt, wo Ertl früher war, wirbt jetzt Landwirtschaftsschüler und hat sechs angeworben. Diese sechs gehören alle in die Kategorie, die nach dem Ertl-Programm bereits nicht mehr zur Landwirtschaft zu rechnen ist." Mehr soll dazu nicht gesagt werden.
Herr Bundesminister, vielleicht können wir Freundschaft schließen. Vielleicht werden wir Ihr Förderungsprogramm noch grundsätzlich ändern; denn es geht um Ihr Förderungsprogramm. Uns liegen der Preis, der Milchpreis und die Reform der EWG-Agrarpolitik ganz am Herzen. Aber die — beinahe hätte ich gesagt: geistige — Entscheidung ist Ihr Förderungsprogramm.
Sie können nicht sagen: Sie haben alle Leute auf Ihrer Seite, die da mitbestimmen. Ich kann es jetzt nicht mehr vorlesen, aber ich habe die Unterlagen der zahlreichen Gegenstimmen hier. Es sind Dutzende von Leuten. In München ist es der Landwirtschaftsminister Eisenmann, der ein modernes Konzept hat, das wir heute in Stadt und Land vertreten können, das realistisch und zukunftsträchtig ist und das nicht abgewertet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundesminister, da haben Sie einen Weg. Wir sagen es jetzt nicht, weil wir vor einer Wahl stehen. Hier steht zuviel auf dem Spiel. Denn Sie wissen und haben selber einmal zu mir gesagt: 50 Bundestagsabgeordnete kann man leicht ersetzen, wenn einer geht, warten schon zehn darauf, aber 50 Bauern, die die Almen verlassen, die den Bayerischen Wald verlassen, werden Sie nicht mehr ersetzen können. — Darum geht es uns.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607832400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Peters?

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607832500
Herr Kollege, sind Sie bereit, jetzt endlich zu der verleumderischen
4422 Deutscher Bundestag-6. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. November 1970
Peters (Poppenbüll)

Äußerung von Ihnen Stellung zu nehmen, oder wollen Sie noch länger um die Sache herumreden?

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0607832600
Herr Peters, das kommt gleich. Ich hatte Kenntnis von solchen Aktionen. Aber ich bin nicht Mitglied dort und hätte keine Möglichkeit gehabt, sie zu verhindern. Was ich aber verhindert habe, ist folgendes. Meines Wissens — so haben Sie es zitiert — gab es ein zweimaliges Auftreten. In dem Moment, als ich erfahren habe, daß Sie krank geworden sind, habe ich sofort darauf hinzuwirken versucht, daß keine Aktion mehr stattfindet. Meines Wissens — ich bitte mich sonst zu korrigieren — hat keine mehr stattgefunden. Ich habe dann noch einmal mit den Komitees, soweit ich diese kannte — es ist ja eine ganze Handvoll —, telefoniert und gesagt, es solle nichts mehr geschehen, auch weil wir vor Wahlen stünden. Auch dem ist entsprochen worden. Ich will nicht wiederholen, was alles geplant war, um sich einfach zur Wehr zu setzen, um vor die Öffentlichkeit zu treten, um an den Minister zu appellieren, und zwar an einen Minister, der früher, was diese Dinge angeht, eine klare Konzeption gehabt hat und damit richtig lag. Ich werfe dem Minister — das habe ich ihm in zwei, drei Gesprächen in München und hier persönlich gesagt — zunächst nicht vor, was er politisch getan hat. Das ist seine politische Entscheidung. Ich habe ihn aber gebeten: Lieber Freund Ertl, bleibe agrarpolitisch der, der du warst, denn du wirst es physisch und psychisch nicht aushalten, wenn du diesen Weg, den du damals gegangen bist und den du — mit Recht — auch manchmal gegen uns beschritten hast, verlassen wirst. — Das war ,die Auseinandersetzung. Das ist meine Erklärung, die ich dazu zu geben habe.
Nun eine Schlußbemerkung, die vielleicht eine Brücke schlagen kann. Ich bedaure, daß ich Ihnen infolge der fortgeschrittenen Zeit nicht diverse Zitate, z. B. von Schriftsteller Pause, vortragen kann, der im „Schwabinger Bräu" vor Hunderten von Leuten sagte: Die ganze Rettung der Landwirtschaft ist nichts wert, wenn wir falschen Programmen nachlaufen, wenn wir nicht den letzten bäuerlichen Hof heute in der Partnerschaft — oder wie wir es nennen wollen — zu halten versuchen.

(Zuruf von der SPD: Blut und Boden!) — Das ist nicht Blut und Boden!


(Zurufe von der SPD: Doch, das ist Blut und Boden! — Aber beinahe!)

— Das ist eine Verleumdung! Das ist der falsche Weg, den Sie gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Ich sage auch nicht, daß sich in Ihren Reihen Kommunisten befinden. Ich nenne die Jungsozialisten auch nicht gleich Kommunisten, wenn sie eine Ideologie vertreten. Ich werfe Ihnen das nicht vor.

(Zurufe von der SPD.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607832700
Meine Damen und Herren, darf ich anregen, daß wir uns jetzt auf das Ende der Debatte konzentrieren und mit Zwischenrufen aller Art aufhören.

(Beifall.)


Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0607832800
Herr Präsident, ich muß darauf antworten. Wenn wir in diesen Fragen keine geistige Überzeugung mehr haben, wenn wir alle Grundlagen und Werte über Bord werfen und nur noch ökonomisch denken, so ist das doch der Anfang eines allgemeinen Materialismus. Das Ende können wir uns dann selbst ausmalen.

(Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

Dann können wir uns auch Ihre Stellungnahme zu Landschaft, Heimat und Umwelt ausmalen. Der Bauer ist mit der wichtigste Träger des Umweltschutzes. Darum müssen wir ihn erhalten. Das hat nichts mit Ideologie und nichts mit Vergangenheit zu tun. Da geht es um die Zukunft.
Herr Minister, ich kann aus Zeitgründen jetzt leider nicht Ärzte und Rechtsanwälte oder Vorschläge zitieren, um aufzuzeigen, daß es einen Weg gibt. Dieser Weg ist sehr schwer. Wir wollen uns nichts vormachen. Wir müssen wirklich auch wieder hier im Hause, so gut es geht, ein Mindestmaß an Konsensus erreichen. Herr Minister, Sie brächten aus Ihrer Vergangenheit die Voraussetzungen dafür mit. Lassen Sie mich eine Brücke bauen. Die Gruppen, die ich kenne, sind überparteilich. Sie sind wohl bereit, mit Ihnen zu reden; sie stehen Ihnen zur Seite, Herr Bundesminister, wenn Sie Ihre Konzeption einer bäuerlichen Landwirtschaft und einer bäuerlichen Agrarpolitik, die Sie vor einem Jahr und früher tapfer und unermüdlich vertreten haben, nicht verlassen. Dann wenden Sie die Hilfe dieser Gruppen und der Bauernschaft haben. Wenn Ihnen diese Politik — ganz gleich, aus welchen Gründen — nicht möglich wäre, sollten Sie, Herr Minister, dies offen sagen und ,die Konsequenzen ziehen. Es sollte weder auf Ihrem Rücken noch auf dem Rücken der Landwirtschaft Bayerns und der gesamten Bundesrepublik ausgetragen werden, wenn es zu einer irreparablen Fehlentwicklung im Geiste eines Mini-Mansholt-Planes käme.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607832900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Peters?

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0607833000
Bitte schön!

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607833100
Herr Kollege, können Sie mir nicht darin zustimmen, daß Sie sich für Heimat und Recht am besten einsetzen, wenn Sie sich von den Verleumdern jetzt distanzieren?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0607833200
Herr Peters, wenn Sie das Flugblatt genau lesen — ich habe es jetzt leider nicht zur Hand —, werden Sie feststellen, daß in ihm keine Verleumdungen enthalten sind. Meines Wissens wird darin eine Frage gestellt. Das ist ganz deutlich. Ich glaube, es ist doch in einer solch schick-

Dr. Gleissner
salhaften Auseinandersetzung, da wir die Landwirtschaft alle miteinander, auch wir, in den letzten Jahren nicht gerecht behandelt haben, weil wir einige entscheidende Dinge vielleicht nicht ganz richtig gesehen haben, höchste Zeit, den Forderungen Ausdruck zu verleihen, die andere Berufsstände auf andere Weise zur Durchsetzung bringen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607833300
Gestatten Sie noch eine dritte Zwischenfrage des Abgeordneten Peters?

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0607833400
Herr Kollege, ist Ihnen nicht inzwischen klargeworden, daß es in diesem Hause nicht um agrarpolitische Diskussionen geht, sondern um eine Beleidigung?

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0607833500
Herr Peters, soweit ich die Leute kenne und Einblick habe, hatten sie keine Beleidigung vor, sondern denen ging es wirklich um die Sache. Diese haben früher viel härter ähnliche Gruppen angegriffen, den Minister Schedl und andere, und auch mit Oberbürgermeister Vogel gab es Auseinandersetzungen dieser Art, die gar nicht parteipolitisch gemeint waren.
Ich glaube, ich habe das Notwendige dazu gesagt. Ich wollte es auch von meiner agrarpolitischen Überzeugung her und im Interesse des Umweltschutzes unterbauen. Ich halte solche Opposition für vertretbar, auch wenn ich persönlich manches anders gemacht hätte. Ich habe Ihnen gesagt, was ich verhindert habe. Ich hoffe, Herr Minister, daß es Ihnen gelingt, die bäuerliche Konzeption, die Sie einmal vertreten haben, künftig wieder herzustellen, auch wenn Sie Auffassungen der letzten Zeit und Ihr Förderungsprogramm korrigieren müßten. Das würde Sie ehren, und ich und andere würden Ihnen Beifall geben und Assistenz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607833600
Das Wort hat der Herr Bundesernährungsminister Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607833700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für mich gibt es ein Leitmotiv in der Politik. Dieses Leitmotiv lautet: möglichst viel und möglichst schnell vergessen und noch mehr verzeihen. Ich muß Ihnen sagen, nur dieses Leitmotiv macht mir das Dasein in diesem Haus einigermaßen erträglich. Das ist mein Lebensprinzip. Vielleicht wäre es manchmal auch für andere ganz gut, sich ein solches Prinzip zuzulegen.
Aber ich möchte noch eine Bemerkung machen. Ich bin beispielsweise als Vertreter der Opposition zu einer Veranstaltung von Flughafengegnern nach Erding gerufen worden. Da waren Transparente, die lauteten so: Hängt den Vogel Strauß auf! Schlagt dem Schedl den Schädel ein! Der Oppositionssprecher Ertl hat gesagt: Unter solchen Bedingungen bin ich nicht bereit, hier zu diskutieren. Dafür habe ich Prügel eingesteckt.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Das können Sie nachlesen. Ich habe auch meine Auffassungen, wo Grenzen der Opposition sind. Das hat gar nichts mit Empfindlichkeit zu tun. Aber in diesem einen Pressebericht wurde wirklich wörtlich zitiert, ich machte eine Agrarpolitik im Sinne der Bodenvernichtung, der Jungsozialisten oder so etwas Ähnliches. Ich will die Geschichte nicht mehr aufrollen. Da gibt es nach meiner Ansicht Grenzen. Das sind sehr weitgehende Grenzen.
Ich will hier auch einmal folgendes sagen. Ich habe dieses Programm. Wie immer ich es mache, mache ich es verkehrt. Was gut ist, habe ich übernommen, und was schlecht ist, habe ich eben schlecht gemacht. So wird es sein und so wird es bleiben. Daran werde ich mich gewöhnen. Es wird mich nicht umbringen. Ich habe dieses Programm diskutiert. Ich habe sehr darum gerungen. Ich lehne jede nur ökonomische Betrachtungsweise ab. Das weiß jedermann, der mich kennt. Ich bin aber nicht so verantwortungslos, Landwirte in Investitionen hineinzuhetzen, mit denen sie nachher möglicherweise nicht ihre Liquidität erhalten können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist der Punkt, den ich zu entscheiden hatte und den ich entschieden habe, und zwar gemeinsam mit meinen Mitarbeitern, die im übrigen seit Jahrzehnten die Mitarbeiter in diesem Hause sind. Ich finde es wahrlich unschön — daß muß ich wirklich sagen —, daß man auch noch die Mitarbeiter hineinzieht. So geschieht es, und das halte ich für nicht ganz schön.
Nun will ich doch noch einige Bemerkungen zur Debatte machen. Sie war sehr lebhaft, und das ist sehr nützlich. Sie wurde nachmittags von der Opposition durch eine wunderschöne Nachmittagsarie meines Amtsvorgängers eingeleitet. Seine Arien sind immer köstlich; darüber gib es gar keinen Zweifel. Sein Selbstbedienungsladen war möglicherweise wertvoll, aber es war nichts herauszubekommen. Und das ist das, was ich als Bauchladen übernommen habe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist eben der Unterschied. Das darf ich hier noch einmal feststellen.
Ich möchte aber eine Frage nicht versäumen. Ich habe bereits bei den letzten Verhandlungen mit Nachdruck eine Anhebung des Rinderorientierungspreises vertreten. Herr Kollege Höcherl, Sie wissen doch aus den Verhandlungen: Sie haben Kompromisse schließen müssen, ich werde Kompromisse schließen müssen. Ich gebe zu, daß ich heute hier schwieriger bin. Ich nehme Ihnen gar nicht das Recht, zu sagen: Na gut, vielleicht hätten Sie es noch besser machen können. Das bestreite ich gar nicht. Ich habe aber die Anhebung des Rinderorientierungspreises vertreten und eine Verbesserung des Futtergetreidepreises. Am Schluß kam eben der Kompromiß heraus: es bleibt alles beim alten. Als ich mir die Vorschläge angesehen habe: Senkung des Butter-Interventionspreises, Senkung des Zuckerrübenpreises, Reduzierung der Mengenregulierung bei Zuckerrüben, Senkung der Getreide-



Bundesminister Ertl
preise, des Weichweizenpreises, nerneute Veränderung der Regionalisierung, habe ich geglaubt, daß dieser Kompromiß vielleicht doch noch der günstigere, mittlere Weg ist. Das wollte ich nur noch kurz sagen.
Daß sich das Einkommensgefälle im Laufe der Zeit immer einmal unterschiedlich zeigt, ist nichts Neues. Ich bin nicht glücklich darüber, daß sich zur Zeit eine Disparitätserweiterung zeigt, und ich werde alles in meinen Kräften Stehende versuchen, hier Lösungen zu finden — ich hoffe, mit Ihrer Unterstützung. Das macht mir selber große Sorgen.
Ich will hier nur sagen: Sehen Sie, ich habe hier eine Aufstellung der Verkaufserlöse und Überschüsse der Landwirtschaft. Verbliebene Summen im Jahre 1962 5,8 Milliarden DM, dann 8,7 Milliarden, dann in den Jahren 1963, 1964 und 1965 wieder ein Rückgang auf 7,3 Milliarden DM, 1965/66 7,7 Milliarden DM, 1968/69 9,0 Milliarden DM. Und die jetzigen Zahlen - sie sind nur geschätzt; das gebe ich zu — liegen bei 9,8 Milliarden DM. So ist es in der Vergangenheit gewesen, so wird es wohl auch in der Zukunft bleiben.
Nun will ich ein sehr ernstes Wort noch zu einem anderen Problem sagen. Ich will nur noch einige Bemerkungen machen. Mir wurde gesagt, ich hätte eine besondere Verantwortung für diese Koalition. Nun, man mag darüber denken, wie man will. Ich habe auch eine Verantwortung für meine politischen Freunde, für meine Fraktion und für meine Partei. Das ist das eine.
Das Zweite ist: Ich finde es sehr merkwürdig, daß man geradezu mit seelischen Methoden — auch in dem letzten Beitrag war ein klein wenig dieser Versuch zu sehen — einem Mann permanent den Vorwurf macht, er sei an einer besonderen Entwicklung schuld. Ich betrachte das gar nicht als einen Vorwurf. Denn, Herr Kollege Höcherl, Sie haben hier mit Herrn Kollegen Strauß — ich habe Ihnen daraus nie einen Vorwurf gemacht; das werden Sie von mir nie gehört haben — auch mit den Sozialdemokraten in einer Koalition gestanden. Die Demokratie ist nur funktionsfähig, wenn jede Partei in diesem Hause mit einer anderen Partei koalitionsfähig ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich verwahre mich dagegen, daß man hier unterschiedliche Betrachtungen anstellt. Ich halte das für eine Frage, die wirklich weit in den Grundgedanken der Demokratie eingreift. Das hat nichts mit Moralismus zu tun, sondern das ist etwas, was die Funktionsfähigkeit des Bundestages in Frage stellt, es sei denn — und diese Frage muß hier einmal geklärt werden —, es erhebt in diesem Hohen Hause eine Fraktion oder eine Partei für sich allein den Führungsanspruch in diesem Staat für alle Zeiten. Nur was den Führungsanspruch stärkt, wäre sozusagen demokratisch, richtig, moralisch gerecht und zu verantworten, und was diesen Führungsanspruch nicht rechtfertigt, wäre eben nicht zu verantworten. Das wäre die Alternative. Ich weiß, verehrter Herr Kollege Höcherl, daß Sie nicht dieser Auffassung sind. Aber ich wollte das mit aller Deutlichkeit sagen. Ich glaube, wir müssen von der Tatsache ausgehen — das ist eine Tatsache in der Demokratie —, daß in diesem Hohen Hause alle untereinander koalitionsfähig sind.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu den unterschiedlichen Konditionen des Förderungsprogramms machen. Zinsverbilligung: förderungsfähige Investitionsvolumen früher 66,6 v. H., jetzt 85 v. H. — das ist der Unterschied —; Aussiedlung: Altstellengarantie früher 55 000, jetzt 60 000; Erschließungsbeihilfe früher 30 000 DM, jetzt 40 000 DM; öffentliches Darlehen: früher 100 000 DM, jetzt 120 000 DM; Zinsverbilligung: früher 100 000 DM, jetzt auch 100 000 DM. Das sind die materiellen Verbesserungen.
Ähnliches gilt für die Althofsanierung und für die Aufstockung der Beihilfe im Bäuerinnenprogramm. Ich glaube, man kann weiß Gott nicht sagen, man habe sich nicht bemüht, etwas zu tun. In diesem Zusammenhang muß ich noch einmal sagen, das Bäuerinnenprogramm ist für die Nebenerwerbslandwirte genauso wie für die Vollerwerbslandwirte gültig. Wer die Menschen gerade auf dem Lande fördern will, muß deren Wohnverhältnisse fördern. Deshalb habe ich entschieden, daß dieses Programm langfristig fortgeführt wird, weil ich die Wohn- und Lebensbedingungen der Menschen fördern will.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es wurde auch noch einmal auf die Besprechung mit den Agrarministern hingewiesen. Ich will das noch einmal ganz kurz wiedergeben. Bei der abschließenden Besprechung mit den Agrarministern der Länder im September des Jahres wurden die für besonders wesentlich erachteten Punkte des Programms, z. B. Förderungsschwelle, Zeitpunkt des Inkrafttretens, Förderungskatalog und Überbrükkungshilfe, noch einmal vom Grundsatz her diskutiert. Nach Abschluß der Diskussion erfolgte keine Beschlußfassung. Es konnte jedoch dahingehend Übereinstimmung erzielt werden, daß alle Länderminister insbesondere im Hinblick auf die Gemeinschaftsaufgaben die Grundsätze des Programms akzeptieren. Einige noch offengebliebene Einzelheiten mehr technischer Art wurden in einer abschließenden Besprechung mit den Referenten der Bundesländer geklärt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die bayerischen Änderungswünsche weitgehend berücksichtigt wurden. Auch das sei hier noch einmal zu den Bemerkungen des Kollegen Niegel gesagt.
Herr Kollege Niegel, es wäre sicherlich sinnvoll, noch etwas zum Städtebauförderungsgesetz zu sagen. Ich kann Ihnen nur sagen: vergleichen Sie den Entwurf aus der Regierungszeit Kiesingers und den jetzigen. Im übrigen hat selbst der Bauernverband festgestellt, daß in dem jeztigen Entwurf schon Verbesserungen enthalten sind. Der Bauernverband ist nicht der Auffassung, das alles gut ist. Aber Sie können das nachlesen. Es ist in der Tat wirklich kurios, was permanent behauptet wird.
Sie haben sich über das Flugblatt beschwert, das von uns herausgegeben wurde. Warum habe ich dieses Flugblatt herausgegeben? Sie können das



Bundesminister Ertl
nachlesen, Sie haben es in der Hand, schlagen Sie doch die erste Seite auf: weil vor mir der Kollege Eisenmann als bayerischer Staatsminister im Auftrag der bayerischen Staatsregierung ein ähnliches Flugblatt herausgegeben hat, in dem er erklärt hat, was in Bayern gefördert wird. Darin wurde mit keiner Zahl ich glaube, es wurde höchstens eine Zahl angegeben — erwähnt, daß der Bund die meisten Maßnahmen finanziert.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Es ist das gute Recht von Herrn Eisenmann, das zu sagen. Aber der Bund zahlt für die Förderungen mehr Geld als das Land. Ich werde doch noch das gute Recht haben, die Menschen wenigstens offen und ehrlich zu informieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier muß man sich für solche Maßnahmen ja beinahe entschuldigen. Wir wollen das einmal ganz deutlich festhalten. Sie wissen sehr genau, wie das so in Bayern läuft. Das muß gesagt werden, Herr Niegel. Wie sich einige Beamte der bayerischen Landwirtschaftsverwaltung verhalten — das sage ich aus großer Sorge; denn, wie Sie wissen und nachlesen können, habe ich einmal wegen meiner politischen Grundhaltung einen Stuhl im Ministerium räumen müssen; ich wollte eigentlich nicht darüber sprechen , wie sich einige Beamte der bayerischen Landwirtschaftsverwaltung im Dienstbezirk und im Dienstgeschäft parteipolitisch betätigen, daß sucht seinesgleichen. Wenn ich Minister wäre, würde ich sagen: Mein lieber Freund, ein klein bißchen mehr Zurückhaltung wäre gut!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe mich als Amtsvorstand sehr korrekt verhalten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607833800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niegel?

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607833900
Herr Bundesminister, ich habe nicht das Flugblatt als solches kritisiert, sondern nur die nicht ganz richtigen Zahlen, die Sie über die Förderungsleistungen des bayerischen Landwirtschaftsministeriums angeben. Hier sind natürlich gewaltige Differenzen festzustellen.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0607834000
Herr Kollege Niegel, meine Mitarbeiter haben mir gesagt, die Zahlen stimmten. Ich werde sie aber nachprüfen lassen. Mir liegt nichts ferner, als Ihnen falsche Zahlen zu geben. Aber eines steht fest: Vergleichen Sie den Katalog aus Bayern, in dem die Bundesmittel angegeben sind, mit meinem Katalog. Ich habe fairerweise hineingeschrieben, daß es Aufgaben gibt, die das Land Bayern fördert, während der Bund nichts gibt. Vergleichen Sie das! Dann werden Sie sehen, wer sich fairer und anständiger verhält. Dabei habe ich noch nicht einmal angeführt, daß ich auch die Beratung in Bayern mit finanziere. Das habe ich vergessen. Dafür könnte ich noch einmal einige Millionen angeben, damit die Zahl abgerundet wird und Sie zufrieden sind.
Die heutige Debatte hat, so glaube ich, erwiesen, daß die Landwirtschaft heute sicherlich in einer schwierigen Phase steht und daß die allgemeine Entwicklung geradezu nach Stabilität schreit. Ich glaube, daß die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen einiges zur Abhilfe beigetragen hat. Die Wirtschaftsinstitute haben bestätigt, daß wir zu einer Beruhigung der konjunkturellen Situation kommen. Ich bin aber dem Parlament sehr dankbar, wenn es mir hilft, bessere Lösungen zu finden.
Ich darf noch ein weiteres sagen: Ich bin dem EWG-Parlament und den Europaparlamentariern doppelt dankbar, wenn sie mir helfen und wenn es ihnen gelingt — Herr Kollege Klinker, Sie sind ein maßgeblicher Politiker im EWG-Parlament —, einen Beschluß herbeizuführen, der den Grünen Dollar auf Zeit aussetzt. Wenn Sie helfen, mir diesen Beschluß zu liefern, werden Sie meine Unterstützung finden. Ich werde dann meinen Part im Ministerrat übernehmen. Aber bis jetzt habe ich — wie mir scheint, zu Recht — manches nicht getan, was mir von seiten des EWG-Parlaments und auch aus Ihren Reihen empfohlen wurde, sondern ich habe, wie Sie wissen, genau das Gegenteil getan.
Aber ich weiß, daß die Sorgen der Landwirtschaft von dem ganzen Hohen Hause geteilt werden. Das ist auch für mich eine gewisse Hoffnung. Möge es uns gelingen, gemeinsam die sicherlich nicht leichte Phase zu überwinden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607834100
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0607834200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat bei guter oder sogar sehr guter Besetzung über 6 Stunden lang über zwei Große Anfragen, eingebracht von allen Fraktionen, diskutiert. Ich glaube, aus dieser Tatsache kann man schon schließen, daß den Kollegen aus den einzelnen Wahlkreisen zum Teil ein anderes Bild über die Lage der Landwirtschaft vermittelt wurde, als uns hier heute einmal in der schriftlichen Antwort, zum anderen aber auch durch die Stellungnahmen der Herren Kabinettsmitglieder vorgetragen wurde.
Ohne Zweifel war die CDU/CSU-Fraktion gut beraten, als sie neben agrarpolitischen vor allen Dingen auch wirtschaftspolitische und sozialpolitische Fragen in ihre Betrachtungen einbezog. Auch wenn man die Beratungen lange Zeit zurückverfolgt, dürfte man kaum einen Fall finden, indem sich das Kabinett so intensiv in die Debatte eingeschaltet hat.
Nun ist die Beurteilung von seiten der Sprecher der Koalitionsfraktionen zu den Antworten der Regierung mit „gut" und noch besser ausgefallen, während wir sehr unzufrieden sind und sie eher mit „ungenügend" bezeichnen. Das ist an sich das Bedauerliche an dieser Debatte, daß die Auffassungen



Struve
über die wirkliche Lage in der Landwirtschaft innerhalb des Hohen Hauses und auch in der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion so unterschiedlich sind.
An Sie, Herr Minister Ertl als den zuständigen Fachminister, möchte ich schon heute den Appell richten: wenn wir im Februar erneut eine altarpolitische Debatte haben, konzentrieren Sie die Vorarbeiten vor allen Dingen auf die Frage: Was hat sich in der zweiten Jahreshälfte 1970, ab Juli ereignet? Hier kann es keinen Zweifel geben, daß uns auf der einen Seite die Preise in dem Unkostenbereich völlig davongelaufen sind. Ein anderes Problem, das vielleicht auch bei der heutigen Debatte zu kurz gekommen ist, darf nicht wieder — wenn man so will — vom Tisch kommen, das sind die völlig veränderten Verhältnisse innerhalb der EWG, die die Wettbewerbsverhältnisse zwischen der deutschen Landwirtschaft und der unserer Partner so auseinanderklaffen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Minister Schiller, Sie sprechen immer von dem rechnerischen Ausgleich, von dem vollen Ausgleich. Sie warnen sogar und sagen, rein rechnerisch könne durch die Preisentwicklung in gewissen Bereichen sogar herauskommen, daß die Schätzungen zu positiv waren. Im Augenblick zeichnen sich die mit der Abwertung des Franc und mit der Aufwertung der D-Mark ohne Zweifel völlig verschobenen Wettbewerbsverhältnisse in der EWG so stark ab, daß sie für jeden Bauern handgreiflich sind.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Ritz: Das ist das eigentliche Problem!)

Ich kann es auch anders ausdrücken. Die Erzeugerpreise sind nicht nur statistisch von September bis September um 7 % gefallen, es ist eine derartige Unsicherheit in das Marktgeschehen hineingeraten, daß im Bereich der Veredelungswirtschaft nicht nur einzelne illiquid werden, sondern ich befürchte für viele Betriebe leider noch viel Schlimmeres.
Unser erster Appell, meine Herren von der Bundesregierung, geht in dieser Richtung: Bringen Sie diese Dinge in Brüssel auf die Tagesordnung; und wenn Sie den Grünen Verrechnungsdollar nicht beseitigen können, beseitigen Sie diese Wettbewerbsverschiedenheit, sonst muß die deutsche Landwirtschaft nicht nur um ihre Zukunft bangen, sondern sie muß — wie man so schön sagt — unter die Räder kommen gegenüber den besseren Wettbewerbsbedingungen der Landwirtschaft in den anderen EWG- Staaten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun ein zweiter Appell an unsere Bundesregierung, den wir auch in unserem Antrag festgehalten haben und der sicher auch in den Ausschüssen noch weiter verfolgt wird. Das Preisklima ist völlig umgeschlagen. Ich war im Auftrag meiner Fraktion vor 14 Tagen einige Tage in Brüssel. Wir haben von dem amtlichen Mitarbeiter von Mansholt gehört, daß er nach Bereisung aller sechs Partnerländer seine Ansicht revidiere, daß er einsehe, daß man nicht auf der einen Seite Erzeugerpreise für Jahre zementieren und Unkosten nach nationalen Gesetzen immer mehr ausufern lassen dürfe. Statt Preissenkungen wird er Preiserhöhungen vorschlagen.
Mein Appell geht an die Bundesregierung, hier aktiv zu werden und die mahnenden Worte, die gestern vor dem Deutschen Bauernverband gesprochen worden sind, nicht zu unterschätzen. Wenn schon gesagt wird, daß der Bauer Unternehmer sein und unternehmerisch denken solle, dann müssen Sie sich auch verpflichtet fühlen, für sein Einkommen genauso verantwortlich zu votieren, wie Sie umgekehrt eine zehn- und zwölfprozentige Erhöhung der Kosten in einem Jahr schon für selbstverständlich. halten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Am Schluß dieser Debatte sollte also, wie ich glaube, noch einmal klar herausgestellt werden, daß die Initiativen für eine wirkliche Verbesserung der derzeitigen Lage von der Bundesregierung ergriffen und energisch in Brüssel vorgetragen werden müssen.
Ich möchte noch ein weiteres und zugleich schon letztes Problem aus unserem Antrag aufgreifen. Herr Minister Ertl, Sie haben auf der gestrigen Kundgebung u. a. auch die speziellen und konkreten Wünsche des Berufsstandes entgegengenommen. Sie äußerten sich in Sachen Altershilfe nach einer mir vorliegenden Notiz wie folgt: „Eine Erhöhung" — nämlich der Altershilfe — „würde ich persönlich sehr begrüßen." Es ist dann ein Satz im Protokoll unklar wiedergegeben. Es heißt dort: „Auf Tonband unverständlich". — Dann fahren Sie fort: „Wenn Sie mir die parlamentarischen Mehrheiten dazu herbringen, werden wir uns darüber unterhalten können."

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, ich habe diesen Punkt herausgegriffen, weil er heute in zweiter und dritter Lesung ansteht. Leider haben die Koalitionsfraktionen in den Ausschußberatungen unseren Vorschlägen nicht folgen können. Wir bringen heute einen neuen Antrag ein. Wir sind jetzt schon in der Lage, Ihnen für ,die 120 Millionen DM, die an öffentlichen Mitteln aufgebracht werden sollen, einen Deckungsvorschlag zu machen.
Über eines allerdings möchte ich keinen Zweifel aufkommen lassen, und hier gebe ich, wie ich glaube, nicht nur die Auffassung der CDU/CSU-Fraktion, sondern auch der bäuerlichen, der ländlichen Bevölkerung wieder. Reden Sie bitte nicht immer nur von der Krankenversicherung, die ab 1972 kommen soll! Sprechen Sie, meine Herren von der Bundesregierung, nicht immer nur von den Kosten, die über 300 Millionen DM betragen und für die Sie noch eine Deckung suchen müssen! Wenn ich es richtig sehe und die mittelfristige Finanzplanung verfolge, wollen Sie doch die Kosten weitgehend durch die 920 Millionen DM decken, die heute als Ersatz für den Aufwertungsverlust gezahlt werden. Mit anderen Worten: die Bauern sollen auch hier die Beträge indirekt selber aufbringen.
Meine Bitte geht also abschließend dahin, daß bei einem 100-Milliarden-Etat, der für 1971 in Aussicht



Struve
gestellt ist, heute eine positive Entscheidung fallen sollte. Die Altershilfeempfänger sollten nicht weiter vertröstet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607834300
Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt.

(Beifall.)

— Nicht zu früh applaudieren! Es kommen noch ein paar kurze Begründungen.
Wir können damit bei den Punkten 3 a und b zur Abstimmung kommen. Ich darf Sie bitten, diese Punkte 3 a und b zur Hand zu nehmen, gleichzeitig die drei Anträge Umdrucke 89 *) 92 **) und 90 ***).
Ich rufe zunächst den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 89 auf.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ohne Begründung!)

- Ohne Begründung. Das hören wir gern. Es wird also vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 89 gleich zu überweisen, und zwar an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatenden Ausschuß. Gleichzeitig soll der Antrag der Fraktion ,der CDU/CSU auf Umdruck 92 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ,das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Zu Punkt 3 b liegt ein Antrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Umdruck 90 vor. Der Antrag ist vorhin von Herrn Abgeordneten Helms begründet worden. Soweit ich das sehe, wird vorgeschlagen, ihn an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. — Das Wort wird nicht gewünscht? - Wer dem Vorschlag zustimmt, den Antrag Umdruck 90 an die genannten Ausschüsse zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Punkte 4 a und 4 b. Ich darf bitten, dazu die Drucksachen VI/1384, zu VI/1384, VI/249, VI/438 und VI/1407 zur Hand zu nehmen. Die Abstimmung erfolgt auf der Grundlage der Drucksache VI/1384.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 87 ****) vor. Wer begründet ihn? — Herr Abgeordneter Horstmeier, bitte schön!

Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0607834400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein persönliches Wort. Ich möchte Herrn
*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4 ***) Siehe Anlage 2 ****) Siehe Anlage 5
Dr. Schmidt für die Würdigung meines Beitrags in dem Buch „Die Union in der Opposition" danken. Er hat von dem wirtschaftlichen Teil gesprochen. Aber ich hoffe, daß er auch den sozialpolitischen Teil gelesen hat, und ich hoffe, daß er auch meine Ausführungen über die Alterssicherung und die Krankenversicherung gelesen hat. Wenn dem so ist und er zustimmt

(Zurufe von der SPD: Begründung!)

— Moment, Moment! —, so brauchte ich hier keine weiteren Worte zu verlieren. Dann würde unser Änderungsantrag durchkommen. Das wollte ich nur damit sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn dieser Änderungsantrag sieht vor, daß die Altershilfe ab 1. Juli 1971 heraufgesetzt werden soll auf 240 DM monatlich für Verheiratete und auf 160 DM monatlich für Unverheiratete. Bei dieser Leistungsverbesserung schlagen wir sogar trotz der schwierigen Lage der Landwirtschaft auch eine höhere Eigenleistung vor. Wir wollen die Beiträge von 27 DM auf 33 DM vom gleichen Zeitpunkt an heraufsetzen.
Als Drittes wollen wir die Wiedereinführung der Defizithaftung des Bundes gegenüber den Alterskassen erreichen, ähnlich wie es bei der Knappschaft der Fall ist.
Meine Damen und Herren, die Gründe sind hier in der Debatte immer wieder durchgeklungen. Ich darf sie punktuell noch einmal nennen. Es geht darum, in der Landwirtschaft die soziale Gerechtigkeit herzustellen. Es geht darum, eine Entlastung der Betriebe gegenüber den Altenteilern zu erreichen. Denn die Altershilfe ist ja nur ein Teil der Altersversorgung. Der andere Teil muß vom Hof kommen, und diese Leistungen des Hofes sind immer schwieriger zu erbringen. Es geht auch um die Betriebe, die durch den Strukturwandel schon längst aufgegeben worden sind und die Eigenleistung für die Altenteiler nicht mehr erbringen können.
Ferner muß ich den EWG-Raum nennen. Wir wissen, daß die deutsche Altershilfe im EWG-Raum am geringsten ist. Herr Dr. Ritz hat schon das Beispiel von Frankreich genannt. Wir können durch diese Verbesserung — ich will es einmal vorsichtig sagen — die Wettbewerbsverzerrung auf diesem Gebiet vermindern helfen.
Ohne Zweifel muß auch über eine Deckung nachgedacht werden, aber dann im Gesamthaushalt. Wir könnten es uns auch so leicht machen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wie wir es bei der Verbesserung der Unfallversicherung erlebt haben, indem Sie es nämlich der Regierung überlassen haben, für eine Deckung zu sorgen. Aber das tun wir nicht. Mein Kollege Röhner wird gleich sagen, wie diese Deckung im Haushalt möglich ist. Im übrigen sind wir Ihnen bei der Frage der Finanzierung entgegengekommen, in dem wir von dem ursprünglich vorgesehenen Termin 1. Januar 1971 abgewichen sind. Wir haben den 1. Juli 1971 gewählt.



Horstmeier
Meine Damen und Herren, es geht hier darum, den internen Strukturwandel in der Landwirtschaft mehr zu stützen als bisher. Der Herr Minister Arendt hat erneut zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung gewillt sei, die soziale Sicherung in der Landwirtschaft für die Ausscheidenden und für die Bleibenden — das ist wichtig — zu gewährleisten.
Es hat keinen Zweck mehr, da noch länger hinzuhalten. Es kommt darauf an, daß nun endlich Zeichen gesetzt werden. Sie haben hier die Gelegenheit, Zeichen zu setzen. Ich fordere Sie auf, das zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607834500
Mir ist insofern ein Versehen unterlaufen, als ich der Meinung war, daß die Berichterstatter heute morgen gleichzeitig die mündliche Ergänzung gegeben hätten. Das ist nicht der Fall. Das Wort zur mündlichen Ergänzung hat deshalb zunächst der Berichterstatter, Herr Wolf, dem ich für seinen Schriftlichen Bericht danke.

Willi Wolf (SPD):
Rede ID: ID0607834600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit möchte ich der Anregung des Herrn Präsidenten folgen und mich in meiner mündlichen Ergänzung sehr kurz fassen.
Im Laufe der Debatte hat es sich gezeigt, daß die Schwerpunkte oft falsch gesetzt worden sind und oft auch nicht deutlich erkannt wurden. Mir scheint es notwendig zu sein, noch darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz drei Schwerpunkte schafft: 1. die Regelung über die Finanzierung der landwirtschaftlichen Altershilfe für die nächsten Jahre, 2. wesentliche Verbesserungen bei der Landabgabenrente und 3. die Möglichkeiten der Beitragsnachentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung für ausscheidende jüngere Landwirte.
In Abkehr von dem bisherigen Grundsatz, nach dem den Landwirten über finanzielle Zuschüsse die Aufrechterhaltung ihres Betriebes ermöglicht wurde, unterstützt dieses Gesetz die Abgabe kleiner, nicht rentabler Betriebe.
Wichtig erscheint mir auch der Hinweis auf eine neu eingeführte Möglichkeit, die insbesondere für jüngere strukturbetroffene Landwirte von Bedeutung ist. Nach dieser Möglichkeit können ausgeschiedene Landwirte Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachentrichten, wenn sie eine Arbeitnehmertätigkeit aufgenommen haben. Zu diesen Beiträgen gewährt der Bund bei struktureller Abgabe einen Zuschuß in Höhe von 70 v. H. Dadurch wird dieser Personenkreis in die Lage versetzt, sich eine ausreichende und mit der anderer Arbeitnehmer vergleichbare Alterssicherung aufzubauen.
Im Zusammenhang mit den Beratungen hat sich der Ausschuß auch eingehend mit dem Problem beschäftigt, vor dem landabgabewillige Landwirte stehen, die keine Landabgaberente erhalten können, weil kein anderer Landwirt ihr Land übernimmt. Als einen ersten Weg, dieses Problem zu lösen, hat der Ausschuß beschlossen, die Erstaufforstung der Landabgabe gleichzustellen. Hierbei wird vorausgesetzt, daß eine ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung des Landes als Hochwald ermöglicht, die Nutzung der anliegenden Flächen nicht eingeschränkt wird und die Aufforstung mit anderen Agrar- oder infrastrukturellen Maßnahmen in Einklang steht.
Mit der unter Punkt 3 des Ausschußantrages vorgelegten Entschließung soll die Bundesregierung ersucht werden, dem Deutschen Bundestag zu berichten, welche weiteren Maßnahmen getroffen worden oder vorgesehen sind, um diesen landwirtschaftlichen Unternehmern zu helfen.
Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz werden Sozialpolitik und Strukturpolitik harmonisch miteinander verbunden; der Anpassungsprozeß der Landwirtschaft an die veränderten strukturellen Verhältnisse wird im Interesse aller beschleunigt. Ich bitte, die Gesetzesvorlage in der Ausschußfassung anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607834700
Wir fahren mit der Begründung zu Umdruck 87 fort. Das Wort hat der Abgeordnete Röhner; es folgt danach der Abgeordnete Schonhofen.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0607834800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte mit Bezug auf die Deckungsfrage einige Anmerkungen zum diesbezüglichen Antrag der CDU/CSU-Fraktion — Drucksache VI/249 — machen. Die Deckungsfrage ist ja offensichtlich der Hauptgrund für das ablehnende Verhalten der Koalitionsparteien gegenüber diesem Gesetzesantrag.
Ich persönlich bin der Meinung und ich möchte das auch namens meiner Fraktion ausdrücken und vortragen, daß die Auffassung der Koalitionsparteien und der Regierung, für den GAL-Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Erhöhung des landwirtschaftlichen Altersgeldes sei im Jahre 1971 keine solide, keine ausreichende Deckung vorhanden, nicht haltbar ist und nicht zutrifft. Ich möchte das Gegenteil behaupten und will auch den Versuch machen, das zu beweisen.
Überprüft man einmal den Agrarhaushalt 1971 auf das in Kapitel 10 03 eingestellte Gesamtvolumen, dann ergibt sich ein Betrag von 2 879 437 000 DM. Man muß aber wissen, daß in diesem Betrag eine Summe von 149,4 Millionen DM enthalten ist, die auf nationale Ausgaben der Vorratshaltung und sonstiger Marktordnungsmaßnahmen entfällt. Ich meine mit diesen in Kapitel 10 03 ausgebrachten nationalen Maßnahmen die Ausgaben für die Vorratshaltung für Berlin, die NATO-Getreidereserve, die Frachthilfegetreidemaßnahmen, die Ausfuhrerstattung für Zuchtvieh, die Förderung für Fischabsatz und den Verwaltungskostenzuschuß für EV- Stellen. Das heißt, anders ausgedrückt: Tatsächliche Ausgaben für die EWG-Agrarpolitik sind nach Abzug dieser 159,4 Millionen DM jene 2 720 000 000 DM, die in der „Übersicht" im Anhang zum Einzelplan 10 unter den Ausgabeblöcken H, J und K tat-



Röhner
sächlich aufgeführt sind. Wir stellen also hier unterschiedliche Zahlen fest.
Nun ist dabei folgendes zu beachten. Die Ausgaben für die EWG-Agrarpolitik werden dann vom EWG-Agrarfonds direkt finanziert, wenn ihr Entstehungsgrund nach dem 1. Januar 1971 gegeben ist. Entsprechend sind diese vom EWG-Agrärfonds direkt an den Bundeshaushalt fließenden Mittel auch bei Kap. 60 06, und zwar bei Tit. 686 11 als Minderausgaben eingestellt. Die dort eingestellte Minderausgabe in Höhe von 2,443 Milliarden DM enthält außerdem — daß muß auch hervorgehoben werden — einen Betrag von 330 Millionen DM für den Aufwertungsausgleich. Bringt man diese Summe für den Aufwertungsausgleich von dem gesamten Ansatz in diesem Titel in Abzug, verbleiben echte 2,113 Milliarden DM. Es ergibt sich also — und um diese Beweisführung ging es mir hier — ein Differenzbetrag von insgesamt 606 Millionen DM.
Ich bin der Meinung, die Konsequenz, die daraus gezogen werden kann, ist die, daß diese Ausgaben wohl 1971 getätigt werden müssen, aber ihr Entstehungsgrund bereits in der Zeit vor dem 1. Januar 1971, also im Jahre 1970 liegt. Und das heißt doch, daß für diese Ausgaben — ich sprach von rund 600 Millionen DM — noch das alte EWG-Rückvergütungssystem anzuwenden ist und nicht das neue direkte Finanzierungssystem.
In der Finanzierungspraxis hat das natürlich seine entsprechende Auswirkung. Wenn diese im nachhinein zu zahlenden Beträge weniger als diese 606 Millionen DM Differenz ausmachen, dann können die Ausgaben bei Kap. 10 03 um diesen verringerten Betrag im Jahre 1971 gekürzt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man bedenkt, daß dieses geschehen kann, ohne daß dabei die Minderausgaben, die bei Kap. 60 06 ausgebracht sind, also die Direktzuflüsse aus Brüssel, irgendwie geändert oder gekürzt werden müßten, ergibt sich daraus für mich die folgende zwingende Schlußfolgerung: auch bei ganz vorsichtigen Schätzungen ist im Jahre 1971 mit Verpflichtungen, deren Entstehungsursachen bereits im Jahre 1970 begründet waren — altes Finanzierungssystem —, von höchstens 400 Millionen DM zu rechnen. Das ergibt dann einen Restbetrag von mindestens 200 Millionen DM, die im Voranschlag für 1971 bei Kap. 10 03 tatsächlich eingestellt sind und die deshalb umgeschichtet werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch auf eine zweite Deckungsmöglichkeit ausdrücklich hingewiesen haben. Die Ansätze für Kap. 10 03 sind — und das ist ganz natürlich und ordnungsgemäß — in den Frühjahrsmonaten des Jahres 1970 kalkuliert, fixiert und dann im Haushalt eingestellt worden. Wenn man dann an die Ausgabenblöcke — Vorratshaltung und Abbaumaßnahmen — denkt und wenn man den Versuch macht, diese dort bereitgestellten Summen nach den heutigen Tatbeständen und nach den heutigen Kenntnissen abzustimmen und zu kalkulieren, kommt man auch hier zu dem zwingenden Schluß, daß die damals zu Recht eingestellten Beträge heute nicht mehr realistisch sind. Sie können heute wesentlich kleiner gehalten werden. Also auch in diesem Bereich des Kap. 10 03 für 1971 sind echte Umschichtungsmöglichkeiten gegeben.
Ich darf hier vielleicht ein, zwei Beispiele herausgreifen. Bei Getreide z. B. darf man sicherlich nach den heutigen Tatbeständen und nach den heutigen Kenntnissen unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktsituation mit einem Einsparungsbetrag von etwa 120 bis 140 Millionen DM rechnen.
Noch ein zweiter Posten sei genannt. Er betrifft die Fette. Wir alle kennen das Problem: Abbau des Butterberges usw. Bei den Fetten — damit meine ich neben Butter auch den Bereich Magermilchpulver — könnte infolge niedriger gewordener Durchschnittsbestände ebenfalls ein Betrag von etwa 30 Millionen DM freigesetzt werden.
Allein diese beiden Posten der Vorratshaltung ergeben zusammen bereits eine Summe von 170 Millionen DM.
Aber auch bei den Abbaumaßnahmen wäre durchaus noch mit einem Betrag von etwa 126 bis 130 Millionen DM zu kalkulieren.

(diese zweite Deckungsmöglichkeit hingewiesen haben. Abschließend darf ich feststellen: Wenn in den zurückliegenden Monaten vielleicht auf allen Seiten dieses Hauses zu Recht immer wieder „mehr soziale Sicherheit" für unsere bäuerlichen Familien gefordert worden (ist, dann bin ich der Meinung, daß in Anbetracht des Antrages der CDU/CSUFraktion und in Anbetracht der soliden realistischen Deckungsvorschläge hier eine Möglichkeit gegeben ist, einen guten, einen entscheidenden Schritt voranzugehen in Richtung auf mehr soziale Sicherheit für unsere deutsche Landwirtschaft. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Bülow. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte drei Bemerkungen zu dem machen, was Herr Röhner vorgetragen hat. Erstens. Es sind, glaube ich, kaum drei Stunden her, daß wir die (Berichterstatterbesprechung für Einzelplan 10 abgeschlossen haben. Da haben wir darum gekämpft, daß wir 5 Millionen DM aus Kap. 10 03 freibekommen. Es war keineswegs die Gewißheit da, wie hier vorgetragen wurde, daß derartige Mittel vorhanden sind. Zweitens. Die Überproduktion der EWG an Butter und anderen Waren war für 1970 klar als geringer zu erkennen. Deswegen war Luft in Kap. 10 03. Die Entwicklung für 1971 ist völlig unübersichtlich. Wir alle wissen, daß diesen Einzelplan eine hohe Ungewißheit auszeichnet und daß es deshalb in hohem Maße unverantwortlich wäre, in dieser Größenordnung in den Topf zu greifen mit Röhner der Möglichkeit, ,daß das später zu Lasten anderer Maßnahmen geht. Drittens. Herr Röhner, es ist doch einfach eine kurzfristige und flachbrüstige Argumentation, wenn man Kap. 10 03 für das Jahr 1971 isoliert sieht. Das Altersgeld ist doch keine Maßnahme, die wir ein Jahr gewähren können und im anderen Jahr wieder wegnehmen. Wir müssen doch die mittelfristige Finanzplanung sehen. Darin sind diese Mittel zur Zeit ganz klar nicht vorhanden. Diese wenigen Anmerkungen wollte ich machen. Es geht uns genauso um die Landwirtschaft wie Ihnen. Aber wir müssen ein realistisches Konzept vorlegen, und wir müssen die Krankenversicherungsreform verwirklichen, die Sie bereits 1966 angekündigt, aber bis heute nicht verwirklicht haben. Das Wort hat der Abgeordnete Schonhofen. Herr Präsident! Meine ,sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich nach neunstündiger agrarpolitischer Debatte die letzten Sympathien des Hauses nicht verscherzen will, sollte sich im Telegrammstil äußern. Herr Kollege Horstmeier hat in Zusammenhang mit der Begründung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion Umdruck 87 gemeint, es müßten Zeichen gesetzt werden. Meine Damen und Herren, es sind Zeichen gesetzt worden. Man muß sich nur bemühen, sie zu sehen, sie nicht zu übersehen, sie nicht geflissentlich zu übersehen. Es sind Zeichen in dem Gesetz gesetzt worden, das wir in wenigen Minuten zu verabschieden bereit sind. Wir werden eine beachtliche Verbesserung der Landabgaberente verabschieden. Wir werden in dem gleichen Gesetz, in dem agrarsozialen Ergänzungsgesetz, die Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung einführen. Zweitens gehört zu den Zeichen, die diese Bundesregierung gesetzt hat, die Einführung der Krankenversicherungspflicht. Sie sind darüber informiert, daß die Verbesserung der Landabgabenrente, die Schaffung der Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Einführung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes in den agrarsozialen Maßnahmen dieser Koalition Vorrangstellung einnehmen. Lassen Sie mich abschließend noch wenige Bemerkungen zum Thema der Altershilfe, das auch der Kollege Horstmeier hier angesprochen hat, machen. Diese Bemerkungen beziehen sich zugleich auf die landwirtschaftliche Unfallversicherung. All das ist nichts Neues; trotzdem scheint es mir notwendig zu sein, diese Bemerkungen hier vor aller Öffentlichkeit zu machen, damit kein schiefes Bild entsteht. Es ist klar, daß, was die Höhe der Leistungen der Altershilfe und der Unfallversicherung und auch die Solidität der zukünftigen finanziellen Basis dieser beiden Einrichtungen angeht, keine erfreuliche Lage zu verzeichnen ist, ich kann auch sagen, kein erfreuliches Erbe übernommen worden ist. Es ist das ausgesprochene Anliegen dieser Bundesregierung, hierfür Lösungsmöglichkeiten in relativ kurzer Zeit aufzuzeigen. Es sollte noch hinzugesetzt werden, daß die beiden Regierungsparteien der Großen Koalition die Finanzierung der Altershilfe lediglich bis zum Ende des Jahres 1970 sichergestellt haben und daß wir mit diesem Gesetz die Finanzierung nunmehr bis zum Ablauf der Übergangszeit sicherstellen. Sie haben in den Ausschußberatungen zur Kenntnis nehmen können — ich möchte das hier noch einmal wiederholen —, daß diese Bundesregierung und diese Koalition die Absicht haben, mit dem Ablauf der Übergangszeit eine grundsätzliche Neuregelung der Altershilfe und Unfallversicherung anzustreben. Meine Damen und Herren, in der heutigen Debatte — das ist zweifellos kennzeichnend für sie gewesen — ist zum Ausdruck gekommen, daß diese Bundesregierung und diese Koalition willens sind, zielstrebig und beharrlich, sachbezogen und gleichzeitig auch sachgerecht eine Agrarsozialpolitik zu betreiben. Die vorliegenden Anträge der Opposition scheinen uns darauf angelegt zu sein, diese klare Konzeption zu unterlaufen. Wir sehen uns deshalb nicht in der Lage, Ihren Anträgen zuzustimmen. Meine Damen und Herren, die Liste der Wortmeldungen ist erschöpft. Der Antrag Umdruck 87 ist begründet. Die Stellungnahme zur Begründung ist erfolgt. Ich bitte Sie, Drucksache VI/1384 zur Hand zu nehmen. Die Aussprache in zweiter Lesung ist beendet. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 des Gesetzentwurfes auf. Zu Art. 1 § 1 liegen drei Änderungsanträge auf Umdruck 87 vor. Auf Umdruck 87 Ziffer 1 wird beantragt, Art. i § 1 Nr. 1 eine Nr. 01 voranzustellen. Auf Umdruck 87 Ziffer 2 liegt ein Änderungsantrag zu Art. 1 § 1 Nr. 2 vor. Auf Umdruck 87 Ziffer 3 muß eine Berichtigung vorgenommen werden. Es muß unter Ziffer 3 wie folgt heißen: Nummer 3 erhält folgende Fassung: „3. § 13 a wird gestrichen." Ich rufe zunächst Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 87 auf. Danach soll der Nr. 1 in Art. 1 § 1 eine Nr. 01 vorangestellt werden: Präsident von Hassel Wer diesem Änderungsantrag unter Ziffer 1 auf Umdruck 87 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — So ganz klar sind wir uns nicht. Es wird bezweifelt, daß das letzte die Mehrheit war. Dann muß ausgezählt werden. Meine Damen und Herren! Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Insgesamt sind 469 Stimmen abgegeben worden. Für Ziffer i des Antrages auf Umdruck 87 wurden 226 Ja-Stimmen und 243 Nein-Stimmen abgegeben. Die Ziffer 1 ist damit abgelehnt. Mir ist mitgeteilt worden, daß Ziffer 2 zurückgezogen wird. Nunmehr müssen wir über Ziffer 3 abstimmen. Nach ihr soll § 13 gestrichen werden. Wer der Ziffer 3 des Antrags auf Umdruck 87 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Die Ziffer 3 ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt worden. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Art. 1 in der Ausschußfassung. Gleichzeitig können wir über Art. 2, 3 und 4 sowie Einleitung und Überschrift abstimmen. Wer diesen 4 Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Das ist angenommen worden. Ich eröffnet die dritte Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Wir stimmen in dritter Beratung über das gesamte Gesetz in der Ausschußfassung ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen worden. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses. Ich mache darauf aufmerksam, daß mit der Annahme dieser Ziffer 2 die Tagesordnungspunkte 4 b und 4 c erledigt wären. Wer dem Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ziffer 2 des Ausschußantrages ist angenommen worden. Wir kommen zu Ziffer 3 des Ausschußantrags. Wer ihr seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das ist angenommen. Wer Ziffer 4 des Ausschußantrags annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist so beschlossen. Damit haben wir die Punkte 4 a, 4 b und 4 c erledigt. Bevor ich Punkt 5 aufrufe, darf ich davon Kenntnis geben, daß der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses mich gebeten hat, Ihnen mitzuteilen, daß die Sitzung des Verteidigungsausschusses morgen nicht, wie vorgesehen, um 9.45 Uhr, sondern erst um 17 Uhr beginnt. Ich rufe nunmehr Punkt 5 unserer Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Zählung in der Landund Forstwirtschaft — Drucksache VI/1133 — a)


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607834900
Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0607835000




(Beifall bei der SPD.)

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607835100
Friedrich Schonhofen (SPD):
Rede ID: ID0607835200

(Zuruf von der CDU/CSU: Telegrammstil!)


(Abg. Stücklen: Das nennen Sie Telegrammstil!)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607835300

(Beifall.)


(1) Das Altersgeld beträgt ab 1. Juli 1971 für den verheirateten Berechtigten 240 Deutsche Mark, für den unverheirateten Berechtigten 160 Deutsche Mark monatlich.





(Lachen bei der SPD.)

— Drucksache VI/1368 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Pieser
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (9. Ausschuß)

— Drucksachen VI/1282, Nachtrag zu VI/1282 —
Berichterstatter: Abgeordneter Solke (Erste Beratung 64. Sitzung)

Ich darf zunächst den Berichterstattern für ihre Berichterstattung danken. Ich eröffne die zweite Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich darf Sie bitten, die Drucksachen VI/1133, VI/1282 und zu VI/1282 zur Hand zu nehmen. Ich rufe die §§ 1 bis 23 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das ist einstimmig so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. — Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die dritte Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung. Wer ihm zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (23. ÄndGLAG)

— Drucksache VI/1000 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses 7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/1383 —Berichterstatter: Abgeordneter Röhner



Präsident von Hassel
bb) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache VI/1351 —Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks

(Erste Beratung 66. Sitzung)

b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (23. ÄndGLAG)

— Drucksache VI/119 —Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

- Drucksache VI/1351 —
Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks

(Erste Beratung 21. Sitzung)

Dazu sind lediglich Erklärungen vorgesehen. Ich eröffne die zweite Beratung. Darf ich zunächst einmal eine Frage stellen. Es liegt mir eine Wortmeldung zur Abgabe einer Erklärung vor. Wird das Wort dazu begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Wer den §§ 1 bis 6, Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Hofmann!

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0607835400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung hat mit der 23. Lastenausgleichsnovelle hier eine Verbesserung vorgelegt, die selbst die Opposition in ihrem Initiativantrag Drucksache VI/119 noch nicht zu fordern wagte. Wenn dennoch bei einzelnen Beratungen gesagt wurde, daß hier noch nicht alle Hoffnungen erfüllt wurden, so muß dann aber auch gesagt werden, daß in diesen zwölf Monaten etwas erreicht wurde, was in 18 Jahren nicht geschafft werden konnte.

(Unruhe bei der CDU/CSU.)

Bis zur 21. LAG-Novelle im vorigen Jahr ist keine sichtbare, greifbare Hilfe gegeben worden. 18 Jahre wurde das Problem der Flüchtlinge im großen und ganzen übersehen und überhört. Bescheidene Ansätze — und auch die mußten erst noch erkämpft werden — waren in der Großen Koalition mit der 21. Novelle ermöglicht worden.

(Abg. Dr. Wörner: Eine Menge Humor haben Sie!)

Auch der erste Ansatz aus der Opposition heraus zeigte in der Drucksache VI/119 nur sehr zaghafte und zögernde Schrittchen, die letzten Endes die Problematik der 21. Novelle noch komplizierten. Ihre Versuche bestanden darin, die Höchstgrenze einer Hauptentschädigung auf 75 000 DM heraufzusetzen, die Einkommensgrenze um etwa ein Drittel und die Vermögensgrenze um etwa die Hälfte zu erhöhen. Die Opposition begründete diese Schritte in noch sehr verantwortungsbewußter Weise in der Drucksache VI/119. Ohne daß dem Ausgleichsfonds zusätzliche, ursprünglich für die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten bestimmte Mittel entnommen werden müssen und ohne den Bundeshaushalt zu berühren, ist es demnach möglich, die Flüchtlinge den Vertriebenen in stärkerer Weise gleichzustellen. Weiter heißt es in demselben Papier: „ ... von der Überzeugung ausgehend, daß der Spielraum zu 2,6 Milliarden DM nicht überschritten wird."

(Vorsitz : Vizepräsident Frau Funcke.)

In der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf wird diese Haltung noch einmal bestätigt. Auch hier wird von dem Sprecher der Opposition gesagt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Wir sind bemüht gewesen, in der fortschreitenden Gleichstellung der Flüchtlinge einen, wie wir meinen, möglichst großen Schritt voran zu tun, ohne neue Fondsmittel zu beanspruchen. Wir meinen aber, daß sofort das getan werden muß, was, ohne jetzt neue Haushaltsmittel in Anspruch zu nehmen, in verantwortungsbewußter Weise geschehen kann.
Doch dann, meine Damen und Herren, kam der Gesetzentwurf der Regierung, der den Antrag der CDU/CSU gegenstandslos machte. Es ist der Antrag auf Drucksache VI/1000. Die bisher guten Vorsätze der Opposition wurden über Bord geworfen. Ihre bisherigen Vorsätze, ohne Fondsmittel und ohne neue Haushaltsmittel auszukommen, wurden durch ihre Anträge widerlegt. Im Innenausschuß wurden die Vorschläge der Regierung um 450 Millionen DM verbessert. Die Anträge der Opposition gingen darüber hinaus; sie forderte dazu noch einmal 750 Millionen DM.
Interessant ist, daß ein weiterer Antrag auf dem Tisch lag, der aber zurückgezogen wurde, weil wir § 6 des Lastenausgleichsgesetzes nicht änderten. Dieser Antrag hätte Mehrausgaben von 1400 Millionen DM erfordert. Damit erreichte die Opposition, die unserem Antrag — 450 Millionen DM — zustimmte, dazu aber 750 Millionen DM forderte, daß dieser Antrag eine Summe von nochmals 2,6 Milliarden DM ausmachte. Das ist so viel, wie die 21. und 23. Lastenausgleichsnovelle insgesamt kosten sollten.
Bei diesen Anträgen kam die Opposition ins Schwimmen, und sie schwamm beinahe zwischen Scylla und Charybdis. Einerseits wollte sie den Flüchtlingen viel aus dem Topf der Heimatvertriebenen geben, ohne den Heimatvertriebenen dabei etwas wegzunehmen. Andererseits wir ihr eigener Ruf, der ihnen schon selbst lästig im Ohr war: Sparen! Sparen! Stabilisieren hat Vorrang! Der Haushalt ist zu hoch! — um dann doch mit dem Angriff auf den § 6 des Lastenausgleichsgesetzes all die Mittel, die über 2,6 Milliarden DM hinausgin-

Hofmann
gen, auf den Bundeshaushalt zu übertragen. Der Bundeshaushalt war für sie das kleinere Übel, und dem versuchten sie das Risiko ihrer Anträge aufzubürden. Dieser Weg kostete vorerst keine Stimmen bei Flüchtlingen und kostete keine Stimme bei Vertriebenen. Der Hinweis, daß all dies erst nach 1983 zu entrichten sei, läßt aber sehr deutlich erkennen, daß diese Methode von uns nicht mitverfolgt werden konnte; denn sie stand im Widerspruch zu den Begründungen Ihres Antrags und zu den Begründungen Ihres Antrags auf Drucksache VI/119, die hier von dieser Stelle aus gegeben wurden.
Auf der einen Seite waren Sie also bereit zu sparen — das macht sich immer gut —, dann aber zog es Sie wieder hinüber zum wahltaktischen Übel, mehr zu fordern, als vorhanden ist, mehr ausgeben zu wollen, als eine Regierung verantworten könnte. Gleichzeitig reagieren Sie bei dieser Methode mimosenhaft empfindlich, wenn Ihre heutigen Forderungen, die schon im Ausschuß gestellt wurden, mit Ihrer Tätigkeit in den vergangenen Jahren in Zusammenhang gebracht oder verglichen werden.
Im Hin und Her zwischen den Versäumnissen von gestern und den unüberlegten, hektischen Forderungen sucht die Opposition ihr Heil. Dabei wird gottlob ihr Bild immer klarer, und zwar auch bei den Vertriebenen. Der Bund der Mitteldeutschen hat ihre Vorlage auf Drucksache VI/119 als völlig unzureichend abgelehnt. Zu dem Gesetzentwurf der Regierung mit den Verbesserungen durch den Innenausschuß können wir inzwischen in Dankschreiben folgendes lesen — ich darf hier mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Wenn das 23. Änderungsgesetz zum 1. 1. 1971 Gültigkeit bekommt und Recht ist, dann haben wir Mitteldeutschen den Glauben an die Gerechtigkeit zurückbekommen und können allen, die sich dafür eingesetzt haben, Dank sagen. So manch einem Alten kommt nun doch noch für ein paar Jahre ein „warmer Regen" in Form der Rente oder der Hauptentschädigung ins Haus. An diese armen Teufel habe ich so oft gedacht, deren Los doch jahrelang so unsozial war, daß man Sorge hatte, dasselbe Schicksal ebenfalls erleben zu müssen.
So weit das Zitat aus einem Dankschreiben.
Meine Damen und Herren, die Zusammenlegung der beiden Ministerien, des Innenministeriums und des Ministeriums für Heimatvertriebene und Flüchtlinge, ist kein Nachteil für die Betroffenen geworden. Im Gegenteil, sie zahlte sich nach einem Jahr der Regierungszeit als ein Vorteil für die Vertriebenen aus. Wir dürfen hier ein Wort des Dankes an diese Regierung richten — dabei fällt meiner Fraktion und mir kein Stein aus der Krone —, weil sie innerhalb der ersten zwölf Monate ihrer Regierungszeit, ohne die Berichtspflicht am 1. April 1972 abzuwarten, diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Wir erkennen auch dankbar an, daß die Einkommens- und Vermögensregelungen entfallen, daß die Kürzung der Hauptentschädigung um das vorhandene Vermögen entfällt, daß der Begriff des Zonenschadens dem Begriff des BFG angepaßt wird, daß die Einschränkung des Schadenstatbestandes entfällt und daß der Stichtag 31. Dezember 1969 für Flüchtlinge beseitigt wird. Eine ebenso erfolgreiche Arbeit ist es, daß die Texte der Gesetze LAG, BFG, RepG und FG angepaßt wurden.
An dieser Stelle sei es mir erlaubt, den Beamten der zuständigen Ministerien zu danken, daß sie in zwölf Monaten diese Arbeit auf sich genommen und unser politisches Wollen nach besten Kräften mit ihrem Sachverstand unterstützt haben.
Der Regierungsentwurf wurde aber auch noch im Innenausschuß verbessert. Nunmehr gibt es bei der Hauptentschädigung keine Höchstgrenze mehr. Die weitere Abwertung 4 : 1 entfällt. Damit wird die Bagatellgrenze für Sparguthaben, ob in Reichsmark oder in D-Mark, d. h. diese Sparguthaben bei der Bagatellgrenze werden auf 50 Reichsmark bzw. D-Mark (Ost) zurückgesetzt. Die Abwertung 4 : 1 entfällt nun nicht nur für Sparbücher, sondern für alle geldwerten Ansprüche und dies ohne Urkundennachweis. Eine weitere Verbesserung ist dadurch eingetreten, daß ein weiterer Jahrgang in die Unterhaltshilfe einbezogen wurde.
Erwähnt werden muß der Entschließungsantrag, der darauf hinausläuft, daß es im nächsten Jahr zu einer Schlußregelung kommen kann. Ein weiterer Entschließungsantrag sieht vor, daß die bisher in mehr als einem Dutzend Gesetze verzweigten Stichtage vereinheitlicht werden.
Meine Damen und Herren, wir haben damit unser politisches Wollen noch vor der Berichtspflicht erreicht und die Möglichkeit geschaffen, das durchzusetzen, was in der letzten Legislaturperiode mit dem damaligen Bundesminister für Heimatvertriebene und Flüchtlinge und dem damaligen Bundesfinanzminister noch nicht möglich war. So wurde endlich getan, was bisher in 18 Jahren nur versprochen blieb. Um der Betroffenen willen bitte ich sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, um ihr Ja zur 23. Änderung des Lastenausgleichsgesetzes.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607835500
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0607835600
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vereinbart war ja — der Präsident sagte es —, daß wir Erklärungen abgeben. Die polemischen Äußerungen meines Kollegen Hofmann veranlassen mich aber, einige Sätze vorweg zu sagen.
Ich darf sie daran erinnern meine Damen und Herren, daß der zuständige Minister dieser Koalition nach Einbrigung unserer 23. Novelle im Dezember 1969 erklärt hat, wir erweckten damit Hoffnungen, die nicht erfüllt werden könnten. Das dürfte in krassem Widerspruch zu dem Vorwurf stehen, den Sie uns machten, Herr Kollege Hofmann, daß wir eine unzureichende und ungenügende Novelle eingebracht hätten. Wir haben sie mit der Bemerkung eingebracht, daß wir damit einen Anstoß geben



Freiherr von Fircks
wollen, daß die Gesetzgebung in diesem Raum in Fluß kommt.
Zum zweiten war für mich außerordentlich interessant, Herr Kollege Hofmann, daß Sie hier im Hause, wie ich bemerke, falsche Globalzahlen für die Kosten nannten, sich aber im Ausschuß auf mehrfaches Drängen weigerten, ein Rechnungswerk vorzulegen, nach dem Ihre Zahlen berechnet worden sind, während wir Ihnen die Zahlen über die Antragsunterlagen, die Höhe der einzelnen Entschädigungsbeträge und die Prozentsätze der abzulehnenden Anträge aus den Erfahrungen des gesamten Lastenausgleichswerkes detailliert vorgelegt haben. Diese Rechnung, die man wohl im Ausschuß, aber nicht hier machen kann, haben Sie dort verweigert, und jetzt schocken Sie hier mit falschen Global-zahlen.
Der dritte Punkt, Herr Hofmann, scheint mir der interessanteste zu sein. Nach der Ausschußberatung, aber wenige Tage vor dieser Beratung hier hat der zuständige Referent Ihrer Partei, Herr Haack, in Ihrem Parteiorgan

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

„Selbstbestimmung und Entschädigung — SuE" am 3. November dieses Jahres sämtliche Anträge, die wir im Ausschuß gestellt und die Sie abgelehnt hatten, als noch in dieser Legislaturperiode zu verabschiedende Tatbestände bezeichnet

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : So macht man das!)

und damit demselben Personenkreis Zusagen gemacht, von dem Sie meinten, daß wir ihm nur unerfüllbare Versprechungen gemacht hätten.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Ich glaube, daß hier wieder einmal die Methode gilt: Versprechungen geben, Hoffnungen erwecken, hinhalten und hier nur die Hälfte erfüllen.

(Abg. Dr. Klepsch: Das sind die Methoden!)

Aber lassen Sie mich jetzt zu der Erklärung kommen, die ich abzugeben habe.
Die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion haben im Laufe der Beratungen eine Reihe von Anträgen eingebracht, durch die erreicht werden sollte, daß die Zonengeschädigten den Vertriebenen gleichgestellt werden. Wir hatten im Blick auf die Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969, in der die Bundesregierung ihren Willen bekundet hatte, den Lastenausgleich auch zugunsten der Flüchtlinge zu einem gerechten Abschluß zu bringen, und auch im Blick auf die Erklärungen der Vertreter der Fraktionen der SPD und der FDP anläßlich der ersten Beratung des von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Gesetzentwurfs für eine 23. Änderung des Lastenausgleichsgesetzes am 12. Dezember 1969 sowie der ersten Lesung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz am 18. September 1970 die berechtigte Hoffnung, daß die Regierungskoalition in dieser 23. Lastenausgleichsnovelle nun tatsächlich die Gleichberechtigung der Sowjetzonenflüchtlinge herstellen wollte. Ich darf diese Erklärungen noch einmal auszugsweise in Erinnerung bringen.
Nach Einbringung unseres Gesetzentwurfs, der lediglich einen Anstoß zu weiteren Verbesserungen der beschränkten Entschädigungsmöglichkeit für Zonengeschädigte geben sollte, war uns am 12. Dezember des vergangenen Jahres von der SPD der Vorwurf gemacht worden, anstatt wirklich eine Gleichstellung von Flüchtlingen und Vertriebenen hieb- und stichfest durchzusetzen, neue, wenn auch verbesserte Abstufungen empfohlen zu haben.
Und von der FDP-Fraktion wurde verkündet — ich zitiere —:
Wir Freien Demokraten waren immer der Meinung — und die Regierungserklärung der jetzigen Bundesregierung hat das ebenfalls deutlich gemacht —, daß es notwendig ist, für die Sowjetzonenflüchtlinge eine rechtliche Gleichstellung mit den Heimatvertriebenen zu verankern. Das steht in der Regierungserklärung. Wir begrüßen es, daß die Opposition hier Anregungen gegeben hat. Wir sehen diese Anregungen jedoch nur als eine Ausweitung der 21. Novelle an, nicht als ,das, was geschehen muß, was dieses Hohe Haus verabschieden muß und was zweifellos im Rahmen der zu erarbeitenden Regierungsvorlage ... noch klar und deutlich festzulegen ist: daß ein Rechtsanspruch für Sowjetzonenflüchtlinge wie für Heimatvertriebene in gleicher Weise verankert wird und daß seine Realisierung im Rahmen der materiellen Möglichkeiten nach sozialen Punktsystemen durchgeführt werden kann.
So die FDP am 12. Dezember 1969.

(Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

Die bei den weiteren Beratungen von der CDU/ CSU-Fraktion gestellten Anträge haben genau das zum Inhalt gehabt, was hier von den Sprechern der Regierungsfraktionen verbal gefordert worden ist, nämlich den Geschädigten einen Rechtsanspruch auf volle Ausgleichsleistungen zuzuerkennen und die Erfüllung dieser Ansprüche im Rahmen eines Stufenplanes unter Berücksichtigung der Liquiditätslage des Ausgleichsfonds und nach sozialen Gesichtspunkten zu regeln. Die Beratungen und Abstimmungen im federführenden Ausschuß haben jedoch ergeben, daß unsere nicht zuletzt auf diese Erklärungen gestützten Hoffnungen in wesentlichen Punkten nicht erfüllt worden sind. Das betrifft einmal die Gewährung des Entwurzelungszuschlages an Sowjetzonenflüchtlinge und zum anderen die Zuerkennung eines Anspruchs auf die Frühverzinsung der Entschädigungsansprüche entsprechend der Grundregelung des Lastenausgleichsgesetzes. Dort hat die Mehrheit des Ausschusses darauf bestanden, daß diese zusätzlichen Leistungen aus Gründen eines damit angeblich zwangsläufig verbundenen erheblichen finanziellen Mehrbedarfs nicht gewährt werden können. Wir bedauern diese Entscheidungen. Wir bedauern sie um so mehr, als sie auf der Grundlage offensichtlich unrealistischer Kostenschätzungen zum Nachteil der zumeist bereits im hohen Alter stehenden Geschädigten getroffen worden sind.



Freiherr von Fircks
Auch die CDU/CSU-Fraktion ist auf Grund ihrer eigenen Kostenberechnungen davon ausgegangen, daß die von ihr beantragten zusätzlichen Leistungen möglicherweise Mehraufwendungen erfordert hätten, durch die jedoch der vorgesehene Finanzrahmen gegebenenfalls nur geringfügig überschritten worden wäre. Aus diesem Grunde und um eine zusätzliche Belastung des Ausgleichsfonds zu verhindern, war von den Vertretern der CDU/CSU-Fraktion eine Änderung der Finanzierungsvorschrift des Lastenausgleichsgesetzes dahin gehend beantragt worden, daß sich aus der Erfüllung der Ansprüche für Zonengeschädigte möglicherweise ergebende Mehraufwendungen in den Jahren nach 1980 vom Bund getragen werden sollen.
Angesichts der Fülle der gesetzgeberischen Aufgaben, die in den kommenden Jahren zu bewältigen sein werden — ich nenne nur die Bereiche Bildungsreform, Vermögenspolitik, Krankenhausfinanzierung und Straßenbau —, und angesichts des damit verbundenen erheblichen Finanzbedarfs glaubten wir, daß es besser sei, die finanzielle Basis für die augenscheinlich von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses gewollte Gleichstellung von Flüchtlingen und Vertriebenen schon jetzt schaffen zu sollen, statt dieses Anliegen auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen, zu dem die Anforderungen an den Bundeshaushalt mit Sicherheit nicht geringer als heute sein werden. Darüber hinaus glaubten wir, im Jahre 1970, also 25 Jahre nach Kriegsende, eine Regelung zur Gleichstellung der Flüchtlinge vorschlagen zu sollen, die eine Lösung des Gesamtproblems beinhaltet und nicht zwangsläufig den Keim für neue Novellen in sich trägt. Durch eine solche umfassende Regelung würde im übrigen nicht nur das Vertrauen der Betroffenen gegenüber dem Parlament gestärkt, sondern es würde auch eine erhebliche Vereinfachung der Arbeit der durchführenden und, wie wir alle wissen, in zunehmendem Maße im Abbau befindlichen Ausgleichsverwaltung erreicht werden.
Dennoch wird die CDU/CSU-Fraktion dem Gesetzentwurf in der jetzt diesem Hause vorliegenden Ausschußfassung zustimmen, da er gegenüber dem Regierungsentwurf nicht unerhebliche Verbesserungen der Entschädigungsregelungen, insbesondere den Wegfall der Entschädigungshöchstgrenze von bisher 50 000 DM, die Einbeziehung eines weiteren Jahrganges ehemals Selbständiger in die Kriegsschadensrente und eine gerechtere Entschädigungsregelung insbesondere für Schäden an Spareinlagen in Mitteldeutschland vorsieht. Dabei geht die CDU/ CSU-Fraktion von der Erwartung aus, daß alle Fraktionen dieses Hauses in dem Willen, die Gleichstellung der Zonenflüchtlinge mit den übrigen Lastenausgleichsberechtigten zu verwirklichen, künftig gemeinsam das vollenden werden, was zur Erreichung dieses Zieles notwendig ist und was verbal von allen zugesagt ist.
Wir begrüßen es, wenn die SPD-Fraktion in allerjüngsten Verlautbarungen, die ich vorhin ansprach, erneut ihre feste Absicht zu erkennen gibt, dieses Ziel noch in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Diese Erklärungen decken sich mit dem, was der
Sprecher der SPD-Fraktion bereits bei der ersten Beratung des Regierungsentwurfs einer 23. Lastenausgleichsnovelle vor diesem Hohen Hause ausgeführt hat. Ich darf nochmals auszugsweise Herrn Kollegen Dr. Hupka zitieren:
Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, daß eine volle Gleichstellung auch mit dieser Novelle noch nicht erreicht ist. Dies hat ... seinen Grund ... vor allem darin, daß immer noch kein genauer Überblick über die Relation von Antragseingang, finanzieller Höhe der Hauptentschädigung und der dadurch bedingten Inanspruchnahme des zur Verfügung stehenden Volumens besteht. Bis spätestens zum Ende dieser Legislaturperiode werden wir wissen, wie hoch die Schätzungen anzusetzen sind, so daß dann auch eine volle Gleichstellung in der Abgeltung der Vermögensschäden von Flüchtlingen mit denjenigen der Schäden durch die Vertreibung erfolgen kann.
So weit das Zitat.
Die CDU/CSU hat bei den Ausschußberatungen zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls auf die Notwendigkeit des Vorliegens zuverlässigen Zahlenmaterials als Grundlage für eine realistische Kostenschätzung hingewiesen. Hier bestand bei den Beratungen im Ausschuß eine bedauerliche Informationslücke, die eine echte Diskussion über die mutmaßlichen Gesamtkosten aus der Erfüllung von Hauptentschädigung für Zonenschäden den Koalilitionsmitgliedern offensichtlich nicht ermöglichte. Es erscheint daher notwendig, daß dem Parlament alsbald eine solche Gesamtschätzung vorgelegt und ihm damit die Grundlage und die Möglichkeit gegeben wird, die Gesetzgebung zur Gleichstellung der Zonengeschädigten zu vollenden. Diesem Zweck dient der Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, der Ihnen vorliegt. Ich bitte, diesen Antrag dem Ausschuß zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607835700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0607835800
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der freien demokratischen Fraktion darf ich folgende Erklärung zur Verabschiedung der 23. Novelle abgeben; auf die Ausführungen des Kollegen von Fircks darf ich anschließend noch kurz eingehen.
Die FDP-Fraktion sieht in der Verabschiedung der 23. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz einen der wichtigsten Marksteine der Kriegsfolgengesetzgebung. Dieses Gesetz ist gleichzeitig einer der entscheidenden Schritte auf einem mehr als zwölfjährigen Wege zur rechtlichen und sozialen Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge mit den Heimatvertriebenen. Die FDP hat durch ihre Initiativen und Vorarbeiten in der Vergangenheit zu den einzelnen Stationen dieses langen Marsches wesentlich mit beigetragen. Ich darf davon erwähnen: 1958 hat die FDP-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Feststellung und Beweissicherung der Schäden ein-



Schmidt (Kempten)

gebracht, der an der damaligen absoluten Mehrheit der CDU/CSU scheiterte. 1961 bereitete der Minister für Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte, Herr Kollege Mischnick, einen Gesetzentwurf zur Feststellung und Beweissicherung vor, der 1964 in diesem Hohen Hause verabschiedet wurde. 1969 kam durch die Große Koalition lediglich im Hinblick auf die Bundestagswahl die 21. Novelle zum Lastenausgleich als eine Notlösung zur Schadensregelung in Form einer Fürsorgeregelung zustande, was wir damals sehr bedauert haben. Ein Jahr später hat der Bundesinnenminister als zuständiger Ressortminister entsprechend der Regierungserklärung einen Entwurf der 23. Novelle vorgelegt, die weit über das hinausging, was im vorigen Jahr im Rahmen der 21. Novelle und auch in den Diskussionen vorgesehen war.
Von den wesentlichsten Dingen darf ich kurz erwähnen:
1. Einbeziehung zusätzlicher Schadenstatbestände in die Entschädigungsleistungen.
2. Streichung des Stichtages 31. Dezember 1969 im Hinblick auf den Aufenthalt in der Bundesrepublik.
3. Wegfall der Jahreseinkommensgrenze, der Vermögensgrenze, im Hinblick auf die Entschädigungsansprüche.
4. Wegfall des Stichtages für eine Umwandlung der Hauptentschädigung in eine Kriegsschadensrente in Sonderfällen.
5. Gleichstellung von Flüchtlingen mit Heimatvertriebenen bei der Behandlung von Schäden außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes.
6. Möglichkeit für den Präsidenten des Bundesausgleichsamtes, bis zu 500 Millionen DM Betriebsmittel zu beschaffen.
Wir Freien Demokraten begrüßen es ganz besonders, daß über diesen stattlichen Katalog hinaus im Innenausschuß in dankenswerter Übereinstimmung aller Fraktionen noch weitere Ergänzungen erfolgen konnten, so unter anderem der Wegfall der Begrenzung des Grundbetrages der Hauptentschädigung auf 50 000 DM, die Verbesserung der Entschädigung der privaten Geldwertansprüche und die Einbeziehung eines weiteren Geburtenjahrganges in den Kreis der anspruchsberechtigten Empfänger von Kriegsschadensrenten.
Mit der heutigen Verabschiedung dieser 23. Novelle erfüllt die FDP nicht nur ein Versprechen ihres Wahlprogrammes, erfüllt diese Koalition nicht nur ein Versprechen, das sie in der Regierungserklärung im vorigen Jahr gegeben hat, sie macht damit auch einen erheblichen Schritt, setzt einen Meilenstein auf dem Weg zur — jetzt darf ich zu Ihnen kommen, Herr Kollege von Fircks — noch nicht völlig erreichten rechtlichen und sozialen Gleichstellung, den sich diese Regierungskoalition vorgenommen hat. Dieser Weg wird in dieser Legislaturperiode noch schrittweise weitergegangen werden. Auf die Schritte, auf die Meilensteine haben wir allerdings in der Vergangenheit unter CDU/CSU-Kanzlern gewartet.
Nun, Herr Kollege Fircks, abschließend nach dieser Erklärung einige Worte zu dem, was Sie an Vorwürfen hier zur Ausschußberatung und dergleichen gesagt haben. Herr Kollege Fircks, ich glaube, es steht der CDU/CSU nicht gut an, in den Ausschußberatungen und vor allen Dingen angesichts dieses Punktes hier zu sagen, es hätte noch mehr geschehen können, es hätte noch mehr beschlossen werden können. Sie haben dabei wohl die Debatten in diesem Hause vergessen, als es um die Frage der Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge ging, als Sie bzw. Ihre Fraktion alle Möglichkeiten in dieser Richtung ablehnten. Sie haben wohl die Debatten um die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kiesinger vergessen, in der es hieß: keine Leistungen mehr für die Vergangenheit, und wo bereits damals die Sowjetzonenflüchtlinge abgeschrieben worden waren.
Diese Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung eine andere Aussage gemacht. Sie erfüllt heute den ersten Teil dieser Aussage mit einem Gesetz, das in den Rahmen hineinpaßt und das man zunächst einmal in dem Rahmen sehen muß, der seinerzeit mit 2,6 Milliarden DM festgesetzt wurde. Wenn Sie heute der Meinung sind, Herr Kollege Fircks — — Bitte!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607835900
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte schön!

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0607836000
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen aufgefallen, daß ich keine Zitate aus früheren Bundestagen gesucht habe, um eine Polemik zu entfachen, sondern daß ich nur Zitate aus diesem Bundestag genommen habe? Ich meine, wir, dieser Bundestag, sind für das verantwortlich, was wir hier gesprochen haben, ob es die Minister oder die Vertreter der Fraktionen sind. Ich meine, wir sollten es endlich sein lassen, uns mit früheren Bundestagen zu konfrontieren,

(Zurufe von der SPD: Fragen!)

denen wir womöglich persönlich gar nicht angehört haben.

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0607836100
Herr Kollege von Fircks, ich kann mich nicht erinnern, daß Sie hier für sich persönlich gesprochen haben; denn Sie waren damals — das ist richtig — nicht im Bundestag. Sie haben eine Erklärung für die CDU/CSU abgegeben. Darin haben Sie gesagt, jetzt hätte noch mehr geschehen können. Daraufhin sage ich: Es hätten bereits bei der 21. Novelle die 2,6 Milliarden DM anders ausgeschöpft werden können. Das ist damals nicht geschehen. Das wissen Sie sehr genau. Es hätte bereits in den Jahren vorher, wo Anträge in dieser Richtung vorlagen, in Regierungserklärungen dazu etwas gesagt werden können. Das hat der Bundeskanzler der Fraktion, für die Sie vorhin eine Erklärung abgegeben haben, nicht gemacht. Soweit mußte ich das feststellen.
Lassen Sie mich zu den zwei Fragen, die Sie aufgeworfen haben, abschließend etwas sagen. Auch wir wissen noch nicht, ob diese 2,6 Milliarden DM jetzt



Schmidt (Kempten)

schon ganz ausgeschöpft sind. Die Verabschiedung der 23. Novelle ein Jahr nach der Regierungsbildung im vorigen Herbst macht deutlich, daß das zuständige Ministerium und die Regierungsfraktionen — sie werden sich ebenfalls damit befassen — so bald wie möglich, wenn ein Überblick darüber besteht, wieweit die Mittel nicht ausgeschöpft sind, die zur Zeit zur Verfügung stehen, auch an die beiden Fragen des Entwurzelungszuschlags und einer möglichen Regelung der Frühverzinsung heranmachen. Wir können es nur in dem Rahmen, der uns im vorigen Jahr durch die 21. Novelle gesetzt wurde, tun, der aber leider erst — wenn überhaupt — durch dieses Gesetz ausgefüllt wird.
Wir werden diesem Gesetz mit Freude zustimmen, weil wir wissen, daß wir den Betroffenen damit eine seit Jahren notwendige Gleichstellung und seit Jahren notwendige Entschädigung im Sinne des Lastenausgleichsrechts — viele von ihnen sind darüber inzwischen alt geworden — geben können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607836200
Das Wort hat Herr Bundesminister Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0607836300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sprecher der Fraktion der CDU/CSU hat sich der Beantwortung einer großen Reihe von Fragen zugewandt. Nur eine Frage hat er nicht beantwortet: warum denn nicht die seiner Fraktion angehörenden früheren Vertriebenenminister und Finanzminister bereits früher, mindestens im Jahre 1969, dem Deutschen Bundestag eine entsprechende Novelle vorgelegt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zu dem Gesetzentwurf, den die CDU/CSU Ende des letzten Jahres vorlegte, kann man sagen: Spät kommt er, doch er kommt. Die Bundesregierung hat damals erklärt, daß sie unter Abkürzung der ihr gesetzten Frist, bis zum Jahre 1972 einen Bericht über die Kosten der Abgeltung der Zonenschäden zu geben, bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1970 eine ausgereifte 23. Novelle vorlegen werde. Wir haben diese Frist eingehalten.
Wir haben dem Deutschen Bundestag eine Novelle vorgelegt, die über das hinausgeht, was Sie, Herr Kollege, am Ende des Jahres 1969 selbst für möglich hielten. Mit dieser Vorlage überwinden wir die bisherige Soziallösung. Wir kommen zu einer Verwirklichung des Entschädigungsprinzips. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zu einer restlosen Gleichstellung. Sie wissen, daß wir alle, vor allem aber die Bundesregierung, entschlossen sind, diesen Schritt zu tun, sobald es möglich ist.
Die Regierungsvorlage hat in den Ausschußberatungen Verbesserungen erfahren, denen sich die Bundesregierung nicht verschließen wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607836400
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks?

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0607836500
Herr Bundesminister, darf ich Ihre eben gemachte Bemerkung, daß es nur noch ein kleiner Schritt bis zur totalen Gleichstellung sein werde, dahin auffassen, daß Sie mehr unserer Rechnungsgrundlage zuneigen als derjenigen, die Herr Kollege Hoffmann für die SPD mit 2,6 Milliarden DM genannt hat?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0607836600
Herr Kollege, ich neige einer sehr soliden Rechnungsgrundlage zu. Dieser kleine Schritt besteht darin, daß wir bei näherer Kenntnis dessen, was die Ausführung bedeutet, uns entschließen können, aber auf einer gesicherten Grundlage und nicht — ich wiederhole es — durch Erweckung von Hoffnungen, die dann möglicherweise in der Sache oder zeitlich nicht zu erfüllen sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie wollen aber bitte die Tatsache, wie die Bundesregierung zu den weiteren Schritten zur Gleichstellung steht, auch dahin würdigen, daß wir von der Möglichkeit des Art. 113 des Grundgesetzes keinen Gebrauch gemacht haben, weil wir nicht nur Bekenntnisse zur Gleichstellung ablegen, sondern diese auch auf dem kürzesten Wege erstreben. Es steht nunmehr fest, meine Damen und Herren, daß auch für die im Gebiet der DDR eingetretenen Kriegs-, Sach-, Reparations- und Wegnahmeschäden sowie für die NS-Verfolgungsschäden genau in derselben Weise ein Ausgleich gewährt wird, wie ihn die vertriebenen und die einheimischen Kriegs-, Sach- und Reparationsgeschädigten erhalten haben.
Namens der Bundesregierung begrüßen wir deshalb den Beschluß des Innenausschusses. Wir bitten das Hohe Haus, dieser Fassung seine Zustimmung zu geben.
Ich möchte abschließend feststellen, meine Damen und Herren: Nach vielen Versprechungen in den letzten Jahren wird mit diesem Gesetz ein Akt der Gerechtigkeit, wenn auch der späten Gerechtigkeit, vollzogen. Seine Durchführung ist um so dringlicher.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607836700
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung über diesen Gesetzentwurf. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir kommen dann zu Nr. 2 des Antrags des Ausschusses. Wer dieser Nr. 2 die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Nr. 3 des Antrags des Ausschusses. Wer der Nr. 3 die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!
Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.



Vizepräsident Frau Funcke
Wer Nr. 4 des Antrags des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Zu dem Gesetzentwurf liegt auf Umdruck 88 *) noch ein Entschließungsantrag vor. Es ist vorgeschlagen, diesen Entschließungsantrag dem Innenausschuß zu überweisen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer besonderen Ausgleichsabgabe auf eingeführten Branntwein
— Drucksachen VI/1222, zu VI/1222 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft

(8. Ausschuß)

— Drucksache VI/1383 —
Berichterstatter: Abgeordneter Junghans (Erste Beratung 72. Sitzung)

Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer den Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß vorgeschlagenen Änderung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Abkommen über den Internationalen Währungsfonds und über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vom 28. Juli 1952 und des Gesetzes über das Europäische Währungsabkommen vom 26. März 1959
— Drucksache VI/1245 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß)

— Drucksache VI/1388 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sprung (Erste Beratung 72. Sitzung)

*) Siehe Anlage 6
Wir treten in die zweite Beratung ein. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer den Art. 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6 sowie Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung dem Gesetz seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1970 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1970)

— Drucksache VI/912 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß)

— Drucksache VI/1379 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs Abgeordneter Kater

(Erste Beratung 58. Sitzung)

Das Wort zur zweiten Beratung wird nicht gewünscht.
Wer in zweiter Beratung dem Gesetzentwurf mit den §§ 1 bis 9, der Einleitung und der Überschrift die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Herr Klepsch, Sie wollten dagegen stimmen?

(Abg. Dr. Klepsch: Ich wollte mich der Stimme enthalten, Frau Präsident!)

— Bei einer Stimmenthaltung beschlossen. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in dritter Beratung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Nr. 2 des Antrags des Ausschusses, den Entschließungsantrag. Wer dieser Nr. 2 des Antrags die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes
— Drucksachen VI/1314, zu VI/1314 —



Vizepräsident Frau Funcke
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/1413 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß)

—. Drucksache VI/1389 — Berichterstatter: Abgeordneter Würtz (Erste Beratung 75. Sitzung)

Das Wort in zweiter Beratung wird nicht gewünscht. Wer die Zustimmung zu den Art. 1 und 2, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzentwurfs geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Wer dem Entwurf in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes
- Drucksache VI/936 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/ 1408 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß)

— Drucksache VI/1366 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haase (Kellinghusen)


(Erste Beratung 58. Sitzung)

Wird in der zweiten Lesung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Gesetz mit den Art. 1, — 2 und 3, — der Einleitung und der Überschrift in zweiter Lesung die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Lesung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer in dritter Lesung dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir stimmen ab über Nr. 2 des Antrags des Ausschusses. Wer dieser Nr. 2 die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
— Drucksache VI/1011 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/1409 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jenninger
b) Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuß)

— Drucksache VI/1390 —
Berichterstatter: Abgeordneter Neumann (Erste Beratung 64. Sitzung)

Wir treten in die zweite Beratung ein. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 91*) vor. Zur Begründung, bitte!

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0607836800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht hier — damit jeder weiß, wovon wir sprechen — um das, was wir ,als Weihnachtsgeld für Wehrpflichtige und Ersatzdienstleistende bezeichnen. Die Fraktion der CDU/CSU hat dazu einen Änderungsantrag gestellt, und der hat eine interessante Vorgeschichte. Wir hatten nämlich in einem Stadium der Beratung einmal eine Mehrheit für diesen Antrag.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn Ihre Fraktion jetzt?)

Es hat dann eine neue Abstimmung gegeben, und eine Fraktion hat einen anderen Abgeordneten geschickt als das Mal davor, und es hat dann wieder eine knappe Entscheidung für die alte Vorlage gegeben.
Meine Damen und Herren, das ist sehr bedauerlich, denn es geht um folgendes. Vor einem Jahr haben ,die Wehrpflichtigen und die Ersatzdienstleistenden 70 DM Weihnachtsgeld erhalten. In diesem Jahr sollen sie 75 DM erhalten.

(Abg. Dr. Klepsch: Nicht einmal eine Teuerungsquote!)

Nach unserem Vorschlag würden diejenigen, ,die vor Weihnachten nächsten Jahres entlassen werden, 240 DM erhalten gegenüber den 75 DM, die die Regierung vorschlägt.
Das ist eine Angelegenheit, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Denn in der Begründung der Regierung wird gesagt, diese Weihnachtsgeldzulage solle sich nach den Bemessungsgrundlagen im öffentlichen Dienst richten. Das wären also für das Jahr 1970 50 % und für das nächste Jahr 66 2/3%. Wenn Sie das wirklich zugrunde legen wollen, müssen Sie bei den Wehrpflichtigen nicht
*) Siehe Anlage 7



Damm
nur vom Wehrsold ausgehen, sondern auch von den Zuwendungen materieller Art, die in Geld umzurechnen wären, wie z. B. Verpflegung usw. Wenn Sie das tun, kommen Sie auf den Betrag, den wir beantragt haben, d. h. auf 160 DM für 12 Monate, und wenn Sie die 18 Monate zugrunde legen, auf 240 DM.
Ich meine, wir sollten weder der Öffentlichkeit noch den Wehrpflichtigen Sand in die Augen streuen und so tun, als gingen wir tatsächlich von der gleichen Bemessungsgrundlage aus wie beim Weihnachtsgeld im öffentlichen Dienst. Wenn wir Ihre Vorlage annähmen, käme es maximal zu 175 DM für denjenigen Wehrpflichtigen, der bei der Bundeswehr zweimal Weihnachten erlebt. Für denjenigen aber, der nur einmal da ist, .kommt es entweder zu 75 oder zu 100 DM. Schon dadurch wird eine Situation geschaffen, ,die die Ungleichheit unter ,den Wehrpflichtigen vergrößert.
Der Hinweis, den Sie im Ausschuß gegeben haben: das werde ja dadurch ausgeglichen, ,daß diese Menschen ja in den Beruf zurückkehrten und dann dort ein Weihnachtsgeld bekämen, zieht bei denen nicht, die als Abiturienten in den Ersatzdienst oder zur Bundeswehr gegangen sind und nicht in einen Beruf gehen, wenn sie von dort zurückkehren, sondern weiter studieren.
Ihre Vorlage ist nicht ausgewogen, sie ist nicht gerecht, und sie entspricht nicht dem, Herr Würtz, was Ihre Regierung in der Begründung sagt.
Ich meine, Sie sollten dem Beispiel des Kollegen Jung von der FDP folgen und unserem Antrag zustimmen. Er hat das damals im Verteidigungsausschuß getan, und ,die Wehrpflichtigen haben seinerzeit große Hoffnungen gehabt. Sie haben heute noch die Möglichkeit, den Wehrpflichtigen das zu geben, was Sie ihnen versprochen haben, was Sie vor einem Jahr beschlossen haben und was vernünftig ist. Stimmen Sie bitte unserem Antrag zu!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607836900
Das Wort hat Herr Bundesminister Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0607837000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in der glücklichen Lage, dem Hohen Hause ebenfalls empfehlen zu können, dem Beispiel meines Fraktionskollegen Jung zu folgen und sich besseren Erkenntnissen nicht zu verschließen. Dieser Appell geht Sie an, Herr Kollege.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es heute mit einem weiteren ausgabenerhöhenden Antrag der Fraktion der CDU/CSU zu tun. Dieser Antrag steht im Gegensatz zu der Zielsetzung des Gesetzentwurfs. Ich darf die Grundsätze dieses Regierungsentwurfs dem Hohen Hause noch einmal vortragen:
Der grundwehrdienstleistende Soldat soll eine einheitliche, für alle gleich hohe Sonderzuwendung erhalten. Es soll zweitens mit dieser Sonderzuwendung ein besonderer sozialer Zweck verfolgt werden, nämlich dem Wehrpflichtigen für seine Dienstleistung im Weihnachtsmonat und zur Bestreitung der in diesem Monat anfallenden besonderen Ausgaben neben dem Wehrsold eine zusätzliche Geldleistung zu gewähren. Drittens geht die Bundesregierung davon aus, daß die Grundwehrdienstleistenden im Weihnachtsmonat unabhängig von der bisher geleisteten Dienstzeit im wesentlichen gleiche finanzielle Bedürfnisse haben, was sicher nicht zu bestreiten ist. An Stelle dieser sozial bestimmten einheitlichen Zuwendung sieht der Änderungsantrag dienstzeitbezogene Leistungen vor. Sie führen zu einer Reihe personalpolitisch unerwünschter Differenzierungen. Sie führen zu einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Aber vor allen Dingen ist der Inhalt dieses Antrages gegen den Sinn einer Sonderzuwendung aus Anlaß des Weihnachtsfestes gerichtet. Deshalb empfiehlt die Bundesregierung dem Hohen Hause, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607837100
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.

Paul Neumann (SPD):
Rede ID: ID0607837200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat ihren Änderungsantrag erneut vorgelegt, obwohl sie im Verteidigungsausschuß bereits der Regierungsvorlage zugestimmt hatte. Lassen Sie mich dazu ein paar Sätze sagen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Trocken Brot ist besser als gar nichts!)

— Natürlich, Herr Dr. Marx.
Der Vorschlag der CDU/CSU geht bei der Weihnachtszuwendung von der sozial bestimmten einheitlichen Zuwendung weg, er geht hin zur dienstzeitbezogenen Leistung. Der Antrag der CDU/CSU bringt für die Wehrsoldempfänger erheblich unterschiedliche Beträge bei gleichen Verhältnissen, nämlich der Dienstleistung im Weihnachtsmonat.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren der CDU/ CSU, bringt keine Weihnachtszuwendung, sondern ein zweites Entlassungsgeld, allerdings ein Entlassungsgeld von untergeordneter Bedeutung. Im Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes sind u. a. eine Erhöhung des Entlassungsgeldes und eine Erhöhung des Wehrsoldes vorgesehen. Dieser Weg wird sicherlich besser sein, als auf dem Wege über die Weihnachtszuwendung ein weiteres Entlassungsgeld einzuführen.
Ihr erster Vorschlag, der dem Verteidigungsausschuß vorgelegen hat, hätte zur Folge gehabt, daß z. B. diejenigen, die am 1. Oktober einberufen werden, keine Zuwendung erhalten, da sie am 1. Dezember noch keine zweieinhalb Monate Dienstzeit geleistet haben. Das haben Sie inzwischen geändert. Ihr erster Vorschlag hätte auch zur Folge gehabt, daß diejenigen, die im Ausland Dienst leisten, keinen Kaufkraftausgleich erhalten. Auch das haben



Neumann
Sie in Ihrem Antrag auf Umdruck 91 berücksichtigt. Diese nachträglichen Änderungen Ihrer Ausschußvorlage zeigen, wie unausgegoren Ihr Antrag damals gewesen ist.

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Lassen Sie mich zu Ihrem Antrag noch ein paar Worte sagen. Wir reden überall von Rationalisierung und Verwaltungsvereinfachung. Ihr Antrag würde demgegenüber Verwaltungserschwernisse mit sich bringen, da Sie sechs verschiedene Beträge vorsehen. Es wären daneben jeweils Dienstzeitberechnungen vorzunehmen, es wären die jeweils im Vorjahr gezahlten Zuwendungen zu berücksichtigen, und es gäbe sicherlich Mehrarbeit bei der besonderen Auszahlung bei der Entlassung.
Dagegen bringt der Entwurf der Bundesregierung für die Weihnachtszuwendung eine gleiche Bemessungsgrundlage für den öffentlichen Dienst und den Grundwehrdienst,

(Abg. Damm: Das stimmt nicht!)

d. h. 50% im Jahre 1970 und ab 1971 662/3 % der Dezemberbezüge bzw. des Dezemberwehrsolds. Der Entwurf der Bundesregierung berücksichtigt das Prinzip der Verwaltungsvereinfachung. Der Regierungsentwurf bringt einheitliche pauschalierte Zuwendungen für alle Grundwehrdienstleistenden. Der Regierungsentwurf erfüllt das soziale Ziel der Zuwendung: Der Wehrpflichtige erhält bei Dienstleistungen im Weihnachtsmonat zur Bestreitung der gerade in diesem Monat anfallenden besonderen Ausgaben eine zusätzliche Geldleistung. Diese Leistung richtet sich nicht nach der Dauer der Dienstzeit, weil die Regierung der Auffassung ist, daß die Grundwehrdienstleistenden unabhängig von der Dienstzeit im Weihnachtsmonat im wesentlichen gleiche finanzielle Bedürfnisse haben.
Ich bitte Sie, den Änderungsantrag der CDU/CSU abzulehnen und dem Regierungsentwurf Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607837300
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0607837400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat dargelegt, daß nach seiner und auch nach Meinung der SPD-Fraktion die Regierungsvorlage Ihrem Änderungsantrag vorzuziehen ist. Ich habe dem nicht mehr allzuviel hinzuzufügen. Meine Damen und Herren, wir haben im Jahre 1969 erstmalig ein Weihnachtsgeld für die Wehrpflichtigen in Gestalt einer Sonderzuwendung gewährt. Diese Zuwendung wird nunmehr auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Sie behält den Charakter der Sonderzuwendung, und zwar in Höhe von 75 DM in diesem Jahr und von 100 DM im Jahre 1971. Ihr Änderungsantrag sieht demgegenüber eine differenzierte Zuwendung vor, deren Nachteile der Kollege Neumann vorhin eingehend geschildert hat. Wir sind der Auffassung, daß wir über den Rahmen der im Jahre 1969 vorgesehenen und damals begründeten Zuwendung nicht hinausgehen sollten und daß Leistungsverbesserungen für die Soldaten nicht auf diesem Wege, sondern über Veränderungen der Besoldungsstruktur oder, wenn Sie so wollen, über Veränderungen der Wehrsoldbezüge durchgeführt werden sollten. Diese Weihnachtszuwendungen sind nicht der Weg, um berechtigte Forderungen und Wünsche der Soldaten zu erfüllen. Wir sind der Auffassung, daß die Zuwendungen, die die Regierungsvorlage vorsieht, dem Sinn der geplanten Weihnachtszuwendungen entsprechen. Wir raten Ihnen, der Regierungsvorlage zuzustimmen und den Änderungsantrag abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607837500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU, Umdruck 91. Ich nehme an, daß wir insgesamt abstimmen können. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —
Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Knapp abgelehnt!)

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung. Ich rufe Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über vordringliche Änderungen auf dem Gebiet des Steuerrechts (Steueränderungsgesetz 1971)

— Drucksachen VI/1313, zu VI/1313 —
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht, auch nicht zur Beratung. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend — sowie den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. Wer mit diesem Überweisungsvorschlag einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltend-



Vizepräsident Frau Funcke
machung von Unterhaltsansprüchen im Ausland
Drucksache VI/1352 —
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Rechtsausschuß vor. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist so beschlossen.
Ihr rufe Punkt 15 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
Unfallversicherung für Schüler und Studenten
— Drucksache VI/1333 —
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat wegen der fortgeschrittenen Zeit auf seine Wortmeldung verzichtet. Wird das Wort im Hause begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend - und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend — vor. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Bericht gemäß § 60 Absatz 3 der Geschäftsordnung über den Stand der Beratungen des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes
Das Wort hat der Berichterstatter des Innenausschusses, Herr Abgeordneter Haase (Kellinghusen).

Detlef Haase (SPD):
Rede ID: ID0607837600
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Bericht lautet wie folgt.
Die erste Lesung des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes Drucksache VI/10 erfolgte am 12. November 1969 mit Überweisung an den Verteidigungsausschuß — federführend —, den Innenausschuß — mitberatend — und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Am 27. November 1969 beschloß der Verteidigungsausschuß eine Vertagung um zirka drei Monate, um der Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Am 12. und am 19. März 1970 erfolgte ein weiterer Vertagungsbeschluß des Verteidigungsausschusses, weil neu gestellte Abänderungsanträge und eine kurzfristig vorgelegte Stellungnahme der Regierung eingegangen waren.
Am 16. April 1970 lag die Stellungnahme des mitberatenden Innenausschusses mit der Empfehlung vor, Art. 1 Nr. 1 — § 26 des Soldatenversorgungsgesetzes — zu vertagen, Art. 1 Nr. 2 — § 38 des Soldatenversorgungsgesetzes — anzunehmen. Am 23. April 1970 erfolgte die abschließende Beratung im Verteidigungsausschuß mit dem Ergebnis, Art. 1
Nr. i — § 26 des Soldatenversorgungsgesetzes — in veränderter Fassung anzunehmen; Art. 1 Nr. 2 wurde mit Mehrheit angenommen. Über Art. 1 Nr. 3 — § 63 des Soldatenversorgungsgesetzes — war inzwischen Einigung erzielt, diese Vorschrift bis zur Vorlage eines Achten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes durch die Bundesregierung zurückzustellen.
Am 29. April 1970 lag der Schriftliche Bericht des Verteidigungsausschusses Drucksache VI/745 vor. Am 26. Mai 1970 erfolgte die Beratung im Haushaltsausschuß. Der Haushaltsausschuß war der Meinung, daß die Beschlüsse des Verteidigungsausschusses möglicherweise Auswirkungen auf andere Versorgungsbereiche haben könnten. Er hat daher zur damaligen Zeit keinen Bericht nach § 96 der Geschäftsordnung erstattet, sondern den Innenausschuß um nochmalige Stellungnahme gebeten. Die erneute Beratung im Innenausschuß erfolgte am 15. Oktober 1970 mit dem Ergebnis, die weitere Beratung dieser Vorlage bis zur Vorlage eines Regierungsentwurfs zurückzustellen. Dieser Regierungsentwurf einer achten Novelle zum Soldatenversorgungsgesetz liegt mittlerweile als Bundesratsdrucksache 521/70 vor. Dieser Beschluß des Innenausschusses wurde einstimmig gefaßt. Am 4. November 1970 wurde im Haushaltsausschuß ein Antrag auf Behandlung der Vorlage mit Mehrheit abgelehnt.
Das ist der Stand der Beratungen. Die Vorlage auf Drucksache VI/10 im Zusammenhang mit dem Bericht des Verteidigungsausschusses Drucksache VI/745 ist nicht geeignet, abschließend in diesem Hohen Hause beraten zu werden.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607837700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607837800
Verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Dieser Punkt der Tagesordnung stellt ein Novum in unserer Parlamentsgeschichte dar. Denn wir haben uns anläßlich der Maßnahmen zur Parlamentsreform entschlossen, der Opposition die Möglichkeit zu geben, dafür Sorge zu tragen, daß über ihre Vorschläge und Entwürfe im Parlament überhaupt beraten werden muß, auch wenn durch irgendwelche Aktionen der Mehrheit der Versuch gemacht wird, die Initiativen der Opposition zu unterbinden.

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen].)

— Sehr richtig, Herr Professor Schäfer. Sie sind aber mit dafür eingetreten. Deshalb seien Sie doch nicht zornig, wenn wir davon Gebrauch machen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Jetzt lacht er!)

Wir waren uns darüber einig, daß man dafür Sorge tragen muß, der Opposition die Chance zu verschaffen, sich mit ihren Initiativen im Hohen Hause auseinandersetzen und ihren Standpunkt darlegen zu können, wenn die Regierung dazu beiträgt, daß Gesetzentwürfe der Opposition unziemlich lange verschleppt werden. Das ist der Sinn des § 60 Abs. 3



Dr. Klepsch
der Geschäftsordnung, und davon wird heute erstmals Gebrauch gemacht.
Auf die Daten brauche ich nicht weiter einzugehen; diese hat der Kollege Haase (Kellinghusen) dankenswerterweise bereits vor Ihnen ausgebreitet. Sie sprechen für sich selbst. Es ist nur noch zu ergänzen, daß der Gesetzentwurf selber vom 22. Oktober des Jahres 1969 stammt. Die parlamentarische Entwicklung dieses Entwurfs hat Herr Haase (Kellinghusen) dargestellt. Aber eines ist dabei vielleicht nicht recht sichtbar geworden. Der Inhalt des Gesetzentwurfs ist von der Mehrheit des Verteidigungsausschusses bei wenigen Stimmenthaltungen gebilligt worden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dem Bundestag liegt darüber auch eine Drucksache mit dem abschließenden Bericht vor. Es ist die Drucksache VI/745, in der Herr Kollege Haase (Kellinghusen) dem Hause sehr korrekt einen Bericht über die abschließende Beratung dieser Gesetzesvorlage vorgelegt hat.

(Zuruf von der SPD: Er ist immer korrekt!)

Der Grund dafür, daß wir noch nicht zur Abstimmung und Entscheidung in diesem Hause gekommen sind, liegt darin, daß nach § 96 der Geschäftsordnung der Haushaltsausschuß

(Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Haase [Kellinghusen]: Und der Innenausschuß!)

eine Stellungnahme abgeben muß.
Der Innenausschuß hatte seine Stellungnahme — das hat der Kollege Haase (Kellinghusen) dankenswerterweise sehr präzise dargelegt — abgegeben. Der Verteidigungsausschuß hat sich über das Votum des mitberatenden Ausschusses hinweggesetzt. Das gibt es auch an anderer Stelle; das ist gar nichts Ungewöhnliches für ein Parlament. Der Punkt, um den es hier geht, ist, daß sich der Haushaltsausschuß, der an und für sich nichts anderes tun könnte, als festzustellen, daß der vorliegende Gesetzentwurf, was die Deckung angeht, keine Probleme aufwirft, beharrlich weigert, d. h. die Regierungsmehrheit im Haushaltsausschuß — —

(Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie das?)

— Das hat die Abstimmung ergeben. — § 96 dient ihm als Instrument dazu, die Beratung eines von einer großen Mehrheit im Verteidigungsausschuß verabschiedeten Entwurfs in zweiter und dritter Lesung zu verhindern.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Hört! Hört! — Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Das kann doch nicht wahr sein! — Zuruf des Abg. Dr. von Bülow.)

— Es ist so, Herr von Bülow; glauben Sie mir!
Deswegen haben wir darauf gedrungen, daß gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung heute der Bericht erstattet wurde.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr gut!)

Wir beraten zwar heute nicht über den Antrag; aber man muß sich natürlich über die Hintergründe unseres Verhaltens klar sein. Es ist das gute Recht der Opposition, einmal darzustellen, daß es der Regierungsmehrheit offensichtlich darum geht, einen Antrag, den die Opposition mit Mehrheit durch die Ausschüsse gebracht hat, hier im Plenum so lange zu vertagen, bis endlich eine Regierungsvorlage zum selben Thema vorliegt.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Nach einem Jahr!)

- Nach über einem Jahr.

(Abg. Haase [Kellinghusen] : Wer hat denn die Regierung dazu gebracht, nichts zu tun?)

— Herr Kollege Haase (Kellinghusen), Sie erinnern mich daran, daß wir in der Zeit der Großen Koalition zusammen über mehr als 55 Gesetzentwürfe positiv entschieden haben. Wir haben in dem Glauben, diejenigen Maßnahmen, die wir für die Bundeswehr für notwendig hielten, fortsetzen zu müssen, im Oktober vergangenen Jahres vier Gesetzentwürfe eingebracht, die noch auf unserem gemeinsamen Wunschzettel gestanden hatten, von denen Sie sich einen auch zunutze zu machen wußten. Das war der Antrag über das Weihnachtsgeld. Weil die Regierung vergessen hatte, einen solchen Entwurf rechtzeitig einzubringen, hat man damals auf den Entwurf der CDU/CSU zurückgegriffen. Aber es geht mir jetzt darum, festzuhalten, daß Sie den materiellen Inhalt und die Bedeutung dieser Anträge ja immer voll gewürdigt haben. Die ganzen Vertagungen, von denen wir in Ihrem Bericht gehört haben, sind zustande gekommen, weil die Regierung gebeten hat, ihr Zeit zu lassen, erst drei Monate und dann noch einmal vierzehn Tage, ihre eigene Vor. lage einzubringen. Aber sie hat sie nicht eingebracht.
Nun, nach mehr als einem Jahr, entdecken wir in der Ferne des Bundesrates die 8. Novelle, die sich zu beiden Punkten äußert, während die Argumentation war, daß man gutachtlich die Meinung des Innenausschusses hören wolle. Der Innenausschuß kam jedoch nicht dazu, die Meinung der Bundesregierung zu erfahren. Sie war nämlich damit beschäftigt, nicht die Stellungnahme zu diesem Entwurf abzugeben, sondern einen eigenen Gesetzentwurf ein Jahr lang auszuarbeiten. Das ist der Sachverhalt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Nun ist die Situation so: Ende des Jahres werden wir hier im Bundestag wahrscheinlich in den Besitz der 8. Novelle kommen. Wir werden sie dann beraten, und im Laufe des nächsten Jahres werden wir sie verabschieden.
Ich räume gern ein, daß die Novelle der Regierung in einem der beiden Paragraphen, die in Frage stehen, berücksichtigt, daß diese Verschleppung natürlich Auswirkungen für die Betroffenen hat. Deshalb ist die Regierungsvorlage in einem ihrer beiden Punkte so geartet, ,daß sie rückwirkend am 1. März 1970 in Kraft treten soll. Das ist löblich; denn durch diese Fassung der Vorlage gestehen Sie ein, daß Sie ebenso gut die Vorlage im April, als der Ausschuß sie überwies, hätten annehmen können. Mit dieser Vorlage und dem rückwirkenden Inkrafttreten auf den 1. März gestehen Sie jetzt ein, daß es



Dr. Klepsch
sich für Sie ausschließlich darum gehandelt hat, den Antrag, den wir hier eingebracht hatten, nicht zur Abstimmung zu bringen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Ach, woher denn!)

— Herr Kollege Schäfer, das ist so.
Was den anderen Teil der Vorlage angeht, so haben Sie einen, ich will es einmal so sagen: etwas geringer gefaßten Wortlaut gewählt, indem Sie statt 10 nur 6 v. H. eingebaut haben. Das ist ja der gravierende Unterschied der beiden Vorlagen. Ich weiß nicht, wieso Sie das nicht auch damals als Änderungsantrag hätten einbringen können.

(Zuruf von der SPD.)

— Hier ist doch der Text dieser 8. Novelle, eine Bundesratsdrucksache. Seit wir den guten Brauch haben, daß etwas, was den Bundesrat erreicht, auch diesem Haus zugänglich gemacht wird, erfahren wir auf diese Weise manchmal etwas über das Wollen der Regierung. Aber ich möchte nur feststellen, daß der Verlust, der durch das Aufschieben der Entscheidung über diese Frage um ein Jahr oder noch länger entstanden ist, natürlich in vollem Umfang den Betroffenen zur Last fällt. Hier haben Sie nicht das rückwirkende Inkrafttreten vorgesehen. Hier werden die Betreffenden das viel spätere Inkrafttreten angelastet erhalten.

(Abg. Damm: Eine Spezialkonjunkturzulage!)

Dieser Bericht bietet ein anschauliches Beispiel dafür, daß die Bundesregierung es durchaus nicht so eilig hat mit der Verabschiedung selbst vom ganzen Haus für dringend und notwendig gehaltener Maßnahmen. Wir stehen etwas überrascht vor der Situation, daß ein großer Teil der so wortreich und in Interviews so oftmals untermalten Vorlagen sich im Jahre 1970 in reicher Fülle über uns ergießen sollte, um sehr viel Weiteres und Besseres zu schaffen, als in diesen vier dürftigen Gesetzentwürfen vom Oktober vergangenen Jahres vorgesehen war, die wir eingebracht hatten, eine Flut allerdings, die sich bisher noch irgendwo in der Ferne, etwas ab von diesem Haus, gebrochen hat. Heute, da wir diese Bilanz ziehen, stellen wir etwas überrascht fest, daß wir so sehr viel weiter als die Vorschläge der Opposition vom vergangenen Oktober nicht gekommen sind.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das wäre auch ein Wunder!)

— Sie haben recht, Herr Kollege Marx, es wäre auch ein Wunder; denn wir haben ja hier im Hause fortgesetzt erlebt, daß die verkündeten Termine und Versprechungen sich immer Zug um Zug in die Zukunft verschoben haben

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Das ist doch alles Schaumschlägerei!)

und daß die konkreten Vorlagen etwa, die wir im September dieses Jahres in unseren Schubfächern vorfinden sollten, wie uns von der Regierung freundlicherweise in Aussicht gestellt wurde, noch etwas auf sich warten lassen. Diese Vorlage, über
die wir jetzt hier im Bericht sprechen, bietet ein anschauliches Beispiel dafür, wie entgegenkommend sich die Opposition im Interesse der Betroffenen verhalten hat. Die ganzen Vertagungen, über die der Kollege Haase (Kellinghusen) gesprochen hat, waren allein zu dem Zweck bestimmt, gemeinsam, durchaus auch mit der. Regierung im Interesse der Betroffenen zu einer Lösung zu kommen.
Meine Damen und Herren, dieses Verfahren sollte nicht Schule machen. Wir hoffen, daß wir in Zukunft nicht die Notwendigkeit haben werden, nach § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung hier in diesem Hause Berichte zu erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607837900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bußmann.

Dr. Bernhard Bußmann (SPD):
Rede ID: ID0607838000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Klepsch hat darin recht, daß zum erstenmal der § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung hier angewandt wird. Allerdings glaube ich auch recht zu haben mit meiner Feststellung, daß wir in dieser Legislaturperiode zum erstenmal das Vergnügen hatten, einen Abgeordneten zu hören, dem offenbar doch die Anstrengungen des Tages einigermaßen zugesetzt haben; denn er konnte die wirklichen Vorgänge nicht darstellen und hat die meisten wichtigen Dinge ausgelassen.

(Abg. Dr. Wörner: Kommen Sie jetzt zur Sache! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Die bemerkenswerte Tatsache dabei ist nämlich — insbesondere da Sie den Haushaltsausschuß angesprochen haben —, daß wir am 26. Mai beschlossen haben, wegen der nicht absehbaren Weiterungen dieses Gesetzes es an den Innenausschuß zur gutachtlichen Stellungnahme zurückzugeben, damit die finanziellen Auswirkungen berücksichtigt werden können. Und da heißt es im Protokoll Nr. 20 vom 26. Mai:
Der Abgeordnete Dr. Althammer — ich glaube, er sitzt hier —
schlägt vor, den Ausschuß zu bitten, die Frage der präjudizierenden Wirkung auf andere Bereiche zu prüfen und die Beratungen des Gesetzentwurfs bis zur Vorlage eines Votums des Innenausschusses zurückzustellen.

(Abg. Dr. Apel: Was sagt ihr dazu?) Der bekannte Abgeordnete Althammer!

Was ist dann geschehen? Der Innenausschuß hat sich tatsächlich damit befaßt und am 15. Oktober beschlossen, daß er dazu kein Votum abgeben wird,

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

weil die gleiche Problematik — da haben Sie recht — auch mit der 8. Novelle zum Soldatenversorgungsgesetz aufgeworfen wird und das Ganze im Zusammenhang behandelt werden muß, um von vornherein finanziell unabsehbare Dinge abzustel-



Dr. Bußmann
len. Hier ist ein vernünftiger Vorgang, und hier sind Abgeordnete des Haushaltsausschusses wegen ihrer Verantwortung für die Deckung solcher Vorlagen ihrer Pflicht nachgekommen, das zu tun, was sie zu tun haben, nämlich eine solche Sache aufzuhalten bis zu dem Zeitpunkt, da sie finanziell überschaubar ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607838100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klepsch? — Bitte!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607838200
Herr Kollege Bußmann, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie die gleichen Bedenken hinsichtlich der 8. Novelle haben?

Dr. Bernhard Bußmann (SPD):
Rede ID: ID0607838300
Nun, darauf kann man gut antworten; denn der Verteidigungsausschuß und der Finanzausschuß des Bundesrates haben inzwischen schon zur 8. Novelle Stellung genommen. Sie haben solche Bedenken angemeldet. Das hat ja nun nichts mit Persönlichkeitsfragen zu tun, sondern hängt doch einfach damit zusammen, daß hier eine Materie vorliegt, die unter Umständen zu Folgerungen im Beamtenrecht führt. Das haben wir zu überprüfen, und dann haben wir die Frage der Deckungsfähigkeit zu beantworten. Das ist doch eine völlig klare Sache. Darüber kann man nicht auf Klepschsche Art hinweggehen.

(Beifall bei der SPD.)

Man kann nicht auf diese Art hier Propaganda machen; denn das, was Sie machen, ist ja sehr durchsichtig.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Und doppelzüngig!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607838400
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klepsch? — Bitte!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607838500
Herr Kollege, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß das, was Sie „Klepschsche Art" nennen, auch die Praxis der Bundesregierung ist, die ja nach Ihren Ausführungen eine Vorlage eingebracht hat, über deren Konsequenzen sie sich gar nicht klar ist und die man sorgfältig prüfen muß?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Bernhard Bußmann (SPD):
Rede ID: ID0607838600
Das spricht offenbar doch dafür, daß ich mit meiner ersten Feststellung recht hatte: der späte Abend trübt manche Dinge,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist keine Antwort! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nehmen Sie das für sich selbst!)

und zu den getrübten Dingen gehört zweifellos — —

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

— Hier vorn sitzt noch eine politische Hoffnung,
die wunderbar winken kann. Dazu können Sie ja
wohl nichts sagen? — eben. Ich würde hier nicht den Vergleich zur Regierung ziehen. Hier sind Bedenken aufgekommen; diese Bedenken werden geprüft. Wir werden anschließend die Deckungsvorlage zu prüfen haben, und wenn die finanzielle Deckung gefunden werden kann, wird das Gesetz in einer tragbaren Form verabschiedet werden. Und dabei wird Ihr Gesetzentwurf einbezogen werden. Aber es war eine sachliche, fundierte und begründete Stellungnahme des Haushaltsausschusses, und dabei bleibt es, weil wir in diesem Punkte unserer Verantwortung bewußt sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607838700
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Berkhan.

(Abg. Dr. Klepsch: Muß das sein?)


Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0607838800
Herr Kollege Klepsch, natürlich muß das sein. Ich will mich aber bemühen, in die Polemik nicht einzusteigen, obgleich es mich natürlich juckt, denn das wäre ja hochinteressant.
Ich will nur für die Regierung erklären, daß der Vorwurf, wir hätten die Vorlagen unangemessen und zum Nachteil der Soldaten hinausgezögert, nicht zutrifft.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Zu Recht besteht!)

— Nicht zutrifft, Herr Kollege, und ich will Ihnen auch genau sagen, warum. — Während sich die CDU/CSU-Fraktion lobenswerterweise mit der Versorgung der Berufssoldaten in zwei Punkten beschäftigte, umfaßt die 8. Novelle, die wir hier gern in der Diskussion heranziehen möchten — und wir bitten Sie, sie sehr sorgfältig zu prüfen , 50 Punkte und berücksichtigt die Kategorien der Wehrpflichtigen, der Zeitsoldaten und der Berufssoldaten. Sie ist ausgewogener, und sie verhindert, daß es zu Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Kategorien von Soldaten kommt. Aber selbstverständlich, Herr Dr. Klepsch, ist die Bundesregierung nicht so arrogant zu glauben, daß sie allein das Richtige und Weise gefunden hat. Sie werden prüfen. Dafür haben wir ein Parlament. Das ist dieses System, in dem wir leben. Das Parlament hat das Recht, Vorlagen der Regierung zu prüfen, und nicht nur das Recht, sondern die Pflicht. Und wenn dem Parlament etwas Kluges und Besseres einfällt — ich kann mich daran erinnern; ich bin im vierzehnten Jahr in diesem Hause —, wird hoffentlich jede Bundesregierung, auch die uns nachfolgende, dem klugen Rat des Parlaments Folge leisten.
Die Regierung hat also zeitgemäß gearbeitet. Ich will Ihnen nur eines sagen, Herr Dr. Klepsch. Ich finde es etwas eigenartig, daß Sie nach einem Wechsel der Regierung, welcher ja auch ein Wechsel in besimmten Kategorien der Politik war, glaubten, Sie müßten diese Regierung nun in Einzelfragen sofort und jetzt zum Handeln bringen. Wir haben im Weißbuch ein sehr ausgewogenes Konzept vorge-



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
legt, und Sie sind gebeten, an der Verwirklichung aller dieser Maßnahmen mitzuarbeiten. Ich glaube, es kommt nichts dabei heraus, wenn wir versuchen, uns in einzelnen Punkten den Rang abzulaufen. Sie als Person und als Vertreter Ihrer Fraktion sowie alle Ihre Mitarbeiter sind mir jedenfalls stets gern gesehene Mitstreiter, wenn es darum geht, die Versorgung aller Soldaten, der Wehrpflichtigen, der Zeit- und der Berufssoldaten, besser zu gestalten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607838900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pensky.

Heinz Pensky (SPD):
Rede ID: ID0607839000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz; nur eines, meine ich, sollte ich Ihnen doch noch sagen. Sie hatten es nach der Bildung der neuen Regierung plötzlich so sehr eilig, die Schubfächer Ihrer Versäumnisse zu öffnen und alle Anträge auf den Tisch des Hauses zu schütten.

(Beifall bei der SPD.)

Ich muß daran erinnern, daß es sich beispielsweise bei dem einen Punkt — bei der Erhöhung der Abfindung von 8000 auf 12 000 DM — um eine Sache handelt, die seit 1956 festlag.

(Abg. Dr. Klepsch: 1957!)

— Entschuldigung, da lasse ich mich einmal von Ihnen korrigieren.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Warum nur einmal?)

— Ja doch, einmal nur. Sonst schaffen Sie es nicht.
— Seit 1957 hätten Sie also Zeit gehabt, und plötzlich fällt es Ihnen ein, das alles 1969 und 1970 auf den Tisch des Hauses zu kippen. Das muß man Ihnen zunächst sagen. Daran können Sie gar nichts ändern. Das sind doch Fakten!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607839100
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch?

Heinz Pensky (SPD):
Rede ID: ID0607839200
Ich kann jetzt keine Zwischenfragen beantworten. Das sind doch Fakten. Aber wir unterhalten uns später gerne darüber. Oder wollen Sie das bestreiten? — Bitte schön!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607839300
Zum Bestreiten bekommt er das Wort nicht; er bekommt es allenfalls zu einer Frage.

Heinz Pensky (SPD):
Rede ID: ID0607839400
Bitte schön, ja!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607839500
Herr Kollege, darf ich davon ausgehen, daß Sie, da Sie mir vorhin freundlicherweise zugehört haben, auch gehört haben, daß ich davon sprach, daß wir in der Zeit der Regierung der Großen Koalition nicht weniger als 55 Gesetze einschlägiger Art hier in diesem Hause verabschiedet haben und daß diese Entwürfe, die Sie, wie Sie sagen, aus den Schubladen unerledigt herauszogen, durchaus Entwürfe waren, von denen wir meinten, daß sie in Fortsetzung dieses Programms im Bundestag einmütiger Annahme sicher sein dürften?

Heinz Pensky (SPD):
Rede ID: ID0607839600
Das war ja nichts Neues. Ich weiß nicht, was das an meiner Aussage hier ändern soll.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist das reine Gegenteil!)

Ich darf dazu nur sagen, daß Ihre Kollegen im Innenausschuß einsichtiger waren und bereit waren, praktisch zu bescheinigen, daß Sie nämlich doch wieder Flickwerk geschaffen hätten, wenn es Wirklichkeit geworden wäre. Sie hätten hier gleichzubewertende Gruppen untergebuttert, zumindest einseitig, denn wir haben gemeinsam eingesehen, daß, wenn das Gesetz in diesem Punkte zu ändern ist, damit ebenso das Polizeibeamtengesetz wie das Beamtenrechtsrahmengesetz für die Polizei der Länder erfaßt werden muß. Deshalb hat es — und jetzt hören Sie gut hin —

(Abg. Dr. Wörner: Sie wollten es doch kurz machen!)

eine einstimmige Anregung im Innenausschuß gegeben, die dann zu einem interfraktionellen Antrag geführt hat.

(Abg. Dr. Klepsch: Den haben wir auch übernommen!)

Sie hätten deshalb einsehen müssen, hätten Sie nur daran festgehalten, hätten wir diesen Punkt lange über die Bühne gezogen.
Aber da wir kein Flickwerk machen wollen und da es keine lieben und liebsten Kinder geben kann, müssen wir von seiten des Innenausschusses darüber wachen, daß gleichzubewertende Tatbestände auch gleichbewertet werden. Und um noch einmal auf das Flickwerk zurückzukommen, mit dem Sie wieder begonnen hätten, möchten wir sagen — und so einsichtig waren Ihre Kollegen im Innenausschuß —, daß es doch richtiger ist, auf die Beratung der 8. Novelle zu warten, das da mit einzubeziehen, weil wir dann 35 Änderungen, die Sie auch schon früher hätten vornehmen können, einbeziehen und dadurch die Soldaten und gleichzubewertende Gruppen begünstigen. Das muß ich Ihnen sagen, und daran werden Sie — —

(Abg. Dr. Wörner: Das haben wir jetzt gehört!)

— Sie hören so etwas alles nicht gern, das glaube ich Ihnen, aber man muß es Ihnen ja sagen, sonst tun Sie hier, als wären Sie die großen Wohltäter.

(Erneuter Zuruf von der CDU/CSU.)

— Die Soldaten hören das gerne? Den Soldaten sichern wir zumindest zu, daß durch die Verzögerungen, die eintreten, keiner Nachteile erleidet, und deshalb ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens
— 1. März 1970 — auch in der Regierungsvorlage vorhanden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU.)





Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607839700
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist der Bericht zur Kenntnis genommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Adolf von Thadden, Bende bei Hannover, Dr. Siegfried Pohmann, München, Waldemar Schütz, Hannover und weiterer vier Präsidiumsmitglieder der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Bevollmächtigter: RA Dr. jur. Wolfgang Huber, München, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 6. Deutschen Bundestag vom 28. September 1969
— Drucksache VI/1311 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Abgeordneter Dr. Pinger
Hierzu der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Abgeordneter Schoettle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0607839800
Frau Präsidentin: Meine Damen und Herren! In der 34. Sitzung des 6. Deutschen Bundestages am 26. Februar 1970 hat Ihnen der Wahlprüfungsausschuß 31 Wahleinsprüche zur Bundestagswahl 1969 vorgelegt. Der Ausschuß hatte damals empfohlen, diese Einsprüche als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen, und zwar weil sie entweder nicht fristgerecht eingelegt, nicht mit einer Begründung versehen waren oder weil der geltend gemachte Mangel offensichtlich keinen Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt hatte.
Übrig geblieben war noch der Einspruch von Mitgliedern des Präsidiums der NPD. Nachdem diese auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet haben, offenbar weil sie entschlossen waren, auf jeden Fall vor den Bundesverfassungsgerichtshof zu gehen, legt Ihnen der Ausschuß heute seinen Bericht mit der Bitte um Beschlußfassung vor. Sie finden den Vorschlag eines Beschlusses auf Seite 3 der Drucksache VI/1311.
Der Ausschuß hat es sich, wie Sie nicht allein aus dem Umfang, sondern auch aus der rechtlichen Würdigung des Vorbringens der Einspruchsführer entnehmen können, bei seiner Entscheidung durchaus nicht leichtgemacht. Er hat Stellungnahmen von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden sowie von Privatpersonen zu den Behauptungen der Einspruchsführer eingeholt und kam, wie Sie aus dem Ihnen vorliegenden Bericht entnehmen können, zu dem Ergebnis, daß das Vorbringen der Einspruchsführer in neun von insgesamt elf vorgetragenen Einspruchsbegründungen die Wahlanfechtung nicht zu stützen vermag.
Den Hinweis der Einspruchsführer auf die behaupteten Saalabtreibungen und Störungen von NPD-Veranstaltungen hielt der Ausschuß jedoch für so gravierend, daß er nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu der Überzeugung kam, hier eine unzulässige Wahlbeeinflussung feststellen zu müssen. Wenn der Ausschuß dennoch zu dem Ergebnis gelangte, daß die Wahlbeeinflussung keinen Einfluß auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung des 6. Deutschen Bundestages hatte, so glaubt er doch darauf hinweisen zu müssen, daß im Interesse der parlamentarisch-demokratischen Entwicklung in der Bundesrepublik sich derartige Wahlfehler nicht wiederholen sollten. Sicherlich bringen Wahlkämpfe die Gefahr von Konfrontationen mit sich. Aber es ist in einem demokratischen Rechtsstaat nicht in Ordnung, wenn unter Mißachtung gerichtlicher Entscheidungen einer nicht verbotenen Partei, die sich am Wahlkampf beteiligt, Versammlungsräume verweigert werden.
Auch bei Demonstrationen und Gegendemonstrationen sollten sich gerade die demokratischen Parteien und alle sich unserem demokratischen Rechtsstaat verpflichtet fühlenden Staatsbürger von dem Grundsatz der Würde des Menschen und der Achtung vor der Meinung des anderen leiten lassen, auch wenn dieser andere diese selbe Haltung nicht immer an den Tag legt. Die Politiker dürfen die Verantwortung nicht auf die Polizeibeamten verlagern.
Geht man von der im Bericht des Ausschusses niedergelegten Feststellung aus, daß der demokratische Meinungsbildungsvorgang gestört wird, wenn unfriedliche Demonstrationen staatliche Eingriffe erforderlich machen, um Gewalttaten zu verhindern oder abzuwehren, dann muß sichergestellt sein, daß die geistige Auseinandersetzung gewaltlos erfolgt und sich die Willensbildung frei und offen von unten nach oben vollziehen kann.
Die Schutzpflicht des Staates für die freie und offene Willensbildung des Volkes entläßt jedoch die Staatsbürger nicht aus ihrer Verpflichtung, die geistige Auseinandersetzung zu ihrer eigenen Sache zu machen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Massenmedien. Die Frage muß mindestens rhetorisch gestellt werden, ob der Rechts- und Linksradikalismus in Deutschland überhaupt so groß geworden wäre, wenn man seinen Exponenten etwas weniger Publizität verschafft hätte, als es tatsächlich geschehen ist.

(Allgemeiner Beifall.)

Wie im Bericht des Ausschusses gesagt ist, wird der Wahlprüfungsausschuß den Bundesminister des Innern bitten, im Zusammenwirken mit den zuständigen Landesbehörden die erforderlichen Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um der Schutzpflicht des Staates für eine freie und offene Willensbildung gerecht zu werden.
Der Wahlprüfungsausschuß hat mit der Vorlage des Berichts seine Arbeit abgeschlossen, soweit es um Anfechtungen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 6. Deutschen Bundestag ging.
Auf Grund des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid bei der Neugliederung des Bundesgebietes nach Ar. 29 Abs. 2 bis 6 GG ist der Bundestag jedoch auch zuständig für Einsprüche gegen die Gültigkeit des Volksentscheids im Gebietsteil Baden des Landes Baden-Württemberg vom 7. Juni 1970. Dem Ausschuß liegen dazu sieben Einsprüche vor, mit deren Beratung er alsbald beginnen wird.



Schoettle
Gestatten Sie mir noch eine abschließende Bemerkung. Bereits bei der Neufassung des Wahlprüfungsgesetzes, die auf Anregung des Wahlprüfungsausschusses während der 4. Wahlperiode erfolgte, wurde im Schriftlichen Bericht des Ausschusses zum Ausdruck gebracht, daß die Wahlprüfung zu gegebener Zeit einer grundsätzlichen Uberprüfung unterzogen werden sollte. Nach den Erfahrungen bei der Erledigung der Einsprüche gegen die Bundestagswahl 1969 erscheint die Zeit für eine solche Überprüfung reif. Ich möchte hier keine Vorschläge machen, in welcher Richtung eine Änderung erfolgen könnte, bin aber der Meinung, daß diese Frage zunächst im Bundesministerium des Innern und gegebenenfalls auch in der Parlamentsreformkommission erörtert werden sollte.
Namens des Wahlprüfungsausschusses bitte ich das Hohe Haus, dem Bericht des Ausschusses seine Zutimmung zu geben.

(Allgemeiner Beifall.)

Vizepräsident Frau Funckes Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir über den Antrag des Ausschusses in Drucksache VI/1311, d. h. über den Beschlußentwurf, der auf Seite 3 verzeichnet ist, ab. Wer dem Antrag des Ausschusses die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 18/70 — Zollkontingent für Holzschliff)
— Drucksachen VI/1327, VI/1378 — Berichterstatter: Abgeordneter Wolfram
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesem Schriftlichen Bericht seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes
— Drucksache VI/1380 —
Zur Begründung hat Herr Bundesminister Jahn das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607839900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus um das Einverständnis, angesichts der derzeitigen Arbeitslage von einer Begründung absehen zu dürfen.

(Beifall.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0607840000
Wird das Wort in der ersten Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Nach dem Beschluß des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Rechtsausschuß — federführend — und dem Innenausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Meine Herren und Damen, damit stehen wir am Ende der Tagesordnung des heutigen Tages. Ich berufe das Haus auf Donnerstag, den 12. November 1970, 14 Uhr, zu einer Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.