Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung begrüße ich zunächst als neuen Kollegen Herrn Geldner, der für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Haas mit Wirkung vom 26. Januar 1970 in den Deutschen Bundestag eingetreten ist. Ich wünsche ihm eine gute und erfolgreiche Arbeit in unserer Mitte.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. Januar 1970 demGesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
zugestimmt.In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, der vom Deutschen Bundestag in seiner 22. Sitzung am 14. Januar 1970 für die 6. Wahlperiode des Deutschen Bundestages beschlossenen Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes gemäß Artikel 77 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 20. Januar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katzer, Dr. Götz, Burger, Dr. Böhme, Franke , Frau Kalinke, Berding und der Fraktion der CDU/CSU betr. finanzielle Auswirkungen einer Dynamisierung der Kriegsopferrenten — Drucksache VI/117 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/263 verteilt.Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 22. Januar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katzer, Dr. Götz, Burger, Dr. Böhme, Franke , Frau Kalinke, Berding und der Fraktion der CDU/CSU betr. langfristige Auswirkungen des Wegfalls des Rentnerkrankenverslcherungsbeitrags — Drucksache VI/118 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/266 verteilt.Der Bundesminister der Finanzen hat am 26. Januar 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Dr. Althammer, Dr. Kreile und Genossen betr. Bundeshaushalt — Drucksache VI/237 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/299 verteilt.Der Bundeskanzler hat gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 7. August 1953 den von der Vertreterversammlung gebilligtenGeschäftsbericht der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über das Rechnungsjahr 1968übersandt. Der Bericht ist als Drucksache VI/271 verteilt.Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksachen VI/273, VI/282 —Es liegen zwei Dringliche Mündliche Fragen des Abgeordneten Krammig aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen vor:Welche Gründe haben die deutsche Delegation veranlaßt, bei den Brüsseler Verhandlungen über das sogenannte Tabakpaket in entscheidenden Punkten von den einstimmigen Beschlüssen des Bundesrates vom 15. Dezember 1967 und des Bundestages vom 13. März 1968 (Drucksache V/2611) sowie der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 3. Juli 1969 abzuweichen?Ich frage die Bundesregierung, ob sie bereit ist, angesichts so wesentlicher Abweichungen von den Beschlüssen des Bundestages und Bundesrates und von den Vorschlägen des Europäischen Parlamentes vor einer Entscheidung im Ministerrat den Bundestag zu unterrichten und seine Stellungnahme einzuholen?Es handelt sich hier um eine Materie, die bei mündlicher Behandlung eine umfangreiche Beantwortung erforderlich macht. Deshalb hat der Fragesteller sich damit einverstanden erklärt, daß die Fragen schriftlich beantwortet werden. Wir sind uns darüber klar, daß das eine Ausnahme ist. Normalerweise müssen die dringlichen Fragen hier unmittelbar mündlich beantwortet werden. Ich glaube aber, daß es angesichts dieser Materie richtig war, so zu verfahren.Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 28. Januar 1970 lautet:Die Bundesregierung verhandelt über das sog. „Tabakpaket" in Kenntnis und unter Berücksichtigung der von Ihnen zitierten Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates. Die Bundesregierung ist keineswegs „in entscheidenden Punkten" von diesen Beschlüssen abgewichen. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments ist nach Möglichkeit ebenfalls berücksichtigt worden.Die Verhandlungen im EWG-Ministerrat sind nicht öffentlich. Sie haben bisher nicht zu Beschlüssen geführt. Auf Einzelheiten möchte ich daher nicht eingehen. In den langwierigen Verhandlungen, die jetzt schon zweieinhalb Jahre dauern, ist es jedoch gelungen, den Kommissionsvorschlag für die Marktorganisation in wichtigen Punkten umzugestalten und den Vorschlag für eine Verordnung zur Umformung der Monopole wirksamer zu fassen. Über den vom Bundestag und vom Bundesrat insbesondere wegen der für uns drohenden Steuerausfälle von 1 bis 2 Mrd. DM jährlich abgelehnten Vorschlag zur Harmonisierung der Tabaksteuer wird wegen des deutschen Widerstandes seit Monaten nicht mehr verhandelt. Stattdessen wird ein Entschließungsentwurf erörtert, der das endgültige gemeinschaftliche Tabaksteuersystem noch nicht festlegt, sondern nur den Rahmen absteckt und einen ersten Harmonisierungsschritt vorsieht.Schwierigkeiten für die Verhandlungsführung der deutschen Delegation ergeben sich insbesondere daraus, daß Italien sich auf einen einstimmigen Beschluß des EWG-Ministerrates vom 10./11. Mai 1966 beruft. Als Ausgleich für Italien ist seinerzeit bei der Regelung anderer Fragen festgelegt worden, daß die Marktordnung für Rohtabak am 1. Juli 1968 in Kraft treten sollte.Wegen Ihrer Bitte um Unterrichtung des Hohen Hauses darf ich auf meine Antwort zur Frage 1 verweisen.Eine erneute Stellungnahme des Bundestages erscheint der Bundesregierung im Hinblick auf den Verhandlungsstand in Brüssel nicht erforderlich.Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, und zwar zunächst zu Frage 2
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1118 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Präsident von Hasseldes Abgeordneten Dr. Abelein. Ist der Abgeordnete im Saal? Er ist nicht im Saal. Dann werden die Fragen 2 und 3 des Abgeordneten Dr. Abelein schriftlich beantwortet.Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke Ihnen.Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf, zunächst die Frage 4 des Abgeordneten Jung. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Dann werden die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Jung schriftlich beantwortet.Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 124 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, landwirtschaftlichen Betrieben, die aus Gründen der Volksgesundheit „biologischen Landbau" betreiben und dafür Umstellungsinvestitionen vornehmen und Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, Hilfen zu gewähren?Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Die Betriebe des biologischen Landbaus sind durch eine besondere Form der Betriebsführung und der Verwendung von Betriebsmitteln gekennzeichnet, die nach ihrer Ansicht die Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel begünstigt. Es kann aber wohl nicht davon gesprochen werden, daß diejenigen Betriebe, die sich nicht dem biologischen Landbau anschließen, weniger hochwertige Nahrungsmittel erzeugen oder gar die Volksgesundheit gefährden. Das Düngemittel-, das Futtermittel- und das Pflanzenschutzgesetz mit ihren Ermächtigungen stellen sicher, daß gesundheitsgefährdende landwirtschaftliche Betriebsmittel nicht in den Verkehr gelangen .
Es ist der freien Entscheidung des einzelnen Unternehmers überlassen, ob er den biologischen Landbau betreiben will oder nicht. Von Einkommenseinbußen kann bei den so geführten Betrieben wohl nicht generell gesprochen werden, da ein bestimmter Konsumentenkreis bereit ist, für die Erzeugnisse des organischen Landbaus höhere Preise zu bezahlen.
Die Bundesregierung sieht zur Zeit keine Möglichkeit, den biologischen Landbau durch spezielle Hilfen zu fördern. Für Umstellungsinvestitionen in landwirtschaftlichen Betrieben hat die Bundesregierung seit Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes und auch schon früher Hilfen der verschiedensten Art gewährt. Diese Förderungsmittel wurden und werden auch solchen Betrieben nicht versagt, die biologischen Landbau betreiben, sofern sie ebenso wie die anderen Betriebe die in den jeweils geltenden Vergaberichtlinien festgelegten Bedingungen erfüllen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Häfele.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es im Interesse der Volksgesundheit liegt, wenn von den Landwirten ein solcher biologischer Landbau betrieben wird?
Ich teile durchaus diese Auffassung. Das kann im Interesse der Volksgesundheit liegen. Ich habe soeben schon darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung auch bereits einiges getan hat, um solche Betriebe nicht von der Förderung auszuschließen.
Ich möchte ergänzend noch hinzufügen, daß die Bundesregierung bereits mehrfach Forschungsmittel für spezielle Untersuchungen auf dem Gebiete des biologischen Landbaus bereitgestellt hat. So wurden beispielsweise Arbeiten des Forschungsringes für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Darmstadt gefördert, deren Ergebnisse den angeschlossenen Betrieben der betreffenden Organisation zur Verfügung gestellt wurden.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Häfele.
Herr Staatssekretär, wenn Sie der Meinung sind, daß der biologische Landbau im Interesse der Volksgesundheit liegt, wäre es dann nicht gut, für Landwirte einen Anreiz zu schaffen, biologischen Landbau zu betreiben?
So weit möchte ich nicht gehen. Aber ich bin gerne bereit, auch diese Probleme noch einmal näher prüfen zu lassen. Ich schlage vor, daß Sie sich mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden erklären.
Ich rufe die Frage 125 des Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei den Beratungen der EWG-Weinmarktordnung auf der gegenseitigen Anerkennung geltender oder beschlossener Weinrechte zu bestehen?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann.
Zur Verwirklichung des freien Warenverkehrs auf dem Weinsektor ist die Harmonisierung gewisser weinrechtlicher Vorschriften erforderlich. Dabei muß den unterschiedlichen ökologischen und wirtschaftlichen Verhältnissen der einzelnen Weinbauzonen der Gemeinschaft im Wege von Kompromißlösungen Rechnung getragen werden. Die Bundesregierung wird sich um Kompromisse bemühen, die möglichst weitgehend den Vorschriften des neuen deutschen Weingesetzes entsprechen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1119
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, stimmt mir die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß wir das modernste und weitreichendste Weingesetz innerhalb der EWG haben, zu, daß versucht werden sollte, dieses Weingesetz soweit nur irgend möglich in die EWG-Weinmarktordnung einzubringen?
Das gibt die Bundesregierung durchaus zu.
Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß heute morgen ein Gespräch zwischen Mitgliedern des Ernährungsausschusses und des Ausschusses für Familie, Jugend und Gesundheitswesen stattgefunden hat, das dem Ziel diente, die Probleme für die EWG-Verhandlungen in der nächsten Woche einer Vorklärung zuzuführen. Es ist ja bekannt, daß die Bundesregierung bei gewissen Positionen durch die
deutsche Delegation in Brüssel Vorbehalte angemeldet hat.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung, daß die bekanntgewordenen Termine April/Mai angesichts der Schwierigkeit der Verhandlungen eingehalten werden können?
Das kann ich hier nicht sagen. Die Einhaltung dieser Termine ist von so vielen Umständen abhängig, daß ich dazu keine konkrete Aussage machen kann.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Strohmayr.
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß die EWG-Weinmarktordnung, falls sie eingeführt wird, Berechnungen zufolge den deutschen Steuerzahler in vier Jahren ungefähr eine halbe Milliarde DM kosten wird, während auf der anderen Seite die deutschen Weinbauern nur mit ungefähr 20 Millionen DM Rückvergütung rechnen können?
Herr Kollege, dazu kann ich nur sagen, daß ja bekannterweise eine EWG-Agrarmarktordnung immer nationale Belastungen mit sich bringt. Ob eine zusätzliche nationale Belastung in der von Ihnen genannten Größenordnung tatsächlich entstehen wird, hängt wohl noch von den Beratungen ab, die in der Zukunft stattfinden.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, bei welchen Punkten glauben Sie, Kompromisse machen zu müssen?
Ich bin nicht bereit, hier über Kompromisse zu sprechen, weil ich dann in Einzelheiten gehen müßte. Ich glaube, das würde auch unsere Verhandlungsposition in Brüssel nicht stärken.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dröscher.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, die Schwierigkeiten, die sich durch die Interventionsmaßnahmen ergeben, und insbesondere die Befürchtung über die durch die Intervention entstehenden Kosten sind deshalb gegeben, weil die Italiener glauben, daß eine Marktregelung, wie sie die nord- und mitteleuropäischen Gebiete auf dem Getreide- und Milchsektor haben, auch für Wein kommen müsse?
Einen Augenblick, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Die Hauptfrage beinhaltet das Thema des Weinrechts und nicht allgemeiner Weinmarktordnung. Ich lasse diese Zusatzfrage nicht zu. Hier handelt es sich nur um das Weinrecht.
Ich rufe die Frage 126 des Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Sind bei der bevorstehenden Weinmarktordnung Interventionsschemen zu erwarten?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Nach dem derzeitigen Stand der Beratungen wird die Weinmarktordnung als Interventionsmaßnahme nur Lagerprämien für kurz- und langfristige freiwillige private Lagerverträge zur Behebung saisonaler Überschüsse vorsehen. Hinsichtlich der Destillation hat die Bundesregierung erreicht, daß diese Maßnahme nur ausnahmsweise auf besonderen Ratsbeschluß erfolgt, der auch die Preise für den zu destillierenden Wein festsetzt. Ferner ist vorgesehen, daß Störungen auf dem Alkoholmarkt sowie Anreize zur Produktion minderwertiger Weine vermieden werden müssen.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Gölter.
Herr Staatssekretär, da der deutsche Qualitätswein nach den bisher geltenden und vorgesehenen Regelungen ungefähr 70 % der deutschen Weinproduktion umfaßt, andererseits aber in der EWG nur rund 3 bis 3,5 % der gesamten
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1120 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Dr. GölterEWG-Weinproduktion, stimmt mir die Bundesregierung zu, wenn ich sage, es muß versucht werden, insbesondere im Bereich des Qualitätsweins Interventionsregelungen nach Möglichkeit zu vermeiden?
Dazu kann ich in diesem Zusammenhang auch keine konkrete Aussage machen. Ich kann nur darauf hinweisen, daß wir in diesem Punkt einen Vorbehalt angemeldet haben. Auch dabei geht es um Probleme der Qualität. Im Augenblick möchte ich dazu nichts vortragen.
Ich rufe die Frage 127 des Abgeordneten Wende auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. — Das gleiche gilt für die Frage 128.
Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann.
Ich komme zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Die Frage 17 des Abgeordneten Lemmrich ist zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Hält es die Bundesregierung für notwendig, die 1965 festgesetzten Beträge im Hinweis 13 c zu § 4 des Unterhaltssicherungsgesetzes zu erhöhen, um den Familienangehörigen der zur Bundeswehr einberufenen Wehrpflichtigen, entsprechend den gestiegenen Miet- und Lebenshaltungskosten, ein angemessenes Einkommen zu sichern?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan.
Ich beantworte die Frage folgendermaßen. Die Bedürftigkeitsgrenzen im Hinweis 13 c zu § 4 des Unterhaltssicherungsgesetzes sind bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1970 erhöht worden. Sie betragen für eine alleinstehende Person statt bisher 260 DM nunmehr 290 DM, für Elternpaare statt bisher 450 DM nunmehr 500 DM. Die Neuregelung ist den zuständigen obersten Landesbehörden mit einem Rundschreiben vom 17. Dezember 1969 bekanntgegeben worden.
Keine Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Leicht auf:
Wieviel Starfighter hat die deutsche Luftwaffe verloren?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich beantworte die Frage folgendermaßen. Die Bundeswehr hat insgesamt 115 Flugzeuge von Typ Starfighter F 104 verloren. Hiervon entfielen auf die Luftwaffe 101 und auf die Marine 14 Flugzeuge.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leicht.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, handelt es sich bei diesen Zahlen, die Sie nannten, um Abstürze oder um Verluste insgesamt?
Herr Kollege Leicht, es handelt sich um Verluste insgesamt. Durch Absturz gingen insgesamt 101 Flugzeuge verloren, davon bei der Luftwaffe 87, bei der Marine 14. Die übrigen 14 Maschinen gingen am Boden verloren, und zwar 3 dieser 14 außerhalb des Flugbetriebs, 11 vor oder nach dem Flug.
Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Leicht.
Sind also Pressemeldungen nicht richtig, wonach die alte Bundesregierung falsche Zahlen über die Verluste an Starfightern genannt habe?
Die alte Bundesregierung hat auf Befragen die Antworten jeweils so erteilt, wie die Fragen gestellt wurden. Wenn nach Abstürzen gefragt wurde, wurden die Absturzzahlen genannt. Ich kann mich nicht erinnern, Herr Leicht — ich müßte das nachprüfen lassen —, ob auch nach Verlusten am Boden gefragt wurde.
Danke, das genügt mir.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Flämig auf:
Trifft es zu, daß Wehrpflichtige, die von der Mittel- oder Realschule zum Technischen Gymnasium gehen, erst nach der Absolvierung des Gymnasiums einberufen werden, während Wehrpflichtige, die die Mittlere Reife in der Abendschule machen und anschließend zum Technischen Gymnasium wollen, mit ihrer Einberufung vor oder während der Schulzeit am Technischen Gymnasium rechnen müssen?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan.
Ich beantworte die Frage folgendermaßen. Der Erwerb der mittleren Reife und der unmittelbar anschließende Besuch eines Technischen Gymnasiums sind als ein einheitlicher Ausbildungsabschnitt anzusehen, der die Zurücktellung vom Wehrdienst bis zur Erlangung der Reifeprüfung rechtfertigt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die mittlere Reife im normalen Bildungsgang oder auf anderem Wege, z. B. durch Besuch einer Abendschule, erworben wurde.Eine andere Entscheidung wäre allerdings denkbar, wenn der Besuch eines Technischen Gymnasiums nach längerer Unterbrechung der Schulausbildung erst dann aufgenommen werden soll, wenn der Wehrpflichtige bereits zur Einberufung heransteht. Bei einer solchen Sachlage wäre eine Zurückstellung nur im Einzelfall aus allgemeinen Härtegründen möglich.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1121
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Flämig.
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort ist also so zu verstehen, daß der normale Bildungsweg und der zweite Bildungsweg hier gleichberechtigt behandelt werden?
Ja, durchaus.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es zu, daß mehrere Standortverwaltungen aufgelöst werden sollen, und befindet sich darunter auch die Standortverwaltung Oberviechtach?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär.
Ich beantworte die Frage folgendermaßen: Nein, dies trifft nicht zu. Zur Zeit laufen lediglich Untersuchungen zur Umwandlung von anderen Standortverwaltungen in Außenstellen. Die Auflösung oder Umwandlung der Standortverwaltung Oberviechtach, nach der ausdrücklich gefragt wurde, ist nicht vorgesehen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, wenn solche Überlegungen angestellt werden sollten, würde die Bundesregierung bei derartigen Maßnahmen dann auch die Überlegung mit einbeziehen, daß es sich hier um Standorte im Zonenrandgebiet handelt?
Herr Kollege, diese Überlegungen werden immer einbezogen. Ich habe aber — das wird Ihnen aufgefallen sein — die Standorte nicht genannt, da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind und ich keinesfalls wünsche, daß vorzeitig Unruhe entsteht, wenn am Ende gar herauskommt, daß diese Standortverwaltungen nur in Außenstellen umgewandelt werden.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
Ist die Standortverwaltung Neunburg vorm Wald zur Auflösung im Gespräch?
Nein.
Danach wurde übrigens in der Hauptfrage nicht gefragt; Sie weichen also etwas vom Wege ab.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Stahlberg.
Herr Staatssekretär, weiß die Bundesregierung, daß die Beunruhigung weit über die genannten Standortverwaltungen hinausgeht, im Grunde in allen Wehrbereichen besteht, und ist die Bundesregierung bereit, über die Wehrbereiche nun endlich bekanntzugeben, wo Änderungen möglich sind und wo vor allem die Standortverwaltungen, die erst kürzlich bezogen worden sind, erhalten bleiben?
Herr Kollege Stahlberg, ob eine Standortverwaltung oder eine Außenstelle eine geeignete Organisationsform ist, bestimmt sich nach den Aufgaben. Diese Aufgaben sind Verwaltungs- und Fürsorgeaufgaben für die Truppe. Wenn sich die Standorte der Truppe ändern, ändern sich auch die Aufgaben der Verwaltung. Daher kann ich Ihnen aus Gründen, die ich Ihnen hier sicher nicht zu erläutern brauche, nicht verbindlich zusagen, daß wir in jedem Fall vorsorglich so früh mit allen Beteiligten verhandeln können, daß keine Unruhe entsteht. Ich verspreche Ihnen jedoch, daß in dem gebotenen Maße alles geschieht, um die Unruhe in Grenzen zu halten.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Hält es die Bundesregierung im Interesse einer guten Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung für förderlich, wenn Anfragen von Abgeordneten an einen Minister nur mit einem Durchschlag von Schreiben beantwortet werden, die gleichzeitig an andere Fragesteller außerhalb des Parlaments erteilt werden, wie es zum Beispiel bei meiner Eingabe an den Bundesminister der Verteidigung wegen unzureichender Unterbringung der Standortverwaltung Oberviechtach geschehen ist?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Jobst, lassen Sie mich zuerst mit einer Entschuldigung wegen der entstandenen Verstimmung zwischen Ihnen und mir beginnen. Es lag mir fern, durch die Art des geführten Schriftwechsels die gute Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung bzw. Parlamentariern einerseits und der Regierung andererseits zu stören. Meine Mitarbeiter haben diesen Weg gewählt und ihn mir vorgeschlagen, weil sie die Absicht hatten, Ihre Fragen schnell und korrekt zu beantworten.Der Sachverhalt war seit dem 17. November 1969 dem Bundesminister der Verteidigung bekannt und wurde bearbeitet. Darüber hinaus wurden die gleichen Klagen, die Sie vorgetragen haben, am 21. November nochmals durch ein Schreiben des Hauptpersonalrates vorgetragen. Danach erst ging Ihr Schreiben am 8. Dezember ein.Die Antworten für die drei Briefe wurden gemeinsam vorgelegt. Zwei Petenten wurden mittels Durchschrift des Briefes, der an den ersten Briefschreiber — den Personalratsvorsitzenden der Standortverwaltung Oberviechtach — gerichtet war, mit gleicher Post informiert. Einer davon war an Sie gerichtet. Der an Sie gerichtete Durchschlag wurde allerdings
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1122 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhanmit einem besonderen Anschreiben versehen und so auch versandt.Ich bedaure außerordentlich, daß der Brief an Sie nicht eigens gefertigt worden ist, und werde in Zukunft darauf achten, daß solche Fehler nicht wieder passieren.
Keine Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Buchstaller auf:
Was hat die Human-Zentrifuge zur Testung von Jet-Piloten im Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck gekostet?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Herr Präsident, wenn Sie es gestatten, würde ich die Frage 24 gleich mit beantworten.
Keine Bedenken. Ich rufe ferner die Frage 24 auf:
Wann wurde sie beschafft und seit wann steht sie im Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe zur Verfügung?
Die Frage wird folgendermaßen beantwortet. Die Humanzentrifuge hat 535 000 DM gekostet. Weitere 2 232 000 DM sind zur Erstellung des Gebäudes, in das die Zentrifuge eingebaut wird, in den Haushalten 1969 bis 1971 veranschlagt.
Darüber hinaus ist zu beachten, daß die Zentrifuge im Oktober 1965 ausgeliefert wurde. Das Gebäude zu ihrer Aufnahme ist im Rohbau fertiggestellt. Die Betriebsaufnahme erfolgt voraussichtlich in der zweiten Hälfte 1970.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Buchstaller.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese Zentrifuge damals mit der Begründung angeschafft wurde, sie sei für die JetPiloten-Untersuchungen und -Ausbildung dringend erforderlich? Wie erklären Sie sich dann die Tatsache, daß von der Lieferung dieser Zentrifuge bis zur Inbetriebnahme ein derartig großer Zeitraum verstreichen mußte?
Herr Kollege, der Planungsauftrag für das Gebäude erfolgte 1961. Die Beschaffung der Zentrifuge wurde 1963 eingeleitet. 1964 wurde an der Zentrifuge eine Verlängerung des Schleuderarmes vorgesehen. Die Gerätebeschaflung wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Aber die dadurch bedingte Vergrößerung der Zentrifugengrube machte eine Umplanung in der Infrastruktur notwendig.
Bei der Lieferung der Zentrifuge wurde in einer Besprechung mit der Oberfinanzdirektion München festgestellt, daß für 1966 nunmehr — Sie werden
sich an die Zeit erinnern — keine Mittel für Bauten mehr zur Verfügung standen. Da daher erst mit einem Baubeginn 1967 zu rechnen war, konnten noch neueste Erfahrungen aus den Instituten der Vereinigten Staaten und Großbritanniens bei der Infrastruktur verwertet werden, so daß die Zentrifuge bei der Fertigstellung den heutigen Erkenntnissen entspricht.
Das Gerät wurde in Fürstenfeldbruck eingelagert. Es ist einwandfrei gewartet worden. Eine Verschiebung des Liefertermins des Geräts auf den Termin der Fertigstellung des Gebäudes wäre mit einer Verteuerung des Geräts verbunden gewesen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Buchstaller.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß trotz dieser Verzögerungen die Untersuchung und Ausbildung von Jet-Piloten genügend gewahrt geblieben waren?
Herr Kollege Buchstaller, das Ministerium — im Verein mit den Fliegerärzten und mit dem Führungsstab der Luftwaffe — hat alles im Bereich des Möglichen getan, um die Ausbildung der Piloten so zu gewährleisten, wie sie es von uns erwarten können.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Schmude — ist der Abgeordnete im Saal? er ist im Saal — auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die vorzeitige Beurlaubung von Wehrpflichtigen, die im Februar 1970 ein Ingenieurschulstudium aufnehmen möchten, aber erst Ende März 1970 aus der Bundeswehr entlassen werden, entsprechend dem einen früheren Zeitraum betreffenden Erlaß des Bundesministers der Verteidigung zu verfügen?
Zur Beantwortung, bitte schön, der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Dr. Schmude, die Bundesregierung, stets bemüht, die Lasten, die dem jungen Mann bei Ableistung des Grundwehrdienstes entstehen, zu mildern, kann aus Gründen unserer Bündnisverpflichtungen und unserer Sicherheit leider nicht vorzeitig Soldaten aus dem Grundwehrdienst entlassen, die ein Ingenieurstudium an einer Ingenieurakademie aufnehmen wollen. Auch eine Beurlaubung nach § 8 Abs. 3 der Soldatenurlaubsverordnung ist aus gleichen Gründen leider nicht mehr möglich.In den vergangenen Jahren sind sowohl im Bereich der allgemeinen Schulen als auch der Fachhochschulen, Ingenieurakademien, Universitäten usw. erhebliche Veränderungen von Semesterbeginn und -abschlußtermin eingetreten. Diese Veränderungen geschehen in der Regel ohne Konsultation des Bundesverteidigungsministers. Diese Situation brachte es mit sich, daß entlassene Soldaten Wartezeiten bis zum Studienbeginn von maximal zehn Monaten hinnehmen mußten.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1123
Parlamentarischer Staatssekretär BerkhanAus Fürsorgegründen hat der Bundesminister der Verteidigung bisher zwei Sonderregelungen von sich aus getroffen. Zu einer dritten Sonderregelung haben die Universitäten beigetragen. Jede dieser Sonderregelungen hatte nach bisheriger Erfahrung Forderungen nach gleicher Behandlung anderer Gruppen zur Folge. Es sei hier daran erinnert, daß jeder Wehrpflichtige durch Ableistung des Grundwehrdienstes Nachteile entweder für seine Berufsausbildung oder für seine Berufsausübung in Kauf nehmen muß.Der Bundesminister der Verteidigung ist durchaus zu einer Lösung bereit, die die Lasten gleichermaßen verteilt. Allerdings trägt er die Verantwortung dafür, daß erstens die Bereitschaft der Bundeswehr erhalten bleibt und daß zweitens der Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber jedem Wehrpflichtigen gleichermaßen zum Tragen kommt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmude.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, diesem unerfreulichen Zustand für die Zukunft durch eine generelle Regelung abzuhelfen, etwa dahin, daß der Wehrdienstbeginn verschoben wird, um ihn auf den Studienbeginn abzustimmen?
Herr Dr. Schmude, wir stehen in Verhandlungen mit den Kultusministern. Ich muß Sie leider darauf hinweisen, daß die Ingenieurakademien in den einzelnen Ländern unterschiedlichen Beginn haben, so daß es nicht allein in unsere Hand gegeben ist, sondern wir auf die gute Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz bzw. mit den einzelnen Kultusministern angewiesen sind. Die Bundesregierung wird von sich aus alles tun, was im Bereich der Möglichkeiten liegt, die erstens die Einsatzbereitschaft gewährleisten und zweitens die Gleichheit der Wehrpflichtigen garantieren.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schmude.
Herr Staatssekretär, zeichnet sich eine Übereinkunft mit den Kultusministern ab?
Leider Gottes sind die Beamten der Kultusministerien in den Verhandlungen dieser Kommission weisungsgebunden erschienen. Aus alter Erfahrung dürften Sie selbst wissen, Herr Kollege, daß Kompromisse nur zu erreichen sind, wenn man die Beamten mit einer Verhandlungsbandbreite in solche Kommissionen schickt. Wenn nur die Meinung vorgetragen wird, die für ein Kultusministerium gültig ist, wird es wahrscheinlich nie zu Kompromissen kommen. Ich erkläre nochmals, der Verteidigungsminister und die Bundesregierung sind bereit, ihre Lasten zu tragen,
wenn Kompromißbereitschaft und Einsicht auf den anderen Seiten zu spüren sind.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Stahlberg.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung, solange eine Übereinkunft mit der Kultusministerkonferenz nicht erreicht werden kann, bereit, denjenigen, der einen freien Studienplatz nachweisen kann, vorzeitig zu beurlauben und ihn unter dem Gesichtspunkt einer Wehrdienstzeit von 18 Monaten die fehlende Zeit in den Semesterferien als Wehrübungen nachholen zu lassen?
Herr Kollege Stahlberg, wir haben das sehr sorgfältig geprüft; auch dieser Ausweg ist nicht gangbar, jedenfalls nur sehr beschränkt gangbar, weil ja dabei die einzelnen Einheiten Spezialisten verlieren, die insbesondere für die Einsatzbereitschaft der Truppe notwendig sind.
Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Damm.
Herr Staatssekretär, bietet nach Meinung der Bundesregierung das Hochschulrahmengesetz eine Möglichkeit, direkt auf die Lösung des hier in Frage stehenden Problems Einfluß zu nehmen?
Herr Kollege Damm, ich bin überfragt. Ich bin gerne bereit, diese Frage im Verteidigungsministerium prüfen zu lassen und sie durch einen Brief zu beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Jung. — Letzte Zusatzfrage. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, da ja beabsichtigt ist, die Ingenieurakademien in die Gesamthochschulen zu integrieren: Sehen Sie hier nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung durchbrochen, wenn für die Studenten der Ingenieurschulen andere Regelungen erfolgen als für Abiturienten, die an der Universität studieren wollen?
Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie sie hier gestellt wird. Es steht fest, daß es Technische Hochschulen gibt, die in bestimmten Fakultäten zweimal im Jahr Studienbeginn haben. So ähnlich ist das Verfahren bei den Ingenieurakademien. Es gibt aber Ingenieurwissenschaften, die nur einmal im Jahr begonnen werden können. Mir fällt gerade Brückenbau als Beispiel ein. Dabei ist eine äußerste Härte für den Studenten aufgetreten, der beispielsweise drei Monate nach Entlassung aus dem Wehrdienst bis zum Semesterbeginn warten muß und
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1124 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhandann noch einmal ein volles Semester warten muß, bevor er sein eigentliches Studium an der Technischen Hochschule aufnehmen kann. Ich glaube daher nicht, daß man hier alles so vergleichen kann, wie es in ihrer Frage durchzuklingen schien.
Ich rufe die Frage 26 der Abgeordneten Frau Dr. Orth auf:
Ist beabsichtigt, im Rahmen der Bundeswehrfachschulen Lehrgänge für Soldaten auf Zeit anzubieten, die zur Fachhochschulreife führen, da in Schleswig-Holstein nur noch Fachhochschulen vorhanden sind und für das übrige Bundesgebiet spätestens ab 1. August 1971 Fachhochschulreife Voraussetzung für den Besuch von Fachhochschulen ist?
Herr Präsident, könnte ich die Fragen 26 und 27 gemeinsam beantworten?
Keine Bedenken. — Dann rufe ich auch noch die Frage 27 der Abgeordneten Frau Dr. Orth auf:
Wann werden Absolventen von Bundeswehrfachschulen diesen Abschluß erwerben können?
Ich beantworte die Frage mit Ja. Es ist beabsichtigt, und zwar mit Beginn des zweiten Studienhalbjahres 1970, in den Fachrichtungen Technik, Wirtschaft sowie Sozialpädagogik und Sozialarbeit solche Lehrgänge einzurichten. Die fachschulberechtigten Soldaten sind I hiervon unterrichtet worden. Die erste Abschlußprüfung ist für Ende Juni 1971 vorgesehen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Huys.
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß die Ständige Konferenz der Kultusminister eine Übergangszeit für junge Männer beschließen will, die nunmehr — nicht durch eigenes Verschulden — die Ingenieurschule nicht mehr ohne Abitur erreichen könnten?
Herr Präsident, darf ich diese Frage, die eigentlich in den Zusammenhang der vorigen Frage gehört, noch beantworten?
Beide sind zusammen aufgerufen.
Herr Kollege Dr. Huys, ich weiß nur, daß in einem Land Übergangsfristen bis zu fünf Jahren vorgesehen sind. ich weiß nicht, welche Übergangsfristen in anderen Ländern vorgesehen sind. Daß es aber Übergangsfristen geben muß, ist für mich außer Zweifel, weil sich eine große Zahl junger Damen und Herren auf den alten Bildungsgang vorbereitet hat und man sie nicht überraschenderweise vor eine ganz neue Situation
stellen könnte. Es wäre außergewöhnlich, wenn die Länder in einem abrupten Verfahren einen völlig neuen Bildungsgang einführten.
Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Frau von Bothmer auf:
Ist es richtig, wie in der Hannoverschen Presse vorn 17. Januar 1970 zu lesen war, daß Reinhard Schulz, der als einziger den Mordüberfall von Lebach überlebt hat, und der wegen seiner Verletzungen seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann, lediglich eine Versehrtenrente von monatlich 95 DM bezieht?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Frau Kollegin, seit Beendigung des Wehrdienstverhältnisses, also ab 1. 10. 1969, erhält der ehemalige Gefreite Schulz von dem für seinen Wohnsitz zuständigen Versorgungsamt Dortmund neben freier Heilbehandlung entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit — im folgenden kurz MdE genannt — um 50 v. H. eine monatliche Grundrente von 95 DM. Eine Ausgleichsrente und einen Berufsschadensausgleich, der einem solchen Schwerbeschädigten nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz grundsätzlich zusteht, konnte das Versorgungsamt nicht festsetzen, da der Versorgungsberechtigte, Herr Schulz, trotz mehrfacher Bitten und Aufforderungen die hierfür notwendigen Angaben nicht gemacht hat.Für die bis zum 19. 11. 1969 bei dem ehemaligen Gefreiten Schulz bestehende Arbeitsunfähigkeit hat die Allgemeine Ortskrankenkasse Dortmund außerdem einen Einkommensausgleich von insgesamt 1060,62 DM gezahlt. Während des Wehrdienstverhältnisses ist dem Gefreiten Schulz neben den Dienstbezügen ein der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entsprechender Ausgleich in folgender Höhe gezahlt worden: ab 1. 1. 1969 auf Grund einer MdE um 100 v. H. monatlich 270,— DM, ab 1. 4. 1969 auf Grund einer MdE um 80 v. H. monatlich 200,— DM, ab 1. 7. 1969 auf Grund einer MdE um 50 v. H. monatlich 95,— DM.Die Soldaten der Bundeswehr erhalten nach dem bei der Verabschiedung des Soldatenversorgungsgesetzes aufgestellten Grundsatz der einheitlichen Versorgung der Kriegsopfer und der wehrdienstbeschädigten Soldaten der Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Auch der vorliegende Fall ist nicht geeignet, den im übrigen unzutreffenden Vorwurf zu bestätigen, zivile Arbeitnehmer erhielten bei Unfällen immer günstigere Versicherungsleistungen als Soldaten. Denn das Gesetz sieht, soweit dies erforderlich ist, neben freier Heilbehandlung und der Grundrente noch weitere Leistungen vor, insbesondere Ausgleichsrente und Berufsschadenausgleich, die bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch im vorliegenden Falle gewährt worden wären, wenn der ehemalige Gefreite Schulz nicht seine für eine entsprechende Verwaltungsentscheidung erforderliche Mitwirkung aus mir nicht erklärlichen Gründen versagt hätte.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1125
Parlamentarischer Staatssekretär BerkhanIn diesem Zusammenhang will ich nicht unerwähnt lassen, daß sich die Beträge der oben genannten einzelnen Versorgungsleistungen auf Grund des von diesem Hause beschlossenen Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes ab 1. 1. 1970 um 16 v. H. erhöhen werden.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Ist nicht eine Rente von 95 DM sehr gering, und ist es nicht ein wenig merkwürdig, daß jemand, der ein normales Arbeitsverhältnis eingeht — wie es doch ein Soldat auch tut —, auf so geringe Versorgungsbezüge angewiesen sein muß?
Frau Kollegin, ich stimme Ihnen im Grundsatz zu, aber die derzeitige Rechtslage gibt keine Möglichkeiten, Soldaten der Bundeswehr anders zu behandeln als die Opfer der vergangenen beiden Kriege.
Noch eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Wäre es dann nicht I an der Zeit, daß man an dieser Rechtslage etwas ändert? Ist die Rechtslage, der die Soldaten unterworfen sind, nicht mit schuld daran, daß der Beruf des Soldaten nicht so attraktiv ist, wie es manche Leute vielleicht wünschen?
Frau Kollegin, ich habe Sie darauf hingewiesen, daß ab 1. Januar 1970 die Renten der Kriegsopfer ähnlich wie bei der Arbeiter- und Angestelltenversicherung dynamisiert worden sind, und ich hoffe, daß sich aus diesem Prozeß allmählich eine Situation entwickelt, die gegenüber der heutigen etwas besser aussieht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß sich auf Grund dieser Erhöhung der Betrag von 95 DM an sich nur um 14 DM erhöhen wird, würden Sie mir aber gleichzeitig zustimmen, daß es, wenn der Betreffende kein Arbeitseinkommen hat, falsch ist, von der Annahme auszugehen, daß er nur 95 DM hat, weil er nämlich nach dem jetzigen Recht neben der Ausgleichsrente von 120 DM vom Einkommensverlust vier Zehntel hat und weil er tatsächlich, wenn er kein anderes Einkommen hat, darauf Anspruch hat, und daß damit der Betrag von 95 DM gar nicht zur Diskussion steht?
Verehrter Herr Kollege, Sie sollen keine Rede halten, sondern eine kurzgefaßte Zusatzfrage stellen.
Ich darf weiter fragen, sind in diesem Fall Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet worden?
Herr Kollege Maucher, den ersten Teil Ihrer Frage beantworte ich mit Ja; den zweiten Teil können Sie sich viel besser beantworten als ich, weil Sie ein großer Fachmann sind. Da sind wir in ähnlicher mißlicher Situation wie beim Berufsschadensausgleich und bei der anderen Rente. Wenn der Betroffene selbst nicht bereit ist, Angaben zu machen, können die verwaltenden Behörden ihm schwerlich helfen.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Josten.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß trotz der sechzehnprozentigen Erhöhung, die Sie hier angeführt haben und die das Haus beschlossen hat, die Versehrtenrente für Soldaten einer Verbesserung noch dringend bedarf und daß hier eine weitere stufenweise Verbesserung auch angestrebt werden sollte?
Herr Kollege Josten, meine Meinung ist in diesem Zusammenhang nicht interessant. Ich stehe hier und habe für die Bundesregierung zu antworten. Ich weiß aber, daß sich der Verteidigungsminister als Kabinettsmitglied im Rahmen der Bestandsaufnahme dieser Frage besonders annimmt, und ich hoffe, daß es am Ende Verbesserungen auf diesem Felde gibt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jung.
Herr Staatssekretär, wird im Rahmen der Überprüfung der Versorgungsrenten von Bundeswehrsoldaten auch geprüft, inwieweit die Hinterbliebenen von nicht verheirateten Soldaten, also die Eltern, die möglicherweise nicht mehr arbeitsfähig sind, ebenfalls in diese Versorgung mit einbezogen werden?
Herr Kollege Jung, schon nach dem heute geltenden Recht ist das möglich, sofern diese Eltern bedürftig sind. Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, solange eine Verknüpfung der Kriegsopferversorgung mit der Versorgung wehrdienstbeschädigter Soldaten, hier insbesondere grundwehrdienstleistender Soldaten, gegeben ist, dürfen wir uns mit unseren Fragen nicht so sehr auf den Verteidigungsbereich konzentrie-
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1126 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhanren, sondern das sind Fragen, die in das Gebiet des Ministers für Arbeit und Sozialordnung fallen.
Ich rufe die Frage 29 der Frau Abgeordneten von Bothmer auf:
Sähe die Bundesregierung sich durch eine solche Tatsache nicht veranlaßt, die Versicherungssituation der Bundeswehrsoldaten, die in keinem Verhältnis steht zu jeder anderen Versicherungspflicht von seiten eines Arbeitgebers, gründlich zu prüfen und wenigstens annähernd den üblichen Verhältnissen anzupassen?
Ich bin der Meinung, Frau Kollegin von Bothmer, daß diese Frage eigentlich schon beantwortet ist und daß auch durch die Zusatzfragen dieses Thema schon behandelt wurde. Sehe ich das richtig, Herr Parlamentarischer Staatssekretär?
Von mir aus sehen Sie das richtig. Ich weiß aber nicht, ob sich die Kollegin einverstanden erklärt.
Ihre Zusatzfrage, Frau Kollegin, hob ab auf diese Frage 29. Sind Sie also einverstanden, daß wir weitergehen?
Dann rufe ich die Frage 30 des Abgeordneten Maucher auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß hei der Einberufung von Söhnen von Schwerbeschädigten und Kriegerwitwen oft besondere Härten entstehen?
Bitte schön, zur Beantwortung Herr Parlamenta) rischer Staatssekretär!
Auch hier bitte ich, die beiden Fragen, in diesem Fall die Fragen 30 und 31, im Zusammenhang zu beantworten.
Keine Bedenken. Dann rufe ich zusätzlich die Frage 31 des Abgeordneten Maucher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in solchen Fällen auch für die Zukunft von einer Einberufung dann abzusehen, wenn die Einberufung eine besondere Härte bedeutet?
Herr Kollege Maucher, ich kann beide Fragen mit einem uneingeschränkten Ja beantworten. Weiterhin gilt die Regelung, daß die Einberufung von Söhnen Schwerkriegsbeschädigter stets als besondere Härte angesehen wird, wenn der schwerkriegsbeschädigte Vater nicht ohne die Hilfe und Unterstützung des wehrpflichtigen Sohnes auskommen kann. Bei Schwerkriegsbeschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 80 °/o wird die Hilfsbedürftigkeit ohne Prüfung des Einzelfalls unterstellt. Voraussetzung für eine Zurückstellung ist aber, daß der Sohn im Haushalt des hilfsbedürftigen Vaters lebt und ihm tatsächlich Hilfe leistet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden? Sie sagten: mehr als 80 °/o. War es bisher nicht so, daß ab 80 MI Hilfsbedürftigkeit grundsätzlich bejaht wird?
Ich kann Ihre Frage bejahend beantworten. Es steht hier auch auf meinem Zettel : ab 80 '0/o und mehr.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Mursch auf:
Wie viele zum Wehrdienst heranstehende Wehrpflichtige, die tauglich waren und zeitgerecht zur Verfügung standen, konnten im Jahre 1969 nicht eingezogen werden?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Darf ich auch hier zwei Fragen zusammen beantworten?
Keine Bedenken. Ich rufe dann auch die Frage 33 des Abgeordneten Mursch auf:
Wie hoch wird diese Zahl für das Jahr 1970 geschätzt?
Diese Fragen lassen sich aus Gründen der Statistik nicht in der gewünschten Form beantworten. Wehrpflichtige werden gemustert, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Mit ihrer Einberufung zum Grundwehrdienst müssen sie nach den derzeitigen Einberufungsrichtlinien bis zur Vollendung des 231/2 Lebensjahres rechnen. Demzufolge wird in einem Kalenderjahr zwar jeweils ein bestimmter Geburtsjahrgang gemustert; im Verlauf der vier Einberufungstermine eines Kalenderjahres werden aber gleichzeitig Wehrpflichtige aus fünf verschiedenen Geburtsjahrgängen zum Grundwehrdienst einberufen. Die im Zeitpunkt der Musterung für den Grundwehrdienst heranziehbaren Wehrpflichtigen eines Geburtsjahrganges können deshalb nicht mit den Wehrpflichtigen in Beziehung gesetzt werden, die im Verlauf eines Kalenderjahres einberufen werden. Es kann nur die Ausschöpfung eines Geburtsjahrganges statistisch festgestellt werden, wenn die Einberufung der Wehrpflichtigen aus diesem Geburtsjahrgang nach etwa 41/2 Jahren seit der Musterung abgeschlossen ist.Danach werden zur Zeit von einem Geburtsjahrgang 77 % der tauglichen Wehrpflichtigen zur Bundeswehr eingezogen. 16,5 % leisten einen Dienst, der die Verpflichtung, Grundwehrdienst zu leisten, zum Erlöschen bringt; das sind Zeit- und Berufssoldaten der Bundeswehr, Angehörige des Bundesgrenzschutzes, der Bereitschaftspolizeien der Länder, des Zivil- und Katastrophenschutzes, des Entwicklungsdienstes sowie Ersatzdienstpflichtige. 6,5 % der Wehrpflichtigen werden wegen besonderer sozialer Härtegründe, die durch eine befristete Zurückstellung nicht behoben werden können, oder wegen einer Unabkömmlichstellung im öffentlichen Interesse nicht einberufen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1127
Parlamentarischer Staatssekretär BerkhanEs leisten also 93,5 % der tauglichen Wehrpflichtigen einen Dienst für die Allgemeinheit. Somit werden die tauglichen Wehrpflichtigen eines Geburtsjahrganges mit Ausnahme der unabweisbaren Härtefälle fast voll ausgeschöpft.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können Sie auf Grund der Unterlagen, die Sie zur Verfügung haben, neben den Prozentzahlen auch die absoluten Zahlen angeben? Falls nicht, wären Sie bereit, sie mir schriftlich mitzuteilen?
Wenn ich mich richtig erinnere, sind die absoluten Zahlen kürzlich in einer Verlautbarung des Ministeriums bekanntgegeben worden. Ich werde mich darum bemühen, daß Ihnen diese Zahlen mitgeteilt werden. Ich habe sie zur Zeit nicht zur Hand.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. de With auf:
Hält die Bundesregierung die Altersbegrenzung des Vorsitzenden und der Beisitzer auf 32 Jahre bei den Ausschüssen nach § 26 Abs. 3 des Wehrpflichtgesetzes derzeit noch für angebracht?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Das Mindestalter der Vorsitzenden und der Beisitzer im Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer war zunächst auf 35 Jahre festgelegt. Es wurde dann durch die dritte Novelle zum Wehrpflichtgesetz im Jahre 1965 auf 32 Jahre herabgesetzt. Solange das Prüfungsverfahren in seiner jetzigen gesetzlichen Ausgestaltung beibehalten wird, sollte diese Altersgrenze unverändert bleiben. Die Vorsitzenden, die zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst befähigt sein müssen und nicht ohne jede Berufserfahrung dieses schwierige Amt ausüben sollten, erreichen wegen der Dauer ihrer Ausbildung ohnehin in der Regel diese Altersgrenze. Auch die Beisitzer müssen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Anerkennungsverfahrens über ein hohes Maß an Urteilsvermögen und Lebenserfahrung verfügen, um den Antragstellern gerecht werden zu können.
Unabhängig hiervon wird im Rahmen der Bestandsaufnahme der Bundeswehr das gesamte Anerkennungsverfahren neu überprüft werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. de With.
War nicht einer der Gründe dafür, das Alter so festzusetzen, daß man Leute bekommen wollte, die den zweiten Weltkrieg noch
erlebt haben, und wenn das so ist, müßte dann nicht die Altersgrenze sogar erhöht werden?
Nein, Herr Kollege de With. Ansonsten müßten wir in wenigen Jahren diese Kammern mit Greisen besetzen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. de With.
Wäre es dann nicht angemessen, wenigstens den Rechtszustand herbeizuführen, der bei normalen Gerichten gilt?
Ich kenne den Rechtszustand bei normalen Gerichten nicht, ich weiß nicht, worauf Sie in diesem Zusammenhang anspielen, und kann daher Ihre Frage nicht bündig beantworten.
Wir sind damit am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung danken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe zunächst die Frage 6 des Abgeordneten Stahlberg auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich der zivile Ersatzdienst zu einem „Sammelbecken anarchistischer Kreise" entwickelt hat, wie dies eine Studie der Arbeitsgemeinschaft der Ersatzdienstgruppenleiter feststellt?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Auerbach.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, die vier Fragen 6 bis 9 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam zu beantworten.
Einen Augenblick bitte! Herr Kollege Zink? — Keine Bedenken. Ich rufe also noch die Fragen 7, 8 und 9 auf:
Trifft es zu, daß Ersatzdienstpflichtige in gelenkten Aktionen Sachbeschädigungen verüben, die Hausordnungen der sozialen Einrichtungen mißachten sowie sich gegenüber Kranken und Alten durch übermäßiges Lärmen rücksichtslos verhalten, wie dies eine Studie der Arbeitsgemeinschaft der Ersatzdienstgruppenleiter feststellt?
Trifft es zu, daß es in München eine Streikzentrale der Ersatzdienstleistenden gibt?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung einer Studie der Arbeitsgemeinschaft der Ersatzdienstgruppenleiter, wonach im zivilen Ersatzdienst zukünftig zentrale Sammellager sowie für Ersatzdienstleistende, die sich nicht bewähren, eigene Unterkünfte mit besonderen Arbeitsaufgaben geschaffen werden sollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit mir bekannt ist, Herr Abgeordneter Stahlberg, haben sich Vorfälle der von Ihnen genannten Art verschiedentlich in einigen Dienststellen des zivilen Ersatzdienstes ereignet. Zumeist konnten jedoch die Täter nicht ermittelt werden. Es konnte auch nicht fest-
Staatssekretär Dr. Auerbach
gestellt werden, daß es sich dabei um gelenkte Aktionen handelte.
Damit komme ich zu Ihrer anderen Frage. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß sich der zivile Ersatzdienst zu einem — Sie zitieren selbst — „Sammelbecken anarchistischer Kreise" entwickelt hat. Es gibt einzelne Ersatzdienstleistende, die Aktionen unternommen haben, die auch in der Öffentlichkeit bekanntgeworden sind. Daraus kann nicht auf den Ersatzdienst im ganzen geschlossen werden. Es würde ein falsches Bild entstehen, wenn nicht gleichzeitig bei dieser Gelegenheit auf die positiven Erfahrungen hingewiesen würde, die in den letzten Jahren in den Sozialinstitutionen mit Ersatzdienstleistenden gemacht worden sind. Eine pauschale Abqualifikation kann ich nicht hinnehmen. Wir haben einen besonders interessanten Fall in Hannover im Annastift, bei dem vor einiger Zeit — es ist erst wenige Monate her — große Unruhe entstand. Heute gilt diese gleiche Ersatzdienstgruppe mit ganz geringfügigen personellen Veränderungen als vorbildlich.
Zu Ihrer ersten Frage, Herr Abgeordneter Zink, darf ich feststellen, daß nach Ermittlung des Ministeriums in München eine Streikzentrale der Ersatz-dienstleistenden weder bestanden hat noch besteht. Auch die Streiks, die im Januar 1970 in München, Tübingen, Freiburg und Heidelberg stattgefunden haben, waren, soweit festgestellt werden konnte, nicht zentral gesteuert. In dem Sinne, in dem Sie, Herr Abgeordneter, in Ihrer zweiten Frage die Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft der Ersatzdienstgruppenleiter ausdeuten, kann ich die darin zum Ausdruck gebrachte Auffassung nicht teilen.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung einen besonderen Kabinettsausschuß gebildet hat, der alle diese Fragen der weiteren Gestaltung des zivilen Ersatzdienstes soeben prüft. Gesetzgebung und Praxis des Ersatzdienstes müssen verändert werden. Hier gibt es eine Reihe Fragen, die in den vergangenen Jahren aufkamen und die jetzt aufgearbeitet werden müssen. Sobald die Prüfung abgeschlossen ist, wird die Bundesregierung dem Hohen Hause ihre Vorschläge unterbreiten, die sich auf die zukünftige Gestaltung des zivilen Ersatzdienstes beziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahlberg.
Herr Staatssekretär, strebt die Bundesregierung an, künftig eine völlige Gleichbehandlung von Wehrpflichtigen und Ersatzdienstpflichtigen durchzusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine völlige Gleichstellung ist wegen der andersartigen Verhältnisse kaum möglich. Die Verhältnisse sind zu unterschiedlich. Die Bundesregierung wird aber eine entsprechende Stellung anstreben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahlberg.
Herr Staatssekretär, scheint es Ihnen nicht notwendig zu sein, dann, wenn Täter bei Sachbeschädigungen in den Instituten, in denen von Ersatzdienstpflichtigen Dienst geleistet wird, nicht bekannt sind, gegebenenfalls auch eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet wird, da auch im militärischen Bereich bei solchen Anzeigen dann meist die Täter gefunden werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch mir erscheint es notwendig.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zink.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie groß in etwa die Zahl der Ersatzdienstleistenden war, die sich im Ausstand befunden haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In welchem Ausstand? Es waren mehrere.
Insgesamt. Aus der heutigen Presse konnte ich entnehmen, daß z. B. auch in Frankfurt wieder eine Gruppe in den Ausstand getreten sei.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Gesamtzahl für die einzelnen Ausstände kann ich Ihnen nicht geben. Auf Pressemeldungen möchte ich mich nicht ohne weiteres verlassen. Aus Schwarmstedt wurde zuerst die Zahl 150 genannt. 17 waren überhaupt nur da, von denen sich 13 an der Arbeitsniederlegung beteiligt haben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zink.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mir einmal den vollen Text der Studie der Ersatzdienstleiter zur Verfügung zu stellen, da sich meine Informationen nur aus Presseberichten herleiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter!
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Strohmayr.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es zweckmäßig wäre, den Einsatz von Wehrdienstverweigerern möglichst dezentralisiert, d. h. in kleinen Gruppen, durchzuführen? Dadurch würden sich nicht solche Dinge herauskristallisieren, von denen wir eben gehört haben.
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Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1129
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt Meinungsverschiedenheiten darüber, ob durch dezentralisierte Beschäftigung wieder Ruhe einkehren würde oder nicht. Aber es wird versucht werden.
Der Fall, den Sie mutmaßlich im Auge haben und den ich schon erwähnte, nämlich Schwarmstedt, ist dadurch zustande gekommen, daß hier die Möglichkeit bestand, 400 Ersatzdienstler im großen neuen Klinikum der Medizinischen Hochschule zu beschäftigen. Aber es gab dort kein Quartier. — Man wird Massenunterkünfte keinesfalls einrichten. Man hat dabei nämlich außerordentliche Versorgungsschwierigkeiten, und das Problem der Übernachtung zu Hause wird, wenn die Eltern in der Nähe wohnen, nur noch größer.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Zebisch auf:
Wird die Bundesregierung dem Zentralverband der Zivilversehrten, Invaliden und Rentner e. V. die Berechtigung erteilen, auf den Waren, die für ihn von Zivilversehrten vertrieben werden und deren Teilerlös ihm zufließt, den Hinweis anzubringen „Die Ware wird im Auftrag des Zentralverbandes der Zivilversehrten vertrieben'' ?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Auerbach vom 28. Januar 1970 lautet:
Die Bundesregierung ist zur Erteilung einer derartigen Genehmigung nicht befugt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es unzulässig, beim Vertrieb von Waren auf die Herstellung durch Versehrte oder Schwerbeschädigte hinzuweisen. Dieses Verbot gilt auch für anerkannte Schwerbeschädigten-Betriebe. Eine Ausnahme hiervon macht lediglich das Blinden-Warenvertriehsgesetz, das zugunsten von anerkannten Blindenwerkstätten hei der Werbung den Hinweis auf die Herkunft der Ware zuläßt.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Folger auf:
Wird die Bundesregierung in Zukunft dafür sorgen, daß wegen krimineller Vergehen ausgewiesene Gastarbeiter durch die zuständigen deutschen Vermittlungsstellen im Ausland nicht wieder Einreisepapiere und Arbeitsverträge erhalten, wie das bisher wiederholt vorgekommen ist?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Auerbach.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es mag in Einzelfällen vorgekommen sein, Herr Abgeordneter, daß ausgewiesene ausländische Arbeitnehmer in die Bundesrepublik wieder vermittelt worden sind. Das kann angesichts der ungewöhnlich starken Belastung der Auslandsdienststellen der Bundesanstalt für Arbeit vorgekommen sein. Grundsätzlich haben jedoch diese Dienststellen Weisung, keine ausgewiesenen Ausländer in die Bundesrepublik zu vermitteln.
In der Praxis soll das dadurch sichergestellt werden, daß die zuständigen Ausländerbehörden die Ausweisungsverfügungen der Bundesanstalt mitteilen. Diese Mitteilungen werden dann an die Auslandsdienststelle im Herkunftsland des Ausgewiesenen weitergeleitet. Ein zwar erheblicher Teil, aber keineswegs alle Ausländer kommen in die Bundesrepublik auf dem Umweg über die Auslandsdienststellen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Folger.
Herr Staatssekretär, darf ich unterstellen, daß organisatorisch Vorsorge dafür getroffen ist, daß solche Pannen nicht wieder passieren, und daß es sich dort, wo sie tatsächlich passiert sind, um vereinzeltes menschliches Versagen gehandelt hat, indem die zuständigen Beamten nicht aufgepaßt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich fürchte, daß ich Ihnen das nicht garantieren kann; die Bundesanstalt kann das noch weniger. Von insgesamt 600 000 ausländischen Arbeitnehmern sind über die Auslandsdienststellen im vorigen Jahr nur 280 000 gekommen. Die anderen haben irgendeinen anderen Weg gefunden, um in die Bundesrepublik zu kommen. Da liegt die Schwierigkeit. Wir sind auch in Beratung mit den Ländern noch nicht zu einem Ergebnis gekommen.
Ich rufe die Frage 12 der Abgeordneten Frau Funcke auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, den Weg einer berufstätigen Mutter zum und vom Kindergarten zur Unterbringung ihres Kindes in den Wegeunfallschutz der Berufsgenossenschaften einzubeziehen, weil die Betreuung des Kindes während der Arbeitszeit der Mutter normalerweise eine unabweisbare Voraussetzung für die Berufsausübung der Mutter ist?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Auerbach, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mit Ihrer Frage, Frau Abgeordnete, haben Sie ein sehr ernstes Problem angesprochen, das gleichzeitig sehr aktuell ist. Nach geltendem Recht untersteht eine berufstätige Mutter, die zur Unterbringung ihres Kindes im Kindergarten von ihrem unmittelbaren Weg zur Arbeitsstätte abweicht, für die Dauer dieses Umwegs nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Auf der anderen Seite läßt es sich nicht leugnen, daß zwischen der Berufstätigkeit der Mutter und der Unterbringung des Kindes während ihrer Arbeitszeit ein Zusammenhang besteht. Das ist die wichtigste Voraussetzung für die Leistung der Unfallversicherung. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Zuschuß zu den Kosten des Kindergartens leistet.
Die Bundesregierung erwägt daher bereits, in welcher Weise ein Unfallversicherungsschutz für diesen Tatbestand geschaffen werden kann. Diese Frage bedarf allerdings noch einer sehr sorgfältigen Prüfung, und zwar vor allem deswegen, weil einige grundsätzliche Urteile zu dieser Frage vom Bundessozialgericht zu 'erwarten sind, die betreffenden Fälle aber noch nicht verhandelt wurden.
Eine Zusatzfrage, die Abgeordnete Frau Funcke.
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1130 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Herr Staatssekretär, deutet nicht die Tatsache, daß z. B. der Einkauf von Berufskleidung als mit der Berufstätigkeit unmittelbar zusammenhängend angesehen wird, darauf hin, daß auch die Unterbringung eines Kindes in einem ähnlich engen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Mutter steht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stimme Ihnen in der Sache voll und ganz zu, Frau Abgeordnete. Nur, die gesetzliche Lage ist anders. Kostenträger sind bei der Unfallversicherung die Unternehmen, und diese wollen den ganzen Katalog so eng wie möglich halten. Man wird an eine Novellierung herangehen müssen, sobald die grundsätzlichen Urteile des Bundessozialgerichts vorliegen.
Aber die Andeutung, daß auch der Arbeitgeber diesen Umweg zu einem Kindergarten durch Zahlung eines Zuschusses als mit der Arbeit in Zusammenhang stehend betrachten kann, mag reichen, um den Weg aufzuzeigen, in welcher Richtung man nun wahrscheinlich weiterentwickeln kann.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Funcke.
Herr Staatssekretär, bedeutet das, daß die Bundesregierung dann, wenn die Urteile negativ ausfallen, eine Novellierung des Gesetzes vorsehen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unter Umständen, ja. Ich möchte aber weder meinen Herrn Minister noch die Bundesregierung darauf festlegen, daß das in der Unfallversicherung zu geschehen hat. Es sind noch andere Konstruktionen möglich, durch die die Hilfe gewährt werden kann, ohne daß die Unfallversicherung berührt wird.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Haack auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs. 3 und der §§ 13 und 15 des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1967 dahin gehend zu erweitern, daß die Voraussetzungen für Ersatzleistungen nach § 5 dieser Verordnung — vor allem bezüglich der Zuschüsse zur Beschaffung eines Fahrrads — erweitert werden?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Auerbach.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gegenwärtig sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit, § 5 der von Ihnen genannten Verordnung zu ändern. Die Bundesregierung ist vielmehr der Meinung, daß die geltenden Bestimmungen den Bedürfnissen der Beschädigten ausreichend gerecht werden.
Dies gilt auch für den von Ihnen angesprochenen Zuschuß zur Beschaffung eines Fahrrads. Dieser Zuschuß hat — wohl im Hinblick auf die heutigen Verkehrsverhältnisse — nur noch ganz geringe Bedeutung. Im Jahre 1968 waren nur noch 49 Beschädigte gezählt worden, denen dieser Zuschuß gewährt werden mußte. Dabei handelt es sich überwiegend um Beschädigte, die in ländlicher Gegend wohnen.
Sollten Sie aber, Herr Abgeordneter Dr. Haack, einen besonderen Härtefall im Auge haben, so bitte ich, mich das wissen zu lassen, damit ich den Fall überprüfen lassen kann.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Wolf auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um den nach § 50 des Berufsbildungsgesetzes erforderlichen Bundesausschuß für Berufsbildung einzurichten?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Auerbach.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe versucht, Herr Abgeordneter Wolf, Sie vor Beantwortung Ihrer Frage telefonisch zu erreichen, um Ihnen mitzuteilen, daß der Bundesausschuß für Berufsbildung am 23. Januar 1970 konstituiert wurde. Die Mitglieder und Stellvertreter des Bundesausschusses wurden am 22. Dezember 1969 durch meinen Minister im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister berufen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wolf.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir mitzuteilen, wie weit nach § 60 desselben Gesetzes das Institut für Berufsbildungsforschung in Vorbereitung ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Vorbereitungen sind nahezu abgeschlossen. Jetzt muß noch der Ausschuß sein Votum abgeben; er hat es aber vorläufig noch nicht abschließend formuliert. Ich nehme an, daß in spätestens zwei Monaten die Gründung abgeschlossen sein kann.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Weigl auf:
Welche finanziellen Auswirkungen hat das Urteil des Bundessozialgerichts, wonach bei der Gewährung von Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrenten zu beachten ist, ob genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Rentenantragsteller mit der ihm verbleibenden Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Ihre Frage deckt sich inhaltlich mit einer Frage des Herrn Abgeordneten Müller , die der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde aus dem Arbeitsministerium am 15. Januar beantwortet hat. Ich verweise wegen der Einzelheiten daher auf die Sitzungsprotokolle.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1131
Staatssekretär Dr. AuerbachNeue Gesichtspunkte haben sich seitdem nicht ergeben. Die Begründung des Urteils liegt uns noch immer nicht vor.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 16 des Abgeordneten Bay auf:
Was beabsichtigt das Bundesverwaltungsamt damit, daß es eine Gruppe von etwa 15 Ersatzdienstleistenden in das mit Stacheldraht umzäunte Lager Schwarmstedt eingewiesen hat?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist im Saal. Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Angelegenheit in Schwarmstedt hat, wie ich, Herr Präsident, bereits erwähnen konnte, viel Wirbel erregt. Der Wirbel kam dadurch auf, daß vermutet wurde, daß in diesem Gelände eines ehemaligen städtischen Ausweichkrankenhauses irgendwie ein zentrales Lager für das Bundesgebiet errichtet werden sollte. Das ist ein Irrtum. Ich erwähnte bereits die vorläufige Anforderung einer großen Anzahl von Kräften durch das Klinikum der Medizinischen Akademie. Insgesamt handelt es sich im Endstadium um 400 Ersatzdienstplätze. Man hat sich in Hannover darum bemüht, Unterkünfte zu finden. Es ist nicht einmal möglich, für zehn Ersatzdienstleistende Unterkünfte zu beschaffen. Arbeitsplätze wären in Hannover genügend vorhanden.
Voraussetzung ist in diesem Fall, daß das Bundesverwaltungsamt für die Unterbringung der Dienstleistenden sorgt. Das geschieht in jedem Fall, wenn die Ersatzdienstleistenden nicht in der Krankenanstalt oder im Altersheim usw. untergebracht werden können.
Die Unterkunft selbst besteht aus Holzflachbauten mit Ziegeldächern. Bei dem von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnten Zaun handelt es sich um eine Maschendrahtanlage mit Stacheldrahtabschluß. Dieser Zaun soll die Gesamtanlage schützen, in der sich auch noch ein Sanitätsdepot des Zivilen Bevölkerungsschutzes befindet. Das dort lagernde Sanitätsmaterial soll nach den uns vorliegenden Berichten einen Wert von etwa 20 Millionen DM besitzen.
Die Krankenhausanlage wurde später von Sanitätskompanien der Bundeswehr benutzt. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang eindeutig noch eines sagen: Schwarmstedt sollte für eine ganz normale Ersatzdienstgruppe, nicht aber als ein zentrales Sammellager für schwierige Ersatzdienstleistende oder gar als ein Straflager eingerichtet werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Bay.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Unterbringung von Ersatzdienstleistenden, die einen Pflege- und Sozialdienst leisten sollen und bei diesem Dienst täglich in besondere Konfliktsituationen kommen, in einer Massenunterkunft für 400 Personen nur eine Notlösung darstellen kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darin kann ich Ihnen voll und ganz zustimmen. Auch der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover teilt diese Auffassung. Ich habe gestern abend noch mit ihm gesprochen. Er sieht keinerlei Möglichkeit, auch nur die 17 Ersatzdienstleistenden, die jetzt dort sind, unterzubringen. Der Plan, 400 Ersatzdienstleistende unterzubringen, entstand vor dem Amtsantritt von Herrn Minister Arendt. Ich kann nicht genau sagen, aus welchen Motiven man eigentlich auf diesen Ausweg verfallen ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Errichtung dieses Lagers für Ersatzdienstpflichtige im Heideort Schwarmstedt keine glückliche Lösung darstellt, und wird die Bundesregierung nach dem Eklat von Schwarmstedt von ihrem Plan Abstand nehmen, das dortige Ersatzdienstlager für 150 Ersatzdienstpflichtige auszubauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihnen nur sagen, daß beim gegenwärtigen Stand nicht mehr geplant ist, weitere Mittel für die Flachbauten in Schwarmstedt zu Verfügung zu stellen. Das eigentliche Problem ist die psychologische Belastung auf Grund der Entfernung von der Großstadt. Dieses Problem können wir in Schwarmstedt auch mit den besten Einrichtungen nicht aus der Welt schaffen. Die 17 Ersatzdienstleistenden, von denen zwei gar nicht im Lager in Schwarmstedt, sondern bei ihren Eltern in Hannover schlafen, werden in andere Städte versetzt werden, in denen sie eine Unterkunft an der Arbeitsstätte erhalten können.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Fragestunde. Herr Staatssekretär Dr. Auerbach, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.Wir fahren in der Tagesordnung fort. Zur Geschäftslage mache ich auf folgendes aufmerksam. Die drei Fraktionen des Hauses haben sich dahin verständigt, daß Punkt 14 der Tagesordnung — Beratung der Ubersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — bereits nach Punkt 4 der Tagesordnung, also noch im Laufe des heutigen Nachmittags behandelt werden soll; sofern die Debatten nicht allzulange dauern.Die Tagesordnung ist aber sehr umfangreich. Ich möchte für alle die Bitte aussprechen, den Versuch zu unternehmen, heute abend gegen 19.30 Uhr zum Abschluß zu kommen und am Freitagmittag mit der Beratung aller Tagesordnungspunkte fertig zu sein. Ich sage das mit der Blickrichtung darauf, daß bereits eine Reihe von Wortmeldungen für die Debatte vorliegt.Die Tagesordnungspunkte 11 und 12 — Änderung des Rechtspflegergesetzes und Zehntes Strafrechts-
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1132 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Präsident von Hasseländerungsgesetz — werden erst ani Freitag aufgerufen, da die Drucksachen noch nicht vorliegen.Ich rufe jetzt Punkt 2 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Czaja, Erpenbeck, Mick, Ott und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes— Drucksache VI/142 —Die Drucksache W142 liegt Ihnen vor. Zur Begründung des Antrags bekommt der Abgeordnete Dr. Czaja das Wort. Die Fraktion der CDU/CSU hat für ihn eine Redezeit von 25 Minuten erbeten.Herr Dr. Czaja, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache VI/142 beantragt die CDU/CSU in wesentlichen Punkten die Änderung eines der wichtigsten Gesetze zur Förderung der Wohnungsversorgung, nämlich des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Das, was wir vorschlagen, wäre für jede Fraktion nach Beginn der neuen Legislaturperiode eigentlich überfällig.Im März 1968 beschloß der SPD-Parteitag in Nürnberg — also der Parteitag der Partei, die jetzt die Regierung führt — die Anpassung der Einkommensgrenzen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes an die jetzigen Einkommensverhältnisse. Der Herr Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat auf dem Deutschen Mietertag im Mai 1969 in Bad Godesberg diese Anpassung und die Einbeziehung der Modernisierung und Instandhaltung in das Zweite Wohnungsbaugesetz versprochen und noch hinzugefügt, daß jährlich jede zweite Wohnung der 400 000 zu bauenden Wohnungen im strengen Sinn des Wortes öffentlich gefördert werden müsse.Wir haben aber bisher vergebens auf eine Initiative der Regierung der „inneren Reformen" in diesem Bereich gewartet. Ein Teil dessen, was wir initiativ vorschlagen, haben nicht nur alle Parteien, sondern auch die Fachleute seit Monaten gefordert. Die Initiative in diesem Bereich ist nunmehr der CDU/CSU zugefallen, und sie behält hier die Initiative, die sie im Wohnungswesen in den vergangenen Jahren hatte.
— Seit Jahrzehnten hatte! Ich danke für die Bestätigung, die der Fraktionsvorsitzende der SPD damit festgestellt hat.
Die vorhandene Zeit gibt auch die Möglichkeit zu systematischer, allerdings auch zügiger Beratung, die vor uns steht. Sie befreit uns von der Hektik eines Entwurfs, der etwa als Wahlgeschenk bezeichnet werden könnte.Der unmittelbare Inhalt der Vorlage betrifft auch nicht das Stillhalteabkommen in finanziellen Fragen. Er betrifft es auch deshalb nicht, weil uns die Bundesregierung ja bekanntermaßen eine Zusammenstellung der finanzwirksamen Leistungen der Parteien, auch der CDU/CSU, mit Datum bis zum 10. Dezember 1969 vorgelegt hat. In dieser Zusammenstellung ist unsere Vorlage vom 5. Dezember 1969 nicht mit enthalten. Diese Tatsache wird also auch durch die Bundesregierung festgestellt.Nun zu den Schwerpunkten der Vorlage. Das sind einmal die Einkommensgrenzen für Bezugsberechtigte im Wohnungsbau. Sie stammen — das ist die Meinung aller Parteien und aller Fachleute — aus einer seit Jahren überholten Struktur des Arbeitseinkommens. Immer weniger Personen und Haushalte fallen dadurch in die Bezugsberechtigung für eine Sozialwohnung. Leider ist gleichzeitig - das müssen wir allerdings auch feststellen — die Zahl der echten öffentlich geförderten Wohnungen im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes erheblich zurückgegangen. So meldet beispielswese das Statistische Bundesamt am 4. Juni 1969, daß 1968 die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes um 12 % auf 150 000 gesunken ist.Auch für die Bezieher von heute bescheidenen Einkommen ist es nötig, sie auf teure, steuerbegünstigte und frei finanzierte Wohnungen zu verweisen. Auch der bescheidene Ausweg des zweiten Förderungswegs nach § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes für mittlere Einkommensschichten, der Sache nach von uns mit initiiert, kann darüber wegen seines bisher beschränkten Ausmaßes und des anderen Personenkreises nicht ganz hinweghelfen. Am härtesten getroffen ist dabei die junge Familie.Die Länder helfen sich in der Frage des Bezugs bestehender Sozialwohnungen mit weitgehenden Ausnahmegenehmigungen und großzügiger Auslegung des Begriffs „in der Regel". Wäre es hier nicht— und diese Frage muß ich bei der Begründung doch aufwerfen — längst Pflicht einer Regierung der „inneren Reformen" gewesen, die Initiative zur Beseitigung dieses augenblicklich krassen Mißstands zu ergreifen?Nach dem bisherigen Stand des Gesetzes darf in eine Sozialwohnung in der Regel nur eine Familie einziehen, deren Haushaltsvorstand brutto 750 DM— das sind netto vielleicht 650, in manchen Fällen nur 600 DM und darunter — bezieht. Der Zuschlag von 200 DM für die Ehefrau oder Angehörige darf nur hinzutreten, wenn diese unter 500 DM brutto verdienen. Meine Damen und Herren, ist dies nicht völlig außerhalb der Einkommensrealitäten unserer Gegenwart?Die junge Familie bleibt dabei völlig auf der Strecke, auch die Familie mit ein bis zwei Kindern und die älteren Leute, die aus der größeren Wohnung ausziehen wollen, wenn die Kinder dem Haushalt entwachsen sind, und sie für diejenigen frei machen wollen, die eine größere Wohnung brauchen, um selbst eine kleinere Wohnung zu erhalten; sie können aber den Tausch nicht vollziehen, weil sie bei den jetzigen Einkommensgrenzen nicht in eine kleinere Sozialwohnung ziehen dürfen. Die Mobilität der Mieter ist durch diese Grenzen außerordentlich erschwert.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1133
Dr. CzajaDie CDU/CSU hat für das ganze eine praktikable und elastische Lösung vorzuschlagen versucht. Wir haben die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung nicht uferlos ausweiten wollen. Nach unserem Vorschlag hat beispielsweise ein Haushaltsvorstand, der zwei Kinder hat, noch mit 1650 DM brutto die Berechtigung, in eine Sozialwohnung zu ziehen, mit drei Kindern bis 1900 DM brutto. Insbesondere bei jungen Familien und bei Familien mit ein bis zwei Kindern hilft aber die wesentlich erhöhte Einkommensgrenze des Haushaltsvorstands nichts. Die Frau muß oft erheblich mitverdienen. Wir sehen daher nach dieser elastischen Konzeption in dem Text unseres Entwurfs völlig neu vor, daß der Wohnungsuchende jeweils —ich betone: jeweils — die Wahlfreiheit hat, zu beantragen, daß nicht von seinem Einkommen, sondern vom Familieneinkommen ausgegangen werden soll. Hier haben wir z. B. für einen Vier-Personen-Haushalt, wo meist mehrere verdienen, die Grenze bei 2000 DM brutto vorgesehen. Die Bestimmung „in-der-Regel" soll den Ländern im Einzelfall den nötigen Spielraum lassen.Diese Änderungen sind -- ich wiederhole es — für junge Familien, für alte Leute und für die Mobilität überfällig. Da Sie dies alles seit Monaten fordern, bin ich davon überzeugt, daß Sie dem innerlich bereits zugestimmt haben. Ich glaube, es wird hier und dort ein bißchen Sperrfeuer geben. Das muß es geben. Aber ich glaube, wir unterstützen mit dieser praktischen, konstruktiven Initiative auch die Stellung des Wohnungsbauministers. Unsere Bitte an die Fraktionen, insbesondere an die, die sich auf den Reformeifer berufen, ist: Helfen Sie hier wenigstens zu systematischer und rascher Beratung!Unmittelbare Auswirkungen auf den Haushalt bringt unsere Initiative nicht. Natürlich bringt sie dort keine unmittelbaren Auswirkungen, wo es sich um Vergabe bestehenden Wohnraums handelt. Es stimmt, daß für neuen Wohnraum mehr Berechtigte als im Moment anstehen werden; aber schon die frühere mittelfristige Finanzplanung sah steigende öffentliche Wohnungsbaumittel vor. Ich verweise auf die Drucksache V/2065 des vorigen Bundestages. Dort ist eine 10%ige Erhöhung bis 1970 vorgesehen. Die jetzige mittelfristige Finanzplanung sieht, wenn ich mich nicht irre, 300 Millionen DM mehr vor. Allerdings können sich diese Beträge nur dann für das Abstoppen des katastrophalen Rückgangs des eigentlich öffentlich geförderten Wohnungsbaus auswirken — ich erinnere daran, daß das Statistische Bundesamt 12 % Rückgang allein für 1968 genannt hat —, wenn Sie, Herr Minister, bald gegen den rasanten Kosten- und Mietanstieg auch bei den Sozialwohnungen, insbesondere durch die ständige Erhöhung der öffentlichen Umlagen und Gebühren, handeln. Herr Minister Schiller hat Anfang Dezember 1969 eine konzertierte Aktion zur Verhinderung der Steigerung öffentlicher Umlagen und Gebühren versprochen. Man merkt aber noch nicht viel von den Auswirkungen. Natürlich ist es auch Aufgabe der Bundesregierung, Herr Minister, sich nicht zuletzt angesichts der Zinskatastrophe für langfristige Darlehen zu überlegen, was gegen die rasante Zinssteigerung, insbesondere bei den Nebengebühren, getan werden muß.Der Bundesminister für Wohnungswesen hat im Jahre 1968 in dem gedruckten Bericht versprochen, die Mietsteigerung in den Griff zu bekommen. Das wird natürlich auch bei der Finanzierung notwendig sein.Darüber hinaus hat die CDU/CSU allerdings auch vor, beim Städtebauförderungsgesetz der freiwilligen Mobilisierung alter Baudarlehen durch Umschuldung in geordneter Weise und ohne Mietzinserhöhung nach Ordnung des Kapitalmarktes durch Anträge zum Durchbruch zu verhelfen. Wir glauben, Ihnen hierbei Hilfe zu leisten, ohne daß der Haushalt berührt wird und das Volumen der mittelfristigen Finanzplanung dadurch in irgendeiner Weise leiden sollte. Wir heben ausdrücklich hervor, daß es uns dabei nicht nur um die Zinsanhebungen geht, Herr Minister, wie Sie immer meinen. Sie beziffern sie mit 100 Millionen DM und bezeichnen sie als verplant. Soweit der erste Schwerpunkt unserer Vorlage.Der zweite Schwerpunkt ist das Bestreben, nach Auslaufen der Wohnungsbauförderung des Wiederaufbaus nunmehr die Instandsetzung und Modernisierung bestehenden Wohnraums in die konstanten, in die gesetzlich verankerten, steten Ziele des Zweiten Wohnungsbaugesetzes einzufügen. Ich kann mir nicht denken, daß irgend jemand gegen diesen für Mieter und Vermieter, aber auch für die Volkswirtschaft sehr dienlichen Zweck irgend etwas einwenden könnte. Auch die früheren Regierungen haben im Rahmen der jeweiligen Haushaltsansätze, insbesondere durch Nachtragshaushalte und ERP-Mittel, zu dieser Instandsetzung und Modernisierung geholfen. Ich hoffe, daß auch die jetzige Regierung das tun wird. Aber hier geht es um die gesetzliche Verankerung einer steten Förderung, die mit zu den Hauptzielen des sozialen Wohnungsbaus führen soll. Teilweise wird es nur auf eine Umdisposition der dafür bestimmten Wohnungsbaumittel ankommen.Ich darf bemerken, daß die SPD bereits 1964, als der Wiederaufbau noch in vollem Gange war, durch einen Antrag hier die Einbeziehung der Modernisierung und Instandsetzung gewünscht hat. Sie wird um so weniger jetzt dagegen sprechen können. Ich darf noch darauf hinweisen, Herr Bundesminister, daß Sie auf dem Deutschen Mietertag im Mai 1969 dies ausdrücklich zugesagt, also versprochen haben. Daß dabei die Vorteile der Förderung auch an die Mieter weiterzugeben sind, ist für uns selbstverständlich. Wir haben dafür Vorschriften über die Kostenmiete vorgesehen. Für Altwohnungen bedarf es dazu einer unkomplizierten Pauschalregelung. Wir ändern 'diese Bestimmungen im Zweiten Wohnungsbaugesetz, weil dies ja die künftigen Maßnahmen betrifft. Natürlich sollen aber auch die instandsetzungsbedürftigen Wohnungen nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz und die Altwohnungen als mögliche Förderungsobjekte einbezogen werden; das ergibt sich ,aus dem Gesetzestext.
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1134 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Dr. CzajaZum dritten wenden wir unseren Blick auf die durch Demonstrationsvorhaben angelaufenen Sanierungen, die an Bedeutung zunehmen werden. Dort und bei den großen Entwicklungsvorhaben sollen Förderungsmittel auch für die begleitenden Maßnahmeneinsetzbar sein das ist eine alte Forderung der städtebaulichen Praxis — und auch für sonstige Wohnungen, um in variablen Formen ein rationelles und zügiges Bauen in solchen Sanierungsgebieten zu ermöglichen und ein uferloses Ansteigen von Mieten oder Lasten zu verhindern. Auch hier ist notwendig und vorgeschrieben, daß die Vorteile weitergegeben werden. In der Praxis läuft dies also schon auf die künftigen Aufgaben der Sanierung und Entwicklung hinaus.Damit, Herr Minister, sind wir bei den Rückflüssen. Sie werden es der Opposition nicht verübeln, daß sie hier einen Dispositionsfonds von über einer Viertelmilliarde, der Ihnen zur Verfügung steht, anspricht und diesen, weil er inzwischen so hoch geworden ist, auch ein wenig gesetzlich kanalisieren möchte. Herr Minister, wir haben Verständnis dafür, daß Sie Schwerpunkte setzen wollen und daß Sie einen Dispositionsfonds brauchen. Deswegen haben wir ihn auch vorgesehen. Aber eine Viertelmilliarde und mehr als dies — ist ein bißchen zu viel. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir die Rückflüsse durch Umschuldung anreichern wollen; dann wächst er noch mehr an.Ich habe Verständnis, daß das schmerzlich ist. Wir werden natürlich eine angemessene Form des Dispositionsfonds nicht verneinen. Ich darf aber nicht verschweigen, daß nicht zuletzt Sie selber uns auf diese Bindung der Rückflüsse gebracht haben, weil Sie einigermaßen selbstherrlich in den letzten Tagen plötzlich die Einstellung der Aktion „Junge Familie" verfügt haben, ohne vorherige Ankündigung; wir hätten es nicht erfahren, wenn es nicht durch eine Frage in der Fragestunde des Bundestages geklärt worden wäre.Bei diesen Rückflüssen und ihrer Verwendung hat sich zuviel Mischverwaltung eingebürgert. Es hilft auch nichts, wenn Sie uns auf diese Mischverwaltung, die Sie für das Städtebauförderungsgesetz möchten, verweisen. Wir werden diese Mischverwaltung auch verfassungsrechtlich sehr genau durchleuchten. Das Durchlaufen dier Anträge im einzelnen über Landratsamt, Regierungspräsidium, Land, Bundesministerium und zurück erforderte in der Vergangenheit oft einen großen Zeitverlust. Vieles war nicht koordiniert. Die Rückflüsse, die durch unsere Anträge in der Zukunft vermehrt werden, sollen vorrangig in Sanierungs- und Entwicklungsgebieten zur Instandsetzung, zur Modernisierung und zur Eigentumsbildung eingesetzt werden.Eigentumsbildung und Sanierung bildeten aber auch bisher in dem Verwendungsplan der Rückflüsse einen erheblichen Teil. Herr Bundesminister, dort, wo noch andere Maßnahmen teilweise aus Rückflüssen gespeist wurden, kann teils in Sanierungs- und Entwicklungsgebieten die Aufgabe erfüllt werden, auch in der Eigentumsbildung, teils —und das möchte ich mit großem Nachdruck sagen -muß der Bundesminister für Wohnungswesen endlich beim Haushalt und bei der Abstimmung mit den Länderprogrammen seine Versprechungen wahr machen, aktuelle Schwerpunkte aus allgemeinen Dekkungsmitteln zu fördern. Dazu rechnen wir aber insbesondere auch die Altenwohnungen, die Studentenwohnungen und Schwesternheime; dafür müssen von Ihnen trotz der gestiegenen Haushalte Ansatzmittel aus allgemeinen Deckungsmitteln herausgeholt werden. Wir erhoffen das. Deswegen haben wir dazu im Sinne des Stillhalteabkommens keine Initiative ergriffen. Wir hoffen auch, daß Sie hier selbst durch den Raum, der Ihrer Initiative verblieben ist, das Notwendige veranlassen werden. Die Regelungen im § 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, die Sie diesbezüglich vielleicht vorschlagen werden oder müßten, werden unsere sorgfältige Prüfung und, wenn sie irgendwie erfüllbar sind, unsere Unterstützung erfahren.Meine Damen und Herren, unsere Betonung des Eigentums, auch in den Formen des Stockwerkeigentums, spielt auch bei der Zweckbestimmung der Rückflüsse eine Rolle. Wir würden es wünschen, daß auch hier einer der von Ihnen angekündigten Schwerpunkte liegt. Wir sind nach wie vor gegen eine Kollektivierung des Gutes Wohnung in den Händen allein von großen Unternehmen. Wir sind für eine Verbesserung der Wohnverhältnisse in Stadt und Land, wobei sich Standort und Rechtsform nach dem vertretbaren Willensentscheid der Betroffenen richten sollen.Unsere Initiative ist nicht das, was hier in der Aussprache zur Lage der Nation als radikaler Umbruch bezeichnet worden ist. Das ist es nicht. Wenn die Kollektivierung auch im Wohnungswesen käme, wäre das allerdings ein radikaler Umbruch. Unsere Novelle bewegt sich im Bereich der konstanten, der zeitgemäßen, der notwendigen Reformen. Dem diente in der Vergangenheit weithin die CDU/CSU. Mit dieser und ihrer Novelle zum Wohngeldgesetz steht sie damit in ihrer bisherigen Linie, die Initiative im Wohnungswesen zu behalten. Sie erfüllt die Pflicht der Opposition, dort, wo eine gewisse sterile Untätigkeit herrscht, vorwärtstreibende Kraft zu sein und Hinweise für notwendige Verpflichtungen zu geben.Neben den Aufgaben der Zukunft, der Städtebauförderung, darf man die augenblicklichen Alltagsfragen im Wohnungswesen weder übersehen noch dabei handlungsunfähig und steril sein, denn sie betreffen in der gegenwärtigen Zeit Hunderttausende von Haushaltungen. Unzulänglich ist in diesem Bereich bisher die Initiative der Regierung gewesen, unzulänglich bei dem Eintreten für die Verbesserung der Einkommensgrenzen, unzulänglich vor allem auch die Initiative, durch Umschuldung ohne Belastung des Haushalts mehr Mittel flüssig zu machen.Wir erwarten und bitten die Regierung und die anderen Fraktionen, diese Initiative durch eine systematische, aber zügige Behandlung der Anträge ohne Verzögerung im federführenden Ausschuß für
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1135
Dr. CzajaWohnungswesen und im mitberatenden Haushaltsausschuß zu unterstützen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Meermann. Dei SPD-Fraktion hat 25 Minuten Redezeit erbeten. Bitte schön, Frau Kollegin Meermann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat diesem Hause einen offenbar mit der heißen Nadel genähten Entwurf zur Novellierung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vorgelegt. Die Widersprüche, die er enthält, sind auch durch Ihre Einführung, Herr Dr. Czaja, nicht aufgelöst worden.Ich möchte zunächst Ihren Vorschlag aufgreifen, die Einkommensgrenze im sozialen Wohnungsbau zu erhöhen. Darüber, daß die Einkommensgrenze erhöhungsbedürftig ist, gibt es keine Meinungsverschiedenheiten in diesem Hause. Sie waren so liebenswürdig, Herr Dr. Czaja, die Beschlüsse unseres Parteitages zu zitieren. Ich freue mich sehr, daß Sie sie so gewissenhaft befolgen wollen. Tun Sie es auf anderen Gebieten auch!
— Ich komme noch dazu, Herr Dr. Czaja. — Ichfinde es jedenfalls nett, daß Sie sich unsere Be-Schlüsse nicht nur durchlesen, sondern auch helfen wollen, sie durchzusetzen. Aber Sie hätten die Beschlüsse unseres Parteitags und die Ausführungen des Bundeswohnungsbauministers auf dem Mietertag gar nicht zu bemühen brauchen. Wir selbst als Bundesfraktion der SPD haben hier in diesem Hohen Hause erklärt,
daß die Einkommen- und Mietentwicklung einen Teil des Personenkreises, für den das Gesetz ursprünglich gedacht war, nun nicht mehr erfassen läßt. Wir wissen auch, daß es soziale Härten gibt, obwohl die Landesbehörden die Einkommensgrenzen großzügig auslegen; Erhöhungen bis zu 10 und 20 % sind zulässig und bei der Förderung im sogenannten zweiten Förderungsweg können die im Gesetz vorgesehenen Einkommensgrenzen sogar zu einem Drittel überschritten werden.Aber Schwierigkeiten zeigen sich in der Tat insbesondere bei der Belegung von neuen Wohnvierteln, weil sich da die gewünschte soziale Streuung nicht immer erreichen läßt. Ohne daß ich mich zu der von Ihnen vorgeschlagenen Höhe der Anhebung hier im einzelnen äußern will, möchte ich sagen, daß wir sie durchaus für überlegenswert halten ebenso wie die wahlweise Zugrundelegung des Familieneinkommens, wodurch insbesondere jungen Ehepaaren, bei denen beide Partner berufstätig sind, eher die Möglichkeit gegeben wird, in eine Sozialwohnung zu ziehen.Nur steht zu diesem letzten Punkt, Herr Dr. Czaja, in dem Text Ihres Gesetzentwurfs etwas anderes als in der Begründung dazu. Lesen Sie sich das einmal durch. Mit Ihrer Begründung bin ich einverstanden; mit dem, was im Text des Entwurfs steht, kann ich nicht einverstanden sein.
— Ich sage es Ihnen gleich, ich habe es nicht mit heraufgenommen. Aber, Herr Dr. Czaja, wenn ich mich recht erinnere, steht in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs, daß der mitverdienende Ehegatte erheblich zum Lebensunterhalt beitragen muß, während das im Text des Entwurfs nicht zum Ausdruck kommt. Nach dem Gesetzestext kann z. B. auch ein Mann mit hohem Einkommen, dessen Frau nur etwa 100 DM hinzuverdient, in den Besitz einer Sozialwohnung kommen und im nächsten Jahr schon über die Einkommensgrenze hinausgewachsen sein. Das wollen wir nicht. Das müssen Sie einmal durchsehen. Das kann natürlich passieren, wenn man es so eilig hat.Daß Sie den wichtigsten Punkt, nämlich die Finanzierung, so völlig bagatellisierten, hätte aber wirklich nicht passieren dürfen. Hier kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie in der Opposition mit verteilten Rollen spielen. Erst kommt der Herr Barzel und macht Schlagzeilen mit dem Angebot, ausgabewirksame Beschlüsse in zweiter und dritter Lesung erst zusammen mit dem Haushalt 1970 und mit der mittelfristigen Finanzplanung zu fassen,
und mit der Erklärung, seine Fraktion sei bereit, in diesem Sinne auch hinsichtlich ihrer Anträge zu handeln. Dann treten der Herr Müller-Hermann und der Herr Pohle im Duett auf sozusagen als Troubadoure der Stabilität —
und fordern die beispielhafte antizyklische Haushaltspolitik des Bundes, und im gleichen Augenblick ist Ihre Fraktion mit Bieneneifer an der Arbeit, einen ausgabewirksamen Antrag nach dem anderen zu stellen.
Und das, meine Damen und Herren von der Opposition, summiert sich ganz schön.Sie können natürlich sagen — und Sie haben das gesagt, Herr Dr. Czaja -: Die Erhöhung der Einkommensgrenze braucht überhaupt nichts zu kosten. Aber das ist — das wissen Sie doch genau so gut wie ich — die schiere Augenauswischerei. Wenn Sie einen größeren Kreis von Anspruchsberechtigten schaffen, die Haushaltsmittel aber die gleichen bleiben,
dann steht dem erhöhten Bedarf ein gleichbleibendes Angebot gegenüber, und Sie erwecken Hoffnungen, die Sie enttäuschen müssen, und das ist unsolide.
— Ich erläutere es noch.
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1136 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja?
Bitte!
Frau Kollegin, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß in der uns gestern überreichten Zusammenstellung des Ausgabenbedarfs des Bundes bis 1973 unter „Finanzplanung des Bundes" die Ausgaben im Wohnungswesen für 1970 um 300 Millionen DM erhöht worden sind?
Ja. Ist Ihnen aber auch klar, Herr Dr. Czaja, daß die Erhöhungen im Haushaltsplan des Bundeswohnungsbauministers im wesentlichen bei den Wohnungsbauprämien und beim Wohngeld zu finden sind? Schauen Sie sich das einmal genau an, dann werden Sie feststellen, wo die dicken Erhöhungen stecken, nämlich in den beiden Posten.
— Gut, aber nicht hier.
Nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion muß mit der Erhöhung der Einkommensgrenze auch eine Erhöhung der für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Mittel Hand in Hand gehen. Im Haushaltsplan 1970 ist das nicht möglich, und zwar aus den Gründen, die ich eben genannt habe. Beides wird aber Teil des langfristigen Wohnungsbauprogramms sein, das, worauf Sie mit Recht verweisen, der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigt hat und das der Bundeswohnungsbauminister diesem Hause in Bälde vorlegen wird. Warum das heute noch nicht geht, das wissen Sie genauso gut wie wir: weil die Auswertung der Wohnungszählung 1968 noch nicht vorliegt. Wir alle haben doch dieses Gesetz damals in der erklärten Absicht beschlossen, daß es eine wesentliche Grundlage für die künftige Wohnungspolitik sein soll. Dieses Hohe Haus würde ja seinen eigenen Beschlüssen zuwiderhandeln, wenn es nun die Regierung drängen wollte, ihr Programm ohne Rücksicht auf die Ergebnisse der Wohnungszählung jetzt schon vorzulegen. Wir müssen mit unserer eigenen Politik ja auch schließlich glaubwürdig bleiben.
Sie bitten, Herr Dr. Czaja, um rasche Behandlung Ihres Gesetzentwurfes. Ob Sie Ihren Initiativentwurf für eilig halten und für wie eilig Sie ihn halten, das werden die Beratungen der nächsten Zeit auf einem anderen Gebiet zeigen. Sie haben in Ihrem Entwurf mit Recht eine enge Verbindung zwischen dem Städtebauförderungsgesetz und dem Zweiten Wohnungsbaugesetz hergestellt, was im übrigen auch den Ausschußberatungen der letzten Legislaturperiode entspricht. Ja, Ihr Text geht davon aus, daß das Städtebauförderungsgesetz bereits verabschiedet ist.
— Jawohl, das ist zitiert! „Städtebauförderungsgesetz" steht in Ihrem Text drin, Herr Dr. Czaja. Schauen Sie mal nach.
Aber vielleicht darf ich darin, daß Sie dieses Gesetz hier als bestehend zitieren, einen Ausdruck tätiger Reue sehen.
Ich könnte mir vorstellen, daß es Ihnen jetzt, wo Ihnen das Städtebauförderungsgesetz hier so schön passen würde, vielleicht doch leid tut, das Sie seine Verabschiedung in der letzten Legislaturperiode blockiert haben.
— Ich habe die ganze Zeit von Ihrer Vorlage und vom Haushaltsplan 1970 geredet.
— Ich habe über Ihre Vorlage geredet.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Dr. Czaja?
Bitte sehr!
Frau Kollegin, fällt Ihnen nicht die Diskrepanz auf zwischen Ihrem Wunsch, daß der Bundestag in der vorigen Legislaturperiode ein Jahrhundertgesetz, das 250 Milliarden DM betrifft, in vier Monaten hätte verabschieden sollen,
und der Tatsache, daß es der Bundesregierung der inneren Reformen in vier Monaten nicht gelungen ist, einige entscheidende Paragraphen für das Zweite Wohnungsbaugesetz, die Sie bejahen, hier einzubringen?
Herr Dr. Czaja, ich habe hier die Ehre, mich zu einem Gesetzesänderungsentwurf zu äußern, den Sie als Ganzes vorgelegt haben. Ich muß aber auch die Zusammenhänge sehen und kann nicht sagen: wir picken dies und das und jenes heraus, und das hätten wir schon vorgestern machen sollen, das andere machen wir in sechs Jahren. Sie haben einen Gesamtentwurf vorgelegt; infolgedessen muß ja wohl auch die Terminierung aufeinander abgestimmt sein.
In der Beurteilung der Bedeutung Ihres Entwurfs, Herr Dr. Czaja, fand ich Sie — das muß ich schon sagen — beachtlich bescheiden. Ich finde, daß dieser
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1137
Frau MeermannEntwurf eine Erweiterung der Aufgabenstellung des ursprünglichen Gesetzes bedeutet, ja, daß Sie zum Teil sogar eine völlige Umwidmung des Gesetzes vorschlagen. Das Zweite Wohnungsbaugesetz hat den Neubau von Wohnungen für die breiten Schichten des Volkes zum Ziel. Sie legen nun, nach meiner Auffassung berechtigt, Nachdruck auf den Bau von Wohnungen in förmlich festgelegten Sanierungs- und Entwicklungsgebieten, wobei Sie auch den Wohnungsbau für die höheren Einkommensgruppen einbeziehen. Aber Sie wollen doch auch den überhaupt nicht an Einkommensgrenzen gebundenen Wohnungsbau fördern und entfernen sich damit weit von den ursprünglichen Zielen. Außerdem wollen Sie nach Ihrer Begründung auch noch Wohnungsbaumittel für städtebauliche Maßnahmen, die mit den Wohnungen in Verbindung stehen, abzweigen. Und schließlich kommt noch neu hinzu das ganze Gebiet der Objektinstandsetzung und -modernisierung, also von Wohngebäuden und Wohnungen außerhalb der festgelegten Sanierungs- und Entwicklungsgebiete. Das ist doch eine ganz bemerkenswerte Weiterentwicklung, und sie ist insbesondere dann bemerkenswert, wenn man einmal an die Entstehung des Gesetzes zurückdenkt; der damalige Bundeswohnungsbauminister glaubte, daß es noch während seiner Amtszeit überflüssig werden würde.Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß neben der Flächensanierung, die im Städtebauförderungsgesetz geregelt wird, auch die Sanierung von Einzelobjekten durchaus eine Aufgabe der öffentlichen Hand darstellt. Hier ist Volksvermögen, das erhalten werden muß, und schließlich hat auch der Bürger, der in einem älteren Hause lebt, einen Anspruch auf eine Wohnung, die dem modernen Standard angepaßt ist.
Es gibt ja bereits verschiedene Programme dazu, ferner Absetzungsmöglichkeiten bei der Einkommensteuer, Förderung durch Bausparen usw.Wenn Sie den Eindruck haben, Herr Dr. Czaja, daß immer nur Sie wohnungspolitische Initiativen in diesem Hause entwickelt hätten, so darf ich Sie doch mit aller Bescheidenheit dahin korrigieren, daß immerhin unser Drittes Wohnungsbaugesetz eine beachtliche Initiative der damaligen Opposition darstellt.
— Natürlich, aber Sie haben uns keine Initiative zugebilligt, und das möchte ich zurechtrücken.
— Das Dritte Bundeswohnungsbaugesetz, das Sie mit Ausnahme des Finanzierungsteiles damals völlig verrissen haben.
Sie werden sich daran erinnern. Wir wollten damals schon alles zusammen in ein Gesetz bringen, nämlich Neubau, Sanierung und Modernisierung. Sie waren damals nicht dafür. Uns ist aber im Gegensatz zu Ihnen klar, daß man dafür zusätzliches Geld braucht.Außerdem, meinen wir, kann man es sich nicht so einfach machen, daß einer so weitgehenden Verpflichtung des Staates, wie Sie sie hier postulieren, keine Verpflichtung des Eigentümers gegenübergestellt wird außer der, daß er sich bei der Mieterhöhung nach der Instandsetzung oder Modernisierung in Grenzen halten und einen Mindeststandard anstreben muß. Nirgendwo aber steht etwas darüber, daß auch der Eigentümer dazu beitragen soll, gesunde Wohnverhältnisse zu schaffen und zu erhalten. Man muß doch davon ausgehen, daß zum mindesten die Instandsetzung weitgehend vom Eigentümer zu tragen ist, es sei denn, daß er das wirtschaftlich nicht schaffen kann. Nach Ihrem Gesetzentwurf — ich kann mich jetzt nur nach dem Text richten — wollen Sie aber die staatliche Hilfe für Instandsetzung, Modernisierung und Sanierung über jeden ausgießen, der ein Haus besitzt, das vor 1953 gebaut worden ist, völlig unabhängig von Einkommen und Vermögen.
— Jawohl, Sie haben keinerlei Einkommens- und Vermögensgrenzen in Ihrem Entwurf, Herr Dr. Czaja.
Frau Kollegin Meermann, — —
Einen Augenblick! Nicht Sie dürfen das Wort nehmen, sondern die Frau Kollegin muß bereit sein, Ihre Zwischenfrage zuzulassen. — Frau Kollegin, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja zuzulassen?
Ja, natürlich!
Frau Kollegin, ist Ihnen entgangen, daß das bisher immer durch Verordnung bestimmt worden ist
: Au! Au!)
und daß wir das deshalb im Gesetzentwurf nicht vorgesehen haben?
Herr Dr. Czaja, es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Instandsetzung und Modernisierung im Haushaltsplan aus einem Posten gespeist werden, der speziell für die Hausbesitzer mit kleinem Einkommen gedacht ist — da haben wir eine Einkommensgrenze — oder ob die Konjunkturförderungsprogramme, bei denen wir ja auch Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen hatten, einen temporären konjunkturfördernden Zweck erfüllen sollten, oder ob Sie hier global in das Bundeswohnungsbaugesetz eine generelle Förderung, eine Verpflichtung des Staates zur Objektsanierung hineinschreiben wollen. Das ist ein Unterschied. Man muß das infolgedessen auch unterschiedlich sehen.
Nach dem, was Sie hier vorgelegt haben, sollenjedenfalls Reich und Arm gleichermaßen bedacht
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1138 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Frau Meermannwerden. Vielleicht erzählen Sie das gelegentlich einmal den Steuerzahlern.
Ist es denn wirklich ausschließlich damit getan, daß der Staat hier Geld gibt? Gehört dazu nicht auch, daß die Wohnungsaufsicht, die in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt wird, zu einem Recht auf Wohnungsverbesserung erweitert wird? Ich bin mir darüber im klaren, daß der Bund im Einvernehmen mit den Ländern hier nur eine Rahmengesetzgebung verabschieden könnte. Aber diese Frage muß doch gestellt werden in einem Augenblick, in dem Sie einen so großen Kreis von Berechtigten schaffen wollen.Eine Eingrenzung sehen Sie nur durch die Höhe der zur Verfügung gestellten Mittel vor.Sie haben in Ihrer mündlichen Erläuterung einiges über mögliche finanzielle Umdispositionen gesagt. Das müßte aber im Gesetz stehen. In Ihrem Entwurf ist davon nicht die Rede. Da ist immer nur die Rede von den Rückflußmitteln des sozialen Wohnungsbaues. Und Sie wollen, daß von den Rückflußmitteln des sozialen Wohnungsbaues drei Fünftel für das Städtebauförderungsgesetz, ein Fünftel für die Instandsetzung und Modernisierung, ein Fünftel für die Bildung von Einzeleigentum, insbesondere von Familienheimen, verwandt werden. Dabei schwebt Ihnen offenbar vor, daß die zu erwartenden Rückflußmittel frei verfügbar sind. Aber ich schätze, daß Herr Baier, der neben Ihnen sitzt, diesen Gesetzentwurf als Haushaltsexperte auch gelesen hat. Er müßte wissen, daß die Rückflußmittel nicht frei verfügbar sind, sondern daß sie in die mittelfristige Finanzplanung eingeschlossen sind und für die Fortführung des bisherigen Wohnungsbaus gebraucht werden.Ich habe vorhin bereits gesagt, wohin die Mehrzuweisungen aus den allgemeinen Steuermitteln gehen.
Genau! Die Einsetzung der 'Rückflußmittel in die mittelfristige Finanzplanung ist in einer Zeit beschlossen worden, in der Sie den Finanzminister gestellt haben. Sie können Ihre Anforderungen an den Haushalt aber nicht gut jeweils davon abhängig machen, ob Sie den Finanzminister stellen oder wir. Eine gewisse Kontinuität muß da ja wohl sein.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Aufteilung der Rückflußmittel so haben wollen, wie das Ihr Gesetzentwurf vorsieht, bedeutet das, daß es außerhalb der Sanierungsgebiete so gut wie keinen sozialen Wohnungsbau mehr gibt.
— Aber bitte, Herr Dr. Czaja, die Rückflußmittelsind ja in § 19 a mit enthalten; die sind ja nichtsonstwo, die sind mit eingebaut. Es bedeutet also,daß kaum mehr Sondermittel für den Bau von Altenwohnungen, von Wohnungen für junge und kinderreiche Familien, also für alle diese Gruppen, die uns gemeinsam am Herzen liegen, da wären. Es würde schließlich bedeuten, daß statt mehr wesentlich weniger Eigenheime als bisher gebaut werden könnten.
Bei allem Bemühen, die diskussionswürdigen Punkte in Ihrem Novellierungsvorschlag zu sehen, muß ich ihn daher insgesamt doch als unsolide und in der finanziellen Auswirkung als nicht durchdacht bezeichnen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktionstimmt der Ausschußüberweisung zu. Sie wird den Antrag sorgfältig beraten, obwohl er uns als Grundlage für die künftige wohnungspolitische Gesetzgebung wenig brauchbar erscheint.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Wurbs für 15 Minuten. Es isst keine Redezeit beantragt worden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Czaja, Sie haben eben zum Schluß Ihrer Rede ausgeführt, daß Ihr Gesetzentwurf keinen radikalen Umbruch darstelle. Ich muß aber sagen: Ihr Antrag stellt auch nichts radikal Neues dar. Wir haben uns in den Beratungen über dieses Problem unterhalten, und Sie haben sehr richtig gesagt, es sei das Anliegen aller Fraktionen, das Zweite Wohnungsbaugesetz den Gegebenheiten anzupassen.Ich halte es nicht für fair, hier an dieser Stelle zu sagen, daß die neue Bundesregierung keine Initiative ergriffen habe, um etwas zu tun. Sie haben unter Führung Ihres Bundeskanzlers drei Jahre Zeit gehabt, in dieser Richtung etwas zu unternehmen.
Selbstverständlich!
— Das ist richtig. Aber Ihr Bundeskanzler hatte die Richtlinien der Politik zu bestimmen. Das ist doch wohl nicht zu bestreiten.
Sie, Herr Czaja, haben gesagt, diese Maßnahme sei nicht an das Stillhalteabkommen gebunden. Das möchte ich bestreiten. Sie sagten, in dem Katalog, der bis zum 10. Dezember vorgelegt worden sei, seien diese Forderungen nicht enthalten. Ich meine aber, die Tatsache, daß sie noch nicht darin enthalten waren, ist gerade ein Argument dafür, daß die Forderung, die jetzt auf uns zukommt, zu einer weiteren Ausweitung des Haushalts mit beitragen wird. Im einzelnen sind wir über die Auswirkungen noch gar nicht informiert. Wir werden in den
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WurbsAusschußberatungen feststellen müssen, in welchen Größenordnungen sich die Mehrbelastungen bewegen.Die Regierung ist überfordert, wenn man schon nach hundert Tagen von ihr verlangt, ein umfassendes Konzept zum Wohnungsbau vorzulegen. Ich darf in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung in der Regierungserklärung vom 28. Oktober ausdrücklich angekündigt hat, sie werde ,ein langfristiges Wohnungsbaukonzept vorlegen.Wenn Sie, Herr Dr. Czaja, sagen, Ihr Antrag habe keine finanziellen Auswirkungen, so ist das nicht ganz richtig. Ich glaube, die Rückflüsse, die bisher für wohnungswirtschaftliche Zwecke eingesetzt und verplant worden sind, müßten, wenn sie für die Sanierung der Städte oder für Entwicklungsmaßnahmen abgezweigt würden, abgeschrieben werden, d. h. andere Maßnahmen müßten zurücktreten.
Ich weiß im Augenblick nicht, welchen Deckungsvorschlag Sie machen wollen, um die Maßnahmen diedann zurückgestellt werden müßten, zu finanzieren.Sie haben dem Wohnungsbauminister hier in der Debatte vorgehalten, die Zinsen seien erheblich gestiegen, und damit sei auch zwangsläufig eine Verteuerung der Hypotheken verbunden. Dann muß man aber doch einmal sagen, wodurch die Zinsanhebungen, das veränderte Zinsgefüge, verursacht worden sind. Man kann nicht der Bundesbank die Steuerung oder Dämpfung der Konjunktur allein durch monetäre Maßnahmen überlassen, sondern hätte auch andere Dinge tun müssen. Ich bin in dieser Situation wirklich ganz unbefangen. Wir haben uns seinerzeit in der Opposition befunden. Deshalb kann ich sagen, daß in der Vergangenheit hier gewisse Versäumnisse zu verzeichnen waren.
Ich komme jetzt zu den Einzelpunkten. Die Absicht, die Modernisierung und Instandsetzung mit in die Förderung einzubeziehen, ist durchaus zu begrüßen. Auch wir haben eine solche Forderung schon erhoben. Denn es muß natürlich neben dem Wohnungsneubau auch daran gedacht werden, die Substanz alter und älterer Wohnungen zu erhalten. Über die finanziellen Belastungen, die sich auf Grund der Anhebung der Einkommensgrenzen ergeben werden — über die Größenordnung werden wir uns im Ausschuß noch zu unterhalten haben —, können wir im Augenblick noch nichts aussagen.Wir werden uns im Ausschuß mit den Problemen im einzelnen auseinandersetzen. Ich hoffe, daß auch detaillierte Zahlen vorgelegt werden. Wir werden seitens der Bundesregierung noch im Laufe dieser Legislaturperiode ein langfristiges Konzept über unsere wohnungswirtschaftlichen Vorstellungen vorlegen, in dem auch die Vorstellungen, die Sie jetzt hier in die Form eines Antrages gekleidet haben, berücksichtigt und beraten werden.Wir empfehlen, Ihre Vorlage und Ihren Antrag zu einer intensiven Ausschußberatung dem Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, Herr Bundesminister Dr. Lauritzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung zu dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion durch Herrn Kollegen Czaja hat das Wort „Unzulänglichkeiten" eine sehr große Rolle gespielt. Ich glaube aber, es ist dabei vergessen worden, einmal darüber nachzudenken, worauf denn die Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind, die wir im Wohnungswesen heute immer noch feststellen müssen. Sie sind doch offensichtlich auf Versäumnisse früherer Zeit zurückzuführen.
— Ich komme noch zu den drei Jahren.Diese Unzulänglichkeiten, mit denen ich mich jetzt herumzuschlagen habe, abzubauen, erfordert natürlich einige Zeit.
Als ich vor drei Jahren mein Konzept dafür vorgelegt habe, wie man die Unzulänglichkeiten beseitigen kann, bekam ich einen Brief des Herrn Bundeskanzlers, ich möge etwas kürzertreten. Das haben Sie leider vergessen.
Das war die Bremse in den drei Jahren, die mich gehindert hat, das zu tun, was notwendig ist.
— Das hätte Ihnen so gepaßt.
Das zweite ist folgendes. Es ist etwas einfach, nach so kurzer Zeit von Untätigkeit zu sprechen. Der Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen ist ja heute abend bei uns im Ministerium zu Gast; wir werden Gelegenheit haben, dort die Diskussion noch etwas fortzuführen.
-- Ich gehe nicht weg; ich bleibe ja hier.
Ich möchte Ihnen folgendes deutlich machen, meine Damen und Herren. Wenn ich einmal zusammennehme, woran im Augenblick im Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen gearbeitet wird, dann muß ich mich vor meine Mitarbeiter stellen und Ihnen sagen: ich kann ihnen nicht zumuten, noch mehr zu übernehmen. Wir haben unseren Entwurf zum Städtebauförderungsgesetz vorgelegt. Es scheint eine sehr schwierige Materie zu sein. Der
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Bundesminister Dr. LauritzenCDU-Entwurf liegt noch immer nicht vor; wie esmit dem CSU-Entwurf aussieht, weiß ich auch nicht.
Anscheinend sind Sie sich untereinander noch nicht ganz einig darüber, welchen Entwurf Sie vorlegen wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Breidbach?
Darf ich eben noch zwei Sätze sagen, Herr Präsident. Wohngeldnovelle, langfristiges Wohnungsbauprogramm,
Zweiter Städtebaubericht — das sind alles umfangreiche und schwierige Materien,
an denen intensiv und zielbewußt gearbeitet wird und die abschnittsweise hier vorgelegt werden. Wir haben mit dem Städtebauförderungsgesetz angefangen; nächste Woche kommt der Wohngeldbericht, dann kommt die Wohngeldnovelle, und so werden wir systematisch weiterarbeiten. Ich glaube, da kann man nicht davon reden, es seien „Unzulänglichkeiten" zu beseitigen, wie Sie, Herr Czaja, hier glaubten feststellen zu können.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Minister Lauritzen, nachdem Sie hier gerade erklärt haben, daß heute abend die Diskussion über Wohnungsbaupolitik unter Ausschluß der Öffentlichkeit fortgesetzt werden soll, möchte ich Sie fragen,
ob Sie nicht der Auffassung sind, daß das Parlament der richtige Ort ist, in dem Diskussionen über Wohnungsbauförderung geführt werden sollten.
Das klingt alles sehr großartig, was Sie eben gesagt haben, liegt aber leider völlig neben der Sache. Hier wird diskutiert; heute abend treffen wir uns, wie andere Ausschüsse auch, im Ministerium, um dort zu einem persönlichen Gespräch miteinander zusammenzukommen. Das hat nichts mit der Debatte zu tun, die wir hier heute führen. Bei dieser Gelegenheit sind auch die Mitarbeiter meines Hauses anwesend, um einmal über die internen Dinge des Hauses zu sprechen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja?
Herr Minister, würden Sie nach der Aufzählung der vielen Arbeiten wenigstens anerkennen, daß die Opposition Ihnen diese Formulierungen, ohne über einen Apparat von Beamten zu verfügen, in einer schlichten, aber pflichtgemäßen Arbeit größtenteils bereits vorgelegt hat?
Ich komme jetzt zu Ihrem Entwurf, Herr Kollege Czaja. Ich will nicht die Formulierung aufgreifen, die Sie vorhin verwendet haben. Es handelt sich hier eben auch wieder nur um eine partielle Novelle, um das Aufgreifen von Einzelfragen, ohne den Zusammenhang zu berücksichtigen. Diese Novelle kann keineswegs Grundlage für ein langfristiges Wohnungsbauprogramm sein. Eine solche Grundlage muß ganz anders aussehen und viel gründlicher vorbereitet werden. Darüber möchte ich nachher noch Näheres sagen.
Ich komme nun zum Entwurf selbst. Sicher sind die Einkommensgrenzen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes reformbedürftig. Das ist immer unsere Meinung gewesen. Nur, meine Damen und Herren, wenn Sie die Einkommensgrenzen ändern wollen — das ist auch meine Absicht —, müssen Sie gleichzeitig zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, um den erweiterten Kreis der Bezugsberechtigten damit bedienen zu können. Tun Sie das nicht, besteht die Gefahr, daß die dann einbezogenen Bezieher höherer Einkommen gegenüber der Gruppe der Einkommensschwächeren einen Vorteil genießen. Das möchte ich auf jeden Fall vermeiden.
Deswegen, so meine ich, sollte das mit in das langfristige Wohnungsbauprogramm einbezogen werden, zu dem ich nachher noch etwas sagen möchte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ott?
Bitte schön!
Herr Minister, Sie sprechen gerade von den notwendigen Mitteln. Würden Sie mir widersprechen, wenn ich sage, daß es Ihre Aufgabe gewesen wäre, bei der Abfassung der Regierungserklärung der beabsichtigten Senkung der Ergänzungsabgabe — sie macht eine Milliarde D-Mark
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Ottaus — zu widersprechen und diese Mittel für die Erhöhung des Wohngeldes einzuplanen?
Ich finde es etwas zu einfach, wenn man bei Finanzberatungen gegen Ausgaben in anderen Haushalten votiert, um die Mittel für sich selber in Anspruch zu nehmen. So kann man keine Finanzpolitik betreiben.
Ich komme gleich auf die Finanzierung eines langfristigen Wohnungsbauprogramms zu sprechen.
Herr Kollege Czaja, ich bin auch der Meinung, daß wir die Einkommensgrenzen ändern müssen. Wir müssen dann aber auch die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung stellen. Darauf komme ich gleich.
Sie haben vorgesehen, die Städtebauförderung mit einzubeziehen. Meine Damen und Herren, sehen Sie sich bitte den Entwurf der Bundesregierung an. Er sieht ausdrücklich vor, daß der Bindungsrahmen für den Städtebau in dem Gesetz selbst festgesetzt wird. In unserer mittelfristigen Finanzplanung wird der Bindungsrahmen für die Jahre 1971 bis 1973 450 Millionen DM betragen. Das scheint mir nun ein wesentliches Ergebnis zu sein. Damit kann man wirklich die Stadtsanierung beginnen. Nach meiner Meinung sind diese Dinge in jenem Rahmen zu regeln.
Genauso ist es im Grunde genommen mit der Althaussanierung. Sie haben leider eines vergessen. Ich habe mich jahrelang bemüht, für die Althaussanierung zusätzliche Haushaltsmittel zu bekommen. Im Rahmen der Konjunkturprogramme der Bundesregierung ist das auch gelungen. Ich habe mir aber wiederholt den Einwand des früheren Finanzministers anhören müssen: Ist denn Althaussanierung überhaupt eine Bundesaufgabe. Als Sie diesen Antrag stellten, ist dieser Einwand anscheinend vergessen worden. Hier gilt genau dasselbe wie vorhin. Wenn Sie neue Verwendungsmöglichkeiten für öffentliche Mittel im Rahmen des Wohnungsbaues eröffnen, ohne zusätzliche Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, geht das auf Kosten der bisherigen Verwendungszwecke. Es muß also etwas geschehen, um die Frage der Finanzierung zu lösen.
Herr Czaja, ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie mit Ihrer Behauptung recht hätten, es gebe einen Dispositionsfonds des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen in Höhe von 250 Millionen DM für den Wohnungsbau.
Ich finde ihn nicht! Ich will gern einmal eine Lupe nehmen, um im Haushaltsplan nachzusehen. Sie können ihn mir auch nicht zeigen.
Lassen Sie mich Ihnen eines sagen. Ich habe in der Beantwortung der letzten Kleinen Anfrage, die
Sie gestellt haben, in Drucksache VI/216, zum wiederholten Male darauf hingewiesen, daß die Rückflußmittel — insbesondere die aus dem Gesetz zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus — sowohl von den Ländern als auch vom Bund in der mittelfristigen Finanzplanung voll und ganz eingeplant sind, daß es hier also keine Dispositionsmittel gibt.
Noch etwas, Herr Czaja. Wir sind leider so weit gekommen, daß, vom Flüchtlingswohnungsbau abgesehen, der ganze öffentlich geförderte Wohnungsbau aus Rückflußmitteln finanziert wird und daß jede neue Disposition über Rückflußmittel — das gilt auch für die von Ihnen beabsichtigte Quotierung — zu Lasten bisheriger Verwendungszwecke geht. Das wollen Sie dabei bitte nicht vergessen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja?
Herr Bundesminister, würden Sie mir bezüglich der Rückflüsse zugestehen, daß bereits im Haushaltsgesetz 1969 fast 950 Millionen DM Zinsen und Tilgungen enthalten sind, deren Verteilung nicht durch gesetzliche Bindung verankert ist, sondern die nur im Rahmen eines Verwendungsplans, den Sie dem Bundestag informativ zuleiten und in den Sie erst vor wenigen Tagen wieder eingegriffen haben, verteilt werden? Würden Sie endlich einmal aus der Begründung entnehmen, daß es uns nicht um die Zinsen, sondern um die freiwillige Umschuldung des Restkapitals älterer Baudarlehen geht?
In diesem Punkt bin ich mit Ihnen durchaus einer Meinung. Ich darf gleich darauf zurückkommen.Nur, wenn Sie dazu übergehen wollen, die Rückflußmittel zu drei Fünfteln für den Städtebau einzusetzen — was nach meiner Erklärung von vorhin wohl nicht mehr notwendig ist; wenn wir einen gesetzlichen Bindungsrahmen von 450 Millionen DM für die ersten drei Jahre haben, ist das nicht mehr notwendig; dann gehört die Regelung dorthin —, wenn Sie ein Fünftel für Altbausanierung und ein Fünftel für Eigentumsbildung einsetzen wollen, fehlen für eine ganze Reihe von Verwendungszwecken — Altenheimbau, Studentenwohnungsbau, junge Familien — einfach die öffentlichen Mittel.
— Ja, ich komme gleich darauf.Wenn Sie nur ein Fünftel für Eigentumsbildung einsetzen wollen, sind das 20 %.
Wir haben bisher aber Eigentumsbildung in Höhe von 30 % gehabt.
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Bundesminister Dr. LauritzenDieses Ergebnis wollen Sie doch sicherlich auch nicht.- Andere Mittel haben wir nicht!
— Nein! Wir müssen uns im Ausschuß einmal genau darüber unterhalten. Ich habe es Ihnen schon einmal vorgerechnet. Ich bin gerne bereit, das noch einmal zu wiederholen.
Meine Damen und Herren, es sind noch zwei Fragen behandelt worden, auf die ich eingehen möchte, bevor ich zu dem allgemeinen Wohnungsbauprogramm etwas sage.Herr Czaja, Sie haben zum wiederholten Male darauf hingewiesen, daß es nach Ihrer Meinung eine entscheidende Aufgabe sei, dafür zu sorgen, daß die administrativen Preise unter Kontrolle kommen und daß sie wegen ihrer Auswirkung auf die Mieten auch vom Wohnungsbauminister entsprechend beachtet werden müßten. Ich weiß nicht, ob Sie gesehen haben, daß der Konjunkturrat eine sehr eingehende Empfehlung gegeben hat: Die öffentliche Hand möge bei der Genehmigung administrativer Preise äußerste Zurückhaltung üben. Die Bundesregierung hat sich diese Auffassung voll und ganz zu eigen gemacht.Wenn Sie aber den Pressedienst Ihrer Fraktion vom 22. Januar 1970 nachlesen, finden Sie dort eine Erklärung Ihres Kollegen Müller-Hermann, aus der ich, Herr Präsident, zwei Sätze zitieren möchte:Die Absicht der Bundesregierung, mit einem Festhalten der administrativen Preise einen Beitrag zur Stabilisierung der Preise zu leisten, ist reine Augenwischerei,
mit der allenfalls Preisstatistiken optisch aufpoliert werden.
Die Kehrseite der Medaille sind vom Staat zu tragende Defizite öffentlicher Unternehmen oder ein bedenklicher Substanz- bzw. Vermögensverlust privater Dienstleistungsunternehmen.Jetzt frage ich Sie: was gilt nun eigentlich in diesem Punkt, Müller-Hermann oder Czaja?
— Gut. Nur möchte ich Ihnen eines sagen: versprechen Sie sich von einer „konzertierten Aktion" in Angelegenheiten Müllabfuhrgebühren und anderer Gebühren nicht zuviel? Hier liegt ein schwieriges Problem vor, bei dessen Lösung der Bund — das habe ich Ihnen aber schon in der letzten Diskussion von diesem Pult aus gesagt — nur eine geringe Einwirkungsmöglichkeit hat. Ich komme am 12. Februar wieder mit den Länderministern zusammen, und dieser Punkt steht wieder auf der Tagesordnung. Nur ist es sehr interessant, wie sich Czajaund Müller-Hermann in der Beurteilung dieses Problems voneinander unterscheiden.
Noch etwas. Sie sprechen gern vom Rückgang der Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen. Natürlich ist in den Jahren nach Durchführung des Konjunkturprogramms ein gewisser Rückgang entstanden. Aber, meine Damen und Herren, Sie müssen sich dabei auch einmal überlegen, wie diese Entwicklung denn langfristig zustande gekommen ist. Die Degression der Bundesmittel war ein hart umkämpftes Thema in diesem Hause. Meine politischen Freunde und ich, wir haben uns seit Jahren dagegen gewehrt. Das Verhältnis zwischen Bundesmitteln und Landesmitteln hat sich so verschoben, daß bei dem verhältnismäßig geringen Bundesanteil vom Bund her eine finanzielle Auswirkung auf das Gesamtvolumen nur noch in sehr geringem Umfang möglich ist. Das heißt, bei einem langfristigen Wohnungsprogramm müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, ob wir nicht einmal das Verhältnis von Bundesanteil und Länderanteil wieder verbessern können. Es ist doch kein gesunder Zustand
— ich komme gleich darauf —, daß fünf Sechstel der öffentlichen Mittel von den Ländern kommen und ein Sechstel vom Bund. Ich finde, das ist ein Versäumnis, eine Unzulänglichkeit, in die wir durch eine jahrelange falsche Wohnungspolitik hineingekommen sind. Was bedeutet das?
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Czaja? — Bitte!
Herr Bundesminister, haben Sie die Sperrvorschriften vom Haushalt 1967 an nicht selber in diesem Hause und im Ausschuß vertreten?
Das war ja unsere gemeinsame Politik, Ihre doch auch. Die war doch aus der Finanzsituation der damaligen Jahre geboren.
— Nein. Aber die Degression der Bundesmittel hat doch einmal bei 700 Millionen DM angefangen. Das war es doch. Wir hatten einmal Haushaltsmittel von 700 Millionen DM und sind heute soweit, daß wir im Wohnungsbau 140 Millionen DM Haushaltsmittel haben; das andere sind Rückflußmittel. Die Dinge haben sich doch ganz entscheidend verschoben. Das sind die Ergebnisse der früheren Politik, auf die ich aufmerksam mache.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat von dieser Stelle aus ein langfristiges
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Bundesminister Dr. LauritzenWohnungsbauprogramm als Ziel dieser Regierung verkündet. Lassen Sie mich noch versuchen, in kurzen Strichen einmal deutlich zu machen, worum es uns geht.Wir sind der Meinung, daß wir endlich einmal auf der Grundlage exakter Bedarfsstatistiken den effektiven Wohnungsbedarf in der Bundesrepublik feststellen müssen. Sie wissen doch, wie schwierig es war, das Gesetz zur Durchführung der Wohnungszählung im Oktober 1968 zu realisieren. Dreimal waren wir damit im Vermittlungsausschuß. Das Gesetz war hart umkämpft. Wir haben leider etwas Zeit verloren. Aber wir brauchen die Ergebnisse dieses Gesetzes, um endlich zu wissen, wie groß der Bedarf in der Bundesrepublik ist und wie er sich regional aufgliedert. Diese Ergebnisse werden wir vielleicht in einigen Monaten vorliegen haben. Auf Grund der dann regional festzustellenden Bedarfsplanung muß ein langfristiges Programm mit den Ländern erarbeitet werden.Dabei kommt es nach meiner Meinung darauf an — und jetzt komme ich auf Ihren Zwischenruf von vorhin, Herr Kollege Baier —, auch sektorale Schwerpunkte zu entwickeln, nicht die langen Dringlichkeitskataloge des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Auch das gehört in die Reform mit hinein. Ich denke zunächst an kinderreiche Familien und junge Ehepaare. Herr Kollege Baier, wir haben uns in der letzten Fragestunde darüber unterhalten. Die Aktion „Junge Familie" hat sich in dieser Form nicht bewährt.
Sie ist unbefriedigend. Die Tatsache, daß im letzten Jahr nur die Hälfte der Mittel abgeflossen ist, ist ein Zeichen dafür, daß die Regelung so nicht richtig war. Sie gehört also in das langfristige Wohnungsbauprogramm hinein. Zum andern sind dabei alte Menschen und Alleinstehende mit zu berücksichtigen.
- Ich komme darauf.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Baier?
Bitte sehr!
Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob Sie mir nicht zustimmen, daß es notwendig ware, wenn Sie eine Forderungsaktion einstellen, zum gleichen Zeitpunkt die neue Förderungsaktion in Gang zu setzen und nicht nur hier zu versprechen, daß Sie etwas tun werden?
Nein, sie wird ja in die neuen Maßnahmen einbezogen, die sie ersetzen sollen. Das ist mein Vorhaben. Ich werde auch gleich noch Termine nennen, wann wir mit diesem Punkt soweit sind, daß wir dem Bundestag einen Vorschlag machen können.
Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, daß für ein langfristiges Wohnungsbauprogramm die Finanzierung die erste und entscheidende Frage ist. Wir sollten uns keine falschen Vorstellungen darüber machen, daß die Haushaltslage der Länder und des Bundes die Einsetzung zusätzlicher Haushaltsmittel dafür auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht zulassen wird. Das ist einfach die Situation. Es wäre falsch, etwas anderes zu wollen. Ich sehe eigentlich nur den Weg, die im öffentlich geförderten Wohnungsbau festliegenden öffentlichen Darlehen, die man im Augenblick auf etwa 40 Milliarden DM schätzen kann, so zu mobilisieren, daß wir damit ein langfristiges Wohnungsbauprogramm —
— Ach, das stimmt ja nicht. Ich habe mich um diese Dinge seit drei Jahren bemüht.
Es ist ja nicht das erste Mal, daß ich darüber spreche. Ich habe das in öffentlichen Veranstaltungen oft genug gesagt. Wir wollen uns hier nicht um das Erstgeburtsrecht streiten. In der Sache ist das wahrscheinlich die entscheidende Losung.
Nur, zwei Dinge müssen dabei vermieden werden: 1. Wir dürfen nicht wieder einen neuen Druck auf die Mieten bekommen; das muß auf jeden Fall vermieden werden.
2. Die Sozialbindung des Sozialwohnungsbestandes muß erhalten bleiben.
In einiger Zeit werden wir in meinem Hause soweit sein. Ich hoffe, Ihnen noch im Laufe des Monats April - vielleicht; das hängt etwas von dem Ergebnis der Wohnungszählung ab — einen Vorschlag im einzelnen unterbreiten zu können. Langfristig geht es nicht darum, Gesetze zu ändern, sondern langfristig geht es darum, genügend Mittel für den Wohnungsbau zu haben, um bauen zu können. Und eines muß ich Ihnen leider sagen: die Novelle, die heute auf den Tisch kommt, bringt weder eine zusätzliche Mark für den Wohnungsbau noch wird eine Wohnung mehr als bisher gebaut.
Das fehlt leider darin, und das werden wir durch unser langfristiges Wohnungsbauprogramm nachholen müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Erpenbeck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Ministers für Städtebau und Wohnungswesen und die Bemerkungen unserer Frau Kollegin Meermann, aber auch die Sache selbst veranlassen mich, hier einige Worte zu sagen.
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1144 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
ErpenbeckFrau Kollegin Meermann begann ihre Ausführungen mit einem Beispiel aus dem hausfraulichen Bereich. Sie sprach von der „heißen Nadel", mit der hier gestrickt worden sei. Ich erinnere mich gut einer anderen Diskussion, in der ,es auch um wohnungspolitische Initiativen der CDU/CSU ging und wo sie ein Zitat von dieser Stelle aus dem Hohen Hause vortrug. Ich sage nur den Anfang, Frau Kollegin Meermann: „In der Fixigkeit bist du mich über ...". Ich glaube aber nicht, daß man mit dem Hinweis auf eine zügige Arbeit und auf Initiativen, die vielleicht gelegentlich der Koalition etwas frühzeitig erscheinen, eine Sache abwerten kann oder auch nur versuchen sollte, sie abzuwerten.Der Minister für Städtebau und Wohnungswesen hat gesagt, mit dieser Vorlage werde lediglich zu partiellen Problemen im Wohnungsbau und im Wohnungswesen Stellung genommen, und diese partielle Stellungnahme zu den Problemen könne uns nicht viel weiterbringen. Ich halte wie so viele unserer Zeitgenossen sehr viel von zukunftweisenden Visionen und auch Konzeptionen, aber ich halte auch dafür, daß die Aufgaben des Tages dabei nicht vergessen werden.
Denn die Menschen, die heute darüber nachdenken, wie unsere Nachfahren im Jahre 2000 und danach leben werden, werden viel intensiver darüber nachdenken können und das auch tun, wenn ihre eigenen Lebensumstände angemessen sind und wenn man sich dieser Umstände in angemessener Form annimmt. Nichts anderes wollen wir letzten Endes durch diese Initiative, durch diesen Entwurf einer Novelle.Die Erhöhung der Einkommensgrenzen im Rahmen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ist eine notwendige, von vielen geforderte Maßnahme. Die Forderung ist nicht nur im Kreise der unter eine solche Regelung fallenden Wohnungsuchenden im sozialen Wohnungsbau erhoben, sie ist ebenso von den einschlägigen Verbänden der Wohnungswirtschaft, nicht zuletzt und gerade von den gemeinnützigen Verbänden, von den Parteien und den Politikern erhoben worden.Ich glaube nicht, daß mein Gedächtnis mich täuscht, wenn ich daran erinnere, daß auch der Herr Minister für Städtebau und Wohnungswesen die in dieser Novelle angesprochenen Probleme in dien letzten Monaten als nicht unwesentlich bzw. geradezu als dringlich bezeichnet hat. Soeben wurde schon gesagt, daß wir auch die Programme unserer Freunde aus anderen Parteien studieren und uns mit sehr viel Achtung zu einigen dieser Aussagen äußern. Das tun wir genauso, wenn es um Äußerungen amtierender Minister geht. Ich möchte aus einer Rede des Herrn Ministers Lauritzen vor dem Mieterbund zitieren. Da hat er folgendes gesagt :Ziel unserer Wohnungspolitik muß doch sein, daß wir eine Situation erreichen, die es jedem ermöglicht — ganz gleichgültig zu welcher Einkommenskategorie er gehört,— in Klammern steht hier jetzt „Beifall" - eine Wohnung frei zu wählen, eine Wohnung, die der Größe seiner Familie angemessen, modern ausgestattet und deren Kosten auch für ihn tragbar sind ...Er sagt dann:Dafür, meine Damen und Herren, werden wir in Zukunft sicherlich mehr finanzielle Mittel brauchen als bisher, denn auch die Einkommensgrenzen in der Wohnbauförderung müssen den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt werden. Das wird dann ebenfalls höhere finanzielle Mittel beanspruchen; denn wir müssen dabei darauf achten, daß nicht die einkommensschwächeren Gruppen Nachteile erleiden...Nichts anderes ist in unserem Antrag, der heute hier begründet worden ist, angesprochen worden, als das zu realisieren, was der Herr Minister für Wohnungsbau im Mai des vergangenen Jahres gesagt hat.
Ich glaube, daß es hier auch nicht beim Mundspitzen bleiben darf, sondern daß dann auch gepfiffen werden muß, — um hier einmal einen unserer Kollegen, den ich gerade anschaue, zu zitieren.
— Ich bin dankbar für die Bemerkung des Herrn Kollegen Jacobi, der sagt: „Wir sind dabei, einen gemeinsamen Weg zu suchen." Ich hoffe, daß zu dem Weg, den wir suchen wollen, unser Antrag durchaus hilfreich sein kann. Ich meine, er ist es sicherlich.Man sollte uns keinen Vorwurf daraus machen, daß wir diesen Antrag heute vorgelegt haben. Ich glaube auch nicht, daß man den Vorwurf erheben kann, wir hätten die Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes im letzten Bundestag blockiert. Dieser Vorwurf kann nicht zählen. Denn wenn nach zweijähriger Vorbereitungszeit ein Ausschuß innerhalb von vier Monaten ein solches Gesetz verabschieden soll, müßte — wenn es möglich sein sollte, ein solches Gesetz nach viermonatiger Beratung zu verabschieden — auch diese Novelle von der Regierung schon in wenigen Wochen vorgelegt und vom Ausschuß ganz schnell verabschiedet werden können. Dann würde dem Anliegen all derer entsprochen, die wünschen, die Mittel nicht in einem Regen über Arm und Reich, wie es soeben dargestellt worden ist, auszuschütten, und die Wohnansprüche sehr vieler Menschen würden erfüllt, die in Wohnungen wohnen, die dringlichst modernisiert werden müssen.
Herr Abgeordneter Erpenbeck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jacobi?Jacobi (SPD) : Herr Kollege Erpenbeck, wollen Sie bei der Überprüfung des
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1145
JacobiIhnen gemachten Vorwurfs, Sie hätten das Städtebauförderungsgesetz blockiert, nicht doch daran denken, daß in der vorigen Legislaturperiode nicht einmal der Versuch gemacht worden ist, Sondersitzungen abzuhalten, und daß immerhin Materialien und jahrelange Vorbereitungen vorlagen, so daß man nicht isoliert davon sprechen kann, daß nur vier Monate zur Beratung zur Verfügung gestanden hätten?
Herr Kollege Jacobi, für den Ausschuß standen zur Beratung der Regierungsvorlage vier Monate zur Verfügung. Das ist die erste Feststellung, die ich treffe. Die zweite Feststellung ist die, das selbstverständlich auch Materialien vorlagen. Ich glaube aber, Herr Kollege Jacobi, ich kann mir den weiteren Teil meiner Antwort ersparen; denn diese Antwort wird die künftige Beratung des neuen Entwurfes, der ja dem Ausschuß bald vorliegen wird, uns allen geben: daß eine solch wichtige Angelegenheit, ein solch wichtiges Gesetz mit so viel Einzelheiten und Einzelfragen nicht in Kürze durch einen Ausschuß gebracht werden kann.
Herr Abgeordneter Erpenbeck, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauser?
Bitte sehr! Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte schön!
Herr Kollege, würden Sie Herrn Kollegen Jacobi einmal darauf aufmerksam machen — und ihn fragen, ob das in diesem Hause üblich ist —, daß ein mitberatender Ausschuß — wie etwa der Rechtsausschuß — nur mit Einzelfragen beschäftigt werden sollte, weil keine Zeit mehr war, die ganze Materie des Städtebauförderungsgesetzes dort zu bearbeiten.
Herr Kollege Dr. Hauser, ich glaube, Ihre Frage beantwortet sich von selbst. Ich brauche es wohl von dieser Stelle aus nicht zu tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist soeben in den Stellungnahmen der Vorwurf erhoben worden, vielleicht muß ich es abschwächen: kritisch angemerkt worden, daß es sich hier wohl um eine etwas unausgereifte Vorlage handle. Ich kann dazu nur sagen, wenn diese Vorlage unausgereift ist, dann wird ihr etwas ministerielle Sonne nicht schaden, damit sie zur vollen Reife kommen kann; denn eine Frucht ist nicht deshalb schlecht, weil sie unausgereift ist. Man muß ihr dann eben die noch fehlende Sonne geben, und das erhoffen wir vom Ministerium
und von den Damen und Herren des Ausschusses quer durch die Fraktionen.
Meine Damen und Herren, ich darf abschließend sagen, daß wir uns in wohnungspolitischen Fragen gar nicht den Rang abzulaufen brauchen. Wir sollten in wohnungspolitischen Fragen allesamt, dieses ganze Haus und natürlich auch das Ministerium, außerordentlich aktiv sein, weil die Sache es einfach verlangt, und zwar nicht nur im Interesse einiger einzelner, nicht nur im Interesse — wie es soeben in der Frage der Modernisierung anklang — der Hauseigentümer und der Hausbesitzer, sondern genauso im Interesse der die Wohnung Bewohnenden, also auch der Mieter.
Unsere Sorgen gehen ja noch darüber hinaus. Sie sind hier vorhin kurz angesprochen worden. Ich meine tatsächlich, daß auch im Hinblick auf die Mietpreissteigerungen etwas geschehen muß. Wir erwarten entsprechende Vorlagen der Regierung. Sollten solche Vorlagen — die trotz der Beratung all der anderen Probleme und der großen Konzeptionen notwendig sind, nicht kommen, werden wir ungeachtet des Vorwurfs der heißen Nadel und der etwas übereilten Fixigkeit Initiativanträge einbringen. Die CDU/CSU-Fraktion wird sich in dieser Hinsicht — da stimme ich mit Herrn Kollegen Czaja völlig überein — diese Initiative nie aus der Hand nehmen lassen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann schlage ich Ihnen vor, den Antrag zu überweisen an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher und wohnungsrechtlicher Vorschriften
— Drucksache W159 —
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als einer derer im Hause, die nicht ständig im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen mitarbeiten, kann ich mir natürlich nur ein Urteil über die Qualität, die Richtigkeit und die Fixigkeit der Arbeit der CDU/CSU machen — und Sie haben dieses Zitat hier wieder aufgegriffen —, indem ich am praktischen Beispiel prüfe, inwieweit die Arbeit einzelner Gruppen der CDU/CSU korrekt und in Ordnung ist. So gibt es einen Antrag auf Drucksache VI/ 14, einen Gruppenantrag von Abgeordneten der CSU und auch der CDU betreffend Verlängerung mietpreisrechtlicher Vorschriften. Herr Orgaß war wohl der Meinung, das würde auch für Hamburg gelten. Wenn man sich aber die Begründung dieses Gesetzentwurfs ansieht, stellt man fest, daß — zumindest nach der Begründung, in den Paragraphen sieht es dann etwas anders aus — diese
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1146 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Dr. ApelInitiative nur für München gelten soll. Wir Sozialdemokraten kommen zu dem Ergebnis, daß hier eben doch wieder einmal mit der heißen Nadel genäht worden ist, wie es Frau Meermann genannt hat. Aber sie werden dazu sicherlich noch etwas zu sagen haben.Ich möchte in diesem Zusammenhang unterstreichen, daß es sich bei dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eben nicht um einen Gruppenantrag handelt, sondern daß hinter dem Antrag VI/159 sowohl die Sozialdemokraten als auch die FDP stehen. Für uns ist das ein ganz besonders gutes Zeichen, daß diese Koalition in der Lage ist, wohnungspolitische Fehlentscheidungen vergangener Regierungen auszubügeln und zu verändern und an das anzupassen, was heutzutage notwendig ist. Ich unterstreiche in diesem Zusammenhang, daß den Kollegen von der FDP hier unser Dank gebührt, insbesondere dem Hamburger Abgeordneten der FDP, Herrn Kirst.
Sie werden vielleicht fragen, wieso die Koalitionsfraktionen der Meinung sind, daß für Hamburg und für München eine Verlängerung der Mietpreisbindung notwendig ist. Nun, wir haben uns endlich von den Berechnungen des Lücke-Plans gelöst, und wir sind zu effektiven Zahlen gekommen.
1— Herr Mick, Sie können hier nicht „Mick" reden, auch nicht mitreden, sondern Sie müssen sich schon zu Wort melden, wenn Sie mich etwas fragen wollen.
Wir haben einmal für Hamburg sehr genau nachgerechnet, und wir kommen zu dem Ergebnis, daß in Hamburg immer noch ein Wohnungsfehlbestand von 7,6 % ist und daher in Hamburg Verhältnisse gegeben sind, die es nicht zulassen, daß wir jetzt die Mietpreisbindung aufheben. Uns fehlen noch weit über 50 000 Wohnungen; das ist weitgehend unbestritten. Deswegen sind wir froh, daß wir diesen Gesetzentwurf vorlegen konnten. Dieser Gesetzentwurf bedeutet für die Hansestadt, daß der Altbauwohnungsbestand, der gut 40 % ausmacht, weitgehend von übertriebenen Mietpreisbindungen verschont bleibt. Nach unserem Gesetzentwurf wird lediglich eine Mietpreiserhöhung um 10 % zum 1. 1. 1971 möglich sein. Dieser Gesetzentwurf führt auch dazu, daß öffentlich begünstigte Neubauten aus ungerechtfertigten Mietpreissteigerungen herausbleiben, weil es für den gleichen Zeitraum für sie bei der Kostenmiete bleibt. Da wir sowieso davon ausgehen können, daß bei den sozial geförderten Wohnungen ungerechtfertigte Mietpreissteigerungen nicht zu erwarten sind, können wir damit sicherstellen, daß für die nächsten Jahre bis Ende 1972 in Hamburg die Mieter vor ungerechtfertigten Mietpreissteigerungen verschont bleiben.Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch den Art. 2 § 2, der es auch für Hamburg möglich machenwird, in Zukunft bei einer mißbräuchlichen Benutzung dieses Gesetzes zu höheren Mieten zu kommen. Wir haben natürlich auch in Hamburg Fälle gehabt, in denen bei Luxuswohnungen, die unter die Definition der bisherigen Mietpreisbindung fallen, von den Mietern dieser Wohnungen Mieten nur im Rahmen dieses Gesetzes bezahlt werden. Das führt dazu, daß dort der Mietzins zu niedrig ist und die Wohnungs- und Grundeigentümer sich zu Recht darüber beschweren, daß hier Mißbrauch getrieben wird. Wir begrüßen es also, daß in diesem Gesetz eine Klausel enthalten ist, die es möglich macht, in diesem Falle die Mieten auf die Kostenmiete anzuheben.Wir möchten aber den zuständigen Ausschuß, an den dieser Gesetzentwurf verwiesen wird, auch darum bitten, zu überprüfen, ob es nicht notwendig ist, in dieses Gesetz eine Definition aufzunehmen, was ein Wohnraum im Sine dieses Gesetzes ist. Sie erinnern sich daran, daß wir bei der Verlängerung der Mietpreisbindung bis zum Ende dieses Jahres nicht klar definiert haben, was ein Wohnraum ist. Das hat in Hamburg doch zu einigen Schwierigkeiten geführt, indem Räume, die eigentlich nicht für Wohnzwecke geeignet sind, mitgezählt worden sind, um mit der jeweiligen Zahl von Wohnräumen in den Bereich der Großraumwohnung hinein und damit aus der Mietpreisbindung herauszukommen.
— Nein, Herr Mick, dafür sind wir verantwortlich, weil wir alle zusammen damals bei diesem Gesetz etwas unvorsichtig gearbeitet haben. Wir bitten also den Ausschuß, zu prüfen, ob -es heute und jetzt noch notwendig ist, eine Veränderung, eine Präzisierung, was Wohnraum ist, vorzunehmen. Es könnte sein, daß der Sachstand uns sagt, das ist gar nicht mehr notwendig; die strittigen Fälle sind geregelt.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließen. Die Koalitionsfraktionen haben Ihnen diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir wissen, daß zumindest ein Teil der Fraktion der CDU/CSU diese Initiative unterstützt, weil es ja einen entsprechenden Gruppenantrag gibt. Wir sind froh darüber, denn auf diese Art und Weise werden wir es fertigkriegen, sehr bald eine Regelung zu finden, die uns in Hamburg für weitere zwei Jahre aus den Schwierigkeiten herausbringt und uns die Möglichkeit gibt, in Hamburg in den verbleibenden 23/4 Jahren bis Ende 1972 den Wohnungsbau so voranzubringen, daß wir es hoffentlich nicht nötig haben werden, Ende 1971 erneut vor dieses Haus zu treten und um eine zusätzliche Verlängerung zu bitten.
Meine Damen und Herren! Der Antrag ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geisenhofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Regie-
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Geisenhoferrungskoalition - Drucksache VI/159 , den HerrDr. Apel soeben begründet hat, beinhaltet im wesentlichen und im Grundsätzlichen die gleichen Probleme und die gleichen Anliegen wie der Gruppenantrag der CDU/CSU auf Drucksache VI/14. Der Unterschied liegt im Zeitlichen begründet, nämlich darin, daß wir diesen Antrag drei Monate früher eingereicht haben, während Sie, meine Kollegen von der SPD und FDP, nun erst nachziehen.Herr Dr. Riedl und ich haben bei der ersten Lesung am 12. November vergangenen Jahres unseren Antrag damit begründet, daß in München wohnungspolitisch eine Sondersituation herrscht und daß deswegen die Verlängerung der Mietpreisbindung vom 1. Januar 1971 bis 31. Dezember 1972, also über die Zeit der Olympiade Münchens hinaus, dringend notwendig ist. Die Begründung liegt auch noch darin, daß in München ca. 17 000 Wohnungen fehlen, daß ein jährlicher Zuzug von 30 000 bis 40 000 Menschen zu verzeichnen ist und daß die Olympiade, die zweifellos den Wohnungsmarkt belasten wird, nun auf München zukommt.Der Herr Kollege Schmidt hat anläßlich der ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs im November zu unseren Gesetzentwürfen Stellung genommen, und Sie, Herr Kollege Schmidt, haben gesagt: Wir werden bessere Vorlagen bringen, die auch zeitlich weitere Fristen enthalten, und wir werden alles tun, daß in diesem Hohen Hause bessere Anträge verabschiedet werden. Darf ich Sie, Herr Kollege Schmidt, und die Münchner SPD-Kollegen fragen: Wo sind die besseren Anträge, wo sind jene fünf Anträge, die man uns Abgeordneten der CSU am 16. Oktober 1969 in München mit der Bitte, sie zu unterstützen, vorgelegt hat und die man dann in einer großangelegten Pressekonferenz der Bevölkerung Münchens dargelegt hat? Wo sind diese Anträge? Wo ist der Antrag über die Erhöhung des Wohngeldes? Wo ist der Antrag über die Rückkehr zum Schwarzen Kreis und zum qualifizierten Mieterschutz? Wo ist der Antrag zur Verbesserung des Mieterschutzes bei Umwandung von Altbau- in Eigentumswohnungen? Wo ist der Antrag: Verbot der Zweckentfremdung von Altbauwohnungen zu gewerbsmäßigen Massenquartieren und Gastarbeiterschlafstellen, die in München so viel Ärgernis in der Bevölkerung, bei Mietern und auch bei den Gastarbeitern selbst, erregt?Wir haben, meine Herren Kollegen von der SPD, unsere fünf Gesetzentwürfe eingereicht, und sie liegen dem Ausschuß vor. Sie haben billige Versprechungen gemacht, die Sie jetzt, wie es scheint, nicht erfüllen können. Ich fühle mit Ihnen, wie schwer es Ihnen fallen muß, daß Sie diesmal nicht sagen können: Die unsoziale CSU ist schuld, sie hat uns unsere Anträge kaputt gemacht.Meine Damen und Herren, die jetzt vorliegenden Anträge sollen Härten beseitigen oder Härten mildern, zum mindesten neue Härten nicht aufkommen lassen; aber das Wohnungsproblem, die Wohnungsnot, der Wohnungsfehlbestand wird mit diesen Anträgen nicht gelöst. Hierzu sind weitere Maßnahmen dringend notwendig, Herr Bundesminister. Ich meine, notwendig ist die permanente Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus, aber auch raumordnerische Maßnahmen, Maßnahmen zur organischen Stadtentwicklung beispielsweise in München — und nicht Maßnahmen zu einer überhitzten Stadtentwicklung, bei der man die Nachfolgelasten im Wohnungsbau, im Schulhausbau und all den anderen Bereichen einfach nicht mehr in den Griff bekommen kann.Ein schwieriges Problem, Herr Bundesminister, sind die fehlbelegten Wohnungen, ein Problem, das mit allem Ernst in diesem Hohen Hause angegangen werden muß. Kleine und mittlere Einkommensbezieher sind in freifinanzierte teure Wohnungen abgedrängt, wo sie 30 bis 40 % ihres Einkommens für Miete zahlen müssen, Mieten von 400 und 500 DM bei einem Monatseinkommen von 1000 DM. Das ist untragbar, während auf der anderen Seite — das muß in diesem Hause auch einmal angesprochen werden — Großverdiener in staatlich subventionierten Sozialwohnungen leben. Jeder soll in seiner liebgewordenen Wohnung bleiben, niemand soll sie verlassen müssen; aber hier müssen Lösungen geschaffen werden.Schuld an diesem Abdrärngen ist auch die viel zueng gezogene Einkommensgrenze im sozialen Wohnungsbau. Die CDU/CSU-Fraktion hat soeben — und Herr Dr. Czaja hat diesen Antrag begründet — eine Initiative ergriffen, diese Einkommensgrenzen zu erhöhen.Ein ganz wichtiges Problem, Herr Bundesminister, das ich noch ansprechen möchte, ist die Erhöhung des Wohngeldes. Wir von der CDU/CSU haben am 12. November des vergangenen Jahres einen diesbezüglichen Antrag eingereicht, der dem Anliegen der einkommensschwachen Mieter weitestgehend entgegenkommt. Ich bitte herzlich und dringend, daß im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen endlich mit der Beratung dieser Materie begonnen wird. Sie, Herr Bundesminister, haben in diesem Hohen Hause anläßlich der ersten Beratung unseres Gesetzes feierlich erklärt, daß Sie noch im Dezember 1969 den Wohngeldbericht vorlegen und auch selbst eine Novelle zum Wohngeldgesetz einbringen würden. Einen Monat später, im Dezember, haben Sie im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen durch Ihnen Staatssekretär erklären lassen, daß der Wohngeldbericht zwar fertig sei, daß er aber bis zur Verabschiedung des Bundeshaushalts zurückgestellt werde. Darf ich einmal fragen, was hat die Vorlage des Wohngeldberichts mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts zu tun? Auch wir waren und sind der Meinung, daß ausgabewirksame Gesetze bis zur Verabschiedung des Bundeshaushalts zurückgestellt werden müssen. Aber das berechtigt doch nicht, dem Parlament und der Opposition wichtige Beratungsunterlagen vorzuenthalten. Ich bitte also dringend, Herr Bundesminister, daß der Wohngeldbericht umgehend vorgelegt wird. Sie haben nun in ihrer heutigen Rede zugesagt, ihn in cien nächsten acht oder vierzehn Tagen vorzulegen.
Herr Abgeordneter Geisenhofer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Meermann?
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1148 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Herr Kollege Geisenhofer, sollte Ihnen entgangen sein, daß dieses Hohe Haus ausdrücklich gewünscht hat, daß der Wohngeldbericht nicht nur ein Bericht über die zurückliegende Zeit sein soll, sondern daß in ihm außerdem Vorschläge zur Änderung der Gesetzgebung gemacht werden sollen? Insofern hängt das selbstverständlich mit dem Haushaltsplan zusammen.
Frau Kollegin Meermann, ich meine aber, daß der Abschlußbericht — ,es ist richtig, was Sie gesagt haben, daß er auch Gesetzesvorschläge beinhalten sollte — früher hätte in Bearbeitung genommen werden müssen, so daß er dem Hohen Hause rechtzeitiger hätte vorgelegt werden können.
Das Wohngeldgesetz ist für uns eine ganz wichtige Sache, und ich bin tief enttäuscht — ich sage es noch einmal —, daß man so lange gebraucht hat, bis der Wohngeldbericht vorgelegt werden kann. Wir nehmen das mit einer tiefen Enttäuschung zur Kenntnis und wir fordern, daß in Zukunft rechtzeitiger gehandelt wird.
Ich darf zum Schluß noch auf den Art. 3 Ihres Antrages auf Drucksache VI/159 eingehen, mit dem Sie die Novellierung des Wohnungsbindungsgesetzes — §§ 4 und 5 dieses Gesetzes — ansprechen. Ich bin mit Ihnen völlig einig, daß Verwaltungsvereinfachungen immer dort durchgeführt werden müssen, wo es dringend notwendig und möglich ist. Aber Verwaltungsvereinfachungen müssen dem Menschen dienen; zumindest dürfen sie ihm nicht schaden. So wie Sie das Problem lösen wollen, ist es meiner Meinung nach nicht möglich.
Sie sehen in § 5 vor, daß die Ausstellung von Wohnrechtsbescheinigungen im Gegensatz zur bisherigen Regelung, nach der sie jeder bekommt, der einkommensmäßig im Bereich des sozialen Wohnungsbaus liegt, in Zukunft nur dann erfolgen soll, wenn der Antragssteller vorher eine Wohnung nachweist. Die Wohnrechtsbescheinigung wird dann auf diese Wohnung ausgestellt.
Was bedeutet das für München? Ich bitte meine Münchener Kollegen in der SPD, hier gut aufzupassen. Wir haben in München zirka 17 000 Wohnungsuchende im sozialen Wohnungsbau, die alle Inhaber dieser Wohnrechtsbescheinigung sind. Wir haben aber denen gegenüber jährlich nur zirka 4000 Sozialwohnungen zu vergeben. Das bedeutet, daß nach Ihrer Regelung zwar für 13 000 Personen die Wohnrechtsbescheinigung wegfallen kann, aber die 17 000 Wohnungssuchenden bleiben trotzdem. Das bedeutet ferner, daß Sie auf eine zentrale Statistik über Sozialwohnungsuchende in München verzichten. Das bedeutet ferner, daß die Wohnungsuchenden im Unterschied zu bisher dann in München bei zirka 20 Wohnungsbaugesellschaften persönlich vorsprechen müssen, um bei diesen Gesellschaften vielleicht eine Wohnung zu erhalten. Das bedeutet, daß der Einkommensstärkere im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gegenüber dem Schwächeren bevorzugt werden wird. Das bedeutet, daß derjenige, der zum Vorsprechen Zeit hat, eher eine
Wohnung bekommt als derjenige, der in Arbeit steht. Das bedeutet, daß die soziale Dringlichkeit, die Vormerkzeit, nicht mehr genügend berücksichtigt wird. Ihr § 5 a, in dem Sie vorsehen, daß auf Grund einer Rechtsverordnung das Amt für Wohnungsfragen in Bereichen mit erhöhten Wohnungsbedarf entscheiden kann, ob die Wohnbescheinigung erteilt oder abgelehnt werden muß, bringt zwar eine Verbesserung, löst aber das Problem nicht.
Ich bin mit diesem Vorschlag einverstanden, wenn durch eine Rechtsverordnung die Anliegen, die in unserem Gesetzentwurf beinhaltet sind, mit berücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner.
Unsere Anliegen in der Gesetzesvorlage Drucksache VI/3 sind folgende.
Erstens. Die Wohnrechtsbescheinigung muß wie bisher weiter erstellt werden.
Zweitens. Die Wohnrechtsbescheinigung muß dazu dienen, daß der sozial Schwächste vor allen anderen eine Sozialwohnung erhält. Das heißt, das Amt für Wohnungsfragen muß wieder das Recht erhalten, aus mehreren Wohnrechtsscheininhabern den Bedürftigsten auszuwählen. Damit ist ein wichtiges soziales Problem auf diesem Gebiet leichter zu lösen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stimme der Überweisung Ihres Vorschlags zu, hoffe aber, daß wir im Ausschuß eine gemeinsame Lösung finden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ausschließlich auf die jetzt zur Behandlung anstehende Vorlage beschränken und nicht auf vorangegangene Tagesordnungspunkte zurückgreifen, wie es soeben geschehen ist. Dabei kann ich mich auf die Probleme Hamburgs beschränken. Denn es dürfte feststehen, daß der Gesetzentwurf, soweit er sich auf München erstreckt, absolut unumstritten ist.Soweit diese Vorlage Hamburg betrifft, möchte ich sagen, daß wir uns mit der gemeinsamen Einbringung des vorhin von dem Kollegen Apel begründeten Antrages dem Problem, das sich hier zweifellos für Hamburg auftut und das wir klar sehen, stellen. Das Ziel dieses Antrages ist es, rechtzeitig, ohne jeden Zeitdruck und unter Prüfung aller Umstände und Möglichkeiten, zu einer Entscheidung zu kommen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen — das wird auch Ihnen, Herr Dr. Apel, bekannt sein —, daß die Entscheidung unserer
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Kirstbeiden Fraktionen, diese Frage auf die Hörner zu nehmen, ein unterschiedliches Echo bei den betroffenen Kreisen in Hamburg hervorgerufen hat.Ich meine, daß in den Ausschußberatungen die Wohnungssituation in Hamburg berücksichtigt werden muß. Sie ist im Gegensatz zu der in München z. B. dadurch gekennzeichnet, daß wir seit 1964 einen Bevölkerungsverlust von 40 000 Einwohnern und eine imponierende Wohnungsbauleistung von im Jahresdurchschnitt 15 000 Wohnungen zu verzeichnen haben. Ich meine ferner, daß sich der Ausschuß, um zu einer klaren Entscheidung kommen zu können, zu der wir dann auch stehen, das voraussichtliche Defizit für Hamburg zum 31. Dezember dieses Jahres, dem bisherigen Termin des Auslaufens der Mietpreisbindung, vorlegen lassen müßte, und zwar berechnet auf Grund des Ergebnisses der Zählung vom 25. Oktober 1968. Vielleicht würde sich im Ausschuß noch die Frage stellen, ob man die Zeit wirklich um zwei Jahre verlängern muß oder ob man nicht, wenn dies die Zahlen ergeben, mit einem Jahr auskommt.Hinsichtlich des § 2, der hier nach dem Vorbild des Berliner § 4 a eingebaut werden soll, ist es sicherlich erforderlich, daß man sich auch einmal die Berliner Erfahrungen mit der Praktikabilität dieses gewiß sehr lobenswerten Vorsatzes zunutze macht. Schließlich meine ich, daß im Ausschuß auch noch einmal die genaue Abgrenzung geprüft werden muß. Denn es ist nicht sicher, daß von dieser Regelung nur die Altbauwohnungen erfaßt werden.Meine Damen und Herren, wir wünschen uns, daß wir durch diesen Antrag rechtzeitig zu einer sachgerechten Entscheidung auf der Grundlage handfester Zahlen kommen.
Der Herr Kollege hat soeben seine Jungfernrede gehalten, zu der ich ihn beglückwünschen darf.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Geisenhofer hat die erste Lesung des Antrags auf Drucksache VI/159 dazu benutzt, einen umfassenden Katalog von Vorschlägen und Anregungen vorzulegen. Ich glaube aber nicht — man möge mich korrigieren, ich bin noch neu in diesem Hause —, daß das der Sinn der ersten Lesung eines bestimmten Gesetzentwurfs ist. Ich werde mich daher darauf beschränken, auf das einzugehen, was speziell zu diesem Antrag zu sagen ist.
Herr Kollege Geisenhofer hat zunächst einmal gerühmt, daß die CDU drei Monate früher gekommen sei. Dazu muß ich sagen, Herr Kollege Geisenhofer: es ist natürlich erheblich leichter, mit ein paar Hanseln, sozusagen einer kleinen Wachmannschaft schneller dazusein, als wenn man eine ganze Division bewegen muß.
Wir haben uns nicht darauf beschränkt, einen Gruppenantrag einzureichen, sondern wir haben versucht, für diesen Antrag von vornherein eine breite Unterstützung in diesem Hause zu finden. Das hat sich dann in einem Koalitionsantrag niedergeschlagen.
Herr Abgeordneter Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riedl?
Im Augenblick nicht.
— Wissen Sie, solche Zwischenbemerkungen wie „Angsthase" können mich gar nicht abhalten. Ich werde Herrn Dr. Riedel noch Gelegenheit geben, Fragen an mich zu stellen; weil ich nichts so gern habe, wie wenn Herr Dr. Riedl an mich Fragen stellt.Nun haben Sie mich gefragt: Wo sind denn die besseren Anträge, die Ihr angekündigt habt? Herr Kollege Geisenhofer, ich meine, abgesehen von Einzelheiten, auf die ich noch kommen werde, liegt der erhebliche Vorteil bereits darin, daß es sich eben um einen Gruppenantrag handelt.Zu der Frage, wie lange die Mietpreisbindung in München dauern soll, möchte ich hier klar und eindeutig erklären — das war auch innerhalb der Koalition so abgesprochen —, daß der Termin, der heute genannt ist, nämlich Ende 1972, nicht darauf angelegt ist, fix zu bleiben. Ganz im Gegenteil, wir wollen auch Ihnen, die Sie sich auf diesen Termin festgelegt haben, Gelegenheit geben, mit uns zusammen über diesen Termin hinauszugehen. Wir werden im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen noch Material vorlegen, das vielleicht auch Ihre Kollegen überzeugt, daß dieser Termin vielleicht doch nicht der richtige ist. Wir meinen, daß eine Verlängerung um zwei Jahre das mindeste sein muß; wir wollen aber, daß nach Möglichkeit — wenn sich das im Ausschuß ergibt — für München eine längere Zeit festgelegt wird.Wir haben also keine billigen Versprechen abgegeben. Ich möchte Ihnen eines sagen: Gruppenanträge einzureichen, von denen niemand weiß, ob sie überhaupt einen Schimmer von Aussicht haben, angenommen zu werden, ist verhältnismäßig leicht; das hätten wir auch schnell gekonnt. Wir haben uns bemüht, bei den Münchner Mietern keine Hoffnungen zu wecken, die wir von vornherein nicht erfüllen können. Aus diesem Grunde haben wir uns hier in dieser Form zurückgehalten. Ich kann Ihnen heute schon sagen, das, was bisher vorliegt, wird nicht das Ende, nicht der Abschluß sein; es werden weitere Anträge kommen. Ich würde mich freuen, wenn man hier auch mit Ihnen zu einer guten Zusammenarbeit kommen könnte.
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Ich glaube, zum Gesetzentwurf selbst muß auch noch einiges gesagt werden. Es ist immer schwierig, wenn man Entwürfe zu begründen hat, die für eine ganz bestimmte abgegrenzte Region gelten sollen. Ich weiß genau — ich habe diese Erfahrungen gemacht —, daß gerade dann, wenn man hier als Münchner Abgeordneter Forderungen erhebt oder Vorschläge macht, die München betreffen, eine gewisse emotionale Sperre zu registrieren ist, die vielleicht daher kommt, daß im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen eine ganze Menge von Mitteln nach München fließen. Dazu muß aber folgendes gesagt werden. Diese Olympischen Spiele führt nicht nur München durch, und wir führen sie nicht für München durch, sondern sie finden deshalb statt, weil wir, die Bundesrepublik, die Gelegenheit benutzen wollen, der Weltöffentlichkeit auch ein Bild des demokratischen Nachkriegsdeutschland vorzuführen, abgesehen von dem sportlichen Wert dieser Spiele. Daher ist es auch gerechtfertigt, zusätzliche Mittel von auswärts nach München zu pumpen.Im übrigen hat das nicht nur Vorteile für die Landeshauptstadt München. Ganz im Gegenteil, dadurch wird die Anziehungskraft Münchens mit ihren schädlichen Folgen noch weiter verstärkt. Das hat bereits dazu geführt, daß wir eine erhebliche Zunahme der Bevölkerung zu verzeichnen haben, die über das, wis wir im Jahre 1969 zu verzeichnen hatten, hinausging.Unter diesem Gesichtspunkt — und diese Entwicklung war abzusehen — war es ein kapitaler Fehler des früheren Wohnungsbauministers Lücke und der damaligen Mehrheit dieses Hauses, daß man das Zweite Gesetz zur Änderung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft auch damals schon für München hat in Kraft treten lassen und damit den Mieterschutz beseitigt hat. Der Kompromiß, der dann gefunden wurde, ist auch nicht mit der großen Mehrheit der CDU/CSU gefaßt worden, sondern war darauf zurückzuführen, daß die Sozialdemokraten zusammen mit einigen Abgeordneten der CSU dafür gestimmt haben. Die Folge dieser damaligen Fehlentscheidung ist, daß wir in München heute ungeheure Mieterhöhungen zu verzeichnen haben. Ein Beispiel, das ich Ihnen nicht vorenthalten will, betrifft ein Mitglied Ihrer Fraktion, das heute allerdings nicht anwesend ist. Nach unwidersprochenen Pressemeldungen sind in dem Mietshaus, dessen Miteigentümer Franz Josef Strauß ist, in München die Mieten um 70 bis 80 % erhöht worden.
— Von einem Widerruf war keine Rede. Es war davon die Rede, daß Strauß dagegen protestiert hat, allerdings vergeblich, und daß er, der sonst so gern den starken Mann markiert, im eigenen Hause, wenn es darum geht, Entscheidungen zu revidieren, nichts zu sagen hat.
Eine weitere Folge dieser Fehlentscheidung, die auf das Konto der CDU/CSU geht, ist, daß heute — weil die Kündigungsfristen gerade bei älteren Mietern in der Regel ein Jahr betragen - in München mit einer verständlichen Verspätung eine Prozeß-welle anläuft, die dazu geführt hat, daß bereits die Planstellen für Mietrichter vermehrt werden mußten, weil die vorhandenen Mietrichter mit der anfallenden Arbeit nicht mehr fertig wurden. Diese Welle wird noch weiter anwachsen. Daraus können Sie ersehen, wie die Lage in München ist.Ich stimme dem Kollegen Geisenhofer darin zu, daß die Wohnungsnot in München nicht durch die von uns vorgelegten Anträge und auch nicht durch Ihre Anträge beseitigt werden kann. Die Anträge können allenfalls dazu dienen, wie man einmal gesagt hat, die Not, die dort herrscht, etwas besser zu verwalten. Abhilfe kann nur durch eine erhebliche Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus geschaffen werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen für die Sonderförderung, die München erfahren hat, meinen ausdrücklichen Dank aussprechen und ihn bitten, München auch weiter in gleicher Weise zu unterstützen.Im übrigen ist im Hinblick auf die Verstärkung des Wohnungsbaus, die wir alle wünschen, noch eines zu bemerken, was heute schon des öfteren eine Rolle gespielt hat. Wir wären schon weiter, wenn Sie damals dem Städtebauförderungsgesetz zugestimmt hätten und wir wenigstens in Ansätzen Möglichkeiten gehabt hätten, der Bodenspekulation zu begegnen und dadurch preisgünstigeren Wohnraum in München anzubieten.Im Zusammenhang mit dem Stdtebauförderungsgesetz haben wir heute feststellen können, daß die CDU/CSU offensichtlich dabei ist, einen Katalog von Versäumnissen der letzten 20 Jahre aufzustellen. Diese Versäumnisse spiegeln sich in den hier im Deutschen Bundestag gestellten Anträgen wider. Sie hat auch auf dem Parteitag in Mainz eine Abkehr von früheren Vorstellungen erkennen lassen. Das soll hier ausdrücklich begrüßt werden.Ich möchte noch ganz kurz zu den Entwürfen im Detail Stellung nehmen. Die Verlängerung der Mietpreisbindung soll für Altbauwohnungen, d. h. für Wohnungen, die bis zum 20. 6. 1968 fertiggestellt wurden, gelten. Der Zeitraum von zwei Jahren soll nur eine Mindestgrenze sein. Wir würden uns über jede Hinausschiebung dieses Termins freuen. Wir werden uns im Ausschuß für eine Hinausschiebung einsetzen.Herr Kollege Geisenhofer, was Sie zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes gesagt haben, ist nicht richtig. Was wir damit wollen, ist, daß endlich die Inflation von Berechtigungsscheinen für Sozialwohnungen aufhört. Heute kann jeder diesen Berechtigungsschein wohlfeil erwerben. Er hat dann Hoffnung auf eine Wohnung, die sich meistens nicht realisieren läßt. Wir wollen, daß es aufhört, daß die Behörden Papier verteilen, das im Grunde genommen nichts wert ist. Das ist einer der Gründe.Ein weiterer Grund, warum wir diese Änderung vorschlagen, ist folgender. Die Landesregierungen sollen ermächtigt werden, den Wohnungsämtern die Möglichkeit zu geben, in den Ballungsgebieten auch
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Wohngenehmigungen zu versagen. Im übrigen sollen künftig diese Berechtigungsscheine nur noch von der Zuzugsgemeinde und nicht von irgendeiner beliebigen Gemeinde ausgestellt werden. Dadurch soll vermieden werden, daß von überall her Leute kommen, die einen Berechtigungsschein vorweisen, was dann zur Folge hat, daß die Münchener — das gilt für die Hamburger und die Bewohner anderer Großstädte in gleicher Weise —, die sich schon lange um eine Sozialwohnung bewerben, keine Aussicht haben, auch tatsächlich eine Sozialwohnung zu bekommen.
Daß wir noch mehr getan haben, als jetzt diese Anträge einzureichen und weitere Anträge vorzubereiten, mögen Sie daraus ersehen, daß wir vor allem den Herrn Justizminister gebeten haben, einmal nach München zu kommen und mit uns zusammen und an Hand von Anhörungen und Prüfungen zu überlegen, inwieweit man über das, was jetzt vorgelegt wurde, hinaus auf rechtlichem Gebiete den Mietern helfen kann. Ich bedanke mich sehr bei Herrn Minister Jahn, daß er sich dazu bereiterklärt hat.Im übrigen, glaube ich, ist es notwendig, daß wir uns noch eine Reihe von Gedanken machen, wie man dem Wohnungsproblem steuern kann. Wir werden es auf diese Art und Weise durch rechtliche Verbesserungen nicht lösen. Aber wir werden immerhin zu Erleichterungen kommen, und das ist auch schon viel, wenn man die Situation in München betrachtet. Aus diesem Grunde wäre ich froh, wenn wir im Ausschuß und später wieder im Plenum auf eine breite Zustimmung zu unseren Anträgen rechnen könnten.
Das Wort hat der Abgeordnete Orgaß.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte nicht noch lange Grund für Ihren Unmut sein, sondern verspreche Ihnen, mich sehr kurz zu fassen,
und vieles von dein zu verschlucken, was ich gerne ausgeführt hätte.Der Antrag der Koalition auf Drucksache VI/159 entspricht in der Zielsetzung in etwa dem der Oppositionsgruppe auf Drucksache VI/14. Das ist bereits ausgeführt worden; ich brauche es nicht zu wiederholen. Nun hat aber Herr Apel mit Akribie versucht, uns, den Antragstellern, nachzuweisen, wie sehr wir diese Sache mit heißer Nadel gemacht haben. Er hat uns in der Tat einen Lapsus vorhalten können, für den ich um Verzeihung bitten muß; denn ich persönlich bin zu einem guten Teil mit schuld daran, daß er unterlaufen ist. In der Tat muß es vorne für Hamburg nicht 1970, sondern 1972 heißen. Hamburg ist auch in der Begründung herausgefallen. In der ursprünglichen Vorlage, die Grundlage unserer Beratung war, steht die Jahreszahl 1972. Der Kollege Geisenhofer hat diese Vorlage noch in seinen Privatakten. Aber das ist ja nicht so schlimm, Herr Apel.Nur, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Haben Sie, Herr Apel, in Ihrer Arroganz denn Ihren Antrag Drucksache VI/159 gar nicht so deutlich gesehen? Darin ist nämlich just genau der gleiche Fehler. Vorne in Art. 1 steht unter § 18, daß für Hamburg und für München eine Frist von zwei Jahren gewährt werden soll, Aber hinten in der Begründung schreiben Sie ganz neckisch: in Hamburg für weitere zwei Jahre und in München für weitere drei Jahre. Wenn Sie also schon mit Spitzen kommen, Herr Apel, dann überzeugen Sie sich zunächst von der Richtigkeit Ihrer eigenen Dinge!Die Äußerungen, die Herr Kirst von der FDP hier gemacht hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Wenn ich sie auf ihren sachlichen Kern zurückführe, ist es im Ergebnis so, daß die FDP sich bei dieser Sache mit aller Gewalt ins Koalitionsbett gedrängt hat; denn sie hat qua Fraktion unterschrieben. Aber Herr Kirst stellt sich dann hier hin und sagt mit verschämtem Stimmchen dem Sinne nach: Eigentlich wollten wir aber unschuldig bleiben! Das ist eine Kunst, von der die FDP sehen muß, wie sie in der Zukunft damit fertig wird.Meine verehrten Damen und Herren, wir haben uns das Vorgehen für unseren Gruppenantrag nicht leichtgemacht. Ich muß ihnen erklären, es ist mir peinlich, als Hamburger Bundestagsabgeordneter nunmehr zum drittenmal vor diesem Hohen Haus zu stehen und die Kollegen um Verständnis zu bitten, daß wir für Hamburg eine weitere Sonderregelung brauchen. Das ist für mich um so peinlicher, als wir jetzt erkennen müssen, daß 25 Jahre nach Kriegsende der Wohnungsmarkt in Hamburg noch einen erschreckenden Zustand widerspiegelt. Nach dem Ergebnis der Gebäude- und Wohnungszählung hatte Hamburg am Stichtag, dem 1. Juli 1969, einen Fehlbestand von 54 580 Wohnungen. Das ist mehr, als viele Großstädte an Wohnungen zählen.Dieses Bedauern, Sie jetzt dennoch bitten zu müssen, ist für mich als CDU-Abgeordneten um so schwerwiegender, als ich feststellen muß, daß dies auf eine mangelnde Leistung des Hamburger SPD-Senats zurückgeht, der 12 Jahre ununterbrochen die absolute Herrschaft hatte, und, wenn es nach seinen Versprechungen gegangen wäre, mit der Situation in Hamburg längst fertig geworden wäre. Der damalige Bürgermeister Nevermann hat bereits 1962 in einer Regierungserklärung der Hamburger Bevölkerung versprochen, die Wohnungsnot in Hamburg binnen vier Jahren zu beseitigen.Im Ergebnis aber müssen wir feststellen, daß die Zeit, in der in Hamburg am allermeisten an der Beseitigung der Wohnungsnot getan wurde, die Zeit war, in der die SPD nicht an der Regierung war. In der Zeit des Hamburg-Blocks nämlich wurden innerhalb von vier .Jahren 96 000 Wohnungen gebaut, eine Zahl, die auch später von der SPD nie mehr - auch nicht annähernd - erreicht wurde.
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1152 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Orgaß- Ja, Herr Wehner, die müssen wir schon seit langem anhalten.
Aber Sie kommen doch ebenfalls aus Hamburg. Sie wissen doch, wie die Situation dort ist.
Sie können doch genauso die Regierungserklärung von Bürgermeister Nevermann nachlesen. Da können wir ruhig die Luft anhalten.Meine Damen und Herren, ich meine, daß wir die Bevölkerung dennoch nicht darunter leiden lassen dürfen. Hamburg ist nach diesen Ergebnissen die einzige Stadt in der Bundesrepublik, in der heute noch Baukostenzuschüsse und für Altwohnungsbauten auch Renovierungszuschüsse von beachtlicher Höhe gefordert werden.Wir sind uns über die Problematik durchaus im klaren, was ès heißt, das letzte Stückchen der Rückführung in die Marktwirtschaft noch hinauszuzögern. Wir wissen auch, daß wir damit der Gerechtigkeit nicht in jedem Falle Rechnung tragen können. Wir sehen aber auf der anderen Seite auch, daß eine Reihe von Grundeigentümern diese Mangellage in einer Weise ausnutzt, die wir der Bevölkerung nicht zumuten können, obwohl auch gesagt werden muß, daß sich ein Großteil der Vermieter seiner sozialen Verpflichtung in dieser Situation durchaus bewußt ist. Wir sollten deshalb im Ausschuß sehr vorurteilsfrei überlegen. Wir sollten vor allem die Vertreter des Senats einmal heranholen, damit sie uns nun endlich Klarheit geben über das, was ist, und über das, was sie vorhaben. Wir sollten dabei dann auch überlegen, ob die zehnprozentige schematische Erhöhung, die beiden Anträgen zugrunde liegt, der Weisheit letzter Schluß ist. Vielleicht — ich deute es nur an — ist eine Differenzierung auf Grund unterschiedlicher Kriterien angemessener. Aber darüber sollten wir im Ausschuß reden. Ich bitte deshalb, dieser Überweisung zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, jetzt etwas zu sagen.
Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt veranlassen mich, doch einige Bemerkungen zu machen. Herr Kollege Schmidt (München), Sie müssen Ihre Nachrichtenquellen etwas verbessern. Sie müssen bessere Zeitungen lesen. Dann könnten Sie nicht solche Vorwürfe erheben.
— Sie müssen bessere Nachrichtenquellen haben, dann könnten Sie nicht solche Vorwürfe erheben, wie Sie es vorhin getan haben. Wenn Sie beispielsweise den Bayernkurier von heute vor acht Tagen lesen —
— Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen, den Bayernkurier auch morgen zu lesen; dann wird er noch interessanter. Aber anscheinend meiden Sie sehr die Quellen, die Ihnen die Wahrheit sagen, weil Sie so nicht vorbelastet sind.
Also vor acht Tagen stand im Bayernkurier eine Nachricht zu dem, was Sie, Herr Kollege Schmidt, gesagt haben. Ein Mieter des Hauses Strauß schreibt in einem Brief an den Bayernkurier seine wirkliche Meinung darüber, was der „Spiegel" und andere Zeitungen behauptet haben, und die Schlagzeile darüber lautet: „Der ‚Spiegel' lügt". Ich empfehle Ihnen also, Ihre Nachrichtenquellen etwas zu verbessern.
Nun zur Sache.
Herr Abgeordneter Ott, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jacobi? — Bitte!
Jacobi (SPD) : Herr Kollege, darf ich aus Ihren Bemerkungen entnehmen, daß es hier im Hause doch den einen oder anderen gibt, der bereit ist, für Veröffentlichungen des Bayernkuriers die Verantwortung zu übernehmen?
Herr Kollege Jacobi, ich habe nur auf Nachrichtenquellen hingewiesen, die Ihnen zur Verfügung stehen, und wir sind durchaus so, daß wir auch anderer Leute Meinung vertragen können, was Sie anscheinend nicht können.
Nun darf ich noch eine Bemerkung zu Ihnen machen, Herr Kollege Schmidt, als einem, der die Münchener Kommunalpolitik der letzten 20 Jahre so vorbildlich verteidigt hat. Ich wohne 45 Schnellzugsminuten von München entfernt und habe in meiner 14jährigen kommunalpolitischen Tätigkeit Gelegenheit gehabt, die Kommunalpolitik der Landeshauptstadt München unter sozialdemokratischen Oberbürgermeistern mit der Kommunalpolitik anderer bayerischer Großstädte zu vergleichen.
Ich darf sagen, daß man außerhalb Münchens das von Ihrem SPD-Oberbürgermeister und Ihren Genossen in München gewünschte hemmungslose Wachstum Münchens mit sehr großer Sorge verfolgt, weil allmählich der Eindruck entsteht, daß Bayern nur noch aus München bestehe.
Die Sorgen, die Sie in München haben, kommen nicht von unserer zwanzigjährigen Politik; sie kommen daher, daß Sie vor 24 Jahren keine ganze Hose und auch keine Wohnung gehabt haben. Unserer Politik war es immerhin möglich, daß Sie in München in den letzten 20 Jahren einen Einwohnerzuwachs von mehr als 300 000 Menschen
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Otthaben konnten. Daß Sie es nicht gerne hören, daß dieses überschnelle Wachstum bei der Arbeitszeitbegrenzung, bei einer übermäßigen Verschuldung und bei den Hebesätzen in München auf Kosten des übrigen Landes in Bayern geht, glaube ich Ihnen durchaus. Wenn Sie so gern von Selbstverwaltung sprechen
— ja, ich glaube, daß es Ihnen unangenehm ist, wenn Sie einmal den Spiegel vorgehalten bekommen —, dann darf ich. Sie doch darauf hinweisen, daß derjenige, der soviel von Selbstverwaltung spricht, wie das Ihre Genossen in München tun, auch die Verpflichtung hat, selbst die Verantwortung auf sich zu nehmen. Keine Stadt im Bundesgebiet, die in einer Situation wie die Stadt München gewesen ist, hätte den Mut gehabt — man könnte auch sagen: die Verantwortungslosigkeit —,
in einer Situation, in der Sie nicht in der Lage waren, Ihre eigenen Probleme zu lösen, das ganze Land und den ganzen Bund dafür heranzuziehen, um über die Olympiade Ihre schlechte Kommunalpolitik sanieren zu wollen.
— Ja, das ist Ihnen unangenehm. Ich wollte Ihnen das nur gesagt haben. Ich habe versprochen, nicht lange zu reden. Aber das, was ich Ihnen gesagt habe, das nehmen Sie einmal mit nach Hause! Fragen Sie einmal in München und halten Sie Gewissenserforschung, wer die Schuld für die Münchener Situation trägt!
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
— Drucksache VI/279 —
Soweit ich unterrichtet bin, wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. — Niemand wünscht das Wort. Dann schlage ich Ihnen Überweisung an den Innenausschuß sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Nach interfraktioneller Vereinbarung rufe ich nunmehr Punkt 14 auf:
Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen
Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache VI/189 —
Wird das Wort zur ergänzenden Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 7 auf und erteile zur Begründung dem Abgeordneten Vogel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag auf Umdruck 7 geht es um das Schweigen Bonns in einer Sache, die augenscheinlich eine Angelegenheit Bonns ist. In der Presse ist schon die Frage aufgeworfen worden, ob Bonn zu der Klage aus Wiebaden schweigen will.Gegenstand der Klage ist einmal die mit verfassungsändernder Mehrheit dieses Hauses beschlossene Ergänzung zu Art. 10 des Grundgesetzes. Die Klage beinhaltet den Vorwurf, daß hier eine Verfassungsnorm verfassungswidrig sei, die von diesem Hause mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen worden ist.Zum zweiten geht es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 des Gesetzes zum Art. 10 ,das Ganze unter dem Komplex „Abhörregelung".Die Bundesregierung hat sich bereits entschlossen, zu dieser Sache zu schweigen.
Die SPD und die FDP haben im Ausschuß mit einer Mehrheit von 13 Stimmen gegen die 12 Stimmen der CDU/CSU beschlossen, dem Plenum nicht zu empfehlen, sich in dieser Sache vor dem Bundesverfassungsgericht zu äußern. In diesem Hause ist heute die Frage zu stellen, ob auch das Plenum des Deutschen Bundestages bereit ist, in dieser Angelegenheit zu schweigen,
oder ob das Plenum bereit ist, sich in dieser Angelegenheit vor dem Bundesverfassungsgericht zu äußern.Diese Frage ist in erster Linie eine Frage an die Sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause.
Es ist die Frage, ob für das Schweigen in dieserSache die neue Koalition und die Rücksicht auf denKoalitionspartner FDP ein hinreichender Grund ist.Daran kann man die Frage knüpfen, was eigentlich alles zur Rechtfertigung herangezogen werden soll aus Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner FDP, auf einen, wie wir wissen, recht empfindlichen Koalitionspartner. Es ist sicherlich nicht das Gebot der Fairneß, das Ihnen hier gebietet, in dieser Sache zu schweigen.Es gibt eine zweite Frage. Die zweite Frage ist, ob die SPD anerkennt, daß sie eine fortwirkende Verantwortung für ihre Entscheidungen von gestern hat, in diesem Falle für ihre Entscheidung, die sie mit uns in diesem Hause getroffen hat.
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1154 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
VogelDie Antwort, die wir zu geben haben, ist ganz schlicht und einfach die, daß selbstverständlich auch eine Sorgepflicht für Kinder aus geschiedenen Ehen besteht. Es handelt sich hier im übrigen nicht um ein untergeschobenes Kind, sondern — aus der damaligen Situation — um ein Wunschkind auch Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPD.Zum Inhalt der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht selbst. Es ist notwendig, einige Punkte zu zitieren, die zeigen, wie massiv die Vorwürfe sind, die gegen den Grundgesetzgeher, gegen den Verfassungsgesetzgeber erhoben werden. Dort ist die Rede von der Versetzung des Bürgers in einen Zustand wehrlosen Ausgeliefertseins an eine anonyme, im geheimen tätige Staatsgewalt, einen Zustand, der mit der Würde eines freien Menschen nicht vereinbar ist. Das ist der Vorwurf, der gegen uns hier erhoben wird.Zweitens ist davon die Rede, erstmals werde für einen Teilbereich staatlichen Handelns das vom Grundgesetz geforderte Fortschreiten auf dem Wege zu einer wirksamen Verwirklichung des Rechtsstaates unterbrochen und bewußt ein Schritt zurück getan.Drittens ist die Rede von der Umgestaltung der Überwachung der staatlichen Eingriffe, um zugunsten wirksamerer Machtausübung den Schutz der Bürger einzuschränken.Meine Damen und Herren, das sind recht massive Vorwürfe in einer Sache, die diesem Hause genug Kopfzerbrechen bereitet hat und zu sehr langwierigen Diskussionen in diesem Hause geführt hat, bei denen man sich insbesondere um eine grundgesetzkonforme Regelung dieser Materie bemüht hat.Man kann nun darüber streiten, ob der Bundestag nicht häufiger als bisher von der Möglichkeit nach § 77 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gebrauch machen sollte, sich in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht selbst zu äußern. Mit guten und beachtlichen Gründen wird die Auffassung vertreten, daß sich der Bundestag bisher in Karlsruhe zuwenig engagiert habe. Es gibt aber keinen Fall, der so evident eine Angelegenheit wäre, in der sich der Bundestag äußern müßte, wie dieser Fall, keinen Fall in der Vergangenheit.Erstens wird in diesem Falle unmittelbar ein Recht dieses Hauses selbst betroffen, dieses Hauses, das das Fünfergremium stellt, welches die Dreierkommission wählt, die zur Kontrolle berufen ist: erstmals also ein unmittelbares Betroffensein von Rechten dieses Hauses.Zum zweiten haben wir erstmals den Fall vor uns, wo dem Grundgesetzgeber, dem Verfassungsgesetzgeber, der Vorwurf gemacht wird, eine verfassungswidrige Verfassungsänderung vorgenommen zu haben. Es ist die Rede von einer „verfassungsfernen" Regelung, die der Gesetzgeber hier getroffen habe.Meine Damen und Herren, ich möchte meine Antwort auf die Frage, die ich an die Fraktion der SPD hier in diesem Hause gerichtet habe, geben. Ich bin der Auffassung, daß es keine plausible Begründung für ein Nein zu einer Äußerung des Bundestages in dieser Sache vor dem Bundesverfassungsgericht geben kann und dal3 der offensichtlich geschlossene „Kompromiß der Schweigsamkeit" der Koalitionsfraktionen in dieser Sache mehr als ein fauler Kompromiß ist.Das zweite, was ich sagen möchte, ist, daß ein rein verbales Stehen zu der Entscheidung, die Sie gestern hier im Hause mitgetragen haben, uns nicht ausreichend erscheint. Ich kann mich hier nur auf den Kollegen Hirsch beziehen, der in anderer Angelegenheit gesagt hat, daß der Bundestag in dem anstehenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zu verteidigen habe. Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie namens der Fraktion der CDU/CSU, dem Antrag auf Umdruck 7 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des 5. Deutschen Bundestages hat mit großer Mehrheit der Änderung des Grundgesetzes zugestimmt, mit der auch Art. 10 des Grundgesetzes seine heute geltende Fassung erhalten hat. Die Sozialdemokratische Partei hielt damals — und das war dieselbstverständliche Voraussetzung für ihre Zustimmung zu diesem Gesetz — diese Regelung für verfassungsrechtlich zulässig. Selten hat ein Gesetz in der jungen Verfassungsgeschichte Nachkriegsdeutschlands eine so eingehende Diskussion erfahren wie dieses Siebzehnte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, die sogenannte Notstandsverfassung. Gerade wir Sozialdemokraten haben uns die Frage nicht leicht gemacht, ob wir das, was wir hier in diesem Hause dann verbschiedet haben, auch verfassungsrechtlich würden verantworten können. Ich spreche da durchaus nicht wie ein Blinder von der Farbe; denn gerade unter meiner persönlichen Verantwortung ist ja schließlich in einer Arbeitsgruppe der Hamburger Behörde für Inneres jener Entwurf entstanden, den die Bundesregierung am 10. März 1967 als Entwurf der Bundesregierung der Großen Koalition zu diesem Thema verabschiedet hat.Wir Sozialdemokraten lassen uns von niemandem in der Treue zur Verfassung übertreffen.
Dieser Grundsatz — —
— Herr Rollmann, dieser Grundsatz war auch für uns bestimmend, als wir dieses Gesetz hier verabschiedet haben.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1155
Dr. Arndt
- Ich konnte Sie leider akustisch nicht verstehen, Herr Rollmann.
— Auch die sehen wir heute selbstverständlich als geltendes Recht an und halten uns daran. Das ist für uns völlig selbstverständlich, Herr Rollmann. Niemand kann daran zweifeln.
— Selbstverständlich müssen wir das mit allem Nachdruck auch für unseren Fraktionsvorsitzenden in Anspruch nehmen. Er hat als Bundesminister den Eid auf diese Verfassung geschworen, und niemand von Ihnen hat das Recht, seine Verfassungstreue hier anzuzweifeln.
Die sozialdemokratische Fraktion des 6. Deutschen Bundestages — und das ist gleich ein Teil der Antwort an den Herrn Kollegen Dr. Vogel — steht auch heute noch zu ihrer Entscheidung im 5. Deutschen Bundestag. Sie hält nach wie vor die damals getroffene Regelung für verfassungsrechtlich zulässig. Wir haben das im Rechtsausschuß mit eingehender Begründung dargelegt und haben gleichzeitig beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das Wortprotokoll dieser Sitzung des Rechtsausschusses zuzuleiten.Meine Damen und Herren! Wenn ich dennoch an dieser Stelle jetzt gegen den Antrag auf dem Umdruck spreche und dafür plädiere, dem Antrag des Rechtsausschusses zu folgen, nämlich dem Bundestag nicht zu empfehlen, sich vor dem Bundesverfassungsgericht entsprechend der Vorschrift des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu äußern, so hat dies folgende Gründe.
— Ich habe leider nicht verstanden. —
Dieses Haus hat damals nach langer, reiflicher Überlegung in das Bundesverfassungsgerichtsgesetz das Außerungsrecht für die obersten Verfassungsorgane dieses Landes in allen Verfassungsstreitigkeiten aufgenommen. Dieses Äußerungsrecht hatte einen ganz tief begründeten verfassungsrechtlichen Sinn. Es hatte den Sinn, daß alle obersten Verfassungsorgane durch ihre Beteiligung am Rechtsgespräch vor dem Bundesverfassungsgericht zur Rechtsfindung beitragen sollten.
Das bedeutet zugleich, daß diese Vorschrift, richtigangewandt, ausschließt, politische Demonstrationeneines obersten Verfassungsorgans im Gewandeeiner Äußerung nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorzunehmen.
Das Bundesverfassungsgericht ist nicht der Adressat für eine solche Demonstration. Dieses Wort ist im Rechtsausschuß gefallen.
Ich möchte das im Protokoll festgehalten wissen.Wir haben dort zum Rechtsgespräch beizutragen.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel?
Ja.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Kollege Arndt, wollen Sie hier im Ernst die Behauptung aufstellen, daß der Antrag der CDU/CSU gestellt worden sei, um eine politische Demonstration zu vollziehen?
Herr Kollege Dr. Vogel, erstens habe ich persönlich wenig Zweifel daran, daß das Ihr Ziel war. Zweitens ist dieser Ausdruck im Rechtsausschuß gefallen; Sie können es im Wortprotokoll nachlesen. Ich habe eben nur zitiert. Aber wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen: ich bin zudem der Meinung, daß das Ihr Ziel ist.
Ich komme darauf zurück, welchen Sinn die Äußerung vor dem Bundesverfassungsgericht hat, nämlich das Rechtsgespräch vor diesem höchsten Forum zu fördern. Weil das aber so ist, meinen wir Sozialdemokraten, daß wir uns nicht mehr äußern sollten. Die Bundesregierung hat sich nämlich bereits am 25. März 1969 eingehend zu diesem Verfahren geäußert. Wenn Sie sich diesen Schriftsatz, der sehr umfangreich ist, einmal zur Hand nehmen und ihn juristisch durcharbeiten, werden Sie sehen, daß Sie selbst bei aller Anspannung ihrer juristischen Willenskräfte kein neues Argument mehr finden werden, das dieser Stellungnahme noch hinzuzufügen wäre. Auch aus dieser Tatsache ergibt sich, daß alle Argumente, die wir sehen konnten — wir haben auch im Rechtsausschuß aus Ihren Kollegen keine weiteren herauslocken können, die man eventuell hätte vortragen können —, bereits zum Ausdruck gebracht worden sind. Deshalb kann eine Äußerung dieses Hauses nur noch demonstrativen Charakter haben, weil eben keine Argumente mehr zur Verfügung stehen, die dort zusätzlich in das Rechtsgespräch eingeführt werden könnten.
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1156 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Dr. Arndt
— Wenn das nicht von meiner Redezeit abgeht, bin ich mit der Zwischenfrage einverstanden.
Es wird schon von Ihrer Redezeit abgezogen. Sie können also länger reden, wenn Sie Zwischenfragen zulassen. Trotzdem sind Sie in der Entscheidung frei, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen wollen.
Ich möchte sie zulassen.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Stoltenberg.
Dürfen wir aus dieser Äußerung folgern, Herr Kollege Arndt, daß Sie einem Änderungsantrag unserer Fraktion zustimmen würden, in dem der Bundestag feststellt, daß er zu dem schwebenden Verfahren die Rechtsauffassung der Bundesregierung vom März 1969 übernimmt.
Erstens erfolgt hier gerade der Zwischenruf: Also doch Demonstration!
— Ich habe Ihnen hier diesen Zwischenruf zitiert.
Im übrigen, Herr Dr. Stoltenberg, steht es mir an dieser Stelle nicht zu, mich hier für meine Fraktion schon jetzt dahin gehend zu äußern. Mögen Sie die
Antrag stellen. Die sozialdemokratische Fraktion wird auch darüber entscheiden, und Sie werden dann sehen, wie wir stimmen.
Meine Damen und Herren, auf eines möchte ich jedoch an dieser Stelle noch ausdrücklich hingewiesen haben.
— Herr Barzel, leider ist auch Ihre Stimme nicht ganz zu mir durchgedrungen.
Zu Argumenten, die ich von dieser Stelle aus noch einmal ausdrücklich unterstreichen möchte, gehört insbesondere, daß von verschiedenen Seiten gesagt wird, daß der Rechtsweg der, durch die Änderung des Art. 10 des Grundgesetzes ausgeschlossen werde, das Entscheidende sei und wiederhergestellt werden müsse. Hier liegt der entscheidende Irrtum all jener, die vortragen, daß das Grundgesetz, wenn es vom Rechtsweg spreche, immer den Rechtsweg an die Gerichte oder auch den Gerichtsweg meine. Abgesehen davon, daß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes nach Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes ja gar nicht verfassungsfest wäre! Aber das kann man hier noch dahingestellt sein lassen.
Der Art. 10 des Grundgesetzes und das Ausführungsgesetz, das dieses Haus in der 5. Legislaturperiode beschlossen hat, hat nach unserer Meinung
einen Rechtsweg eröffnet, der besser ist als der Weg an die Gerichte, als der Gerichtsweg. Wir meinen sogar, daß wir heute die beste Kontrolle der Welt zugunsten der Bürger haben, die von einem derartigen Eingriff in das Grundrecht der Informations- und Kommunikationsfreiheit betroffen sind. Auch hier darf ich auf das verweisen, was die Bundesregierung bereits im März des Jahres 1969 hervorragend vorgetragen hat, insbesondere auf das Problem, daß dem Bürger, wollte man ihn an die ordentlichen oder Verwaltungsgerichte verweisen, nur Steine statt Brot gegeben würden.
Wir halten also, um das zusammenzufassen, den jetzt gegebenen Rechtsweg für ausreichend — und auch da spreche ich nicht als Blinder von der Farbe, sondern als einer, den dieses Haus ja schließlich mit der sehr schweren Bürde der Mitkontrolle beauftragt hat. Hier können wir dem Bürger durch den Rechtsweg an die Gerichte nur weniger geben, als wir ihm heute bereits mit der so konstruierten Art des Rechtschutzes geben. Darum, meine Damen und Herren, liegt es nicht nur im Interesse dieses Hauses, sondern liegt es auch im Interesse des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, wenn wir dem Antrag des Rechtsausschusses zustimmen, nicht aber dem Antrag, der hier auf dem Umdruck gestellt ist, und in diesem Sinne appelliere ich an Sie.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich entnehme den Ausführungen des Kollegen Dr. Arndt, daß er für seine Fraktion versichert, in der Sache, nämlich der Rechtsfrage, mit uns nach wie vor einig zu sein, daß er im übrigen von politischen Demonstrationen, wie er es genannt hat, nichts halte. Ich will dazu nur drei Dinge sagen.Erstens. Sicher bin ich der letzte, der es nicht begrüßen würde, wenn auf die in der Tat sehr gute, unter meiner Federführung im Bundesinnenministerium erarbeitete Stellungnahme zu der Sache zurückgegriffen wird. Ich glaube, daß das in der Tat nach wie vor gilt. Mir würde es leichter fallen, diesem Argument ein gewisses Gewicht abzugewinnen, wenn ich nicht bei der Diskussion vor wenigen Wochen in diesem Hause über eine vor einem guten Jahr einstimmig verabschiedete Entschließung des Deutschen Bundestages zur Deutschlandfrage von dem gegenwärtigen Chef der Bundesregierung auf die Frage, ob sie dazu noch stünde, den Hinweis bekommen hätte, daß ja inzwischen Wahlen gewesen seien.
Dies scheint, Herr Kollege Dr. Arndt, doch wohl bei Ihren Freunden ein Argument zu sein, das den Wert von früher eingenommenen Auffassungen relativiert. Inzwischen waren ja Wahlen, inzwischen hat sich auch in der Regierung etwas verändert, und es gibt eine neue Konstellation, bei der eine Form des beredten Schweigens dem Bundesverfassungsgericht gegenüber praktiziert wird, in einer Frage, in der es
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Bendaübrigens auch — und darauf komme ich noch in meinem letzten Punkt — um die Frage des Umgangs mit dem höchsten deutschen Gericht geht.
Ich sage zweitens, Herr Kollege Dr. Arndt: Daß die SPD erklärt: nun ja, in der Sache stimmt ja alles, was ihr sagt, aber wir wollen es nicht so deutlich dem Gericht gegenüber sagen, und daß die FDP — sie hat sich ja noch nicht geäußert, vielleicht äußert sie sich noch — möglicherweise erklären wird, sie habe ihre Auffassung auch nicht geändert, das ist ja wohl auch eine Art politischer Demonstration.
Und nun sage ich Ihnen drittens — und das ist eigentlich der wichtigste Punkt —: Wenn Sie sich in dieser Frage, in der doch nicht von irgend jemand, sondern von einem Bundesland dem Deutschen Bundestag gegenüber der Vorwurf verfassungswidriger Verfassungsgesetzgebung erhoben wird, nicht äußern wollen, wann eigentlich, meinen Sie, soll sich der Deutsche Bundestag in der Zukunft dem Bundesverfassungsgericht gegenüber noch äußern?
Ich wiederhole das Angebot, das mein Kollege Dr. Stoltenberg hier unterbreitet hat. Sie können dem Rechnung tragen, indem Sie unseren Antrag annehmen. In ihm steht — Sie haben ihn ja vor sich —, daß wir uns dem Bundesverfassungsgericht gegenüber dahin gehend äußern, „daß der Antrag des Landes Hessen abgelehnt wird". Für meine Freunde erkläre ich die Bereitschaft — über eventuelle Formulierungen wäre dann ja im Rechtsausschuß wohl noch zu sprechen —, daß diese Äußerung vielleicht nur in dem einen Satz besteht: Wir halten die Stellungnahme der Bundesregierung vom März 1969 in der Sache nach wie vor für zutreffend, wir schließen uns diesen Rechtsargumenten an, und der Deutsche Bundestag beantragt zusammen mit der damaligen Bundesregierung, den Antrag des Landes Hessen abzulehnen. Dann haben Sie das, was der Kollege Stoltenberg in der Sache angeregt hat, und dann braucht man möglicherweise in der Sache, weil dort in der Tat rechtlich genug gesagt ist, nicht mehr zu tun.
Aber, Herr Kollege Dr. Arndt, ich halte es für einen ganz schlechten Stil gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, im Rechtsausschuß und vor dem Plenum des Deutschen Bundestages darauf hinzuweisen, daß man dem Bundesverfassungsgericht das Protokoll einer Ausschußsitzung übersandt hat. Dem Bundesverfassungsgericht gegenüber äußert sich der Deutsche Bundestag in der Form der Beschlußfassung in diesem Hause und nicht in anderer Weise.
Ich halte eine Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, die in einer Äußerung eines Kollegen besteht: „Wir haben euch ein Protokoll übersandt", für eine in der Form ungehörige Außerung gegenüber dem höchsten deutschen Gericht. — Bitte schön, Herr Dr. Arndt!
Das Wort zu einer Zwischenfrage hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Kollege Benda, ist Ihnen bekannt, daß an dieser von ihnen so apostrophierten Haltung auch Ihre Kollegen im Rechtsausschuß mitgewirkt haben, weil wir einstimmig beschlossen haben, dieses Protokoll nach Karlsruhe zu leiten?
Herr Kollege Dr. Arndt, in den zwölf Jahren, in denen ich im Rechtsausschuß gewesen bin — und das werden auch Sie mir vielleicht bestätigen können —, ist es immer üblich gewesen — ich halte das auch für einen guten Brauch —, daß man die Protokolle des Rechtsausschusses dem Bundesverfassungsgericht und übrigens einer zwar begrenzten, aber nicht sehr kleinen Zahl legitimierter Empfänger übersendet. Selbstverständlich werden Ausführungen, die im Rechtsausschuß zu Rechtsfragen gemacht werden, das Bundesverfassungsgericht auch interessieren. Davon gehe ich aus. Ich habe nichts gegen die Übersendung. Ich wende mich — ich muß das wiederholen — gegen den Einwurf des Herrn Kollegen Wehner, den ich im übrigen nicht ganz verstanden habe, der sich aber möglicherweise auf diesen Punkt bezog. Herr Kollege Dr. Arndt, es ist unzulässig und — ich wiederhole das — es ist ungehörig, dem Gericht gegenüber nicht in der Form der Meinungsäußerung, die durch Beschlußfassung hier zu erfolgen hat, sondern durch den Hinweis; „Ihr habt ja ein Protokoll zu einer Frage erhalten" Stellung zu nehmen. Diese Art des Umgangs mit dem Bundesverfassungsgericht machen wir nicht mit. Daher stellen wir den von uns hier eingebrachten Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Benda hat die Frage gestellt, wann wir denn überhaupt gedenken, Stellung zu nehmen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht. Das ist wirklich die entscheidende Frage. Sie ist heute von zwei Seiten hier ganz verschieden beantwortet worden. Sie ist einmal von Herrn Kollegen Arndt mit der Frage beantwortet worden, was wir sachlich noch hilfreich zu dem schwebenden Verfahren beitragen können. Das aber ist nach der gewiß vorzüglichen Stellungnahme, die noch unter Leitung von Herrn Benda erarbeitet und dann ge-
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1158 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Kleinertgenüber dem Bundesverfassungsgericht abgegeben worden ist, offenbar nach Auffassung aller hier Anwesenden nicht mehr möglich.Wir konnten noch gewisse Zweifel über den Verlauf der heutigen Diskussion nach den Verhandlungen im Rechtsausschuß haben, wo es uns nicht gelungen ist zu erfahren, in welcher Hinsicht hier noch Tatsachenmaterial oder wichtige Rechtserkenntnisse dem Bundesverfassungsgericht mitzuteilen wären. Nun aber haben wir keine Zweifel mehr nach den insofern allerdings besonders hilfreichen Ausführungen der Opposition — nämlich zunächst aus dem Munde von Herrn Stoltenberg und anschließend noch einmal nachhaltig unterstrichen von Herrn Benda —, dahin gehend, daß es genüge und den Vorstellungen der Opposition vollkommen entspräche, hier lediglich zu beschließen, daß der Antrag des Landes Hessen abgelehnt werden sollte, ohne daß dafür auch nur ein Wort einer zusätzlichen Begründung geliefert werden sollte.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Darf ich Sie, nachdem Sie ausgeführt haben, daß das ganze Haus dieser Stellungnahme zustimme, fragen, ob auch die FDP inhaltlich zustimmt?
Oh nein, mitnichten!
Falls ich mich falsch ausgedrückt haben sollte, möchte ich die Gelegenheit dieser Zwischenfrage benutzen, Ihnen ganz deutlich zu sagen, daß die FDP allem, was sie zu dieser Frage hier — und zwar mit sehr viel Liebe und Gründlichkeit und sehr viel verfassungsmäßigem Eifer — vorgetragen hat, zuletzt in den Beratungen am 29. und 30. Mai 1968, nichts hinzuzufügen hat, daß sie vielmehr weiterhin dieser Meinung ist. Meine Bemerkung, daß sich das Haus einig sei, bezog sich lediglich darauf, daß ein Schriftsatz, der unter Leitung von Herrn Benda erarbeitet worden ist, ganz bestimmt vorzüglich sein müsse, soweit es die Rechts- und Sachlage erlaubt. Das ist bei Schriftsätzen immer so.
Weil ich gerade bei den Schriftsätzen bin: Hier fällt mir aus der Praxis eines Anwalts ein, daß man keinem Gericht, und zwar dem höheren Gericht doch gewiß noch weniger als einem etwas weiter unten angesiedelten Gericht, unnütze Schriftsätze
oder übermäßiglange Schriftsätze schicken sollte, weil alle Richter genug zu lesen haben. Genau das ist es, was die Opposition heute von uns verlangt, und zwar aus Gründen, die nach den erfolgten Klarstellungen tatsächlich rein demonstrativer Art sind.
Diese Gründe — um abschließend noch einmal die Frage zu beantworten, die Herr Benda gestellt hat — veranlassen uns, den Änderungsantrag nicht anzunehmen, sondern dem Antrag des Rechtsausschusses zuzustimmen. Wir sind jederzeit bereit, in den außerordentlich wenigen Verfahren, in denen das noch sachdienlich sein kann — deshalb hat es in der Vergangenheit prozentual so wenig Stellungnahmen gegeben —, eine Stellungnahme abzugeben, wenn noch etwas hinzuzufügen ist, das nützlich sein könnte. Wir lehnen es aber ab, wenn es sich nur um eine Demonstration handelt. Denn gerade das halten wir gegenüber dem höchsten Gericht für überaus mißlich, um mich, gemessen an den insofern sehr anspruchsvollen Worten, mit denen Sie Ihre gegenteilige Meinung zum Ausdruck gebracht haben, einmal ganz vorsichtig auszudrücken.
Wir werden also dem Antrag des Ausschusses zustimmen.
Meine Damen und Herren, wird zur Sache des weiteren das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen damit zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Umdruck 7 *). Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen. —Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU sind 197 Stimmen abgegeben worden. 216 Abgeordnete haben dagegengestimmt. Der Stimme enthalten hat sich niemand. Der Antrag ist abgelehnt.Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag des Rechtsausschusses. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesordnung:Erste Beratung des von den Abgeordneten Stücklen, Strauß, Wagner , Dr. Riedl (München), Dr. Kreile, Geisenhofer, Dr. Schneider (Nürnberg), Wohlrabe und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer)— Drucksache VI/253 —Zur Begründung hat der Abgeordnete Stücklen das Wort.
— Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, soweitSie an den Beratungen nicht teilzunehmen wün-*) Siehe Anlage 2
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Vizepräsident Dr. Jaegerschen, hinauszugehen und die Besprechungen draußen zu führen. Im Saale bitte ich um Ruhe. Ich bitte alle Damen und Herren, die im Saale bleiben, Platz zu nehmen, damit man den Beratungen auch folgen kann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier um ein fußballerisches Problem, und darin weiß ich den Bundestag ohnedies in der Mehrheit vereint.
Das Mehrwertsteuergesetz vom 29. Mai 1967 hat eine unterschiedliche mehrwertsteuerliche Belastung für die Sportvereine, insbesondere zu Lasten der Fußballbundesligavereine gebracht.
Meine Damen und Herren, ich bitte urn Aufmerksamkeit für den Redner.
Es gibt verschiedene Kategorien, einmal die Vereine mit einem Umsatz bis 60 000 DM jährlich, die die Wahlmöglichkeit zwischen der alten Umsatzsteuer und der neuen Mehrwertsteuer mit dem halbierten Satz von 5,5 % haben, und zum anderen die Fußball-Bundesligavereine, die seit der Einführung der Mehrwertsteuer 11 % Mehrwertsteuer zu zahlen haben. Bei der seinerzeit getroffenen Regelung ist man davon ausgegangen, daß Bundesligavereine Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes erbringen und deshalb den vollen Steuersatz zu zahlen haben.Dieser Auffassung sind die Antragsteller nicht. Wir meinen vielmehr, daß hinsichtlich der Besteuerung nach dem Mehrwertsteuergesetz alle Sportvereine gleichbehandelt werden müssen und daß, wie noch zu begründen sein wird, die Sportvereine mit einer Fußball-Bundesligaabteilung ebensowenig Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes erbringen wie die übrigen Sportvereine.Wir plädieren für die Heranziehung aller Sportvereine zum ermäßigten Steuersatz. Selbstverständlich wollen wir die Wahlfreiheit dabei aufrechterhalten.Ich möchte das in vier Punkten zusammenfassen.Erstens: Die Fußballbundesligavereine sind in ihrem Wesen Amateurvereine, deren Fußballabteilungen auf G und besonderer Leistungen der ersten Mannschaften zur höchsten deutschen Spielklasse gehören. Sie sind darin unterscheiden sie sich von den Fußballspitzenvereinen in anderen Ländern, wie z. B. in England, in Brasilien oder in Argentinien — keine reinen Fußballvereine, sondern wie die Masse aller anderen Sportvereine in Deutschland Mehrzwerkvereine mit zum Teil sehr .vielfältiger Sportausübung. Ich möchte ein Beispiel herausgreifen: den TSV 1860 München. Der TSV 1860 München hat neben der Fußballabteilung 14 weitere Abteilungen, in denen 60 % der Mitglieder des Gesamtvereins tätig sind.Die Lizenzspieler der Bundesligavereine stehen zwar im Mittelpunkt des Interesses der jeweiligen Fußballabteilung, machen aber rein zahlenmäßig nur einen Bruchteil derjenigen aus, die in dem Verein Fußball spielen. Die Fußballabteilung des Bundesligisten 1860 München hat einschließlich der Jugendspieler rund 2500 Mitglieder, denen 21 Lizenzspieler, zwei hauptamtliche Trainer sowie ein Arzt und ein Masseur gegenüberstehen.Um den Anforderungen der höchsten deutschen Spielklasse im Fußball zu entsprechen, muß der Spielbetrieb bei den Bundesligavereinen nach den Grundsätzen des Leistungsspitzensports — tägliches Training der Spieler unter Leitung eines hauptamtlichen Trainers — ablaufen. Dies führt zwangsläufig zur Bezahlung der am Spielbetrieb Beteiligten.Die im deutschen Lizenzfußball gezahlten Spieler-und Trainergehälter entsprechen, von wenigen Spitzengehältern abgesehen, durchaus international üblichen Sätzen. Die Bezahlung von Spitzenfußballspielern und Spitzentrainern über die Regelsätze hinaus wird durch die Tatsache bestimmt, daß finanzkräftige ausländische Klubs an diesen Leuten ständig interessiert sind. Ein Abwandern dieser Kräfte kann aber im Interesse des Leistungsstandards unseres Fußballs auch im internationalen Vergleich nicht erwünscht sein.
Diese Tatsache und die auf Grund des von keiner Sportart übertroffenen großen Publikumsinteresses vermeintlich hohen Einnahmen haben seinerzeit zur Anerkennung des Fußballspielbetriebs in der Bundesliga als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt. Diese Annahme ist auch deshalb nicht zu halten, weil ein Verein, der Woche für Woche Zehntausende von Besuchern anlockt, naturgemäß ganz andere organisatorische Vorkehrungen zu treffen und auch einen wesentlich größeren finanziellen Aufwand zu treiben hat als andere Vereine. Die Tatsache, daß eine Sportart beliebt ist und die entsprechenden Vereine deshalb mehr Zuschauer anziehen als andere Sportarten, darf im Sinne der Steuergerechtigkeit nach unserer Auffassung nicht zu einer steuerlichen Diskriminierung der in dieser Sportart tätigen Spitzenvereine führen.Im übrigen ist die Vorstellung falsch, alle Bundesligavereine seien wirtschaftliche Großvereine, die aus dem vollen schöpfen könnten.
Der DFB wird sicher bereit sein, den zuständigen Ausschüssen des Bundestages die Bilanzen der Vereine zur Verfügung zu stellen, wodurch es möglich sein wird, manche Fehleinschätzungen zu korrigieren.Zweitens möchte ich anführen, daß die Bundesligavereine — und das wird häufig übersehen — über ihre Aufgabe hinaus einen wichtigen Beitrag für den Sport im allgemeinen leisten. Die Einnahmen der Bundesligavereine dienen zu einem ganz wesentlichen Teil dem Amateur- und Breitensport, was sich in drei Komplexe aufgliedern läßt: a) direkte Zuwendungen der Bundesligavereine an ihre
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1160 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
StücklenAmateurabteilungen einschließlich der anteiligen Betriebskosten für diese Amateurabteilungen, die der Berechnung des körperschaftsteuerlichen Gewinns zugrunde gelegt sind, b) Verbandsaufgaben der Vereine für den Amateursport und c) Verzicht auf Einnahmen aus Toto-Mitteln zur Förderung des Amateursports. Im Kalenderjahr 1968 haben die Vereine der Bundesliga einen Umsatz von 29,7 Millionen DM erzielt. Davon entfielen auf die Positionen Zuwendungen 2,9 Millionen DM, Verbandsaufgaben 1,6 Millionen DM und Verzicht auf Toto-Mittel 6,7 Millionen DM, also insgesamt ein Betrag von 11,2 Millionen DM. Das bedeutet, daß die Vereine der Bundesliga im Jahre 1968 fast 38 % ihrer Einnahmen dem Amateur- bzw. Breitensport direkt oder indirekt zugeführt haben. Keine andere Sportart erbringt eine ähnliche Leistung zur Förderung und Weiterbildung des Amateur- und Breitensports wie gerade der Bundesligafußball.Drittens glauben wir, daß der Bundesligafußballsport unter Berücksichtigung seiner Bedeutung für den Breitensport einem Vergleich mit Leistungen von Zirkussen, Theatern und Schaustellern — dabei klammere ich Varieté und Striptease aus, die ebenfalls mit dem halben Steuersatz bedacht sind — standhält und daß auch ein Blick in die Randbereiche sportlicher Betätigung unsere Forderungen rechtfertigt. So werden beispielsweise sportähnliche Veranstaltungen wie die Veranstaltung von Eisrevuen nur mit dem ermäßigten Steuersatz zur Mehrwertsteuer herangezogen, weil man sie als Theateraufführungen im Sinne des Mehrwertsteuergesetzes ansieht.Viertens und letztens möchte ich folgendes sagen. Mit der Heranziehung der Bundesligavereine zum vollen Steuersatz ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes eine echte Mehrbelastung der Vereine von durchschnittlich mindestens 5 % eingetreten, und das halten wir für ungerechtfertigt. Die vom Gesetzgeber und der Exekutive hinsichtlich der Mehrwertbesteuerung gezogene Trennungslinie zwischen Amateur- bzw. Vertragsligasport sowie dem Lizenzspielbetrieb in der Bundesliga ist deshalb nach den sportlichen Realitäten nicht zu rechtfertigen.Ich bitte Sie, diesen Antrag entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrates den Ausschüssen zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Stücklen, wir sehen durchaus die Problematik, die darin besteht, daß die Bundesliga-Fußballvereine für die Einnahmen, die sie aus den Bundesligaspielen erzielen, die volle Mehrwertsteuer bezahlen müssen, und das bei all den Verpflichtungen, die solche Vereine für ihre zum Teil — nicht immer — großen Amateurabteilungen mit haben.
— Ja, in der Regel.
Im Juli 1969 hat der Parlamentarische Staatssekretär Leicht auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Müller und Stücklen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerbelastung der Vereine folgendes geantwortet:Die Bundesregierung wird im Rahmen einer Novellierung des Umsatzsteuergesetzes, allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode,— das ist jetzt diese — diese Frage prüfen.Das ist damals von Herrn Leicht bestimmt in Übereinstimmung mit dem damaligen Bundesminister der Finanzen, Herrn Strauß, gesagt worden. Ich weiß nicht, ob Herr Strauß — er hat den Antrag, den Sie begründet haben, mitunterzeichnet — mit dem Wechsel von der Regierung in die Opposition seine Meinung in dieser Hinsicht geändert hat.
Darin läge zwar eine Konsequenz; sachlich begründet wäre es nicht.Übrigens hat der damalige Finanzminister Strauß meinem Kollegen Koenen gegenüber geäußert, daß ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für die Bundesliga-Vereine nur mit großen Schwierigkeiten durchzusetzen sein werde, weil es eben wirklich ernst zu nehmende Bedenken dagegen gibt. Denn nach den Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes muß, wenn die Steuerermäßigung gewährt werden soll, die Gemeinnützigkeit als Voraussetzung bestehen. — Herr Stücklen, lassen Sie mich das noch sagen.
— Ja, es ist sehr kompliziert, und wir werden uns im Finanzausschuß damit beschäftigen.Eine Sonderbehandlung der Bundesliga-Fußballvereine würde, wie der damalige Minister Strauß sagte, bedeuten, daß man von der Voraussetzung der Gemeinnützigkeit abweicht. Uns hier im Bundestag würde dann die Frage gestellt werden, warum das nur für den Berufsfußball, für den Lizenzfußball gelten solle. Wenn die Steuererleichterung für die Bundesliga-Mannschaften eingeführt wird, müßte es selbstverständlich für alle Berufssportarten, für die Radfahrer, für die Motorsportler und für andere, gemacht werden. Diesen Argumenten wäre nicht auszuweichen.Hinzu kommt, daß ein Abweichen von der Voraussetzung der Gemeinnützigkeit Auswirkungen über den Sport hinaus auf andere Bereiche hätte. Wir würden eine Flut von Anträgen auf Gesetzesänderung bekommen, und wir hätten es schwer, dagegen zu argumentieren. Insofern, Herr Stücklen — soviel Verständnis ich persönlich dafür habe —, ist mit Ihrem Antrag eine ganz grundsätzliche Frage der Mehrwertsteuer aufgeworfen. Das wird jeder begreifen.Ich bitte Sie, den Mitgliedern des Finanzausschusses nicht Sportfeindlichkeit zu unterstellen — mir
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Porznerkann man das gar nicht unterstellen —, sondern zu berücksichtigen, daß wir das auch unter anderen Aspekten zu prüfen haben, die sehr viel weiter gehen als das, was Sie hier ausgeführt haben.Dem Bundestag liegen schon jetzt, wie Sie wissen, sehr viele Änderungswünsche zum Umsatzsteuergesetz vor. Wir müssen a 11 e sorgfältig prüfen. Die Umsatzsteuernovelle muß das Ergebnis einer intensiven und sorgfältigen parlamentarischen Beratung aller Änderungsanträge sein. Würde ein Antrag vorweggenommen, so würden wir uns die Arbeit wegen des Präzedenzfalles sehr erschweren. So populär die Initiative ist und so gerechtfertigt sie in vielen Fällen sein mag, so sehr müssen wir doch achtgeben, daß wir mit der Mehrwertsteuer nicht ins Rutschen kommen, daß wir nicht Berufungsfälle provozieren und daß wir die Mehrwertsteuer nicht aushöhlen. Nur außergewöhnliche Umstände — wie Herr Strauß gegenüber Herrn Koenen damals sagte — lassen eine Steuersenkung rechtfertigen, ohne daß sich andere darauf berufen können. Solche außergewöhnlichen Umstände sind eventuell gegeben, wenn von den Einnahmen aus den Bundesligaspielen ein großer Teil für die Amateurabteilungen verwendet wird. Das müssen wir prüfen.
Auch die Zahlen, die Sie genannt haben, müssen sorgfältig untersucht werden.Ich möchte mich nur noch gegen ein Argument wenden, Herr Stücklen: Sie kommen im Finanzausschuß und im Bundestag nicht damit durch, daß wegen der Einführung der Mehrwertsteuer verschiedene Branchen, Unternehmungen, Vereine einer größeren Umsatzsteuerbelastung unterliegen als vorher. Andere haben eine geringere Belastung. Im Finanzausschuß ist damals lange darüber diskutiert worden, daß es eben eine notwendige Folge des Systemwechsels ist, daß manche einen geringen Vorteil, manche einen geringen Nachteil haben. Im großen und ganzen hat sich an der Umsatzsteuerbelastung der einzelnen Umsatzsteuerzahler nichts geändert.Wir werden von der SPD-Fraktion aus versuchen, eine Lösung zu finden, die einerseits den Interessen des Sports gerecht wird und durch die andererseits die Umsatzsteuer nicht ausgehöhlt wird. Dies ist nicht ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, sondern nur ein Antrag von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion; darin drückt sich aus, daß nicht die ganze CDU/CSU-Fraktion und vor allem nicht die Steuerfachleute einverstanden sein können. Wir wollen also versuchen, eine Lösung zu finden, die die Umsatzsteuer nicht aushöhlt. Soweit Sie dazu beitragen können und mir — ich sage das, auch wenn ich für die Fraktion spreche — dabei helfen können, bin ich Ihnen dankbar. Wenn das nicht gelingen sollte, müssen wir andere Wege finden, um Vereinen, die in Schwierigkeiten kommen, finanzielle Unterstützung zu gewähren. Das können wir selbstverständlich in dieser Stunde nicht versprechen, aber kümmern können wir uns darum.
Das zu diesem Punkt!
Herr Stücklen, ein prominenter Fußballanhänger wie Sie hat solche Wünsche. Wer Fraktionsvorstandsmitglied und stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender der Landesgruppe ist, hat große Verpflichtungen. Die Wünsche, die Sie als Fußballanhänger haben — und die ich teile —, und die Verpflichtungen, die Sie als Vorstandsmitglied und als Landesgruppenvorsitzender haben, müssen Sie miteinander in Einklang bringen. Wenn Ihnen das in diesem Punkt gelingt, dann ist das fast eine sportliche Leistung.
Wenn Sie dazu fähig sein sollten, würde ich Sie jetzt schon beglückwünschen.
Bisher sah es so aus, als stünde hier Handball gegen Fußball.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was hier vom Kollegen Stücklen als Begründung gebracht worden ist, ist nach meiner Auffassung in allen Punkten zutreffend. Es unterstreicht die Notwendigkeit, sich Gedanken zu machen, um eine sinnvolle Lösung zu finden. Wir bedauern nur, daß wir bei der Debatte über das Mehrwertsteuergesetz, als wir zu diesen Dingen einen generellen Antrag stellten, nicht zum Zuge kamen, sondern damals erleben mußten, daß das alles abgelehnt wurde.Mit Recht hat der Kollege Porzner darauf hingewiesen, daß das Problem der Berufungsfälle eine große Rolle spielen wird. Allerdings müssen wir dabei natürlich auch daran denken, daß die Berufungsfälle, die z. B. aus dem Berufssport, wie Boxen, Sechstagerennen usw., kommen, von anderen Voraussetzungen ausgehen. Denn da ist meistens ein Unternehmer tätig, der die Veranstaltung durchführt.
Demgegenüber werden die Bundesligaveranstaltungen von Vereinen durchgeführt. Und wenn ich — Kollege Schwabe hat es mir schon zugerufen — an Eintracht Frankfurt denke, kann ich feststellen, daß da fast 400 000 DM in einem Jahr in den Amateursport geflossen sind, während ungefähr der gleiche Betrag an Steuern. nämlich Vergnügungssteuer und Mehrwertsteuer, abgeführt werden mußte. Dazu kommt noch die Abgabe für die Stadionmiete. Dabei stellen sich ja manche Städte sogar auf den komischen Standpunkt, wenn sie in den Stadien Reklame zuließen, seien die Einnahmen nur für die Stadt, obwohl die Reklame nur in diesem Stadion ist, weil gespielt wird; sonst hätte sie ja daraus keinerlei Einnahme.Den Gedanken, den Kollege Porzner brachte, man müsse prüfen, inwieweit der Amateursport dabei einen Vorteil habe, halte ich für richtig.
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MischnickIch darf hier vielleicht einfügen, daß ich in Hessen einen Vorschlag gemacht habe, die Vergnügungsteuersenkung mit der Bedingung zu koppeln, daß Bundesligavereine eine bestimmte Anzahl von Amateurabteilungen oder -mannschaften haben müssen, 20 Amateurmannschaften oder fünf Amateurabteilungen. Man sollte bei dem vorliegenden Antrag prüfen, ob man eine solche Bedingung mit einbauen kann, um damit die Bundesligavereine den anderen Amateurvereinen gleichzustellen, sie also nicht schlechter zu behandeln und damit zu vermeiden, daß eine Ausnahmeregelung nach dem Steuerrecht zustande kommt; die vorgeschlagene Lösung würde dann nur bedeuten: Gleichstellung mit den anderen Amateurvereinen und nicht Sonderregelung für bestimmte berufliche Leistungen im Sport.Mit Recht ist vom Kollegen Porzner darauf hingewiesen worden, daß der damalige Finanzminister Strauß die genannte Antwort auf damalige Fragen gegeben hat. Das muß aber vor der Erringung der deutschen Meisterschaft durch Bayern-München gelegen haben;
denn als Bayern-München deutscher Meister wurde, hat er, wenn ich mich recht entsinne, auf dem Empfang davon gesprochen, man müsse die Mehrwertsteuer für die Bundesligavereine von 11 auf 51/2 % herabsetzen. Offensichtlich ist ihm in der Zwischenzeit das eingefallen, was er damals bei einem Gespräch mit dem Kollegen Koenen von der SPD noch nicht parat hatte, was man nämlich machen könne.
— Ausgezeichnet! Wenn diese Prüfung nun positiv abgeschlossen ist, Herr Kollege Stücklen, wäre es natürlich gut, wenn man die Argumente, die bei dem früheren Finanzminister zu dem Sinneswandel geführt haben, bei der Ausschußberatung mit hören könnte, um sie mit heranzuziehen und um diese Entwicklung deutlich zu machen.
— Richtig! —Noch eine letzte Bemerkung dazu! Es ist mit Recht gesagt worden, daß die Novellierung des Mehrwertsteuergesetzes aus vielen anderen Gründen notwendig ist. Das bedeutet aber, wenn man all diese Dinge betrachtet, daß die Entscheidung dann auf ein, zwei Jahre vertagt würde, obwohl dies doch sehr dringend ist. Deshalb wäre ich dankbar, wenn alle Fachleute aus dem Finanz- und Steuerbereich bereit wären, sich zu überlegen, ob nicht auf der Basis der verschiedenen Argumente, die hier genannt worden sind und die eben diese Sonderstellung deutlich machen, eine Vorweglösung gefunden werden kann. Denn der Hinweis, daß man für Eisrevuen usw. diese Möglichkeit geschaffen hat — wo man beim besten Willen nicht sagen kann, daß deren Auftreten mit einem Amateurverein zusammenhängt —, ist doch ebenso beachtenswert wie der Hinweis — das wurde hier ja noch nicht gesagt —, daß z. B. SpripteaseVeranstaltungen mit 5,5 % besteuert werden, Bundesligafußball aber mit 11 %. Daß hier der doppelteSatz verlangt wird, mag vielleicht daran liegen, daß die Bundesligaspieler mehr anhaben als SripteaseTänzerinnen.
Das alles sollte mit in die Prüfung einbezogen werden, um hier möglichst bald zu einem Ergebnis zu kommen. Wir sind bereit, sämtliche Argumente dafür und dagegen ganz nüchtern zu behandeln, gehen aber davon aus, daß das Bekenntnis, den Sport fördern zu wollen, bei der Frage der steuerlichen Belastung nicht aushaken sollte. Es ist immer noch besser, die steuerliche Belastung abzubauen, als Direktmittel subventionierend zur Verfügung stellen zu müssen. Unter diesem Gesichtspunkt würden wir es begrüßen, wenn eine Lösung gefunden werden könnte, die uns alle gemeinsam zu einem sinnvollen Ergebnis führt.
Keine Wortmeldungen mehr.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Finanzausschuß — federführend —, den Sonderausschuß für Sport und Olympische Spiele — mitberatend — und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich nach einer Vereinbarung im Ältestenrat die Punkte 6, 8 und 9 der Tagesordnung auf — Punkt 7 wird danach aufgerufen —:
6. Erste Beratung des von den Abgeordneten Stücklen, Ehnes, Dr. Zimmermann, Strauß, Dr. Probst, Gierenstein, Rainer, Kiechle und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes
— Drucksache VI/244 —
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zulassung von nach § 19 des Zahnheilkundegesetzes berechtigten Personen zur Behandlung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung
— Drucksache VI/276 —
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Januar 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Einziehung und Beitreibung von Beiträgen der Sozialen Sicherheit
— Drucksache VI/277 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Ehnes!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Problem und zu den Kosten des Gesetzentwurfs, den meine politischen Freunde und ich eingereicht haben, ein paar Ausführungen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970 1163
EhnesZu dem Problem muß gesagt werden, daß sich der deutsche Hopfenbau von allen anderen Produktionsarten in der deutschen Landwirtschaft dadurch unterscheidet, daß für Hopfen bis zum heutigen Tag noch keine europäische Marktordnung verabschiedet worden ist und daß sich die Ertragslage im Hopfenbau seit dem Jahre 1964, dem Zeitpunkt der Hauptfeststellung, nachweisbar und von den Oberfinanzdirektionen anerkannt jedes Jahr verschlechtert, und zwar auf Grund der Wettbewerbslage der Staaten, mit denen wir im Handel stehen.Zu den Auswirkungen des Bewertungsgesetzes auf den Bundeshaushalt ist noch keine klare Aussage gemacht. Bekanntlich ist der Beginn der Anwendung des Bewertungsgesetzes, das im Dezember 1965 verabschiedet worden ist, einem besonderen Gesetz überlassen; und daß dieses Gesetz bis zum heutigen Tage nicht erlassen ist, ist diesem Hause ebenfalls bekannt. Aus diesem Grunde haben die Einheitswerte, die nach dem Gesetz vom 10. Dezember 1965 für die Hauptfeststellung des Jahres 1964 zugrunde gelegt sind, weder für die Einnahmen des Bundes noch für die Einnahmen der Gemeinden Wirkung. Daher ist auf dem Vorblatt der Vorlage angegeben, daß für den Bund Kosten nicht entstehen. Die Antragsteller bitten also, das Gesetz so aufzufassen, daß es bei der Hauptfeststellung des Jahres 1964 bleiben soll und daß der § 40 Abs. 2 wie im Entwurf vorgesehen geändert werden soll.Namens meiner politischen Freunde bitte ich um Überweisung an die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Ausschüsse.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung, nämlich die Vorlage unter Punkt 6 der Tagesordnung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; die Vorlagen unter den Punkten 8 und 9 jeweils an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, die Vorlage unter Punkt 8 außerdem zur Mitberatung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit. Ist das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nun rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung der Grundrentenabfindung in der Kriegsopferversorgung
— Drucksache VI/274 —
Das Wort zur Begründung hat Herr Staatssekretär Rohde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache VI/274 legt die Bundesregierung diesem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung der Grundrentenabfindung in der Kriegsopferversorgung vor. Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung einen Weg vorschlagen, die Kapitalisierungsmöglichkeiten der Grundrenten zu erweitern. Er stellt ein Instrument dar, das dazu beitragen soll, den für diesen Zweck erforderlichen Finanzbedarf, den wir für das Jahr 1970 auf rund 170 Millionen DM schätzen, zu decken. Diese Mittel sollen dem Wohnungsbau und der Wohnraumbeschaffung für die Kriegsopfer dienen.Es wird Ihnen bekannt sein, meine Damen und Herren, daß es in den vergangenen Jahren wiederholt Schwierigkeiten gegeben hat, die notwendigen Mittel für die Kapitalabfindung im Rahmen des Bundeshaushalts zu sichern. Aus diesem Grunde war es nur möglich, den dringendsten Bedarf an Kapitalmitteln zur Verfügung zu stellen. Um diese sozialpolitisch so unbefriedigende Situation zu beseitigen, soll nunmehr durch den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf erreicht werden, auch außerhalb des Haushalts Mittel für die Kapitalabfindung zu erlangen und sie den Kriegsopfern zum Zwecke der Beschaffung eines Eigenheimes zur Verfügung zu stellen. Dieser Entwurf hat also sowohl eine sozialpolitische als auch eine eigentumspolitische Seite.Mit dem Gesetzentwurf soll ferner sichergestellt werden, daß alle Rechte und Vorteile, die die Kriegsopfer im herkömmlichen Rentenkapitalisierungsverfahren hatten, auch für die Zukunft erhalten bleiben und auch die verfahrensmäßige Abwicklung nicht erschwert wird.Der Entwurf sieht im einzelnen vor, daß ein Kreditinstitut — in Aussicht genommen ist die Lastenausgleichsbank — die erforderlichen Abfindungsmittel auf dem Kapitalmarkt beschafft und für den Bund gleichsam die Vorfinanzierung übernimmt. Damit soll erreicht werden, daß der Haushalt zunächst von der hohen Anfangsbelastung bei den Kapitalabfindungen befreit wird. Er hat dann nur die Zinsen und die Verwaltungskosten der Bank zu übernehmen. Die Tilgung des aufgenommenen Kapitals geschieht über die abgefundenen Grundrenten, welche die Abfindungsempfänger an die Bank gegen Auszahlung der Abfindungssumme vertraglich abtreten.Dieses neue Verfahren — darauf möchte ich hinweisen — bedeutet jedoch nicht, daß die Kapitalabfindungen in der herkömmlichen Art völlig beseitigt werden sollen. Vielmehr sollen die einschlägigen Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erhalten bleiben, so daß immer wieder die Möglichkeit besteht, falls es die Lage als tunlich erscheinen läßt, auf das alte Verfahren zurückzugreifen. Die Bundesregierung wird dabei, das darf ich Ihnen versichern, unter gewissenhafter Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Belange, der finanziellen Notwendigkeiten und der berechtigten Interessen der Kriegsopferversorgung ihre jeweilige Entscheidung treffen.Ich wäre dem Hohen Hause dankbar, wenn die für die Beratung dieses Gesetzes zuständigen Aus-
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Parlamentarischer Staatssekretär Rohdeschösse diese Vorlage zeitlich so beraten könnten, daß die Kriegsopfer möglichst bald in den Genuß von Kapitalabfindungsmitteln zur Förderung des Wohnungsbaues gelangen. Diese Bitte darf ich im Hinblick auf die Planungen für das Jahr 1970 äußern.
Der Gesetzentwurf ist eingebracht. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kriegsopfer kennen seit etwa 20 Jahren die Kapitalabfindung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Für Beschädigte und Witwen war die Grundrentenkapitalisierung gut eingebürgert, und man kann ohne Übertreibung sagen, daß sich das System in den vergangenen Jahren bewährt hat. Immerhin gab es Jahre, in denen 220 Millionen DM beansprucht wurden, inzwischen — das hat der Herr Staatssekretär bereits ausgeführt — hat sich das bei etwa 170 Millionen DM eingependelt. Die Mittel im Haushalt sind knapp geworden, und man hat sich früher schon überlegt, wie man aus diesem Dilemma herauskommen könne.
Die Kriegsopfer hörten allerdings nicht gerne von einem neuen System, weil sie dem bisherigen den Vorzug gaben und weil sie darin eine sichere, verläßliche Regelung gesehen haben. Es hat sich auch die Frage gestellt, ob es zweckmäßig sei, jetzt nach 20 Jahren noch das System zu ändern. In dem Kriegsopferbericht ist ja die Tatsache herausgestellt worden, daß das Durchschnittsalter der Kriegsbeschädigten bei 57 Jahren liege, und Kapitalisierungen sind ja nur möglich bis zu einem Alter von 60 Jahren.
Trotzdem glaube ich, daß man zur Sicherung der Kapitalabfindungen auch diesen Weg beschreiten muß. Es muß nur sichergestellt werden, daß das Verfahren nicht komplizierter wird, Herr Staatssekretär. Das materielle Recht muß unbedingt in vollem Umfang erhalten bleiben; es sollten die Anträge befriedigt werden; und schließlich — darauf muß besonders hingewiesen werden — muß das Verfahren auch wie bisher kostenfrei sein, es dürfen also keine Eintragungsgebühren und Löschungsgebühren für die eventuelle dingliche Sicherung erhoben werden. Außerdem sollten bei Streitigkeiten weiterhin die Sozialgerichte angerufen werden können.
Es kommt uns darauf an, daß die bewährte Einrichtung der Eigentumsbildung für die Kriegsopfer in vollem Umfang erhalten bleibt. Dann wird auch die CDU/CSU diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vermögenspolitische Funktion derKapitalisierung der Renten in der Kriegsopferversorgung bleibt auch mit diesem Gesetz voll erhalten, wenngleich das Verfahren, nun zu diesem Geld zu kommen, für die Rentenkapitalisierung etwas anders laufen wird, nämlich über die Lastenausgleichsbank. Aber vielleicht ist es ganz gut, hier kurz festzustellen, daß dieses Rentenkapitalisierungsgesetz die Rechtsgrundlage für ein neues, unkonventionelles Rentenkapitalisierungsverfahren schafft, das den Kriegsopfern das alte, unveränderte Recht des Bundesversorgungsgesetzes auf Abfindung unabhängig von der Haushaltslage auch weiterhin garantiert.Weiterhin ist festzustellen, daß dieser Gesetzentwurf die an den Bundeshaltsplan gebundene Ermächtigung enthält, vorübergehend an Stelle der Kapitalabfindung des Bundesversorgungsgesetzes den Abfindungsberechtigten den Abfindungsbetrag im sogenanten Rentenkapitalisierungsverfahren zu geben. Das obliegt jeweils einer Entscheidung des Haushaltsausschusses, und sie ändert nichts daran, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Bundesversorgungsgesetzes für eine Grundrentenabfindung grundsätzlich erhalten bleiben. Ich habe in letzter Zeit des öfteren Bedenken darüber gehört, daß sich hieran etwas ändern solle. Wer das Gesetz liest, wird feststellen, daß sich nichts daran ändert und daß das Gesetz ausdrücklich garantiert, daß der Abfindungsberechtigte durch das neue Verfahren in keiner Weise wirtschaftlich, aber auch in keiner Weise rechtlich benachteiligt wird.Wir möchten als SPD-Fraktion ebenfalls darum bitten, daß dieser Gesetzentwurf so schnell wie möglich im zuständigen Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung beraten wird, und zwar abschließend beraten wird, weil er mehr Geld als in den zurückliegenden Jahren und vor allem ausreichend Geld für die in der Tat eigentumspolitisch überaus wichtige Abfindung der Grundrenten der Kriegsopfer zum Zwecke der Wohnraumbeschaffung bringt. Wir wissen, daß bei den Landesversorgungsämtern bereits eine ganze Anzahl von Anträgen vorliegt, die darauf warten, bearbeitet zu werden. Das kann nur geschehen, wenn dieser Gesetzentwurf so schnell wie möglich verabschiedet wird.Wir halten es für unumgänglich notwendig, daß auch in Teilbereichen der Kriegsopferversorgung — wir haben das bereits beim ersten Anpassungsgesetz zum Ausdruck gebracht — fortschrittliche Lösungen geschaffen werden. Es war ja in der Tat, Herr Kollege Burger, in den vergangenen Jahren nicht sehr befriedigend, daß der notwendigste Bedarf für Kapitalabfindungen im Rahmen des Haushalts nicht sichergestellt werden konnte. Wenn es auf diese Weise nunmehr gelingen sollte, ohne den Haushalt nennenswert zu belasten, aus diesem Engpaß herauszukommen und den Kriegsopfern die notwendigen Mittel für den Hausbau zur Verfügung zu stellen, so kann das, glaube ich, nur begrüßt werden.Ich hoffe auch, daß der Bundesrat, wenn wir recht bald mit der Beratung dieses Gesetzentwurfs zum Abschluß gekommen sein werden, dem Gesetzentwurf ebenso schnell wie wir seine Zustimmung geben wird und daß der Gesetzentwurf dann nicht,
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Glombigwie das erste Anpassungsgesetz, im Bundesrat ins Straucheln kommt. Denn dadurch ist ja bei der Durchführung des ersten Anpassungsgesetzes immerhin eine Verzögerung von mindestens einem Monat in der Auszahlung der Renten eingetreten. Ich glaube, das war nicht im Interesse der Kriegsopfer, und das haben die Kriegsopfer auch so begriffen, denn die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren eindeutig. Ich möchte sehr hoffen, daß der Bundesrat diese, ich möchte sagen: parteigebundene Auseinandersetzung, wie sie dort stattgefunden hat, bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs nicht wieder zur Geltung kommen läßt. Das ist meine Bitte, die ich von dieser Stelle aus an den Bundesrat richten möchte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Glombig, darf ich Sie fragen, ob Sie zufällig überlesen haben, was der Arbeitsminister von Baden-Württemberg, Herr Hirrlinger, mitgeteilt hat, nämlich daß er dafür gesorgt habe, daß im Lande Baden-Württemberg durch den Einspruch des Bundesrates keine Verzögerung in der Auszahlung der Kriegsopferrenten nach dem ersten Anpassungsgesetz eintreten wird.
Herr Kollege Burger, ich würde es sehr begrüßen, wenn das trotz dieser Verzögerungstaktik des Bundesrates aus parteipolitischen Gründen möglich wäre. Ich habe nur leider das Gefühl, daß das technisch gar nicht durchführbar ist. Alle Beteiligten, die etwas von der Sache verstehen, haben mir inzwischen gesagt, daß die Auszahlung der erhöhten Renten frühestens Ende Februar erfolgen kann, d. h. daß die Nachzahlung für Januar und Februar etwa Ende Februar zusammen mit der erhöhten laufenden Rente für März erfolgt. Anders ist das nun einmal nicht zu bewältigen — trotz des guten Willens von Minister Hirrlinger.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zu überweisen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 10 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzvertrag vom 7. Februar 1969 zur Durchführung und Ergänzung des Vertrages vom 7. Mai 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreichüber Kriegsopferversorgung und Beschäftigung Schwerbeschädigter— Drucksache VI/275 —Wünscht jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Die Punkte 11 und 12 sollen am Freitag aufgerufen werden.Punkt 13:Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. August 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über die Schiffahrt— Drucksache VI/80 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache VI/264 —Berichterstatter: Abgeordneter Lemmrich
Wird keine mündliche Berichterstattung gewünscht? — Dann kommen wir zur Abstimmung.Nach dem neuen Text des § 77 der Geschäftsordnung findet nur eine Abstimmung statt, die gleichzeitig Schlußabstimmung ist. Wer diesem Gesetz zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 14 ist erledigt. Punkt 15:Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses über den Antrag der Fraktion der CDU/CSUbetr. europäischer Agrarmarkt— Drucksachen VI/63, VI/255 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Beermann Es wird auf mündliche Berichterstattung verzichtet.Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich steile einstimmige Annahme fest.Punkt 16:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs (Nr. 22/69 — Erhöhung des Zollkontingents für feste Brennstoffe)— Drucksachen VI/153, VI/267 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Burgbacher
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1166 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1970
Vizepräsident Dr. SchmidDas Haus verzichtet auf mündliche Berichterstattung. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Punkt 17:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der EG-Kommission füreine Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten des Kohlengroßhandels und für Vermittlertätigkeiten in Handel und Industrie auf demselben Gebieteine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten des Kohlengroßhandels und der Vermittlertätigkeiten in Handel und Industrie auf demselben GebietRichtlinien des Rates zur Festsetzung derEinzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Augenoptikers— Drucksachen VI/ 17, VI/97, VI/268 —Berichterstatter: Abgeordneter Lange Sie verzichten auf den Bericht?
— Aber Sie verzichten auf den Vortrag Ihres Berichts?
— Ich bin sicher, das Haus wird Ihnen dafür danken.Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Punkt 18 soll offenbar am Freitag aufgerufen werden.Die Punkte 19 a) und 19 b) sollen ebenfalls am Freitag aufgerufen werden.Damit ist die Tagesordnung für heute erledigt.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 29. Januar, 14 Uhr. Einziger Punkt der Tagesordnung ist die Fragestunde.Die Sitzung ist geschlossen.