Gesamtes Protokol
D ie Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. Februar 1968 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zu dem Assoziierungsabkommen vom 16. Juli 1966 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Nigeria sowie dem Internen Durchführungsabkommen
Gesetz über die Gebäude- und Wohnungszählung 1968
Gesetz zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes
Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. Dezember 1960 gegen Diskriminierung Im Unterrichtswesen und zu dem Protokoll vom 18. Dezember 1962 über die Errichtung einer Schlichtungs- und Vermittlungskommission
Pflanzenschutzgesetz
Gesetz zu dem Vertrag vom 22. September 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Grenzübergänge der Eisenbahnen.
Zum Gesetz zur Änderung des Durchführungsgesetzes EWG- Richtlinie Frisches Fleisch und des Fleischbeschaugesetzes — Drucksachen V/1795, V/2477 — hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 9. Februar 1968 die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt. Sein Schreiben ist als Drucksache V/2566 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers für Wirtschaft hat am 12. Februar 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wieninger, Burgemeister, Schmidhuber, Gewandt, Stücklen, Dr. Frerichs und Genossen betr. Vereinbarkeit kooperativer Werbemaßnahmen mit dem Kartellrecht — Drucksache V/2487 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2565 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers für Wirtschaft hat am 12. Februar 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wieninger, Stücklen, Schlager, Dr. Frerichs, Burgemeister und Genossen betr. Gewerbeförderungsmittel für die mittelständische Wirtschaft — Drucksache V/2486 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2571 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Dreiunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksache V/2537 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Mai 1968
Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967
— Drucksache V/2545 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Mai 1968
Einundzwanzigste Verordnung zur Anderung des Deutschen Zolltarifs 1967
— Drucksache V/2501 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Mai 1968.
Zu den in der Fragestunde der 149. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. Januar 1968 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Imle, Drucksache V/2492 Nrn. 12 und 13 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 8. Februar 1968 eingegangen. Sie lautet:
Bei Betriebsprüfungen, die allerdings noch nicht völlig abgeschlossen sind, sind die Preise, die deutschen Mineralölgesellschaften von ihren ausländischen Mutter- oder Schwestergesellschaften für Rohölimporte in Rechnung gestellt worden sind, und die Höhe der dabei berechneten Frachten untersucht und die steuerlichen Folgerungen daraus gezogen worden. Das wird auch in Zukunft der Fall sein.
Ich bin jedoch nicht in der Lage, Einzelheiten der Prüfungsergebnisse bei den verschiedenen Gesellschaften bekanntzugeben. Die dabei getroffenen Feststellungen unterliegen dem Schutz ds Steuergeheimnisses nach § 22 AO.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksachen V/2564, zu V/2564 —
Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Wie vereinbart sich die Behauptung, „die Zahl der Arbeitslosen geht zurück" in der Schrift der Bundesregierung „Zwei Männer — eine Aufgabe — Die Richtung stimmt" mit dein Höchststand von 672 617 Arbeitslosen Ende Januar 1968, 51 500 mehr als im Januar 1967 und 403 800 mehr als 1966?
. Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter, zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im Januar 1968 ist folgendes zu bemerken. Es ist in der Tat richtig, daß die Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vorjahr höher ist. Die Ursache ist darin zu suchen, daß der ungünstige Witterungsverlauf die saisonbedingte Winterarbeitslosigkeit früher und stärker ansteigen ließ. Dieser Vorgang verstellt verständlicherweise den Blick dafür, daß dennoch eine Verbesserung der konjunkturellen Arbeitsmarktlage eingetreten ist, wie das übrigens auch Herr Sabel vor kurzem ausgeführt hat. Ein wichtiges Konjunkturindiz des Arbeitsmarktes ist die Zahl der Kurzarbeiter. Sie betrug im De-*) Siehe 149. Sitzung, Seite 7700 B
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7932 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Staatssekretär Diehlzember 1966 90 000, im Dezember 1967 31 000, im Januar 1967 240 000, im Januar 1968 34 000.Ein weiteres wichtiges Kennzeichen der Entwicklung ist die Zahl der offenen Stellen. Sie betrug Ende Dezember 1966 252 000, im Dezember 1967 250 000, im Januar 1967 25.5 000, im Januar 1968 303 000.In der Zeitungsbeilage „Zwei Männer — eine Aufgabe" wurde ein Bericht über die Entwicklung in den ersten drei Quartalen des Jahres 1967 gegeben und dabei nicht behauptet, sondern zutreffend festgestellt, daß die Zahl der Arbeitslosen zurückgegangen war. Formal gesehen wurde keine Prognose gegeben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß keine echte Aussage über den Rückgang der Arbeitslosenzahl zu machen ist, wenn man die Zahlen von Januar und Juni gegenüberstellt? Da die Aussage nicht in dem Sinne 'stichhaltig sein dürfte, möchte ich Sie weiter fragen: Welcher Eindruck herrscht nach Meinung der Bundesregierung bei den jetzt zum Teil arbeitslosen Lesern dieses Prospektes vor angesichts solcher Behauptungen, die hier aufgestellt worden sind und die ich hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit kritisiert habe?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin davon überzeugt, daß die Leser dieser Beilage die Aussage so verstehen, wie sie gegeben worden ist.
Die Überschrift lautet: „67 — In einem Jahr geschehen keine Wunder". Das ist keine verschönende, sondern eine nüchterne Aussage. Es wird dann gesagt — im Präsens —: „Die Zahl der Arbeitslosen geht zurück". Es wird ein Bericht über die drei ersten Quartale gegeben und zutreffend dargestellt, wie der Ablauf gewesen ist. Ich darf noch einmal sagen: es ist richtig, daß im Augenblick die Zahl höher ist; aber normalerweise liegt die Spitze der Saisonarbeitslosigkeit Ende Februar, und wir werden dann sehen, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in ihrer Werbung mit Steuergeldern künftig mehr sachlich zu informieren, statt mit solchen Behauptungen wie dieser zur Frage der Arbeitslosigkeit mehr und mehr in den Geruch von Propaganda zu kommen?
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär, Sie brauchen die Frage nicht zu beantworten, weil sie nicht den Vorschriften der Geschäftsordnung entspricht: sie enthält eine Kritik und eine Feststellung; das ist beides nicht statthaft.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Staatssekretär, läßt sich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Beschäftigungslage im Winter 1966/67 von der Bundesregierung dramatisiert wurde, um vermeintliche Erfolge, die theoretisch errechnet wurden, vor diesem schwarz in schwarz gemalten Hintergrund um so leuchtender strahlen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wüßte nicht, wer ein Interesse an einer Dramatisierung gehabt haben sollte.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß das Interesse an einer Dramatisierung einfach bei denen gelegen hat, die diese Koalition geschlossen haben, weil sie diese Koalition ihren eigenen Anhängern anders gar nicht hätten klarmachen können?
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Moersch. Bei allem Wohlwollen: ich schätze das Vorlesen gar nicht, auch dann nicht, wenn es der Bundestagspräsident tut, aber da steht doch ausdrücklich etwas in unseren Richtlinien, Herr Kollege Moersch; das sollten Sie auch selbst einmal lesen.
Da heißt es also: „Zusatzfragen dürfen keine Feststellungen oder Wertungen enthalten."
— Ich bin auch gelegentlich für Beifall dankbar,
aber klatschen Sie nicht zu früh; denn es ist natürlich nahezu unmöglich, diese Vorschrift ganz objektiv durchzuhalten. Wie soll man manchmal eine Frage stellen, ohne daß sie eine Kritik impliziert? Das ist klar. Wie soll außerdem der Bundestagspräsident im voraus wissen, was in den Zusatzfragen gebracht wird?
Aber, Herr Kollege Moersch, das geht zu weit. Ich muß hier ja wenigstens Annäherungswerte an unsere Geschäftsordnung erzielen.
Darf ich die Frage anders stellen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7933
Ja, versuchen Sie es mal; das ist aber dann die zweite Zusatzfrage, die wird angerechnet.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen unbekannt, daß es in beiden Koalitionsparteien starke Kräfte gegeben hat, die daran interessiert sein konnten, die Dramatisierung vorzunehmen, um ihr Handeln zu rechtfertigen?
Wollen Sie antworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte gerne antworten.
Gut, gut, bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Moersch, ich glaube, daß es im Sinne der Zielsetzung, eine Belebung der Konjunktur und des allgemeinen Vertrauens in die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft zu erzeugen, war, in der Tat Daten zu liefern, keine Behauptungen, die deutlich machten, daß die Indikatoren, wie Herr Blessing gesagt hat, nach oben zeigten.
Ich darf mir erlauben, folgendes hinzuzufügen: Ich weiß, daß die Meinungsumfragen eine gewisse Fehlermarge von ± 2% haben. Aber es ist ganz deutlich, daß die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist, daß das in der Tat geschehen ist, daß eine Aufwärtsbewegung in Gang gebracht worden ist. Es ist nicht ohne Reiz, festzustellen, daß nach den Meinungsumfragen auch ein hoher Prozentsatz der FDP-Wähler diese Auffassung teilt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Frage der Kurzarbeit hier zu einem wichtigen Indiz für die Beschäftigungslage erklärt haben, darf ich Sie fragen: Wie beurteilen Sie den Beschluß der Ford-Werke in Köln, Kurzarbeit einzuführen, was im vergangenen Jahr nicht geschah, im Blick auf die Erklärung in Ihrem in schwarzen und roten Lettern gehaltenen Flugblatt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann mir, Herr Abgeordneter, offen gestanden, kein Urteil über die Geschäftspolitik der Ford-Corporation erlauben.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ich wiederhole meine Frage. Ich habe nicht gefragt, wie Sie diesen Beschluß insgesamt beurteilen, sondern im Hinblick auf die Feststellungen in dem in schwarzen und roten Buchstaben gedruckten Flugblatt „Die Richtung stimmt". Ich will damit fragen, ob Sie die Behauptungen, die darin enthalten sind, noch aufrechterhalten wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Natürlich. Ich hatte schon in meiner Antwort gesagt, daß nach allgemeiner Auffassung die Kurzarbeiterbewegung ein wichtiges Indiz für die Beurteilung der konjunkturellen Lage ist. Ich darf noch einmal sagen: Normalerweise ist gegen Ende Februar die Spitze der saisonal bedingten Arbeitslosigkeit erreicht. Ich denke, daß wir in Kürze, Anfang März, sehen werden, ob das Bild, das die Fachleute — ich glaube, Herrn Sabel darf man dazu rechnen — von der Lage auf dem Arbeitsmarkt haben, zutreffend ist oder nicht.
Die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Schulze-VorbergWie erklärt die Bundesregierung den Ausfall ihrer zuständigen Stellen in den ersten beiden Tagen nach der — und in bezug auf die — Ravensburger Rede des Bundesaußenministers?wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Diehl vom 12. Februar 1968 lautet:Die verspätete Unterrichtung des Bundesaußenministers Brandt über die dpa-Meldung zu seiner Ravensburger Rede und die daraus folgende Verspätung des Dementis ist nicht auf einen Ausfall der zuständigen Organe der Bundesregierung, sondern auf eine Reihe unglücklicher Umstände zurückzuführen.Dem diensthabenden Redakteur der Nachrichtenzentrale des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung lagen zuerst nur die UPI- und AP-Meldungen über Ravensburg vor. Als dann später die dpa-Meldung, die in keiner Weise als besonders wichtig gekennzeichnet worden war, eintraf, hat der diensthabende Redakteur diese Meldung zunächst nicht weiter beachtet. Er ging davon aus, daß auch diese Meldung nichts enthielte, was sein Eingreifen erforderlich machen würde.Am Abend wurde der Redakteur von Herrn Ahlers gebeten, festzustellen, aus welcher Quelle eine Meldung des WDR stammte, in der die angebliche Äußerung des Bundesaußenministers wiedergegeben worden war. Nachdem er als Quelle die Deutsche Presse Agentur ermittelt hatte, wurde er von Herrn Ahlers, der Grund zu der Annahme hatte, daß der Außenminister erst in der Nacht von Ravensburg nach Bonn zurückkehren würde, aufgefordert, bei dpa in Hamburg nachzufragen, was es mit der Meldung auf sich habe. dpa erklärte, die Meldung stamme von zwei vom Stuttgarter dpa-Büro nach Ravensburg entsandten „zuverlässigen Leuten", die nach Rückfrage aus Hamburg ihre Version bestätigt hätten. Daraufhin bemühte sich der diensthabende Redakteur nach Absprache mit Herrn Ahlers und dem diensthabenden Chef vom Dienst den Pressereferenten des Auswärtigen Amtes zu erreichen. Dies war nicht möglich. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat dann versucht, Anfragen der Journalisten bis zum Vorliegen eines Dementis des Ministers zurückzustellen.Am Sonntag vormittag sah es zunächst so aus, als würde es gelingen, die Angelegenheit ohne Aufsehen aus der Welt zu schaffen. Sobald jedoch deutlich wurde, daß dies in Paris nicht möglich war, bemühten sich der Sprecher der SPD, Herr Frank Sommer, und Herr Ahlers nach Absprache mit Bundesaußenminister Brandt darum, dpa zu einem klaren Dementi ohne den Zusatz zu veranlassen, daß die dpa ihre Version aufrechterhalte. Dazu war dpa nicht bereit. Die Deutsche Presse Agentur hielt ihre Meldung bis zum Montag vormittag aufrecht, obwohl im Verlauf des Sonntag und auch des Montag vormittag zahlreiche Bemühungen unternommen worden waren, der Chefredaktion von dpa klarzumachen, daß der fragliche Satz auf einer irrtümlichen Berichterstattung beruhen müsse.Sobald am Sonntag vormittag das Dementi des Bundesaußenministers vorlag, wurde es vom Chef vom Dienst des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung der Deutschen Botschaft in Paris, deren Presseattaché sich bereits mit dem Pressereferat des Auswärtigen Amtes in Verbindung gesetzt hatte, per Fernschreiber übermittelt. Auch über den Fortgang der Auseinandersetzungen mit dpa, in deren Verlauf die erste auszugsweise Tonband-Niederschrift der betreffenden Stelle aus der Rede des Bundesaußenministers eine Rolle spielte, wurde die Botschaft in Paris unterrichtet. Ein Überspielen des Tonbandes nach Paris war am Sonntag nicht möglich, weil das Tonband erst in der Nacht vom Sonntag auf Montag in Bonn eintraf. Es konnte aus technischen Gründen nicht früher be-
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7934 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Präsident D. Dr. Gerstenmaierschafft werden, da nicht bekannt war, daß auch der Südwest-funk die Rede des Bundesaußenministers mitgeschnitten hatte.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Peiter auf:Welche Anteile hatte das Land Rheinland-Pfalz im Jahre 1967 am Ersten Investitionsprogramm, Zweiten Investitionsprogramm, an der Ergänzungszuweisung an finanzschwache Länder, an der Erhöhung der Mnteralölsteuer und an der Senkung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 39 % auf 37 %?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Opitz auf:Worauf führt die Bundesregierung den Rückgang des Neuabschlusses von prämienbegünstigten Sparverträgen im Jahre 1967 gegenüber 1966 um 43 % bei den Ratensparverträgen sogar um 50 %, zurück?
Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Opitz wie folgt beantworten: Der Rückgang der Zahl der Neuabschlüsse von prämienbegünstigten Sparverträgen im Jahre 1967 gegenüber 1966 hat mehrere Ursachen.
Einmal ist zu berücksichtigen, daß in den Jahren 1963 bis 1965 die Neuabschlüsse von Sparverträgen nach dem Sparprämiengesetz mit jährlichen Zuwachsraten von fast 30 bis 45 v. H. eine Rekordhöhe erreichten. Soweit es sich hierbei um Ratensparverträge handelte, konnten die betreffenden Sparer in den folgenden Jahren in der Regel keine neuen Verträge abschließen, weil sie mit den bereits abgeschlossenen Sparverträgen ihre prämienbegünstigten Höchstbeträge für die Dauer von sechs Jahren im Rahmen ihrer Sparfähigkeit mehr oder weniger voll ausgeschöpft hatten. Der Rückgang der Vertragsneuabschlüsse in den Jahren 1966 und vor allem 1967 erklärt sich also zum Teil als natürliche Folge eines früheren Abschlußbooms.
Als weitere Ursachen des Rückgangs der Zahl der Neuabbschlüsse von prämienbegünstigten Verträgen sind zu nennen der ab 1966 einsetzende Konjunkturrückgang sowie die Auswirkungen des sogenannten Kommulationsverbots durch das Steueränderungsgesetz 1966.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glaubt ,die Bundesregierung, daß bei dieser Entwicklung die Ausgabe eines Sparbriefs der öffentlichen Hand erfolgversprechend ist?
Herr Kollege, über einen Sparbrief hat man sich Gedanken gemacht. Aber ob er kommt, steht noch nicht fest.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Rückgang der Sparverträge im Jahre 1967 entscheidend daher kommt, daß ab Januar 1966 bis zum 9. Dezember 1966 durch die damalige Spitze des Bundesfinanzministeriums in der Öffentlichkeit immer wieder erklärt worden ist, daß eine Beschränkung, zum Teil eine Beseitigung dieser Sparverträge kommen wird, was entscheidenden Einfluß darauf ausgeübt hat, daß 1966 alle noch vor Toresschluß das machen wollten, was sie nachher nicht mehr tun konnten?
Das habe ich bereits bei der Antwort auf die Frage des Kollegen Opitz als einen der Gründe genannt.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, bleibt es das Ziel der Bundesregierung, die Eigentumsbildung durch prämienbegünstigte Sparverträge weiter zu fördern?
Daran hat sich nichts geändert.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Überzeugung, daß, wenn das der Fall wäre, was Sie in der Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Ott gesagt haben, das genaue Gegenteil hätte eintreten müssen?
Nein, das glaube ich nicht. Das, was Herr Kollege Ott angesprochen hat, hat zum Boom geführt. Das war einer der Gründe, die ich auf die Frage dès Herrn Kollegen Opitz, warum heute ein so starker Rückgang zu verzeichnen sei, angeführt habe.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Opitz.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß der im Jahreswirtschaftsbericht 1968 angekündigte Sparbrief nicht mehr zur Diskussion steht?
Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege. Ich habe nur gesagt: es wird geprüft; es steht noch nicht fest, ob er kommt.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7935
Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer positiven Einstellung zum prämienbegünstigten Sparen darf ich Sie fragen: wird die Bundesregierung dafür sorgen, daß eingezogenen Wehrpflichtigen bei abgeschlossenen prämienbegünstigten Sparverträgen keine Nachteile gegenüber den Wehrpflichtigen entstehen, die im Arbeitsverhältnis bleiben und ihre Sparraten weiter zahlen können?
Die Frage wird geprüft werden, Herr Kollege Josten. Wenn Sie darauf anspielen, daß das eine der Möglichkeiten sein könnte, um unter Umständen Ungerechtigkeiten auszubügeln, dann weiß ich nicht, ob das der richtige Weg ist. Aber geprüft wird es.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort auf die Frage nach den Sparbriefen — das sei noch ungeklärt — schließen, daß doch nicht die Absicht besteht, die private Spartätigkeit und die private Kapitalbildung zugunsten der Bedürfnisse der öffentlichen Hand einzuschränken?
Ich glaube, da kann ich ein Ja sagen, Herr Kollege Moersch. Es besteht also nicht die Absicht, einzuschränken.
Frage 5 des Abgeordneten Opitz:
Welche Auswirkungen auf ihre Politik — notwendige verstärkte Eigentumsbildung hei möglichst breiten Bevölkerungskreisen auf der einen und wachsender Kreditbedarf der öffentlichen Hand auf der anderen Seite — erwartet die Bundesregierung bei Andauern der in der Frage 4 skizzierten Entwicklung?
Die zweite Frage des Herrn Kollegen Opitz darf ich dahin gehend beantworten, daß die Bundesregierung keine fühlbaren Auswirkungen auf ihre Politik der breiten Eigentumsstreuung und auf ihre Anleihepolitik erwartet, selbst wenn sich wider Erwarten die von Ihnen skizzierte Entwicklung im Jahre 1968 noch in gewisser Weise fortsetzen sollte.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Frage 7 des Abgeordneten Dr. Rutschke:
Gibt es keinerlei Möglichkeit einer vorbeugenden Gesundheitsfürsorge gegen derartige Grippewellen, wie wir sie zur Zeit wieder erleben?
Dr. von Manger-Koenig: Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen: Herr Abgeordneter, mit dem Ausdruck Grippe wird fälschlich eine große Anzahl ursächlich völlig differenter Erkrankungen der oberen Luftwege bezeichnet, die von der Erkältung bis zur Lungenentzündung reichen und von denen nur der kleinste Teil wirklich
Grippeerkrankungen sind. Gegen letztere ist eine Impfung möglich, die aber nur bis zu einem gewissen Grade gegen Erkrankungen durch die vier Influenzavirustypen, nicht aber gegen die ungleich viel häufigeren Infektionen durch andere Viren — wir kennen deren über hundert — schützt. Gegen letztere gibt es zur Zeit noch keine spezifische Vorbeugung. Vorerst bleibt aber daher als vorbeugende Gesundheitspflege nur eine Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte durch alles das, was man unter dem Begriff „gesunde Lebensführung" zusammenfaßt.
Alle diese Maßnahmen können natürlich ebensowenig wie die Impfung einen absoluten Schutz gewähren, sind aber sicherlich geeignet, die Zahl der Erkrankungen und auch die Schwere des Verlaufs in Grenzen zu halten. Möglicherweise könnte man sich in sogenannten Grippezeiten auch durch das Tragen eines Mund-Nasenschutzes vor Anstekkung schützen. Solche Schutzmasken haben sich jedoch, wie ich betonen möchte, in Europa im Gegensatz zu fernöstlichen Ländern nicht einbürgern können.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rutschke
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bei der Grippewelle vorgeschlagen, die auf uns zugekommen ist, oder was hat sie auf dem Gebiet getan?
Dr. von Manger-Koenig: Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen: Es ist auch von den Landesgesundheitsbehörden auf die Bedeutung des Schutzes vor Infektionen hingewiesen worden. Die öffentliche Empfehlung von Schutzimpfungen, an die auch gedacht werden könnte, ist Sache der obersten Gesundheitsbehörden der Länder. Eine generelle Empfehlung wird man allerdings angesichts des von mir eben dargelegten begrenzten Schutzes kaum geben können. Einzelne Länder haben solche Empfehlungen allenfalls für bestimmte besonders gefährdete Personenkreise ausgesprochen, besonders Schalterpersonal, oder auch für besonders wichtige Gruppen in Verkehrsbetrieben. Darüber hinaus haben auch einzelne Betriebe zur Vermeidung des in diesen Wochen ja immer erheblichen Ausfalls von Arbeitstagen vorsorglich Impfaktionen in ihren Betrieben durchgeführt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie ungefähre Vorstellungen, wie hoch die Zahl der Grippeerkrankungen bis zum heutigen Tage oder bis zum letzten Monat war?Dr. von Manger-Koenig: Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen: Frau Abgeordnete, da wir in der Bundesrepublik im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine Morbiditätsstatistik, also keine statistische Erfassung der Er-
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Staatssekretär Dr. von Manger-Koenigkrankungen haben, kann ich Ihnen auf ihre Frage keine Auskunft geben.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Picard auf:
Binnen welcher Frist werden nach Auffassung der Bundesregierung die technischen und wirtschaftlichen Probleme der Herstellung klopffester Treibstoffe ohne Bleizusatz gelöst sein?
Dr. von Manger-Koenig: Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen: Herr Abgeordneter, auf Ihre mündliche Frage im Oktober des vergangenen Jahres zu dem auch aus unserer Sicht gesundheitspolitisch bedeutsamen Problem der Bleizusätze im Benzin hatte ich Ihnen mitgeteilt, daß hier schwierige Fragen technischer und wirtschaftlicher Art auftreten. Ich hatte deshalb darauf hingewiesen, daß Verhandlungen mit den betroffenen Wirtschaftskreisen erforderlich sind. Diese Verhandlungen — das kann ich Ihnen heute sagen — sind nunmehr in Gang gekommen. Die Treibstoffhersteller haben sich in einem umfangreichen im Ausland erstellten Gutachten zunächst selbst einmal ein Bild über die gesundheitspolitische Situation verschafft. In den nächsten Tagen, Herr Abgeordneter, wird in unserem Hause auf der Grundlage dieses Gutachtens mit Vertretern der Verbände verhandelt.
Bitte, haben Sie dafür Verständnis, daß ich heute noch nicht in der Lage bin, Ihre Frage, binnen welcher Frist eine Lösung der Probleme zu erwarten ist, nun vorweg zu beantworten. Ich bin aber gern bereit, Ihnen eine Mitteilung darüber zu geben, zu welchem Ergebnis unsere Verhandlungen, die in acht Tagen stattfinden werden, geführt haben.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie heute schon sagen, ob diese Verhandlungen ohne einen gesetzlichen Zwang erfolgversprechend sein können?
Dr. von Manger-Koenig: Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen: Man sollte nicht durch Gesetz zu erreichen versuchen, was sich durch freiwillige Übereinkunft zuwege bringen läßt. Wir glauben an die Einsicht, und wir fühlen uns dabei, um nun einen Begriff aus der Treibstoffchemie zu gebrauchen, als Katalysator.
Zweite Zusatzfrage.
Darf ich dann darum bitten, Herr Staatssekretär, daß Sie mich auf dem laufenden halten?
Dr. von Manger-Koenig: Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen: Wir sind gern bereit, Ihrem Informationsbedürfnis laufend zu entsprechen, Herr Abgeordneter.
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf, zunächst die Frage 24 des Abgeordneten Ruf:
Billigt die Bundesregierung das Übereinkommen von Vertretern des Bundesarbeitsministeriums, des Bundesversicherungsamtes und der Bundesversicherungsanstalt für Angetellte, wonach die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ihre bisherige Verwaltungspraxis aufgeben und einen Verzicht auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht mehr zulassen wird?
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Ich rufe dann auch die Frage 25 des Abgeordneten Ruf auf:
Auf welche gesetzliche Bestimmung stützt sich diese in Frage 24 erwähnte Vereinbarung?
Herr Kollege Ruf, zu Beginn dieses Jahres ist in der Öffentlichkeit das Problem unterschiedlicher Auffassungen über die Zulässigkeit eines Verzichts auf die Befreiung von der Versicherungspflicht erörtert worden. Um für die Betroffenen die nötige Klarheit zu schaffen, haben sich Vertreter meines Hauses, des Bundesversicherungsamtes und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zusammengesetzt und diese Frage 'eingehend erörtert. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, daß kein Befreiungsantrag von der Versicherungspflicht in der Erwartung gestellt werden könne, nach dem 30. Juni 1968 wieder auf die Befreiung verzichten zu können.Diese übereinstimmende Auffassung, die von der Bundesregierung gebilligt wird, dient in erster Linie dem Interesse der betroffenen Angestellten. Sie ergibt sich auch aus dem Charakter der sozialen Rentenversicherung als einer umfassenden Solidargemeinschaft. Hiernach kann es einzelnen nicht freigestellt sein, sich je nach Lage ihres individuellen Risikos von der Versicherungspflicht befreien zu lassen oder wieder in die Solidargemeinschaft zurückkehren zu können. Allen Betroffenen ist bis zum 30. Juni dieses Jahres, also während eines halben Jahres, ausreichend Zeit gegeben, sorgfältig zu prüfen und zu überlegen, ob sie eine Befreiung von der Versicherungspflicht wünschen oder nicht. Sie müssen bis dahin aber auch endgültig entscheiden, welche Form der Alterssicherung sie wählen.Zur Rechtslage im einzelnen darf ich darauf hinweisen, daß es sich bei der Befreiung von der Versicherungspflicht um einen Verwaltungsakt handelt, durch den der Betroffene in seinem jetzigen und in allen künftigen Beschäftigungsverhältnissen von der Versicherungspflicht befreit wird. Die Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt widerrufen werden kann, sind im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung abschließend geregelt. Es ist also nicht zulässig, eine rechtmäßig ausgesprochene Befreiung zu widerrufen, selbst wenn der Betroffene es wünscht. Auch ein Verzicht auf die Befreiung durch den Betroffenen ist nur bei bestimmten, im Gesetz genau festgelegten Voraussetzungen möglich, die hier nicht vorliegen. Die Bundesregierung hält daher den Verzicht auf eine einmal ausgesprochene Befreiung für unzulässig.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7937
Bundesminister KatzerFür diese Ansicht spricht auch die durch das Finanzänderungsgesetz 1967 eingeführte Vorschrift über die Dreivierteldeckung. Diese Vorschrift könnte durch die Zulassung eines Verzichts entgegen dem Willen des Gesetzgebers umgangen werden. Sonst könnte nämlich z. B. ein Versicherter, der am 31. Dezember 1967 die Halbbelegung für jeden denkbaren Versicherungsfall noch nicht erreicht hatte, sich zunächst von der Versicherungspflicht befreien lassen, um später, je nach dem Umfang der ihm an der Halbbelegung fehlenden Zeiten, in die Versicherungspflicht zurückzukehren.Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom 13. August 1965 die Auffassung vertreten, daß es einen Verzicht auf eine Befreiung nicht für zulässig erachtet. Im Hinblick auf die Rechtsauffassung der Bundesregierung, wie ich sie hier dargelegt habe, und der erwähnten Auffassung des Bundessozialgerichts muß es als im Interesse der Versicherten angesehen werden, wenn Befreiungsanträge nicht in der Erwartung gestellt werden, später auf die Befreiung wieder verzichten zu können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist es umgekehrt nicht im Interesse der Angestellten gelegen, daß ihnen der Weg zur Rückkehr in die Sozialversicherung offengelassen wird, falls sich etwas in ihren persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ändert, und würden Sie nicht bereit sein, unter diesem Gesichtspunkt — des Interesses der Angestellten selber — dem Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zuzustimmen, der noch im Januar-Heft 1968 der Zeitschrift „Die Angestelltenversicherung" geschrieben hat, man müsse die Möglichkeit schaffen, auch in Zukunft auf die Befreiung zu verzichten? Diese Möglichkeit, sagt er wörtlich, muß stets — wie auch bisher — aus sozialpolitischen Gründen zugelassen werden, denn es wäre, so sagt er wörtlich, meines Erachtens nicht vertretbar, den Verzicht auf die Befreiung in späteren Jahren nicht mehr zuzulassen. Hier hat sich also offensichtlich der Standpunkt geändert.
Einen Augenblick! Herr Kollege Ruf, Ihre Frage ist meine Frage. Aber so lange darf sie nicht gestellt und so lange darf auch nicht zitiert werden.
Aber das Fragezeichen war ganz am Schluß, Herr Präsident.
Warum machen Sie eigentlich keine Aktuelle Stunde aus dieser hochaktuellen Sache?
Ich wollte die Aktuelle Stunde damit nicht strapazieren.
Aber ich muß eben hier auf die Geschäftsordnung sehen, und die ist ein Prokrustesbett.
Ich verspreche, Herr Präsident, daß die nächste Frage kürzer sein wird.
Herr Kollege Ruf, ich teile Ihre Ansicht nicht. Ich nehme auch nicht Bezug auf diesen Aufsatz, sondern ich nehme Bezug auf das, was zwischen den drei Stellen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bundesversicherungsamt und BfA gemeinsam in der Erklärung festgestellt worden ist. Ich glaube, es dient in der Tat dem Interesse des Angestellten, damit Klarheit herrscht und er nicht in Unkenntnis eines Tatbestandes eine Befreiung eingeht, weil er hofft, er könne zurückkehren, was dann später eventuell durch Gerichtsurteil nicht realisiert werden kann.
Herr Minister, Klarheit entsteht erst dann, wenn diese strittige Frage durch die Rechtsprechung entschieden ist. Sind Sie bereit, das zuzugeben?
Herr Kollege Ruf, ich bin selbstverständlich bereit, das zuzugeben. Das ist der Sinn eines Rechtsstaates.
Eine Sekunde, Herr Kollege Ruf! Sie sind jetzt bei der dritten!
Fragen müssen kurz gefaßt werden. Sehen Sie, das ist der Vorteil der Aktuellen Stunde. Das .ist auch eine Prokrustes-Geschichte. Neulich war auch die Aktuelle Stunde eigentlich viel zu kurz, um es offen zu sagen, für diese wichtigen Sachen, die wir behandelt haben. Aber es ist besser als die Fragestunde.
Herr Minister, sehen Sie nicht eine Schwierigkeit darin, daß wir einerseits dem Angestellten die Möglichkeit geben, sich zwischen der privaten Rentenversicherung und der Sozialversicherung zu entscheiden, daß er diese Entscheidung bis zum 30. Juni 1968 treffen muß, daß aber andererseits eine für die Beurteilung der Frage, wie er sich entscheiden soll, wichtige Klärung unter Umständen erst in einigen Jahren erfolgt, wenn der Rechtsweg erschöpft ist? Ist das nicht eine Schwierigkeit?
Katzer, Bundesminister für Arbeit und 'Sozialordnung: Herr Kollege Ruf ich gebe unumwunden zu, daß das eine Schwierigkeit ist. Das trifft aber, egal wie wir die Entscheidung treffen, in jedem Fall zu, auch für den Fall, daß wir so entschieden hätten, wie Sie es offenbar für wünschenswert halten.
Sie haben noch eine Frage, aber nachher.Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spitzmüller.
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7938 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Herr Minister, sind Ihre Ausführungen, die Sie eben gemacht haben, daß es kein Zurück in die Angestelltenversicherung mehr gibt, so zu verstehen, daß Sie der Meinung sind, daß auch dann, wenn eine Befreiung für eine mitarbeitende Ehefrau ausgesprochen ist, die Ehe in die Brüche geht und die Ehefrau ein Arbeitsverhältnis als kleine Angestellte eingeht, diese Ehefrau nicht mehr in die Angestelltenversicherung zurückkehren kann?
Herr Kollege Spitzmüller, diesen Fall habe ich noch nicht geprüft. Ich werde das aber gern tun lassen und Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen lassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger.
Herr Minister, gibt es auch für solche Beschäftigte, die heute im Ausland sind und erst nach dem 30. Juni 1968 aus dem Ausland zurückkehren und hier eine Beschäftigung aufnehmen, keine Befreiungsmöglichkeit?
Auch diese Frage muß ich im Hause prüfen lassen. Ich werde Ihnen gern eine schriftliche Mitteilung zukommen lassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Minister, weil Sie eben die Frage des Kollegen Geiger nicht beantworten konnten: Stimmen Sie mit mir darin überein, daß eine Fülle ungelöster Fragen zu einer großen Unruhe bei den Betroffenen geführt haben?
Ich stimme darin überein, daß, was bei einem solchen großen Gesetzgebungswerk naturgemäß ist, eine ganze Reihe von offenen Problemen entstanden sind. Diese werden wir im nächsten halben Jahr zu klären versuchen, und wir werden die Öffentlichkeit rechtzeitig informieren.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Kollegen Ruf.
Herr Minister, wie ist es zu erklären, daß es der Gesetzgeber für notwendig gehalten hat, in demselben Gesetz, im Finanzänderungsgesetz 1967, bei der Krankenversicherung expressis verbis auch die Möglichkeit eines späteren Verzichts auszuschließen, während das bei der Rentenversicherung nicht der Fall ist? Hier hat der Gesetzgeber geschwiegen.
Herr Kollege Ruf, ich habe Ihnen schon gesagt: Sie sind der Gesetzgeber, der geschwiegen hat. Ich bemühe mich jetzt, Ordnung in die Dinge hineinzubekommen und Klarheit für die Angestellten zu schaffen. Das war, glaube ich, das Gebot der Stunde in diesen Dingen. Das haben wir versucht und, glaube ich, erreicht.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger.
Herr Minister, würden Sie in den Bereich Ihrer Prüfungen auch mit einbeziehen, ob die Frage . eventuell durch eine gesetzliche Änderung zu regeln ist?
Ich will das selbstverständlich gern in den Bereich der Überprüfung einbeziehen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß durch die bisherige Behandlung dieser ganzen Fragen ein wenig der Eindruck einer gewissen Willkür bei den Betroffenen entstanden ist?
Nein, dieser Auffassung bin ich keineswegs, Herr Kollege. Ich glaube, ich habe hinreichend deutlich gemacht, daß es gerade darum ging, widersprechende Auffassungen zu klären und klarzustellen, wie die Rechtsauffassung der Bundesregierung ist. Wenn jemand damit nicht einverstanden ist, hat er die in einem Rechtsstaat gegebenen gerichtlichen Möglichkeiten, um dagegen anzugehen. Dann werden die Dinge endgültig entschieden. Ich glaube, anders kann man nicht verfahren.
Frage 26 des Herrn Abgeordneten Bauer .
Der Herr Abgeordnete Bauer ist nicht im Saal? — Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr! Herr Staatssekretär, diese Fragen überschneiden sich alle miteinander nicht mit den Vorlagen, die wir nachher behandeln?
Nein, Herr Präsident.
Gut. Dann können wir starten. Frage 33 des Herrn Abgeordneten Picard:Wann wird die Bundesregierung die vorn Bundesverkehrsminister laut Protokoll des Deutschen Bundestages vom 13. Oktober 1967 angekündigte Verordnung zur Entgiftung der Autoabgase erlassen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7939
Herr Kollege, der Entwurf einer Rechtsverordnung mit dem ersten Teil von Vorschriften zur Verminderung der Luftverunreinigung durch Kraftfahrzeugabgase liegt zur Zeit dem Bundesminister der Justiz zur Prüfung der Rechtsförmlichkeit vor und wird anschließend dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden.
Ein weiterer Vorschriften-Entwurf, mit dem das Abgasverhalten der Kraftfahrzeuge bei wechselnden Fahrzuständen festgelegt werden soll, wird gegenwärtig mit den Bundesländern abgestimmt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, finden Sie es angesichts der Tatsache, daß sich Ihr Haus seit Jahren mit diesen Fragen beschäftigt, nicht unbefriedigend, daß wir in der Bundesrepublik diesem Problem noch lange nicht so nahegekommen sind wie das eine oder andere Land?
Herr Kollege, die Dinge sind technisch außerordentlich schwierig. Aber die Bundesregierung teilt Ihre Auffassung, daß sie bald einer Lösung zugeführt werden müssen, und ich kann Ihnen sagen, daß im Sommer dieses Jahres mit dem Erlaß dieser Vorschriften zu rechnen sein wird.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, im November 1966 hat Ihr Haus diese Vorschrift für den 1. Januar 1968 in Aussicht gestellt. Darf ich Ihre jetzige Zusicherung so aufnehmen, daß man einen entsprechenden Toleranzraum auch jetzt wird in Rechnung stellen müssen?
Herr Kollege, da in diesen Dingen nicht unser Haus allein zuständig ist, sondern auch andere Häuser beteiligt werden müssen, und da hier mit den Ländern gewisse Absprachen zu treffen sind, möchte ich diese Toleranz in Anspruch nehmen. Aber ich möchte unterstreichen, daß sich die Bundesregierung der besonderen Bedeutung dieses Problems bewußt ist und alles tun wird, um die Dinge möglichst bald zu regeln.
Nun die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Jung:
Trifft es zu, daß die Deutsche Bundesbahn Mittel aus dem Investitionshaushalt, die zur Konjunkturbelebung der deutschen Wirtschaft bestimmt sind, dafür verwendete, Holz aus dem Ausland anzukaufen?
Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn hat im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms sämtliche Aufträge für Holzschwellen über ca. 3 Millionen DM ausschließlich an deutsche Firmen erteilt. Diese lieferten deutsches Holz mit Ausnahme einer geringen Menge von 5 %, die aus Termingründen — der deutsche Schwellenmarkt war bereits weitgehend aufgekauft — aus dem Ausland bezogen werden mußte.
Zusatzfrage? — Keine Zusatzfrage. Nächste Frage 35 des Herrn Abgeordneten Jung:
In welchem Umfang wurde bei der Ausschreibung des Bundesbahn-Zentralamtes in München am 14. Dezember 1967 über 1450 cbm Kiefern- und 1900 cbm Laubholz die deutsche Sägeindustrie berücksichtigt?
Der Umfang der Auftragserteilung auf Grund der Ausschreibung des Bundesbahn-Zentralamtes München vom 14. 2. 1967 wurde nachträglich erhöht. Aufträge über 1985 cbm Nadelholz und 3220 cbm Buchenholz wurden an deutsche Händler und die deutsche Sägeindustrie erteilt. Das Verhältnis ist etwa 93 und 7'0/0. Das Holz wurde vollständig aus dem Inland geliefert. Lediglich ca. 900 cbm von insgesamt 1275 cbm Pappelholz kamen aus dem Ausland, da der deutsche Markt nicht liefern konnte. Vertragspartner waren zu 22 % die deutsche Sägeindustrie und zu 78 % deutsche Händler.
Keine Zusatzfrage. Frage 36 des Herrn Abgeordneten Ramms:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, im Bedarfsfall auch in der Nähe der Autobahn Hinweisschilder auf nahegelegene Motels bzw. Raststätten anzubringen, die nicht der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen mbII gehören?
Herr Kollege, die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, an der Bundesautobahn Hinweisschilder auf Gaststätten und Motels anzubringen, die in der Nähe der Autobahn liegen. Die noch immer wachsenden Unfallzahlen zwingen dazu, auf der Autobahn jede unnötige Beschilderung zu vermeiden. Wird durch Autobahnschilder auf Gaststätten und Motels hingewiesen, die abseits der Schnellverkehrsstraße in der Nähe einer Ausfahrt liegen, könnte eine solche Vergünstigung nach dem Gleichheitsgrundsatz keinem Gaststättenbetrieb im Einzugsbereich solcher Ausfahrten verweigert werden.
Zusatzfrage!
Gilt diese Auffassung auch dann, wenn vom Parkplatz aus dieses Motel einen eigenen Anfahrtsweg hat?
Ja, ich würde das bejahen. Ich muß aber darauf hinweisen, daß wir uns mit der Frage beschäftigen, ob nicht auf Parkplätzen diese Hinweisschilder auf nahe gelegene Motels in naher Zukunft angebracht werden sollen. Wir sind nur der Meinung, daß keine den Verkehr störende Beschilderung an der Straße direkt aufgestellt wer-
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7940 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Börnerden sollte. Aber diese Frage, die Sie gestellt haben, werden wir in unseren Überlegungen zu diesem Punkt mit einbeziehen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leisler Kiep.
Hält die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, es nach wie vor für sinnvoll, sozusagen schematisch am 1. Oktober an bestimmten Stellen der Autobahn Glatteiswarnschilder aufzustellen und sie dann am 1. Mai wieder abzubauen, nachdem Sie gerade auf die unnötige Aufstellung von Schildern hingewiesen haben?
Ja, Herr Kollege, die umgekehrte Situation wäre dann gegeben, wenn wir das nicht tun würden und plötzlich in der Nacht durch einen Witterungsumschwung Glatteis käme und kein Schild stände. Dann ergäben sich bedeutende haftungsrechtliche Probleme. Ich gebe zu, daß diese von Ihnen genannte Tatsache nicht immer sehr wünschenswert ist; aber wenn Sie berücksichtigen, daß dabei Personalfragen eine Rolle spielen, daß es auch nicht ganz leicht ist, unter fließendem Verkehr dauernd die Schilder auszuwechseln, daß das eine hohe Unfallgefahr für die Bediensteten bedeutet, würde ich sagen: Eine solche Beschilderung, wie sie jetzt durchgeführt wird und innerhalb der Zeit, in der Glatteis möglich ist, den Fahrer auf besondere Vorsicht in bestimmten Gebieten der Autobahn aufmerksam macht, ist besser als die andere Lösung.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leisler Kiep.
Dann darf ich unterstellen, Herr Staatssekretär, daß die Schilder hauptsächlich aus Haftungsgründen aufgestellt werden?
Nein, zur Vorsorge für Kraftfahrer. Ich bin mit Ihnen sicher einer Meinung, Herr Kollege, daß es wünschenswert wäre, wenn auch auf der Autobahn noch weniger Unfälle passierten, als ,es heute der Fall ist.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Gemmingen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der ADAC von sich aus bei Auftreten von Glatteis diese Warnschilder aufstellen wollte?
Herr Kollege, das entbindet uns nicht von unseren Verpflichtungen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 37 des Abgeordneten Ramms:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß es zur Ersparnis von Verwaltungsaufwand und Kosten beitragen würde, wenn außer den vier an der Küste gelegenen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Hamburg, Bremen, Aurich und Kiel auch die sogenannten Binnendirektionen, die ja z. B. an Rhein und Ruhr auch Fahrpatente für die Berufsschiffahrt erteilen, .mit der Beaufsichtigung der Prüfungen für den Motorbootführerschein durch einen nautischen Beauftragten betraut würden?
Herr Kollege, ich beantworte die Frage mit Nein. Die gegenwärtige Regelung wird für rationell gehalten. Die vier für das Küstengebiet zuständigen Wasser- und Schiffahrtsdirektionen sind nach § 5 der Motorbootführerscheinverordnung nicht nur mit den Aufsichtsaufgaben betraut, sondern haben auch für jeden Prüfungsausschuß einen der beiden Beisitzer zu stellen. Dezernenten mit den dazu erforderlichen Kenntnissen und Erfahrungen gibt es gegenwärtig nur bei den genannten vier Direktionen. Nennenswerte Reisekosten entstehen im übrigen nur bei der Wasser-und Schiffahrtsdirektion Bremen, der die beiden Prüfungsausschüsse München und Wiesbaden zugewiesen worden sind; die Kosten werden durch Zusammenlegung einer möglichst großen Zahl von Bewerberprüfungen gering gehalten und durch die dem Bund zufließenden Gebührenanteile gedeckt. Die Entwicklung der Prüfungstätigkeit wird genau beobachtet, damit später entschieden werden kann, ob es sich lohnt, auch mindestens einer Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Binnenbereichs einen Dezernenten mit dem erforderlichen Fachwissen zuzuweisen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß an der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Münster ein Nautiker, nämlich Herr Kapitän Denker, sitzt, der die Prüfungen für die Benutzung der unteren Ems und des Dollart für die Frachtschiffahrt abnimmt?
Ja, das ist mir bekannt.
Zweite Zusatzfrage.
Sind Sie nicht auch meiner Meinung, daß auch hier die Möglichkeit bestehen könnte, die Motorbootführerschein-Prüfung abzunehmen?
Herr Kollege, wir wollen das gern prüfen. Ich habe ja in meiner ersten Antwort deutlich gemacht, daß wir nach der Einführung dieses Führerscheins mit einem gewissen, wie wir meinen, kostensparenden Schema arbeiten wollen, daß wir aber bereit sind, nach einer gewissen Erfahrungszeit die Dinge zu ändern. Ich bitte Sie um Verständnis, wenn wir heute einen solchen Vorschlag noch nicht verwirklichen können. Aber ich möchte Ihre Überlegung mit in unsere zukünftigen Bemühungen einbeziehen.
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Frage 38 des Herrn Abgeordneten Ramms:
Warum läßt das jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Gutachten der „Treuarbeit" über Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Omnibusbetrieb von Bahn und Post entgegen dem Antrag auf Drucksache V/701 die privaten Omnibusunternehmen völlig unberücksichtigt, die rund 30 % aller Orts-, Nachbarorts- und Überlandlinien und ca. 80 % aller Berufsverkehre besitzen?
Herr Kollege, es trifft nicht zu, daß das Gutachten der „Treuarbeit" die privaten Omnibusunternehmen unberücksichtigt läßt. Bei den mehrfachen Besprechungen mit der „Treuarbeit" ist ihr im Hinblick auf die Bundestagsdrucksache V/301 aufgegeben worden, die Interessen der privaten Omnibusunternehmen zu berücksichtigen, soweit dies im Zusammenhang mit dem Omnibusdienst der Deutschen Bundespost und der Deutschen Bundesbahn erforderlich ist.
Die „Treuarbeit" hat diesem Auftrag entsprochen. Sie stellt fest, daß die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost einerseits und den privaten Unternehmen andererseits für beide Seiten erhebliche Vorteile bringt. Sie schlägt vor, den Einsatz privater Unternehmerfahrzeuge noch weiter zu verstärken.
Eine Zusatzfrage.
Sehen Sie eine Möglichkeit, uns dieses Gutachten in seiner ganzen Breite zur Kenntnis zu bringen?
Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen, daß der Herr Bundesminister für Verkehr das Gutachten dem federführenden Verkehrsausschuß und dem Postausschuß des Bundestages übersandt hat. Der Postausschuß hat sich mit dem Gutachten bereits in mehreren Sitzungen beschäftigt. Außerdem werden der Bundesminister für Verkehr und der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen einen gemeinsamen Bericht an beide Ausschüsse erstellen. Die Bundesregierung wird sich mit diesem Bericht demnächst befassen.
Die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet:
Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung gesichert, daß mit der Verkehrsübergabe des Schweinfurter Kreuzes auch die Ortsumgehung Schwebheim im Zuge des Autobahnzubringers nach Gerolzhofen—Wiesentheid fertig sein wird und damit der gesamte Zubringer dem Verkehr übergeben werden kann?
Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders:
Welche Mengen Auftausalze werden durchschnittlich im Winterdienst auf den deutschen Straßen verbraucht?
Herr Kollege, im Winter 1966/67 wurden je Kilometer Bundesstraße durchschnittlich 4,56 Tonnen und je Kilometer doppelbahniger Autobahn einschließlich der Nebenfahrbahnen und Anschlußstellen 16,9 Tonnen Auftausalz verbraucht.
Nächste Frage, Frage 41 des Abgeordneten Dr. Enders:
Teilt die Bundesregierung die Befürchtungen von Gemeinden an Steigungsstrecken der Bundesautobahn, daß durch die Verwendung von Auftausalzen eine Erhöhung des Chloridgehaltes im Trinkwasser der Schürfquellen auftritt und Versalzung des Grundwassers droht?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß durch die Verwendung auftauender Stoffe zur Glättebekämpfung der Chloridgehalt des Grundwassers erhöht wird, weil das von der Autobahn ablaufende Wasser nur einen minimalen Salzanteil enthält und in besondere Entwässerungen abgeleitet wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, wird dieses von den Bundesautobahnen abfließende Wasser geklärt, bevor es in den fließenden Wasserstrom gerät?
Nein, es wird durch normale Dränage in die Vorfluter und von dort in die entsprechenden Oberflächengewässer abgeleitet.
Nächste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Enders, Frage 42:
Mit welchen Maßnahmen werden schädliche Folgen von Auftausalzen verhindert?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, es sind bisher keine Maßnahmen getroffen worden, um schädliche Folgen auf das Grundwasser zu verhindern, weil sie nach unserer Auffassung nicht zu befürchten sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung sicher, daß auch keine Folgen für Mikroflora oder Mikrofauna entstehen können?
Nach unseren gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen möchte ich die Frage bejahen.
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Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Enders.
Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, oder ist die Bundesregierung bereit, wenn sich doch eine Erhöhung des Chloridgehalts im Trinkwasser als Folge der Verwendung der Auftausalze herausstellen sollte, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Schäden zu beseitigen?
Wenn sie durch unsere Maßnahmen, von denen Sie sprachen, also durch Auftausalze auf den Autobahnen verursacht werden sollten, selbstverständlich! Aber wir müssen auf Grund der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse eindeutig verneinen, daß das der Fall ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller .
Herr Staatssekretär, in welcher Millionenhöhe entstehen durch die Verwendung von Auftausalzen Schäden an Kraftfahrzeugen?
Herr Kollege, jedes Kraftfahrzeug hat im Laufe seines Lebens — wenn Sie bei einer technischen Vorrichtung diesen Vergleich gestatten — mancherlei Belastungen auszuhalten. Sie entstehen nicht nur durch Salz oder durch holprige Straßen, sondern manchmal auch durch die Fahrweise des betreffenden Führerscheininhabers.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller .
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß durch die verstärkte Verwendung von Salzen in dien letzten Jahren ein wesentlicher Beitrag zur Konjunkturstützung der Automobilindustrie geleistet worden ist?
Herr Kollege, wir können uns in unseren Maßnahmen, was die Sicherheit betrifft, nicht von den Wünschen einzelner Industriezweige leiten lassen. Die einzige Alternative, die es hier gäbe und die sicher mit Recht sehr umstritten ist, wäre die stärkere Verwendung von Splitt auf den Autobahnen. Ich bin nicht sicher, daß das eine geringere Wirkung auf das Fahrzeug und auf die Fahrsicherheit hätte als die Verwendung von Salz.
Frage 43 des Abgeordneten Dr. Friderichs:
Nach welchen Kriterien erfolgt die Auftragserteilung von Druckerzeugnissen durch Bundesministerien?
Die Fragen des Abgeordneten Dr. Friderichs werden von dem Abgeordneten Mertes übernommen.
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Druckwerke werden auf vertraglicher Grundlage unter Beachtung der Verdingungsordnung für Leistungen vergeben.
Keine Zusatzfragen.
Nächste Frage des Abgeordneten Dr. Friderichs, Frage 44:
Hat das Bundesverkehrsministerium mehrere Angebote eingeholt und daraufhin das kostengünstigste berücksichtigt, indem es Druck und Verlegung der Broschüre „Das verkehrspolitische Programm im Spiegelbild der öffentlichen Meinung" dem „Neuen Vorwärts-Verlag" in Auftrag gab?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, das Bundesverkehrsministerium hatte zum Druck der Broschüre „Das Verkehrspolitische Programm im Spiegelbild der öffentlichen Meinung" fünf voneinander unabhängige Unternehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert. Der Zuschlag wurde auf das Angebot des „Neuen Vorwärts-Verlags" erteilt, da .es das wirtschaftlichste war.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, erfolgt in allen diesen Fällen immer nur eine beschränkte Ausschreibung?
Ja, es ist in diesem Falle eine beschränkte Ausschreibung erfolgt. Es sind u. a. drei Unternehmen mit Sitz im Zonenrandgebiet aufgefordert worden, sich zu bewerben, weil es der Politik der Bundesregierung entspricht, auch solche Betriebe bei Angeboten mit heranzuziehen.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Nach welchen Gesichtspunkten ist die Auswahl der Unternehmen bei diesen beschränkten Ausschreibungen erfolgt, Herr Staatssekretär?
Sie ist nach dem Gesichtspunkt erfolgt, daß sie genügend leistungsfähig sein müssen, um einen solchen Auftrag einschließlich des Versandes in kurzer Zeit zur Zufriedenheit abwickeln zu können. Dabei wird zurückgegriffen auf frühere Angebote oder auch auf bestimmte Bewerbungen von bestimmten Betrieben.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7943
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die abgegebenen Angebote, vor allem das des Anbieters, der dann den Zuschlag bekommen hat, vollständig gewesen sind?
Ja, das kann ich bestätigen.
Nächste Frage, Frage 45 des Abgeordneten Picard:
Ist die Bundesregierung bereit, den baldigen Bau einer zweiten Main-Brücke in Hanau vorzusehen, um die bis jetzt einzige Brücke zwischen Offenbach und Aschaffenburg zu entlasten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist, sofern die finanziellen Voraussetzungen gegeben sind, zum baldigen Bau einer neuen Mainbrücke in Hanau bereit. Hierzu muß jedoch zuvor mit der Stadt und den Gemeinden im Raume Hanau Klarheit über die Lage der Brücke und die Linienführung der beiderseits anschließenden Straßen bestehen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, trifft es . zu, daß die Stadt Hanau schon eine konkrete Vorstellung entwickelt hat, wo ihrer Auffassung nach die Brücke über den Main gebaut werden soll?
Herr Kollege, es ist richtig, daß ein Ingenieurbüro beauftragt wurde, die mögliche Linienführung der in Frage kommenden Straßen, die an die Brücke angebunden werden sollen, zu untersuchen. Es ist aber noch nicht sicher, welcher der beiden Vorschläge der engeren Wahl, wenn ich das einmal so definieren darf, nun hinsichtlich seiner technischen Möglichkeiten und der finanziellen Konsequenzen in Aussicht genommen werden kann. Wir stützen uns dabei auf Informationen der Auftragsverwaltung in Hessen, die sich bemüht, die Dinge in Zusammenarbeit mit der Stadt Hanau bald zum Abschluß zu bringen. Es ist aber keinesfalls so, daß ich Ihnen hier heute schon bestimmte Termine nennen könnte.
Frage 46 des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Kann die Bundesregierung nunmehr konkretes Zahlenmaterial darüber vorlegen, ob und, wenn ja, welche dauernden Kosteneinsparungen für die Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg unter Abzug der sich durch die Zusammenlegung mit der Bundesbahndirektion München ergebenden Mehrkosteni und Mehrbelastungen zu erwarten sind?
Sehr geehrter Herr Kollege, Ihre Frage beantworte ich mit „Nein, noch nicht", obwohl das etwas eigenartig klingen mag. Wie wir Ihnen auf Ihr Fernschreiben vom 2. Januar dieses Jahres mit Schreiben vom 10. Januar mitgeteilt haben, liegt uns zur Zeit noch kein vollständiges, abschließendes Zahlenmaterial vor. Der Bundesminister für Verkehr wird sich als der zuständige Fachminister für die Deutsche Bundesbahn mit der Frage der Kosten bei einer Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg erst befassen, wenn ihm ein entsprechender Antrag vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn vorgelegt wird. Bisher ist noch kein Verfahren zur Auflösung einer Bundesbahndirektion nach dem Bundesbahngesetz vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn eingeleitet worden.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann Aufklärung darüber geben, wie es möglich ist, daß auf der einen Seite nun zum drittenmal vom zuständigen Ministerium diese Antwort erteilt wurde, daß aber auf der anderen Seite seit Monaten seitens der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn Äußerungen über eine Auflösung zum 1. April oder 1. Juli abgegeben werden und darüber hinaus bereits Sozialpläne und Versetzungsverfügungen für Beamte von Augsburg nach München bestehen?
Herr Kollege, der Bundesminister für Verkehr wird im Anschluß an diese Fragestunde einige Grundsatzbemerkungen über die Zukunft der Deutschen Bundesbahn im Rahmen des verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung machen. Ich möchte deshalb die Zusatzfrage, die Sie gestellt haben, so beantworten: Bis jetzt liegen solche Weisungen des Bundesverkehrsministers nicht vor. Allerdings hat sich die Bundesbahn — und das ist gut so — in den vergangenen Monaten schon eine Reihe von internen Überlegungen über ihr zukünftiges Leistungsbild und auch über die Reorganisation ihrer Verwaltung machen müssen. Es ist möglich, daß durch unautorisierte Kräfte eine solche Darstellung in die. Öffentlichkeit gegeben worden ist, die aber noch keinesfalls als abgeschlossen betrachtet werden kann.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, muß ich das so verstehen, daß der Präsident der Deutschen Bundesbahn eine unautorisierte Kraft ist?
Nein, das müssen Sie nicht so verstehen, weil die Äußerungen, die Herr Professor Oeftering gemacht hat, in ihrem Wesensgehalt nicht dem entsprechen, was Sie in Ihre Zusatzfrage hineingelegt haben.
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Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, was kann daraus geschlossen werden, daß in der Öffentlichkeit bereits — entgegen Ihren vorigen Ausführungen, daß bezüglich der Bundesbahndirektion Augsburg noch keine Entscheidungen getroffen sind -von seiten des Präsidiums der Bundesbahn diskutiert wird, das Beschaffungsamt von Minden nach Augsburg zu verlegen?
Herr Kollege, ich habe eben darauf hingewiesen, daß der Bundesminister für Verkehr im Anschluß an diese Fragestunde dem Hohen Hause einige sehr ernste Bemerkungen zur Lage der Deutschen Bundesbahn vortragen wird. Darin sind auch die Überlegungen, die Sie jetzt ansprechen wollen, eingeschlossen.
Frage 47 des Herrn Abgeordneten Graaff!
Teilt die Bundesregierung die Feststellung des ADAC, daß die Wegweisung an den Straßen der Bundesrepublik mangelhaft und fast jedes zweite Schild und jede zweite Hinweistafel an wichtigen Kreuzungen und Abzweigungen zu beanstanden ist?
Herr Kollege, die Beschilderung an den Straßen bedarf einer ständigen Anpassung an die Bedürfnisse des Straßenverkehrs. Um den zunehmenden Verkehrsbelastungen und den höheren Fahrgeschwindigkeiten Rechnung zu tragen, wurde gerade die wegweisende Beschilderung in den letzten Jahren laufend verbessert.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Beschilderung der Straßen an manchen Stellen noch verbesserungsbedürftig ist. Das Aussehen, die Beschaffenheit und die Anbringung der Verkehrszeichen sind in der Anlage der Straßenverkehrs-Ordnung und in dem vom Bundesminister für Verkehr herausgegebenen Verzeichnis der Fern- und Nahziele an den Bundesautobahnen bzw. an den Bundesstraßen bundeseinheitlich geregelt. Wo und welche Verkehrszeichen anzubringen sind, bestimmen nach § 3 Abs. 4 der Straßenverkehrs-Ordnung die Straßenverkehrsbehörden, die, wie Sie wissen, Organe der Länder sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die betroffenen Länder, über die der ADAC gerade Auskunft gegeben hat, selber erklärt haben, sie würden sich freuen, wenn eine bundeseinheitliche Richtlinie auch für ihre Weisungen vorläge?
Herr Kollege, wir werden diese „Freude" in unseren praktischen Beratungen in den nächsten Wochen dringend gebrauchen können.
Ich rufe die nächste Frage auf — Frage 48 des Abgeordneten Graaff:
Ist die Bundesregierung bereit, als Konsequenz aus der Untersuchung des ADAC bundeseinheitliche Richtlinien für die Straßenbeschilderung zu erwägen, etwa auch in Form des Schweizer Systems der Fernstraßenauszeichnung?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, Einzelheiten der Beschilderung werden in der neuen Straßenverkehrs-Ordnung mehr als bisher behandelt. Für die Wegweisung an den Bundesfernstraßen sind neue Richtlinien in Arbeit. Sobald die Arbeiten abgeschlossen und mit den Länderverwaltungen beraten worden sind, werden die Richtlinien eingeführt. Damit ist noch im Laufe dieses Jahres zu rechnen.
Die letzte Frage des Herrn Abgeordneten Graaff —Frage 49—:
Wie steht die Bundesregierung zu der Frage der Aufnahme von reflektierenden Schildern in die Straßenverkehrs-Ordnung?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Nach geltendem Recht sind für alle Verkehrszeichen reflektierende, leuchtende oder beleuchtete Schilder zulässig. Für Warnzeichen ist diese Ausführung erwünscht. Es ist nicht beabsichtigt, diese Regelung zu ändern.
Frage 50 des Herrn Abgeordneten Balkenhol:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den überbezirklichen Charakter der Oberen Ruhrtalbahn, die in Hagen und auch später in Warburg den elektrifizierten Strecken angebunden ist, zu erhalten?
Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Kollegen Balkenhol zusammen beantworten zu können, wenn er damit einverstanden ist.
Bitte sehr. — Ich rufe dann zugleich die Fragen 51 und 52 des Herrn Abgeordneten Balkenhol auf:
Wie wird sichergestellt, daß die Obere Ruhrtalbahn ihre bisherige Bedeutung als Verbindungsstrecke Köln—Kassel nach Mitteldeutschland behält?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß man Haltestellen für D-Züge in Gemeinden von zentralörtlicher Bedeutung aufgeben sollte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, nach den hier bekannten Planungen der Deutschen Bundesbahn wird sich an dem überbezirklichen Charakter der Oberen Ruhrtalbahn nichts ändern. Es besteht deshalb für die Bundesregierung kein Anlaß, tätig zu werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Bedeutung der Strecke als Verbindung Köln—Kassel nach Mitteldeutschland.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7945
Parlamentarischer Staatssekretär BörnerDie Deutsche Bundesbahn ist darüber hinaus bemüht, ihr Verkehrsangebot auch auf dieser Strecke zu verbessern. So werden ab Fahrplanwechsel Mai 1968 einige Fernzüge beschleunigt, und damit wird eine beachtliche Verkürzung der Reisezeiten erreicht. Die Bundesbahn strebt diese Verbesserungen unter weitgehender Beibehaltung der bisherigen Zughalte an. Die Planungen hierüber sind noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage!
Hält die Bundesregierung den Abbau von zweigleisigen auf eingleisige Strecken und das Aufheben von Haltestellen an zentralen Orten für Maßnahmen, die den raumordnerischen Vorstellungen der Bundesregierung entsprechen?
Herr Kollege, man muß in diesem Fall davon sprechen, ob dem Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke auch mit einer eingleisigen Führung entsprochen werden kann und ob es in den nächsten Jahren auch mit dieser eingleisigen Strecke ausreicht. Das ist das Kriterium, um das es geht: Ich glaube nicht, daß die Verkehrsentwicklung in diesem Gebiet so ist, daß die nach dem Abbau des einen Gleises noch immer vorhandene Kapazitätsreserve in den nächsten Jahren ausgeschöpft werden müßte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz.
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wie groß die Unterhaltungskosten bei eingleisigen und zweigleisigen Strecken — gerade in diesem Verhältnis — sind, d. h. mit anderen Worten: würde der Abbau des einen Geleises so viel einbringen, daß die schlechtere Bedienung der Bevölkerung damit gerechtfertigt wäre?
Herr Kollege, das kann ich so generell nicht mit Ja oder Nein beantworten. Ich bin gern bereit, wenn Sie eine bestimmte Strecke im Auge haben oder wenn Sie die eben von Herrn Kollegen Balkenhol genannte Strecke meinen,
Ihnen schriftlich einige Angaben über die Möglichkeiten der Einsparung der Bundesbahn sowohl im personellen als auch im technischen Bereich mitzuteilen.
Ich rufe die Fragen des Herrn Abgeordneten Kulawig auf. — Herr Staatssekretär, einen Augenblick! Ich sehe, daß unter den Mündlichen Anfragen der Drucksache zu Drucksache V/2564 die Frage 136 des Herrn Abgeordneten Brück völlig den gleichen Sachverhalt anspricht. Können Sie sie gleich mit beantworten, oder wollen Sie die Antwort anschließend geben?
Herr Präsident! Wir waren im einzelnen auf die Beantwortung dieser Frage des Herrn Kollegen Brück heute noch nicht vorbereitet. Ich bin aber, da sie den gleichen Sachverhalt betrifft, bereit, sie anschließend zu beantworten.
Ich rufe also zunächst die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Kulawig auf:
Ist es zutreffend, daß durch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften der Klage des Königreichs der Niederlande gegen die Entscheidung der Hohen Behörde betreffend die Genehmigung von Als-ob-Tarifen der Deutschen Bundesbahn zugunsten der Saarwirtschaft stattgegeben worden ist?
Herr Kollege, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat am 8. Februar 1968 die von der niederländischen Regierung angefochtene Entscheidung der Hohen Behörde der Montangemeinschaft vom 20. Juli 1966 über die Als-ob-Tarife der Deutschen Bundesbahn aufgehoben, weil die Genehmigung nicht befristet war. Das Gericht hat die Sache an die Kommission als Rechtsnachfolgerin der Hohen Behörde zurückverwiesen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Deutsche Bundesbahn, falls die Europäische Kommission das von ihr verlangen sollte, die Tarife zeitlich begrenzen?
Herr Kollege, Sie werfen hier eine sehr schwierige Frage auf, in der die Bundesregierung — das wollte ich Ihnen auf die nächste Frage antworten — noch mit den zwei betroffenen Landesregierungen sprechen muß, so daß ich heute ergänzende Fragen zu diesem Sachverhalt mit Rücksicht auf die möglichen Verhandlungen an sich nicht beantworten möchte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Teilen Sie nicht trotzdem meine Auffassung, Herr Staatssekretär, daß der von der früheren Bundesregierung und von der Regierung des Saarlandes bisher an den Tag gelegte Optimismus hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Als-obTarife und der standortverbessernden Wirkung für die Saar-Wirtschaft sich offensichtlich als unbegründet herausstellt?
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7946 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Herr Präsident, vielleicht darf ich auf die nächste Frage eingehen; dann wird das klarer.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Kulawig auf:
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Urteil?
Herr Kollege, ich möchte auf Ihre zweite Frage folgende Antwort geben. Das Urteil des Gerichtshofs gibt der Bundesregierung keine Veranlassung, die Als-ob-Tarife aufzuheben. Welche Konsequenzen sich letzten Endes ergeben, läßt sich gegenwärtig noch nicht übersehen. Die Bundesregierung prüft zur Zeit die Sach- und Rechtslage und wird das weitere Vorgehen mit allen Beteiligten, insbesondere mit den Regierungen des Saarlandes und von RheinlandPfalz abstimmen.
Eine Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung, wenn sich eine zeitliche Begrenzung der von der Bundesbahn eingeräumten Tarife als unausweichlich erweisen sollte, andere Maßnahmen zur Verbesserung der Standortlage des Saarlandes ins Auge fassen und ebenfalls zum Gegenstand der Gespräche mit der Regierung des Saarlandes machen, Herr Staatssekretär?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist sich der schwerwiegenden wirtschaftspolitischen Problematik dieser Frage bewußt, und sie weiß, welche Zusammenhänge zwischen der Wettbewerbsfähigkeit der Saar-Wirtschaft und einer befriedigenden Lösung der Fragen, die Sie aufgeworfen haben, bestehen. Sie wird das in ihren Bemühungen berücksichtigen.
Herr Abgeordneter Brück, betrachten Sie damit Ihre Frage als beantwortet?
Nicht ganz, Herr Präsident. Ich wäre auf die Antwort gespannt.
Ich rufe die Frage 136 des Herrn Abgeordneten Brück . auf:
Was will die Bundesregierung unternehmen, um nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Februar 1968 die Als-ob-Tarife der Deutschen Bundesbahn für das Saarland dauerhaft zu gestalten?
Bitte sehr!
Herr Kollege, ich darf auf das verweisen, was ich soeben dem Kollegen Kulawig deutlich gemacht habe, nämlich• daß die Beantwortung dieser Frage noch von einer sehr eingehenden Prüfung auch des offiziellen Textes sowie der Sach- und Rechtslage abhängt, die sich durch dieses Urteil ergeben hat. Wir sind gern bereit, dem Hohen Hause in absehbarer Zeit unsere Meinung darüber mitzuteilen. Wir halten es aber nicht für zweckmäßig, in einer solchen Situation, wie sie jetzt gegeben ist, vor der Beratung mit der Landesregierung an der Saar und mit der Landesregierung Rheinland-Pfalz hier öffentliche Erklärungen abzugeben.
Eine Zusatzfrage!
Ist sich 'die Bundesregierung bewußt, daß hier Eile geboten ist, einfach deshalb, weil diese Entscheidung neue Unsicherheiten an der Saar geschaffen hat und den Bemühungen der Bundesregierung, eine bessere Wirtschaftsstruktur an der Saar zu schaffen, nicht gerade förderlich ist?
Das ist eine Frage, die weit über das Ressort des Verkehrsministers hinausgeht. Aber ich möchte hier für die Bundesregierung erklären, daß natürlich die Frage der Investitionstätigkeit an der Saar in engem Zusammenhang mit der befriedigenden Lösung der von Ihnen aufgeworfenen Frage gesehen werden muß. Wir werden uns deshalb bemühen, sobald wie möglich die angedeuteten Gespräche zu führen und zu einem befriedigenden Abschluß zu kommen.
Die Fragestunde ist beendet.Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:Beratung der Sammelübersicht 27 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen— Drucksache V/2509 —Ich frage, ob zu diesen Anträgen das Wort gewünscht wird. — Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird sonst das Wort gewünscht? — Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2509 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.Die Punkte 3, 4 und 5 werden morgen, Mittwoch, um 15 Uhr aufgerufen.Ich rufe den Punkt 6 und die Punkte 7 und 8 auf:6. a) Beratung des. von der Bundesregierung beschlossenen Verkehrspolitischen Programms für die Jahre 1968 bis 1972— Drucksache V/2494 —b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7947
Präsident D. Dr. Gerstenmaierzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs— Drucksachen V/2494, zu V/2494 —c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes—- Drucksachen V/2494, zu V/2494 —d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr" — Drucksachen V/ 2494, zu V/2494 —e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes— Drucksachen V/2494, zu V/2494 —7. Beratung der Anträge der • Fraktion der CDU/CSUbetr. verkehrspolitische Vorschläge— Drucksache V/ 2524 —a) Beratung des Antragsbetr. Sanierung der Deutschen Bundesbahn— Drucksache V/2524, Teil I —b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes— Drucksache V/2524, Teil II —c) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches— Drucksache V/2524, Teil III —d) Beratung des Antragsbetr. Änderung der Eisenbahn-Verkehrsordnung— Drucksache V/2524, Teil IV —e) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Straßenbenutzungsgebühr für schwere Lastfahrzeuge— Drucksache V/2524, Teil V —f) Beratung des Antragsbetr. Beseitigung von Autobahn-Engpässen— Drucksache V/2524, Teil VI —g) Beratung des Antragsbetr. Ausweitung des Sonntagsfahrverbotes— Drucksache V/2524, Teil VII —h) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes— Drucksache V/ 2524, Teil VIII — Beratung des Antrags betr. Kleingutverkehr— Drucksache V/2524, Teil IX —j) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes— Drucksache 2524, Teil X —k) Beratung des Antragsbetr. Sanierung der Binnenschiffahrt— Drucksache V/2524, Teil XI —1) Beratung des Antragsbetr. Finanzierung des Verkehrswegebaues in den Gemeinden— Drucksache V/2524, Teil XIIm) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes— Drucksache V/2524, Teil XIII — n) Beratung des Antragsbetr. Anpassung der Parkordnung an dieVerkehrsverhältnisse in den Gemeinden— Drucksache V/2524, Teil XIV —o) Beratung des Antragsbetr. baldige Verbesserung der Straßenverkehrsregelung— Drucksache V/2524, Teil XV —p) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes— Drucksache V/2524, Teil XVI —8. Erste Beratung des von den Abgeordneten Haage und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Erlaubnis zur Beförderung von Gütern im Werkverkehr— Drucksache V/2556 —Meine Damen und Herren, wir haben im Ältestenrat vereinbart, daß zunächst die Einbringung bzw. die Begründung der Vorlagen zu Punkt 6 durch die Bundesregierung, und zwar durch den Herrn Bundesverkehrsminister, erfolgt, danach die Begründung der Anträge der Fraktion der CDU/CSU und dann die Begründung zu Punkt 8. Daraufhin soll die gemeinsame Aussprache erfolgen.Also Punkt 6. Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige Wochen, nachdem ich mein Amt übernommen hatte, war mir klar, daß wir in der Lage, in der wir uns befanden, die Probleme unseres Verkehrswesens nicht mehr mit partikularen Lösungen bewältigen konnten. Die Bundesregierung hat mir dann auch bald nach der
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7948 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Bundesminister LeberAufnahme ihrer Tätigkeit den Auftrag zur Vorlageeines alle Verkehrsträger umfassenden Programms gegeben. Wir waren uns bewußt, daß bei dem Viersuch einer Reform nicht nur erhebliche Allgemeininteressen im Spiele sind, sondern auch menschliche Schicksale und wirtschaftliche Existenzen berührt werden. Das verpflichtet zu Sorgfalt und zu gewissenhafter Überlegung.Das Programm ist nun seit September im Gespräch. Es hat die große Debatte der Verkehrsprobleme nicht nur in unserem Lande, sondern auch in Europa — das steht heute schon fest — nicht nur ausgelöst, es hat ihr auch neue Impulse gegeben. Bei der Bedeutung der Maßnahmen ist es nicht verwunderlich, daß die Auseinandersetzung auch mit Leidenschaft und mit dem finanziellen und organisatorischen Rückgrat großer und kampfkräftiger Gruppen geführt wird.Des Zusammenhanges wegen ist es sicher gut, wenn ich dem Hohen Haus einen kurzen Überblick über die Lage unseres Verkehrswesens gebe.Die Deutsche Bundesbahn hat von Jahr zu Jahr Verkehr verloren. Ihre Kapazität ist nicht ausgelastet. Viele Strecken erbringen nicht einmal einen Betrag, der die Hälfte der Kosten trägt. Die Gesamtschuldenlast betrug am 31. Dezember 1967 rund 18,5 Milliarden DM.Die Leistungen des Bundes an die Deutsche Bundesbahn stiegen von 882 Millionen DM 1960 auf 3095 Millionen DM im Jahre 1967. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen in der Hauptsache erstens in den großen Strukturveränderungen unserer Wirtschaft. Die Deutsche Bundesbahn ist besonders von der Kohlenkrise betroffen und hat durch ihre eigenen Elektrifizierungsmaßnahmen subjektiv sogar dazu beigetragen. Zweitens ist die Entwicklung wesentlich begründet durch die Abwanderung vieler Leistungen auf den Lkw- und den Pkw-Verkehr auf der Straße.Demgegenüber hat der Straßenverkehr von Jahr zu Jahr zugenommen. Der Bestand an Personenkraftwagen stieg auf rund 11 Millionen, der Bestand an Lastkraftwagen stieg auf rund 900 000 Fahrzeuge.Wir haben unter den großen Nationen der Welt den Weltrekord an Unfällen und haben diesen Rekord auch 1967 wieder erhöht. Was das neben dem menschlichen Leid auch ökonomisch bedeutet —17 500 Unfalltote, 475 000 Körperschäden mit zum Teil schlimmen Folgen und 7 Milliarden DM Sachschaden pro Jahr, der durch diese Unfälle auf unseren Straßen hervorgerufen wird —, brauche ich dem Hohen Haus nicht besonders darzustellen.Ich vermag nicht zu glauben, daß eine solche schlimme Bilanz zuerst darin ihre Ursachen hat, daß unsere Autofahrer schlechter fahren, daß unsere Verkehrsregeln schlechter sind oder weniger beachtet werden als anderswo oder daß unsere Autos weniger gut konstruiert sind als die Kraftfahrzeuge in anderen Ländern. Was uns von anderen Ländern zuerst unterscheidet, ist die Tatsache, daß in der Bundesrepublik Deutschland über einen Kilometer Straße im Jahr rund 400 000 Fahrzeuge fahren, während sich z. B. in Frankreich nur 100 000 Fahrzeuge über die gleiche Straßenstrecke bewegen. Dabei hat die Bundesrepublik Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten neben den Vereinigten Staaten von Amerika an der Spitze aller Straßenbau treibenden Länder der Welt gelegen. Wenn man in Frankreich heute trotzdem von einer Verkehrsmisere spricht, ist das Wort „Notstand" im Verhältnis zu dem, was in Frankreich ist, zur Kennzeichnung unserer Situation sicher nicht unangemessen.Bei allen Vergleichen mit dem Ausland und bei aller Betrachtung unserer Maßnahmen vom Ausland her muß man diese typisch deutsche Situation, die es in keinem anderen Land so gibt, mit betrachten.Ich möchte das, was ich zur Lage zu sagen habe, so zusammenfassen:Wir leisten uns in der Bundesrepublik einen ausgesprochenen Verkehrsluxus. Auf der einen Seite haben wir leerstehende Eisenbahnkapazitäten mit hohen defizitären Auswirkungen, die durch Zuschüsse der öffentlichen Hand jährlich in Milliardengröße abgedeckt werden müssen. Auf der anderen Seite haben wir einen ständig wachsenden Güterverkehr auf unseren Straßen, der Straßenbaumaßnahmen ebenfalls in Milliardengröße auslöst, ohne daß eine Aussicht besteht, daß wir damit jemals das Problem der Ordnung auf unseren Straßen bewältigen können.Ich darf nun die von der Bundesregierung für notwendig erachteten, im einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen erläutern.Ein weiteres Abwarten ist angesichts der Ihnen allen bekannten Entwicklungen nicht mehr zu verantworten.
Dabei müssen wir den Güterverkehr der Eisenbahn, der Straße und der Binnenschiffahrt in seiner Problematik als eine Einheit ansehen.Zunächst zur Deutschen Bundesbahn. Solange die Eisenbahn nicht auf eine gesunde wirtschaftliche und finanzielle Basis gestellt ist, werden sich auf dem Binnenverkehrsmarkt geordnete Verkehrsverhältnisse nicht herausstellen. Deshalb muß einer der Schwerpunkte der zu treffenden Maßnahmen bei der Deutschen Bundesbahn liegen.Die Bundesregierung schlägt im einzelnen vor:Erstens. Bis zum Jahre 1972 wird der Personalbestand der Deutschen Bundesbahn im Vergleich zum 1. Januar 1967 um 82 000 Beschäftigte vermindert werden. Dies ist eine Zurückführung des Personalstandes, saldiert um 82 000 Personen; das heißt, in Wirklichkeit wird das, was von der Bundesbahn abzugehen hat, höher sein als 82 000, weil in den gleichen Jahren, in denen sich diese Entwicklung vollzieht, auch junge, auf die spezifischen künftigen Bedürfnisse der Bundesbahn geschulte Kräfte neu aufgenommen werden müssen. Das soll geschehen, ohne daß es zu Entlassungen kommt. Ich kann aber nicht verschweigen, daß es im Einzelfall zu Härten kommen wird und daß den Eisenbahnern Opfer zugemutet werden. Global wird die Verminderung
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7949
Bundesminister Leberder Beschäftigtenzahl durch Nichtwiederbesetzung von Dienstposten, die durch Pensionierung oder Fluktuation frei werden, erreicht. Im einzelnen wird es nicht zu vermeiden sein, daß Tausenden von Beschäftigten Umsetzungen und Ortswechsel mit allen familiären Folgen zugemutet werden. Ich habe die Bundesbahn aufgefordert, bei personellen Umsetzungen Sozialpläne zu entwickeln, die mit den Personalvertretungen und den Gewerkschaften abgestimmt sind, damit auf diese Weise erreicht wird, daß soziale Härten soweit wie möglich vermieden werden.Die Deutsche Bundesbahn vollbringt den größten Teil ihrer Verkehrsleistungen heute auf elektrifizierten Strecken. Sie braucht also bei weitem nicht mehr alle Werkstätten, die einstmals Dampflokomotiven repariert haben. Das bedeutet, daß alle Werkstätten, die nicht mehr benötigt werden, geschlossen werden müssen.In der Verwaltung, in Direktionen und Ämtern sind einschneidende Maßnahmen zum Zwecke der Verringerung des Verwaltungsaufwands und der Rationalisierung erforderlich. Im Zuge einer Neueinteilung der Direktionsbereiche sollen daher von 16 Bundesbahndirektionen zunächst sechs geschlossen werden. Nach der mir vorliegenden Planung sind dies die Direktionen Augsburg, Regensburg, Mainz, Kassel, Wuppertal und Münster. Die beiden Bundesbahnzentralämter sollen zusammengelegt werden, wobei nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn das Zentralamt Minden mit dem Zentralamt in München vereinigt wird. In diese Maßnahmen wird auch die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn einbezogen werden.Neben dieser organisatorischen Konzentration soll das Netz der Deutschen Bundesbahn verkleinert werden. Auf rund 6500 km Schienenstrecke soll der Betrieb im Güter- und Personenverkehr entweder ganz oder teilweise eingestellt werden. Bei der Streckenstillegung wird das im Bundesbahngesetz vorgesehene Verfahren eingehalten.Im Zonenrandgebiet werden durch ein besonderes Vorgehen diejenigen Strecken ausgesondert, die, obwohl sie nie wirtschaftlich geworden sind, aus übergeordneten politischen Gründen aufrechterhalten werden müssen. Die Deutsche Bundesbahn erhält in diesen Fällen ohne den bürokratischen Vorgang der Vergangenheit die notwendigen finanziellen Ausgleichszahlungen.Es wird keine Strecke stillgelegt, die noch halbwegs wirtschaftlich ist. Es werden nur solche Strekken zur Stillegung vorgesehen, bei denen die Verladerschaft und die Fahrgäste selbst die Entscheidung schon heute dadurch getroffen haben, daß sie von der Bundesbahn abgewandert sind. Der Deutschen Bundesbahn verbleiben auf diesen Strecken nur spärliche Restverkehre, die ein mit hohen Kosten verbundenes Vorhalten von baulichen Anlagen, Material und menschlicher Arbeitskraft nicht länger rechtfertigen.Die Stillegung der Strecken vollzieht sich in drei Stufenplänen, die bis zum 31. Dezember 1968 entweder durchgeführt sind, oder für die die Stillegungsverfahren bis zu diesem Datum eingeleitet worden sind. Insgesamt sollen rund 3000 km Strekken im Reisezugverkehr und etwa 3500 km Strecken im Reisezug- und Güterverkehr stillgelegt werden. Zur Zeit sind davon bereits 1000 km stillgelegt. Leider handelt es sich dabei nicht nur um sogenannte Nebenstrecken; vielmehr sind in die Strekkenauswahl dabei auch schon verkehrsschwache Hauptstrecken miteinbezogen worden.Diese Maßnahmen schneiden tief in den Körper der Deutschen Bundesbahn ein. Ich bin mir bewußt, daß das, was ich hier ausspreche, eine Fülle von Veränderungen in den Lebens- und Arbeitsbedingungen, in den Lebens- und Arbeitsgewohnheiten für zirka 20 000 Eisenbahner bedeutet. Ich muß alle Bediensteten der Deutschen Bundesbahn bitten zu verstehen, daß es sich nicht um eine leichtfertige und unüberlegte und vielleicht auch nicht nötige Entscheidung handelt, sondern um unabweisbare Erfordernisse, um die Deutsche Bundesbahn aus der Sackgasse, in die sie geraten ist, herauszubringen. Operationen sind nun einmal schmerzhaft, aber ohne sie gibt es keine Gesundung, auch keine Gesundung bei der Deutschen Bundesbahn.
Auf den Einwand, solche Pläne gebe es schon seit vielen Jahren und das seien zum Teil „olle Kamellen", kann ich vor dem Hohen Hause nur sagen: wenn vor fünf Jahren — oder wielange es solche Pläne gibt — solche Entscheidungen getroffen worden wären, wäre es wahrscheinlich weniger schmerzvoll gewesen, sie durchzuführen.
Solche Entscheidungen jetzt nicht treffen, heißt nicht, sie endgültig vermeiden, denn in wenigen Jahren würden sie dann unter noch viel schwieriger gewordenen Bedingungen getroffen werden müssen. Wer die Einsicht zum Handeln an diesem Punkt jetzt nicht aufbringt, riskiert eines Tages in einer unabweisbar gewordenen Lage schwarze Fahnen auf Bahnhöfen und Dienststellen unserer Eisenbahnen. Dafür gibt es Vorbilder in diesem Lande.Ich möchte aber nicht nur bei den Eisenbahnern, sondern ebenso nachdrücklich bei den Mitgliedern dieses Hohen Hauses, bei allen Landesregierungen und Parlamenten und bei allen Behörden um Verständnis bitten. Ich möchte Sie um aktive Mithilfe und um aktives Zusammenwirken bei der Lösung dieser Probleme bitten. Wir kommen nicht damit weiter, daß man allgemein eine Korrektur an der Deutschen Bundesbahn fordert, aber im Konkreten das, was in der eigenen Stadt, im eigenen Wahlkreis vor sich gehen soll und was das eigene Land betrifft, ablehnt und bekämpft.
Wenn die Eisenbahn wirtschaftlicher werden soll, muß sie sich entsprechend den veränderten Bedingungen den wirtschaftlich veränderten Tatbeständen anpassen können.
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7950 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Bundesminister LeberIch sage das nicht allgemein, sondern aus dem Erleben der letzten Monate.Die letzte Strecke, für die ich vor ein paar Tagen die Genehmigung zur Stillegung gegeben habe, ist 20 km lang. Die Aufwendungen der Deutschen Bundesbahn für den Betrieb dieser Strecke betragen pro Tag 2000 DM. Die zuständige Landesregierung hat ihre Zustimmung nicht erteilt. Auf der Strecke werden in Kleinwaggons 5,6 Wagenladungen pro Tag gefahren, zum Teil Tonerde und ähnliche Produkte. Wenn ich den Wert dieser Wagenladungen ins Verhältnis setze zu den Zuschüssen der Deutschen Bundesbahn für das Fahren dieser Güter, dann habe ich den Eindruck, daß die Zuschüsse zum Teil höher sind als der Warenwert, der befördert wird.
Die Landesregierung hat nicht zugestimmt. Sie wird es daher auch leichter haben, wenn die lokale Kritik kommt, und sie wird nach Bonn zeigen können. Ich bin aber sicher, daß die gleiche Landesregierung genauso handeln würde wie die Bundesregierung und genauso handeln müßte, wie wir es tun, wenn das Defizit für den Weiterbetrieb einer so unwirtschaftlich gewordenen Strecke von dieser Landesregierung getragen werden müßte.
Ich sage das nicht mit kritischem Unterton, sondern verbunden mit der Bitte, daß wir uns bei der Lösung dieser schweren Aufgabe das Leben nicht schwer machen, sondern uns gemeinsam dabei etwashelfen.Die Deutsche Bundesbahn wird gleichzeitig ihr Leistungsangebot in kommerzieller, betrieblicher und technischer Beziehung nachhaltig verbessern. In der Auseinandersetzung um das Programm ist von manchen Seiten bewußt die Skepsis verbreitet worden, die Eisenbahn sei zu unmodern und zu unbeweglich, um die ihr zugedachten Aufgaben meistern zu können. Diejenigen, die das behaupten, dürfen dabei aber nicht übersehen, daß dieses Unternehmen durch seine hohen Modernisierungsinvestitionen in den letzten Jahren ein Leistungsangebot entwickelt hat, das an der Spitze aller europäischen Eisenbahnen steht.
Die Deutsche Bundesbahn hat sich damit meiner Auffassung nach eine relativ gute Ausgangsbasis für die weiteren Anpassungsvorgänge an die Strukturveränderungen in Wirtschaft und Verkehr geschaffen. Das erfolgt alles unter der Formel: Die Eisenbahn muß wirtschaftlicher werden; die Eisenbahn muß sich in einer Richtung entwickeln, in der sie ein nach modernen unternehmerischen Grundsätzen geführtes großes Wirtschaftsunternehmen wird.An diesem Punkte wird mir immer die Frage gestellt, ob man glauben und hoffen könne, daß diese Eisenbahn mit mehr als 200 000 Beamten eine solche Entwicklung an sich selbst bewirken und zu Ende führen könne. Ich möchte hier über diesen Punkt vor dem Hohen Hause ganz offen meine Meinung sagen. Ich bin der Überzeugung, daß die Eisenbahn es fertigbringt, und vertraue darauf, daß sie es zustande bringt.Ich habe über diesen Punkt aber auch kürzlich vor den hohen Beamten der Deutschen Bundesbahn in Frankfurt gesprochen. Ich habe den Herren gesagt, wie ich . mir die Rolle beispielsweise eines Ministerialrats in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn vorstelle. Er hat nicht ein Unternehmen zu verwalten, wie das üblicherweise zu dem Charakteristikum einer Beamtentätigkeit gehört, sondern ich bin der Auffassung und habe das dort auch zum Ausdruck gebracht: ein Ministerialrat in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn hat etwa die Rolle eines Prokuristen in einem großen Wirtschaftsunternehmen.
Im Vorzimmer eines so hohen Beamten wird künftig kein Besucher sitzen, der mit zitternden Knien darauf wartet, vorgelassen zu werden, sondern im Vorzimmer dieses Beamten sitzt ein Kunde, auf den man zugehen muß so wie ein Unternehmer, der sich mit einem Geschäftspartner verständigen will.
Ich habe den Herren gesagt — und weiß, daß sie dabei sind, sich entsprechend zu verhalten —: Alle Führungskräfte der Eisenbahn und auch alle Beamten der Deutschen Bundesbahn haben sich nicht nur während des Dienstes, sondern vorher schon,. ehe sie ihn antreten, und nach Feierabend noch darüber Gedanken zu machen, wie ihre Firma Geld verdient. Das ist die Formel, mit der die Eisenbahn an ihre Tätigkeit herangehen soll.
Dazu gehören eine ganze Reihe von Voraussetzungen. Hierzu gehören die Einrichtungen von Generalvertretungen, die sich in erster Linie der Kundenwerbung und der Kundenbetreuung zu widmen haben. Dies erfolgt unter dem Motto: Heraus aus den Bahnhöfen und heraus aus den Ämtern, in Zivilanzügen unter die Bevölkerung dort, wo die Kundschaft sitzt, und mit ihnen sprechen und um Leistungen für die Bundesbahn werben!Dazu gehört eine verbesserte kaufmännische Ausbildung, vor allem der in der Werbung und im Verkauf tätigen Mitarbeiter des Unternehmens. In fünf Tagen beginnt das erste Seminar einer Verkaufsleiterakademie, in der sonst die Verkaufsleiter der Wirtschaft geschult werden. Die Bundesbahn hat das für viele Monate gemietet und wird dort ihr Verkaufspersonal künftig nach den Regeln, hinter denen Erfahrung steht, auch schulen.
Hierzu gehört eine verstärkte Förderung des Gleisanschlußverkehrs, insbesondere im Rahmen der Erschließung neuer Industriegebiete. Dies ist regionalpolitisch erforderlich.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7951
Bundesminister LeberHierzu gehört eine Umrüstung und der Ausbau des Wagenparks und der Anlagen auf die Anforderungen des kombinierten Verkehrs.Die intensive Förderung des kombinierten Verkehrs ist auch im Hinblick auf die den Straßengüterfernverkehr beschränkenden Maßnahmen von besonderer Bedeutung, um der verladenden Wirtschaft mindestens gleichwertige Verkehrsdienste anbieten zu können.Seit einigen Tagen verbindet ein Container-Schnellgüterzug die deutschen Seehäfen Bremen und Hamburg mit den ersten Inland-Terminals in Frankfurt am Main, Ludwigsburg bei Stuttgart und Mannheim. Dieses ist nur ein erster Anfang.Im Investitionsplan 1968 hat die Deutsche Bundesbahn rund 200 Millionen DM für die Beschaffung von Universal-Tragwagen und Großbehältern sowie für die Errichtung der nächsten Container-Terminals in Basel, München und Nürnberg eingesetzt. Im Endzustand ist an 100 bis 150 solcher Terminals gedacht. Die Investitionsraten werden in den nächsten Jahren entsprechend dem Bedarf für diese Zwecke erheblich steigen.Außerdem sind 25 Umschlagplätze für den kombinierten Verkehr — das sind Containerverkehr, Wechselpritschen und Huckepackfahrzeuge — vorgesehen, die voraussichtlich im Jahre 1968 in Betrieb genommen werden, und zwar in den Städten Augsburg, Braunschweig, Bremen, Dortmund/ Bochum, Düsseldorf, Essen, Fulda, Gießen, Göppingen, Göttingen, Hagen, Hamburg, Hannover, Ingolstadt, Karlsruhe, Kassel, Köln, Lübeck, Neuwied, Osnabrück, Regensburg, Saarbrücken, Siegen, Wuppertal und Würzburg.Die Deutsche Bundesbahn muß sich durch wirksame kaufmännische Anreize und stärkere Bereitschaft zur Kooperation mit dem Straßenverkehrsgewerbe intensiver als bisher in den Großcontainerverkehr einschalten. Daneben wird auch der Huckepack- und der Palettenverkehr weiter auszubauen sein; dem Werkfernverkehr werden im Huckepackverkehr die gleichen Bedingungen einzuräumen sein wie dem gewerblichen Güterfernverkehr. Im ganzen kommt den verschiedenen Formen des kombinierten Verkehrs Schiene/ Straße eine zentrale Bedeutung zu. Sie sind geeignet, Straßenferntransporte ohne staatliche Zwangsmittel über die weite Strecke auf die Schiene zu bringen. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist, daß die Deutsche Bundesbahn im kombinierten Verkehr Schiene /Straße die HausHaus-Beförderung in keinem Fall teurer als im reinen Straßenverkehr vornehmen wird. Eine schonende Beförderung der Waren während des Schienentransports kann durch Einsatz von Containertragwagen mit Stoßdämpfereinrichtung gewährleistet werden.Ich möchte Ihnen ein Beispiel aufzeigen für das, was hier gemeint ist: Da fährt von Düsseldorf bis nach München in jeder Woche eine Kolonne von zehn bis zwölf Fernlastzügen täglich, von einem Unternehmer betrieben. Das Ziel, das wir uns nun setzen, lautet, diese zwölf Lastzüge, die jeden Tag von Düsseldorf nach München fahren, nicht über die Straße laufen zu lassen, sondern eine Möglichkeit zu entwickeln, daß sie über die weite Strecke von der Eisenbahn gefahren werden können. Hinzu kommt ein zweites Ziel, nämlich neben der Entlastung der Straßen um diesen Verkehr und der Zuführung dieser Beförderungsleistung an die Deutsche Bundesbahn auch die wirtschaftliche Existenz des betreffenden Fuhrunternehmers zu sichern. Das gelingt dadurch, daß dieser Fuhrunternehmer, der seinen Kontrakt mit seinem Verlader hat, auch künftig der Frachtführer bleibt. Er bleibt der Auftragnehmer des Verladers. Er erhält seinen Tarif vergütet, der nach dem Reichskraftwagentarif auch bisher an ihn vergütet worden ist. Er bringt nun seine Güter, seine Sendung, in Containern im Nahverkehr auf die Schiene. Die Eisenbahn befördert diese Güter nach München. Dort gehen sie im Nahverkehr von der Schiene herunter bis zum Empfänger. Dieser Umladevorgang — das ist jetzt durchexperimentiert — dauert mit den modernen Geräten, die vorhanden sind, etwa drei bis dreieinhalb Minuten. Es ist also keine Zeitverzögerung. Und was wesentlich ist, das ist die Tatsache: Die Deutsche Bundesbahn berechnet diesem Fuhrunternehmer, der die Container auf die Schiene bringt und nicht einen, sondern 40, 50 am Tag von ihr befördern läßt, durch die Zusammenpoolung einen Preis, der identisch ist mit den Selbstkosten, die der Fuhrunternehmer hätte, wenn er mit seinem Lastzug bei Nacht und Nebel oder am Tage über die Straßen fahren würde. Die Eisenbahn muß dabei trotzdem noch einen Gewinn machen, weil sie nicht mit einem Container über die Schiene fährt, sondern 40 oder 50 Container mit einer Kraft nach München bewegt. Aus der Differenz zwischen dem, was der Fuhrunternehmer bei der Eisenbahn zu bezahlen hat, und dem Tarif, den er nach wie vor seinem Verlader berechnet, bleibt die Gewinnspanne für ihn, die er auch bisher hatte, wenn er mit Glück nach München gefahren ist. Die ganze Geschichte wird nur viel bequemer, auch für ihn. Seine unternehmerische Existenz bleibt dabei voll gesichert.Zur Durchführung dieser notwendigen Modernisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen hat die Deutsche Bundesbahn für die Jahre 1968 bis 1972 einen Investionsplan mit einem Volumen von jährlich 2,55 Milliarden DM aufgestellt. Die Finanzierung dieses Investitionsplans wird erfolgen durch Leistungen des Bundes im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, jährliche Abschreibungen der Deutschen Bundesbahn in Höhe von 1,4 bis 1,5 Milliarden DM und bis zu 500 Millionen DM Anleihen, die von der Deutschen Bundesbahn auch künftig jährlich aufzunehmen sind.Ich habe den Vorstand der Deutschen Bundesbahn bereits am 16. November vergangenen Jahres aufgefordert, unverzüglich die Planungen und Arbeiten aufzunehmen, die erforderlich sind, um die Zielsetzungen des Programms für den Bereich der Deutschen Bundesbahn zu verwirklichen. Die am Programm geübte Kritik, die Bundesregierung habe sich gegenüber der Eisenbahn mit unverbindlichen Ab-
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7952 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Bundesminister Lebersichtserklärungen begnügt, trifft daher in keiner Weise zu.Alle Maßnahmen in den verschiedenen Sachbereichen des Unternehmens, die hier nicht in den Einzelheiten aufgeführt werden können, sind im Zusammenhang zu sehen und werden im Ergebnis zu einer Grundkonzeption für die Eisenbahn der Zukunft, für die Eisenbahn des Jahres 1980 oder des Jahres 2000 führen.In der Auseinandersetzung der letzten Monate ist der Bundesregierung vorgehalten worden, diese Maßnahmen reichten nicht aus; bei der Bahn müsse mehr geschehen, um sie den veränderten Strukturen anzupassen. Wir haben uns aus diesem Grunde, weil wir diese Anregung aus der Öffentlichkeit ernst genommen haben, hypothetisch mit solchen Zielvorstellungen auseinandergesetzt. Was würde geschehen, wenn man bei der Eisenbahn mehr reduzierte?Da gibt es die erste Überlegung: Die Deutsche Bundesbahn verkleinert ihr Netz noch weiter als vorgesehen und zieht sich auf die jetzt noch rentablen Strecken und Dienste zurück. Das würde wahrscheinlich ein Privatunternehmer tun. Das würde die Stillegung von weiteren ca. 6000 bis 8000 km Eisenbahnstrecke über das jetzige Stillegungsprogramm hinaus bedeuten. Praktisch, meine Damen und Herren, gäbe es Bahnhöfe dann nur noch in Städten über 20 000 Einwohner. Das würde bedeuten, daß sie z. B. den unrentablen Stückgutverkehr aufgeben würde.Die Folgen wären:Erstens. Damit würden die Nebenflüsse, die die Leistungen zum den Hauptströmen des Verkehrs bringen, trockengelegt, was nicht ohne Folgen auch für die Wirtschaftlichkeit der Hauptstrecken der Eisenbahn wäre.Zweitens. Ich habe erhebliche Zweifel, ob es politisch durchsetzbar wäre, das Netz der Deutschen Bundesbahn praktisch auf die Hälfte zu reduzieren. Es müßte mit erheblichem Widerstand aus der Bevölkerung, die auf die Eisenbahn angewiesen ist — denn nicht alle haben Personenkraftwagen —, und mit Widerstand aus der Wirtschaft, von seiten der Länder, des Verteidigungsministeriums, der Regional- und Strukturpolitiker und vieler anderer Gegenkräfte gerechnet werden.Drittens. Ich habe erhebliche Zweifel, ob eine so verkleinerte Eisenbahn dann im zurückgeschnittenen Zustand rentabel bliebe. Ich bezweifle, daß die Bahn nach einer solchen Selbstverstümmelung eine Chance hätte, jemals rentabel zu werden. Ein Arzt, der zuviel amputiert, amputiert damit auch die Chance, daß sich der Operierte jemals wieder selbst aus eigener Kraft erhalten kann.
Der in Verkehrssachen bekannte Professor Predöhl hat zu dem Problem, ob man eine Eisenbahn braucht, kürzlich ausgeführt: Erstens. Der Kraftwagen kann die Eisenbahn niemals ersetzen. Also darf er sie auch nicht so stark schädigen, daß sie zur Erfüllung ihrer unentbehrlichen Funktionen in Wirtschaft und Gesellschaft unfähig oder zum dauernden Zuschußbetrieb wird. Zweitens. Die Ordnung des Verhältnisses von Eisenbahn und Kraftwagen kann niemals nach dem einen oder anderen Prinzip vor sich gehen. Eine Lösung kann nur in einem für alle Beteiligten gesunden Kompromiß bestehen.Der zweite Gedanke dieser Hypothese lautet — und auch das ist konkret vorgeschlagen; es liegen dem Hause solche Vorstellungen vor —: Die Deutsche Bundesbahn muß über eine Aufstockung ihres Eigenkapitals die Möglichkeit zu zusätzlichen Investitionen erhalten, um auf diese Weise wettbewerbsfähig zu werden. Das heißt praktisch, mit zusätzlichen Geldern des Staates die Bahn so wettbewerbsfähig zu machen, daß die Güter von der Straße auf die Schiene zieht und so stark wird, daß sie mit ihrer verbesserten Wettbewerbsposition alle anderen Faktoren, die gegen sie wirken, überspielen kann.Die Verwirklichung dieser Vorstellung würde erstens bedeuten, daß die Eisenbahn ihre Kosten durch höheren Kapitaleinsatz um etwa 8 bis 10% senken könnte. Sie würde von einem lohnintensiven zu einem kapitalintensiven Unternehmen, — eine an sich begrüßenswerte Entwicklung.Zweitens: Als Voraussetzung dazu wären viele Milliarden zusätzlich nötig. Damit würden aber ca. 100 000 Eisenbahner durch technische Apparaturen abgelöst. Das scheitert schon daran, daß der Bund im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung nicht dazu in der Lage ist. Die Mittel müßten außerdem zunächst ohne Zinserwartungen gegeben werden. Fremdmittel scheiden aus. Drittens: Auch in diesem Falle wären als Folge weitere Korrekturen am Streckennetz notwendig, was aus den Gründen, die ich schon dargelegt habe, nicht unbedenklich wäre.In beiden Fällen müßte mit zusätzlichen Lastkraftwagen auf der Straße, nicht nur im Schienenersatzverkehr, sondern auch auf weiten Strecken gerechnet werden; denn das, was von den Strecken auf den Lkw käme, die nun zusätzlich stillgelegt würden, würde auch nachher nicht den Hauptströmen der Eisenbahn zufließen, sondern zum großen Teil auf der Straße bleiben.Beide Möglichkeiten, eine halbe Demontage der Bundesbahn und eine schneller herbeigeführte Kapitalintensität, scheiden also aus.Es wäre auch völlig unmöglich, innerhalb der gesetzten Fünfjahresfrist zusätzlich zu den vorgesehenen 82 000 Bediensteten noch einmal 100 000 durch Entlassungen und vorzeitige Pensionierung einzusparen. Abgesehen von den Schwierigkeiten, Beamte vorzeitig zu pensionieren, wären erhebliche volkswirtschaftliche Schäden die Folge. Es ist nicht damit zu rechnen, daß diese zusätzlich freizusetzenden 100 000 Bediensteten in nennenswertem Umfang anderweitig beschäftigt werden könnten. Der Bund müßte daher in allen Fällen auch eine Antwort auf die Frage geben, wer die Pensionslasten für 100 000
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7953
Bundesminister Leberzusätzlich aus den Eisenbahndiensten ausscheidende Beamte, Angestellte und Arbeiter zu tragen hätte. Das würde Lohnfortzahlungs- oder Pensionskosten auslösen, die meiner Schätzung nach — es ist nicht exakt — 700 Millionen bis 1 Milliarde DM im Jahr wahrscheinlich ausmachen würden. Wenn man diese Kosten der Bahn auflastete, wäre das eine weitere Quelle für Unwirtschaftlichkeit, und trotz höheren Kapitaleinsatzes würde die Bahn dadurch nie auf die Beine kommen.Aus diesen Gründen hat die Bundesregierung in ihrem Programm eine Linie verzeichnet, die so ist: Angemessener Rückzug der Eisenbahn aus der Fläche — das sind etwa 20 °/o des jetzigen Netzes —, Verringerung des Personalbestandes um 20 % plus Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der vorhandenen und verfügbaren Mittel einschließlich Maßnahmen zur Änderung im inneren Gefüge der Eisenbahn.Meine Damen und Herren, gestatten Sie, daß ich an dieser Stelle folgendes feststelle. Ich weiß, das tut alles weh, nachdem ich die Prozentzahlen genannt habe, um die die Eisenbahn reduziert werden wird, daß dies für Zehntausende von Menschen die Auflage bedeutet, ihre häusliche Umgebung zu verlassen und an einer anderen Stelle bei der Eisenbahn ihre Tätigkeit aufzunehmen. Wenn die Bundesregierung mit Zustimmung des Parlaments Zehntausenden von Eisenbahnern zumutet, sich anderswo eine Tätigkeit zu suchen, und sie aus ihren persönlichen Strukturen herauslöst, und ihnen das zumutet, dann muß diese Regierung und dann muß auch der Bundestag am Ende die Bereitschaft aufbringen, 8000 oder 10 000 Fuhrunternehmern, die jetzt Fernverkehr betreiben, zuzumuten, sich auch auf etwas Zusammenarbeit mit der Eisenbahn einzustellen. Ich meine, das wäre nicht zuviel verlangt.
Nicht nur in unserem Lande, sondern auch bei unseren europäischen Partnern hat sich mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß der Eisenbahnkrise mit betriebsinternen Maßnahmen allein ohne komplementäre Maßnahmen beim Straßenverkehr nicht beizukommen ist. Die Engländer haben ihr Streckennetz in den letzten Jahren um mehr als 25 % reduziert und sind dabei, es noch einmal um 25% zu reduzieren, also auf 50% des Standes zu kommen, den die englischen Eisenbahnen nach dem Kriege hatten. Das Netz war genauso groß wie das der Bundesrepublik. England hat die gleiche Formation wie die Bundesrepublik, es hatte ein Streckennetz, das dem unserer Eisenbahn ähnelte, hatte genauso viele Bahnhöfe wie die Deutsche Bundesbahn, hatte eine ähnliche Personalstärke wie die Deutsche Bundesbahn. Und obwohl die Engländer diese Maßnahmen am Körper der englischen Eisenbahn durchgeführt haben, ist das Defizit heute genauso groß wie das der Deutschen Bundesbahn auch. Dies ist ein Beweis dafür, daß man mit Maßnahmen nur am Körper der Deutschen Bundesbahn, nur am Körper einer Eisenbahn nicht weiterkommt.Ich will Ihnen der Zeit wegen das holländische Modell nicht darstellen. Es ist genauso verlaufen wie das englische, und auch das deutsche wird nicht anders verlaufen. Das heißt: Alle Maßnahmen, die die Eisenbahn betreffen, bleiben bei dem Spielraum, der dort ist, erfolglos, wenn sie nicht durch Maßnahmen auf der Straße ergänzt werden. Im Ausland wird das zur Zeit nur noch nicht so offen ausgesprochen. Aus dieser realistischen Einsicht haben wir uns zu ergänzenden verkehrspolitischen Schritten entschließen müssen. Wir müssen durch eine Eindämmung des Straßengüterfernverkehrs, insbesondere des Werkfernverkehrs, den Wettbewerb zwischen Schiene und Straße auf eine andere Basis bringen und gleichzeitig Verkehrsfluß und auch Verkehrssicherheit auf unseren Fernstraßen erhöhen.Ich komme zum Straßengüterverkehr.Mit Einführung der Mehrwertsteuer ist am 31. Dezember 1967 die bisherige erhöhte Beförderungsteuer für den Werkfernverkehr weggefallen. Dies bedeutet, daß die Kosten des Werkfernverkehrs im Durchschnitt um 20 % sinken. Über diese Zahl sollte man nicht streiten; sie ist selbst von den Verbänden und von den Werkverkehr treibenden Unternehmen in den letzten Jahren, als es noch kein verkehrspolitisches Programm gab, immer wieder öffentlich dargestellt und behauptet worden. Bei großen Fahrzeugeinheiten ist die Kostenminderung etwas größer, bei Schnellastwagen etwas kleiner. Eine Kostenminderung in diesem Umfange, wenn diese drei Pfennige, die bis zum 31. Dezember gegolten haben, ersatzlos fortfallen, würde zu einer erheblichen Ausdehnung des Werkfernverkehrs führen. Wenn dies bisher — sie sind seit dem 31. Dezember schon fortgefallen — noch nicht geschehen ist, so ist das in der Hauptsache auf die Ankündigungswirkung der neuen Steuer für den Straßengüterfernverkehr zurückzuführen. Wir wissen, daß die entsprechenden Dispositionen schon im Gange waren und daß im Verlaufe der Automobilausstellung, als durchsickerte, die Regierung plane im Programm eine Fortsetzung dieser Beförderungsteuer, schongetätigte Bestellungen wieder annulliert worden sind.In Anzeigenkampagnen ist mir vorgehalten worden, das sei doch gar nichts — es steht auch heute wieder in einer sehr verbreiteten, aber sonst gar nicht so teuren Zeitung —,
nur 10 000 Fernlastzüge von den Straßen zu bringen. Dazu, meine Damen und Herren, habe ich zu sagen: zuerst geht es darum, zu verhindern, daß als Folge des Fortfalls der Beförderungsteuer eine Welle neuer Lastzüge auf unsere Straßen kommt.
Seit der Senkung dieser Beförderungsteuer von 5 auf 3 Pfennige hat sich der Werkverkehr erheblich vermehrt. Er würde sich bei einem Fortfall der verbliebenen 3 Pfennig noch einmal stark vermehren; denn der Fortfall der 3 Pfennige je Tonnenkilometer bedeutet eine Kostensenkung von 20%. Ein Anwachsen des Werkverkehrs auf den Straßen würde alle Maßnahmen bei der Deutschen Bundesbahn rückwirkend wieder zunichte machen, die Straßen
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7954 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Bundesminister Leberwürden um einige zehntausend Lastzüge zusätzlich belastet. Das erste Ziel muß also sein, eine weitere Vermehrung des schweren Güterfernverkehrs auf unseren Straßen zu verhindern.
Wir haben eine weitere Ausnahme statuiert, die sehr umstritten ist: Um Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen Seehäfen zu vermeiden, soll auch der grenzüberschreitende Güternahverkehr für den deutschen Streckenabschnitt der Steuer unterliegen, weil er hinter der Grenze auf dem Weg in ausländische Häfen zum Fernverkehr wird. Außerdem ist für Import- und Exportverkehre von und zu den deutschen Seehäfen eine Steuerfreizone von 170 km festgelegt worden. Zu der Frage: warum 170 km und warum die Besteuerung des Nahverkehrs bis an die Grenze? möchte ich hier ohne Umschweife sagen: Diese 170 km sind die Strecke von Rotterdam bis nach Kaldenkirchen, auf die die Steuer auch nicht gilt. Sie ist eingeführt worden, um nicht durch die Maßnahmen, die zur Ordnung des deutschen Verkehrs nötig sind, eine zusätzliche Diskriminierung der Position unserer Häfen im Verhältnis zu anderen Häfen, vor allen Dingen in den BeneluxLändern, zu schaffen.
Als zweite Maßnahme zur Beschränkung des Straßengüterfernverkehrs ist in der Ihnen vorliegenden Novelle zur Änderung des Güterkraftverkehrgesetzes für bestimmte Massen- und Schwergüter im Fernverkehr ein Beförderungsverbot über die Nahzone hinaus vorgesehen. Dieses Verbot soll am 1. Juli 1970 in Kraft .treten. Diese relativ lange Übergangszeit ist notwendig, damit sich die Verkehrsunternehmer und die verladende Wirtschaft auf die veränderte Situation einstellen können. Bis dahin wird auch die Deutsche Bundesbahn ihr Leistungsangebot im kombinierten Verkehr so weit verbessert haben, daß diese Transporte für die weiten Entfernungen auf die Schiene übergehen können und nur im Zu- und Ablauf auf der Straße befördert werden müssen.Dieses Beförderungsverbot, diese Verbotsliste ist naturgemäß in der öffentlichen Diskussion am heftigsten umstritten gewesen. Ich bin der Auffassung, bei der Situation auf unseren Straßen — ich theoretisiere jetzt nicht, sondern das habe ich selbst beobachtet und weiß das auch statistisch nachzuweisen — ist es nicht nötig und auch volkswirtchaftlich nicht sinnvoll, Blockmarmor von Carrara durch Oberitalien, durch die Schweiz und durch die ganze Bundesrepublik auf Lastwagen nach .Holland zu fahren, mit einem Tempo von ungefähr 20 bis 30 km/h.
Bei dieser Situation, in der unsere Straßen sind, ist es meines Erachtens auch nicht nötig, Stammholz, das in Österreich oder der Tschechoslowakei gekauft wird, bis an die Grenze auf Eisenbahnwagen zu fahren, es an der ersten deutschen Grenzstation auf Lastwagen umzuladen und es dann nach Norddeutschland zu fahren, um es dort auf Sägewerksplätzen abzuladen, bis man es nach sechs Monaten, weil es dann getrocknet ist, verschneiden kann.
— Ja, darüber kann man streiten. Ich sage Ihnen nur: Bei der Situation, in der unsere Straßen sind, sind solche Verkehre erstens betriebswirtschaftlich nicht nötig, und sie sind zweitens ein volkswirtschaftlicher Unfug, denn wir wissen nicht, wo wil das Geld hernehmen sollen, um die Zerstörungen zu beseitigen, die von diesen Fahrzeugen ausgehen.
Ich sage Ihnen auch eines — das Haus ist ja frei, wie es entscheiden will —: Wir haben von Karlsruhe oder vom Rhein bis nach Stuttgart, bis nach Plochingen mit Hunderten von Millionen einen Kanal gebaut, und jeder, der die Strecke von Karlsruhe bis Stuttgart fährt, fährt hinter Lastzügen her, die Rheinkies und Rheinsand aus dem Rheinbett holen und nach Stuttgart fahren, mit Wassertropfen, die im Winter zu Eisflächen werden, mit den sich daraus entwickelnden Unfallgefahren. Der Kies wird viel billiger vom Rhein über den Kanal nach Plochingen gefahren und dort mit modernen Aufladegeräten im Nahverkehr auf die Baustellen gebracht.
Außerdem ist das volkswirtschaftlich vernünftiger. — Das ist die Begründung für die Verbotsliste.Diese Verbotsliste ist nun heftig umstritten. Es gibt zwei Einwände dagegen.In der Hauptsache und vor allem wird behauptet: Diese Verbotsliste bringt nichts ein, es bleibt sowieso viel Gut auf der Straße. Ich möchte dazu sagen: Erstens ist die Verbotsliste das wirksamste Mittel, solche Güter, die nicht zwingend auf der Straße sein müssen, von der Straße wegzubringen; das ist das erste Ziel. Zweitens wird auf diese Weise auch Leistungsangebot auf die Eisenbahn zukommen, und sie hat es bitter nötig, denn sie braucht von der öffentlichen Hand Geld zum Ausgleich ihres Defizits. Drittens ist diese Verbotsliste ein Respektsfaktor, der alle Beteiligten, auch den Güterferverkehr, dazu anhält, sich vernünftig mit der Eisenbahn an den Tisch zu setzen und darüber zu sprechen, ob man nicht doch im kombinierten Verkehr — Nahverkehr auf der Straße, Fernverkehr über die Schiene — eine bessere Lösung findet, die dann auch im Interesse des Allgemeinwohls vernünftig ist.Es wird gesagt, dieser Entlastungseffekt für die Straße sei nicht groß. Wir haben das durch unabhängige Leute untersuchen lassen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat mir gestern das Ergebnis seiner Analyse zugeschickt.Aus dem Gutachten des Instituts können folgende Schlußfolgerungen gezogen werden: Der Entlastungseffekt des Beförderungsverbotes beträgt unter den Bedingungen des Jahres 1966 9 % des gesamten Pkw-Verkehrs. Dies bedeutet, daß der Pkw-Verkehr etwa eineinhalb Jahre mit der gleichen Wachstumsrate wie im vergangenen Jahr ohne zusätzliche
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Bundesminister LeberInvestitionen in Straßenbauten rechnen kann, ohne daß sich die Verkehrsverhältnisse von heute wieder verschlechtern.Dies ist eine ungeheuer wichtige Situation, die wir sehen müssen, meine Damen und Herren. Wir müssen, wenn unsere Wirtschaft wieder Tritt faßt, als Ausfluß einer normalen Wirtschaftstätigkeit damit rechnen, daß wir im Jahre 1980 20 Millionen Personenkraftwagen statt gegenwärtig 11 Millionen auf unseren Straßen haben werden. Mit Straßenbaumaßnahmen allein können wir es nicht so weit bringen, daß die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.Zweitens sagt dieses Institut, der Entlastungseffekt würde nur unwesentlich geringer werden, wenn man das Beförderungsverbot auf diejenigen Gütergruppen, auf die zusammen zirka 90 % des gesamten vom Transportverbot betroffenen Verkehrs entfallen, beschränken wollte. — Also auch noch eine hohe Wirkung, wenn man einige Positionen von dieser Verbotsliste streicht.Meine Damen und Herren, die Deutsche Bundesbahn wird für diese Transporte im Haus-Haus-Verkehr durchgerechnete Tarife anbieten. Damit begegnet sie allen Vorwürfen, durch die Verbotsliste würden Kosten- und Unkosteneffekte in Milliardenhöhe in der Wirtschaft ausgelöst werden. Die Deutsche Bundesbahn garantiert für alle von der Verbotsliste betroffenen Güter und auch für andere, die im kombinierten Verkehr von Schiene und Straße befördert werden, einen Preis, der sich an dem Tarif orientiert, der zu zahlen gewesen wäre, wenn die Güter nur auf der Straße befördert worden wären. Sie muß also intern — dazu schafft sie die Voraussetzungen — alle Kosten verkraften, die sich aus der Umladung, aus dem Übergang von Straße auf Schiene und von Schiene auf Straße ergeben.
— Die Geschwindigkeit wird im Knotenpunktverkehr — die Knoten werden so eingerichtet, daß von jedem Knoten aus jeder Empfänger im Nahverkehr erreicht werden kann; das ist ja das Neue an dieser Idee bei der Deutschen Bundesbahn — mit Sicherheit so groß sein, als wenn die Güter über die Straße gingen. Sie können sich das einmal ansehen, meine Damen und Herren. Lassen Sie sich einmal die Fahrzeiten des ersten Zuges, den wir als Modellzug gedacht haben, von Hamburg und Bremen nach Ludwigsburg und nach Mannheim nennen. Es war ein Tag mit Nebel und Glatteis. Dieser Zug ist in wenigen Stunden von unseren Häfen in den mittleren und südlichen Teil der Bundesrepublik gefahren, und die Preise waren so wie die Preise für die Beförderung auf der Straße. Dies ist ein Modellfall.
Das geht nur, weil die Deutsche Bundesbahn durchgerechnete Tarife bietet. Ich gebe zu, das ist neu. Deshalb müssen Sie sich das Modell der neuen Eisenbahn ansehen. Ich nehme es niemandem übel, wenn er diese Einzelheiten noch nicht wußte undso in den letzten Wochen Kritik an diesen Maßnahmen bei der Eisenbahn geübt hat: Der Verkehrsminister macht der Eisenbahn nur pauschale Auflagen und drückt nur auf den Straßengüterverkehr. — Das hier sind die Neuerungen bei der Eisenbahn. Damit ist allen Vorwürfen, wie ich sie auch heute wieder gelesen habe, daß das nämlich zu erheblichen Verteuerungen führen würde, der Boden entzogen.
Soweit jedoch Güter, die dem Beförderungsverbot unterliegen, in einzelnen Fällen und in bestimmten Verbindungen nicht auf die Schiene verlagert werden können, sieht der Gesetzentwurf Ausnahmeregelungen vor, durch die Härtefälle vermieden werden können. Diese Ausnahmeregelungen laufen ebenfalls auf eine Begünstigung von Betrieben hinaus, die ihren Standort in schwach strukturierten und verkehrsmäßig nicht ausreichend aufgeschlossenen Gebieten haben. Außerdem hat auch die Bundesbahn zugesichert, daß sie gerade in diesen Gebieten unter Einschaltung der Möglichkeiten des kombinierten Verkehrs eine verbesserte Verkehrsbedienung sicherstellen wird.Meine Damen und Herren, an diesem Punkt ist die Frage aufgetaucht, ob man, wenn Ausnahmen nötig sind — und ich weiß, daß solche Ausnahmen für periphere Gebiete, für unterstrukturierte Gebiete nötig sind auch angesichts der Tatsache, daß die Eisenbahn ihr Netz reduziert —, diese nicht jetzt schon in das Gesetz übernehmen könnte. Ich bin der Auffassung, daß man das natürlich tun kann. Aber ich halte es für besser, die Ausnahmen, wenn wir uns darüber einig sind, daß sie eingeführt werden müssen, erst im Jahre 1970 mit dem Institut der Rechtsverordnung vorzunehmen. Ich habe dafür zwei Gründe.Erstens. Wir werden in den nächsten zwei Jahren im Rahmen der Umorganisierung bei der Eisenbahn noch Erfahrungen machen, die wir dann bei der Rechtsverordnung nutzen können. Sonst müßten wir im Jahre 1970 ein zweites Gesetz mit Ausnahmen machen, das auch noch die Erfahrungen einschließt, die wir jetzt noch nicht haben.Zweitens. Ich sage es hier vor diesem Hohen Hause in aller Offenheit — ich weiß, daß es taktisch nicht das klügste ist, aber ich will hier offen und klar sagen, was ich darüber denke —: Wenn wir diese Ausnahmen für unterstrukturierte, periphere Gebiete jetzt durch Gesetz machten, dann hätten wir, davon bin ich überzeugt, mindestens unsere holländischen Nachbarn in Brüssel als Kläger, die von uns verlangten, daß durch Gesetz die gleichen Ausnahmen für die Provinz Zeeland oder wer weiß wen gemacht würden, wie sie dann vielleicht für Nordschleswig Gültigkeit hätten. Wir würden wahrscheinlich in Brüssel, nachdem wir verklagt wären, verlieren. Ich möchte deshalb diesen Weg des Gesetzes nicht gehen und nicht in Brüssel verlieren, sondern mir ist es sympathischer, mein holländischer Kollege kommt nach Bonn und besucht mich und fragt mich, ob wir nicht auch für die Holländer durch
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Bundesminister LeberRechtsverordnung Ausnahmen machen können. Dasist mir lieber, als in Brüssel verurteilt zu werden.
Das ist das, was ich zu der Verbotsliste zu sagen hatte.Mit der Novelle zum Binnenschiffsverkehrsgesetz wird eine verbesserte Funktionsfähigkeit der Binnenschiffahrtsmärkte durch Übergangsmaßnahmen zur Strukturbereinigung und Umstellung des Frachtenbildungs- und Genehmigungsverfahrens angestrebt. Da für diesen Bereich in unserem Lande weitgehende Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Programms besteht, darf ich von näheren Erläuterungen absehen. Wir müssen mit allen Kräften darauf hinwirken, daß die Lage unserer Binnenschifffahrt mit Hilfe dieser Gesetzentwürfe stabilisiert wird.Zum Straßenpersonenverkehr! Mit der Novelle zum Personenbeförderungsgesetz soll eine verbesserte Nahverkehrsbedienung erreicht werden. Das Personenbeförderungsgesetz von 1961 hat sich grundsätzlich bewährt. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben es jedoch als nachteilig erkennen lassen, daß die Genehmigungsbehörden keine hinreichenden Möglichkeiten besitzen, eine im öffentlichen Verkehrsinteresse gebotene Änderung oder Erweiterung vorhandener Verkehrsverbindungen oder die Einrichtung neuer Verkehrsanschlüsse von Amts wegen zu veranlassen. Ferner hat sich gezeigt, daß die im Gesetz enthaltene Regelung über die Ausgestaltungsrechte und den Besitzstand zum Schutze der vorhandenen Unternehmer in ihrer derzeitigen Form den Ermessensspielraum der Genehmigungsbehörden sehr weit einengt. Schließlich erscheint es zweckmäßig, zur weiteren Förderung systematisch ausgestalteter Verkehrsnetze im Gesetz die Möglichkeit zu eröffnen, die Verkehrsbedienung eines räumlich abgegrenzten Gebietes auf Antrag einem Unternehmen oder einer Vereinigung von Unternehmen zu übertragen.Zu diesem Verkehrspolitischen Programm sind eine Reihe Anregungen und sind in der deutschen Öffentlichkeit natürlich kritische Bemerkungen gemacht worden. Wir haben uns in der Antwort auf diese Kritik bisher zurückgehalten. Aber ich bin der Überzeugung, dies ist der Platz, an dem die Regierung auch zu dem Stellung zu nehmen hat, was sich in der Öffentlichkeit ergeben hat. Ich halte Kritik nicht für etwas Lästiges, sondern für einen wichtigen Bestandteil eines Gestaltungsaktes, auch dann, wenn diese Kritik unbequem ist.Ein Haupteinwand, der gemacht worden ist, lautet: das Programm der Regierung ist dirigistisch. Nun, meine Damen und Herren, diesen Einwand habe ich bestimmt erwartet. Dieser Vorwurf bezieht sich auf das Transportverbot und auf die Besteuerung beim Straßengüterverkehr.Gestatten Sie mir zunächst ein Wort zur Person. Ich gehöre zu denen, die sich zu freiheitlichen Ordnungsprinzipien in der Wirtschaft bekennen. Das habe ich schon so gehalten, als ich noch nicht auf die Regierungsbank saß. Es war gar nicht immer so leicht in manchen Jahren, das durchzuhalten. Ich habe keine Veranlassung, meine Haltung zu ändern. Sosehr ich das freie Spiel der Kräfte auf dem Markt, die ordnende und heilsame Funktion von Wettbewerb und Preismechanismus schätze — ich wünschte nur, sie würden überall funktionieren —, sosehr weiß ich, daß es keine Regel ohne Ausnahme gibt, und ich weiß eben auch, daß es leider eine deutsche Eigenart ist, aus einer nützlichen und vernünftigen Sache eine perfekte Religion zu machen.
Ich habe hier in diesem Hohen Hause einen Eid geleistet. Ich habe mich in diesem Hohen Hause verpflichtet, alles zu tun, um den Nutzen des Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Das ist das erste Gebot, dem ich mich unterwerfe. Das steht bei mir höher als Prinzipien, wie man die Wirtschaft gestalten könnte.
Wenn ich überzeugt sein sollte, wenn ich überzeugt sein muß, daß die ordnenden Kräfte des Marktes im Verkehr mit diesem Strukturproblem genausowenig fertig werden, wie sie bei der Kohle damit fertig geworden sind, dann müssen wir gemeinsam den Mut haben einzugreifen.Wer die marktwirtschaftliche Idee nicht diskriminieren will, der darf ihr auch nicht Aufgaben zumuten und auflasten, die sie aus eigener Kraft nicht zu lösen in der Lage ist. Den mit Anzeigen die Bevölkerung beeinflussenden Güterverkehrsunternehmern möchte ich die Frage stellen — ich stelle sie nicht polemisch, sondern ernst —: Wenn ihr mir Dirigismus vorwerft, was wollt ihr denn eigentlich? Wollt ihr marktwirtschaftliche Regeln? — Wollen die Fuhrunternehmer, daß die Kapazitäten nicht mehr vom Staat festgesetzt werden und jeder, der will, das Recht bekommt, sich einen Lastzug zu kaufen?
Wollen die Fuhrunternehmer, daß der Staat nicht mehr die Tarife festsetzt, sondern daß sich die Preise nach dem vorhandenen Angebot und der Nachfrage auf dem Markt frei einpendeln?
Wenn die Herren Fuhrunternehmer die Marktwirtschaft jetzt schon wollen, dann mögen sie das bitte deutlich sagen. Vielleicht können wir uns da zu durchringen, da schon ein paar Schritte weiter zu gehen in eine Richtung, die sie dann wahrscheinlich aber nicht so sehr begrüßen werden; sie sagen das ja nur, weil sie hoffen, daß es nicht dazu kommt, daß das. jetzt schon geschieht.
Den Interessenten, die da „Dirigismus" schreien, möchte ich in aller Klarheit sagen: Wenn Eingriffe des Staates dann für zulässig gehalten und sogar gefordert werden, wenn ein Nutzen für eine bestimmte Gruppe damit verbunden ist, dann sind sie mit Sicherheit auch nicht unzulässig, wenn es darum
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Bundesminister Lebergeht, mit solchen Maßnahmen das Allgemeinwohl zu verbessern.
Die Formel „Soviel Dirigismus, wie mir nützlich ist, und außerdem noch soviel Freiheit, wie ich nötig habe, um Geld zu verdienen" lasse ich nicht gelten. Hier geht es um allgemeine Interessen.
Die Herren des gewerblichen Güterfernverkehrs haben mich in den letzten Monaten nicht geschont. Wir haben geschwiegen. Wir haben nicht Millionen für Anzeigen. Das ist das Schicksal einer Regierung. Ich halte das, was sie tun, auch für legitim. Wenn sie es nicht dürften, würde ich mich dafür einsetzen, daß sie es dürften; denn sie geben ja schließlich ihr gutes Geld aus in der Absicht, ihre Interessen zu vertreten. Ich mache heute hier nur von meiner Möglichkeit Gebrauch — und das ist das Recht eines Ministers —, dort, wo es darauf ankommt, nämlich hier an diesem Platz, dazu meine Meinung zu sagen. Ich hoffe im übrigen, daß wir nach diesem Kampf, den wir miteinander haben, dann auch wieder freundschaftlich miteinander am Tisch sitzen können; denn es gibt auch Interessen des Güterfernverkehrs, die der Bundesminister für Verkehr gern vertreten wird.Kürzlich habe ich zu dem Komplex „dirigistisch oder nicht", soweit der Verkehr in Betracht kommt, eine treffende Aussage gelesen, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gern, zitieren möchte. Es heißt dort:Man muß einfach zugeben: In diesem Bereich wird ein Grundprinzip des sogenannten Liberalismus als Regel des Handelns überaus fragwürdig. Eine Verkehrswirtschaft kann nicht mehr allein auf die Gesetze des freien und ungezügelten Wettbewerbs gegründet sein ...Nun, das stammt nicht von einem Anhänger von Karl Marx, sondern das hat Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum progressio geschrieben.
— Die FDP stimmt auch zu; sie hat hier ja auch schon einmal den Papst zitiert; nur hält sie sich an die Päpste, die im vorigen Jahrhundert gelebt haben.
Nun, meine Damen und Herren, nicht nur diese Frage hat ein lebhaftes Echo in der Öffentlichkeit gefunden. Es sind mir vielmehr zu dem Programm und seinen Maßnahmen auch zahlreiche andere Stellungnahmen von Verbänden des Verkehrs, der Industrie und des Handels sowie von sonstigen Institutionen zugegangen. Die meisten zeichnen sich dadurch aus, daß sie die Maßnahmen, die den eigenen Bereich betreffen, ablehnen, dafür aber stärkere Maßnahmen bei dem anderen verlangen.Ich bin — das sage ich zu anderen Vorschlägen, die gemacht worden sind — weder neidisch noch eifersüchtig, wenn neben dem Regierungsprogramm auch alternative Pläne entwickelt werden. Im Gegenteil, ich habe soviel Selbstbewußtsein, daß ich sie sogar auch für eine Anerkennung und eine Ehrung der Regierungspolitik halte. Ich nehme sogar an, die Herren, die sich seit Wochen die Köpfe mit schwierigen Alternativen zermartert haben, hätten das doch gerne schon früher gemacht, wenn es ein Regierungsprogramm gegeben hätte.
Wenn in anderen Vorschlägen bessere Lösungen sind — ich sage das hier in aller Offenheit —, bin ich persönlich jederzeit bereit, mich dafür einzusetzen,
— das können Sie tun — daß sie von der Regierung übernommen werden. Daß die Ziele der Politik erreicht werden, ist mir wichtiger als irgend etwas anderes. Wenn es Vorschläge sind, die mit dem, was sie bewegen, denen der Regierung gleichwertig sein sollten, werden Sie, meine Damen und Herren, einen Minister erleben, der nicht rechthaberisch auf seinen Gedanken beharrt, sondern der versucht, Courtoisie zu üben und dem anderen möglicherweise gleich Guten den Vortritt zu lassen. Wenn es sich aber um Vorstellungen handelt, die von den Zielen, die allseits für notwendig und richtig erkannt werden, weiter entfernt bleiben als die Vorstellungen der Regierung oder die gar geeignet sind, Sand in die Augen zu streuen, wird das in aller Offenheit deutlich gemacht werden müssen.
Ganz in diesem Sinne hat die Bundesregierung auch zu den verschiedenen Beschlüssen des Bundesrates Stellung genommen. Ich freue mich aber auch über das weitgehende Einvernehmen, das zwischen den Beschlüssen des Bundesrates und den Vorstellungen der Bundesregierung besteht, wie auch über diegemeinsame Einsicht, die wir in langen Beratungen gefunden haben. Diese Bereitschaft zur Verständigung gilt natürlich auch für die parlamentarische Opposition, die sich bereits zu dem verkehrspolitischen Konzept der Bundesregierung geäußert hat. Ich vermag nur leider in der Alternative der FDP nichts zu !erkennen, das unis weiterhelfen könnte. Es ist schade, nehme Herren, daß Ihr früherer Kollege von Rechenberg nicht mehr hier im Hause ist und seine Meinung sagen kann. Er verstand etwas von der Sache. Ganze Passagen seiner Reden aus dem Anfang der 50er Jahre könnte ich heute in meine Rede übernehmen.Die FDP spricht sich sowohl gegen die Besteuerung des Straßengüterverkehrs als auch gegen das Verbot bestimmter Schwer- und Massengüter im Fernverkehr auf dier Straße aus, ohne jedoch Vorschläge für wirksame Ersatzmaßnahmen an deren Stelle zu setzen. Dem kann ich nicht zustimmen. Ich bin nicht der Meinung, daß man die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn mit Vorschlägen wie Angleichung der Tarife an die Kostenentwicklung, Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und politischer Lasten und Umwandlung der Bundesbahn in eine unabhängige Körper-
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Bundesminister Leberschaft des öffentlichen Rechts — es geht dann noch weiter his zur Aktiengesellschaft — wesentlich verbessern kann. Die Eisenbahntarife sind heute sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr Marktpreise. Nur kann man mit Preisen für die jeweilige Verkehrsleistung, auch wenn sie den Kosten angemessen ist, nicht ausgleichen, was leerstehende Kapazitäten als Folge auf die Straße abgewanderter Leistungen an Belastungen für die Eisenbahn zustande bringen.Ich möchte weiter feststellen, daß die anerkannten Tatbestände gemeinwirtschaftlicher und politischer Lasten der Deutschen Bundesbahn über den Bundeshaushalt bereits seit vielen Jahren in großem Umfange abgegolten werden. Über die Vor- und Nachteile einer Änderung der Organisationsform der Deutschen Bundesbahn kann man sich erst dann unterhalten, wenn sie ihre schlimmsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwunden hat. Man kann das Eisenbahnproblem nicht mit Maßnahmen, die die Organisationsform betreffen, lösen, wenn nicht klar ist, daß dort die Hauptursache für die Situation ist, in der sich .die Eisenbahn befindet. Ich stelle hier fest, .daß nach dem Stand meiner eigenen Erkenntnis und Überzeugung nicht daran zu zweifeln ist, daß die Führung der Deutschen Bundesbahn ebenso wie ihr gesamtes Personal unser aller Vertrauen verdienen. Eine möglichst enge Zuusammenarbeit mit dem Bund als ihrem Eigentümer kann für .die Deutsche Bundesbahn zur Zeit nur von Vorteil .sein, denn allein kann sie ihre schwerwiegenden Probleme heute nicht mehr lösen. Das hätte sie vielleicht vor zehn Jahren auf einer anderen Basis gekonnt.Inzwischen sind aber von der CDU/CSU-Fraktion unter der „Stabführung" von Herrn Kollegen Dr. Müller-Hermann Vorstellungen zur Änderung und Ergänzung des Regierungsprogramms vorgelegt worden. Ich begrüße das. Ich begrüße, daß der Kollege Müller-Hermann mit den Zielen des Verkehrspolitischen Programms übereinstimmt und daß wir auch in der Einschätzung der Lage nicht unterschiedlicher Auffassung sind. Ich habe ihm persönlich meine Bereitschaft erklärt, wirksame Alternativen vorurteilslos zu prüfen und auch andere gute Gedanken aufzunehmen. In diesem Sinne verstehe ich auch die Anträge der CDU/CSU. Über einiges wird man sich unterhalten müssen. Wenn ich hier ein paar kritische Anmerkungen mache, dann nicht um Positionen für einen Streit aufzubauen, sondern weil das Parlament einen Anspruch darauf hat, daß sich die Regierung gewissenhaft mit Vorschlägen die aus dem Hohen Hause kommen, auseinandersetzt.
Wer Ziele und Ausgangssituation des Programms als realistisch anerkennt, aber wesentliche Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, ablehnt, der muß für gleichwertigen Ersatz sorgen.Hier beginnen meine Sorgen und Zweifel. Lassen Sie mich das bitte ganz offen in einigen Hauptpunkten aussprechen:Ein Teil der Vorschläge, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Entlastung und der Kapitalausstattung der Deutschen Bundesbahn, ist mit der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes, der im vergangenen Herbst beide Koalitionsparteien und damit die große Mehrheit dieses Hauses zugestimmt haben, nicht zu vereinbaren und sprengt ihren Rahmen. Ich weiß keine Antwort auf die Frage, woher der Bund Milliarden zusätzlich für die Bundesbahn nehmen sollte. Denn mit einigen Millionen und hundert Millionen ist überhaupt nichts getan. Eine bessere Kapitalausstattung der Deutschen Bundesbahn setzt Milliarden, die fließen, voraus.13. Die vorgeschlagene Straßenbenutzungsgebühr und die Lizenzabgabe erreichen nicht annähernd die Wirksamkeit der von der Bundesregierung in Aussicht genommenen Maßnahmen. Sie entfernen sich von dem anerkannten Ziel und stellen lediglich eine Belastung dar, ohne daß dabei ein verkehrspolitischer Effekt entsteht. Wir haben das umgerechnet, Computer trügen nicht, sie haben auch keine Gefühle und nehmen nicht Rücksicht; das haben wir alle schon oft erlebt.
— Nein, die sind richtig gefüttert worden; darauf können Sie sich verlassen. Der Computer rechnete uns vor, Herr Kollege Müller-Hermann, daß wir da, wo wir 1, 2, 3, 4 oder 5 Pf nehmen, bei Ihrer Straßenbenutzungsgebühr, umgerechnet auf einen 38-t-Zug, auf 0,22 Pf je Tonnenkilometer kommen, bei einem 30-t-Sattelzug auf 0,23 Pf. Ich bin davon überzeugt, daß das Verkehrsgewerbe dies weiter verkraftet; das ist eine kleine Schmälerung. Das Verkehrsgewerbe wird die Ausweichlösung schon finden und auf der Straße bleiben.14. Sie sind darüber hinaus mit rechtlichen Folgerungen verbunden. Die Straßenbenutzungsgebühr setzt eine Änderung des Grundgesetzes voraus, oder aber wir müßten hoffen, daß elf Länder solche Gesetze verabschieden. Die Lizenabgabe wird in dieser Höhe und als jährlich wiederkehrende Gebühr rechtlich nicht realisierbar sein. Denn Behörden dürfen nur Gebühren für Verwaltungsakte, die sie vollziehen, nehmen, und zwar nur in der Höhe der Leistungen, die sie durch Verwaltungsakte vollbringen. Es geht nicht an, daß eine Lizenz hergegeben wird und dafür nicht nur einmal, bei der Hergabe der Lizenz, sondern laufend jährlich 2000 oder 2500 DM genommen werden. Auch das würde verfassungsrechtlich neu abzusichern sein. Ich stelle das nur dar.Wenn Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, in der Öffentlichkeit erklärt haben: „Der Leber-Plan reicht nicht aus, er reicht nicht aus zur Sanierung der Bundesbahn und zur Entlastung der Straßen", darf ich Ihnen hier in aller Freundschaft sagen: Wenn das, was wir an Maßnahmen angesetzt haben, nicht ausreicht, dann reicht noch weniger noch weniger aus.
Darüber sollten wir noch einmal ein bißchen nachdenken. Wir kommen nicht daran vorbei, meine Damen und Herren: Wenn wir eine Verschlechterung verhindern und eine Verbesserung erreichen
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Bundesminister Leberwollen, müssen wir zur Verhinderung der Verschlechterung einen Damm errichten und Wege finden — ich würde am liebsten sagen: Kanäle bauen; aber dann werde ich wieder mißverstanden zur Verbesserung führen. Das geht nicht, ohne daß spürbare Belastungen ausgelöst werden. Ich bin mir im klaren darüber, daß eine Politik, die auch die Zustimmung aller Interessenten erstrebt, am Ende wirkungslos ist.
Die Herren wollen fahren und noch mehr fahren und mit dem Fahren Geld verdienen. Sie werden gegen alles sein, was sie daran hindert, in Zukunft mit Lastwagen auf den Straßen mehr und mehr zu fahren und dabei Geld zu verdienen.
Ich habe mich auf etwas anderes eingelassen. Wir standen vor der Frage: Sollen wir ein Programm machen, das alle begrüßen? Das habe ich abgelehnt. Das braucht man nicht. Das führt zu nichts. Das ist nur Arbeit. Sollen wir ein Programm machen; das einige wenige hart betrifft und andere dafür schont? Auch das habe ich abgelehnt. Ich habe mich auf etwas anderes eingelassen. Wenn es gelingt, ein Programm zu erstellen, bei dem alle Betroffenen gleichermaßen laut schreien, weil man ihnen gleichermaßen fest auf die Füße tritt, dann ist das nach meiner Auffassung nicht nur gerecht, sondern auch wirtschaftlich richtig angelegt.
Das ist hier geschehen. Sie können die ganze Breite aller Interessenten sehen. Die sind alle gegen das Programm. Das spricht eigentlich für die Qualität des Programms und dafür, daß es in sich auch ausgewogen ist.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages — ich zähle den Handelstag nicht zu den Pressure groups und nicht zu den Interessenten — hat mir in den letzten Tagen einen Brief geschrieben, aus dem ich trotz mancher unterschiedlicher Meinung im Detail nicht diesen Gruppenegoismus, sondern Sinn und Verantwortungsbewußtsein auch gegenüber der Gesamtheit erkenne. Herr Präsident, wenn Sie erlauben, lese ich einige Sätze aus diesem Brief vor. Es heißt dort:Bei grundsätzlicher Anerkennung der mitteloder auch langfristigen Ziele des verkehrspolitischen Programms fühlt sich der Deutsche Industrie- und Handelstag jedoch verpflichtet, einerseits nach dessen Erfolgsaussichten und andererseits nach den Belastungen zu fragen, die sich für die Wirtschaft im Zuge seiner Realisierung ergeben würden. Die Frage nach dem verkehrspolitischen Erfolg steht dabei jedoch eindeutig im Vordergrund, weil wohl niemand ernsthaft damit rechnen kann, daß sich die Schwierigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrs ohne höhere Lasten für die Wirtschaft und die Verbraucher oder die Steuerzahler schlechthin beheben lassen werden. Unser betontes Interesse am Erfolgdes verkehrspolitischen Programms — vornehmlich der Sanierung der Bundesbahn und der Bereinigung der Verkehrsverhältnisse auf den Straßen — läßt uns besorgt fragen, ob die Bundesregierung nicht die Größenordnung der Probleme und der zu ihrer Lösung erforderlichen Mittel unterschätzt.Das ist jedoch nicht Kampf gegen ein Programm, das zu hart vorgeht, sondern die Sorge des Deutschen Industrie- und Handelstages — das heißt seines Präsidenten —, ob das, was vorgesehen ist, ausreicht, ob es fest genug ist, um die Probleme tatsächlich zu lösen und die Ziele zu erreichen. Das ist etwas ganz anderes als leichte Kritik an einem Vorschlag der Regierung.Lassen Sie mich bitte noch zu der Kritik Stellung nehmen, die sich auf die Auswirkungen der Maßnahmen im Straßengüterverkehr konzentriert. Es ist gesagt worden, das verkehrspolitische Programm und besonders die Maßnahmen zur Beschränkung des Straßengüterfernverkehrs widersprächen der Konjunkturpolitik der Bundesregierung, da sie die verladende Wirtschaft mit erheblichen zusätzlichen Kosten belasteten. Darauf ist zu erwidern: Die Gesamtmehrbelastung der Wirtschaft aus dem vorgesehenen Beförderungsverbot bestimmter Massengüter und der Straßengüterverkehrsteuer beläuft sich nach unseren Berechnungen auf höchstens 430 Millionen DM im Jahr. Bei zur Zeit rund 16,7 Milliarden DM Frachtwert — nicht Warenwert, sondern Frachtwert — der Beförderungsleistungen sind dies rund 2,4 0/o des Frachtwertes, ein Prozentsatz, von dem weder eine Gefährdung der Preisstabilität noch der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ausgehen kann.Demgegenüber müssen auch die Impulse berücksichtigt werden, die das verkehrspolitische Programm zugunsten der deutschen Wirtschaft auslöst. Dies gilt insbesondere für die Investitionen im Bereich des kombinierten Verkehrs Schiene/ Straße, z. B, Container, Fahrgestelle, Umladegerät und vieles andere mehr. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, daß nicht zuletzt durch die Maßnahmen des Programms die Deutsche Bundesbahn in die Lage versetzt wird, einer der größten öffentlichen Auftraggeber für die deutsche Wirtschaft zu bleiben. Allein im Jahre 1968 wird sie Aufträge in Höhe von 3,76 Milliarden DM erteilen. Hierdurch werden zwischen 140 000 und 180 000 Arbeitsplätze gesichert. Allein die Stahlaufträge, die sich aus dem verkehrspolitischen Programm ergeben, hat der Vorstand der Deutschen Bundesbahn auf 1,2 Milliarden DM beziffert.Die Kritiker, die eine Belastung der Wirtschaft von mehreren Milliarden DM behaupten, haben ihre Globalzahlen bisher nicht belegt. Aber es ist recht interessant, festzustellen, wie diese Zahlenangaben sich langsam einer realistischen Größenordnung nähern. Während der Bundesverband des gewerblichen Güterfernverkehrs wenige Tage nach Veröffentlichung des Programms im September noch von 3 Milliarden DM zusätzlicher Lasten sprach und der Bundesverband der Deutschen Industrie wenige
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Bundesminister LeberWochen später immerhin noch einen Betrag von 2 Milliarden DM nannte, haben die in der ,Aktionsgemeinschaft Rationeller Verkehr" zusammengeschlossenen Verbände die zusätzliche Kostenbelastung aus dem Transportverbot mit rund 450 Millionen DM angegeben. Zusammen mit der zusätzlich entstehenden Steuerlast von etwa 240 Millionen DM sind das insgesamt rund 700 Millionen DM, ein Betrag, der sich den Zahlenwerten der Bundesregierung schon weithin nähert. Wie man gestern den Zeitungen .entnehmen konnte, ist der Bundesverband der Deutschen Industrie inzwischen auch bei 350 bis 400 Millionen DM Mehrkosten aus dem Transportverbot angelangt. Die Herren haben gründlich und gewissenhaft gerechnet, und wir sind uns schon sehr nahe gekommen.Es ist weiter gesagt worden, daß die mit dem Verkehrspolitischen Programm beabsichtigte Verlagerung des Straßengüterfernverkehrs auf die Schiene nicht in dem erwarteten Umfang das Straßennetz entlasten würde; die Verlagerung von Ferntransporten müsse vielmehr durch den notwendig werdenden Nahverkehr von und zu den Bahnhöfen zu zusätzlichen Belastungen des Straßennetzes führen. Die Verlagerung der Transporte von den Fernstraßen auf die Schiene wird, insgesamt gesehen, zu keinen zusätzlichen Belastungen des gemeindlichen Straßennetzes führen. Schon bisher haben sich die Ausgangs- und Endphasen der Straßenferntransporte innerhalb der Ballungsgebiete und Ortschaften abgespielt. Hieran wird sich auch künftig nichts ändern. Soweit die Güter künftig von bzw. zu den Bahnhöfen gefahren werden, wird durch die Auswahl der dafür geeigneten Verladebahnhöfe und eine gut organisierte Ausgestaltung des kombinierten Verkehrs auf die Entlastung der innerstätdtischen Straßen und der Stadtstraßen in Randgebieten hingewirkt werden.Natürlich wird der Straßengüternahverkehr mit stetigem Wirtschaftswachstum weiter zunehmen. Wir werden uns auf diese Zunahme einstellen müssen. Leistungen des Straßengüternahverkehrs sind durch andere Verkehrsmittel nicht zu ersetzen. Dabei wird es in Deutschland den kommunalen Stellen obliegen — ich sage das hier einmal mit aller Deutlichkeit —, die Stadtzentren vom Schwerlastverkehr möglichst freizuhalten. Sie haben dazu auch die rechtliche Möglichkeit in der Hand. Sie sollen nicht nur immer nach Bonn sehen, was von dort kommt, sondern sie sollen von ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen. In Paris sieht man am Tag auch keinen Fernlastwagen, und die 8 oder 10 Millionen Menschen dort leben und arbeiten auch. Das geht auch auf andere Weise. Das geht auch in unserem innerstädtischen Bereich, in unseren eigenen Städten.
Bei der Würdigung des Verkehrspolitischen Programms und der zu seiner Durchführung vorgesehenen Gesetze müssen wir auch die Reaktion unserer EWG-Partner berücksichtigen, d. h. wir dürfen nicht darauf verzichten, uns hier mit ihr auseinanderzusetzen. Man hatte sich nachgerade daran gewöhnt, daß sich die gemeinsame Verkehrspolitik, zu der sich die Sechs im EWG-Vertrag verpflichtet haben, seit Jahren auf der Stelle befand. Wir wollen hier nicht darüber rechten, wer schuld an diesem bedauerlichen Stillstehen war.Dieselben Kreise nun, die jahrelang in Brüssel jeden Sachfortschritt in der gemeinsamen Verkehrspolitik durch die Überbetonung ihrer nationalen verkehrspolitischen Interessen verhindert haben, erblicken in der verkehrspolitischen Initiative .der Bundesregierung eine willkommene Chance, ihr die Verantwortung dafür zuzuschieben, daß auch in Zukunft in Brüssel im verkehrspolitischen Bereich kein Fortschritt erzielt wird.Unter diesen Auspizien trafen die Verkehrsminister der Sechs am 13./14. Dezember ,des vergangenen Jahres nach einer Pause von 14 Monaten unter meinem Vorsitz in Brüssel zusammen. Was niemand zu hoffen gewagt hatte, wurde Wirklichkeit. Die sechs Verkehrsminister der Gemeinschaft einigten sich auf ein realistisches Programm, das schon für das erste Halbjahr 1968 entscheidende Fortschritte in dem für die Bundesrepublik besonders wichtigen Bereich der Angleichung der Startbedingungen vorsieht. Der Ratsbeschluß vom 14. Dezember 1967 ist allseits begrüßt worden, und das erfreulicherweise nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen Ländern der Gemeinschaft.Mein französischer Kollege hat besonders hervorgehoben, daß der Plan seines deutschen Kollegen das Verdienst gehabt habe, die Rolle eines neuen Antriebs zu spielen. In gleichem Sinne hat sich auch mein niederländischer Kollege geäußert.Ich glaube, sagen zu dürfen, daß auch die Europäische Kommission den Ratsbeschluß vom 14. Dezember 1967 mit Befriedigung und Erleichterung aufgenommen hat. Ich meine, man muß in diesem Lichte auch die Empfehlung sehen, die die Kommission am 31. Januar zu den vier Verkehrsgesetzen verabschiedet hat. Solche Empfehlungen, in denen nationale Gesetzesvorhaben der Mitgliedstaaten unter allen erdenklichen juristischen und verkehrspolitischen Gesichtspunkten sorgfältig gewürdigt werden, sind durchaus nichts Außergewöhnliches. Entscheidend ist, daß die Kommission die verkehrspolitischen Ziele der Bundesregierung voll billigt. Damit hat sie sich auch festgelegt. Sie hat wörtlich erklärt:Die Kommission stimmt der deutschen Regierung darin zu, daß die ernste Lage der Verkehrswirtschaft des Landes schnelle und wirksame Maßnahmen erfordert. Sie erkennt an, daß das Programm .ein geschlossenes Ganzes bildet, das darauf gerichtet ist, die gegenwärtigen Verhältnisse zu verbessern. Die Kommission verkennt nicht, daß die Ziele richtig sind, welche die deutsche Regierung mit den verschiedenen Maßnahmen ihres Programms zur Gesundung des Verkehrs verfolgt.Aus der Drucksache zu V/2494 wissen Sie, daß die Kommision gegen einzelne der in den Verkehrsgesetzen vorgesehenen Maßnahmen Bedenken anmeldet, die teils rechtlicher, teils verkehrspolitischer Natur sind. Wesentliche rechtliche Bedenken richtenBundesminister Lebersich gegen die steuerlichen Maßnahmen im Bereich des Straßengüterfernverkehrs.Das kommt für uns nicht unerwartet. Die Bundesregierung hat sich damit bereits in der Begründung des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs auseinandergesetzt. Die Antwort auf die Empfehlung von Brüssel, meine Damen und Herren, steht in Ihren eigenen Unterlagen, in der Begründung für das Steuergesetz: Sollte sich herausstellen, daß einzelne der vorgesehenen Maßnahmen nach dem Inkrafttreten der Mehrwertsteuer in der Gemeinschaft am 1. Januar 1970 Bedenken begegnen, so wird die Bundesregierung rechtzeitig die erforderlichen Schritte einleiten, um mit Rat und Kommission Einvernehmen über eine zumindest vorläufige Beibehaltung der Straßengüterverkehrssteuer zu erreichen. Die übrigen rechtlichen Bedenken der Kommission richten sich gegen Teilaspekte einzelner Gesetze. Sie werden mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen sein. Das gleiche gilt, soweit die Kommission Unvereinbarkeiten mit der verkehrspolitischen Konzeption in Brüssel kritisiert.Die Europäische Kommission hat sich in gewiß guter Absicht nicht darauf beschränkt, Unvereinbarkeiten festzustellen. Sie hat der Bundesregierung zugleich Vorschläge für Alternativvorschläge unterbreitet, die den Bereich der Wegekosten, den Straßenbau und die Deutsche Bundesbahn betreffen.Dazu habe ich folgendes anzumerken:Ein deutscher Alleingang auf dem Gebiet der Wegekosten würde den in Brüssel seit langem in Gang befindlichen außerordentlich schwierigen Arbeiten im Ergebnis vorgreifen. Auch in Brüssel weiß noch niemand, wie hoch die Wegekosten eigentlich wären, wenn man alle Kosten jetzt in Ansatz brächte. Es wäre gut, wenn man uns von dort nicht Ratschläge geben würde mit Fragen, die man auch in Brüssel noch nicht beantworten kann. Denn wir sind auch nicht gescheiter als die Herren in Brüssel.
Die Empfehlung, das deutsche Straßennetz den gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnissen anzupassen, berücksichtigt nicht, daß selbst eine Verstärkung der hohen deutschen Straßenbauleistungen nach dem Kriege nicht ausreichen würde, um der drohenden Überlastung der deutschen Straßen zu begegnen. Es gibt kein Land in Europa, das in den letzten zwanzig Jahren auch nur annähernd soviel Straßen gebaut hat wie die Bundesrepublik Deutschland. Deshalb sind wir auf solche Empfehlungen nach noch mehr Straßenbau eigentlich gar nicht angewiesen, weil wir selbst soviel bauen, wie wir finanziell verkraften können. Und trotzdem sind die Straßen bei uns so überlastet wie nirgendwo sonst in Europa. Ich möchte mir bei all der Kritik — ich weiß um die rechtliche und die politische Bedeutung einer Empfehlung auf eine Konsultation — in diesem Hohen Hause einmal erlauben zu sagen: Ich bin überzeugt davon: Wenn diese besondere Verkehrssituation nicht die Deutschen hätten, sondern die Franzosen, die würden weniger zimperlich auf die Empfehlungen der EWG-Kommission schauen, sondern das tun, was in Frankreich nötig wäre. Daransollten wir bei Gelegenheit auch einmal denken.
Die von der Kommission im Hinblick auf die Deutsche Bundesbahn gemachten Vorschläge sind bereits weitgehend durchgeführt worden. Der Erfolg entspricht leider nicht den Vorstellungen der Kommission. Das zeigt übrigens auch das Beispiel der Niederländischen Eisenbahnen. Die Niederländer haben ja ein hohes Interesse an dem Konsultationsvorgang in Brüssel gehabt. In Holland ist seit langem verwirklicht, was die Kommission im Hinblick auf die Deutsche Bundesbahn fordert. Gleichwohl wachsen die finanziellen Schwierigkeiten der Niederländischen Eisenbahnen derart, daß sie denen der Deutschen Bundesbahn weitgehend ähnlich sind. Dies beweist, daß den gegenwärtigen Schwierigkeiten der Deutschen Bundesbahn nur mit einschneidenden Eingriffen auf dem gesamten Verkehrsgebiet beizukommen ist.Ich möchte mit allem Nachdruck unterstreichen, daß das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung nicht gegen Europa und gegen die europäische Entwicklung gerichtet ist. Es ist eine Maßnahme, die auch deswegen nötig ist, weil die europäische Verkehrspolitik noch nicht so weit fortgeschritten ist, daß sie uns helfen kann. Wenn die gemeinsame Verkehrspolitik eines Tages Realität geworden ist, dann werden die nationalen verkehrspolitischen Maßnahmen der Bundesrepublik an die gemeinschaftlichen Regelungen angepaßt werden müssen. Die Bundesrepublik wird auch künftig mit aller Intensität an der Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik in Brüssel mitarbeiten. Wir können nur nicht darauf warten, ob tatsächlich in einigen Jahren von dort etwas Wirkungsvolles geschieht.
Beim Ringen um die Antwort auf die Konsultation durch die Europäische Kommission haben selbstverständlich auch nationale Verkehrsinteressen anderer Länder mitgespielt. Das ist natürlich. Die Fürsorge geht sogar so weit — wenn meine Informationen nicht ganz trügen —, daß die holländische Kammer, das holländische Parlament, darum gebeten hat, man möge sich in Brüssel beeilen mit dem Abschluß des Konsultationsverfahrens, damit der Deutsche Bundestag die Empfehlungen noch rechtzeitig vorliegen hätte. Ich bin überzeugt, daß der holländische Vertreter in der EWG-Kommission den Empfehlungen der Kommission zugestimmt hat. Er hätte das bestimmt nicht getan, wenn nationale holländische Interessen durch die Empfehlungen verletzt worden wären. Wir sollten dabei in aller Freundschaft auch an. unsere Interessen denken. Das Ergebnis liegt Ihnen vor. Alles in allem hat die französische Zeitung „Le Monde" — auch eine liberale Zeitung — treffsicher und nicht ohne Humor die weisen Empfehlungen der Kommission so charakterisiert:Es ist, wie das manchmal vor einem Militärgericht vorkommt; ein kühner Beschuldigter,der sich nicht genau an die Spielregeln hält,
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Bundesminister Leberwird zwar bestraft, aber man sagt ihm auch zugleich eine Beförderung zu.Die Zeitung sagt weiter:Viele Sachen werden dem deutschen Plan verziehen — in dem Moment, in dem die Sechs endlos über die Verdienste einer ultraliberalen Transportpolitik oder über eine organisierte Zwangspolitik diskutieren —, da der deutsche Plan den Finger auf eine Situation gelegt hat, die, so denkt man in Brüssel, als unhaltbar von jedermann angesehen werden muß.Im Zusammenhang mit den internationalen Fragen möchte ich noch kurz ein Wort zu der Situation unserer Seehäfen sagen. Die Bundesregierung hat hier besonders aktiv gewirkt. Zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen, die zwischen .den deutschen Seehäfen und vor allem den Rheinmündungshäfen bestehen, sind folgende Schritte unternommen worden:1. Senkung der Treibstoffmenge von 100 auf 50 1 im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr;2. eine straffere Überwachung der Einhaltung der bilateralen Kontingente durch Anwendung einer entsprechenden EWG-Richtlinie. Die Holländer hatten im September nach unserer Zählung, die mit ihrer Zählung übereinstimmt; rund 2300 Lastzüge in der Bundesrepublik pro Tag. Sie stellten sich die Genehmigungen dafür selbst aus. Die Lösung, die wir gefunden haben, lautet: Ab 1. April wird die Lizenz von der Bundesregierung ausgestellt. Es kommt kein Fahrzeug über die Grenze, das nicht im Besitz einer in Deutschland ausgestellten Lizenz ist. Es werden 1950 Genehmigungen — einschließlich des Transitverkehrs — ausgegeben. Ich bin froh, daß wir ,das in Freundschaft mit der holländischen Regierung hingebracht haben;3. Aufhebung der einseitigen Rückerstattung bei der Kraftfahrzeugsteuer im Rahmen einer EWG-Regelung;4. Neutralisierung der geplanten Straßengüterverkehrsteuer für Fahrten zu und von ,den deutschen Seehäfen durch eine 170-km-Freigrenze;5. Einbeziehung des grenzüberschreitenden Güternahverkehrs in die Besteuerung.Außerdem ist wichtig, ,daß in Brüssel vorgesehen ist, solange es noch .keine Angleichung der Kostenelemente gibt, das sogenannte Territorialitätsprinzip anzuwenden. Das heißt, jedes Kraftfahrzeug zahlt im Güterkraftverkehr die Steuer des Landes, in dem es gegenwärtig ist, und bekommt zurückerstattet, was es in dem Land, das es verlassen hat, bereits gezahlt hat.Ich habe vor allem unsere niederländischen Partner auf die Unhaltbarkeit der bestehenden Wettbewerbsverzerrungen durch konkrete Schritte hingewiesen. In den letzten Monaten habe ich intensive Verhandlungen mit meinem niederländischen Kollegen geführt. Es konnte auch schon eine Annäherung der Standpunkte erreicht werden. Die Atmosphäre der bisherigen Gespräche mit den Niederlanden war real, war zum Teil hart, aber im ganzen auch freundschaftlich. Nicht zuletzt diese Verhandlungen haben zu dem unerwartet guten Ausgang der Ministerratstagung vom 14. Dezember beigetragen.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Meine Aufgabe war es, das Programm der Regierung in seinen wichtigen, vor allem auch in den umstrittenen Punkten zu erläutern und zu der in der Öffentlichkeit sichtbar gewordenen Kritik Stellung zu nehmen.Ich glaube, daß ich die öffentlich geführte Diskussion der letzten Monate und alles, was an Beiträgen dazu geleistet worden ist, richtig deute, wenn ich hier feststelle, daß die Ziele, die im Verkehrspolitischen Programm gesetzt sind, von niemandem angefochten, sondern von allen bejaht werden. Das ist, glaube ich, am Anfang eine der wichtigsten Feststellungen.Die zweite Feststellung, die ich nach der bisherigen Auseinandersetzung treffen darf, ist die.: Es handelt sich um ein Gesamtprogramm, das eine Fülle von Maßnahmen enthält, die zum überwiegenden Teil auch in der öffentlichen Diskussion bisher nicht bestritten worden sind. Der größte Teil des Programms ist unbestritten. Es wird nur über das geredet, was strittig ist. Churchill hat einmal gesagt: Über 80% aller Dinge sind sich alle Engländer einig; aber die 20% genügen, daß wir in Streit miteinander geraten. So scheint es mir auch hier bei diesem Programm zu sein. Der Streit konzentriert sich in der Hauptsache auf die Frage, ob die Maßnahmen bei der Bundesbahn ausreichend sind — ich hoffe, daß ich das heute etwas aufhellen konnte —, und auf die Maßnahmen im Bereich des Straßengüterfernverkehrs, nämlich die Steuern und die Verbotsliste.Meine Damen und Herren, das Programm ist ein Ganzes! Das heißt, wenn die Einschnitte bei der Eisenbahn nicht zusammen mit ebenso klaren Einschnitten im Straßengüterverkehr erfolgen, gerät die Eisenbahn trotz aller Modernisierungsmaßnahmen in einen immer tieferen Strudel der Unwirtschaftlichkeit, wie es bei der Kohle geschehen ist, und unser Volk müßte sich darauf einrichten, ständig mit wachsenden Defiziten bei der Eisenbahn zu leben. Oder man müßte sich, weil man auf der Straße nicht zupacken will, praktisch zu einer Demontage. der Eisenbahn entschließen. Daran mitzuwirken habe ich persönlich keine Veranlassung. Vor dieser großen Entscheidung stehen wir in Wirklichkeit.Herr Kollege Müller-Hermann, ich darf mir erlauben, Sie an diesem Punkt persönlich anzusprechen. Sie haben am 9. Juli 1954 in der Debatte um die Verkehrspolitik folgende Ausführungen gemacht, die ich mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf. Sie haben damals gesagt:Noch ein dritter Tatbestand hat zu der heutigen Situation auf dem Gebiete des Verkehrs mit beigetragen. Das sind die Auswirkungen, aber zum Teil auch die Fehler der Verkehrs-, Steuer- und Tarifpolitik der letzten Jahre. Ich frage
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Bundesminister Lebermich, meine Damen und Herren, warum wir eigentlich nicht, bevor wir jetzt so einschneidende, starre Maßnahmen wie eine Verbotsgesetzgebung ergreifen, zuerst einmal daran gehen, den Versuch zu machen, durch eine Berichtigung der bisher falschen Steuer-, Tarif- und Verkehrspolitik das gleiche Ziel zu erreichen, und erst, wenn das nicht möglich ist, als Ultima ratio den Versuch machen — wenn es dann noch notwendig sein sollte —, mit Verbotsmaßnahmen zu arbeiten, die einfach nicht in unsere allgemeine politische und wirtschaftspolitische Landschaft passen.
Ich hoffe, ich habe korrekt zitiert, Herr Kollege Müller-Hermann.Der jetzige Vorsitzende der SPD-Fraktion, ich sehe ihn leider nicht hier sitzen, der Herr Kollege Helmut Schmidt, hat in der damaligen Debatte die gleiche Auffassung vertreten wie Sie. Meine Herren, ich verhehle Ihnen nicht, ich habe Ihnen Beifall gezollt, denn ich habe diese Auffassung damals auch für richtig gehalten. In der Zwischenzeit, meine Damen und Herren, sind 14 Jahre vergangen, in denen versucht worden ist, mit marktadäquaten Mitteln das Verkehrswesen in Ordnung zu bringen. Die Bilanz ist diese:1954 waren auf unseren Straßen 53 000 Fernlastzüge, ihre Zahl stieg auf 105 000 im Jahre 1967. 1954 waren auf unseren Straßen 1,4 Millionen Personenkraftwagen, Ende des Jahres 1967 waren es einschließlich der kleinen Kombiwagen 11,3 Millionen.Die Leistungen des Bundes an die Adresse der Deutschen Bundesbahn betrugen 1954 500 Millionen DM, 1967 waren es 3095 Millionen DM. Versechsfacht!Herr Kollege Müller-Hermann,' Sie haben gesagt: den Versuch machen, es so in Ordnung zu bringen. Ich muß Sie bitten, meine Herren, Herr Kollege Müller-Hermann, mir zu gestatten, daß ich hier in aller Freundschaft folgendes frage: Wollen wir weiter prinzipientreu, wie wir Deutschen nun einmal sind, mit marktadäquaten Versuchen das Problem so groß werden lassen, bis sich nachher, wie bei der Kohle jetzt, niemand mehr auch nur darüber unterhält, welche Mittel angewendet werden?Ich frage weiter Herrn Kollegen Schmidt und Herrn Kollegen Müller-Hermann: Ist jetzt die Stunde da, in der wir — um mit Ihren Worten von damals zu reden — zur damals noch verweigerten Ultima ratio, nämlich zu härteren Mitteln, greifen müssen, oder Sie der Meinung, daß wir es weiter ohne diese Mittel versuchen müssen, bis wir — wie im Kohlebergbau — die große Eisenbahnkrise vor uns haben, bei der dann niemand mehr fragt, ob wir marktadäquate Mittel einsetzen oder dirigistisch handeln?Heute sind die gleichen Leute im Kohlebergbau — ich habe das auch in diesem Hohen Hause erlebt, die sich 1958/59, als die damalige Regierung überlegte, ob sie schärfer eingreifen solle oder nicht, gegen dirigistische Eingriffe gewehrt haben, bereit, den Kohlebergbau mit Mann und Roß und Wagen zu sozialisieren. Danach fragt kein Mensch mehr. Den Zustand werden wir auch im Verkehr bekommen, wenn wir jetzt nicht den Mut haben, einzugreifen.
Es ist noch Zeit.Ich bin froh darüber, ,daß wir über die anzustrebenden Ziele keine Meinungsverschiedenheiten haben. Es ist auch gar nicht schlecht, wenn mehrere Schützen das gleiche Ziel anvisieren. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, .daß es getroffen wird, um so größer. Gestatten Sie mir bei diesem Bild nur eine kleine Anmerkung: Wenn unter den vielen Schützen, .die es .da gibt, auch solche sein sollten, die unterschiedlich viel Pulver in ihren Patronen haben, dann knallt das zwar .genauso; aber auch dann, wenn sie in die richtige Richtung zielen und der Knall laut hörbar ist, wird die Kugel nie ihr Ziel erreichen, weil nicht genug Pulver dahinter war.Ich war 1951 einmal auf einem Kongreß; damals ging das mit .der Stenographie noch nicht so gut, und ,da .sagte ein Redner: Meine Damen und Herren, wenn ich so zurückblicke, dann muß sich sagen, wir sind Sünder .allzumal; ich persönlich müßte an meine Brust klopfen und sagen: Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Der Stenograph hatte das falsch verstanden, und im Protokoll hieß es dann: Mehr Pulver, mehr Pulver, mehr Pulver!
Ich glaube, über dieses nette Erlebnis sollten wir alle gemeinsam einmal nachdenken. Es muß genügend Pulver hinter den Maßnahmen sein, sonst treffen sie nicht ihr Ziel.Im übrigen: Wir werden .ein Programm, wenn es helfen soll, nicht zustande bringen, ohne uns mit harten widerstreitenden Interessen auseinanderzusetzen. Dieses Parlament muß souverän seine Entscheidungen treffen. Ich bin nicht dafür, .daß wir den Versuch machen, auf einem Korb voll frisch gelegter Interessenteneier zu tanzen, ohne eines dabei kaputtzumachen.
Ich darf wiederholen: über die Wege zu den allseitig anerkannten Zielen können wir uns in den Ausschüssen noch unterhalten. Sie müssen aber tatsächlich zu den Zielen führen.Wir haben bisher versucht, ,die Propagandaaktionen großer und mächtiger Gegenkräfte mit Gelassenheit durchzustelien. Dieser Strom der Beeinflussung, meine Damen und Herren, wird sich von jetzt ab bis zu einer Flut in die Postfächer der Abgeordneten verstärken. Der Aufruf, in jeder Versammlung die Abgeordneten zu stellen, ist bereits öffentlich ergangen. So legitim das alles in der Demokratie ist — wenn das nicht sein dürfte, müßten wir uns dafür einsetzen, daß es erlaubt ist, daß man es uns unbequem macht —: unser Volk verlangt aber ieine klare politische Führung. Da sind wir an-
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Bundesminister Lebergesprochen. Wir werden alle miteinander in den nächsten Monaten viel Kraft nötig haben, wenn wir bei unseren Entscheidungen nicht von Pressionen hin- und hergeschüttelt werden wollen. Das werden wir auch auf anderen Gebieten noch erleben. Wenn diese Regierung und dieses Parlament diese Standfestigkeit nicht aufbringen, vermöchten wir gemeinsam auf keinem Gebiet eine Reform zustande zu bringen, die unser Volk so dringend nötig hat.
Das Wort zur Begründung der Anträge der Fraktion der CDU/CSU hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ungewöhnlich, daß dem Hohen Hause zu einer Materie zwei so umfassende Vorlagen zur Verfügung stehen. Das ist allerdings bei Verkehrsdebatten im Laufe der Jahre wiederholt geschehen, und man ist etwas versucht, zu meditieren sowohl über die Langlebigkeit von Konzeptionen wie auch über die Langlebigkeit bestimmter Auffassungen innerhalb bestimmter Ministerien. Ich meine aber, die Tatsache, daß wir zwei umfassende Vorlagen zur Verfügung haben, ist zugleich eine Gewähr dafür, daß die zweifellos sehr komplizierte Materie bei uns unter allen Aspekten sorgfältig geprüft wird.Sehr verehrter Herr Bundesverkehrsminister, Sie werden Verständnis dafür haben, daß bei meinen Ausführungen auch einige kritische Bemerkungen fallen werden, wie das umgekehrt auch geschehen ist. Aber gerade deshalb möchte ich am Anfang ein ausdrückliches Wort der Anerkennung aussprechen. Was Sie über die Bundesregierung uns zugeleitet haben, ist zweifellos ein mutiger Versuch zur Lösung der verkehrspolitischen Probleme aus einer volkswirtschaftlichen Gesamtschau.
Sie haben dafür ja auch — was völlig legitim ist — das nötige Maß an Publizität eingehandelt. Aber Ihre Vorlage, die Vorlage der Bundesregierung, enthebt natürlich uns alle nicht der Pflicht, ebenfalls über die Probleme nachzudenken. Das scheint mir ohnehin eine der ganz wesentlichen positiven Seiten des sogenannten Leber-Plans zu sein, daß nicht nur dieses Haus, sondern auch die breite Öffentlichkeit genötigt worden ist, sich mit sehr schwierigen Problemen der Verkehrspolitik gründlich auseinanderzusetzen.Ich möchte als ein weiteres Positivum ausdrücklich festhalten, daß sicherlich dieser Vorstoß auch dazu beigetragen hat, die sehr schläfrige gemeinsame Verkehrspolitik auf der EWG-Ebene wieder in Schwung zu bringen.Schon diese Bemerkungen machen deutlich, meine Damen und Herren, daß in den Kreisen meiner Fraktion nun nicht etwa der Wunsch bestanden hat, Alternativen um jeden Preis zu entwickeln. Im Gegenteil: es gibt ja, wie Sie, Herr Minister, es selber gesagt haben, weite, weite Teile, in denen völlige Übereinstimmung besteht. Ich denke etwa an das, was im Regierungsprogramm bezüglich des Ausbaus eines einheitlichen Verkehrswegenetzes, bezüglich der Luftfahrt, bezüglich der Seeschiffahrt, insbesondere auch der Seehäfen, vorgeschlagen ist.Auch die Zielsetzung kann man nur bejahen. Wir müssen etwas tun, um unsere Bundesbahn auf ein gesundes wirtschaftliches Fundament zu stellen, und wir müssen etwas tun, um mit den Folgewirkungen der Motorisierung auf den deutschen Straßen fertig zu werden.Unsere Bedenken richten sich einmal gegen die Verfahren und Mittel, die Sie anwenden wollen, um zu diesen Zielen zu kommen. Zum anderen haben wir die Sorge — das wiederhole ich trotz Ihrer sehr optimistischen Aussagen, die Sie soeben hier ge-. macht haben —, daß die von Ihnen vorgeschlagenen Verfahren nicht ausreichen werden, um gerade diese von uns gemeinsam vertretenen Ziele wirklich zu erreichen. Es gibt z. B., was die Bundesbahn anbetrifft, Zahlenunterlagen, die von dem Unternehmen selbst kommen, die praktisch besagen, daß das, was der Bundesbahn an Mehrverkehr zuwächst, nicht einmal ausreichen wird, um das aufzufangen, was sich aus den Personalkostensteigerungen ergibt. Wir haben auch — ich glaube, das kann ich freimütig sagen — etwas mehr Vertrauen in den Marktmechanismus.Ich möchte also wiederholen, Herr Bundesverkehrsminister: Unsere Bedenken richten sich nicht gegen Herrn Leber — völlig ohne persönliche Vorurteile, im Gegenteil, außerordentlicher Respekt! —, sondern sie richten sich gegen eine Regierungsvorlage. Ich wiederhole auch, was Sie von mir bereits gehört haben: Wir bedauern es etwas, daß die -Bundesregierung in der neunmonatigen Zeit der Vorbereitung keine Gelegenheit gesucht hat, sich mit den beiden Koalitionsfraktionen und dem Parlament vorbereitend abzustimmen. Ich frage mich auch: Wozu besteht eigentlich ein wissenschaftlicher Beirat bei einem Ministerium, wenn er bei einer so schwierigen Materie nicht einmal vorher gehört wird?
Wir fühlen uns in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hier völlig frei, unsere Meinung zu sagen, und es gibt ja auch sehr bemerkenswerte Aussprüche unseres Kollegen Helmut Schmidt von der SPD, der einmal gesagt hat: „Wir wollen durchaus nicht alles widerspruchslos schlucken, was die Herren in der Bundesregierung unter sich ausmachen", und: „Die Regierung hat zu tun, was das Parlament beschließt."Um es kurz zu machen: Ich glaube, es ist gut gerade auch unter politischen Gesichtspunkten und in den Zeiten der Großen Koalition, daß dieses Hohe Haus deutlich macht, wie sehr es sich selbst legitimiert und auch qualifiziert fühlt, eigene Vorstellungen zu entwickeln, wo das im Interesse der Sache not tut.
Unser Wunsch ist aber, die Bundesregierung bei der Lösung der Probleme zu unterstützen, ihr dabei zu helfen.
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Dr. Müller-HermannAuch eine kurze Bemerkung an die Adresse des Bundesrates, der sich natürlich immer in einer schwierigen Situation befindet, wenn er sich in einer sehr knappen Zeit mit einem solchen Paket von Problemen beschäftigen muß. Ich habe etwas die Sorge, daß durch die Anregungen der Länder im Grund schon Ihre Konzeption, Herr Bundesverkehrsminister, wesentlich durchlöchert worden ist und man bei einigen Ländern unter der Parole: „rette sich, wer kann!" jeden Bonbon aufgegriffen hat in der Hoffnung, dabei noch einige eigene Interessen wahren zu können.Ich sagte, Herr Bundesminister, wir müssen auch wechselseitig Kritik gelten lassen, und ich komme einfach nicht daran vorbei, eine gewisse Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Zielsetzung der Bundesregierung festzuhalten. Es ist natürlich peinlich, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister etwa bei der Eröffnung der Automobilausstellung im vergangenen Herbst sagt: „Keine Steuererhöhungen!" und wenn zwei Tage später bekannt wird, was der Herr Bundesverkehrsminister der Wirtschaft an Zusatzbelastung zumutet.
Auch bei dem, was Sie, Herr Bundesverkehrsminister, über die mittelfristige Finanzplanung und die Orientierung an dieser Finanzplanung gesagt haben, sollen wir doch das eine festhalten: Sie ist ja, so gut sie in ihrer Tendenz ist, kein unabänderliches, fixes Datum, sondern sie soll und muß Jahr für Jahr den veränderten Verhältnissen angepaßt werden. Ich glaube, es besteht schon heute völlige Klarheit darüber, daß weder Ihre Pläne noch das, was wir uns als Gesundung der Bundesbahn vorstellen, mit dem, was in der mittelfristigen Finanzplanung an Zahlenangaben enthalten ist, zurechtkommen können. Es ist doch gar kein Zweifel, Herr Verkehrsminister, daß die Ziele der Bundesregierung, Wachstum und Stabilität zu gewährleisten, mit dem Verkehrspolitischen Programm in Kollision geraten. Ich warne auch davor, zu sagen: Was sich nach Ihren Vorstellungen und wahrscheinlich auch nach anderen Vorstellungen an Zusatzbelastungen für das einzelne Produkt ergibt, bedeutet nur einen Bruchteil von Prozenten. Man muß natürlich auch die vorausgegangenen indirekten Transportkosten mit in die Rechnung einbeziehen, und dann kommen eben doch auch für das einzelne Produkt sehr hohe Prozentzahlen hinzu.Wir sind uns — sicherlich mit der Regierung — auch darüber im klaren, daß unsere Wirtschaft Ruhe für langfristige Dispositionen braucht. Das ist mit ein Grund, weswegen wir sicherlich sehr bald Klarheit über das schaffen müssen, was auf dem Gebiete der Verkehrspolitik zu tun nötig ist. Was uns aber natürlich ganz besonders Sorgen macht, ist, daß die Zielsetzungen des Verkehrspolitischen Programms in einen ganz entschiedenen Widerspruch zu dem, was die Bundesregierung selbst auf dem Gebiete der Regionalpolitik und der Raumordnung anstrebt, geraten.
Wir können nicht auf der einen Seite alles tun, um die wirtschaftlich schwachen und revierfernen Gebiete „aufzurüsten" und „aufzuforsten", und diese Gebiete auf der anderen Seite dadurch, daß die Bundesbahn sich zweifellos in diesen Gebieten in besonderem Maße zurückziehen muß, über eine Verteuerung der Straßentransporte schlechter bedienen als in der Vergangenheit.In diesem Zusammenhang müssen wir auch die Probleme sehen, die sich für die Agrarstruktur und die durch die EWG-Marktordnung gebundenen Preise im Agrarbereich ergeben.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Überlegungen gehen davon aus, daß man für die Verkehrspolitik und für die Lösung der verkehrspolitischen Probleme nicht länger eine eigene Verkehrsphilosophie entwickeln darf. Das hat uns schon allzu lange — über Jahrzehnte, möchte ich sagen — in die Irre geführt. Verkehrspolitik ist ein Teil dier Wirtschaftspolitik.
Verkehrspolitik und Wirtschaftspolitik müssen in Zielen und Mitteln harmonisieren. Das Verkehrswesen ist im Grunde ein Teil der Wirtschaft, nicht nur ein Diener, wie das so lange gemeint wurde, dem sich alles unterzuordnen hat. Es ist ein Teil der Wirtschaft, und es müssen auch im Verkehrswesen grundsätzlich ökonomische Maßstäbe gelten. Dazu steht nicht im Widerspruch, daß auch nach unserer Auffassung in bestimmten Bereichen gesellschaftspolitische, raumordnungspolitische, sozialpolitische Erwägungen über den ökonomischen Dingen zu stehen haben. Aber auch dort, wo Verkehrsleistungen unter besonderen Umständen angeboten werden, müssen ökonomische Kriterien walten, und die öffentliche Hand, die Politik müssen mit allen Folgen die Verantwortung übernehmen, wo preislich und in der Qualität im Widerspruch zur Eigenwirschaftlichkeit Angebote gemacht werden sollen.Sie ersehen daraus schon, daß der Ausgangspunkt aller unserer Überlegungen leine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise ist, abseits aller Spezial- und Sonderinteressen. Meine Damen und Herren, wir müssen damit rechnen, daß unsere Wirtschaft, die sich heute schon in einem harten internationalen Wettbewerb befindet, sich auf einen weiter verstärkten internationalen Wettbewerb wird einrichten müssen, einen Wettbewerb, der noch mehr als bisher weltweites Ausmaß annehmen wird. Denken Sie etwa an die immer größer werdenden Schiffstypen, die heute zu billigsten Preisen Güter über den Atlantik transportieren, die früher als Konkurrenzangebot auf dem europäischen Kontinent gar nicht in Erscheinung treten konnten. Auch dier Luftverkehr wird hier noch zusätzliche große Veränderungen hervorrufen. Wir werden uns also auf nationaler, EWG- und Weltebene auf eine Intensivierung der Arbeitsteilung einrichten müssen.Meine Damen und Herren, ein Zweites kommt hinzu. Unsere Wirtschaft stellt sich mehr und mehr auf eine verringerte Lagerhaltung um, weil jede Lagerhaltung natürlich das knappe Kapital in un-
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Dr. Müller-Hermannproduktiver Weise bindet. Sehen wir aber diese Zusammenhänge, dann werden eben die Transportkosten ein immer entscheidenderer Kostenfaktor für unsere ganze Wirtschaft. Auch die Ansprüche an die Qualität der Verkehrsbedienung werden ständig wachsen. Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Vermeidung von Umladungen sind Anforderungen, die in ständig wachsendem Maße an das Verkehrswesen gestellt werden.Herr Bundesverkehrsminister, Sie sagen in Ihren Ausführungen selber, man müsse es erreichen, daß Straßenferntransporte ohne staatliche Zwangsmittel über weite Strecken auf die Schiene gebracht werden können. Dem können wir sehr gut zustimmen. Dann verstehen wir nur nicht, warum Sie für Ihre Zielsetzungen nun das Mittel von Transportverboten einsetzen wollen. Wir müssen natürlich alles daransetzen, daß aus Kostenersparnisgründen Umladungen vermieden werden. Daher auch jede mögliche Förderung für den Container-Verkehr, Behälterverkehr, Haus-Haus-Verkehr, für Gleisanschlüsse, kombinierten Verkehr und Kooperation der Verkehrsträger. Aber gerade aus dieser Sicht kommen wir nicht an der Feststellung vorbei, daß der sogenannte Leber-Plan in der Praxis zu einer Verschlechterung und auch zu einer Verteuerung .der Verkehrsbedienung führen muß.Ich weiß nicht, Herr Bundesverkehrsminister, ob der Mut ganz legitimiert ist, mit dem Sie hier aussprechen, daß bei der Durchführung ,der Beförderungsverbote und unter Anwendung der prohibitiv gedachten Beförderungsteuer die Bundesbahn bei durchgerechneten Tarifen zu gleichen Preisen anbieten kann, wie es heute der Straßenverkehr tun kann, — wenn Sie unterstellen, daß zweifache Umladungen in der Regel damit verbunden sein müssen.Wir müssen zunächst einmal davon ausgehen, daß mit den Beförderungsverboten der Zwang zu Umladungen gegeben ist, zu mehrfachen Umstellungen, daß wirtschaftlich unsinnige Umwege gemacht werden müssen. Heute schon spricht man davon, daß Fernverkehrsunternehmer oder Unternehmen, die auf Fernverkehr eingerichtet sind, mit Zwischenstationen sich nun auf Nahverkehr umstellen, um Ihre Verbotsliste und die prohibitiven Steuern zu umgehen. Das alles spricht doch dafür, daß wir Gefahr laufen, bei der Durchsetzung Ihres Programms — volkswirtschaftlich gesehen — in erheblichem Umfange Fehlinvestitionen in die Wege zu leiten und Produktivkräfte fehlzuleiten. Alle diese Folgerungen müssen sich meines Erachtens zwangsläufig mit besonderer Härte für die wirtschaftlich schwachen und revierfernen Gebiete ergeben.
Sie haben selber mit Recht auf 'die Vergleichbarkeit Verkehr /Bundesbahn und die Situation der Kohle hingewiesen. Aber, Herr Bundesverkehrsminister, ich würde den Vorwurf, daß dieser Struktur wandel zu spät angepackt worden ist, nicht an die Adresse der Kräfte des Marktes richten. Vielmehr müssen wir uns in diesem Hohen Hause — aber nicht nur hier — allesamt ,an die Brust schlagen und bekennen, daß wir den dynamischen Kräften des Marktes und der Wirtschaft immer wieder in die Quere gekommen sind,
sowohl auf dem Gebiete der Energiepolitik als auch auf dem Gebiete der Verkehrspolitik. Das ist die Ursache dafür, daß dieser Strukturanpassungsprozeß sich so zögernd und in ungenügender Weise entwickelt hat.Ich glaube, daß wir, Herr Bundesverkehrsminister, im Grunde auch völlig übereinstimmen: wenn wir der deutschen Wirtschaft, dem Verkehrswesen und der Bundesbahn helfen wollen, dann dürfen wir nicht konservieren, was durch ,die technische Entwicklung überholt ist, sondern wir müssen die Anpassungsvorgänge fördern, damit sie sich möglichst organisch schnell und reibungslos vollziehen.Bei der Bundesbahn selbst dürfte mittlerweile auch die Einsicht gewachsen sein, daß die vielfältigen Abschirmungsversuche, die man im Laufe der letzten Jahre oder Jahrzehnte unternommen hat, .ihr selbst gar nicht geholfen haben. Im Gegenteil, die Bundesbahn ist viel zu lange gefesselt gewesen und gehindert gewesen, sich im Wettbewerb durchzusetzen, ein kaufmännisches Management zu entwickeln und dort ihre volle Leistungsüberlegenheit zur Geltung zu bringen, wo sie kraft ihrer Struktur sowohl der Binnenschiffahrt als auch dem Güterkraftverkehr überlegen ist.Ich bedaure etwas — aber das ist auch ein Vorwurf, den wir an uns selbst richten müssen —, daß die vielfältigen sehr konstruktiven Vorschläge, die schon 1960 mit dem Brand-Bericht und 1966 von der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG der Bundesbahn und uns vorgelegt worden sind, allzu lange unberücksichtigt geblieben sind. Heute erleben wir — eine Erfahrung, die auf dem Energiesektor genauso gemacht werden mußte —, daß sich eben dort im Konjunkturrückschwung all die Strukturprobleme besonders bemerkbar machen, die wir allzu lange vor uns hergeschoben haben. Also Grundtendenz: die Lösung der Anpassungsprobleme auch im Bereich des Verkehrs nicht aufhalten, sondern sie im Gegenteil fördern.Nun kann man sich natürlich — das ist jetzt an unseren Koalitionspartner gerichtet, aber auch an die neue Opposition — müßigerweise über Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit unterhalten. Ich glaube, daß ich mir ebenso wie der Kollege Schmidt zugute halten kann, hier oft wie ein Rufer in der Wüste dagestanden zu haben. Aber lassen wir das; sprechen wir nicht über die Vergangenheit, sondern richten wir unseren Blick nach vorn! Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie bei Ihren heutigen Ausführungen über die Zukunft der Bundesbahn doch etwas konkreter gewesen sind, als das zunächst im Verkehrspolitischen Programm der Fall war. Wir sehen, sicherlich in völliger Übereinstimmung auch mit der Bundesregierung, die Bundesbahn als die tragende, ausgleichende und verbindende Mitte des Gesamtverkehrs an, und das wird sie auch in Zukunft
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Dr. Müller-Hermannbleiben. Aber die Bahn der Zukunft wird eben anders aussehen müssen als die heutige Bundesbahn, deren Schienennetz zum Teil noch aus dem vorigen Jahrhundert stammt.Wir müssen anerkennen — mit einem ausdrücklichen Lob an die Bediensteten der Bundesbahn, das ja in diesem Hause wiederholt ausgesprochen worden ist —, daß erhebliche Anstrengungen zur Modernisierung und zum Personalabbau gemacht worden sind. Aber wir kommen eben leider auch nicht an der Feststellung vorbei, daß alle bisherigen Anstrengungen nicht ausgereicht haben. Man darf das nicht allein auf die Konkurrenzsituation zurückführen, obwohl das sicherlich auch ein Problem ist dem wir nicht ausweichen dürfen, sondern es liegt eben auch viel an dem, was bei der Bundesbahn selbst gemacht oder nicht gemacht worden ist. Die Zahlen etwa über die Personalkostenentwicklung im Verhältnis zur Produktionsentwicklung sind angesichts der umfangreichen Investitionen, die über lange Jahre getätigt worden sind, nicht gerade beruhigend, sondern im Grunde deprimierend. Auch die Verschuldung der Bundesbahn mit einem jährlichen Tilgungsbedarf von anderthalb Milliarden DM ist im Grunde für uns eine sehr ernste Mahnung, uns über dieses Problem Gedanken zu machen.Aber wir helfen der. Bundesbahn und ihren Bediensteten nicht damit, daß wir ihnen zum Munde reden und so tun, als ob nichts zu tun wäre. Vielmehr müssen wir die Dinge beim Namen nennen und den Fakten Rechnung tragen, d. h. wir müssen auch sehen, daß sich die Änderung in der allgemeinen Wirtschaftsstruktur leider sehr stark zu Lasten der Bundesbahn entwickelt hat und voraussichtlich auch teilweise zu ihren Lasten weitergehen wird. Daraus ist der Bundesbahn kein Vorwurf zu machen. Ich denke etwa an die Entwicklung der Verkehrsströme, an die Folgen der Teilung Deutschlands, an den natürlichen Rückgang des Massengutverkehrs als Folge der Kohleentwicklung, der Umstellung auf Pipelines und der Verstromung. Es bleibt eben nichts anderes übrig, als daß sich die Bundesbahn der sich verändernden Nachfrage und der auf sie zukommenden Veränderung der Marktlage anpaßt; denn es geht ja nicht, daß sich die Marktlage den Interessen der Bundesbahn anpaßt. Das wäre illusorisch.Ich bin Ihnen deshalb sehr dankbar, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie so deutlich ausgesprochen haben, wie sehr sich das Verwaltungsdenken der Bundesbahn, das leider immer noch in bestimmten Bereichen vorherrscht, umwandeln muß in kaufmännisches Management. Wenn sich die Bundesbahn im Wettbewerb behaupten will, muß sie ihre Dienstleistung verkaufen, muß sie sich bemühen, daß sie ihre Ware — sprich: Dienstleistung — auf dem Markt los wird. Aber auch hier ein Wort zugunsten der Bundesbahn: Sie ist bis heute für diesen Umstellungsprozeß weder in der Institution noch in ihrer kapitalmäßigen Situation genügend ausgerüstet; im Gegenteil, sie ist durch die Politik bisher weitgehend behindert worden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach unseren Auffassungen hat eine Sanierung der Bundesbahn zwei wesentliche Voraussetzungen. Einmal muß der Eigentümer, das ist der Bund, selbst wissen und der Bundesbahn sagen: Wie soll denn nun eigentlich dieses Unternehmen in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren aussehen? Auf welche Nachfrage nach Verkehrsleistungen — soweit das überhaupt vorauskalkulierbar ist — soll sich dieses Unternehmen einstellen? Die Bundesregierung als der Repräsentant des Eigentümers hat der Bundesbahn zunächst einmal ganz klare Ziele zu setzen.Und das zweite, meine Damen und Herren: Der Bund muß sich selbst in Pflicht nehmen, der Bund, repräsentiert durch die Bundesregierung, den Bundesrat und den Bundestag; denn nur durch ein starkes politisches Engagement werden wir diesen längst fälligen Anpassungs- und Strukturverbesserungsprozeß über die Bühne ziehen, weil allenthalben, sowohl innerhalb des Betriebes als auch in der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, menschlich verständliche, aber eben sehr partielle Widerstände sich dem Nötigen entgegenstellen.Herr Bundesverkehrsminister, wir wollen bei unseren Zielvorstellungen — und ich hoffe, daß wir da zu einer gewissen Übereinstimmung kommen — erreichen, daß man in Zukunft bei der Bundesbahn zwischen dem Wettbewerbsbereich, in dem die Bundesbahn Anspruch auf gleiche Startbedingungen hat, und dem Bereich, in dem die Bundesbahn öffentliche Dienste anbietet, etwa im Personenverkehr oder bei der Aufrechterhaltung von Strecken in Aufbaugebieten und Zonenrandgebieten, unterscheidet.Zum anderen muß sich die Bundesbahn meines Erachtens auf den Knotenpunktverkehr konzentrieren. Wie groß die Zahl der Knoten ist — Sie haben vorhin einige Zahlen genannt —, was volkswirtschaftlich vernünftig ist, darüber muß man sich unterhalten, denn dieser Knotenpunktverkehr hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn diese Knoten auch technisch so ausgestattet sind, daß dort eine kostensparende Umladung möglich ist, und wenn durch eine Neuorganisation des Flächenverkehrs sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr und den Kleingutverkehr vorgesorgt ist, damit die betroffenen Flächengebiete in ihrer Verkehrsversorgung nicht schlechter, sondern eher besser als bisher gestellt sind.Dazu gehört dann aber auch, Herr Bundesverkehrsminister, eine auf die Produktivitätssteigerung ausgerichtete Investitionsplanung. Ich weiß eben nicht, ob wir ganz klug daran tun, ob auch Sie der Sache wirklich einen Dienst erweisen, wenn wir uns immer wieder in den engen Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung einpressen lassen und so tun, als ob da überhaupt kein Spielraum mehr wäre. Wirwissen, daß die mittelfristige Finanzplanung in der jetzigen Form Korrekturen erforderlich machen wird, und wir wissen auch, daß die für die Bundesbahn benötigten Finanzmittel eben nicht nur aus dem öffentlichen Haushalt kommen können, sondern daß wir sie zu einem großen Teil auf dem Kapitalmarkt beschaffen müssen. Wir bekommen aber auf
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Dr. Müller-Hermanndem Kapitalmarkt Gelder für diese Sanierung, die die Bundesbahn braucht, nur dann, wenn wir zugleich eine Gewähr dafür bieten können, daß die eingesetzten Mittel auch wirklich zu einer Verbesserung der Produktivität und Rentabilität des Unternehmens beitragen.Meine Damen und Herren, ich glaube auch, daß wir durch eine Novelle zum Bundesbahngesetz eine gewisse institutionelle Sicherung dafür treffen müssen, daß die kaufmännische Geschäftsführung wie ein Management arbeiten kann. Nach unseren Vorstellungen soll eben der Vorstand der Bundesbahn, ähnlich wie ein Vorstand in einem Handelsunternehmen, ausschließlich nach eigenwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten, und nur dort, wo die öffentliche Hand aus übergeordneten Gründen von der Bahn Leistungen verlangt, die dem Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit entgegenstehen, hat sie einen Anspruch auf Abgeltung, wenn ihr vom Bund dementsprechende Auflagen gemacht werden. Dazu gehört natürlich dann auch eine sehr eindeutige sogenannte Normalisierung der Kosten, und es gehört nach unseren Vorstellungen auch ein Schiedsverfahren dazu, das rechtsgültig entscheidet, wenn zwischen dem Eigentümer Bund und der Unternehmensleitung Bundesbahn über die Abgeltung unterschiedliche Meinungen bestehen.Wir hoffen jedenfalls, Herr Bundesverkehrsminister, daß wir im Zuge der Ausschußberatungen von Ihnen auf Grund unseres Wunsches, daß die Bundesregierung drei aufeinander abgestimmte Vierjahrespläne entwickeln möge, die nötigen Auskünfte bekommen, die uns in die Lage versetzen, der Bundesbahn die Hilfe zu geben, die sie politisch braucht, wenn sie wirtschaftlich zurechtkommen will.Natürlich, Herr Bundesverkehrsminister, entstehen bei der Bundesbahn auch eine Fülle von sozialen Problemen. Aber man löst auch sie nicht dadurch, daß man sie totschweigt, sondern wir müssen uns ihnen stellen. Soziale Probleme ergeben sich gerade nach Ihren Vorstellungen ja nicht nur für die Eisenbahner, auch nicht nur für einige selbständige Unternehmer. Mit den Existenzvernichtungen, die sich etwa als Folge der Verbotsliste ergeben, werden auch eine Reihe von sozialen Problemen für Arbeitnehmer und Abhängige oder für ganze Familien erwachsen.
Ich weiß ohnehin nicht, Herr Bundesverkehrsminister, ob es ganz glücklich ist, wenn man den zwangsläufig bei der Bundesbahn notwendigen Personalabbau, .der ja ohne soziale Härten vor sich gehen soll und möglichst auf dem Wege des natürlichen Abgangs, auf eine Ebene mit der Vernichtung selbständiger Existenzen stellt, für die eben kein Netz besteht.
Ich glaube auch, daß wir bei allem Bemühen, die bei der Bundesbahn notwendigen Personaleinsparungen auf dem Wege des natürlichen Abgangs und ohne soziale Härten durchzusetzen, auch den Eisenbahnern die einer modernen Industriegesellschaft adäquate Mobilität abverlangen müssen.Nun haben wir uns nach unseren Vorstellungen natürlich auch Gedanken darüber. gemacht, ob wir Vorschläge machen sollten, die eine Änderung des Rechtsstatus der Bundesbahn zur Folge haben. Wir haben dies bewußt nicht getan. Ich würde auch vor der Meinung warnen, die von großen Organen der Wirtschaft oder auch in diesem Hohen Hause vertreten werden könnte, daß man mit rein institutionellen Vorschlägen die aktuellen Probleme der Bundesbahn einer Lösung zuführen könnte. Alles zu seiner Zeit! Auch über diese Frage kann man zum geeigneten Zeitpunkt sprechen.Ich bin auch sicher, daß die Bundesbahn kraft ihrer Größe und Bedeutung eine natürliche Sonderstellung im Verkehrswesen behalten wird. Aber sie darf natürlich umgekehrt im Wettbewerbsbereich nicht für sich eine Sonderstellung in Anspruch nehmen wollen. Wir sind jedenfalls der Überzeugung, daß durch die Vielzahl der Vorschläge, die aus unserer Fraktion gemacht worden sind, der bei der Bundesbahn notwendige Strukturwandel leichter durchgezogen werden kann und die Position der Bundesbahn im Wettbewerb gestärkt wird.Der nächste Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte, ist die Frage der gleichen Startbedingungen im Wettbewerb. Wir gehen in unseren Überlegungen auf einen möglichst starken Wettbewerb aus. Aber Wettbewerb hat natürlich angenäherte Startbedingungen zur Voraussetzung. Das betrifft zunächst einmal das Verhältnis zwischen Schiene und Straße. Da kommen wir einfach an der Feststellung nicht vorbei, daß der deutsche Straßenverkehr schon heute innerhalb der EWG die höchste Steuerlast trägt. Alle Maßnahmen, die darauf abgestimmt wären, der deutschen Kraftverkehrswirtschaft zusätzliche Steuerlasten aufzubürden, ohne daß ihre internationale Straßenkonkurrenz in gleicher Weise betroffen würde, würden nur zu Lasten der gesamten deutschen Verkehrs- und Volkswirtschaft gehen.
Mit Recht haben Sie gesagt, Herr Bundesverkehrsminister: Der Ausgangspunkt für die Angleichung der Startbedingungen ist das Wegekostenproblem. Hier muß ich .ein sehr offenes Wort sprechen. Das Thema ist so interessant — und offensichtlich werden die Gutachten, die dafür nötig sind, auch so gut honoriert —, daß wir noch eine ganze Weile warten können, bis hier konkrete Arbeitsergebnisse vorliegen, die es 'den Politikern erlauben, daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Deshalb bleibt gar nichts anderes übrig, als hier eine politische Entscheidungen zu treffen, von der man wissen muß: Sie ist nicht ideal; sie ist auch nicht das letzte Wort; sie ist korrekturfähig und muß natürlich vor allem angepaßt werden, wenn auf EWG- Ebene Entscheidungen getroffen werden.Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben nicht ganz zu Unrecht gesagt, daß unser Vorschlag einer Straßenbenutzungsgebühr auch seine verfassungsrechtliche Problematik hat. Aber ich gebe das gleich retour. Ihre Beförderungsteuer ist natürlich sowohl steuersystemwidrig als auch EWG-widrig und wird — davon bin ich fest überzeugt —, zumindest was
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Dr. Müller-Hermannden Werkverkehr anlangt, beim Bundesverfassungsoder Bundesverwaltungsgericht enden. Wir haben uns aus allen diesen Gründen — diese Operation war nicht ganz leicht — auf eine Straßenbenutzungsgebühr für schwere Lastwagen verständigt. Ich glaube, sie ist auch sehr systemklar. Sie betrifft den Nah- und den Fernverkehr, sie betrifft die In- und die Ausländer, und sie kommt meines Erachtens dem EWG-Vorschlag einer Sättigungsabgabe in der Konzeption sehr nahe.Ich habe eben die Sorge, daß gerade durch die Folgewirkung Ihrer Beförderungsteuer, Herr Bundesverkehrsminister, der Straßenentlastungseffekt sehr gering sein wird, im Gegenteil, daß gerade in den Ballungsgebieten eine Straßenzusatzbelastung provoziert werden dürfte. Wir schlagen vor — was sich mit dem Charakter einer Gebühr durchaus verträgt, ja fast folgerichtig ist —, daß die Einnahmen aus den Gebühren von Bund und Ländern — wir können nur für den Bund entscheiden — für Straßenverkehrsinvestitionen zur Engpaßbeseitigung eingesetzt werden.Hier kann ich mir auch eine kleine Bemerkung nicht verkneifen, Herr Bundesverkehrsminister. Nach Ihren Berechnungen werden sich aus der Beförderungsteuer Mehreinnahmen von rund 400 Millionen DM ergeben. Aus unseren Vorschlägen wird sich bei der Straßenbenutzungsgebühr — nach den Feststellungen und Rechnungen des Bundesfinanzministeriums — ein Aufkommen von rund 250 Millionen DM und aus der Lizenzierungsgebühr für den Werkverkehr, über die noch zu sprechen sein wird, ein Aufkommen von rund 125 oder 130 Millionen DM ergeben. Das heißt, daß die gesamte Zusatzbelastung bei uns — man muß sagen: ohne Tränen geht das Ganze nicht ab — nicht sehr viel geringer ist als bei Ihnen. Aber wir vermeiden unter allen Umständen die Beförderungsverbote, die eben durch die Umladungszwänge eine unnötige und meines Erachtens auch unzumutbare Belastung für die Volkswirtschaft darstellen.Lassen Sie mich noch ein Wort zum Werkfernverkehr sagen. Wenn man bei Unternehmern der gewerblichen Verkehrswirtschaft, bei der Binnenschifffahrt oder bei der Bundesbahn spricht und auf den Werkfernverkehr schimpft, dann ist man des Beifalls des Publikums sicher. Hier besteht eine seltsame Solidarität mit sehr vielen Vorurteilen. Wenn der Werkfernverkehr sich auch in der Zeit, als er die von Herrn Leber jetzt wieder geforderte höchste Last der Beförderungsteuer getragen hat, so ausgeweitet hat, dann doch nicht deshalb, weil einige Unternehmer aus der Industrie oder aus dem Handel ihre Fahrzeuge auf den deutschen Straßen spazierenfahren lassen wollen, sondern einfach, weil die Qualität und die preisliche Elastizität der öffentlichen Verkehre den Bedürfnissen der Wirtschaft nicht adäquat waren.
Darüber müssen wir uns im klaren sein: die fahren weiter im Werkfernverkehr, wenn wir nicht in diesen Punkten — Qualität und Elastizität — etwas ändern; und das, was dem Werkfernverkehr an Zusatzbelastung aufgeknallt wird, geht mit Sicherheit irgendwo in den Preisen weiter.Ich darf hier, Herr Bundesverkehrsminister, auch einmal die EWG-Stellungnahme zitieren, wo es heißt: „unter keinen Umständen eine ungleiche Behandlung des gewerblichen und des Werkverkehrs." Bei Ihnen wird eine fünffache Steuerbelastung für Teile des Werkfernverkehrs abverlangt.Wir möchten durch unsere Vorschläge auch zu einer Eindämmung des Werkfernverkehrs kommen, aber auf eine organische Weise, mit einer Lizenzierung nach einer Verhandlung am runden Tisch, mit der man in den Niederlanden durchaus gute Erfahrungen gemacht hat, und durch eine Verbesserung des Leistungsangebots bei den gewerblichen und öffentlichen Verkehren, einmal durch eine Teilbarkeit der Tonnage beim gewerblichen Güterfernverkehr und die Ermöglichung von Sonderabmachungen bei Bahn- und Güterkraftverkehr und durch Branchentarifabkommen bei der Binnenschiffahrt.Dazu kommt eine Lizenzierungsgebühr. Sie haben nicht ganz zu Unrecht verfassungsmäßige Zweifel angemeldet, wenn diese Gebühr jährlich wieder erhoben wird. Wir beziehen uns auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, daß bei einer solchen Gebühr auch die Interessen des Veranlassers mit berücksichtigt werden können. Wenn diese Gebühr nach der Meinung mancher Leute relativ niedrig ist, dann vergessen sie leider dabei, daß die Straßenbenutzungsgebühren nach unseren Vorstellungen auch für Leerfahrten erhoben werden. Da der Werkfernverkehr in der Regel ohne Rückfrachten fährt, werden diese Unternehmen in der Regel mit der Straßenbenutzungsgebühr doppelt belastet sein.Einige Worte zur Binnenschiffahrt. Die Ursachen für den ruinösen Wettbewerb liegen auch hier im Strukturwandel, dem man sich nicht angepaßt hat, und in den Überkapazitäten. Es ist ja irgendwie kurios, daß wir jahrelang den Bau von Binnenschiffen steuerlich gefördert haben und jetzt wieder das Abwracken steuerlich fördern und daneben noch zu gleicher Zeit auch heute noch über das Berlinhilfegesetz die Anlage neuer Schiffstonnage steuerlich fördern. Hier muß ja einmal eine klare Linie hereingebracht werden. Wir glauben auch, daß dieses Problem nicht allein auf nationaler Ebene lösbar sein wird. Man muß sicherstellen, daß die Abwrackaktion international durchgeführt wird, zumindest gemeinsam von den Niederländern und den Deutschen, die über 80 % der Rheintonnage verfügen, und daß die stillgelegte Tonnage auch tatsächlich verschrottet und nicht wieder auf Umwegen auf den Markt gebracht wird. Wir wollen auch versuchen, eine Vorfinanzierung der Abwrackaktion durch die Einschaltung privater Kreditinstitute sicherzustellen. Mir scheint, daß da ein Weg ist, der zu einer beschleunigten Anpassung des Angebots an die Nachfrage führen kann.Ein paar Worte zu dem Thema Straßenentlastung. Es besteht sicherlich völlige Übereinstimmung in diesem Hohen Hause, daß auch in der Verkehrspolitik der Mensch im Mittelpunkt aller Überlegungen steht und daß uns das Thema Unfalltote, Unfallverletzte ständig beschäftigt. Ich würde auch
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7970 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Dr. Müller-Hermann meinen, es lohnte sich, wenn wir einmal in diesem Hohen Hause in einer besonderen Debatte oder besonderen Sitzung uns dieses Themas annehmen.
Aber meines Erachtens ist das Problem wirklich zu ernst, als daß man den Versuch machen sollte, es mit Emotionen oder Illusionen einer Lösung zuzuführen.
Wir wollen auch nicht so tun, meine Damen und Herren, als ob die Straßenbelastung und die Unfallsituation ausschließlich oder auch nur vorrangig ein Lkw-Problem wäre.
Herr Bundesverkehrsminister, bestenfalls, was ich aber noch anzweifle, wird durch Ihre Verbotsliste und die Beförderungsteuer bis 1975 die Zahl der Lastwagen um 10 000 Einheiten verringert werden, während sich in der gleichen Zeit die Zahl der Personenkraftwagen um mindestens 5 Millionen erhöhen wird.„Der Gedanke der Straßenentlastung durch Verbote ist schon im Ansatz falsch." Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Helmut Schmidt aus dem Jahre 1957. Aber er ist meines Erachtens auch heute noch so wahr wie gestern.
Leider ist die Unfallhäufigkeit, — — Herr Kollege Schmidt, ich habe Sie gerade zitiert. Aber das ist nicht das erstemal heute. Sie geben so gute Bonmots von sich, Herr Kollege Schmidt, daß man sie sehr häufig zitieren kann.
Die Unfallhäufigkeit ist weitgehend ein Problem des Individualverkehrs, d. h. ein Problem des menschlichen Versagens. Der Pkw-Verkehr wächst eben überproportional, während sich der Lkw-Verkehr in den Zuwachsraten sehr, sehr vorsichtig verhält. Wir haben aus all diesen Überlegungen auch in unserem Gesetzgebungskatalog oder Vorschlagskatalog unser Augenmerk sehr stark auf den innerstädtischen Verkehr gerichtet. Ich will das hier nicht vertiefen. Wir werden uns damit noch intensiv zu beschäftigen haben.Wir stehen einfach vor dem Problem, meine Damen und Herren, wie wir zur gleichen Zeit auch im innerstädtischen Bereich sowohl ,die freie Wahl des Verkehrsmittels aufrechterhalten wollen als auch die Lebens- und Funktionsfähigkeit unserer Städte. Dieses Problem ist auch des Schweißes der Edlen wert, und wir werden bei anderer Gelegenheit darauf zu sprechen kommen.Wir meinen, daß man zu einer Straßenentlastung im Fernverkehr nur kommen kann, indem man den Straßenbau intensiviert und den Verkehrsfluß verbessert. Wir hoffen, durch die Zweckbindung der Straßenbenutzungsgebühr dazu auch einen Beitrag zu leisten. Wir wollen, daß man den Autobahnausbau in Zukunft sechsspurig plant und durchführt. Wir hoffen auch durch die Ausweitung des Sonntagsfahrverbots auf Samstag, 13 Uhr, im Wochenendverkehr zu einer Entlastung der Straßen kommen zu können. Im übrigen, meine ich, soll man auch nicht unterschätzen, daß die von uns vorgeschlagene, nach dem Achsdruck und der Jahresfahrleistung bernessene Straßenbenutzungsgebühr ein Anreiz für eine straßenschonende Bauweise und zur Vermeidung von Leerfahrten sein wird. Da die Leerfahrten eben auch gebührlich erfaßt werden, wird allein diese Tatsache zu einer natürlichen Reduzierung des LkwVerkehrs beitragen.Nun zum Abschluß noch ein Wort zu der Stellungnahme der EWG-Kommission. Sehr verehrter Herr Bundesverkehrsminister, ich will es hier aussprechen, obwohl es im Grunde selbstverständlich 'ist. Diese Stellungnahme ist für uns in keiner Weise etwa Anlaß zu irgendwelcher Schadenfreude. Diese Stellungnahme muß auch bei den Beratungen in den Ausschüssen ihren gebührenden Platz haben. Aber, Sie haben es auch angedeutet — ich kann, da ich nicht Regierungsmitglied bin, eis vielleicht noch etwas deutlicher aussprechen —: Selbstverständlich stecken zum Teil hinter der Stellungnahme der EWG-Kommission sehr eindeutige nationale Interessen anderer Mitgliedstaaten, die mit im Spiel sind. Das ist legitim.
Aber wenn man uns, der Bundesrepublik, auch im Zusammenhang mit Ihren Vorschlägen, den Vorwurf von Diskriminierungen macht, nicht laut, aber sehr deutlich, dann heißt das leider in vielen Fällen eben auch, daß man sich anderenorts bemüht, bestehende Diskriminierungen zu deutschen Lasten aufrechtzuerhalten. Die Bundesregierung, auch Sie selbst, dürfen sich der vollen Unterstützung meiner Fraktion bewußt sein, wenn Sie sich entschieden darum bemühen, bestehende, zu unseren Lasten gehende Diskriminierungen abzustellen. Ich halte es auch für völlig legitim, daß man nationale Vorstöße unternimmt, wenn die EWG selbst mit ihren Organen Lösungen verzögert oder mit ihnen nicht zu Rande kommt. Wir haben uns aber, darauf lege ich ebenso Wert, bei den Überlegungen in meiner Fraktion sehr bewußt darum bemüht, bei unseren Vorschlägen in Übereinstimmung mit Geist und Inhalt des Vertrages zu bleiben und in allen Fällen unter Aufrechterhaltung der freien Konsumwahl dem Gedanken eines redlichen Wettbewerbs Rechnung zu tragen.Ich habe an die Bundesregierung nur die Empfehlung zu geben, daß sie die Stellungnahme der EWG- Kommission unter keinen Umständen nur zu einer reinen Rechtsfrage machen sollte. Wir haben einige Beispiele aus diesem Hohen Hause gehabt, wo Initiativen aus dem Kollegenkreis Maßnahmen vorschlagen wollten, die in den EWG-Bereich hineinreichen, wo ihnen von seiten der Regierung gesagt wurde: Abwarten, wir müssen EWG-konform bleiben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Schmidt?
Dr. Müller-Hermann: : Muß das sein?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7971
Vizepräsident Scheel
— Das haben Sie zu entscheiden, Herr Abgeordneter.
Aber natürlich! Ich kann ihm ja nicht widerstehen.
Herr Müller-Hermann, nachdem Sie von Initiativen aus dem Kollegenkreise sprechen, igeben Sie mir nun doch noch einmal das Stichwort, wenn auch spät, wie ich zugebe, in Frageform zu replizieren. Ich kann mich nämlich auch erinnern an 15, 16 Jahre zurück. Da gab es auch schon Initiativen aus dem Kollegenkreis der CDU/CSU, und ihr Name stand auch schon darunter. Würden Sie mir zustimmen — das ist jetzt ganz ernst —, daß bei einer Lage, die durch 13jährige Vernachlässigung durch dien Gesetzgeber sich wesentlich verschlechtert hat, man 13 Jahre später die entsprechend veränderte Lage mit anderen Mitteln anfassen muß, als. man im Jahre 1955 für zweckmäßig gehalten hat?
Herr Kollege Schmidt, ich verstehe, was Sie meinen. Selbstverständlich ist niemandem die Korrektur eines Irrturns vorbehalten, auch in unserem Kreise. Aber ich glaube eben nicht, daß die Situation so unterschiedlich ist gegenüber der, die wir 1954 gehabt haben. Es isst alles eine Frage ,der Relation. Die Probleme sind die gleichen.
Ich habe vorhin gesagt, wir müssen alle vor unserer eigenen Tür kehren, unsere nicht ausgenommen, daß wir, wie bei der Energie und' bei der Kohle, auch im Bereich des Verkehrs die Strukturprobleme viel zu spät •angepackt haben. Aber wir lösen diese Probleme auch 'heute nicht dadurch, daß wir unwirtschaftlich gewordene Tatbestände zu konservieren versuchen, sondern nur, indem wir mutig nach vorn Anpassungspolitik betreiben.
Herr Kollege MüllerHermann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Schmidt?
Bitte!
Darf ich aus der Tatsache, daß Sie Ihre eigenen Gesetzentwürfe aus diem Jahre 1954 nicht unverändert wieder vorgelegt haben, sondern wesentlich andere, schließen, daß auch Sie im Grunde mir zustimmen, daß 'die Lage eine völlig andere geworden ist?
Nein, das würde ich nicht sagen. Natürlich lernen wir in dem Einsatz der Mittel ständig zu, Herr Kollege Schmidt. Vieles von dem, was wir z. B. mit der Novelle zum Bundesbahngesetz heute vorschlagen, habe ich damals in meiner eigenen Fraktion noch nicht als Fraktionsiniative durchbringen können. Aber die Grundtendenz ist die gleiche wie damals.
Verstehe ich Sie richtig, daß Sie meinen, daß die Lage jedenfalls insofern besser ist, als die CDU/CSU-Fraktion als ganze inzwischen an verkehrspolitischem Sachverstand zugenommen hat und damit Hoffnung besteht?
Also, Herr Kollege Schmidt, wenn Sie das auf das ganze Haus beziehen, will ich natürlich meine Fraktion mit einschließen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, bei der EWG ist die Situation wie folgt. Herr Bundesverkehrsminister, Sie nehmen mir das nicht übel; wir sprechen ja hier frank und frei. Bei Ihnen war noch am 25. Januar und ist im Grunde auch heute gesagt worden: Die großen verkehrspolitischen Probleme sind mit den Mitteln der Marktwirtschaft nicht zu lösen, verkehrslenkende Maßnahmen sind nicht zu umgehen, und bei der EWG heißt es — meines Erachtens mit Fug und Recht —: Verkehrsteilung durch Behörden ist mit den wesentlichen Grundsätzen der gemeinsamen Verkehrspolitik nicht vereinbar.
— Das steht in der Stellungnahme der EWG.
Herr Bundesminister, es ist in diesem Hause nicht üblich, daß von der Regierungsbank Zurufe gemacht werden.
Herr Bundesverkehrsminister, Sie waren so freundlich, auch den Papst mit seiner Enzyklika „Popularum progressio” zu zitieren.
— Populorum; Entschuldigung. Alter Lateiner! Man sollte Lateinisch besser sprechen als lesen.
— Mir auch, ich bin auch Humanist. Da heißt es, wie Sie richtig zitieren:Man muß einfach zugeben: In diesem Bereich wird ein Grundprinzip des sogenannten Liberalismus als Regel des Handelns überaus fragwürdig. Eine Verkehrswirtschaft kann nicht mehr allein auf die Gesetze des freien und ungezügelten Wettbewerbs gegründet sein ...Das kann man hundertprozentig unterschreiben. Das will auch niemand von uns. Aber ich glaube, daß eine Verkehrsteilung immer noch besser über den Markt vor sich geht als durch behördliche Reglementierung.
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Dr. Müller-HermannHier scheinen noch gewisse Unterschiede in der Auffassung zu bestehen, die wir irgendwie abklären müssen.Wenn es dann in dieser Verlautbarung der Bundesregierung vom 25. Januar noch heißt: „Die jüngste Brüsseler Entwicklung hat seiner Konzeption" — der von Leber — „vollauf recht gegeben", dann muß ich allerdings meinen, daß irgendwie die Unterrichtung in Ihrem Hause nicht ganz geklappt hat.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, eine kurze Bemerkung. Die Scheinwerfer der Öffentlichkeit sind darauf gerichtet, ob diese Große Koalition — —
— Trotzdem; dann setze ich die Scheinwerfer in Anführungsstriche, Herr Schmitt-Vockenhausen. — Die Scheinwerfer der Öffentlichkeit sind auf die großen Reformwerke der Großen Koalition gerichtet. Es gibt sicherlich im Land auch manche Leute, denen daran gelegen ist, daß diese Reformwerke nicht konkretisiert werden. Ich möchte gar keinen Zweifel daran lassen: Wir werden uns von meiner Fraktion aus sicherlich allem Hasten und aller falschen und übertriebenen Eilbedürftigkeit widersetzen, auch jedem Herauspicken von Einzelmaßnahmen, wo der Gesamtzusammenhang aus den Augen verloren wird und wo die Schwerpunkte nicht mehr richtig gesetzt werden. Aber ich möchte Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, und diesem Hohen Hause versichern: Wir werden unsere Kraft daran setzen, daß noch in diesem Jahr die Weichen für die Verkehrspolitik der Zukunft gestellt werden. Lassen Sie uns, Herr Bundesverkehrsminister, Bundestag und Bundesregierung, gemeinsam an die Arbeit gehen!
Meine Damen und Herren, wir haben die Beratung von Punkt 8 mit dieser Debatte verbunden. Wünscht einer der Antragsteller zu Punkt 8 das Wort zur Begründung? — Herr Haage, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, begründen zu dürfen, warum ich den Antrag nicht mündlich begründen werde. Ich glaube, daß es sich heute um eine Grundsatzdebatte handelt und daß mein Antrag mit der schriftlichen Begründung, die ich Ihnen dann übergeben darf, dementsprechend im Protokoll vermerkt werden sollte *). Außerdem bin ich der Meinung, daß auch die CDU/CSU-Fraktion einem An-hörverfahren zustimmen wird, so daß wir im Ausschuß Gelegenheit haben werden, über diesen Antrag noch zu sprechen.
*) Siehe Anlage 2
Damit sind die Begründungen abgeschlossen. Wir haben eine verbundene Debatte der Punkte 6, 7 und 8. Das Wort zur Aussprache wird gewünscht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, weil das heute anscheinend zur Debatte gehört, auch mit einem Kompliment an den Herrn Bundesverkehrsminister beginnen. Ich muß Ihnen sagen, Herr Minister, Sie haben das von Anfang an psychologisch ganz geschickt verkauft, und zwar in einer Weise, daß zunächst einmal alle oder ein großer Teil Hosianna geschrien haben. Aber als man dann anfing, zu überlegen, da wurde man immer kleiner, und jetzt verfängt das nicht mehr. Auch das müssen Sie mir gestatten, zu sagen: Sie haben einen bestimmten Teil Ihrer Ausführungen auf die Auseinandersetzung mit den Interessenten verwandt, wobei Sie, glaube ich, gezielt bestimmte Wirtschaftszweige gemeint haben. Ich meine, in der Verkehrspolitik sind wir alle Interessenten, weil es sich nämlich um jeden handelt und weil jeder davon berührt wird. Und wenn Sie den Güterverkehr gemeint haben, dann wird der Güterverkehr vielleicht meinen, daß Sie der Interessent der Bundesbahn sind, weil Sie sich hier so sehr darauf versteifen. So kann man das auch einmal zurückgeben.In Ihren Ausführungen — und darum geht es ja wohl in der Hauptsache — sagen Sie:Der Streit konzentriert sich in der Hauptsache auf die Frage, ob die Maßnahmen bei der Bundesbahn ausreichend sind, und auf die Maßnahmen im Bereich des Straßengüterfernverkehrs, die Steuer und die Verbotsliste.Ich bin mit Ihnen völlig einig; das ist völlig klar erkannt. Es erhebt sich die Frage, ob man damit auch alles erfaßt, was nun getan werden sollte.Die Regierung sagt in der Begründung der Drucksache, Ziel der Verkehrspolitik sei es, die Nachfrage der Bevölkerung und der Wirtschaft nach Verkehrsleistungen zu angemessenen Bedingungen zu erfüllen. Mit dieser Zielsetzung gehen wir natürlich völlig einig. Die späteren Maßnahmen scheinen mir allerdings damit nicht ganz in Einklang zu stehen. Es wird gesagt: Die wirtschaftliche Lage der drei Binnenverkehrsträger ist so zu verbessern, daß sie auf eigenen Füßen stehen können. Wenn ich mir die von Ihnen hier in Aussicht genommenen Maßnahmen einmal bis zum Ende durchdenke, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als ob gerade bestimmte Verkehrsträger dann nicht mehr auf eigenen Füßen stehen könnten, wenn der dritte Verkehrsträger, die Bundesbahn, auch nicht auf beide Beine gekommen ist.Aber wie ist denn die Situation? Es wird gesagt — das steht auch in der Begründung —, daß einer übermäßigen Beanspruchung des Straßennetzes ein nicht ausgelastetes Eisenbahnnetz gegenübersteht. Das ist sicherlich zutreffend, aber das liegt auch in der ganzen Entwicklung unserer Wirtschaft, die
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Dr. Imlewir in den letzten Jahren gehabt haben. Wenn Sie dann auf Seite 2 Ihrer Darlegungen sagen, daß die Bahn von Jahr zu Jahr an Verkehr verloren hat, dann stimmt das nicht so ganz, denn die Produktivitätsentwicklung lautet wie folgt: 1955: 40,5 Milliarden Tonnenkilometer und 1966, also elf Jahre später, 49,4 Milliarden Tonnenkilometer; also immerhin eine Zunahme um 22 %.Aber Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, wir müssen zu einer anderen, oder: zu einer kostengerechteren, oder: zu einer besseren Ausnutzung kommen, wenn 1967 die Leistungen des Bundes für die Bundesbahn 2,5 Milliarden DM betragen und 1972 5 Milliarden DM betragen sollen. Es ist auch von unserer Seite aus durchaus zu begrüßen, daß diese Schere geschlossen werden soll. Wir sind aber der Meinung, daß es dazu einer genauen Analyse bedarf. Man darf das meines Erachtens nicht bloß aus der Sicht des Güterfernverkehrs und der Binnenschiffahrt betrachten, sondern muß sich auch einmal die Dinge selbst ansehen. Wenn es zutrifft, daß die Betriebserträge der Bundesbahn sich 1966 auf 7,9 Milliarden DM und allein die Personalkosten auf 7,4 Milliarden DM beliefen, also lediglich ein Plus von 500 Millionen DM vorhanden ist, dann ist ganz klar, daß die notwendigen Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen nicht vorgenommen werden können. Also das müßte dann auch irgendwie überprüft werden. Ich glaube allerdings nicht, daß mit einer Personalverringerung um 82 000, wie Sie meinen, bereits eine bessere Situation herbeigeführt werden könnte.Wir wollen nicht vergessen: 1961 hatte die Bundesbahn nur lein Minus von 17 Millionen DM, und damals trug sie noch die gesamten politischen Lasten, die ihr ja heute zum größten Teil abgenommen sind. Das Defizit muß also andere Gründe haben.Dann werden als Grund für die Verschlechterung der Situation der Bundesbahn die Strukturveränderungen angeführt. Es ist wohl richtig, daß der Kohlentransport sich in den Jahren von 1963 bis 1966 um 23 Millionen t verringert hat. Das muß sich natürlich auch in den Einnahmen auswirken. Dafür hat die Bundesbahn keinen Ausgleich bekommen. Aber wenn wir insgesamt bei einer Umstrukturierung der Wirtschaft sind, dahin gehend, daß wir anstatt Kohle Gas und Erdöl verbrauchen, und das Erdöl zum größten Teil durch die Pipelines befördert wird, kann man es natürlich nicht den anderen Verkehrsträgern zur Last legen, daß diese Bundesbahntransporte zurückgehen.Aber wo liegen denn nun die Hauptdefizitquellen? Zunächst einmal im Personenzugverkehr, der jährlich mit einer Milliarde DM im Minus steht. Ich muß bedauern, daß in bezug auf die Behebung dieses Defizits weder die Vorschläge der Regierung noch die der CDU/CSU sehr Wesentliches sagen. Alles konzentriert sich eben auf den Güterfernverkehr. Darf ich aber — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — eine Bemerkung von Herrn Professor Hamm aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. September 1967 zitieren, also drei Tage nachdem Sie, Herr Minister, damals so liebenswürdig waren, den Verkehrsausschuß zu sich ins Ministerium zu bitten. Herr Professor Hamm sagt:Ein Konzept, wie den Hauptdefizitquellen der Bundesbahn, nämlich dem Personenzugverkehr und dem Stückgutverkehr, beizukommen ist, fehlt. Würden diese beiden Leistungsbereiche saniert, wären die harten Schläge gegen den Güterfernverkehr überflüssig, was im Interesse dier Kunden an einem guten und billigen Leistungsangebot entschieden zu begrüßen wäre.Wenn wir dann noch hinzunehmen, daß auch der Stückgutverkehr mit 500 Millionen DM im Minus steht und der Gepäckverkehr — also wenn jemand seinen Koffer aufgibt — immerhin noch mit 70 Millionen DM, dann schließt sich der Kreis, zumal wenn man noch hinzunimmt, daß ja auch jährlich Zinszahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden DM zu leisten sind. Denn Sie haben uns ja vorhin gesagt, daß die Verschuldung inzwischen bei 18,5 Milliarden DM angelangt sei — immerhin eine bedeutende Summe.Sie haben dann dargelegt, man müßte die Bundesbahn attraktiver machen. Gegen dieses Attraktivmachen hat niemand etwas. Wenn aber diese Attraktivität noch mehr Kosten macht, die Erträge aber unter den Selbstkosten bleiben, dann haben wir dagegen erhebliche Bedenken. Ich darf hier z. B. an den Gepäckverkehr anschließen. Die Erträge des Gepäckverkehrs — wenn ich also mein Gepäck selber zum Bahnhof bringe und es von Hamburg etwa nach München schicke — liegen heute schon mit 70 Millionen DM unter den Selbstkosten. Wenn man jetzt noch den Haus-Haus-Verkehr hinzunehmen will— wenn ich also in Hamburg anrufen kann: holen Sie meinen Koffer zum Zug 3002 bei mir ab, und wenn der andere anrufen kann: bringen Sie den Koffer da und da hin —, dann wird hier wohl ein weiteres Minus eintreten. Ich glaube, das muß man einmal genau überprüfen.
-- Aber ein Kundendienst, den ich dann auch bezahlen muß! Dann ist es in Ordnung, aber nicht Kundendienst auf Kosten der Bundesbahn, damit sie noch weiter ins Minus kommt! Im übrigen, Herr Kollege Stücklen, Sie werden es doch wahrscheinlich so machen, wenn Sie verreisen und den Koffer aufgeben: Sie setzen sich entweder in ein Taxi und nehmen dien Koffer mit, oder Sie nehmen Ihren Wagen und fahren ihn vorher zum Bahnhof. Ich meine, das Ziel muß hier sein, daß die Kostenlast dem Ertrag angepaßt wird.Was ist nun zu tun? Hier steht im Vordergrund — und Sie haben sehr eingehend darüber gesprochen— die geplante Rationalisierung durch Abbau von 6500 km Strecke. Das Treuhandgutachten spricht zwar von 10 000 km, und ich meine, man wird sich sehr ernsthaft damit befassen müssen, ob die 6500 km ausreichen, wobei natürlich auch dem Personalbestand besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muß. Ich glaube, wir sind uns darüber einig — und da stimme ich Ihnen zu, Herr Minister —, daß hier soziale Schwierigkeiten überbrückt werden
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Dr. Imlemüssen. Aber wenn Sie sagen, man könne ruhig 10 000 Fuhrunternehmern eine Belastung zumuten, dann darf ich dazu sagen: An diesen 10 000 Fuhrunternehmern hängen noch einmal rund 70 000 bis 80 000 andere Beschäftigte : Fahrer, Bürokräfte usw., und an die muß man dann auch denken und darf das nicht einfach hinwegwischen.In Ihren Ausführungen, in denen Sie kurz auf unsere Vorschläge vom November 1967 eingegangen sind, haben Sie dann gesagt, wir sähen nur in der Angleichung der Tarife an die Kostenentwicklung bei der Bundesbahn und der Umwandlung der Bundesbahn in eine unabhängige Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Möglichkeit, zu einer Änderung zu gelangen. Herr Kollege Müller-Hermann hat hierzu bereits etwas gesagt, und wir sind mit ihm einer Meinung. Es ist von uns auch gar nicht so gedacht, als ob das übermorgen geschehen müßte, sondern das ist ein Ziel auf Zeit, auf das man aber hinarbeiten muß. Ich glaube, wenn man das im Auge hat, wird man hier auch zu Ergebnissen kommen.Man muß also — da sind wir uns wohl alle einig — der kaufmännischen Betriebsführung in weit stärkerem Maße als bisher zum Durchbruch verhelfen. Insoweit sind auch die Vorschläge zu begrüßen, die zur Reorganisation, Konzentration und Rationalisierung führen. Bei einem solchen Umbau der Bundesbahn sollte man sich nicht so sehr darüber streiten, ob das ein Vorstand oder ob das ein Management macht, sondern es geht darum, daß die Dinge gemacht werden, und dazu gehören dann eben die Tüchtigsten an die Spitze, dann wird man sich hier auch einigen.In den letzten Tagen ist besonders die Frage des Containerverkehrs und des Huckepackverkehrs herausgestellt worden. Ich kann hierzu nur sagen, wir begrüßen es, daß es soweit gekommen ist; denn es handelt sich hier um alte Vorschläge der FDP. Zusätzlich hatten wir damals schon beantragt und gefordert, daß für den Huckepackverkehr die KfzSteuer erlassen wird.
— Ja natürlich, aber wir sind immer etwas eher dabei als Sie. Das ist der Unterschied.
Noch eine Bemerkung zur Beseitigung des Defizits im Stückgut- und Expreßgutverkehr. Wir sind der Meinung, daß man hier in Zusammenarbeit mit dem Speditionsgewerbe, indem nämlich Bundesbahn, Speditionsgewerbe und Güterfernverkehrsgewerbe enger zusammenarbeiten, zu einer Herabsetzung des Defizits kommen sollte. Auch hier ist die Meinung des Kollegen Müller-Hermann durchaus akzeptabel, daß man in solchen Gebieten, wo der Stückgutverkehr immer defizitär ist, die Beförderungspflicht aufhebt. Das sind alles Dinge, über die man natürlich reden muß. Es ist insoweit ein begrüßenswerter Vorschlag.Was nun schließlich den Verlustausgleich angeht, so sind wir der Meinung, daß man von einem globalen Verlustausgleich bei der Bundesbahn wegkommen muß. Man sollte nur einen Ausgleichsanspruch für auferlegte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und auch für politische Lasten zubilligen. Nur dann wird man auch zu einer genauen Durchleuchtung der ganzen Situation der Bundesbahn kommen. Es ist ein altes Anliegen von uns, daß auch endlich einmal die Bilanz der Bundesbahn offengelegt wird, damit man hineinsteigen und sehen kann, was nun eigentlich anliegt und wo die Dinge besonders schwierig sind.Nach den Vorstellungen der Bundesregierung reichen die vorgesehenen Maßnahmen, die bei der Bundesbahn durchgeführt werden sollen, nicht aus, um die Bundesbahn zu sanieren. Daher sucht man sich einen oder auch gleich zwei Prügelknaben, nämlich einmal den gewerblichen Güterfernverkehr und dann den Werkfernverkehr. Wie ist aber hier die Situation? Wir hatten Ende 1967 in der Bundesrepublik noch einen Lkw-Bestand von 882 000; das ist gegenüber 1966 ein Rückgang um 9000. Davon fahren 20 000 im Güterfernverkehr — 24 000 Fernverkehrsgenehmigungen gibt es — und 77 000 im Werkfernverkehr.Da auf der Straße heute 10 Millionen Pkws fahren, haben Sie es den Pkw-Fahrern sehr schmackhaft machen wollen, indem Sie damals gesagt haben: Mehr Sicherheit auf den Straßen und weg mit den Brummern von der Straße! Bezüglich der Sicherheit des Verkehrs ist dazu zu sagen, daß die Lkws nur an 3,3% der Unfälle beteiligt sind und daß, wenn sich die Zahl der Pkws in den nächsten Jahren bis 1975 oder 1977 auf 20 Millionen verdoppelt und die Zahl .der Lkws sich dann lediglich um 10 000 verringert hat, sich keine Momente ergeben, die für zukünftige Sicherheit besonders ins Gewicht fallen. Bei uns wird immer darauf hingewiesen, daß zu viel Lkws auf der Straße sind. Von den eben angegebenen 880 000 fahren rund 790 000 im Nahverkehr. Das macht die Belastung der Straße aus, nicht der Fernverkehr.Wir wollen auch nicht vergessen, daß die Hauptbelastung auf der Strecke Ruhrgebiet—Mannheim liegt und daß es unbedingt notwendig ist, auf diesem Gebiet zur Entlastung zu kommen, indem nämlich die Autobahn linksrheinisch von Düsseldorf—Neuß bis Ludwigshafen und auf der anderen Seite die Autobahn von Dortmund über Hagen und Siegen nach Frankfurt zügig durchgeführt wird. Dann wird sich auf diesem Weg sicherlich eine erhebliche Entlastung zeigen.Daß wir in der Bundesrepublik — umgerechnet auf die Einwohnerzahl — noch sehr wenig mit Lkws gesegnet sind, ergibt sich daraus, daß in den Vereinigten Staaten auf einen Lkw 13 Einwohner kommen, während es in Frankreich die doppelte Zahl ist, nämlich 27, in England 33; in den Niederlanden ist es schon konzentrierter: 47, und bei uns kommen 61 Einwohner auf einen Lkw. Man kann also in cumulo hieraus nicht herleiten, daß wir mit Lkws schon übermäßig gesegnet seien.Was soll nun geschehen, um trotzdem ein Heilmittel zu finden, das der Bundesbahn hilft? Es geht
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Dr. Imleum die beiden Probleme, die Sie auch angesprochen haben: erstens das Beförderungsverbot, das schon einmal gestorben ist, und zweitens die Sonderbesteuerung des Güterfern- und Werkfernverkehrs, die eventuell durch eine Straßenbenutzungsgebühr ersetzt werden soll. Herr Minister, Sie haben kein Wort dazu gesagt, aber: sind Sie sich einmal über die Konsequenzen klargeworden, die das eventuell auf unseren Berlin-Verkehr hat, wenn das so durchgeführt wird? Das sollten Sie sich noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Ich möchte es nicht weiter ausführen, um nicht von hier aus die Dinge zu komplizieren.Dann haben Sie im Zusammenhang mit der Beförderung auf der Straße hier darauf hingewiesen, daß so viel Sand und so viel Kies über die Straßen gefahren werde; da tropfe dann Wasser heraus, und im Winter friere das usw. Da könnte man ja andere Maßnahmen ergreifen. Man könnte verlangen — durch Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung —, ,daß solche Güter nur in dichten Lkws befördert werden. Da braucht man sie nicht gleich von der Straße zu treiben. Es kommt hinzu, daß solches Material auf der Autobahn nicht auf Hunderten von Kilometern befördert wird. Ihr Hinweis auf Carrara-Marmor und auf ,das Langholz, das unten in Bayern umgeladen wird, betrifft sicherlich nur Ausnahmen; eine Nachprüfung würde das ergeben.Ferner haben Sie vorhin dargetan, Herr Minister, Sie hätten eine Strecke stillgelegt, auf der pro Tag nur sechs Waggons Tonerde verfrachtet worden seien. Nun gehört Tonerde — wenn Ton gleich Ton ist — ja auch zu ihrer Verbotsliste, und daher dürfte er auch nicht mehr auf der Straße befördert werden. Natürlich werden Sie sagen: Da muß ich gleich eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Das ist überhaupt eine Frage mit den Ausnahmegenehmigungen. Wie Sie aber dann, wenn Sie z. B. den Beton von der Straße verbannen, noch eine Autobahnbrücke bauen wollen, ist mir einfach unverständlich. Es ist doch klar, daß Beton laufend geschüttet werden muß. Wenn ich eine Autobahnbrücke baue, kann ich nicht erst umladen: erst auf die Bundesbahn, dann transportieren, dann von der Bundesbahn herunter und wieder auf den Lkw. Da sollte man den Spezialfahrzeugen durchaus ihr Leben lassen.Die Verbotsliste verstößt aber auch gegen den Grundsatz der freien Wahl der Verkehrsträger, der in den Grundsätzen der Internationalen Handelskammer festgelegt worden ist.Wir sind der Meinung — das haben wir auch inunserer Verkehrs-Alternative niedergelegt —, daßdie Grundlage jeder Verkehrspolitik die Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen den privatenund öffentlichen Verkehrsträgern sein muß.In diesem Zusammenhang lehnen wir auch die Sonderbesteuerung ab.
— Natürlich, weil das nämlich nichts bringt.
— Wir befinden uns hier in einer sehr guten Gesellschaft. Wie vorhin schon ausgeführt worden ist, hat nämlich auch die EWG-Kommission sowohl das Beförderungsverbot als auch die Besteuerung als unvereinbar mit den EWG-Verträgen erklärt.Es wird sicherlich nicht einfach sein, hier eine andere Regelung zu finden. Insbesondere die Frage der Wegekosten ist überhaupt nicht geklärt. Würde man heute die Lkw-Besteuerung so durchführen, wie das hier gedacht ist, so würde im Endergebnis bei der Bundesbahn hierfür lediglich ein Plus von 250 Millionen DM herauskommen. Man würde also bestimmte Verkehrsträger erheblich beschneiden, ohne damit etwas für die Bundesbahn zu erreichen.Nun haben Sie gesagt, Herr Minister, man müsse die Belastung der Wirtschaft bei diesem gebrochenen Verkehr genauso hoch oder so niedrig halten, wie das jetzt bei der Beförderung allein auf der Straße der Fall sei. Ich glaube, da muß noch einmal genau nachgerechnet werden. Dazu einige Zahlen. Nehmen wir einen 20-t-Zug von Flensburg nach Köln. Der kostet im Straßengüterverkehr 1030 DM und im Werkfernverkehr 1080 DM. Mit der Bundesbahn kostet das nur 980 DM. Wenn aber dann das Zu- und Abrollen hinzukommt, erhöht sich der Betrag um 500 DM. Das macht 1480 DM. Das sind die offiziellen Auskünfte der Bundesbahn, Herr Minister. Sie hat sich dann natürlich bereit erklärt, nachzugeben. Aber wenn die Bundesbahn immer nachgibt, dann gerät sie ständig weiter ins Minus, wie das schon durch die Tarifsenkung von 1964 geschehen ist. Damals hat sie Tarifsenkungen von 25 bis 60% vorgenommen und ist dadurch natürlich ins Minus gekommen.In Frankreich hat man eine andere Besteuerung eingeführt: die Achslast-Steuer. Bei einem Vergleich müssen wir sagen, daß wir heute bei uns schon weit über der Besteuerung in Frankreich liegen. Daraus ergibt sich im internationalen Wettbewerb doch eine Benachteiligung unserer Wirtschaft. In Frankreich wird nämlich bis zu 10 t Achslast nur die Mineralölsteuer erhoben, die 35 Pf pro Liter beträgt. Bei uns sind es 36 Pf nämlich 33 Pf Mineralölsteuer plus 3 Pf für die Gemeinden, so daß man hier etwa von dem gleichen ausgehen könnte. Beim 32-t-Zug beträgt die Besteuerung in Frankreich Mineralölsteuer plus 560 DM, hier in Deutschland zur Zeit Mineralölsteuer plus 5100 DM. Wenn man Ihre Besteuerungsgrundsätze zugrunde legt bei einer jährlichen Fahrtstrecke von 100 000 km, kommen insgesamt Mineralölsteuer plus 15 000 DM heraus, also 10 000 DM mehr als bisher. Bei den Vorschlägen der CDU sind es 3100 DM mehr, nämlich insgesamt 8200 DM. Wir sind deshalb der Meinung, daß man unserer Wirtschaft, nachdem wir heute schon auf dem Kontinent mit unserer Belastung des Gütertransportverkehrs an der Spitze liegen, diese zusätzlichen Belastungen nicht aufoktroyieren sollte.Nun will man das der Wirtschaft dadurch schmackhaft machen, daß man in den Entwurf des Güterkraftverkehrsgesetzes Ausnahmebestimmungen hineinnimmt. Ich meine: wenn man Möglichkeiten gibt, die Verbotsliste durch Ausnahmebestimmungen wie-
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Dr. Imleder zu durchlöchern, sollte man von vornherein gar keine Verbotsliste aufstellen.
Wie soll das überhaupt durchgeführt werden?
— Wenn man eine Regel trifft, braucht man überhaupt keine Ausnahme zu machen.Nach dem Entwurf können die obersten Landesverkehrsbehörden für bestimmte Einzelfälle oder allgemein befristet für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von dem Verbot genehmigen, „wenn es einem Unternehmen der verladenden Wirtschaft ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz nicht möglich ist, seine Güter anders als mit einem Kraftfahrzeug zu befördern". Nun frage ich Sie: Wer entscheidet das, wer trifft die Feststellungen, ob das ohne Gefährdung der Existenz •möglich ist? Da müssen Bilanzen eingereicht werden und was weiß ich alles. Das gibt doch wirklich einen Dirigismus, der über das erträgliche Maß hinausgeht. Wir glauben, daß man das nicht tun sollte.
Wenn dann die Länder bei ihren Stellungnahmen angeregt haben, man sollte auch diese Möglichkeit an die unteren Stellen, Regierungspräsidenten oder Landräte, weitergeben, weil die Landesregierungen sonst überlastet würden, dann können Sie allein daraus ersehen, Herr Minister, welche Antragsflut auf die Landesbehörden zukommt, wenn das hier Gesetz werden sollte.Nun stehen aber auch noch zwei Dinge im Raum, gegen die wir erhebliche Bedenken haben. Das eine ist die Bescheinigung für die Zulassung im Werkverkehr, die nach Anhörung der anderen Verkehrsträger ausgestellt werden soll. Man will hier eine Lizenzierung einführen. Ob •das in der Praxis so möglich sein wird, erscheint mir fraglich. Wenn ich mir aber den Antrag, der vorhin noch gestellt und dann zu Protokoll gegeben worden ist, ansehe, kann ich nur sagen, daß es sich da um vollendeten Dirigismus handelt. Denn wenn für den gesamten Werkverkehr — das sind rund 700 000 Fahrzeuge — alle zwei Jahre eine neue Genehmigung eingeholt und dargelegt werden soll, daß die Beförderung nur im Werkverkehr möglich ist, was gibt das für eine neue Bürokratie, die prüfen soll, ob das Fahrzeug zugelassen werden soll! Wenn die bisherig Werkverkehr treibenden Unternehmen eine zusätzliche Frist von einem Jahr haben sollen, dann kommen diese ganzen — sagen wir: — 600 000 Anträge auf die Bürokratie zu, und ich kann mir vorstellen, daß wir dann keinen Abbau der Verwaltung haben werden, sondern daß hier erneut aufgebaut werden muß. Wir meinen also, daß das so nicht in Ordnung ist.Ein Zweites: In beiden Vorschlägen der Regierung und der CDU/CSU wird von Sonderabmachungen gesprochen, die sowohl der Bundesbahn als auch dem Güterverkehr zugebilligt werden sollen, und zwar insbesondere mit Rücksicht darauf, daß es eben in besonderen Fällen notwendig sei, besondere Tarife auszuhandeln. Ob es richtig ist, hier bei der ganzen prekären Situation der Bundesbahn noch einmal Sonderabmachungen zuzulassen, erscheint schon zweifelhaft. Wenn man dem aber überhaupt nachgehen sollte, sind wir der Meinung, daß man es dann nicht dem Bundesverkehrsminister überlassen sollte, solche Sonderabmachungen zu genehmigen, sondern daß man die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr entsprechend ausbauen sollte, um hier einer unabhängigen Institution die Möglichkeit zu geben, entsprechende Genehmigungen auszusprechen. Bei unseren Besprechungen im Verkehrsausschuß werden wir darüber sehr eingehend zu reden haben.Wir sind überhaupt darüber hinaus der Meinung, daß die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr in ein Tarifamt für Tarif- und Transportwesen — im Sinne einer unabhängigen Anstalt — umgewandelt werden sollte, in dem neben dem Güterkraftverkehr auch die Bundesbahn, die Binnenschiffahrt, die Spediteure, die verladende Wirtschaft und das Personenbeförderungsgewerbe vertreten sein sollten. Hier sollte es sich dann nicht nur um die Tarifbestimmungen handeln, sondern von dort aus sollte auch die Überwachung der Tarife erfolgen.Ein Wort zur Nahverkehrszone. Wir sind nicht der Meinung, daß die Nahverkehrszone ausgedehnt werden sollte, sondern wir sind der Meinung, daß man den betreffenden § 6 ändern sollte, so daß die Wahl eines fiktiven Standortes auch dort zulässig wird, wo verkehrsungünstig gelegene Gebiete vorhanden sind, damit dort die Wirtschaft besser versorgt werden kann. Wir sind ferner der Meinung, daß auch die Nahverkehrszone für die Luftfracht zum nächstgelegenen Flughafen entsprechend erweitert werden sollte.Mit Bestürzung haben wir vernommen, daß Sie, Herr Minister, sich gegen Ihre ursprüngliche Konzeption beim Personenverkehr auf die Regionalkonzession eingelassen haben. Wir sind der Meinung, daß sich hierdurch eine Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse ergibt, daß insbesondere die Möglichkeit geschaffen wird, den privaten Personenbeförderer aus dem Wettbewerb auszuschalten, indem ihm noch ein Linienverkehr oktroyiert wird, den er nachher aus Kostengründen nicht mehr verkraften kann. Wir meinen, das sollte noch einmal sehr genau überlegt werden. Dabei wissen wir natürlich, welches Geschäft Sie damit eingehandelt haben. Aber wenn Sie weiterhin grundsätzlich dieser Meinung sind, glaube ich, daß wir hier zu einer Regelung kommen werden.Bezüglich der Binnenschiffahrt stimmen wir Ihrer Auffassung zu. Bloß meinen wir, daß es nicht bei der Abwrackaktion als solcher bleiben sollte, sondern daß man auch die Frachttarife überprüfen müßte.Da ich gerade bei der Schiffahrt bin, noch ein Wort zu der Frage der Freistellung von der Güterfernverkehrsteuer bei den Transporten zu und von den Seehäfen über 170 km hinaus. Das hört sich für
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Dr. Imleunsere Seehäfen Hamburg, Bremen, Bremerhaven usw. natürlich sehr schön an. Es trifft dort auf großes Verständnis und wird auch begrüßt. Aber ich meine, hier müßte noch geprüft werden, ob nicht die Wirtschaft benachteiligt wird, die innerhalb dieser 170km-Zone gelegen ist; wer dann nämlich mit dem Import über den Hafen in der 170-km-Zone bleibt, bleibt steuerfrei, während die deutsche Wirtschaft, die in diesen Raum transportiert, Steuern zahlen muß. Das wird man von dieser Seite her sicherlich noch einmal überprüfen müssen.Was nun die vorgelegten umfangreichen Gesetzentwürfe angeht, so sind wir der Meinung, daß alles in . seiner Auswirkung genau überprüft werden muß und daß auch nichts übereilt beschlossen werden sollte. Man sollte nichts übers Knie brechen. Denn wenn wir hier in die Dinge einsteigen, wird man wieder einmal zu der Auffassung kommen, daß der Teufel im Detail liegt. Der Ausschuß wird sicherlich einige Zeit brauchen. Aber wir werden auch nicht umhin kommen — wir werden Entsprechendes im Ausschuß beantragen —, nicht wenige Sachverständige aus der Wissenschaft und der betroffenen Wirtschaft anzuhören, damit wir uns ein vollständiges Bild darüber machen können, wie sich die einzelnen Maßnahmen auf die verladende Wirtschaft auswirken.Es kommt nicht darauf an — ich glaube, da sind wir einig: Sie haben es vorhin auch gesagt —, daß bestimmte Vorstellungen eines irgendwie vorgesehenen Programms verwirklicht werden, sondern darauf, Maßstäbe für die Zukunft zu setzen, ohne daß die Wettbewerbsfähigkeit eines Verkehrsträgers durch besondere Maßnahmen — auch nicht 'zeitweise — beeinträchtigt wird. Wenn wir das erreichen, haben Sie uns auf Ihrer Seite.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seifriz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier haben es wahrscheinlich alle mit einem Kummer zu tun, nämlich dem, daß sie nicht mehr unschuldige Kinder sind, die mit den uns vom Güterfernverkehr Weihnachten zugeschickten SpielzeugLkws „überfüllte Autobahn" spielen und im übrigen das Problem, um das es hier geht, ungelöst lassen können. Wir müssen es als erwachsene Politiker, als verantwortliche Politiker lösen. Die Debatte hat bereits gezeigt, daß es sich hier durchaus um eines der wesentlichen Probleme der Großen Koalition zur Lösung von Aufgaben der deutschen Innenpolitik handelt.Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die künftige Verkehrspolitik in unserem Lande ist in den letzten Monaten fast ausschließlich von denen geführt worden, die am Verkehrswesen unmittelbar wirtschaftlich interessiert sind. Unter den mehr oder minder ausführlichen Stellungnahmen der Verbände, die wir bekommen haben, befindet sich z. B. eine des Deutschen Industrie- und Handelstages. Es verwundert mich, daß er im Namen aller Kammern spricht, während wir dann hinterher erfahren, daß die norddeutschen Kammern in bestimmten sehr wesentlichen Fragen eine ganz andere Auffassung vertreten als die, die der Deutsche Industrie- und Handelstag der deutschen Offentlichkeit mitteilt.
— Sicher ist das das Schicksal der Verbände, nicht immer zu wissen, was die Mitglieder meinen. Ich frage mich auch, ob die Stellungnahmen des Verbandes der deutschen Automobilindustrie sich immer mit der Auffassung aller seiner Mitglieder decken, z. B. der Auffassung derer, die Personenkraftwagen herstellenSobald nun Stimmen aus anderen Bereichen laut werden, aus Bereichen, die nicht unmittelbar wirtschaftlich am Verkehrswesen interessiert sind, dann werden sie nicht selten diffamiert als unfachlich, gefühlsbetont oder ressentimentsbeladen. Wenn dagegen ein Verkehrspolitiker völlig legitim auch auf die Interessen der Pkw-Fahrer hinweist, dann erklären wiederum die Interessenten, das sei lediglich gefühlsbetonte Schwarzmalerei und habe mit den Tatsachen nichts zu tun. Mir scheint, wir müssen alle zusammen versuchen, den goldenen Mittelweg zu finden und zu einer Sachberatung zurückzufinden. Dabei können uns die Stellungnahmen der Verbände sicherlich weiterhelfen, wenn wir wissen wollen, was an verkehrspolitischen Gedanken zur Zeit in unserem Lande gedacht wird; die Lösung aber müssen wir finden, und wir müssen sie hier finden.Nun ist das Verkehrswesen ebensowenig wie jeder andere Dienstleistungsbetrieb um seiner selbst willen da. Es soll vielmehr Verbindungen schaffen, Kommunikationen fördern. Es soll und muß mehr als zu jeder früheren Zeit das Zusammenleben in einer untereinander immer mehr abhängig werdenden Gesellschaft möglich machen. Wenn wir für die Zukunft mit enorm ansteigenden Transportaufgaben im nationalen und internationalen Bereich rechnen, wenn weiter abzusehen ist, daß auch forcierter Straßenbau nicht ausreichenden Raum für ungehemmt einfließenden Lkw- und Pkw-Verkehr läßt, dann sind wir Politiker meines Erachtens verpflichtet, lenkend einzugreifen, um die Straßen zu entlasten zugunsten von Verkehrswegen, die noch ,enorme Kapazitäten aufnehmen können. Von einem Interessenverband erwarte ich nicht, daß er in erster Linie solche übergeordneten Gesichtspunkte akzeptiert. Es ist vielmehr sein gutes Recht — ich will das, was hier dazu gesagt wurde, nur noch einmal unterstreichen —, erst einmal an die Interessen seiner Mitglieder zu denken. Vom Deutschen Bundestag aber kann unser Volk mit Recht erwarten, daß auch bei der Lösung von Verkehrsproblemen das Gesamtinteresse, das Gemeinwohl im Vordergrund steht.Meine Fraktion hat in den vergangenen Jahren wiederholt und immer dringlicher .auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Bundesbahn wieder stärker in die Bewältigung von Verkehrsleistungen einzuschalten. Ich selber habe im Mai 1966 vor dem Hohen Hause von ,dem Erfordernis der Verlagerung von bislang auf der Straße beförderten Fernverkehrskapazi-
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Seifriztäten auf die Schiene gesprochen und dabei deutlich ausgeführt, daß die Wettbewerbsfreiheit, wo es nicht anders geht, ihre Grenze dort hat, wo übergeordnete volkswirtschaftliche und gemeinschaftliche Interessen auf dem Spiel. stehen. Wir meinen, daß man unter diesem Gesichtspunkt das Problem angehen muß. Herr Dr. Müller-Hermann, das ist nicht etwa eine unterschiedliche Akzentuierung zum Prinzip der freien Marktwirtschaft, sofern diese freie Marktwirtschaft praktiziert werden kann.Es ist auf absehbare Zeit nicht vorstellbar, alle Güter auf der Straße, auf dem Wasser, in der Luft oder per Pipeline unter Verzicht auf die Schiene zu befördern. Es ist ebenso richtig, daß die Transportkonzentration auf der Schiene bisher von keinem anderen Beförderungsmittel übertroffen worden ist. Wenn wir diese Tatbestände nicht ausschließlich unter privat-ökonomischen Gesichtspunkten betrachten, sondern allgemein-volkswirtschaftliche Interessen hinzufügen, kommen wir zu jenen Relationen, die es auch zumutbar machen, dem privaten Verkehrswesen vorübergehend mehr Opfer zuzumuten, als das vielleicht in der Vergangenheit notwendig war.Für uns bleibt vorerst die Bahn das Rückgrat des Verkehrs. Weil wir ,das wissen,treten wir seit Jahren dafür ein, daß diese unsere Bundesbahn fifgemacht wird für einen Wettbewerb, bei dem sie ihr spezifisches Leistungsangebot voll zur Geltung bringen kann.Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, hat die SPD-Fraktion nach sehr eingehenden Beratungen dem Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung auch hinsichtlich seiner Hauptschwerpunkte zugestimmt. Ich will daher nicht im einzelnen und erschöpfend wiederholen, was der Herr Bundesverkehrsminister zu diesem seinem Programm hier in der Begründung ausgeführt hat. Ich möchte aber hinzufügen, diese Haltung entbindet uns nicht von der Pflicht, jede der vorgesehenen Einzelmaßnahmen zu prüfen und zu wägen. Die Änderungsvorschläge der CDU/CSU-Fraktion, die Vorlage von Mitgliedern meiner Fraktion und vielleicht noch die eine oder andere Idee, die uns oder anderen während der Ausschußberatungen kommt — ich habe den Eindruck, in den letzten 30 Minuten ist eine solche Idee hier im Hause nicht ausgesprochen worden —, geben uns hinreichend Gelegenheit, In diese Sachprüfung gemeinsam einzutreten.Aber, meine Damen und Herren, wir werden am Ende nur einem Programm zustimmen können, das eine wirksame Straßenentlastung einleitet, eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufteilung des Verkehrsaufkommens auf die jeweils geeigneten Verkehrsträger erleichtert und es nach einer Übergangszeit weitgehend ermöglicht, auf die Anwendung nicht markftkonformer Mittel zu verzichten.Der Leber-Plan wird natürlich nicht alle Blütenträume reifen lassen. Hier sollen nicht ständig die Versäumnisse der Vergangenheit wiederholt werden; aber es muß doch festgestellt werden, daß die Sanierung der Deutschen Bundesbahn eben nichtstattgefunden hat zu einer Zeit, als die Kasse des Bundes im Vergleich zu heute wohlgefüllt war.
Ich meine, daß mein Kollege, Herr Helmut Schmidt, 1954 durchaus recht haben konnte, wenn er dafür eintrat, vor der Anwendung von Transportverboten zuerst einmal den Versuch zu machen, mit elegantener Methoden unser Verkehrswesen in Ordnung zu bringen. — Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen damit zugleich bewiesen, daß auch ich die Debatte von 1954 sehr genau nachgelesen habe. Das haben wir anscheinend alle getan.
Statt dessen sind die Schulden der Deutschen Bundesbahn besorgniserregend angestiegen, und gleichzeitig sind infolge von Maßnahmen des Gesetzgebers Güter von der Schiene auf die Straße abgewandert.Wir müssen davon ausgehen, daß es in den siebziger Jahren irgendwann einen gemeinsamen europäischen Verkehrsmarkt geben wird — Herr Dr. Müller-Hermann, die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben, Sie wahrscheinlich auch noch nicht —, in dem unsere Verkehrsbetriebe nämlich voll dem Wettbewerb mit der internationalen Konkurrenz, hier mit der europäischen Konkurrenz, ausgesetzt sind.Was früher mit eleganteren und weicheren Methoden bei uns in Ordnung, d. h. in eine akzeptable, faire Wettbewerbsordnung hätte gebracht werden können, muß nunmehr in wesentlich kürzerer Zeit mit sicherlich drastischeren Mitteln vor sich gehen. Das ist das Problem, vor dem wir aktuell stehen.Zudem muß ,die Bundesregierung nach dem Willen des Hohen Hauses davon ausgehen-, daß die gerade eben verabschiedete mittelfristige Finanzplanung nicht sogleich um mehrere Milliarden DM in ihren Schwerpunkten veränderbar ist. Dabei gebe ich Ihnen, Herr Dr. Müller-Hermann, durchaus recht, daß nicht alles das, was wir beschlossen haben, auf alle Zeiten tabu sein muß. Wir wissen ja auch, daß unsere Beschlüsse Revisionsklauseln haben. Wir müssen uns ja von Zeit zu Zeit ,die Dinge neu ansehen. Aber wir wissen ebenso, daß es bei den Beträgen, die wir benötigen würden, wenn wir allein oder hauptsächlich durch eine Sanierung der Deutschen Bundesbahn die Verkehrsmisere lösen wollen, um viele Milliarden geht. Um solche Beträge werden wir zur Zeit vergeblich streiten.Das ist der Standpunkt, von dem wir ausgehen müssen, wenn wir für eine Übergangszeit auch drastischeren Maßnahmen, auch verkehrslenkenden Maßnahmen in anderen Verkehrsbereichen zustimmen müssen. Das bezieht sich auch auf die Möglichkeiten der Entschuldung der Bundesbahn, der Abnahme aller politischen Lasten, der Investitionspolitik, also aller finanziell wirksamen Maßnahmen des Bundes gegenüber der Deutschen Bundesbahn.Ihre Fraktion, Herr Dr. Müller-Hermann, hat in Ihrer Vorlage viele notwendige Maßnahmen bei der Bundesbahn, wie sie im Leber-Plan enthalten sind, wiederholt, einige hinzugefügt, die Frage nach der
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SeifrizFinanzierung des Investitionsprogramms der Bundesbahn aber getrost der Bundesregierung überlassen.
Aber ich habe nicht die Hoffnung, daß Sie uns in einigen Tagen oder Wochen, falls uns die Regierung darauf keine Antwort geben kann, sagen können, durch welche Art von Verschiebung diese Milliarden dann aufgebracht werden können. Sollten Sie diese Hoffnung 'dennoch begründet hegen, wäre ich sehr froh. Dann wäre sozusagen eine neue Situation da.
Mir scheint, vorläufig jedenfalls, daß Minister Leber angesichts der nach wie vor angespannten Haushaltssituation des Bundes ,die realistischere Konzeption vorgelegt hat. Im übrigen linde ich es amüsant, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, wie Sie uns mit ,einer Häufung von Programmen überraschen. Man kann nur sagen: So ändern sich die Zeiten!Es ist auch ganz interessant, festzustellen — wollte man dazu als Parlamentarier ein Wort sagen, dann das, daß es Sie ehrt —, daß Sie, wenn ,ich mich erinnere und wenn 'ich es verfolge, auch als Nichtmitglied dieses Hauses in früheren Zeiten offenbar der ,ständige Opponent bei allen Bundesregierungen gegenüber der jeweils offiziellen Verkehrspolitik waren und immer dafür ,gesorgt haben, daß Sie dann einen entsprechenden Wirbel hatten, der uns dazu Veranlassung gegeben hat, neue Methoden und neue Möglichkeiten auszusuchen. Das soll durchaus als ein Kompliment aufgefaßt wenden.
Wir wollen vielmehr nicht über die sprechen, die heute nicht mehr hier ,anwesend sein können.
Ob es im Prinzip der Leitung — damit komme ich kurz auf ein anderes angesprochenes Problem des Staatsunternehmens Bundesbahn und damit auch des Verhältnisses der Bahn zum Bund — Änderungen geben muß, sollten wir zunächst abwarten. Ich habe den Eindruck, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn, nachdem der Bundesverkehrsminister in bestimmten Bereichen grünes Licht gegeben hat, im Sinne eines unter scharfem Wettbewerbsdruck stehenden Managements erstaunliche Leistungs- und Konzeptionsreserven im Unternehmen freigesetzt hat. Ich glaube, daß ich hier durchaus als einen Kronzeugen den anwesenden Herrn Verkehrssenator des Landes Bremen anführen kann, der weiß, wie etwa im Bereich des Containerverkehrs die Deutsche Bundesbahn in den letzten Monaten Anstrengungen unternommen hat, die wir alle zusammen ursprünglich nicht für möglich gehalten hätten. Ich meine, das läßt uns hoffen. Lassen Sie mich allerdings auch hinzufügen: Die geltende Struktur der Bundesbahnspitze ist für uns nicht die einzig denkbare, falls sich herausstellen sollte, daß wichtige Leistungen künftig durch die jetzige Konstruktion nicht oder zu schleppend zustande kommen.Für meine Fraktion möchte ich an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit den Bundesbahnern und ihren Gewerkschaften dafür danken, daß sie angesichts vieler Maßnahmen, die in die Arbeits- und Lebensverhältnise Tausender bei der Bahn Beschäftigter oft sehr hart eingreifen oder bereits eingegriffen haben, nicht den Aufstand proben, sondern statt dessen die Ärmel hochkrempeln und uns helfen, die Karre wieder aus dem Dreck zu ziehen.
Die verkehrspolitischen Vorschläge der CDU/ CSU-Fraktion enthalten eine Reihe diskutabler Anregungen zur Vervollständigung des Regierungsprogramms, und sie enthalten außerdem zwei Alternativen. Ich will hier nicht meinerseits die Frage der Änderung des Grundgesetzes bei Einführung der Straßenbenutzungsgebühr strapazieren. Die CDU/ CSU möchte mit ihrem Vorschlag der Lösung des Wegekostenproblems mindestens vom Prinzip her einen Schritt näherkommen, indem sie die Gebühr nach der Achslast, allerdings gekoppelt mit der Jahresfahrleistung, bemißt. Dazu ist meines Erachtens zu sagen: Wir können uns darüber unterhalten, ob wir tatsächlich an die Lösung des Wegekostenproblems herangehen wollen. Es gibt darüber seit vielen Jahren eine ganze Reihe Untersuchungen. Es fragt sich, ob wir durch weitere und neu anzusetzende Untersuchungen noch wesentliche neue Erkenntnisse erringen werden. Das bleibt abzuwarten. Ich meine, wir werden nicht mehr allzuviel Zeit haben, wenn wir in eine vernünftige Diskussion mit der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eintreten wollen, wenn wir ihr mit vernünftigen Argumenten gegenübertreten wollen. Ich meine, wir haben uns in absehbarer Zeit zu fragen, ob wir allesamt jetzt oder in naher Zukunft zu einer politischen Lösung dieses Problems bereit wären.Ich bin überzeugt davon, die Wissenschaftler werden uns nicht dabei helfen, am Schluß die absolut richtige Zahl zu finden.
Wir werden eben doch eine politische Entscheidung treffen müssen.
— Auch beim Notstand können uns die Wissenschaftler nicht alle Entscheidungen abnehmen. Da haben Sie vollkommen recht. Das ist eben die Schwierigkeit und gleichzeitig die Ehre, in der ein Politiker steht, der seiner Verantwortung vor dem deutschen Volke gerecht werden will.Meine Damen und Herren, ich gehe nach dem Stand der Untersuchungen, die uns bisher vorliegen, allerdings davon aus, daß der Schwerstlastwagen zur Zeit nur etwa 10 % der Kosten bezahlt, die er verursacht. Wenn wir diese Zahl auch ein wenig variieren, bleibt dennoch die Frage an die deutsche Verkehrswirtschaft, insbesondere die Straßenverkehrswirtschaft: Wollen sie eine Lösung des Wege-
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Seifrizkostenproblems in naher Zukunft? Ich fürchte, daß in jedem Falle eine wesentlich härtere fiskalische Belastung auf sie zukommt als jene, die entweder Herr Dr. Müller-Hermann oder Herr Leber vorgesehen haben.
-- Mit den Nachbarländern werden wir uns über die Lösung des Wegekostenproblems in der EWG zu unterhalten haben, damit wir möglichst zu einer einheitlichen Lösung kommen. Das ist ein weiterer Grund, warum wir hier die Steuer bevorzugen und nicht ein Prinzip, das schon in Richtung Wegekosten geht. Es ist jedenfalls unsere Meinung, daß der gegenwärtige desolate Zustand unseres Verkehrswesens eine solche Radikalkur auch nicht annähernd zuläßt, daß andererseits aber die von der CDU/CSU vorgeschlagenen Gebührensätze, auch wenn teilweise eine Lizenzgebühr hinzukommt, so niedrig sind, daß sie den von der Regierung und von uns beabsichtigten verkehrsordnenden Effekt nicht annähernd erreichen werden.
Das heißt, die mit der Gebühr belasteten Kapazitäten blieben fast restlos auf der Straße, und die Wirkung wären lediglich höhere Tarife und Preise.Die Beförderungsteuer ist dagegen unserer Meinung nach ihrer Höhe und ihrer progressiven Wirkung nach eher geeignet, Massen- und Schwergüter teilweise auf die Schiene zurückzuverlagern. Wir wollen eben diese Wirkung, auch und nicht zuletzt im Interesse der Verkehrssicherheit auf unseren Fernverkehrsstraßen. Wir meinen, daß wir diese Wirkung unter allen Umständen erreichen müssen.
Es ist auch ganz in unserem Sinne, daß der Werkverkehr stärker belastet wird als der gewerbliche Fernverkehr, der nämlich von seinem Gewerbe leben muß. Ich muß sagen, daß ich deshalb auch die Initiative meines Fraktionskollegen Hermann Haage begrüße, durch Gesetz verbindlicher als nach dem CDU/CSU-Vorschlag die Beförderung von Gütern im Werkverkehr genehmigungspflichtig zu machen, wobei diese Genehmigung für die Gesamttonnage nur dann erteilt werden soll, wenn kein anderer Verkehrsträger gleiche Leistungen anbieten kann.Wir werden genau prüfen, ob und inwieweit die fiskalischen Belastungen für den gesamten Güterfernverkehr und den Werkverkehr plus unter Umständen Erlaubnisverfahren für den Werkverkehr geeignet sind, die gewünschte Straßenentlastung zu erreichen. In diesem Licht sehen wir auch das Verbot von Transporten bestimmter Güter ab 1970. Dieses Transportverbot wird ein Kernstück des Programms bleiben müssen, sofern alle anderen Maßnahmen nicht mindestens zu den gleichen Ergebnissen führen.Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit gleich sagen, daß wir gleichermaßen allen Maßnahmen kritisch gegenüberstehen, die auf eine stärkere Belastung des gewerblichen Straßengüternahverkehrs abzielen, da es für Transporte auf Nahstrecken im wesentlichen keine Alternative zur Straße gibt.Ein kurzes Wort zur Binnenschiffahrt. Sie hat ihrerseits den sie betreffenden Teil des Verkehrspolitischen Programms grundsätzlich begrüßt. Wir haben wiederholt erklärt, daß im Zuge der allgemeinen Rationalisierung die Partikulierschiffahrt nur dann förderungswürdig ist, wenn sie zur Zusammenarbeit und zum Zusammenschluß bereit ist. Ich begrüße deshalb im Interesse der Binnenschiffahrt ausdrücklich, daß auch die CDU/CSU diese Auffassung teilt, wie aus einem Ihrer Anträge hervorgeht.Der Herr Bundesverkehrsminister hat uns bereits erklärt, daß die vorgesehene Abwrackaktion für unwirtschaftlichen Schiffsraum zügig durchgeführt werden soll. Die Schiffsbanken haben bei verschiedenen Gelegenheiten ihre Bereitschaft zur Vorfinanzierung dieser Aktion geäußert. Das Bundesverkehrsministerium geht offenbar bisher davon aus, daß eine Vorfinanzierung aus privaten Geldmitteln nicht erforderlich sei. Dazu hätten wir gern recht bald ein verbindliches Wort seitens der Regierung, damit eine zügig abzuwickelnde Abwrackaktion nicht unversehens in finanzielle Engpässe gerät.Lassen Sie mich nur ein ganz kurzes Wort zum Thema Luftverkehr sagen. Wir begrüßen die Absicht der Regierung, den Ausbau der Flugsicherung den modernsten Erfordernissen anzupassen. Der Verkehrsausschuß wird sich mit diesem und dem allgemeinen Problem der Flugsicherheit in absehbarer Zeit erneut ausführlich beschäftigen, und ich bin sicher, daß sich daraus die Hilfe des Parlaments für alle Maßnahmen ergeben wird, die das Fliegen womöglich noch sicherer machen werden. Wir werden insbesondere darauf zu achten haben, daß es keinerlei Diskrepanzen zwischen ziviler und militärischer Flugsicherung gibt. Dabei werden wir unvoreingenommen prüfen, ob es nicht künftig in der Bundesrepublik eine einheitliche Flugsicherung geben kann.Die Frage des Seeverkehrs schließlich sollten wir gelegentlich einmal wieder gesondert behandeln. Neue Schiffsgrößen und -typen und dann natürlich die heute schon vielgenannte große Blechkiste, genannt Container, werden meiner Ansicht nach künftig auch Art und Umfang der Bundesmaßnahmen für die deutsche Seeschiffahrt bestimmen. Damit meine ich nicht,' daß größere Behälter auch größere finanzielle Hilfe zur Folge haben müssen; aber es könnte durchaus die eine oder andere Umschichtung im Rahmen des laufenden Förderungsprogramms erwogen werden, um den heutigen Erfordernissen der stürmischen Entwicklung auf See und in den Häfen besser gerecht werden zu können.Das Verkehrsprogramm sieht eine Reihe von Maßnahmen zum Ausbau der Straßeninfrastruktur vor. Sie kennen das Stichwort der Erarbeitung eines Verkehrswegeprogramms, das sicherlich von uns allen begrüßt wird; Herr Dr. Müller-Hermann hat es bereits erwähnt. Wir halten es für realistisch, daß der Bundesverkehrsminister der Versuchung wider-
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Seifrizstanden hat, alle notwendigen und wünschenswerten Maßnahmen erneut aufzuzählen, die der Bericht der Sachverständigenkommission über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden enthält. Wir sollten nur an die Dinge herangehen, die wir zur Zeit bewältigen können. Wir möchten ansonsten natürlich zum Beispiel erreichen helfen, daß Straßenbahnen in den Hauptverkehrszeiten nicht mehr Sardinenbüchsen gleichen. Die Art und Weise, wie heute in unseren Städten Tausende von Mitbürgern von und zur Arbeitsstelle befördert werden, halte ich jedenfalls geradezu für menschenunwürdig.Weil aber die knappen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden jetzt noch nicht die Durchführung aller wesentlichen Maßnahmen zulassen, die uns von den Sachverständigen vorgeschlagen wurden — und der Sachverständigenbericht lag zu einer Zeit vor, als die Bundeskasse wesentlich besser gefüllt war, und da ist nichts geschehen — oder die wir auch selber in unseren eigenen Programmen stehen haben, die wir auch nicht haben durchführen können, haben wir es begrüßt, daß Minister Leber das von den Sozialdemokraten seit 1965 immer wieder geforderte Sofortprogramm zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden durchgesetzt hat, damit wenigstens vordringliche Verkehrsbauten, vor allem in Ballungszentren, durchgeführt werden können. Ich warne in diesem Zusammenhang davor, die zur Verfügung stehenden Mittel für dieses Programm vorzeitig zu verzetteln. Es ist, wie gesagt, vieles wünschbar, es gibt aber besondere Dringlichkeiten wie den U-Bahn-Bau oder ebenso wichtige Vorhaben in Großstädten und Ballungsräumen, die den Vorrang vor wichtigen anderen Maßnahmen haben müssen, solange nicht mehr Geld verfügbar gemacht werden kann. Kurzfristige radikale Änderungen sind, wie gesagt, zur Zeit nicht möglich. Bei der Finanzreform allerdings muß die Sanierung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden einen hohen Rang einnehmen, und ich hoffe, daß uns auch möglichst viele Kollegen, die der Verkehrspolitik nicht unmittelbar verhaftet sind, in diesem Bestreben dann entsprechend beistehen, wenn wir darüber hier im Hohen Hause verhandeln.
Wir sind der Meinung, daß bei der Sanierung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden auf lange Zeit der öffentliche Personennahverkehr einen hohen Vorrang genießen muß. Deshalb lassen Sie mich sagen: Trotz der unbefriedigenden — wiederholt hier beschworenen — Haushaltssituation, unter der wir zur Zeit zu leiden haben, sollten wir jedenfalls erneut ernsthaft prüfen — das ist auch eine Bitte an die Kollegen im Haushaltsausschuß —, inwieweit dieser öffentliche Personennahverkehr von öffentlichen Steuern und Abgaben befreit werden kann, schon bevor wir die Finanzreform durchsetzen können.
Meine Damen und Herren, diese erste Lesung soll nicht die Fachberatung in den zuständigen Ausschössen ersetzen. Ich kann und will daher hier und heute nicht auf alle Aspekte der künftigen Verkehrspolitik eingehen. Ich möchte aber namens meiner Fraktion nachdrücklich den Ausführungen von Minister Leber zu den Empfehlungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zustimmen.Ich habe sechs Jahre lang dem Verkehrsausschuß des Europäischen Parlaments angehört und mich seitdem mit anderen Kollegen intensiv für eine praktikable und weiterhelfende Konzeption einer gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik eingesetzt. Die Bundesregierung hat in all diesen Jahren wie das Kaninchen auf die Schlange gen Brüssel geblickt und peinlich zu vermeiden versucht, in wensentliche Diskrepanzen zu den jeweils in Brüssel vertretenen verkehrspolitischen Thesen zu kommen.
Auch in diesem Tatbestand ist eine wichtige Ursache für jahrelangen verkehrspolitischen Stillstand bei uns zu suchen. In dieser Zeit, meine Damen und Herren, haben andere Länder der Gemeinschaft ihr Verkehrswesen in Ordnung gebracht. Das müssen wir jetzt, so gut es geht, nachholen.Ich kenne die Verkehrspolitik EWG-Europas nicht, gegen die wir zur Zeit schon real verstoßen könnten. Wir können nur alle zusammen hoffen, daß es nach Ablauf des Verkehrspolitischen Programms 1972 eine gemeinsame europäische Verkehrspolitik auf der Grundlage der Harmonisierung des Wettbewerbs gibt. Wir können schon jetzt sagen, daß wir uns an die Regeln dieser Politik halten werden. In der Zwischenzeit aber nehmen wir für uns das Recht in Anspruch, uns auf den größeren Wettbewerb angemessen vorzubereiten.Daß die Bundesregierung in der Verfolgung dieses Zieles nicht zulassen will, daß unsere Seehäfen und unsere Binnenschiffahrt gegenüber ausländischen Wettbewerbern benachteiligt wird, das halten wir für selbstverständlich. Die vorgesehenen Maßnahmen werden daher von uns ausdrücklich begrüßt.Hierher paßt, glaube ich, ein offenes Wort auch seitens des Parlaments an unsere holländischen Freunde und Nachbarn. Wir haben wiederholt feststellen können — ich habe es auch als Europäer in Brüssel, Straßburg und Luxemburg feststellen können —, wie gerade sie es fertiggebracht haben, ihre europäische Überzeugung immer wieder mit ihren eigenen Interessen in Einklang zu bringen. Wir haben in der Vergangenheit diese Fähigkeit bei unserer Bundesregierung manchmal schmerzlich vermißt, ich kann wohl sagen: quer durch die Fraktionen, die sich da in Straßburg wiederfanden. Es ist das etwa die Fähigkeit der Hessen, ihre eigenen Interessen geltend zu machen, ohne deshalb schlechte Mitglieder unseres Bundesstaates zu sein.Aus den Niederlanden sind gegenüber dem Verkehrspolitischen Programm und dem Minister, der dieses Programm vorgelegt hat, besonders unfreundliche Kommentare gekommen, die sich leider nicht immer auf den Bereich der Verkehrspolitik beschränkt haben. Ich möchte deshalb hier ganz ausdrücklich sagen, daß wir großen Respekt vor den
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SeifrizLeistungen unseres holländischen Nachbarn besonders im Bereich des Verkehrswesens haben, daß wir den Mut und die Leistung bewundern, die Rotterdam zum größten Hafen der Welt gemacht haben. Diese Leistungen und Tatbestände können und wollen wir nicht antasten. Wohl aber ist es unsere Pflicht, die ebenso tüchtigen und fleißigen Verkehrstreibenden in der Bundesrepublik Deutschland in die Lage zu versetzen, mit fairen Mitteln am Wettbewerb teilzunehmen.Es scheint uns außerdem legitim, solange entsprechende Konzeptionen auf der europäischen Ebene fehlen — ich meine hier: verbindliche Konzeptionen, beschlossene Konzeptionen —, verkehrs- und wettbewerbsordnende Maßnahmen durchzuführen, die geeignet sind, unnötig volkswirtschaftliche Verluste zu vermeiden, wie das z. B. mit der Beförderungsteuer und dem Transportverbot angestrebt wird. Daß inzwischen die Franzosen und die Engländer ebenfalls Maßnahmen einleiten wollen, die zu einer wirksamen Straßenentlastung führen sollen, beweist, daß es sich hier eben nicht mehr um ein rein deutsches Problem handelt.Meine Damen und Herren, Kritiker des Verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung haben gemeint, ,die vorgeschlagenen Maßnahmen reichten nicht aus, um .das Ziel der Klasse zu erreichen. Wir meinen, es wäre schon viel erreicht, wenn die Belastung der Straßen nicht im bisherigen Tempo zunimmt, zumal man ja die teilweise Verlagerung von Verkehrsströmen zusammensehen muß mit ,der vorgesehenen Forcierung des Autobahn- und Fernstraßenbaues. Damit ist besserer Verkehrsfluß und mehr Sicherheit zu erreichen.Eine höchst wirksame Maßnahme, nämlich die Eindämmung des Pkw-Verkehrs auf unseren Fernstraßen, verbietet sich leider aus einsichtigen Gründen. Die Pkw-Industrie hat sich zu einer Schlüsselindustrie entwickelt, zu einem Barometer unserer Gesamtwirtschaft. Jede Maßnahme zu Lasten des Personenkraftwagens beeinträchtigt die Nachfrage und damit die Produktion. Würde aber die Pkw-Produktion insgesamt in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, dann wäre das ein Alarmzeichen für unsere Gesamtwirtschaft und damit auch für das Gesamtwohl. Außerdem: Der Personenkraftwagen ist nicht mehr das Luxusgefährt für vermögende Leute, sondern ist das individuelle Gebrauchsfahrzeug auch der breiten Schichten unseres Volkes geworden. Für viele ist in einer Zeit, 'die von jedem andauernd Anpassung und Einordnung verlangt, das Auto zu einem Mittel persönlicher freier Lebensentfaltung geworden. Das ist heutzutage ein hohes Gut, das nach unserer Meinung nicht ohne Not preisgegeben werden darf.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen und wiederholen, daß meine Fraktion dem Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung zustimmt, aber dessen ungeachtet aufgeschlossen an die Beratung aller Vorlagen herangeht, die eine zweckmäßige Konzipierung der neuen Verkehrspolitik ermöglichen. Über viele Einzelfragen läßt sieh reden. Ich möchte hinzufügen: Über viele Einzelfragen und über das ,Gesamtprogramm läßt sich nach unserer Meinung allerdings nicht mehr allzu lange reden. Wir sind sehr für eine sorgfältige Beratung, sind aber auch für eine zügige Beratung und erwarten, daß das Programm spätestens vor den Sommerferien verabschiedet wird, weil wir meinen, daß wir nicht zulassen dürfen, daß die Misere des deutschen Verkehrswesens noch größer wird, als sie ohnehin schon ist. Ich gehe davon aus, daß wir alle den guten Willen und auch die nötige Tatkraft mitbringen, um dieses Ziel zu erreichen, und ich nehme an, daß wir uns nicht alles das in den Ausschüssen noch einmal werden sagen lassen müssen, was wir aus den vielen Schriften schon gebührend haben zur Kenntnis nehmen dürfen, die uns in den letzten Wochen und Monaten zugegangen sind.
Ich beabsichtige auch nicht, dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages vorzuschlagen, mit dem Mittel der öffentlichen Anhörung eine große Schau zu veranstalten, sondern wir wollen das hören, was wir möglicherweise noch nicht wissen, damit wir wirklich mit unseren Beratungen ein Stück weiterkommen.Wir werden, das möchte ich noch hinzufügen, natürlich auch korrigierende Vorstellungen aller anderen Gruppen, die uns erreichen, sorgfältig daraufhin prüfen, inwieweit sie geeignet sind, das Programm der Regierung zu verbessern — dazu gehören z. B. Vorstellungen der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands zu geplanten Auflösungen von Bundesbahndirektionen —, aber immer unter den Gesichtspunkten der Ziele, die das Programm aufzeigt und die wir billigen.Der Herr Bundesverkehrsminister hat mit der Entwicklung des Programms, dem der Volksmund bereits seinen Namen gegeben hat, eine große innenpolitische Aufgabe formuliert. Sie, Herr Minister, versetzen damit die Große Koalition in die Lage, eine neue Verkehrspolitik anzuvisieren, die nicht lediglich von einzelnen einflußreichen Interessenten, sondern vom Gemeinwohl bestimmt wird. Zu dieser Politik gehört Mut, und den haben Sie schon bisher bewiesen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird Ihnen und der Bundesregierung helfen, diese neue Verkehrspolitik bald durchzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine sektorale Betrachtung der Gesamtpolitik ist nicht mehr möglich. Früher hatte sich dieses Haus das noch erlauben können. Die mittelfristige Finanzplanung hat deutlich gemacht, daß das heute nicht mehr geht. Wir haben uns gerade im Verkehrsbereich mit der SPD, als wir noch nicht mit ihr in der Regierung waren, über dieses Problem auseinandersetzen müssen. Es ist aber auch in der Verkehrspolitik eine sektorale Betrachtung nicht mehr möglich. Deswegen begrüßen wir es außerordentlich, daß der
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LemmrichHerr Bundesminister für Verkehr ein Programm auf den Tisch gelegt hat, in dem weitgehend die Probleme der Verkehrspolitik angesprochen sind.In den Zielen des Verkehrspolitischen Programms sind wir einig. Die entscheidende Frage ist und bleibt jedoch, ob mit den vorgesehenen Mitteln die angestrebten Ziele erreicht werden können und welche Auswirkungen sich vor allen Dingen auf die Strukturpolitik in unseren Randgebieten ergeben. Es ist der Wille der Fraktion der CDU/CSU, das Programm der Regierung effektiv zu gestalten und die nachteiligen Auswirkungen insbesondere auf unsere Randgebiete so gering wie möglich zu halten. Bei den Auswirkungen auf die Randgebiete unseres Landes geht es entscheidend auch darum, dort die Arbeitsplätze der Arbeiter und Angestellten zu sichern. Die Zahlen, die gerade über die Arbeitslosigkeit z. B. im Bayerischen Wald vorliegen, machen deutlich, daß es sich tatsächlich um ein außerordentlich aktuelles Problem handelt.Bei den Lösungen, die wir anvisieren, ist es unser Anliegen, zu Lösungen zu kommen, die nicht innerhalb von kurzer Zeit — vielleicht auf Grund von EWG-Vereinbarungen — wieder umgeworfen werden. Es war sicher keine gute Sache, daß man die Lastzüge einmal schwerer, einmal leichter, einmal länger, einmal kürzer machte. Solch ein Hin und Her sollten wir verhindern. Wir sollten also auch hier auf Kontinuität schauen. Unter diesen Aspekten haben wir unsere Vorschläge gemacht.Die Verkehrswirtschaft steht genauso in einem Strukturwandel wie der Bergbau und die Landwirtschaft. Die Gründe dafür sind in einer rasanten technischen Entwicklung zu sehen. Ich bin sicher, daß dieser Strukturwandel im Verkehrswesen vorerst einmal eine Dauererscheinung darstellen wird. Was sich bereits am Horizont abzeichnet, wird die Probleme sicherlich nicht leichter machen. Denken Sie an die Großraumflugzeuge, mit denen 300 bis 400 Personen oder 50 t Fracht befördert werden können. Das bringt neue Bewegung, neue Strukturprobleme. Sie werden nur bewältigt werden können, wenn ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit bei allen Betroffenen vorhanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„mit Schienen- und Wasserstraßenanschluß" und sie dann in Klammern als besondere Empfehlung weiter lesen: „Vorsicht Leberplan!" Das macht diese Menschen besorgt.Wir denken bei diesem Programm auch an die vielen Eisenbahner, die meinen, sie würden jetzt vielleicht ihren Arbeitsplatz verlieren. Wir wollen ausdrücklich feststellen, daß die Stelleneinsparungen wie bisher vorgenommen werden, wobei letztlich kein im Dienst stehender Eisenbahner seinen Arbeitsplatz verlor. Durch den natürlichen Abgang sind bisher ungefähr 120 000 Stellen — ich sage das betont so — eingespart worden. Ich weiß sehr wohl, in welch hohem Maß gerade die Eisenbahner mit ihrem Unternehmen verbunden sind. Ich halte das für einen der ganz großen Aktivposten, die wir bei der Bewältigung der anstehenden Probleme der Bundesbahn dringend benötigen.Sorgen bereitet das Verkehrspolitische Programm auch den Nahverkehrsunternehmern, die heute keine hohen Erträge aus ihrem Gewerbe zu erwarten haben. Sie stehen in einer sehr harten Konkurrenz und sehen mit Sorge, daß die Lastwagen, die im Fernverkehr ausgesondert werden, nun noch zusätzlich auf diesen stark übersetzten Markt treffen. Ich glaube, alle, die wir hier sind, nehmen die Sorgen dieser Bürger ernst, wie auch die der 900 000 Lkw-Fahrer, die nicht zu Schwarzen Schafen auf der Straße gestempelt werden wollen. Sie fahren ihre Lkws deshalb, weil es für sie der Broterwerb ist.Lassen Sie mich nun einige Einzelprobleme ansprechen. Der Bundesminister für Verkehr hat seine Maßnahmen weitgehend damit begründet, es gehe um die Entlastung der Straßen. Es ist vorgesehen — so konnte man bisher lesen —, daß 6000 Lastkraftwagen aus dem Fernverkehr ausgeschieden werden sollen. Man kann rechnen, daß im Werkfernverkehr einige dazukommen, so daß vielleicht mit zehntausend Fahrzeugen gerechnet werden kann. Mitte 1967 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 882 000 Lkws. Davon fahren 780 000 im Nahverkehr. Vielen unserer Bürger, die sich über die Lastwagen ärgern, weil sie sie vielleicht beim Überholen hindern, ist es meistens gar nicht geläufig, daß es Nahverkehr und Fernverkehr gibt. Bei dem Problem Straßenentlastung handelt es sich um ein regional sehr differenziertes Problem. Auf der Autobahn Ruhrgebiet — Frankfurt — Karlsruhe, wo eine Überlastung vorhanden ist, sind bei der Verkehrszählung 1965 am Meßpunkt Leverkusen in 24 Stunden 68 600 Fahrzeuge gezählt worden. In Köln waren es 43 800, in Limburg 26 000 und in Frankfurt wieder 43 800. Wenn Sie die Verkehrsmengenkarten betrachten, wird Ihnen deutlich, wie stark gerade die Straßen in den Ballungsgebieten belastet sind und welch eine Rolle dabei der Güternahverkehr spielt. In den Randgebieten wäre mancher Bürger froh, wenn ein Lkw oder ein Lastzug mehr auf der Straße wäre, weil ihm das ein Zeichen einer stärkeren Belebung der Wirtschaft ist. Eine differenzierte Betrachtung ist unerläßlich. Eine falsche
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LemmrichDiagnose führt zu einer falschen Behandlung des Problems.
Allerdings wird es eine sehr bedeutende Entlastung der Autobahn vom Ruhrgebiet über Frankfurt nach Mannheim geben, wenn die Parallelautobahn, die Sauerlandlinie, im Jahre 1971 und die Parellellinie von Frankfurt nach Mannheim im Jahre 1970 fertiggestellt sein werden. Dennoch meinen wir, daß auch der Ausbau stark belasteter Autobahnen auf insgesamt sechs Fahrspuren notwendig ist, um einen flüssigeren Verkehr zu erreichenWird die vorgesehene Straßenentlastung durch das Verkehrsprogramm spürbar sein? Von Mitte 1966 bis 1967 sind durch den wirtschaftlichen Abschwung ungefähr 6100 Lastkraftwagen über 5 t, also mit Sicherheit die schweren Lkw, stillgelegt worden. Ich habe aber nirgends gehört, daß auf der Straße eine 'Entlastung spürbar wurde. Deshalb meine ich, man sollte mit dem Argument der Straßenentlastung vorsichtig umgehen und keine falschen Hoffnungen erwecken,
damit man, wenn dieser Effekt nicht in dem vom Bürger erwarteten Ausmaß eintritt, uns nicht den Vorwurf macht, wir hätten etwas versprochen, von dem wir gewußt hätten, daß es nicht zu verwirklichen sei.
Es wird dann auch argumentiert, die Lastwagen würden die Verkehrssicherheit besonders stark gefährden. Als gewissenhafter Mann habe ich mir einmal das Statistische Jahrbuch des Jahres .1967 angesehen. Daraus ergibt sich, daß bei Unfällen mit Personenschäden im Jahre 1960 266 000 Pkws beteiligt waren. Im Jahre 1966 waren es 392 0010. Dem steht allerdings eine Erhöhung der Zahl der Kraftfahrzeuge von über 100 % gegenüber. Bei den Lastkraftwagen ergeben sich folgende Zahlen: 1960 waren 60 000 Lkws an Unfällen mit Personenschäden beteiligt; im Jahre 1966 waren es 51 000, also 9000 weniger. Ich meine: angesichts solcher Zahlen sollte man dieses Argument nicht benutzen.
Das Problem der Verkehrsunfälle sollte näher beleuchtet werden. Das ist eine der weißen Stellen im Verkehrspolitischen Programm. Immerhin ist es besorgniserregend, daß über 40 % der tödlichen Unfälle durch zu schnelles Fahren verursacht worden sind.Ich möchte den Herrn Bundesminister für Verkehr bitten, uns Vorschläge zu unterbreiten, wie dieses Problem gezielt angegangen werden soll. Ebenso kann der Herr Bundesminister für Verkehr sicherlich nicht das Problem des Alkoholeinflusses bei Unfällen übersehen. Auch hier ist die Zahl derer, die da betroffen sind, sehr groß.Die größten Bedenken hat meine Fraktion gegen die vorgesehenen Verkehrsverbote. Wenn ich allerdings die erste Ausfertigung Ihres Programms lese, Herr Minister, und dann sehe, was daraus geworden ist, muß ich sagen, daß Sie in puncto Verkehrsverboten selbst eine außergewöhnlich große Aushöhlung vorgenommen haben. Es wird eine schwierige Frage sein, wie festgestellt werden soll, inwieweit z. B. ein Betrieb eine Existenzgefährdung erleidet, wenn er gewisse Verkehre nicht durchführen kann. Ich möchte meinen, daß man wohl schon in Anbetracht der von mir gerade geschilderten Tatsache die Frage der Verkehrsverbote mit etwas geringerer Lautstärke vertreten sollte, als es heute hier geschehen ist.
Meine verehrten Damen und Herren, die Verkehrs verbote treffen in der Hauptsache die wirtschaftich schwachen Randgebiete. Das ist von zahlreichen Wissenschaftlern, die sicherlich nicht als Interessenten zu deklarieren sind, festgestellt worden. Im Regierungsbezirk Oberfranken zählen z. B. 60 % der erzeugten Güter zu jenen Verbotsgütern. Das DIVO- Institut in Frankfurt hat eine Untersuchung über Empfang und Versand von in dier Verbotsliste vorgesehenen Gütern vorgenommen. Dabei sind besonders betroffen das nördliche Westfalen, Oberbayern und das nördliche und mittlere Heissen. Nun, da ist ja der Parlamentarische Staatssekretär Börner zu Hause, dier wird es dort sicher ausfechten.Meine verehrten Damen und Herren, jetzt möchte ich noch die finanzielle Größenordnung ansprechen, um die es bei dier Verbotsliste geht, nämlich die Erträge, die der Bundesbahn zusätzlich zufließen sollen. Man kann davon ausgehen — dieser Zahl ist eigentlich nie widersprochen worden —, daß mit einem Mehrertrag von 150 bis 200 Millionen DM gerechnet werden kann. Da muß ich fragen, ob dies die tiefgreifende Veränderung der Einnahmesituation der Deutschen Bundesbahn sein soll. Das ist ein Betrag, der ungefähr dais ausmacht, was die Deutsche Bundesbahn selbst für die Unterhaltung von schienengleichen Bahnübergängen für Kreuzungen mit Staats- und Kreisstraßen aufbringen muß, nämlich ca. 175 Millionen DM. Leider wurde die Angelegenheit beim Eisenbahnkreuzungsgesetz nicht geregelt. Ich möchte es hier heute nochmals ausdrücklich bedauern, daß uns das damals nicht gelungen ist. Es ist wichtig, deutlich zu machen, um welche finanziellen Größenordnungen es geht, mit denen durch das Verkehrsverbot der Bundesbahn geholfen werden soll.Bei unseren Überlegungen geht es darum, der Bundesbahn so weit wie nur möglich zu helfen, die raumpolitischen Auswirkungen des Programms in das richtige Gleichgewicht zu bringen. In beiden Fällen geht es um Menschen, die sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen.Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, daß ich die Ausführungen, die Herr Minister Leber heute hier gemacht hat, die Bundesbahn müsse nach den Vorschlägen Dr. Müller-Hermanns weitere 100 000 Eisenbahner freisetzen, entschieden zurückweisen muß.
Wir wissen sehr genau, daß der Umstrukturierungsprozeß bei der Deutschen Bundesbahn bisher sozial abgefedert war und auch in Zukunft sozial abgefedert bleiben muß.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7985
LemmrichWir sind stets dafür eingetreten, daß die hierfür notwendigen Mittel auch bereitgestellt werden.
Ich möchte ein weiteres Problem erwähnen, das wir sehen, wenn wir an die raumpolitischen Auswirkungen denken. Es handelt sich um die Transporte für landwirtschaftliche Güter, die der Agrarmarktordnung der EWG unterworfen sind. Hier gibt es nicht mehr Erzeugerpreise, die ab Erzeugungsort gelten, sondern Richtpreise, in denen auch die Transportkosten enthalten sind. Wir sehen das als ein bedeutendes und sehr entscheidendes Problem an und bitten alle Kollegen, dem Problem im Ausschuß besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Eine raumpolitische Auswirkung des Programms möchte ich nicht unerwähnt lassen, weil sie einen echten Fortschritt darstellt. Das sind die Vorschläge für Regionalkonzessionen im Personenverkehr. Wir haben hier noch einige Ergänzungsvorschläge unterbreitet, damit die Sache auch finanziell ins richtige Lot kommt. Wir werden hier sicherlich eine Einigung erzielen.Meine verehrten Damen und Herren, bei der Deutschen Bundesbahn haben wir in den letzten Jahren einen sehr erfreulichen Wandel zum wirtschaftlichen Denken feststellen können. Gerade wer wie ich aus der Wirtschaft kommt, kann das immer wieder erfreulicherweise — ich betone das — erleben. Es ist vielleicht auch recht gut, wenn man feststellen kann, daß das Geld bei der Bundesbahn nicht nur in der Hauptverwaltung verdient wird, sondern daß auch bei den unteren Organen der ganz ernste Wille da ist, wirtschaftlich zu handeln. Aber es wird auch notwendig sein, entsprechende Entscheidungsbefugnisse etwas nach unten zu verlagern,
damit nicht am Ende wegen jeder Kleinigkeit eine Entscheidung bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn gefällt werden muß.
Ich mußte beispielsweise in meinem Wahlkreis erfahren, als es um die Frage ging, ob eine Bahnsteigbedachung, die baufällig geworden war, abgerissen werden sollte oder nicht, daß insgesamt fünf Kommissionen anreisen mußten. Das ist nicht gerade sinnvoll. Aber ich bin sicher, daß das jetzt abgestellt ist.Wir wollen, meine Damen und Herren, den Umstellungsprozeß der Deutschen Bundesbahn durch den Vorschlag absichern, den wir zum Wegekostenproblem gemacht haben, aber auch durch das, was wir als flankierende Maßnahmen beim Werkfernverkehr bezeichnen. Wir sind allerdings der Meinung, daß wir die Einwände, die von der EWG-Kommission gekommen sind, mit aller Sorgfalt prüfen müssen.Letztlich wird eine totale Abschirmung der Deutschen Bundesbahn ihr nicht helfen, die anstehenden Probleme zu lösen; das würde die Lösung der Probleme nur auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.Die Maßnahmen, die die Bundesregierung bei der Bundesbahn im einzelnen vorgeschlagen hat — es sind keineswegs nur populäre Maßnahmen —, finden unsere Unterstützung. Jedes einzelne Mitglied des Deutschen Bundestages wird noch die Problematik und die Schwierigkeit dieser Maßnahmen zu spüren bekommen. Ich darf Ihnen aber versichern, Herr Minister, Sie werden uns an Ihrer Seite finden.
Wir begrüßen es sehr, daß in der mittelfristigen Finanzplanung erstmals Mittel für die positive Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn in der Größenordnung von 2,2 Milliarden DM ausgewiesen sind. Das ist ein erster Schritt auf einem Wege, den wir alle gern schon eher gegangen wären. Herr Kollege Seifriz, Sie haben vorhin gesagt, daß in der Zeit, als die Kassen voll waren, diese Gelder leider nicht zur Verfügung standen.
Ich glaube, Herr Kollege Seifriz, Ansprüche anderer an den Inhalt dieser Kassen sind nicht nur in unserer, sondern auch in Ihrer Fraktion vertreten worden.Meine Sorge ist, daß die Investitionen, für die Mittel zur Verfügung gestellt werden, auch tatsächlich sinnvoll erfolgen. Wenn ich z. B. an Eisenbahnstillegungen in meinem Wahlkreis denke und hören muß, daß diese Strecken vor nicht allzu langer Zeit erneuert worden sind, dann frage ich mich, ob man sich das alles richtig überlegt hat.Ich habe mit großer Genugtuung gelesen, daß Sie, sehr geehrter Herr Minister, in einem Brief an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn gefordert haben, daß bezüglich der Investitionen, die im Zuge der Haushaltspläne der Bundesbahn vorgenommen werden, auch entsprechende Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorzulegen sind. Ich möchte Ihre Forderung ausdrücklich begrüßen. Sie macht deutlich, daß meine Besorgnisse nicht unberechtigt sind.In diesem Zusammenhang möchte ich allerdings ein Problem nicht verschweigen. Die öffentliche Hand hat durch gezielte Maßnahmen die Bundesbahn aus einigen Verkehrsmärkten verdrängt. Was meine ich damit? Ich meine hier z. B. die Kanalisierung der Mosel, die mit Sicherheit zu Lasten des Verkehrsaufkommens der Deutschen Bundesbahn gegangen ist.
Ich war damals das einzige Mitglied im Haushaltsausschuß, das bei der Frage des Nord-Süd-Kanals auch die Auswirkungen auf die Bundesbahn zur Sprache gebracht hat. Ich glaube, daß wir diese Probleme nicht ganz übersehen können, vor allen Dingen dann nicht, wenn man betrachten muß, daß die Kosten für diese Wege nicht von den Benützern in vollem Maße getragen werden.
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LemmrichMeine verehrten Kolleginnen und Kollegen, unter diesem Aspekt halte ich die Aufstellung eines Gesamtwegeprogramms für eine unerläßliche Notwendigkeit. In diesem Programm müssen die Verkehrsinvestitionen ihrer Dringlichkeit nach geordnet werden. Allein dieser Punkt im Programm der Bundesregierung erscheint mir außerordentlich schwerwiegend, und ich nehme an, daß es darüber noch zahlreiche Auseinandersetzungen geben wird. Aber wir dürfen diesen Auseinandersetzungen nicht ausweichen, wenn wir Fehlinvestitionen verhindern wollen. Unter diesem Aspekt sehen wir auch — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haar? — Bitte, Herr Haar!
Haar .(SPD) : Herr Kollege, darf man Ihren letzten Ausführungen entnehmen, daß Sie Investitionen im Kanalbau volkswirtschaftlich für nicht sinnvoll halten, auch in bezug auf weitere Entscheidungen?
Herr Kollege, das habe ich damit generell nicht sagen wollen. Das muß von Fall zu Fall untersucht werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Ramms? — Bitte, Herr Ramms!
Gilt das, was Sie für den NordSüd-Kanal gesagt haben, in gleicher Weise für den Rhein-Main-Donau-Kanal?
Herr Kollege Ramms, es gilt sicherlich auch dort, daß die Dinge auf ihre Wirtschaftlichkeit zu untersuchen sind und wir unsere Investitionen nach der Dringlichkeit und der Möglichkeit unserer Finanzierungsdecke ausrichten müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz kurz ein Wort zum innerstädtischen Verkehr. Das ist ja eines der Probleme, deren sich meine Fraktion intensiv angenommen hat.
Wir haben für eine Finanzierungsmöglichkeit gekämpft, nämlich um die Erhöhung der Mineralölsteuer um drei Pfennig, als unser jetziger Koalitionspartner hier noch etwas anderer Meinung war.
Ich möchte auch sagen, daß wir natürlich selbst unsere Kümmernisse mit unserem damaligen Koalitionspartner hatten.
Es wird hier eben sehr deutlich, daß jeder mit jedem seine Kümmernisse hat.
Wir meinen, daß dem Problem des innerstädtischen Verkehrs im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung ein größerer Platz eingeräumt werden muß, als es momentan der Fall ist. Wir werden im Zuge der Beratungen entsprechende Vorschläge machen.
Denn hier geht es auch in hohem Maße um Straßenentlastung.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte meinen, daß das Programm der Bundesregierung und unsere Ergänzungs- und Abänderungsvorschläge letztlich keine unüberbrückbaren Gegensätze enthalten. Wir werden uns sicherlich in sachlicher Weise auseinandersetzen. Auch wir sind an einer zügigen Beratung interessiert, allerdings auch an einer sorgfältigen Beratung. Denn auch hier gilt — und ich darf den Kollegen Schmidt hier noch einmal anführen —, daß sich der Deutsche Bundestag eben nicht immer von der Regierung unter Zeitdruck setzen lassen sollte. Wir wollen unsere Vorschläge sachgerecht vertreten, und wir sind der Meinung, daß eine gute, sachgerechte Lösung auch eine gute politische Lösung darstellt.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, darf ich Sie mit der Rednerliste bekannt machen. Ich habe 14 Redner hier eingeschrieben: 2 von der SPD-Fraktion, 3 von der FDP-Fraktion, 9 von der CDU/CSU- Fraktion. Machen Sie sich also auf eine recht lange Sitzung gefaßt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seibert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Öffentlichkeit erwartet, daß der Deutsche Bundestag angesichts der in fast allen Bereichen der Verkehrswirtschaft feststellbaren Krisensituation eine Neuordnung des gesamten Transportwesens einleitet. Ob das Verkehrspolitische Programm, das heute in der ersten Lesung steht, ein Schritt auf diesem Wege sein wird, hängt davon ab, wie dieses Programm nach den Beratungen aussehen wird. Die heutigen Beiträge, die bis jetzt gehalten wurden und die noch kommen, lassen den Schluß zu, daß wohl sehr starke Absichten zu erkennen sind, eine Verwässerung vorzunehmen, auch bei allen Beteuerungen, die man glaubt geben zu müssen. Die Bestrebungen und die Kräfte zur Verwässerung sind rege und vielseitig.Ich möchte in der ersten Lesung zum Verkehrspolitischen Programm zu den Einzelheiten nicht viel sagen und behalte mir vor, das in den Beratungen zu tun. Ich möchte aber die erste Beratung benutzen, um mich mit einigen Behauptungen auseinanderzusetzen oder, wie der Antrag des Kollegen MüllerHermann besagt, eine nüchterne Analyse der gegebenen Tatsachen vorzunehmen. Ich möchte Ihrem Wunsch gern entsprechen, Herr Kollege MüllerHermann, daß das Vergangene vergessen sein soll und man sich gegenseitig keine Vorwürfe machen möchte. Ich glaube, gegenseitige Vorwürfe können
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Seibert wir uns sowieso keine machen, weil die Verantwortung in der Vergangenheit nur auf einer Seite lag.
Wir haben ein Verkehrspolitisches Programm, das demnächst diskutiert wird. Aber seit zwanzig Jahren haben wir mindestens ein Dutzend Gutachten, Programme und Berichte kennengelernt.
Zwei wurden heute zitiert: 1958 der Brand-Bericht, der 1960 ins Parlament kam, und 1966 das TreuhandGutachten. Wie schon gesagt: Manche guten Vorschläge, die darin standen, haben keine Entscheidung gefunden. Es wurde hinausgezögert. Das Ergebnis dieser zwanzig Jahre, so sagen Experten, ist ein Scherbenhaufen im Verkehr. Die Bundesbahn sei total verschuldet, wird gesagt, die Zinsenlast erdrücke sie fast. Das trifft zu. Die Deutsche Bundesbahn hat zur Zeit 16 Milliarden Schulden. Sie zahlt im Jahr 900 Millionen an Zinsen. Das sind am Tage 2,4 Millionen, stündlich 100 000 DM, und während der Diskussion um dieses Programm, die nun mehrere Stunden dauert, hat die Bundesbahn 1 Million verdienen müssen, um die Zinsen zu zahlen, die auf Grund der Belastungen entstanden sind. Die Deutsche Bundesbahn zahlt Zinsen in Höhe von 10 % ihrer Betriebseinnahmen. Sie werden nicht in der Lage sein, mir eine Firma, ein Unternehmen in der Bundesrepublik nennen, das eine gleich hohe Zinsbelastung ohne Schwierigkeiten vertragen könnte. In der Industrie beträgt die Zinslast bekanntlich etwa 3 bis 4 %.Die Frage steht nun im Raum: Wieso die Zinsen? Wieso die Belastung der Deutschen Bundesbahn? Es wäre sehr interessant gewesen, dazu einmal einiges mehr zu hören, damit der Öffentlichkeit auch einmal dargelegt wird, wieso die Deutsche Bundesbahn diese Verschuldung hat auf sich nehmen müssen. Lag es an ihr selbst? Lag es an den parlamentarischen Entscheidungen? Lag es an der Leitung der Deutschen Bundesbahn oder an ihrem Personal? Die Antwort darauf hat bei allen wohlwollenden Erklärungen und- gewissen Belobigungen für das Personal, die ich sehr gern entgegengenommen habe, doch gefehlt.Ich möchte die Antwort darin sehen, daß die Schuldenlast der Deutschen Bundesbahn in erster Linie das Ergebnis der Verkehrs- und Finanzpolitik der letzten 20 Jahre ist. Die Bahn wurde 20 Jahre vernachlässigt. Ich will nicht die Vergangenheit heraufbeschwören, wie es 1945 mit den vielen Zerstörungen war: 34 000 km Gleise, 2500 Brücken, 810 000 Waggons und 24 500 Lokomotiven. Das muß man aber wissen. Die Bahn war völlig zerstört. Während die Wirtschaft Gewinne verzeichnete, die sehr beachtlich in die Höhe schnellten, hat die Deutsche Bundesbahn eben nicht die Möglichkeit gehabt, über den Preis zu finanzieren. Die Deutsche Bundesbahn mußte ihre Preise sogar niedrig halten, und zwar auf Grund von Wünschen der Bundesregierung. Die Deutsche Bundesbahn hat jahrelang ihre politischen Lasten allein getragen.Notwendige Investitionen, die man seit einigen Jahren so groß schreibt, hat die Deutsche Bundesbahn — auch für ihre Fahrwiege — mit Kredit finanzieren müssen. Bis 1965 waren es 32 Milliarden DM, davon 14 Milliarden DM für den Fahrweg.Die Kriegsschäden — meine Damen und Herren, auch das muß heute gesagt werden, es muß immer wieder gesagt werden — wurden der Bahn nur teilweise ersetzt, obwohl ein Gutachten — wieder ein Gutachten! — zu diesem Zweck erstellt wurde, nämlich das Gutachten des Beyer-Ausschusses von 1957. Die Schlußfolgerung, die die Regierung daraus zog, war gleich Null. In anderen Staaten der EWG dagegen wurden den Bahnen ihre Kriegsschäden praktisch voll abgegolten.Zur Zeit hat also die Deutsche Bundesbahn die hohe Verschuldung, die hohe Zinslast, womit sie fortgesetzt in Schwierigkeiten gerät. Ich möchte mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren. Am 14. September 1966 sagte der Herr Bundesverkehrsminister Seebohm, daß die Mehrzahl der Schwierigkeiten bei der Deutschen Bundesbahn viel weniger in der ungenügenden Ertragskraft der Bahn als vielmehr darin begründet ist, daß uns für die Fremdfinanzierung der Investitionen in den letzten Jahren zu einem Großteil nur solche Mittel zur Verfügung standen, deren Laufzeit wesentlich zu gering war, um sich ordnungsmäßig entsprechend der Lebensdauer der dafür beschafften Anlagen zu amortisieren. Das hört sich ganz anders an. Bedauerlicherweise wurde es nur nicht bei ernsthaften Gesprächen angewandt.Die Deutsche Bundesbahn ist in den vergangenen 20 Jahren nicht nur vernachlässigt, sondern auch benachteiligt worden. Ich muß das sagen, meine Damen und Herren, weil es in Vergessenheit gerät und weil man allzu gern die Gründe woanders sucht. Andere Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben rechtzeitig Regelungen für die Abgeltung betriebsfremder und gemeinwirtschaftlicher Lasten getroffen. Die belgische Staatsbahn z. B. erhält dafür 350 Millionen, die Franzosen erhalten 1750 Millionen und die Italiener 650 Millionen. Auch ein neues Gutachten, das sogenannte Wetzler-Gutachten aus dem Jahre 1955, für die Bundesregierung erstellt, hat keine Schlußfolgerung gefunden. Erst im Jahre 1959 hat die Deutsche Bundesbahn lediglich eine Ausgleichszahlung von 300 Millionen DM bekommen. Das sind Sünden der Vergangenheit, die genannt werden müssen. Im gleichen Zeitraum hat die französische Staatsbahn kraft Gesetzes 60 % der Wegekosten erhalten, die Deutsche Bundesbahn dagegen nichts, meine Damen und Herren. So oft ist man geneigt — auch bei unseren Europäern —, die französische Staatsbahn, die SNCF, als Beispiel hinzustellen, wenn es um Tonnenkilometer und Leistungen geht. Ich würde es begrüßen, wenn auch einmal das Beispiel mit den 60 % Wegekostenfinanzierung, das ich vorhin genannt habe, für die Deutsche Bundesbahn in die Diskussion einbezogen würde.Auch heute habe ich wieder vernommen, die Deutsche Bundesbahn solle sich kaufmännisch ver-
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Seiberthalten. Meine Damen und Herren, das ist richtig. Aber wenn man das sagt, dann muß man wissen, daß die Deutsche Bundesbahn seit eh und je in Fesseln gelegt war und daß sie 20 Jahre lang in der Preispolitik behindert wurde. Nennen Sie mir ein Unternehmen, das draußen marktwirtschaftlich arbeiten soll, das in der Wirtschaft nach Angebot und Nachfrage arbeiten soll und muß, das in der Preispolitik von Staats wegen behindert wird, das in der Kalkulation Eingriffe hinnehmen muß. Sie werden mir keines nennen können. Bei der Deutschen Bundesbahn, das muß man wissen, konnten die Tarife nicht nach der Betriebslage orientiert werden, sondern sie mußten den Bedürfnissen der Binnenschifffahrt, den Bedürfnissen des Güterkraftverkehrs und den Bedürfnissen der Wirtschaft angepaßt werden. Die Tarife, die die Deutsche Bundesbahn einführen wollte, mußten vor Einreichung mit eben diesen Verkehrsträgern erst einmal abgestimmt werden. Kamen die Anträge nach Bonn, dann dauerte es mitunter 20 Monate, bis ein solcher Tarif genehmigt wurde. Meine Damen und Herren, das ist undenkbar für ,ein Unternehmen, von dessen Leitung man eine kaufmännische Geschäftsführung fordert.
— Aber nein, Herr Dr. Müller-Hermann, ich glaube, diese Feststellung darf ich eher mit Ihrer Person verknüpfen.Ich möchte noch . folgendes sagen: Selbst wenn Änderungsanträge für Tarife in Bonn eingereicht wurden, hat es auf Grund von Einwendungen Zurückweisungen gegeben. Anpassungen mußten vorgenommen werden auf Grund von Anpassungsaufträgen, ja sogar das Wirtschaftsministerium hat die Zurückstellung solcher Anträge gefordert und auch erreicht. In allen Fällen, 'in denen die Deutsche Bundesbahn mit Tarifanträgen kam, um den kaufmännischen Forderungen Rechnung zu tragen, wurden diese Anträge abgelehnt, wenn es ein sogenannter unbilliger Wettbewerb war.
— Ich kann eine Menge Beispiele in Verbindung mit der Binnenschiffahrt nennen, Herr Ramms. Ich 'denke hier an den AT 3 P 1; damals ging es um Bims. Das war genau das, was ich meine. Aber Sie wollen eine Frage stellen? — Bitte!
Eine Zwischenfrage von Herrn Ramms.
Ist Ihnen bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn seit 1. August 1961 bis heute über 560 Ausnahmetarif-Anträge gestellt hat und daß davon 536 genehmigt worden sind?
Das ist mir bekannt, Herr Ramms. Ich spreche auch von 20 Jahren, nicht von den letzten drei Jahren.Und auf der anderen Seite darf ich darauf hinweisen, daß es eine ganze Reihe von Anträgen gibt, die nicht genehmigt wurden. Da will ich Ihnen ein ganz neues Beispiel sagen. Sehen Sie, die DeutscheBundesbahn hatte doch die Altersgrenze für die Schülerfahrkarten auf 28 Jahre festgesetzt. Einstimmig hat das Parlament damals gewünscht, daß diese Grenze wieder aufgehoben wurde. Der Bundesverkehrsminister hat daraufhin dem Vorstand der Bundesbahn nahegelegt, die Altersgrenze wieder aufzuheben. Das ist geschehen, aber ohne Ausgleich des Verlustes. Ein typisches Beispiel. Und so kann ich Ihnen Dutzende von Beispielen nennen, meine Damen und Herren.Es wurde heute so viel von Strukturveränderungen gesprochen, die für die Einnahmen der Deutschen Bundesbahn entscheidend waren. Aber übersehen Sie doch bitte nicht, daß wir seit 20 Jahren der Bahn durch das Parlament oder durch das Kabinett, durch den Verkehrsminister Entscheidungen auferlegt haben und die Bahn damit bewußt um Einnahmen brachten. Ich werde Ihnen Beispiele dafür liefern. Die Maße der Lkws wurden von 16 auf 18 m, die Gewichte der Lastkraftwagen wurden von 32 auf 38 t erhöht. Die Aufstockung der Kontingente der Güterfernverkehrsfahrzeuge ist noch in guter Erinnerung; sie betrug 8 Va. Außerdem hatten wir eine Senkung der Werkfernverkehrsteuer von 5 auf 3 Pfennig entgegenzunehmen, obwohl derselbe Werkfernverkehr sich damals auf dem Margaretenhof mit der Beförderungsteuer einverstanden erklärt hatte, weil er sich damit der beabsichtigten Kontingentierung entziehen konnte. Das war damals die Diskussion: Kontingentierung des Werkfernverkehrs oder Beförderungsteuer? Das Ergebnis war: Beförderungsteuer mit Zustimmung des Werkfernverkehrs. Das will er heute nicht mehr wissen.Diese Maßnahmen, die ich eben genannt habe und die die Einnahmen der Deutschen Bundesbahn praktisch zusammenstrichen, — —
— Bitte? — Ich dachte, Sie hätten etwas gefragt,Herr Dr. Müller. Ihren Zwischenruf habe ich nichtverstanden, ich kann deshalb nicht darauf eingehen.
— Sie sprachen von Erpressung; schön.Die Maßnahmen, die ich vorhin genannt habe, haben der Deutschen Bundesbahn einen Einnahmeverlust von 400 Millionen DM verursacht. Das ist keine Behauptung von mir; das wurde am 12. Februar 1964 hier in diesem Hause von dem damaligen Bundesverkehrsminister bestätigt. Sehen Sie, meine Damen und Herren: mit all diesen Maßnahmen, die ich jetzt aufzeichnete, zeigte sich doch, daß alle Bemühungen der Deutschen Bundesbahn mit Rationalisierungen umsonst sind. Hunderttausend Leute wurden eingespart; d. h. mehr als hunderttausend; 120 000 wurden eingespart seit dem Brand-Gutachten, das heute mehrmals genannt wurde. 82 000 sollen noch eingespart werden. Gewiß wird die weitere Rationalisierung im Bereich der Deutschen Bundesbahn weitere Kräfte einsparen. Aber ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: diese Einspa-
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Seibertrungen werden keine entscheidende Maßnahme für eine Sanierung sein.Zwei Punkte dürfen nicht übersehen werden.Erstens. Im Jahre 1967, in dem Jahr, in dem wir bereits den Leber-Plan diskutiert haben, hat die Deutsche Bundesbahn schon auf der Grundlage dieser Überlegungen 22 000 Kräfte eingespart. Sie können also gar nicht mehr mit 82 000 rechnen.
— Im vergangenen Jahr 1967, Herr Kollege, hat die Deutsche Bundesbahn schon im Hinblick auf die über den Leber-Plan angestrebten Ziele durch verstärkte Rationalisierung 22 000 Kräfte eingespart. Die müssen Sie jetzt schon im Geiste absetzen. Sie dürfen also mit 82 000 gar nicht mehr rechnen. Ich sage das heute bereits; nicht daß Sie in einigen Jahren kommen und vorrechnen: „Wo sind die 82 000?" Die sind mit 22 000 schon passé, die sind schon weg.
— Was der Minister dazu sagt, fragen Sie, Herr Erhard. Nun, die Frage habe ich noch nicht an ihn gestellt. Aber er wird das genau wissen, und er wird es auch so sehen.Ich darf Sie außerdem darauf hinweisen, Herr Erhard, daß der Vorschlag der Deutschen Bundesbahn, 82 000 im Rahmen der Mifrifi einzusparen, ohne Berücksichtigung der Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzungen gemacht worden ist. Arbeitszeitverkürzungen, die im Laufe dieses Zeitraums durchgeführt werden, müssen Sie dabei auch noch einmal korrigierend berücksichtigen. — Bitte, Herr Dr. Müller-Hermann!
Herr Kollege Seibert, wollen Sie uns denn nun nicht einmal auch von Ihrer Seite aus verraten, wie Sie sich eine Sanierung der Bundesbahn vorstellen außer über die Abwürgung der Konkurrenz der Bahn?
Seien Sie nicht so ungeduldig! Ich habe Ihnen eine Dreiviertelstunde zugehört, da werden Sie mir mal eine Viertelstunde zuhören. Ich bin auch nicht ungeduldig geworden, ich habe Sie nicht einmal unterbrochen, obwohl es eine Menge Gelegenheit dazu gegeben hätte, weil ich mir sage: wir haben ja die Gelegenheit in den Ausschüssen; wir sollten einander die Zeit hier nicht nehmen, zumal noch so viele sprechen wollen.
Aber Sie reagieren empfindlich, Sie wollen anscheinend nicht hören, was ich Ihnen vorhalte. Ich meine, das ist doch so, das können Sie doch nicht von der Hand weisen, und ich kann doch nicht dafür, daß Ihr Name mit dieser Politik in den vergangenen Jahren so stark verbunden gewesen ist. —
Ich darf aber den Punkt 2 zu Ende führen, und dabei bitte ich Sie um Ihre besondere Aufmerksamkeit. Bei der Bahn wird eine 44- bis 54stündige Arbeitszeit geleistet. Ich wünschte, Herr Dr. Müller-
Hermann, daß Sie Ihre Aktivität auf dem Personalsektor, Ihre Vorstellungen über das Attraktivmachen des Berufes bei der Deutschen Bundesbahn einmal genauso aktiv verwendeten bei den Vorstellungen des Personals, eine Verkürzung der Arbeitszeit zu bekommen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Bemühungen des Personals, von einer Arbeitszeit von 44 bis 54 Stunden möglichst bald und entscheidend herunterzukommen, aktiv unterstützen würden, so daß wir auch ein Ergebnis bekämen. Bislang haben wir das leider vermißt, wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen.
— Sie übersehen, daß es hier auch einen großen Teil Personal gibt, dessen Arbeitszeit parlamentarisch geregelt werden muß. In dieser Frage spreche ich Sie an, in Tariffragen spreche ich Sie überhaupt nicht an. Der § 72 des Beamtengesetzes muß geändert werden, wenn Sie die Arbeitszeit ändern wollen, und das ist Sache des Parlaments. Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das sagen mußte. Aber man kann ja nicht alles wissen.
— Dazu gehöre ich nicht, Herr Niederalt, dazu möchte ich auch nicht gehören, das wäre zu strapaziös. — Ich möchte Sie also bitten, das Personal der Deutschen Bundesbahn im Gleichklang mit der weiteren Rationalisierung teilnehmen zu lassen an dem sozialen Fortschritt, wie er sich allgemein einstellt, und auch teilnehmen zu lassen an der Verkürzung der Arbeitszeit. Denn mit welchem Recht, Herr Niederalt, sollen z. B. bei der Bahn zehn Stunden mehr gearbeitet werden bei einer Bezahlung von 44 Stunden, bei Nachtarbeit, Feiertagsarbeit und Auswärtsarbeit? Mit welchem Recht hat z. B. Herr Dr. Müller-Hermann in seinem Änderungsantrag die Frage angeschnitten — und ich möchte sie komplett ansprechen —, daß der Personalabbau noch gesteigert werden soll? Sie sprechen nicht von Personalabbau, Sie sprechen von Personalintensität. Mit welchem Recht fordern Sie das, wenn es wirklich Ihr Anliegen ist, — —
So einfach kann man sich das wirklich nicht machen, so einfach geht es nicht. Ich habe Ihnen vorhin aufgezeigt, wo die Gründe liegen. Wenn Sie wirklich den Beruf bei der Bahn attraktiv machen wollen, Herr Dr. Müller-Hermann, dann brauchen wir weder Prämien, wie vorschlagen, — —
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Niederalt? —
Ich wollte Sie nur fragen, Herr Kollege: Sie sind doch mit mir der Auffassung, daß die Intensität nicht nur durch Arbeitszeitverlängerung gesteigert werden kann, sondern auch durch
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7990 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Niederaltandere Methoden, von denen uns heute der Herr Bundesverkehrsminister einige ganz plastische Beispiele vorgetragen hat?
Sehr richtig! Ohne das wäre das auch nicht möglich, ohne das kämen die Zahlen auch nicht zustande. Ich habe auch nichts gegen die Zahlen gesagt, sondern gegen die darüber hinaus geforderte Steigerung der Personalintensität, wie sie hier von Herrn Dr. Müller-Hermann angesprochen worden ist. Ich bitte, das doch auseinanderzuhalten; das sind zweierlei Stiefel.
Ich habe vorhin gesagt, wenn wir den Beruf bei der Deutschen Bundesbahn attraktiv machen wollen, dann brauchen wir weder Prämien für die Vermittlung in die Privatwirtschaft, wie Sie vorgeschlagen haben, noch brauchen wir speziell eine Bundespersonalausgleichsstelle. Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist ein Votum, das neben einer Arbeitszeitverkürzung die Dienstdauervorschriften bei der Deutschen Bundesbahn beseitigt, wonach 54stündige Arbeitszeiten verlangt und geleistet werden. Ich bin der Meinung — und ich hoffe, mich da in Übereinstimmung mit vielen Damen und Herren dieses Hauses zu befinden —, daß eine Wochenarbeitszeit von maximal 54 Stunden dieses sozialen Rechtsstaates unwürdig ist. Die Große Koalition, wie ich sie mir vorstelle, wurde doch nicht gebildet, um soziale Verzerrungen zu stabilisieren oder sie durch verkehrspolitische Fehlentscheidungen gar noch zu verschlimmern, sondern meiner Meinung nach ist die Große Koalition gebildet worden, um auch auf dem Gebiet des sozialen Fortschritts und der Notwendigkeiten, bezüglich derer für die Beschäftigten eine Regelung gefunden werden muß, eine fortschrittliche Einstellung zu haben.
Ich möchte mir vorbehalten, auf die einzelnen Vorschläge zur Reorganisation, die hier dargelegt worden sind — Verwaltung, Betrieb, Streckenstillegungen —, während der Beratungen in den Ausschüssen näher einzugehen. Ich möchte den heutigen Tag dazu nicht benutzen. Ich hoffe aber, daß bei den Beratungen auch das Problem der Wegekosten, das vorhin angesprochen wurde, im Sinne der EWG- Kommission einer Lösung zugeführt wird. Meine Damen und Herren, die Diskussion über die Wegekosten wird uns in ihren Einzelheiten zeigen, wie wichtig dieses Problem für eine Verkehrsordnung ist. Nur wenn es gelingt, die Straße zu entlasten, das Massengut zum Teil auf die Bahn zurückzuführen, die Bahn zu entschulden, die Wettbewerbsverzerrungen insbesondere bei den Wegekosten zu beseitigen, und wenn alle Verkehrsträger dazu einen Beitrag leisten, kann es eine sinnvolle Verkehrsordnung geben.
Ich hoffe, daß die Diskussions um das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung zu einem Ergebnis führt, das nicht verwässert und zerredet wird. Ich hoffe, daß die Entscheidungen nicht hinausgeschoben werden, sondern daß dieser erste Schritt von vielen Schritten, die folgen müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen, möglichst bald getan wird. Mögen die Damen und Herren dieses Hauses bereit sein, recht bald entsprechende Entscheidungen zu treffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weiland.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Wunsch ist es, mich mit dem Teil des Verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung für die Jahre 1968 bis 1972 zu beschäftigen, der die Deutsche Bundesbahn betrifft, und zwar vornehmlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Da die Zeit schon sehr fortgeschritten ist, bin ich von meinen Kollegen gebeten worden, mich möglichst kurz zu fassen. Ich will deshalb nur einige Gedanken vortragen.
Die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn gibt wirklich zu ernster Sorge Anlaß. Die jährliche Erfolgsrechnung zeigt von Jahr zu Jahr trotz steigender Erstattungen für betriebsfremde Lasten durch den Bund höhere Verluste. Während 1960 noch ein in etwa ausgeglichenes Jahresergebnis vorgelegt werden konnte, stiegen die Verluste 1966 bereits auf 1100 Millionen DM bei erfolgswirksamen Abgeltungsleistungen des Bundes von rund 800 Millionen DM. 1967 betrug dieser Verlust bei der Bahn bereits 1600 Millionen DM bei Erhalt von Abgeltungsleistungen in Höhe von 1100 Millionen DM.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Gern, Herr Kollege Seibert.
Sie haben vorher das Jahr 1960 und die folgenden Jahre genannt und festgestellt, daß die Verluste der Bahn gestiegen sind. Glauben Sie nicht auch, daß diese Tatsache mit den Verkehrsnovellen, die 1961 wirksam wurden und die den Anfang dieser Entwicklung, die Sie mit Recht kritisieren, bedeuten, in Verbindung zu bringen ist?
Herr Kollege Seibert, ich sehe die Bilanz der Bundesbahn hauptsächlich unter strukturellen Gesichtspunkten. Gerade die Strukturveränderungen haben dazu geführt, daß diese Verluste bei der Deutschen Bundesbahn in Erscheinung treten konnten,
denn der Massengutverkehr, von dem hier sehr viele Kollegen sprechen, ist gar nicht mehr vorhanden. Die Massen sind abgewandert; sie sind gar nicht mehr vorhanden. Ich erinnere an das, was mein Kollege Dr. Müller-Hermann vorhin erwähnt hat: daß die traditionellen Kohlentransporte, die einen erheblichen Umfang bei der Deutschen Bundesbahn hatten, nicht mehr erfolgen, weil die Kohle an Ort und Stelle in elektrischen Strom umgewandelt und über elektrische Leitungen transportiert wird. Darüber hinaus haben wir noch die starken Transportverluste bei Mineralöl zu Lasten der Deut-
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Weilandschen Bundesbahn zu verzeichnen. Auch das ist ein wichtiger Grund für die wirtschaftliche Lage der Bahn.Wie Sie wissen, befürchtet die Bundesbahn, daß die zu Lasten des Bundes zu erbringenden Leistungen einschließlich der vom Bund zu zahlenden Erstattungsbeträge 1972 die 5-Milliarden-DM-Grenze übersteigen könnten. Welche Auswirkungen das auf die Haushaltslage des Bundes haben würde, können Sie sich alle ganz allein denken. Deshalb ist es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die die Defizite der Bundesbahn nachhaltig zurückführen.Last not least — Herr Kollege Seibert, das sage ich besonders zu Ihnen als Vertreter der vielen Bediensteten der Deutschen Bundesbahn — gilt es auch, die Aufgabe zu lösen, gerade den Mitarbeitern, die sich nach meiner Kenntnis durch Pflichtbewußtsein und durch sehr beachtliche Fachkenntnisse auszeichnen, die schwere seelische Belastung zu nehmen, bei einem Unternehmen tätig sein zu müssen, dessen Existenz aus eigener Kraft nicht gesichert ist.Wie konnte es zu einer solchen Entwicklung bei der Bundesbahn kommen? Die Gründe sind vielfältig. Bei der Bahn führten sowohl äußere als auch innere Ursachen zu dieser negativen Entwicklung.Auf die Einflüsse von außen habe ich schon vorab hingewiesen, als Sie mich auf die strukturellen Umstellungen in der Grundstoffindustrie ansprachen; ich habe darauf hingewiesen, daß die Nachfrage nach Transportleistungen im Massengutverkehr immer mehr zurückgeht. In diesem Zusammenhang braucht nur auf die Umwandlung der Kohlentransporte in Elektrizitätstransporte hingewiesen zu werden.Die laufend steigende Motorisierung auf der Straße führt zu einem wachsenden Anteil des Güterkraftverkehrs am gesamten Transportvolumen. Sie bewirkt ferner eine starke Abwanderung von der Schiene zum individuellen Verkehr mit dem Pkw. Letztens ermöglicht der Ausbau des Straßennetzes in der Bundesrepublik Deutschland eine wesentliche Verkürzung der Transportzeiten im Straßenverkehr und führt dadurch laufend zur besseren Kapazitätsausnutzung der Straßentransportmittel. Als innerer Einfluß wirkt insbesondere auf die Bundesbahn ein, daß sie in erheblichem Maße personalintensiv ist und bisher auch auf Grund der vorgegebenen Betriebsabläufe sein mußte.Die Situation auf den Verkehrsmärkten ist von unterschiedlichen Tendenzen gezeichnet. Im Gesamtgüterverkehr sieht man seit Jahren eine steigende Transportleistung. Dagegen ist festzustellen, daß der Anteil am Güterverkehr bei der Bahn langsam aber stetig rückläufig ist. Hier zeigt sich die Bevorzugung der Motorisierung bei den Transporten. Ferner wirkt es sich aus, daß der Massengutverkehr insgesamt rückläufig ist. Der gleiche Rückgang ist, wenn auch bescheidener, beim Personenverkehr der Deutschen Bundesbahn festzustellen. Dennoch hat die Bundesbahn spezifische Vorteile. Die spezifischen Vorteile der Bahn liegen im Transport großer Massen, sie liegen im Transport über weite Entfernungen, und sie wirken sich überproportional mit der Verdichtung der Zugfolge aus.
Das verkehrspolitische Leitbild für die Deutsche Bundesbahn sieht für ihre Unternehmensleitung völlig anders aus als für die Bundesregierung und für den Bundestag. Die Unternehmensleitung sollte sich stets an einer optimalen kaufmännischen Konzeption orientieren. Sie muß in der Deutschen Bundesbahn einen konkurrierenden Wirtschaftsbetrieb sehen, den sie nur nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten führen darf. Der Preis — der Erlös für die verkauften Verkehrsleistungen — soll in vollem Umfange das alleinige Regulativ sein. Eine Führung der Geschäfte der Deutschen Bundesbahn kann nur von der Unternehmensleitung verantwortet werden, wenn sie allein unter dem Gesichtspunkt der Eigenwirtschaftlichkeit geführt werden.Die unternehmerische Maxime steht aber nicht in Einklang mit einer verantwortungsbewußten, der Öffentlichkeit verpflichteten Verkehrspolitik durch Bundestag und Bundesregierung. Sie kann es auch gar nicht, denn feststehender Grundsatz der deutschen Verkehrspolitik ist es, volkswirtschaftlich übergeordnete Gesichtspunkte zu berücksichtigen, alle Zweige der Wirtschaft und auch der Landwirtschaft zu fördern, zu einer gesunden Raumordnung beizutragen, die Interessen unserer Sicherheit zu wahren und noch viele sonstige politische Ziele erfüllen zu helfen.Die Vorschläge, die die Bundesregierung in ihrer Vorlage macht, sind Ihnen allen ausreichend bekannt. Sie sind das Ergebnis langjähriger Überlegungen, Untersuchungen und Arbeiten sowohl bei der Deutschen Bundesbahn als auch im Bundesverkehrsministerium. Diese vorgeschlagenen Maßnahmen lassen die Absicht erkennen, das Angebot von Verkehrsleistungen durch die Deutsche Bundesbahn dem Markt anzupassen, also die bereitstehende Kapazität zu verringern. Ich glaube aber, darauf hinweisen zu müssen, daß man ganz besonders darüber nachdenken sollte, welche vertrieblichen Maßnahmen sich anbieten, um eine Umsatzausweitung bei der Deutschen Bundesbahn zu erzielen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat z. B. vor kurzem im Personenverkehr erhebliche Fahrpreisermäßigungen in betriebsschwachen Zeiten für ältere Menschen zugelassen. Ich halte das für eine gute Maßnahme, die auf eine bessere Kapazitätsauslastung hinzielt.Obwohl die Aufzählung der zu ergreifenden Rationalisierungs-, Modernisierungs- und sonstigen Organisationsmaßnahmen wirklich umfangreich ist, scheinen mir dennoch Ergänzungen sinnvoll zu sein. Zu welchen Ergebnissen würde denn das jetzt vorliegende Verkehrspolitische Programm bei der Deutschen Bundesbahn führen, wenn die entsprechenden wirtschaftlichen Daten berücksichtigt werden? Die uns zugegangenen Äußerungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn geben darüber Auskunft.Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat zwei Prognosen aufgestellt, eine auf der Basis einer 17%igen Lohnerhöhung und die zweite auf der Ba-
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Weilandsis einer 25%igen Lohnerhöhung. Nach der Prognose 1 würden sich die Jahresverluste von 1400 Millionen DM in 1968 auf 1 Milliarde DM in 1972 ermäßigen. Die erfolgswirksamen Bundesleistungen müßten von 1600 Millionen DM in 1968 auf 2100 Millionen DM in 1972 steigen. Jahr für Jahr wären für Verluste und Ausgleichsleistungen rund 3 Milliarden DM aufzubringen.Nach der Prognose 2 würden sich die Verluste 1968 auf 1500 Millionen DM stellen und bis 1972 auf 1400 Millionen DM fallen. Die Ausgleichsleistungen betrügen 1968 1700 Millionen DM. Sie stiegen bis 1972 auf 2200 Millionen DM. Insgesamt wären für die Jahre 1968 bis 1972 Leistungen zwischen 3100 und 3600 Millionen DM zu erbringen. Die Frage ist: Sind diese Wirkungen für den Bundestag als ausreichend anzusehen?Die Bundesbahn beabsichtigt, ihren Personalbestand bis zum Jahre 1972 um weitere 82 000 Mitarbeiter zu senken.
— Nein, das ist nicht neu; aber ich muß ja mindestens einen Anknüpfungspunkt haben, um das zu sagen, was ich sagen will. Sonst müßte ich nur in Thesen sprechen, und das ist, soweit ich weiß, in diesem Hause nicht üblich.
— Das könnte ich auch. Aber vielleicht sind Sie so gütig und hören mir genauso liebenswürdig zu, wie ich das vorhin Ihnen gegenüber getan habe.Es kommt jedoch nicht allein auf die Senkung des Personalbestandes an, sondern auf eine wesentliche Herabsetzung des Verhältnisses der Personalkosten zum Ertrag. Die Personalkosten machten 1958 70 % des Ertrages aus. Sie liegen 1966 immer noch bei 70 %, obwohl in der Zwischenzeit mehr als 100 000 Mitarbeiter ausgeschieden sind. Wenn hier z. B. gesagt worden ist, man denke daran, weitere 100 000 Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn ausscheiden zu lassen, so ist das keine Überlegung, die ich anstellen möchte. Ich möchte vielmehr erreichen, daß wir mit den Mitteln der Marktanalyse, mit den Mitteln der Prognosen Wege finden, die zu einer Umsatzausweitung bei der Deutschen Bundsebahn führen. Dann könnten wir auch erreichen, daß der Anteil der Personalkosten — im Verhältnis zum Ertrag — sich ohne weiteres senkt.Ferner beabsichtigt die Bundesbahn, dm großen Rahmen Strecken stillzulegen. Eine solche Maßnahme führt betriebswirtschaftlich dazu, daß mindestens die ortsfesten Anlagen bis auf Null abgeschrieben werden müssen. Sollte man eine solche Abschreibung nicht sofort vornehmen? Man käme dann nämlich bereits im Jahre 1968 zu anderen Ergebnissen in der Kostenträgerrechnung und in der Betriebsabrechnung. Es könnte dann sein, daß solche Dienstleistungen von auslaufenden Diensten durchaus noch einen Beitrag zur Steigerung der jährlichen Rentabilität leisten.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Herr Kollege Weiland, darf ich mal in aller Freundschaft fragen, ob Sie nicht auch meinen, daß diese Auslassungen im Detail eigentlich Ausschußberatungen vorbehalten sein sollten und die Grundsatzaussprache über das Verkehrsprogramm der Bundesregierung hier sicher sprengen?
Ich finde es außerordentlich liebenswürdig, besonders liebenswürdig von Ihnen, daß Sie mir diesen Hinweis bei meiner ersten Rede im Deutschen Bundestag geben. Ich werde mich bemühen, mich mehr den Usancen des Hauses anzupassen. Ich danke Ihnen.
Ich darf noch ein Wort zu der Verbotsliste sagen, die diesem Hohen Hause vorliegt. Sie soll sicherlich auch dazu dienen, daß das Transportvolumen an Massengütern bei der Bahn erhöht wird. Nach Angaben der Deutschen Bundesbahn erwartet sie von der Verbotsliste maximal einen Mehrverkehr von 25 Millionen t. Da die Verbotsgüter eine mittlere Versandweite von 200 km aufweisen, ergäbe sich die stolze Zahl von zusätzlichen 5 Milliarden Tarifkilometern. Die Deutsche Bundesbahn will aber die von den Kunden verlangte Haus-Haus-Bedienung zu einem Preis anbieten, „der an den entsprechenden Frachtsätzen des RKT orientiert ist". Das ist genau dasselbe, was Herr Minister Leber uns heute in seinem Referat gesagt hat. Die Bahn hätte aber immer im gebrochenen Verkehr zwei Umladungen mehr zu bewältigen als der Güterkraftverkehr. Würde sie sich an den Frachtsätzen des RKT orientieren, dann ist es leicht, sich auszurechnen, daß dies ein Geschäft ist, das der Bahn neue Verluste in Höhe von leicht 100 Millionen bringen wird.
Herr Abgeordneter, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Jungfernrede, aber mit einem etwas schlechten Gewissen; denn Sie haben in flagranter Weise gegen den § 37 unserer Geschäftsordnung verstoßen. Sie haben Ihre Rede beinahe — ich glaube sogar: wörtlich — vorgelesen. Das ist nach der Geschäftsordnung nicht üblich, zumal Sie diem Präsidenten nicht mitgeteilt haben, daß Sie vorzulesen beabsichtigen.
Außerdem haben Sie länger geredet, als Ihre Zusage war; aber das kommt vor, das will ich nicht als besonders gravierend ansehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Riedel. Er versprach, nur zehn Minuten zu reden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer Hohen Regierung
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Riedel
und auch ihren Mitgliedern steht es wohl an, Ideen zu haben und Initiativen zu entfalten. Im Falle des Herrn Bundesverkehrsministers ist festzustellen, daß er zwei Grundmotive für das Vorbringen seiner Vorlagen hat.Einmal geht es um die lastende Verantwortung für das Geschehen auf unseren Straßen. Die Neuzulassung von Kraftwagen stieg sogar im vorigen Jahr noch um 700 000 Einheiten an, obwohl es ein Jahr wirtschaftlicher Rezession war. Mit der Zunahme der Verkehrsdichte steigen leider auch die Zahlen der Verkehrstoten. Über 17 000 Verkehrstote zwingen Regierung, Volksvertretung, abler auch alle Verkehrsteilnehmer, auf Auswege und Abhilfe zu sinnen.Zum zweiten stehen wir innerhalb der EWG vor dem großen Gemeinsamen Markt ab 1. Juli 1968. Seit 1965/66 ist die Verwirklichung einer gemeinsamen Verkehrspolitik der EWG durch die politische Lustlosigkeit des Ministerrats ins Stocken geraten. Zum Gemeinsamen Markt gehört eben mehr als abgebaute Zölle und aufgehende Schlagbäume; vor allem eine wettbewerbsgleiche Plattform für den Warenstrom ist da vonnöten. Aus der augenscheinlichen Konzeptionslosigkeit im Europa der EWG ist es wohl zu erklären, daß die von Herrn Bundesminister Leber entwickelten Vorstellungen im EWG- Bereich wie eine Initialzündung gewirkt haben.So weit, so gut. Aber hier beginnen die Aufgaben des Parlaments und auch meine Pflicht.Zunächst möchte ich einmal ausdrücken, daß mit diesen Regierungsvorlagen eine Aufgabe angefaßt wird, die in etwa gelöst werden muß, wollen wir als Regierung und Parlament nicht vor der wachsenden Beanspruchung unserer Straßen und Verkehrseinrichtungen kapitulieren. Darum vergeben sich auch weder die Regierung noch das Parlament etwas, wenn nicht jeder Antrag zum Zuge kommt, der zu behandeln ist. Wichtig ist, daß wir verhältnismäßig rasch zu ersprießlichen Lösungen kommen. Dazu helfen weder Prestigegedanken noch Rechthaberei. Die Dinge sind kompliziert genug und erfordern ein gründliches Nachdenken und die richtigen Schlußfolgerungen.Zu Beginn meiner Ausführungen wies ich auf die jährlich steigende Zunahme des Pkw-Verkehrs hin. Wenn ich der Pkw-Zunahme von über 700 000 im Jahre 1967 die Abnahme von 9 000 Lastwagen gegenüberstelle, dann isst es zumindest des Nachdenkens wert, ob das Heil für eine vernünftige Entwicklung des Verkehrs nur in einer Beschränkung und Dirigierung des Lkw-Verkehrs zu finden ist.Wir sind uns wohl alle bewußt, daß die Sicherheit von Menschenleben im Verkehr oberstes verpflichtendes Gebot ist. Die Verkehrssicherheit ist ein ebensolches Politikum wie die Tatsache, daß wir auf dem Wege sind, ein Volk von Kraftfahrern zu werden. Der Sättigungsgrad des Pkw-Besatzes ist in der Bundesrepublik noch nicht abzusehen. Das darf uns aber nicht die Sicht dafür versperren, daß alle Verkehrsteilnehmer zur Erreichung dieses Ziels beitragen müssen. Es ist ebenso bequem wie nutzlos, eine bestimmte Fahrzeuggröße zum Verkehrssünder Nr. 1 zu erklären und Übersteigerungen im Individualverkehr bis zum kriminellen Leichtsinn bei Pkw-Fahrern übersehen zu wollen.
Wenn wir nicht solche Verwilderungen einfangen und eindämmen, weil wir den Wunsch von uns allen nach dem Auto ,als Politikum aufbauen und „Straße frei!" nur für den Pkw rufen, dann sind wir als Volk drauf und dran, den Wohlstand zu unser aller Plage werden zu lassen, — um mit dem klassischen Schiller zu sprechen.Die Entwicklung des Güterverkehrs auf den Straßen vollzog sich nach der alten Erfahrung, daß das Bessere ides Guten Feind ist. Die Verbreitung des direkten Haus-Haus-Verkehrs hat unstreitig zu Leistungssteigerungen unserer Volkswirtschaft beigetragen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft im internationalen Güteraustausch erhöht.Gestatten Sie mir bitte als Mitglied des Europäischen Parlaments den Hinweis, daß der Beginn des Gemeinsamen Markts innerhalb der Sechsergemeinschaft am 1. Juli 1968 unsere Wirtschaft vor Anforderungen im Wettbewerb stellt, für die wir optimale Voraussetzungen in der Kapazität, Mobilität und Kostengestaltung des Verkehrsangebots nötig haben.Dann muß auf einige Tatsachen eingegangen werden, die, wenn sie nicht Berücksichtigung finden, neben den Kosten, höheren Preisen und Kapitalaufwendungen auch zu Buche schlagende Kapitalverluste durch Entwertung und Preisgabe von Wirtschaftskapital zur Folge haben.Der Verkehrssektor ist aus seinen Strukturen und Kostenelementen zur Zeit nur bedingt mit den Mitteln des Wettbewerbs gestaltbar. Aber ,die vorherige Harmonisierung der Startbedingungen, die unsere Fraktion seit 1961 vergeblich von der Bundesregierung gefordert hat, wäre die erste und wichtigste Aufgabe, die ,es im Verkehrssektor zu lösen gäbe. Die Maßnahmen, die der Minister Leber ins Auge faßt, dienen jedoch nicht der Harmonisierung der Startbedingungen, sondern vergrößern eher die Verkehrsverzerrungen. Abgesehen davon, daß bei den vom Verkehrsministerium geplanten Maßnahmen die Vernichtung von Investitionskapital und die Gefährdung von wirtschaftlichen Familienexistenzen zu befürchten sind, stelle ich fest, daß die beabsichtigten Regierungsmaßnahmen lediglich eine Verlagerung von Verkehren aus der Fern- in die Nahzone bewirken werden und damit die Straßenbelastung dort vergrößern, wo sie ohnehin schon am größten ist: in den Ballungsgebieten.Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches zu neuralgischen Punkten der Regierungsvorlage sagen. Die prohibitive Besteuerung des Schwerlastverkehrs steht allen volkswirtschaftlichen und betriebsökonomischen Erfordernissen entgegen. Zum anderen widerspricht die Wiedereinführung der Beförderungsteuer der Systematik der Umsatzsteuerreform. Die Beförderungsteuer ist weitgehend prohibitiv gedacht. Minister Leber spricht vom Umlenken der Wirkung. Aber sie widerspricht nicht zuletzt der
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Riedel
EWG-Konzeption. Die Kostensteigerungen auf Grund der vorgesehenen Besteuerung erreichen schätzungsweise einen Betrag von mehr als einer Milliarde DM. Die Folge dürfte ein allgemeiner Preisauftrieb auf dem Verkehrssektor sein. Durch steigende Preise entsteht ein zusätzliches Preisgefälle innerhalb der EWG zuungunsten der Bundesrepublik im Bereich des Verkehrswesens.Eine nach Tonnenkilometern bemessene Beförderungsteuer verschlechtert die Wettbewerbsposition der Seehäfen, da die Transporte aus vielen wirtschaftlichen Ballungsgebieten der Bundesrepublik. zu den Rheinmündungs- und Mittelmeerhäfen bis zur Landesgrenze eine kürzere Entfernung haben als zu den deutschen Seehäfen.Die Besteuerung des gewerblichen Güterfernverkehrs bedeutet für viele mittelständische Unternehmen eine außerordentlich harte Belastung, die in vielen Fällen ihre wirtschaftliche Existenz in Frage stellt, worauf ich eingangs schon hingewiesen habe.Zusatzsteuern im Lkw- und Werkfernverkehr sind nur zur Deckung von Wegekosten des Schwerlastenwagenverkehrs vertretbar. Prohibitive Steuerbelastungen als Wettbewerbsschutz für die Bundesbahn aber wirken wirtschaftsfeindlich. Wenn die Wegekosten kein bloßer Vorwand sind, dann sind die Bezugsgrößen für Steuern oder Abgaben anders zu wählen.Hier weisen die Vorschläge meines Fraktionskollegen Müller-Hermann in die gebotene wettbewerbsneutrale Richtung. Zur Wirtschaftspolitik aus einem Guß gehört die wettbewerbsfördernde Chancengleichheit im Verkehrssektor, keinesfalls ein dirigitisches Eindämmen oder das mit Hilfe der Fiskalpolitik erzwungene Umdrehen des Verkehrsflusses, das obendrein noch ein Mehr an Wagenbesatz auf die Straßen im Nahverkehr bringen würde. Mit unökonomischen Überlegungen kann keine sinnvolle Ordnung bewirkt werden, zumal die Verknotung der Straßen- und Wirtschaftsprobleme im Kosten- wie Preiseffekt ihre Anerkennung heischt. Der Weg der Sanierung über die Steuerschraube führt unweigerlich zu schlechteren und teueren Verkehrsleistungen.Die deutsche Verkehrswirtschaft und die Lastwagenindustrie sind innerhalb weniger Jahre bereits mehrfach strapaziert worden. Die Einstellung auf den 24-Tonnen-Zug und die Erhöhung von 32 auf 38 Tonnen brachten erhebliche Verluste. Das Heraufsetzen des Leistungs-Gewichts-Verhältnisses von 6 auf 8 PS ist als politische Forderung zu begrüßen, nach Meinung der Betroffenen aber zu kurzfristig angesetzt. Ein Fahrzeug ist in der Regel erst nach etwa sechs Jahren Fahrzeit amortisiert. Die Grenze des Zumutbaren für die einzelnen Unternehmer und die einschlägigen Wirtschaftszweige wird durch die zu kurze Terminsetzung überschritten.Warum hat das Bundesverkehrsministerium z. B. das Spediteur-Preisgesetz wieder fallengelassen? Die Konzeption eines solchen Gesetzes hätte die Lage im Kleingutverkehr sinnvoll ordnen können. Auch hier schafft der offene Wettbewerb die Probleme nicht aus der Welt. Hier muß der Rückzug der Bahn aus dem Flächenverkehr organisch erfolgen, wobei ein nahtloses Ineinandergreifen von Schiene und Straße gewährleistet bleiben muß.Der zweite neuralgische Punkt ist die Verbotsliste. Ein generelles Transportverbot für bestimmte Güter ist ein grober Keil aus dem Arsenal des Wirtschaftsdirigismus. Dieser Keil ist schlimmer als der Dirigismus in allen Spielarten der Notstandsgesetzgebung. Wenn wir, wie immer vom Bundeswirtschaftsminister vorgegeben, wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik betreiben wollen, dann müssen wir die Ordnungsversuche marktkonform ansetzen, sonst erreichen wir weder die Sanierung der Bundesbahn aus ihrer Verkehrsleistung heraus, noch entwickeln wir einen wettbewerbsstarken Güterverkehr. In der durch die Verbotsliste erzwungenen gebrochenen Verkehrsbedienung über die Nahzone hinaus wird sozusagen regierungsamtlich eine neue Wettbewerbserschwerung der mittelständischen Wirtschaft durch Verteuerung und Verzögerung der Verkehrsdienste aufgebürdet. Der Verbotsliste würde sich, wenn sie jemals Gesetz würde, ein Rattenschwanz von Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung in den betroffenen Verkehrsbereichen anschließen müssen.Wir kennen die Bereinigung aus anderen natürlichen Struktureinbrüchen, aber hier schaffen wir die Tatbestände selbst mit all den Zumutungen für die Betroffenen und der Deklassierung wettbewerbswilliger und wettbewerbsfähiger Personen durch eine verordnete Liquidierung von Wirtschaftsunternehmen. Die Unerfreulichkeiten der Kapazitätsanpassung in der Binnenschiffahrt werden wir also noch um die im Straßenverkehr vermehren. Darüber hinaus wird aber auch die Wirtschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen sein. Am problematischsten wird es auf der Distanz bis zu 200 km werden, wo es durch den gebrochenen Verkehr auf alle Fälle zu längeren Transportzeiten, Transport- und Lagerkosten kommen wird, von der Verstärkung des Verkehrsaufkommens in den mittleren Entfernungen ganz zu schweigen.Mit der Verfemung des Güterfernverkehrs wird die Entlastung der Straßen am falschen Ende angefaßt.
25 000 schweren Zügen stehen 790 000 Lastzüge gegenüber, die sowieso im Nahverkehr fahren. Allen Lastfahrzeugen — nimmt man die 77 000 Werkfernverkehrsfahrzeuge dazu — stehen über 11 Millionen Pkw gegenüber. Es zeigt sich schon aus den Zahlen, daß die Lösung des Rätsels in anderer Richtung gesucht und gefunden werden muß.
Dabei sind die Lösungsversuche, die Müller-Hermann und unsere Fraktion vorgezogen haben, in den Ausschußberatungen heranzuziehen und die Regierungsvorschläge sinnvoll zu ergänzen.Inzwischen, meine Damen und Herren, haben wir die Antworten der EWG-Kommission auf die Fragen
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Riedel
der Bundesregierung erhalten. So sinnvoll und so begrüßenswert es war, daß der Vorstoß von Minister Leber die europäische Verkehrspolitik angeregt hat, so sollten wir uns aber im Deutschen Bundestag bemühen, durch die jetzt zur Beratung stehenden Vorlagen dazu beizutragen, daß wir die Gemeinsamkeit der europäischen Verkehrskonzeption innerhalb und durch den EWG-Vertrag fördern.
Herr Abgeordneter, ich kann Sie leider nicht ohne Tadel von hier oben entlassen. Sie haben Ihre Redezeit, die Sie selber angekündigt haben, um mehr als 50% überschritten und außerdem vorgelesen.
Darf ich vielleicht eine kleine Zwischenbilanz machen. Meine Damen und Herren, nach den vorliegenden Meldungen haben wir noch über eineinhalb Stunden Arbeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Ramms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, über die beiden Pläne kann man wirklich diskutieren. Nur ist es für uns als Opposition interessant, daß der eine Plan von der Regierung im Kabinett einstimmig verabschiedet worden ist
— na, sagen wir, einmütig — und der Gegenplan ausgerechnet von der größeren Koalitionspartei kommt.
Ein Zweites möchte ich sagen. Ich hätte hier auf der Tribüne, auf der Ministerbank, ganz gern auch den Herrn Innenminister gesehen, da es ja, glaube ich, seiner Initiative zu verdanken ist,
daß das Personenbeförderungsgesetz geändert worden ist und hier die regionalen Konzeptionen mehr zum Zuge kommen sollten. Ich glaube, wir müssen uns im Ausschuß über diese Dinge und über die Regionalkonzeption noch unterhalten; denn hier werden sowohl die Belange der Bahn als vor allen Dingen auch der Besitzstand des privaten Gewerbes angeschnitten.
Meine Damen und Herren, ich will bewußt hier nicht mehr in alle Einzelheiten gehen. Aber eine Zwischenfrage von Herrn Seibert veranlaßt mich doch, hier einmal die Frage aufzuwerfen: Woher kommt die ganze Misere im Verkehrsgewerbe? Sie haben festgestellt, was wir haben. Sie haben festgestellt, daß wir eine defizitäre Bundesbahn haben, daß wir eine Binnenschiffahrt haben, die nicht mehr rentabel arbeitet, und daß auch das Güterkraftverkehrsgewerbe langsam, aber sicher angeschlagen wird. Aber die Frage, Herr Minister, woher das kommt, ist hier im Hause heute nicht beantwortet worden. Und hier möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß mit den Verkehrsnovellen vom 1. August 1961 das Defizit der Deutschen Bundesbahn ständig gewachsen ist. Ich möchte mich etwas verbessern; ich möchte sagen: die öffentlichen Zuwendungen an die Deutsche Bundesbahn ständig gewachsen sind. Ich darf auch daran erinnern, daß die Deutsche Bundesbahn 1955 ein Defizit von 500 Millionen DM gehabt hat. Das ist bis 1960 auf rund 16 Millionen DM abgebaut worden und 1961 leicht angewachsen auf 23 Millionen DM. Wie kommt es, daß die Deutsche Bundesbahn an öffentlichen -Zuwendungen heute rund 3,2 Milliarden DM braucht? Der Grund muß herausgesucht werden und muß gefunden werden, wenn wir wieder zu einer Ordnung des Verkehrs kommen wollen;
denn sonst werden wir in Zukunft weiter aus öffentlichen Steuermitteln zuschießen. D i e Antwort hätte ich gern einmal gesehen. Ich darf sagen, daß der Zuwachs bei der Deutschen Bundesbahn von 1961 bis heute im Güterverkehr immerhin noch 9 % betragen hat. Trotzdem ist die Schere größer geworden. Aber wenn ich dabei bedenke, daß auf den Kopf des aktiven Personals die Indexzahl 1955 = 100, der Lohn 1955 = 5 100 DM im Durchschnitt betrug und heute die Bezüge bei der Bundesbahn im Durchschnitt bei 11 600 DM, also bei einem Index von 231 liegen und daß die Schere bei den Kosten immer weiter auseinandergegangen ist, dann darf ich sagen, daß sich bei der Bundesbahn die ansteigenden Personalkosten in den Tarifen nicht widerspiegeln.Und eine zweite offene Frage hätte ich gern einmal beantwortet: Haben die Verkehrsträger nicht Anspruch auf ein kostenorientiertes Entgelt? Sie sprechen hier dauernd von marktgerechten Entgelten. Marktgerechte Entgelte von welcher Seite aus? Von seiten der Verladerschaft oder von seiten der Verkehrsunternehmer? Um den Verkehr in die liberale Marktwirtschaft zu überführen, fehlen dem Verkehr doch einige Komponenten. Ich darf Ihnen vor allen Dingen das eine sagen: Im Verkehr gibt es kein Horten und kein Stapeln, um die Preise zu regulieren, denn Sie haben den Auftrag in dem Augenblick durchzuführen, in dem Sie ihn erhalten, egal, ob draußen auf der Straße Glatteis ist oder ob auf dem Rhein Kleinwasser ist. Bei Kleinwasser sind bekanntlich die Tarife und die Frachterlöse höher, als wenn ich bei gutem Wasser fahre. Und hier soll mir jemand einmal die Frage nach den kostenorientierten Tarifen beantworten. Deshalb unsere Forderung nach der Gründung einer Bundesanstalt für das Tarif- und Transportwesen, die wir vor drei Jahren schon einmal gestellt haben. Wenn wir nicht zu einer Ordnung im Verkehr kommen, dann werden die Zahlen, genauso wie es Minister Leber einmal angedeutet hat, 1975 bei der Deutschen Bundesbahn bei 5,8 Milliarden DM liegen, und die anderen Verkehrsträger liegen dann auch im argen. Und ,daß man von draußen her Inter-
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Rammsesse hat, unsere Verkehrsträger zu stören, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Von den EWG- Staaten kann man natürlich nichts anderes verlangen, als daß sie zunächst ihre eigenen Interessen vertreten. Aber wenn unsere verladende Wirtschaft im Laufe der Zeit nicht einsieht, daß sie die kostenorientierten Entgelte zu bezahlen hat, darf sie sich später nicht wundern, wenn die deutschen Verkehrsträger am Ende sind, daß sie von ausländischen Verkehrsträgern unter Druck gesetzt werden und dann Preise zahlen müssen, die weit höher liegen als unsere Preise heute.Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede unseren früheren Parteikollegen Rechenberg angesprochen, der hier eine sehr vernünftige Rede gehalten haben soll oder, ich möchte beinahe sagen, gehalten hat, vielleicht in später Nachtstunde, noch viel später als heute, und vielleicht vor einer Besetzung, die noch schlechter gewesen ist. Er hat hier vielleicht eine Gelegenheit gesehen, dann mit gewissen Ausführungen auch dazu beizutragen, daß die Lange der Lkws nicht ins Uferlose wächst, und er hat dazu beigetragen, daß die Länge der Lkws beschränkt. wurde. Am nächsten Tag hat er gesagt: Das habe ich nicht auf Grund einer Sachkenntnis gemacht, sondern ich habe es getan aus gewissen emotionalen Gründen, denn ich habe mich manchmal auf der Autobahn darüber geärgert, daß diese großen Brummer auf der Straße waren.Hier operieren Sie auch damit, daß die Lkws wegkommen sollen. Beide Ziele sind gut, sowohl die Sanierung der Deutschen Bundesbahn wie die Entlastung der Straße. Aber Sie werden beide Ziele nicht mit den Vorschlägen erreichen, die Sie uns hier genannt haben. Sie selber geben zu, daß Sie von allen zugelassenen Lkws maximal 10% treffen. Sie geben zu, daß auf die Deutsche Bundesbahn maximal 15 bis 20 Millionen DM, also 10 % — —
— Insgesamt zugelassen haben wir 890 000 Fahrzeuge. Wenn davon 90 000 Fahrzeuge betroffen werden, sind das nach meiner Rechnung 10 %, oder ich kann nicht mehr rechnen. Wenn es bloß 1 % wäre, wären es knapp 9000 Fahrzeuge. — Aber Sie erreichen die Entlastung der Straße nicht. Denn in vielen Fällen wird die Steuer in Kauf genommen werden.Und was bringt sie ein? Sie bringt 'insgesamt 210 Millionen DM ein. Und wofür soll sie verwendet werden? Man sagt: Wir wollen sie zweckgebunden für den Straßenbau nehmen. Ich bin noch nicht sicher, ob nicht der Finanzminister dann beim nächstenmal aus der Mineralölsteuer weitere 210 Millionen DM nimmt, um damit den Gesamtumfang des Vierjahresplans wiederherzustellen.Aber lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort an Sie sagen, Herr Seibert. Sie haben die Benachteiligungen der Deutschen Bundesbahn aufgezählt, zum Teil auch zu Recht aufgezählt. Sie hätten die Bevorzugung der Deutschen Bundesbahn gegenüber den privaten Verkehrsträgern dagegenstellen müssen. Die Deutsche Bundesbahn zahlt keine Gewerbesteuer. Was glauben Sie wohl, wenn die DeutscheBundesbahn bei 18 Milliarden DM Kredit und 830 Millionen DM Zinsen Gewerbeertragsteuer und Gewerbekapitalsteuer zahlen müßte, wie sie dann aussähe! Ich glaube, dann sähen die Zahlen bei der Deutschen Bundesbahn noch anders aus.Ich hoffe, daß aus diesen beiden Kontrastprogrammen, die uns heute vorliegen, und aus dem, was wir dazu beitragen können, bei den Ausschußsitzungen am Ende etwas herauskommt, nicht allein zum Wohl unserer Verkehrsträger, sondern zum Wohl unserer gesamten Wirtschaft.
Der Herr Abgeordnete ist zu loben. Er hat seine Redezeit nicht nur nicht ausgenutzt, er hat sie um fast 50 % unterschritten.
Herr Abgeordneter Schmidt hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich die Absicht, zur Lage der Binnenschifffahrt als eines unserer wichtigsten Verkehrsträger sowie auch über die Berücksichtigung im Verkehrspolitischen Programm einiges zu sagen. Mit Rücksicht auf die sehr vorgeschrittene Zeit will ich jedoch darauf verzichten und werde meine beabsichtigten Ausführungen zu Protokoll geben *).
Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere der noch reden wollenden Kollegen sich dazu entschließen könnte, meinem Beispiel zu folgen.
Danke schön. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zoglmann.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen! So kurz wie mein Herr Vorredner kann ich es leider nicht machen. Aber vielleicht kann ich es unterhaltsam machen — dann ist es vielleicht auch erträglich — und so zehn Minuten Unterhaltung einschalten.Das erste Wort, das ich von hier aus spreche, möchte ich an den Herrn Verkehrsminister richten. Ich möchte ihm sagen, daß er ohne Zweifel Schlagzeilen gemacht hat. Das, was er vielleicht nicht von sich aus als „Leber-Plan" verkauft hat, aber was jetzt als „Leber-Plan" gehandelt wird, hat Leber wirklich populär gemacht. Daran ist gar kein Zweifel. Man hat den Eindruck, daß das eigentlich die Hauptüberlegungen bei der ganzen Vorlage war, nicht etwa nur deshalb, weil das der erste spektakuläre oder erkennbare Beitrag der SPD in dieser Bundesregierung ist. Denn wo ist sonst ein Beitrag sichtbar? Ich sehe ihn nicht. Hier ist er sichtbar.*) Siehe Anlage 3
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ZoglmannSie wissen, daß ich in meinem Privatberuf Werbemann bin. Ich muß dem Kollegen Leber bestätigen: Es hätte kein Chef einer Werbeagentur, Herr Kollege Leber, besser machen können, als Sie es gemacht haben. Es ist Ihnen gelungen, in diesen drei, vier Monaten bei Millionen von Menschen in Deutschland den Eindruck zu erwecken, daß jetzt zum erstenmal jemand aufgestanden ist, der die großen Brummer von den Straßen wegbringt, die Autobahnen für den Personenverkehr frei macht
und. so nebenbei im Vorbeigehen auch noch die Bundesbahn saniert.
Das ist natürlich eine ganz tolle Geschichte.
Herr Kollege Leber, wenn es jetzt nicht schon 21.05 Uhr wäre, würde ich an Hand Ihrer Ausführungen, die Sie heute hier gemacht haben, Stück für Stück zerpflücken, was in dieser unterschichtigen Aussage enthalten ist. Der Extrakt des Leber-Plans ist doch das, was ich hier dargestellt habe. Stück für Stück könnte ich diese unterschichtige Darstellung zerlegen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist es wirklich? Nach Aussage des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Herrn Oeftering, selbst, soll ja nicht die Bundesbahn damit saniert werden. Effektiv ist es doch so, daß 250 Millionen DM, wenn das alles zutrifft, was man an optimistischen Erwartungen hegt, zusätzlich einkommen. Aber wir alle wissen: 3000 Millionen DM — ich darf einmal diese Zahl so ausdrücken und nicht nur sagen: 3 Milliarden, denn das verringert das ja alles ein bißchen, man muß sagen: 3000 Millionen, in Parenthese: gegenüber 250 Millionen —, 3000 Millionen DM sind jährlich erforderlich! In Ihrer Darstellung sprechen Sie ja geschickt — sehr geschickt — nicht von einer Defizitdeckung, sondern Sie sagen: Leistungen des Bundes an die Bundesbahn. So kann man es auch sagen. Das ist die berühmte Geschichte mit dem Glas halb voll oder halb leer. Im Effekt ist es das gleiche. Der Optimist sagt: halb voll, der andere sagt: halb leer. Sie sagen nicht: Defizit, sondern Sie sagen: Leistungen an die Bundesbahn und geben dem Ganzen ein positives Vorzeichen.Effektiv ist es so, Herr Kollege Leber: Sie müssen jetzt 3000 Millionen DM bezahlen, und Sie erwarten sich in Zukunft 250 Millionen DM mehr — ob es stimmt, wird man ja sehen —, und es bleiben 2750 Millionen DM übrig. Ich stelle an Sie die schlichte und einfache Frage: Wie wollen Sie die decken? Wie wollen Sie aus dieser Kalamität herauskommen? Darüber sagt der Leber-Plan: Null.
Zweitens. Sie sagen: Wir wollen die Brummer von den Straßen weg haben. Hier wird von fachmännischer Seite erklärt, daß maximal 10 000, vielleicht 15 000 oder 20 000 von diesen großen Fahrzeugen von der Straße heruntergehen werden. Aber Sie sagen selbst in Ihrer Passage über die Situation in der Lastkraftfahrzeugindustrie: Ihr braucht euch ja gar nicht aufzuregen, das ist ja gar nicht so schlimm, was euch da passiert, denn sicher werden zwar die großen Brummer nicht mehr gebaut werden, aber dafür werden viel mehr Vier- und Fünftonner gebaut.Ja, wenn Sie das sagen, wenn Sie das den Daimler-Leuten und sonstigen Leuten sagen: Habt keine Angst, es werden ja viel mehr Lastwagen in Zukunft notwendig sein, dann kann ich Ihnen doch als schlichter Straßenverkehrsbenutzer nur die Frage vorlegen: Wie wollen Sie denn dann die Straßen etwas flüssiger machen, wenn Sie statt eines großen Lastzuges, der 40 oder 50 Meter in Anspruch nimmt, in Zukunft vier oder fünf kleinere Fahrzeuge haben, die natürlich genauso eine Belastung des Verkehrs sind?Ich könnte Ihnen, Herr Kollege Leber — an Hand dieser kleinen Dinge habe ich es ja deutlich gemacht —, nun Zug um Zug Ihre 65 Seiten, die Sie heute hier vorgetragen haben, im einzelnen zerpflücken. Was würde im Effekt aus diesem Plan herauskommen? Ich will ruhig sagen: Leber-Plan. Bleiben wir bei der Bezeichnung, Sie haben ihn mit der Prämisse eines Markenetiketts gestartet, und es bleibt Ihnen belassen, Herr Kollege Leber; darauf bleiben Sie kleben, auf diesem Etikett, das behalten Sie ruhig. An Hand dieses Etiketts werden wir Ihnen in den nächsten Wochen und Monaten deutlich machen, daß Sie schon hier in diesem Haus nicht über die Runden kommen. Bei der Einstellung der doch immerhin noch größten Fraktion im Haus und bei ein bißchen Schützenhilfe in manchen Dingen von uns können Sie sich ja vorstellen, wie die Mehrheiten aussehen werden. Das ist das eine.Das zweite, Herr Kollege Leber: ich unterstelle, daß der bundesdeutsche Normalverbraucher vielleicht schon im Laufe der nächsten eineinhalb Jahre darauf kommt, daß das, was ihm heute hier als eine SPD-Qualitätsmilch angeboten wird, nichts weiter ist als eine abgerahmte Magersuppe, die Sie dann im Herbst des nächsten Jahres servieren können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß . nicht, ob ich Ihnen so viel Heiterkeit bieten kann wie mein Vorredner. Ich will aber vorsichtshalber, damit alles gut geht, Herr Präsident, außerdem noch um Erlaubnis bitten, zu zitieren; ich weiß nicht, ob ich es tun werde, aber ich will alles schön in der Ordnung halten.Lassen Sie mich einige Worte zu den EWG-Aspekten des Leber-Plans sagen. Ich glaube, das muß man hier einmal sagen: Daten spielen dabei eine bedeutsame Rolle. Der Leber-Plan wurde zuerst der Öffentlichkeit vorgelegt, dann dem Kabinett und dann der Brüsseler Kommission. Unmittelbar bei der Mitteilung an die Brüsseler Kommission hat dann
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7998 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968
Dr. Lenz
der Bundeswirtschaftsminister Schiller im Europäischen Parlament die Konsultation der Brüsseler Kommission verkündet, offenbar um in dem Kolloquium zwischen dem Parlament und den Räten eine Demonstration europäischer Überzeugung abzulegen.Mit den Konsultationen selbst hatte es die Bundesregierung dann weniger eilig. Die Frist ist etwas verlängert worden, und zwar bis zum 18. Februar dieses Jahres, und es hätte ganz gut passieren können, daß dieses Haus heute beraten hätte, ohne die Stellungnahme der Brüsseler Kommision zu kennen. Einige meiner Freunde und ich haben deshalb eine Kleine Anfrage eingebracht, und die Bundesregierung hat uns dann dankenswerterweise das Dokument übermittelt.
— Herr Kollege Seifriz, wir wollen über die Einzelheiten hier nicht reden. Es wäre hochinteressant, aber das wollen wir wirklich jetzt in dieser Stunde nicht mehr tun.Das Ergebnis dieser Konsultation muß für die Bundesregierung eine gewisse Überraschung bedeutet haben; denn noch am 19. Januar hatte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministers für Verkehr ausgeführt, die jüngste Brüsseler Entwicklung habe die Konzeption von Minister Leber voll bestätigt. Wieso er das hat sagen können, ist mir persönlich ein Rätsel; denn damals war ja schon das Ergebnis der Konsultation vom 10./11. Januar bekannt, wo sich alle Mitgliedstaaten plus Kommission sehr zurückhaltend — ich will es mal so sagen —
geäußert hatten.Die Stellungnahme der anderen Partnerländer würde ich nicht überbewerten. Es scheint mir selbstverständlich zu sein, daß die Minister unserer Partnerländer von den Interessen ihrer Verkehrswirtschaften geprägt sind. Aber man sollte uns da nicht nur einige freundliche Bemerkungen von ihren Stellungnahmen übermitteln, sondern uns, wenn man schon überhaupt davon redet, die ganze Geschichte sagen.Wesentlicher als die Meinungen der Minister ist mir die Stellungnahme der Kommission. Die Kommission ist nach dem EWG-Vertrag Hüterin des Vertrages, sie hat die Pflicht, die verschiedenen Interessen der Mitgliedstaaten und Verkehrsträger auf einen Nenner zu bringen, so wie der Bundesminister für Verkehr die verschiedenen deutschen Verkehrsinteressen auf einen Nenner zu bringen hat. Die Kommission übt ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften aus. Die Mitglieder geben bei Beginn ihrer Tätigkeit ein feierliches Versprechen dieser Art ab. Ich nehme an, Herr Bundesminister für Verkehr, daß sie dieses Versprechen genauso ernst nehmen wie Sie Ihren Eid, und ich glaube nicht, daß man mit dem Hinweis auf nationale Interessen die Stellungnahme der EWG-Kommission hier in Zweifel zu ziehen versuchen kann. Diese Stellungnahme verdient unsere volle Aufmerksamkeit. Daran ändert auch die Stelle nichts, Herr Minister, die Sie vorhin in Ihrer Rede hier im Hause zitiert haben. In Ihrem eigenen Programm finden sich reichlich Stellen dieser Art. Ich will sie nicht alle vorlesen, — nur eine als Beispiel auf Seite XIX:Die begrenzten Mittel des Bundes müssen so wirksam wie möglich eingesetzt werden. Bei der Auswahl der durchzuführenden Vorhaben sind strenge Maßstäbe an die Wirtschaftlichkeit zu legen.Weiß Gott, um das zu wissen, brauchten wir kein Verkehrspolitisches Programm.Die uns vorliegende Empfehlung der Kommission gibt darüber Aufschluß, welche Probleme die im Leber-Plan enthaltenen gesetzgeberischen Maßnahmen im Rahmen der EWG aufwerfen. Nach meiner Auffassung hätte die nunmehr entstandene Lage vermieden werden können, wenn die Bundesregierung bei ihren Vorarbeiten genau die umgekehrte Reihenfolge eingehalten hätte, wenn sie nämlich zunächst ihre Vorstellungen mit der Kommission beraten, dann das Programm im Kabinett verabschiedet und es erst dann der Öffentlichkeit übergeben hätte. Dann wäre es vielleicht, ja, sogar wahrscheinlich möglich gewesen, wie die Kommission sagt, der Lage, welcher sich die deutsche Regierung gegenübersieht, mit Lösungen abzuhelfen, die sich in den Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik einfügen. Ich möchte hoffen und wünschen, daß die Ausschußberatungen in Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung zu Lösungen führen werden, die diesem Erfordernis entsprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Gemmingen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich den Unwillen darüber, daß ich zu Ihnen noch etwas über landwirtschaftliche Probleme sprechen muß, dadurch abfangen kann, daß ich mich kurz fasse. Ich möchte mir auch nicht bei meiner ersten Rede einen Tadel von dem Herrn Präsidenten zuziehen, daß ich meine Redezeit überschritten hätte.Herr Minister, ich glaube nicht, daß unsere Raumplaner über Ihre Planung sehr glücklich sein werden; denn ich bin der Meinung, daß gerade durch Ihre Planung die ländlichen und von Natur aus benachteiligten Gebiete wieder neue Nachteile zugunsten der Ballungsräume erfahren. Denn wie wollen wir Industrie ansiedeln, wie wollen wir diese Räume beleben, wenn die an und für sich schon sehr dünnen Schienenstränge noch weiter reduziert werden?Lassen Sie mich ein Wort zu dem Transport von Getreide sagen. Die Getreidepreise sind wie die anderen Preise der EWG harmonisiert worden. Es folgen in diesem Jahre noch mehr Marktordnungen. Man sollte aber doch einsehen, daß gerade die Preisharmonisierungen Hand in Hand gehen müssen mit der Beseitigung von Wettbewerbsvers
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 7999
Frh. v. Gemmingenzerrungen. Das haben wir immer gefordert; aber wir fürchten, daß sie durch den sogenannten Leber-Plan noch vergrößert werden. Denn wenn ich höre, daß bei einer Transportbesteuerung von 0,01 DM je Tonne Getreide und je Kilometer eine Zahl von 1,5 Millionen DM herauskommt, dann bekomme ich gewisse Bedenken. Ich glaube doch sagen zu können, daß dies eine eindeutige Benachteiligung der deutschen Getreidebauern ist. Und in den Hauptgebieten der Getreideerzeugung ist ja auch das Schienennetz sehr dünn. Wenn .nun auch dieses Schienennetz im Zuge Ihrer Maßnahmen noch reduziert wird, wie sollen dann die Landwirte das Getreide zu den getreidelagernden und -verarbeitenden Betrieben bringen? Daß das im Container-Verkehr möglicht ist, glaube ich nicht, zumal die meisten dieser getreideverarbeitenden Betriebe keinen Gleisanschluß haben.Eine besonders unangenehme Situation entsteht bei dem Transport von Obst und Gemüse. Unsere süddeutschen und südwestdeutschen Obst- und Gemüsebauern sind stark benachteiligt gegen den Druck von Belgien und Holland, und deswegen wäre eine Besteuerung oder ein Transportverbot für diese Produkte ganz unmöglich.Deichbau- und Meliorationsmaßnahmen gehören auch in den Bereich der Landwirtschaft. Hier muß man doch klar und deutlich sagen, daß diese durch die Bahn unmöglich so pünktlich beliefert werden können, wie dies durch den Lastwagenverkehr bisher der Fall gewesen ist. Denn bisher war es doch so, daß Beton, Bitumen und Holz pünktlich an der Baustelle gewesen sind, wann und wo sie gebraucht wurden. Ich glaube nicht, daß wir das im gebrochenen Verkehr erreichen werden.Bei dem Totfleischversand ergibt sich auch ein ganz großes Problem. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Versand statt wie bisher durch Lastwagen durch Container durchgeführt werden kann. Ich kann mir gar nicht denken, daß aus den Schlächtereien das geschlachtete Fleisch an die Bahn gebracht wird, wo es nicht immer in sehr sauberer und hygienischer Umgebung in Container geladen wird, und dann nachher umgekehrt wieder an der Bahn aus den Containern in die Autos der Betriebe, die das Fleisch brauchen, ausgeladen wird. Wir können doch in einer Großstadt mit diesen Containern unmöglich von Betrieb zu Betrieb fahren, wo dann jeweils ein Teil des Fleisches, das gerade benötigt wird, herausgenommen wird. Es gibt sehr wenig Schlächtereibetriebe, die den ganzen Inhalt eines Containers an Totfleisch benötigen.Eine ganz besondere Schwierigkeit ergibt sich auf dem Gebiet der Forstwirtschaft. Hier habe ich große Bedenken. Zur Zeit ist es und bisher war es so, daß das geschlagene Holz an Wege gebracht wird, wo es auf Autos verladen werden kann. Herr Minister, ich kann mir nicht vorstellen, wie wir Stammholz, Gruben- und Faserholz in einem gebrochenen Verkehr über die Bahn bis zu den Sägewerken oder bis zu den verarbeitenden Betrieben bringen können. Bei Stammholz wäre es bei Vorhandensein von geeigneten Verladeeinrichtungen vielleicht noch möglich. Aber stellen Sie sich einmal vor, was es für einen Mehraufwand an Arbeit und an Kosten bedeutet, wenn wir das Gruben- und das Faserholz im gebrochenen Verkehr an den Zielort bringen.Zum Schluß möchte ich eines sagen. Ich möchte davor warnen, die Landwirtschaft mit so großen Mehrkosten zu belasten. Ich meine, daß die Mehrbelastung beim Transport von Getreide von rund 26 Millionen DM und beim Transport von Holz von rund 102 Millionen DM der Landwirtschaft einfach nicht mehr zugemutet werden kann. Deswegen geht meine sehr herzliche Bitte an Sie, Herr Minister, alle diese Probleme aus der Sicht der Landwirtschaft noch einmal genau zu überprüfen. Ich stelle namens meiner Fraktion den Antrag, die Vorlagen zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Erhard .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige ketzerische Dinge sagen.
— Herr Zoglmann, ich weiß nicht, warum Sie mir deswegen mit dem Finger drohen.
Wir gehen davon aus, daß wir die gleichen Ziele haben, und wir gehen — mindestens den Worten nach — weitgehend von gleichen Voraussetzungen aus. Wir sprechen vom Wettbewerb, von der freien Konsumwahl, vom Markt. Ich bin der Meinung, daß jede Maßnahme, die wir von der öffentlichen Hand her vornehmen, eine neue, nicht von den Verkehrsnutzern und auch nicht von den Verkehrsträgern verursachte Veränderung in den Voraussetzungen des Marktes bedeutet. Jede Maßnahme der Infrastruktur hat sofort Veränderungen im gesamten Marktgefüge zur Folge. Wir greifen mit allen möglichen Dingen ein. Jede Konzessionierung, jede Beschränkung dies Zugangs zum Beruf — bei der Binnenschiffahrt, beim Güterfernverkehr usw. — sind Eingriffe in das Vormarktgeschehen. Wenn wir dann noch Tarifordnungen haben, schalten wir die Marktfunktion sogar weitgehend aus. Wir können uns auf die Dauer also sicherlich nicht damit über die Runden retten, daß wir vom Markt und von der freien Konsumwahl reden, ohne uns hierüber mindestens in dien Grundlagen und im Begriffsinhalt klar und einig zu sein.
Ein Zweites. Wir sprechen von den möglichst gemeinsamen Zielen, in der Formulierung wohl auch. Aber, Herr Minister, da fängt es, glaube ich, schon an: Was ist das z. B., worüber wir uns in den optimal zu erreichenden Zielen einig sind? Etwa nur die Verringerung der Zahl der schweren Lastkraftwagen auf der Autobahn oder nur die Verteuerung des Güterkraftverkehrs generell, um ein Gefällte von der Straße zur Schiene zu schaffen? Ist das der Inhalt
Erhard
Hier muß Klarheit sein, und die muß geschaffen werden. Darüber müssen Sie sich für die Regierung Lind persönlich äußern, und Sie können um dieses Problem nicht herumgehen.
Sie haben noch im April des Jahres 1967 jeden vorsichtigen Angriff auf eine Veränderung in der Benutzung des Pkws, in der Besteuerung und in ähnlichen Dingen abgelehnt mit der deutlichen Begründung: EWG und Konjunkturlage gebieten keinerlei Veränderung auf diesem Gebiet. In der Zeit haben Sie, wie die Zeitungsveröffentlichungen aus der gleichen Zeit nachweisen, schon recht konkrete Vorstellungen über Ihr Verkehrspolitisches Programm gehabt. Sie wußten, daß Sie eingreifen müßten. Sie haben dann im September — wenige Monate später — nun auch das Programm bekanntgegeben. Nun kann ja wohl der stärkste Packträger nicht behaupten, daß hier nicht in den Bestand und in die Vorstellungen und in die technischen und sonstigen Bedingungen der Automobilindustrie erheblich eingegriffen würde. Teilweise durchaus zu Recht, aber, Herr Minister — und das ist das, was ich Ihnen damit sagen will —, wir müssen untereinander und auch vor der Öffentlichkeit unabhängig von dem augenblicklich taktisch klug oder zweckmäßig erscheinenden Zeitpunkt das, was wir für richtig halten, auch sagen. Dann werden wir uns glänzend verstehen.
Wir kommen um dieses Problem nicht herum. Das Problem des Personennahverkehrs, des Individualverkehrs und des anderen auf der Schiene muß gelöst werden. Es kann nicht dadurch gelöst werden, daß wir sagen: Baut tüchtig Pkws, laßt sie fahren, wohin sie wollen! Dann kommt ohnehin später die Ernüchterung. Wenn nämlich in den Ballungsräumen und in den Städten die Pkws nicht mehr fahren können, dann wird sie .keiner mehr kaufen wollen. Dann ist es zuspät. Wir haben die Aufgabe, zusammen mit der Raumordnung und vor allem mit dem Lebendigerhalten und mit dem Funktionsfähigerhalten der Stadtkerne jetzt schon dafür zu sorgen, daß jeder auch dort noch fahren kann, auch mit seinem Pkw. Dazu müssen wir die nötigen Maßnahmen ergreifen. Was die Amerikaner gekonnt haben, müssen wir auch können, auch wenn es dem einen oder anderen im Portemonnaie etwas weh tut.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reinhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Gemmingen hat die Lage der Landwirtschaft im Hinblick auf diese Vorlagen schon dargestellt. Ich möchte von meinem Kollegen Fellermaier nicht moniert werden, daß ich zu sehr ins einzelne gehe.
Deswegen werde ich mich sehr kurz fassen.
Albrecht Thaer, der Begründer der Landwirtschaftswissenschaft, hat im vorigen Jahrhundert schon die Landwirtschaft als ein „Verkehrsgewerbe wider Willen" charakterisiert. Er wollte damit sagen, daß die Rentabilität der Landwirtschaft von der inneren und äußeren Verkehrslage abhängig ist. Wenn das damals gegolten hat, so gilt das heute noch viel mehr; denn die Produktionsmengen haben sich vervielfacht. Hinzu gekommen ist, daß die Landwirtschaft heute sehr viele Betriebsmittel kaufen muß: Kunstdünger, nichtwirtschaftseigene Futtermittel, Treibstoff usw. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der Verbraucher viel höhere Ansprüche an die Qualität stellt und der Transport viel schonender und schneller vor sich gehen muß.Vor 20 Jahren war das Haupttransportmittel die Bundesbahn. Seit dieser Zeit hat sich viel geändert. Zwei Millionen Arbeitskräfte sind aus der Landwirtschaft abgewandert. Die Zahl der Zugkrafteinheiten ist sehr zusammengeschrumpft. Heute muß die Landwirtschaft Verkehrsmittler haben, ,die den Transport schnell und billig abwickeln. Die Landwirtschaft kann sich nicht mehr selbst mit dem Abtransport befassen, und da nun die Masse der landwirtschaftlichen Betriebe in Gebieten liegt, wo die Verkehrsaufschließung nicht gut ist und da sich jetzt
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Dr. Reinharddie Bundesbahn aus der Fläche zurückziehen will, besteht die Tendenz — und sie ist nicht rückläufig zu machen — der Verlagerung der landwirtschaftlichen Transporte von der Schiene auf den Lkw und zunehmend dabei auf den Güterfernverkehr.Deshalb muß ich sagen: das Transportverbot für landwirtschaftliche Erzeugnisse, insbesondere Getreide, ist ein Anachronismus und sollte überprüft werden.
In seiner Einbringungsrede hat der Herr Minister angedeutet, daß man über die Verbotsliste noch einmal sprechen könnte. So habe ich ihn jedenfalls verstanden. Dagegen hat Herr Kollege Seifriz gesagt, die Verbotsliste sei das Kernstück dieser Gesetzesvorlage. Nun, wir müssen sehen.Ein Wort zur Beförderungsteuer. Wir haben nicht mehr unsere nationale Agrarmarktordnung, sondern EWG-Marktordnungen. Diesen EWG-Marktordnungen werden am Ende des Jahres fast alle Agrarerzeugnisse unterliegen. Es steht auch fest, daß wir die höchsten Verkehrstarife haben. Unsere Tarife sind erheblich höher als die unserer Partner.
Hinzu kommt, daß die Erzeugerpreise harmonisiert worden sind. Sie sind nach den Gebieten des Hauptverbrauches ausgerichtet, und je weiter der Erzeuger vom Hauptverbrauchsort entfernt ist, um so größer ist der Abschlag. Deshalb befindet sich der deutsche Landwirt gegenüber den Partnern im Nachteil. Wenn jetzt noch die Beförderungsteuer hinzukommt, wird der schon bestehende Wettbewerbsnachteil noch vergrößert werden.
Bedenken Sie bitte, daß jetzt in einer Zeit, wo alles darangesetzt werden müßte, eine Harmonisierung der Verkehrswirtschaft in der EWG herbeizuführen, etwas getan werden soll, was einer Harmonisierung der Verkehrswirtschaft diametral entgegenläuft. Ich glaube, das müßten wir uns doch überlegen.
Der Vorschlag meiner Fraktion, der von Herrn Müller-Hermann und seinen Mitarbeitern erarbeitet worden ist, bringt einen Fortschritt. Damit soll den Belangen der Landwirtschaft mehr Rechnung getragen werden.Nicht alle Giftzähne sind ausgezogen. Das ging aber auch in der Fixigkeit nicht. Der § 2 des Gesetzentwurfs für die Erhebung einer Straßenbenutzungsgebühr sieht eine Befreiungsliste vor. Danach sind Milch und Milcherzeugnisse sowie lebende Tiere ausgenommen. Betroffen werden insbesondere Getreide, Fleisch, Zuckerrüben, Eier und Geflügel und selbstverständlich auch die Erzeugnisse der Forstwirtschaft, also das Holz. Wir müssen uns eingehend überlegen, wie wir eine Lösung finden, bei der die Landwirtschaft im Wettbewerb nicht ungünstiger gestellt wird als die anderen EWG-Partnern. Deshalb unterstütze 'ich Ihren Antrag, Herr von Gemmingen, die Vorlagen dem Ausschuß fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Glüsing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Rahmen einer 3-Minuten-Rede
ein regionales Programm ansprechen; ich meine zunächst einmal die Zonenrand- und Frachthilfegebiete. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat in seiner Einbringungsrede — und der Plan der CDU/CSU- Fraktion beinhaltet dasselbe — gesagt, daß für diese genannten Gebiete praktisch eine Halbierung der Belastung kommen soll.
Das ist sicher eine gute Sache und findet auch bei der Verabschiedung mit Bestimmtheit die Zustimmung des gesamten Hauses.Aber eine gute Sache kann natürlich auch einmal ihre Schattenseiten haben. Ich denke hier an ein Gebiet, das zu meiner engeren Heimat in Schleswig-Holstein gehört. Es sind die fünf Landkreise an der Westküste. Ich meine, es gibt in der Tat keine Vergleichsmöglichkeiten. Sehen Sie, diese fünf Landkreise in Schleswig-Holstein haben einmal als Grenze die Nordsee. Bei der Schmalheit unseres Landes werden Sie, wenn Sie nach Osten fahren, sofort auf eine begünstigte Konkurrenz stoßen. Das gilt nicht in dem Maße für jene Gebiete, die auch die Nordsee als Grenze oder eine Ländergrenze haben, weil sie zum Inland hin nicht auf eine begünstigte Konkurrenz stoßen. Wir haben außerdem im Norden das Land Dänemark. Nach beiden Vorlagen soll zwar der grenzüberschreitende Verkehr auch in Zukunft belastet werden; wir wissen aber alle, daß die Dänen ihren Dieselkraftstoff heute noch für 18 Pf, 20 Pf pro Liter kaufen, während wir 50 Pf und mehr zahlen müssen.
— Es handelt sich hier nicht um den landwirtschaftlichen Verkehr, lieber Kollege Imle, sondern ich meine den gewerblichen Verkehr, der für uns auch von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Wir haben im Süden die Elbe, und wir alle an der Westküste haben mit Genugtuung festgestellt, daß der Herr Bundesminister für Verkehr praktisch grünes Licht für die Privatinitiative eines Brückenschlages über die Elbe gegeben hat. Und, Herr Bundesminister, nachdem schon ein Bundesminister und ein Landesminister Mitglied dieses besagten Brückenbauvereins sind, wäre es für uns vielleicht ganz gut, wenn auch Sie eines Tages Mitglied werden könnten. Aber noch ist es nicht soweit.Wir bemühen uns, einen Fährverkehr über die Elbe einzurichten, damit die überschüssige Ware
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Glüsing
dieser Westküstenkreise schnellstmöglich in das Verbrauchergebiet gebracht werden kann. Wir hoffen aber — und ich richte hier den dringenden Appell an den Herrn Bundesminister für Verkehr und an die Mitglieder des Verkehrsausschusses —, doch bei den Beratungen die besondere Notlage dieser Westküstenkreise zu erkennen. Es handelt sich um ein schwachstrukturiertes Gebiet, wo noch viele Menschen in einen Arbeitsplatz eingegliedert werden müssen. Dabei könnten uns bessere Verkehrsbedingungen eine gute Hilfe sein.Ein Letztes. Sie haben mit Recht von den Begunstigungen der Seehäfen gesprochen. Aber, Herr Bundesminister, wir haben seit bald mehr als 100 Jahren das berühmte Seehafenprivileg im Lande Schleswig-Holstein. Das konnte nun durch die Einführung der Mehrwertsteuer abgeschafft werden; nun wird es auf Umwegen wieder eingeführt. Das bedeutet also, daß das Holz, das aus den skandinavischen Ländern zum Verbrauch angelandet wird, im Lande praktisch steuerfrei gefahren werden kann, während das einheimische Holz eine neue Belastung erfährt. Auch das ist keine gute Sache. Darf ich also noch einmal an Sie appellieren. Ich möchte eigentlich mit einem heimatlichen Sprichwort schließen, das bei uns noch großen Anklang findet. Beachten Sie bei Ihren Entscheidungen und Beschlüssen das alte schleswig-holsteinische Sprichwort: „Up ewig ungedeelt."
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch zu einem Punkt etwas sagen, über den heute kaum gesprochen wurde. Das ist die verfassungsrechtliche Situation.
Sie wissen, daß sich das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1963 mit der Situation dieser Sondersteuer beschäftigt hat. Im Urteil vom 22. Mai 1963 hat es Ausführungen zu der Berechtigung dieser Steuer gemacht. Bei dieser Steuer, für die uns jetzt ein Entwurf vorliegt, ist zunächst einmal die Frage zu stellen, ob nicht ein verfassungswidriger Formmißbrauch vorliegt. Nicht in der Begründung, Herr Minister Leber, aber in Ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit haben Sie davon gesprochen, daß der Sinn dieses Gesetzes am besten erreicht würde, wenn das Steueraufkommen gleich Null wäre. Dazu sagt das Bundesverfassungsgericht — ich darf wörtlich zitieren, Herr Präsident — —
Ich kann Sie nicht hindern, Herr Kollege.
Da heißt es:
Handelt ein Steuergesetz seinem ihm begrifflich zukommenden Zweck, Steuereinnahmen zu erzielen, geradezu zuwider, indem es ersichtlich darauf ausgeht, die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich zu machen, also
in diesem Sinne eine erdrosselnde Wirkung auszuüben .. .
Dann liegt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungswidriger Formmißbrauch vor.
Herr Minister, Sie sind sich darüber klar, daß
diese Steuer nach wie vor Einnahmen bringen wird. Darin liegt ja gerade die Ungerechtigkeit, weil die revierfernen Gebiete die Spezialtransporte, die Schnellverkehre empfindlicher und verderblicher Waren weiterhin auf der Straße abwickeln müssen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Schwörer, ist Ihnen als Mitglied einer Regierungspartei eigentlich schon klargeworden, wer in dieser Regierung die Steuerpolitik macht?
Das ist ja nicht als Steuergesetz, sondern als Verkehrslenkungsgesetz eingebracht.
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?
Würden Sie mir zustimmen, Herr Kollege, wenn ich hier feststelle, daß in dieser Regierung offenbar jedes Ressort von sich aus eine bestimmte Steuerpolitik betreibt?
Ich habe Ihnen schon gesagt, daß es von der Regierung nicht als Steuergesetz, sondern als Verkehrslenkungsgesetz angesehen wird. Insofern ist der Bundesverkehrsminister dafür zuständig.Meine Herren, ich wollte sagen, daß sich der Herr Bundesverkehrsminister sehr wohl darüber im klaren ist, daß hier mehr Beförderungsteuer aufkommt. Aber diese Beförderungsteuer kommt gerade von denen auf, die bisher schon durch diese vorhin angeführtene Tatsachen benachteiligt sind. Sie werden durch dieses Gesetz weiterhin benachteiligt.Deshalb meine ich, daß für eine sachliche Prüfung einer möglichen neuen Verfassungsklage ernsthaft geprüft werden muß, ob die Gründe, die im Jahre 1963 für dieses Urteil maßgebend waren, auch noch in der Zukunft gelten werden. Sie wissen, daß damals Verletzungen des Art. 12 — freie Berufsausübung — und des Art. 3 des Grundgesetzes — Gleichheit vor dem Gesetz - gerügt wurden und daß das Bundesverfassungsgericht diese Klage abgewiesen hat, weil es gesagt hat: Wenn wichtige Gemeinschaftsinteressen vorliegen — und hier sind die Gemeinschaftsinteressen: Sanierung der Bahn und Entlastung der Straßen gemeint gewesen —, wenn die Eignung und die Verhältnismäßigkeit des Mittels gegeben sind und wenn der Eingriff zumutbar ist, dann kann auch in dieser Situation ein
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 8003
Dr. Schwörersolcher Eingriff erfolgen, und er ist dann nicht verfassungswidrig. Aber durch das ganze Urteil zieht sich wie ein roter Faden ein Zweifel daran, ob diese Mittel in ihrem Gewicht wirklich so sind, daß sie dieser verfassungsmäßigen Prüfung standhalten. Sie wissen auch, daß im Urteil bereits eine Revisionsmöglichkeit angedeutet wurde.Heute wissen wir, daß diese Hoffnungen von Anfang an nicht zum Ziele führen konnten. Wir wissen noch mehr: daß die Maßnahmen, die Sie jetzt wieder einführen wollen, auch in der Zukunft nicht den Zweck erfüllen werden, den sie erfüllen sollen, nämlich Entlastung der Straßen und Sanierung der Bundesbahn. Darüber ist heute schon in vielen Ausführungen gesprochen worden, so daß ich nicht näher darauf einzugehen brauche.Aber angesichts dieser Fakten, Herr Minister Leber, kann man, glaube ich, von einer Eignung und einer Verhältnismäßigkeit dieses Mittels heute nicht mehr sprechen, erst recht nicht von einer Zumutbarkeit, die ja auch vom Verfassungsgericht als eine Voraussetzung angesehen wird. Man kann deshalb nicht von . einer Zumutbarkeit sprechen, weil bekannt ist, daß die Verluste der Bundesbahn, die durch andere Ursachen als durch die Konkurrenz des Lkw entstehen, wesentlich größer sind; sie entstehen z. B. durch den Wegfall der Kohletransporte aus Strukturgründen, durch dien Bau von Pipelines, durch neue technische Entwicklungen und durch Spezialfahrzeuge, die heute zunehmend von der Wirtschaft gebraucht werden. Eine Mehrbelastung ist deshalb überhaupt nicht mehr zumutbar.Herr Minister Leber, auch die Schutzwürdigkeit der Bundesbahn in der absoluten Form, wie es in dem Urteil dargestellt worden ist, ist fragwürdig geworden. Die Gemeinwirtschaftlichkeit ist heute weitgehend beseitigt. Meiner Ansicht nach wird das Bundesverfassungsgericht nicht an der Tatsache vorbeikommen, daß das Gemeinschaftsinteresse —Sanierung der Bahn durch Behinderung ihrer Konkurrenten — nicht mehr ausreicht, um eine Klage gegen diese Steuer mit Erfolg abzuwehren.Darüber hinaus gibt es noch eine große Zahl schutzwürdiger Gemeinschaftsinteressen, die neu in den hier anzusprechenden Rang gekommen sind, wie z. B. die Raumordnung, die Strukturänderung, die Marktordnung in der EWG oder auch die Konkurrenzfähigkeit unserer Gesamtwirtschaft, ferner die Vollbeschäftigung, die wir im Stabilitätsgesetz als eine neue Aufgabe unserer Wirtschaftspolitik verankert haben. Alle diese Schutzinteressen werden mit den Interessen, die Sie hier in Ihrem Plan ansprechen, in Karlsruhe konkurrieren. Meiner Ansicht nach besteht kein Zweifel, daß die gute Ausgangssituation, die damals das alte Verkehrsfinanzgesetz in Karlsruhe gehabt hat, heute nicht mehr gegeben ist. Ich würde es deshalb für gut halten, wenn die Regierung aus verfassungsrechtlichen Gründen auf die Wiedereinführung der Beförderungsteuer verzichten würde.
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich bewegt in dieser vorgerückten Stunde weniger die Frage, ob die Vorlage verfassungsrechtlich in jedem Detail hundertprozentig zu vertreten ist. Ich nehme an, daß man im Schoße der Bundesregierung diese Fragen doch geprüft hat. Mich bewegt eine, wie ich meine, ernstere Frage, Herr Bundesverkehrsminister, das ist die Frage: was machen wir überhaupt für eine Gesamtpolitik? Ist diese Maßnahme, die hier vorgeschlagen wird, Bestandteil einer geschlossenen, konsequent durchgeführten Gesamtpolitik? Das ist für mich die entscheidende Frage.Vor knapp drei Wochen haben wir hier in diesem Hause eine Diskussion über regionale und sektorale Wirtschaftspolitik geführt. Wir waren uns in diesem Hause einig, wir waren uns auch mit der Regierungsbank einig, daß wir alles tun müssen, um die regionale und sektorale Wirtschaftspolitik zu fördern, um eine ausgewogene gleichmäßige Wirtschaftsstruktur zu erreichen. Heute haben wir mit Recht gehört: Verkehrspolitik darf nicht allein gesehen werden, sie muß im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik gesehen werden. Es ist legitim, bei dieser Vorlage zu fragen: dient die Vorlage diesen gesamtwirtschaftspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung und dieses Hauses oder steht sie dazu im Widerspruch? Dazu muß ich doch einiges sagen.Wir haben in unserem Grundgesetz einen sehr, sehr anspruchsvollen Satz, der lautet: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein sozialer Rechtsstaat." Zu einem sozialen Rechtsstaat gehört viel.
Ich komme aus einem Wahlkreis, aus einer Gegend, wo man jetzt wieder teilweise 35, 40 % Arbeitslose hat. Ich kann hier bei einer solchen Vorlage nicht schweigen, auch wenn die Zeit so weit vorgerückt ist. Das sind nicht Wahlkreisprobleme, das sind letzte Fragen der Sozialpolitik, der sozialen Rechtsstaatlichkeit überhaupt. Tun wir alles, um diese Zustände zu vermeiden oder zu mildern?Meine Damen und Herren, wenn ich von links nach rechts in diesem Hause fragte, was Sie als politische Priorität in einem sozialen Rechtsstaat in erster Linie anerkennen würden, wenn ich die Frage stellte, ob Sie mit mir der Auffassung sind, daß das Recht des Staatsbürgers auf einem Arbeitsplatz auch im verkehrsfernen Gebiet, auch im wirtschaftsschwachen Gebiet die politische Priorität Nummer eins darstellt, dann bin ich überzeugt, daß Sie mir mit Ja antworten würden. Ich bin überzeugt, es gibt keinen hier im Hause, der nicht mit Ja antworten würde. Wenn dem so ist, dann muß das bei unseren praktischen Beschlüssen hier bei unseren Gesetzen auch Leitgedanke sein. Ist dieser Leitgedanke hier zum Tragen gekommen?Herr Bundesverkehrsminister, es ist keine Kritik an Ihnen. Sie sind als Bundesverkehrsminister in
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Niederaltkeiner sehr guten Lage. Sie müssen diese schwierigen verkehrspolitischen Probleme lösen, haben zur Lösung dieser Probleme jedoch nur verkehrspolitische Mittel. Trotzdem müssen Sie diese verkehrspolitischen Mittel in den Dienst der Gesamtpolitik stellen. Meine Kritik richtet sich ganz klar gegen die gesamte Bundesregierung, daß man bei dieser Vorlage diese Priorität Nummer eins nicht genügend berücksichtigt hat.
Meine Damen und Herren, Sie können es wenden, wie Sie wollen, die Verbotsliste ist eine außergewöhnliche Benachteiligung der peripheren und wirtschaftsschwachen Gebiete.
Lieber verehrter Herr Minister Leber, wir werden im Ausschuß noch oft über den gebrochenen Verkehr reden. Es ist Ihnen nachzuweisen, daß dieser gebrochene Verkehr keiner Konkurrenz standhalten wird, und wenn Sie noch so schöne Pläne auf die Bundesbahn setzen.
Jetzt kommt etwas ganz Wichtiges. Sie haben in Ihrer Vorlage ausschließlich den Fernverkehr mit Steuern belegt — den Fernverkehr im Werkfernverkehr und im Güterfernverkehr. Wissen Sie, was das zur Folge hat? Das hat zur Folge, daß viele Betriebe in unseren verkehrsfernen Gebieten, die zu 70, 80, 90 Prozent auf den Fernverkehr angewiesen sind,
weil ja der Umkreis von 50, 60, 70 km nicht genügend Möglichkeiten in sich birgt, das Unternehmen zu tragen, unbedingt in den Fernverkehr einsteigen müssen, wenn sie ihr Unternehmen aufrechterhalten wollen. Sie haben mit Ihrer Vorlage diesen Fernverkehr belastet im Gegensatz zum Nahverkehr. Der gleiche Unternehmer, der diesem Betrieb im Bayerischen Wald etwa Konkurrenz macht, der gleiche Unternehmer aus einem Ballungsgebiet in Frankfurt, in München, wo er auch her sein mag, kann seinen Betrieb mittels des nicht höher belasteten Nahverkehrs aufrechterhalten.
Sie machen also hier mit diesem Vorschlag genau das Gegenteil von dem, was wir wenigstens nach meiner Vorstellung als Folgerung — wenn ich die Priorität Nummer eins, den Arbeitsplatz, anerkenne — machen müßten, statt nämlich die natürlichen Standortnachteile durch die gesamte Gesetzgebung möglichst zu eliminieren, werden diese Standortnachteile eher noch vergrößert.
Das ist der Hauptvorwurf, den ich dieser Vorlage machen muß. Darüber kann man nicht schweigen. Da gibt es keine Loyalität. Da gibt es entweder Pflichtauffassung oder keine Pflichtauffassung.
Meine Damen und Herren, ich bin mir ganz klar über die Problematik, ich mache es mir nicht leicht.Herr Kollege Leber, Sie haben es mit Recht betont, wenn wir anerkennen, daß das Ziel richtig ist, gibt es nicht die Methode: Wasch mich und mach mir den Pelz nicht naß. Wir müssen da oder dort Opfer bringen.Herr Kollege Leber, ich hoffe aber doch, Sie im Laufe der Beratungen im Verkehrsausschuß überzeugen zu können, daß, wenn Sie mit mir die von mir benannte Priorität Nr. eins anerkennen, insoweit die Vorlage der CDU/CSU-Fraktion unserer Tendenz wesentlich mehr entspricht. Ich habe dankbar zur Kenntnis genommen, daß Sie heute sagten: Ich will nicht rechthaberisch sein. Ich habe auch dankbar zur Kenntnis genommen, als der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Herr Seifriz, sagte, er sei all diesen Themen aufgeschlossen. Ich hoffe auf Ihre Aufgeschlossenheit und ich erwarte und werde Sie beim Wort nehmen, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie nicht rechthaberisch sind, daß wir alle der besseren Politik das Ja geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Burgemeister.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte die Absicht, hier jetzt Stellung zu nehmen zu einem Teil der Regierungsvorlage, der sich mit dem Ausbau der deutschen Flughäfen befaßt. Die vorgeschrittene Stunde aber läßt es auch mir ratsam erscheinen, nur anzudeuten, worum es mir ging. Es ging mir darum, die Bundesregierung davon zu überzeugen, daß ihr Vorhaben, aus der Flughafengesellschaft Hannover-Langenhagen ausscheiden zu wollen, nicht als richtig angesehen werden kann. Ich wollte Sie alle davon überzeugen, daß wir uns dafür einsetzen sollten, daß Hannover-Langenhagen wegen seiner besonderen gesamtwirtschaftlichen wie gesamtdeutschen Situation auch der Mitwirkung des Bundes bedarf. Ich habe das in einer schriftlichen Darlegung ausgeführt, die ich zu Protokoll gebe. *)
Das Wort hat der Abgeordnete Schwabe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die eigenartige Folge der Rednerliste heute veranlaßt mich, auch im Namen meiner Freunde, zu der ganz ruhigen und sachlichen Bemerkung, daß natürlich auch wir, alle miteinander, versorgt mit wohl beinahe 50 kg Post zur anstehenden Frage, versorgt mit vielen Anrufen und vielen Besprechungen, uns den einzelnen Sachgebieten ebenso ernsthaft verbunden und verpflichtet fühlen, daß wir aber glaubten, das hier heute abend nicht jeder einzeln vortragen zu müssen.
Herr Abgeordneter, das mit den Bestechungen sollte doch hoffentlich*) Siehe Anlage 4
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Vizepräsident Schoettlenur heißen, daß es Bestechungsversuche waren,` und zwar erfolglose.
Ich habe diese Vokabel nicht benutzt. Da bin ich mißverstanden worden.
Dann habe ich mich verhört.
Ja. Außerdem glaube ich, daß wir alle charakterfest genug sind, um uns nicht mit Spielzeugautos in unserer Meinung beeinflussen zu lassen.
Aber nun sollen Sie sicher sein — und das soll nur gesagt werden —, daß z. B. mein geplanter Beitrag zur Frage der Flughäfen, Flugsicherheit, privaten und zivilen Luftfahrt, natürlich auch, und auch auf Anregung meiner Freunde, beinhaltet hat, daß wir uns etwa mit dem uns übermittelten Anliegen des Messe- und Berlin-Flughafens Hannover sehr sorgfältig befassen wollen, auch mit allen anderen Dingen, auch mit Fragen, die uns auf den Nägeln brennt und die anscheinend nun eine besondere Wichtigkeit bekommt, die vom Herrn Bundesinnenminister Lücke angeregte Frage der Gebietskonzessionen, die ihrerseits die Gefahr in sich birgt, daß da einzelne Leute ihre seitherige Linie, ihre Arbeit, ihren Betrieb verlieren können. Auch das bewegt uns, und wir versuchen, da zu optimalen Lösungen zu kommen. Es sollte hier nur vermieden werden, daß der falsche Eindruck entsteht, wir hätten uns hier heute nicht genügend vorbereitet und die Probleme nicht vorher durchdacht. Wir wollen alles das, was wir uns erarbeitet haben, um so nachhaltiger und um so ernster zum gemeinsamen Wohl, so hoffen wir, dann in der Ausschußarbeit vortragen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeit ist schon sehr vorgerückt. Es wird sicher von niemandem gewünscht, daß ich jetzt auf alle Punkte, die in der Diskussion erwähnt worden sind, im einzelnen eingehe, auch wenn sie wichtig waren. Ich habe den Eindruck, wir haben in den Ausschußberatungen noch genügend Zeit, uns über all das, was hier in den Protokollen vermerkt wird, ausgiebig zu unterhalten. Ich habe in der Tat den Eindruck, daß es — das habe ich auch in meiner Rede schon dargestellt — eine Fülle von Fragen gibt, die noch im einzelnen zu überlegen sind.Ich habe kein Recht, auch wenn ich Abgeordneter bin, einen Rat zu erteilen, was nun zu geschehen hat. Nur, wir kommen mit viel Professoren nicht weiter, meine Herren. Die politische Entscheidung muß hier im Haus getroffen werden.
Mit den Geldern, die schon für Gutachten ausgegeben worden sind, auch an die Adresse von Männern, die hier vielleicht als Unabhängige nachher ihre Meinung sagen sollen, kann man nach meiner Auffassung schon einige Existenzen, die Herr Niederalt meint, sanieren. Daran sollten wir dabei auch denken.
Da ist die Frage aufgeworfen worden, ob die Verbotsliste nicht Existenzen vernichtet. Ich habe in meiner Darstellung vorhin versucht, an einem Modellfall zu entwickeln, daß wir gerade an die Bewahrung der mittelständischen Existenz gedacht haben, daß wir gleichzeitig die Straße entlasten und der Bahn Gut zuführen wollen.In Ihrem Vorschlag mit der Lizenz finde ich etwas, das mir gar nicht gefällt. Das gilt in einem gewissen Sinne auch für den Vorschlag, der von der SPD kommt. Wenn Sie eine Lizenz für den Werkverkehr einführen — ich kenne das holländische Modell, das praktisch nichts anderes als ein Kaffeekränzchen darstellt, ohne jede Wirkung — und wenn man eine Wirkung davon haben will, dann wird sich das in der Praxis so auswirken: Da sitzt ein Beamter bei der Landesregierung oder beim Regierungspräsidenten. Wollen Sie mir einmal sagen, meine Damen und Herren, wer den Farbenfabriken Hoechst, Bayer Leverkusen, Hoesch in Dortmund, Mannesmann in Düsseldorf — das sind überall die größten Steuerzahler —, welcher Regierungsrat diesen Unternehmen irgendeinen Wunsch nach einer Zulassung im Werkverkehr verweigern wird? Die bekommen, was sie brauchen. Der mittelständische Gewerbetreibende, der eine braucht — und der liegt mir dabei gerade im Sinn —, wird von dem Regierungsrat heimgeschickt. Denn dieser Antragsteller ist nicht stark genug, sich zu wehren.Deshalb kommen wir mit diesem Modell nach meiner Auffassung nicht allzuweit. Aber das wird sich nachher — —
— Die kalkulieren überhaupt nicht. Der Mann kommt dort nicht zum Zuge. Ich weiß doch genau, wie das geht, wenn die Großindustrie, die ich hier gar nicht allein an die Wand spielen will, so etwas braucht. Wenn die Großindustrie so etwas braucht, kriegt sie das bei der Gemeinde. Dort ist sie der größte Steuerzahler. Sie bekommt das auch bei der Landesregierung. Wollen Sie mir sagen, was eine Landesregierung macht, wenn das Unternehmen sagt: Ich gehe hier weg, wenn ich die Zulassung nicht bekomme? Das ist überhaupt nicht zu kontrollieren. Das können Sie mit administrativen Maßnahmen nicht abgrenzen. Auf der Strecke bleibt der . Kleine; denn der kann sich nicht in dem Maße wehren.Das wird alles zu besprechen sein. Da wird offen miteinander geredet. Hier wird nichts mit Leukoplast zugeklebt und nichts mit weißer Salbe verschmiert. Vor der deutschen Öffentlichkeit wird klar, was hier jeder einzelne an Beiträgen dazu leistet. Das wird durch- und hochgerechnet. Sie können ganz
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Bundesminister Lebersicher sein, die Späße, die schon mal waren, werden nicht wieder passieren. Ich werde jedenfalls meine Meinung immer offen sagen, bei aller Kompromißbereitschaft, die dabei im Spiel ist. Denn hier steht viel zur Debatte.Dann zur EWG. Da möchte ich auf die vielen Einwendungen, ,die gekommen sind, sagen: Wissen Sie, es gibt — bei allem Respekt vor der EWG — nationale Europäer, und es gibt europäische Europäer. Die Deutschen — das sind „europäische EuropaEuropäer". Ich möchte einmal gern wissen — das kann man leider nicht praktizieren —, was beispielsweise die französische Regierung machen würde, wenn sie eine solche, sich von jedweder . anderen Verkehrssituation in Europa unterscheidende Situation in Frankreich hätte. Die französische Regierung würde das tun, was im Rahmen des geltenden Rechts den französischen Verhältnissen Rechnung trüge.
— Unsere Lage: Wir haben auf den Kilometer viermal soviel Kraftfahrzeuge wie die Franzosen. Das ist etwas Besonderes. Wir haben doppelt soviel tödliche Unfälle wie die Engländer. Wir haben eine ganze Reihe anderer Dinge, die uns von ,den Franzosen unterscheiden. Die Franzosen haben sogar auf den 70 km Autobahn, die sie haben, eine Autobahngebühr. Es ist fast alles ganz anders als bei uns. Frankreich ist ein Land, das viel größer ist als die Bundesrepublik, eine niedrigere Einwohnerzahl hat, die Einwohner verteilen sich auf einen größeren Raum usw. Das macht sich stark bemerkbar. Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, ob Sie mir ,das übelnehmen oder nicht: Man muß nicht bei jeder nationalen Auffassung, die man vertritt, sich hinter europäischen Kommissionen verstecken. Das kann man hier in dem Hause von Mann zu Mann machen, ohne sich hinter Brüsseler Ansichten zu verstecken.
Ich grabe da nichts aus.
Ich will Ihnen noch etwas sagen. Ich höre nur heraus, wie hier in den Bundestagsprotokollen etwas manifest gemacht wird, was in Brüssel überhaupt nichts bedeutet. Die Europäische Kommission beruft sich auf die Brüsseler Politik. Meine Damen und Herren, wissen Sie was das ist? Da hat ein Mitglied der Kommission — der Betreffende ist jetzt gar kein Mitglied mehr — im Frühjahr 1967 einmal einen Vorschlag gemacht, er hat eine Vorlage gemacht. Diese Vorlage ist nicht einmal in einer Sitzung behandelt worden. Darauf geht die Kommission bei ihrer Antwort auf unser Konsultationsbegehren ein. Das können Sie doch hier nicht manifest machen, indem Sie auf eine solche Antwort Bezug nehmen. Ich habe schon erlebt, wie es ist, wenn man zu treu ist. Wir Deutschen sind so treu, wir sind die treuesten Europäer, die es gibt.Dafür sind wir auch angeschrieben. Manche halten das für ein Stückchen — ich will nur sagen: Bescheidenheit. Meine Damen und Herren, ich habe auch schon Grinsen und Lachen gesehen bei solchen Gelegenheiten.Ich bin jedenfalls der Auffassung: da gibt es auch einmal deutsche Interessen, die man durchstehen muß.
— Bitte sehr!
Herr Minister, sind wir uns wenigstens darin einig, ,daß ebenso, wie Verkehrspolitik und Wirtschaftspolitik harmonieren müssen, auch Verkehrspolitik und Außenpolitik harmonieren müssen?
Natürlich, ich bin voll dieser Auffassung. Im übrigen, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, damit das nicht falsch verstanden wird: Wir haben ja 10 Jahre oder so lange, wie es Europa gibt, verkehrspolitisch überhaupt keinen Anfang bekommen; im Gegenteil, wir haben vorliberalisiert in der Hoffnung, die anderen würden damit europäischer werden. In Wirklichkeit hat man in der deutschen Vorleistung die Chance für ein anständiges Geschäft gesehen. Damit haben wir jetzt Schluß gemacht.
Ich bin der Auffassung, in dieser Entwicklung werden wir weiterkommen. Es ist ja in der Tat so; mein holländischer Kollege hat mir gesagt — ich sehe hier seinen Vertreter auf der Tribüne sitzen, der kann Ihnen das bestätigen —: Herr Minister, wenn Sie stur bleiben, zwingen Sie uns, von unseren nationalen Standpunkten abzugehen und europäisch zu denken. Und so isst der Beschluß zustande gekommen, ,den wir miteinander gefaßt haben.Ein anderes Kapitel ist die Verfassungsmäßigkeit. In Deutschland ist das so üblich: da wird zunächst einmal in Grundsätzen gesprochen, und dann wird die Verfassungsmäßigkeit angezweifelt. Da kann einer machen, was er will, das isst eine deutsche Eigenschaft, wir sind halt einmal so gründlich. Andere kommen sogar ohne Verfassung aus, und esklappt auch gar nicht schlecht.
Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben gerade dieses vieldiskutierte Urteil lang und breit behandelt. Ich bin kein Jurist, Herr Schwörer, aber ich war noch nie bei denen, .die Unrecht bekamen.
Wir haben gerade diese Steuer so veranschlagt, weil wir das Urteil .des Bundesverfassungsgerichtes ernst genommen haben. Die seitherige Situation ist ja nur deswegen fragwürdig, weil man den Werkverkehr besteuert hat und den mit ihm auf dem gleichen Verkehrsweg konkurrierenden gewerblichen Güterfernverkehr nicht. Das Gericht schreibt nicht die
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Bundesminister LeberHöhe der Steuer vor und behauptet nicht, daß sie für beide gleich sein müsse. Aber man kann nicht einen Verkehrsträger, der mit ,dem anderen auf dem gleichen Weg im Wettbewerb ist, besteuern und den anderen völlig davon freistellen. Auch das ist ein Grund, warum wir dem gewerblichen Güterfernverkehr den einen Pfennig auferlegt haben.Im übrigen: Sie haben das nicht aus der Sicht des Baugewerbes begründet. Das kenne ich nun. Hier ist vorhin gesagt worden, der Beton, der im Fernverkehr gefahren wird, würde zu teuer. Meine Herren, wenn der im Fernverkehr gefahren werden müßte, dann wäre er längst hart. Das wissen Sie genau.
So weit kann man Beton überhaupt nicht fahren. Das geht nur in der Nahzone.Im übrigen habe ich mit den Verbänden gesprochen, auch mit dem Bundesverband Steine und Erden. Ich habe das Gefühl, daß wir einig werden können. Da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.Ich mache mir auch darüber keine Sorgen, wie das dann, wenn die Deutsche Bundesbahn durchgerechnete Tarife von Haus zu Haus bietet — das muß sie ja im Wettbewerb —, mit ihrer inneren Kostensituation aussieht. Wenn sie im Wettbewerb beistehen will, muß sie sich im Wettbewerb so schlagen, daß der Kunde dadurch keinen Nachteil hat. Das ist meine Formel. Ich bin froh, daß die Bundesbahn darauf eingeht.
— Das geht nicht auf Staatskosten.
— Das geht nicht auf Staatskosten, Herr MüllerHermann. Sie sind ja Volkswirt, ich nicht. Ich weiß, daß, wenn eine Kapazität nicht leersteht, sondern ausgelastet wird — unabhängig davon, ob dabei eine hohe oder eine niedrigere Rendite herauskommt —, das allein schon ein wirtschaftliches Ergebnis ist. Hier geht .es darum, daß zunächst einmal leerstehende Kapazitäten in Anspruch genommen werden. Meine Herren, die Deutsche Bundesbahn hatte im März 1967 71 000 Güterwagen leerstehen; im Juni waren es noch immer 30 000. Das ist mehr als die gesamte Kapazität des gewerblichen Güterfernverkehrs. Um diese Größenordnungen handelt es sich da.
Die werden natürlich nicht alle voll beschäftigt sein können, weil die Bundesbahn auch eine Vorhaltepflicht hat.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Natürlich!
Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Minister, daß es auch Situationen gibt, in denen die Auslastung von Kapazitäten mehr kostet als die Stillegung?
Natürlich weiß ich das.
Das werden wir alles prüfen, wenn wir uns in den Ausschüssen damit befassen. Ich will Ihnen sagen, Herr Erhard: ich habe nicht die Absicht, die Rolle eines Generaldirektors der Deutschen Bundesbahn zu spielen und mich mit Signalen zu befassen, wie andere Leute das tun. Mir kommt es darauf an, daß die Bundesbahn mir beweist, daß sie auf dem richtigen Wege ist und im übrigen nach den großen Linien arbeitet, die politisch gewollt werden. Das ist meine Aufgabe als Verkehrsminister.
Mit welchen Bremsen sie arbeitet, das überlasse ich denen, die dazu mehr Zeit haben. Wenn ich natürlich verkehrspolitisch keinen Erfolg hätte, könnte es sein, daß ich mich vielleicht auch damit beschäftigen würde. Aber ich wüßte dann vielleicht noch etwas Besseres zu tun.
Meine Damen und Herren, hier ist in bezug auf die Binnenschiffahrt der Vorschlag gemacht worden, man sollte private Kreditmittel dafür nehmen. Darüber können wir uns unterhalten. Der Weg, den wir vorgesehen haben, ist meiner Auffassung nach noch schneller: der Finanzminister tritt in Vorlage für die Umlagebeiträge, die aufgenommen werden müssen, und so weiter.Zum Schluß noch ein wichtiges Thema. Es ist Herr Professor Hamm zitiert worden, den ich natürlich auch lese, nicht nur als Pflichtlektüre, sondern gern. Ich weiß: dort kumuliert etwas, was auch anderswo gesagt wird. Unter „Wirtschaftlichkeit der Eisenbahn" verstehen eine ganze Anzahl von Damen und Herren, die an der Debatte beteiligt sind, etwas Verschiedenes. Darüber muß man Klarheit schaffen. Da heißt es: „Die sozial begünstigten Personentarife müssen abgeschafft werden. Das Programm ist nicht weit genug gegangen." Ja, mir liegen solche Forderungen vor; die stecken dahinter! Das Haus wird darauf Antwort geben müssen. Die Dinge werden in den Ausschüssen hochkommen. Ich habe sicherlich — das werden Sie mir nicht bestreiten — ein bißchen Mut aufgebracht. Aber ich lasse mich auch nicht in diese Speerwand hineinbringen, wo der Widerstand so groß wird, daß man praktisch am Ende nicht mehr zu einem Erfolg kommt.Dann: Stückgut soll herausgenommen werden, weil es nicht wirtschaftlich ist. Ja, wer soll dann für die Frau in der Gemeinde X ein Paket auf der Eisenbahn befördern? Sie reden alle von regionaler Bedienung der Fläche und wollen den Stückgutverkehr usw. weghaben. Er bringt natürlich Defizite. Hier wird die Frage nach der politischen Belastung
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Bundesminister Leberder Eisenbahn aufgeworfen. Sie muß beantwortet werden.Dann noch etwas zu Frankreich! Meine Damen und Herren, man kann die Dinge nicht vergleichen. Die Franzosen führen eine Achslaststeuer ein und haben dabei als ein wichtiges Rechenelement z. B. die Dichte des Verkehrs und die soziale Behinderung, die ein neu hinzukommendes Fahrzeug für die übrigen darstellt. Wollen Sie mir bitte einmal sagen, was das bei der Dichte des deutschen Verkehrs im Verhältnis zu Frankreich ausmacht! Wenn wir auf diese Formel eingingen, bekämen wir wahrscheinlich ein X-faches der steuerlichen Belastung, die Frankreich hat. Das kann man nicht ohne weiteres. Und was für mich das Wesentlichste ist: Die Tatsache, daß der Verkehr in Frankreich nicht so dicht ist wie bei uns, macht es nicht notwendig, dort Straßenbau mit derartiger Aufwendigkeit zu betreiben, wie wir es müssen. Bei uns entsteht ein Vielfaches an Baukosten, weil diese permanenten Schlangen schwerer Lastzüge ständig über unsere Autobahnen rollen. Wir haben vor 30 Jahren Autobahndecken gebaut, die einen Unterbau von 25 cm hatten; heute liegen wir bei 1,10 m, und ich weiß nicht, ob das reicht. Ein Kilometer Autobahn im Sauerland kostet gegenwärtig im Durchschnitt 10,7 Millionen DM — ich hoffe, daß die Zahl stimmt. Vergleichen Sie das einmal mit den französischen Zahlen — für Landstraßen, über die dort auch der Fernverkehr geht. Das wächst allmählich ins Astronomische, und wir werden mit der Formel „Mehr Straßenbau" unseren Verkehr nicht in Ordnung bringen.Die andere Forderung: Wir sollen uns allmählich auch zum Pkw wenden. Herr Kollege Erhard, ich hatte — das möchte ich auch Herrn Kollegen Lemmrich und Herrn Kollegen Müller-Hermann sagen — ein ganzes Kapitel gemeindlicher Verkehrsprobleme in dem Programm, und zwar bis zu dem Tage, an dem die Nahost-Krise begann. Ich brauche das nicht deutlicher auszuführen; ich hoffe, daß Sie Ihre eigenen Schlußfolgerungen daraus ziehen können. Dann habe ich es durchgestrichen; in dem Augenblick, als die Benzinpreiserhöhung kam, habe ich keine Chance mehr gesehen, mich in dem Programm noch mit gemeindlichen Verkehrsproblemen zu befassen. Das ist nämlich keine Frage, die rhetorisch zu lösen ist, sondern da gilt das, was ich heute nachmittag sagte: dazu gehört Pulver! Mit Schulaufsätzen und Reglements kriegen Sie die Verkehrsprobleme nicht hin.
— Das habe ich ja gar nicht gemeint. — Wer da nicht die Mittel beischafft, damit man die Gemeinden in den Stand setzen kann, baulich diese Probleme zu lösen, der wird dieser Aufgabe nicht Herr werden. Wir müssen uns miteinander überlegen —das wird sicher auch im Rahmen der Finanzreform eine Rolle spielen —, ob wir den Zugang zu den Mitteln bekommen, die erforderlich sein werden.Ich glaube, das reicht für heute abend für das, was ich als Schlußwort noch zu sagen hätte.
Ja, bitte, Herr Abgeordneter Brück!
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht bereit wären, die heute morgen in Ihrem Referat oder Vortrag angekündigte Dienstanweisung für Ministerialräte bei der Hauptverwaltung zurückzuziehen? Ich meine, man soll von Einzelfällen nie auf die Gesamtheit schließen. Denn es sind schließlich nur 42 da.
Ich habe nicht von einer Dienstanweisung gesprochen, sondern habe davon gesprochen, wie ich mir die Rolle eines hohen Beamten in der Führung der Deutschen Bundesbahn vorstelle, und ich meine, das ist gar nicht so falsch.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir müssen noch die Überweisung an die Ausschüsse beschließen. Der Ältestenrat hat Ihnen auf der Tagesordnung — ich will das jetzt nicht im einzelnen vortragen — Vorschläge für die Überweisung an die Ausschüsse gemacht. In der Debatte ist vorgeschlagen worden, die Vorlagen — ich nehme an, daß Sie alle Vorlagen gemeint haben, oder nur einen Teil, Herr Kollege Reinhard?
— Lieber nicht!
Entschuldigen Sie, ich mache jetzt einen Vorschlag.
— Das habe ich gehofft.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß die Vorlagen, die dafür in Frage kommen — es sind offenbar nur wenige —, von dem federführenden Ausschuß auch dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur gutachtlichen Äußerung vorgelegt werden. Ich glaube, das sollte genügen. Wir sollten die Geschichte nicht allzusehr komplizieren.
Herr Präsident, ich hatte den Antrag gestellt, die Vorlagen auch an den Ernährungsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Ich lege besonderen Wert auf die Überweisung der Vorlagen unter Punkt 3 a der vorläufigen Tagesordnung — entsprechend Punkt 6 a der endgültigen Tagesordnung —, Punkt 3 c der vorläufigen Tages-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Februar 1968 8009
Dr. Reinhardordnung — entsprechend Punkt 6 c der endgültigen Tagesordnung — und Punkt 4 a .der vorläufigen Tagesordnung — entsprechend Punkt 7 a der endgültigen Tagesordnung —. Zu der Vorlage unter Punkt 3 b der vorläufigen Tagesordnung — entsprechend Punkt 6 b der endgültigen Tagesordnung — sollte der Ernährungsausschuß gutachtlich gehört werden.Vizepräsident Schoettle Meine Damen und Herren, Sie haben diesen Antrag gehört.Ich schlage vor, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gutachtlich zu hören.
— Ich frage das Haus, ob es diesem Vorschlag folgt.
Darf ich um ein Handzeichen bitten! — Das ist offenkundig die Mehrheit. Dann wird so verfahren.Im übrigen frage ich das Haus, ob es den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates im Ganzen zustimmen will.
— Dem wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 14. Februar, 14 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.