Protokoll:
5108

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 108

  • date_rangeDatum: 10. Mai 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:32 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:19 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 108. Sitzung Bonn, den 10. Mai 1967 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Kurlbaum 5079 A Abg. Frau Dr. Wex und Abg. Dr. Enders treten in den Bundestag ein 5079 B Wahl des Abg. Dr. Kreutzmann als ordentliches Mitglied im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt 5079 B Wahl des Abg. Dr. Reischl als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß . . . 5079 B Wahl des Abg. Hirsch als stellv. Mitglied im Vermittlungsausschuß 5079 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 5079 C Fragestunde (Drucksache V/1706) Fragen der Abg. Dr. Effertz und Opitz: Finanzierung der Broschüre „Mein Hof und die Zukunft'' 5080 C Frage des Abg. Dorn: Frage eines Treffens zwischen Bundeskanzler Kiesinger und dem DDR-Ministerpräsidenten Stoph Wehner, Bundesminister 5081 B Dorn (FDP) 5082 D Genscher (FDP) 5083 A Fellermaier (SPD) 5083 B Mertes (FDP) . . . . . . . . . 5083 C Fragen des Abg. Dr. Czaja: Förderung von Wohnheimplätzen für Schwestern im Krankenpflegedienst Dr. Lauritzen, Bundesminister . . . 5084 A Dr. Czaja (CDU/CSU) 5084 B Baier (CDU/CSU) 5084 C Fragen des Abg. Dr. Tamblé: Zahnärzte — Nachwuchsmangel . . 5085 A Frage des Abg. Rollmann: Löschung der Eintragung von Futtermitteln mit thyreostatischer und östrogener Wirkung im Arzneimittelregister Frau Strobel, Bundesminister . . . 5085 C Rollmann (CDU/CSU) . . . . . . 5085 C Frage des Abg. Rollmann: Italienisches Einfuhrverbot für Kalbfleisch aus den Niederlanden Frau Strobel, Bundesminister . . . 5085 D Rollmann (CDU/CSU) . . . . . . 5086 A Reichmann (FDP) . . . . . . . 5086 B Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . . 5086 C Frage des Abg. Rollmann: Verfahren für die Registrierung von Arzneimitteln in Deutschland Frau Strobel, Bundesminister . . . 5087 A Rollmann (CDU/CSU) . . . . . . 5087 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . . 5087 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 Frage des Abg. Ollesch: Zunahme der bösartigen Krebsneubildungen Frau Strobel, Bundesminister . . 5088 A Ollesch (FDP) 5088 C Reichmann (FDP) 5089 A Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Befristete Herabsetzung der Beförderungsteuer bzw. Befreiung von der Kfz.-Steuer für Spezialrundholzfahrzeuge Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 5089 B Dr. Rinderspacher (SPD) 5089 C Frage des Abg. Hofmann (Kronach) : Hauptzollamt Coburg Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 5089 D Hofmann (Kronach) (SPD) . . . 5090 A Frage des Abg. Hofmann (Kronach) : Vermeidung einer Abwanderung aus dem Zonenrandgebiet Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5090 B Hofmann (Kronach) (SPD) . . . . 5090 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 5090 D Frage des Abg. Hofmann (Kronach) : Nichtbeförderung von Zollbeamten im Zonenrandgebiet bei entfernterem Wohnort Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5091 A Hofmann (Kronach) (SPD) . . . . 5091 C Fragen des Abg. Zebisch: Verlegung polnischer Wacheinheiten der US-Armee — Gefahr der Entlassung deutscher Arbeitnehmer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5091 C Zebisch (SPD) 5092 A Aktuelle Stunde Frage der Deutschlandpolitik Genscher (FDP), zur GO 5092 B Schoettle, Vizepräsident 5092 C Dorn (FDP) 5092 D Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 5093 B Wehner, Bundesminister . . . . 5093 D Mischnick (FDP) 5094 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 5095 B Sänger (SPD) 5096 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 5096 C Genscher (FDP) 5097 B Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache V/890); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen V/1686, zu V/1686) — Zweite und dritte Beratung — Rasner (CDU/CSU), zur GO . . . 5097 D Genscher (FDP), zur GO . . . . . 5097 D Schoettle, Vizepräsident . . . . . 5098 A Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 5098 B Dr. Schiller, Bundesminister . . 5099 C Opitz (FDP) 5099 D Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität (Drucksache V/890) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (Drucksachen V/1678, zu V/1678) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Elbrächter (CDU/CSU) . . . . 5100 B Dr. Mommer, Vizepräsident . . . 5105 B Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 5105 B Opitz (FDP) . . . . . . . . . 5109 B Ravens (SPD) 5110 C Schmücker, Bundesminister . . . . 5113 A Dr. Haas (FDP) 5114 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 5115 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) . 5118 D Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5119 C Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 5121 B Dr. Schiller, Bundesminister . . . 5122 D Frau Funcke (FDP) 5126 A Schoettle, Vizepräsident 5127 A Dr. Staratzke (FDP) 5129 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 5137 C Nächste Sitzung 5137 D Anlagen 5139 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 . 5079 108. Sitzung Bonn, den 10. Mai 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    *) Siehe Anlage 5 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 12. 5. Dr. Aigner * 12. 5. Dr. Apel * 12. 5. .Arendt (Wattenscheid) * 12. 5. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 12. 5. Dr. Artzinger * 12. 5. Bading * 12. 5. Prinz von Bayern 1. 6. Bazille 12.5. Behrendt * 12. 5. Bergmann * 12. 5. Berkhan 12. 5. Beuster 10. 5. Dr. Birrenbach. 12. 5. Blumenfeld 12. 5. Frau Brauksiepe 12. 5. Deringer * 12. 5. Dichgans * 12. 5. Dr. Dittrich * 12. 5. Dröscher * 12. 5. Dr. Eckhardt 12. 5. Eisenmann 31. 5. Frau Dr. Elsner * 12. 5. Faller * 12. 5. Frau Freyh 12. 5. Dr. Furler * 12. 5. Frau Geisendörfer 12. 5. Gerlach * 12. 5. Gibbert 12.5. Graaff 12. 5. Dr. Gradl 12. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 12. 5. Hahn (Bielefeld) * 12. 5. Höhne 15. 6. Horten 12. 5. Illerhaus * 12. 5. Dr. Ils 12. 5. Jacobi (Köln) 15. 5. Kiep 12. 5. Klinker * 12.5. Dr. Kopf 12. 5. Kriedemann * 12. 5. Kulawig * 12. 5. Kunze 12. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 5. Lenz (Brühl) 12. 5. Lenz (Trossingen) 23. 5. Lücker (München) * 12. 5. Majonica 12.5. Mattick 12. 5. Dr. Marx (Kaiserslautern) 15. 5. Mauk * 12. 5. Frau Dr. Maxsein 12. 5. Memmel * 12. 5. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mengelkamp 15. 5. Dr. von Merkatz 12. 5. Merten * 12. 5. Metzger * 12. 5. Michels 12. 5. Dr. h.c. Dr.-Ing. E. h. Möller 12. 5. Müller (Aachen-Land) * 12. 5. Peters (Norden) 30. 6. Frau Pitz-Savelsberg 2. 6. Dr. Pohle 12. 5. Richarts * 12. 5. Riedel (Frankfurt) * 12. 5. Rösing 12. 5. Ross 10. 5. Dr. Rutschke 12. 5. Schmidt (Hamburg) 12. 5. Schmitt-Vockenhausen 12. 5. Frau Schroeder (Detmold) 10. 5. Schwabe 12. 5. Dr.-Ing. Seebohm 12. 5. Seifriz * 12. 5. Dr. Sinn 12. 5. Seuffert * 12. 5. Springorum * 12. 5. Dr. Starke (Franken) 12. 5. Stingl 10. 5. Struve 31.5. Dr. Tamblé 12. 5. Varelmann 10. 5. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 10. 5. Wellmann 12. 5. Frau Wessel 12. 5. Dr. Wörner 12. 5. b) Urlaubsanträge Corterier 10. 6. Dr. Dehler 27. 5. Hamacher 29. 5. Hellenbrock 31. 5. Dr. Klepsch 15. 6. Dr. Mende 22. 5. Dr. Schröder (Sellstedt) 1. 6. Vogt 3. 6. Anlage 2 Umdruck 223 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregerung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zuir Förderung der wirtschaftlichen Stabilität - Drucksachen V/890, V/1678 -. Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 2 Abs. 1 Nr. 2 wird gestrichen. 2. In § 6 Abs. 3 werden nach dem Wort „ermächtigt" die Worte „mit Zustimmung des Bundestages" eingefügt. 3. In § 26 Nr. 3 Buchstabe b werden in dem neu eingefügten Absatz 2 des § 51 des Einkommen- 5140 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 steuergesetzes jeweils die Worte „sowie die Bemessung der Absetzung für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen" gestrichen. 4. In § 26 Nr. 3 Buchstabe b wird der Nummer 2 des neu eingefügten Absatzes 2 des § 51 des Einkommensteuergesetzes folgender Satz angefügt: „Die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen darf nicht ausgeschlossen werden für Anlagen zur Verhinderung, Beseitigung oder Verringerung von Schädigungen durch Abwässer, der Verunreinigung der Luft sowie für Anlagen zur Verhinderung, Beseitigung oder Verringerung von Lärm oder Erschütterungen und für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Forschung oder Entwicklung dienen." 5. In § 26 Nr. 3 Buchstabe b wird der neu eingefügte Absatz 3 des § 51 des Einkommensteuergesetzes gestrichen. 6. § 27 Nr. 1 wind gestrichen. 7. § 27 Nr. 2 Buchstabe i wird gestrichen. Bonn, den 10. Mai 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 3 Umdruck 225 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität — Drucksachen V/890, V/1678, zu V/1678 —. Der Bundestag wolle beschließen: § 6 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt: „Soweit solche Kredite auf eine nachträglich in einem Haushaltsgesetz ausgesprochene Kreditermächtigung angerechnet werden, kann das Recht zur Kreditaufnahme erneut in Anspruch genommen werden." Bonn, den 10. Mai 1967 Brand und Fraktion Schellenberg und Fraktion von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 4 Umdruck 224 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität — Drucksachen V/890, V/1678 — Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 26 Nr. 3 Buchstabe a wird gestrichen, 2. Folgender neuer § 26 a wird eingefügt: „§ 26 a (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, aus dem Einkommensteueraufkommen eine Steuervergütung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren beweglichen und die Herstellungskosten von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in Höhe bis zu 7,5 vom Hundert zu gewähren, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eingetreten ist oder sich abzeichnet, die eine nachhaltige Verringerung der Umsätze oder der Beschäftigung zur Folge hatte oder erwarten läßt, insbesondere bei einem erheblichen Rückgang der Nachfrage nach Investitionsgütern oder Bauleistungen. Bei der Bemessung der Vergütung dürfen nur berücksichtigt werden aa) die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von beweglichen Wirtschaftsgütern, die innerhalb eines jeweils festzusetzenden Zeitraumes, der ein Jahr nicht übersteigen darf (Begünstigungszeitraum) angeschafft oder hergestellt werden, bb) die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von beweglichen Wirtschaftsgütern, die innerhalb des Begünstigungszeitraums bestellt und angezahlt werden oder mit deren Herstellung innerhalb des Begünstigungszeitraums begonnen wird, wenn sie innerhalb eines Jahres, bei Schiffen innerhalb zweier Jahre nach Ablauf ,des Begünstigungszeitraumes geliefert oder fertiggestellt werden. Soweit bewegliche Wirtschaftsgüter im Sinne des Satzes 1 mit Ausnahme von Schiffen nach Ablauf eines Jahres, aber vor Ablauf zweier Jahre nach dem Ende des Begünstigungszeitraumes geliefert oder fertiggestellt werden, dürfen bei Bemessung der Vergütung die bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Ende des Begünstigungszeitraumes aufgewendeten Anzahlungen und Teilherstellungskosten berücksichtigt werden, cc) die Herstellungskosten von Gebäuden, in denen innerhalb des Begünstigungszeitraumes der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird, wenn sie bis zum Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des Begünstigungszeitraumes fertiggestellt werden; dabei scheiden geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und Wirtschaftsgüter, die in gebrauchtem Zustand erworben werden, aus. Von der Begünstigung können außerdem Wirtschaftsgüter ausgeschlossen werden, für die Sonderabschreibungen, erhöhte Absetzungen oder die Investitionszulage nach § 19 des Berlinhilfegesetzes in Anspruch genommen werden. (2) Die Vergütung kann nach Abschluß des Geschäftsjahres beantragt werden. Sie ist binnen drei Monaten gegen fällige Einkommensteuern zu verrechnen oder auszuzahlen. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 5141 (3) Die Vergütung mindert nicht die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 7 des Einkommensteuergesetzes. (4) Rechtsverordnungen aufgrund dieser Ermächtigung bedürfen der Zustimmung des Bundestages. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Bundestag nicht binnen vier Wochen nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat." 3. § 27 Nr. 2 Buchstabe k wird gestrichen. Bonn, den 10. Mai 1967 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 5 Umdruck 226 Entschließungsantrag der Fraktion der. CDU/ CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität — Drucksachen V/890, V/1678 —. Der Bundestag wolle beschließen: Vor Ausnutzung einer Ermächtigung nach § 26 Nr. 3 Buchstabe a wird die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, ob nicht bei dieser Gelegenheit eine Abänderung des Stufenplans gemäß § 30 des Mehrwertsteuergesetzes in Erwägung gezogen werden kann wegen einer größeren konjunkturpolitischen Wirkung. Bonn, den 10. Mai 1967 Dr. Barzel und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 3 b der Tagesordnung. Wie heute bereits schon öfters festgestellt, bringt der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft eine wesentliche Verbesserung des konjunkturpolitischen Instrumentariums. Das Gesetz bewirkt zugleich eine Stärkung der Stellung des für die Konjunkturpolitik in erster Linie verantwortlichen Bundeswirtschaftsministers. Er wird nicht mehr so sehr wie bisher beschränkt sein auf das Reden und Ratgeben; er wird in einem größeren Umfang als bisher handeln können. Damit fällt ihm aber auch eine erhöhte Verantwortung zu. Bereits aus dem Vorhandensein dieses Gesetzes ergibt sich ein höheres Engagement der Wirtschaftspolitik des Bundes gegenüber der Gesamtwirtschaft. Insofern stellt dieses Gesetz einen Markstein in der wirtschaftspolitischen Entwicklung der Bundesrepublik dar. Dies kann allerdings nicht bedeuten, daß die Verantwortung des Unternehmers für sein wirtschaftliches Schicksal, für seinen Erfolg oder Mißerfolg geringer geworden ist. Durch das Gesetz wird ein modernes konjunkturpolitisches Instrumentarium geschaffen, also der Bundesregierung neue Werkzeuge zur Verfügung gestellt; nicht ein neues wirtschaftspolitisches Konzept. Dieses Konzept ist die Fortführung der sozialen Marktwirtschaft unter Zuhilfenahme der sogenannten Globalsteuerung. Dieser Begriff bedarf allerdings noch der weiteren Diskussion. Er bedarf der Ausfüllung hinsichtlich der Art des Umfangs und der Ziele der Maßnahmen, die man unter Berufung auf diese Globalsteuerung ins Auge faßt. Das Bekenntnis zur Marktwirtschaft schließt auch das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des marktwirtschaftlichen Mechanismus ein. Die Globalsteuerung sollte sich darauf beschränken, die Entfaltung dieser Selbstheilungskräfte zu beschleunigen und zu unterstützen. Sie darf nicht zu einer unübersehbaren Kette von Interventionen führen. Ein derartiger Gebrauch des Instrumentariums würde zu einer Verfälschung und Verkümmerung der in einem marktwirtschaftlichen System eingebauten Stabilisierungsfaktoren führen. Die Selbststeuerung der wirtschaftlichen Kräfte durch .den Marktmechanismus muß das primäre Ordnungsmoment bleiben. Diese Forderung ergibt sich nicht nur aus ordnungspolitischen Überlegungen, sondern auch daraus, daß nach wie vor eine Diskrepanz zwischen dem vorhandenen wirtschaftspolitischen Eingriffspotential, das durch das vorliegende Gesetz wesentlich erweitert wird, und den mehr als bescheidenen Möglichkeiten der Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Bei der gegebenen Sachlage ist auf jeden Fall Vorsicht am Platze. Aus der neuen Überschrift des Gesetzes ergibt sich eine Gleichrangigkeit der wirtschaftlichen Ziele Stabilität und Wachstum. Nach dem gegenwärtigen Stand der konjunkturpolitischen Diskussion soll dies heißen, daß jeweils dem in einem bestimmten Zeitpunkt am meisten gefährdeten Ziel ein besonderes Augenmerk gewidmet werden soll, ohne dabei das andere zu vernachlässigen. Durch diese Formel werden allerdings auch in Zukunft Zielkonflikte zwischen Stabilität und Wachstum nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Wirtschaftliches Wachstum ist nicht nur — ich möchte sogar behaupten nicht einmal primär — ein konjunkturpolitisches Ziel. Gerade in der derzeit geführten öffentlichen Diskussion besteht die Gefahr, das wirtschaftliche Wachstum einseitig als ein konjunkturpolitisches oder gar nur als ein monetäres Problem aufzufassen. Es genügt nicht, zur Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums für eine angemessene Expansion der Gesamtnachfrage zu sorgen, die nur allzu leicht inflationäre Züge annehmen kann. Diese wirtschaftspolitische Aufgabe muß auch von der Seite des Angebots her gesehen werden. Eine langfristige Wachstumspolitik muß die Anpassung der Wirtschaftsstruktur — und zwar sowohl der regionalen als auch der sektoralen Struktur — an den technischen Fortschritt und an 5142 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 die sich vollziehenden soziologischen Veränderungen fördern. Die langfristige Strukturpolitik muß gleichberechtigt an die Seite der kurz- und mittelfristigen Konjunkturpolitik treten. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft — in Verbindung mit dem Gesetz zur Ergänzung des Art. 109 des Grundgesetzes — die Voraussetzungen für eine konjunkturgerechte Ausgabenwirtschaft aller öffentlichen Haushalte. Auf diesem Gebiet waren mögliche Konflikte zwischen verschiedenen Werten unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung zu lösen. Da€ Erfordernis einer einheitlichen Konjunkturpolitik war mit dem föderalistischen Prinzip sowie mit dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und dem der Sozialversicherungsträger in Einklang zu bringen. Ich glaube, daß Lösungen gefunden worden sind, die auch für den Bundesrat annehmbar sein werden, so daß keine weiteren Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren eintreten. Der vorliegende Gesetzentwurf könnte somit ein positives Beispiel für das Prinzip des kooperativen Föderalismus werden. In den die öffentliche Finanzwirtschaft betreffenden Vorschriften sehe ich den politischen Schwerpunkt dieses Gesetzes. Die Fiskalpolitik, die konjunkturgerechte Gestaltung der öffentlichen Ausgaben, ist eine wertvolle — und bei dem gegenwärtigen Anteil der öffentlichen Hand am Sozialproduktunerläßliche Ergänzung der klassischen konjunkturpolitischen Mittel der Notenbank, also der Beeinflussung des Geld- und Kreditvolumens. Eine konjunkturbezogene Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand kann konjunkturelle Schwächen, die sich in bestimmten Sektoren der Volkswirtschaft abzeichnen, in einem Anfangsstadium wirksam bekämpfen. Diese Absicht lag auch dem bereits verabschiedeten Eventualhaushalt der Bundesregierung zugrunde. In Zukunft werden derartige Maßnahmen auf Grund des Stabilitätsgesetzes schneller und reibungsloser eingeleitet werden können. Gegenüber der Bedeutung der Fiskalpolitik treten die Maßnahmen der Einkommenspolitik wie etwa die Instrumente des nach wie vor umstrittenen § 26 des Entwurfs zweifellos zurück. Mit der Einführung dieser Instrumente wird — trotz der zwiespältigen Erfahrungen in den USA und Großbritannien — wirtschaftspolitisches Neuland betreten. Bei ihrer Anwendung ist große Vorsicht am Platze. Ich möchte der Einkommenspolitik und der Manipulierung der Investitionen gegenüber der Fiskalpolitik nur subsidiären Charakter zuweisen. Die 'Erfahrungen der letzten Wochen haben gezeigt, daß das Konsumentenverhalten nicht immer mit der Einkommensentwicklung konform geht. Dasselbe gilt für den Zusammenhang zwischen Investitionsentscheidungen und steuerlichen Begünstigungen und Beschränkungen. Für besonders bedenklich halte ich nach wie vor die Ermächtigung der Bundesregierung nach § 26 Nr. 3 'b des Entwurfs, durch eine Rechtsverordnung die Anwendung der degressiven Abschreibung auszuschließen, wenn ich auch gerne einräume, daß diese Ermächtigung gegenüber der ursprünglichen Formulierung wesentlich präziser gefaßt worden ist. Abgesehen von erheblichen 'betriebswirtschaftlichen Bedenken wird diese Bestimmung der Tatsache zu wenig gerecht, daß Investitionsentscheidungen heute auf Grund mehrjähriger Planungen fallen, die den Konjunkturzyklus zeitlich wesentlich überlappen. Mit großer Vorsicht und Behutsamkeit behandelt der Gesetzentwurf zwei Komplexe, die für die konjunkturelle Entwicklung von großer Bedeutung sind, nämlich die Lohnfindung und die sogenannte außenwirtschaftliche Absicherung. Ich bin der Meinung, daß diese Zurückhaltung richtig war. Die Respektierung der Tarifhoheit der Sozialpartner durch den Gesetzgeber bürdet aber den Gewerkschaften und Arbeitgebern ein besonderes Maß an gesamtwirtschaftlicher Verantwortung auf. Die Entscheidungshilfe, die die Bundesregierung den Sozialpartnern nach § 3 des Gesetzentwurfs geben kann, stellt gleichzeitig die Trennungslinie zwischen der staatlichen Konjunkturpolitik einerseits und dem Ringen der Sozialpartner um die Verteilung des Sozialprodukts andererseits dar. Ich möchte daher die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister kreierte Formel von der „sozialen Symmetrie" so verstanden wissen, daß sie eine Neutralität der staatlichen Konjunkturpolitik gegenüber diesen Verteilungskämpfen zum Ausdruck bringen soll. Man sollte sie aber keineswegs als eine Art Bremse betrachten. Die Wirksamkeit konjunkturpolitischer Maßnahmen darf durch derartige Überlegungen, die anderen politischen Bereichen zuzuordnen sind, keineswegs gefährdet oder verwässert werden. Ich begrüße es, daß die Bundesregierung in § 4 des Entwurfs klar herausgestellt hat, daß bei der Abwehr außenwirtschaftlicher Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die Maßnahmen der internationalen Koordinierung absoluten Vorrang gegenüber einseitigen währungspolitischen Entscheidungen haben. Bei einem System der festen Wechselkurse ist eine Veränderung der Währungsparitäten im Wege einer Auf- oder Abwertung eine schmerzhafte Operation, die die Handelsströme oft auf lange Zeit erheblich beeinträchtigen, ja sogar auf Dauer umlenken können. Trotz der von mir in einzelnen Punkten vorgetragenen Bedenken steht die CSU-Landesgruppe hinter dem Gesamtkonzept dieses Entwurfs. Er schafft für die Bewältigung der zukünftigen konjunkturpolitischen Aufgaben eine verbesserte Ausgangsbasis. Er löst selbstverständlich nicht a priori diese Probleme. Nach wie vor wird die Konjunkturpolitik eine schwierige Angelegenheit bleiben. Es ist zu hoffen, daß vor allen Dingen die Methoden der Wirtschaftsprognose in den nächsten Jahren entscheidend verbessert werden können, damit Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden können. Dazu wünschen wir dem Wirtschafts- und dem Finanzminister viel Erfolg. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 5143 Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Ravens für die Fraktion der SPD zu Punkt 3 b der Tagesordnung. Der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, der uns jetzt nach einer gründlichen Beratung und Umarbeitung nicht zuletzt auf der Grundlage der siebzehn Änderungs- und Ergänzungsanträge meiner Fraktion vorliegt, öffnet das Tor zu einer modernen Wirtschaftspolitik der Verbindung von Globalsteuerung und Marktwirtschaft, die die Chance einer ständigen Anpassung unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung an die sich ständig ändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen bietet. Dieses Gesetz trug in seiner Urfassung deutlich die Züge eines einseitigen Mittels zur Dämpfung der öffentlichen Ausgaben und damit der Konjunktur. Als der Entwurf im Deutschen Bundestag am 14. September 1966 in der ersten Lesung beraten wurde, zeigten sich am Horizont bereits deutlich sichtbare Zeichen einer sich abschwächenden Konjunktur auf. Zwar wurde das in diesem Hohen Hause nicht von allen bemerkt, aber ich erinnere daran, daß mein Kollege Klaus Dieter Arndt in dieser Sitzung die Frage an die Regierung Erhard richtete: Wann eigentlich wollen Sie gegenhalten, oder soll die Konjunktur erst in den Keller gehen? Der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages hatte dann auch in der Tat seine Beratungen in einer sich immer mehr abschwächenden Konjunktur führen müssen, in einer Konjunkturabschwächung mit allen ihren belastenden und sozialen wirtschaftlichen Folgen, die nur langsam überwunden wird. Dieses Gesetz wurde also in einer Zeit beraten, in der jeder erkennen konnte, wie schnell die wirtschaftlichen Verhältnisse umschlagen können, wenn mangelnde politische Entscheidungskraft und ein ungenügendes wirtschaftspolitisches Instrumentarium zusammentreffen. Die augenblickliche konjunkturelle Situation unterscheidet sich wesentlich von dem gewohnten Bild der Nachkriegszeit. Während bisher konjunkturellen Rückschlägen in einzelnen Volkswirtschaften stets expansive Phasen in anderen Volkswirtschaften gegenüberstanden, ergibt sich gegenwärtig zum ersten Male seit 1945 das Bild einer beinahe allgemeinen Abschwächung in der Weltwirtschaft. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute charakterisieren in ihrer jüngsten Analyse der Wirtschaftslage diese Situation wie folgt: „Erstmals seit vielen Jahren trifft gegenwärtig ein Nachfragemangel in zahlreichen europäischen Ländern zeitlich mit Ermüdungserscheinungen in den nordamerikanischen Volkswirtschaften zusammen. Das Wechselspiel von anregenden und retardierenden Auslandseinflüssen, die sich über Waren- und Leistungsströme von Land zu Land übertragen, hat nicht nur in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, sondern auch zwischen den europäischen Volkswirtschaften an Bedeutung verloren. Damit fällt aber auch ein Wachstumsstimulans aus, das während der vergangenen Jahre in den einzelnen Ländern in phasenkonjunktureller Abschwächung immer wieder sehr wirksam gewesen ... ist". Darüber hinaus haben sich die Wachstumsbedingungen wesentlich verändert. Die in der zurückliegenden Phase des Wiederaufbaus und der Integration der deutschen Volkswirtschaft in die Weltwirtschaft wirkenden Auftriebskräfte haben nachgelassen. Erstmals in der Nachkriegszeit ist nicht nur eine Verlangsamung des Wachstumstempos, sondern ein deutlicher Rückgang eingetreten. Mit diesen Problemen werden wir nur dann fertig werden können, wenn es uns gelingt, unter den erschwerten Wachstumsbedingungen die Investitionsquote des Staates und der Privaten wesentlich anzuheben und in den folgenden Jahren auf einem hohen Niveau zu halten. Wenn auch in der augenblicklichen Situation die Wirtschaftspolitik auf einen Aufschwung und die Erreichung eines optimalen Wachstums gerichtet sein muß, so wäre das hier vorliegende Gesetz nicht vollständig, wenn es nicht gleichzeitig Instrumente zur Sicherung der Stabilität des Geldwertes bereitstellen würde. Weder Stabilität um jeden Preis noch Wachstum um jeden Preis können Richtpunkte einer modernen Wirtschaftspolitik sein. Vielmehr ist eine Einpassung der wirtschaftlichen Maßnahmen in den Zielkatalog dieses Gesetzes notwendig, der im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig Stabilität des Preisniveaus, hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum anstrebt. Soziale Marktwirtschaft braucht zur Erfüllung ihres sozialen Auftrags nicht nur stabiles Geld, sondern stetiges, optimales Wachstum. Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik sind in einer Zeit, in der der größte Teil der Bevölkerung in die soziale Sicherung einbezogen ist, aufs engste miteinander zu verbinden. Die Sozialenquete rechnet zu den Aufgaben der Wirtschaftspolitik: 1. Die Sicherung vor Depressionen (und damit vor dem sozialen Notstand der Arbeitslosigkeit), 2. die Sorge für die Preisniveaustabilität (und damit die Sicherung ... vor der sozialen Zukunftsungewißheit, die mit unberechenbaren Preisniveausteigerungen verbunden ist), 3. die Sicherung vor einschneidenden Wirkungen regionaler oder branchenweiser Strukturwandlungen, 4. die Sicherung des (auch im engeren Sinne sozial) gleichgewichtigen Wachstums. Die Öffentlichkeit befaßt sich in letzter Zeit mehr und mehr mit dem auf uns zukommenden sogenannten Rentenberg. Vorausschätzungen ergeben, daß sich die Zahl der Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung bis 1970 nicht mehr erhöhen wird, während bis zum gleichen Zeitpunkt die Zahl der Rentner etwa um 10% (800 000) ansteigen dürfte. Hieraus ergeben sich Defizite in den Rentenbudgets. Diese absehbaren erhöhten sozialen Lasten müssen getragen werden. Ein jährlicher Produktivitäts-, Lohn- und Bruttosozialproduktan- 5144 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 stieg von etwa 4 % würde die Finanzierung der Renten wesentlich erleichtern. Wir brauchen also nicht zuletzt um unserer sozialen Verpflichtungen willen eine Wirtschaftspolitik, die ein optimales Wachstum, wie in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 gefordert, anstrebt. Der heute vorliegende gründlich beratene und zielbewußt umgearbeitete Gesetzentwurf ermöglicht mit seinem Instrumentarium die Lösung der hier aufgezeigten Aufgaben. Nicht zuletzt ,ist dieses Gesetz auch als ein ordnungspolitisches Kerngesetz auf wirtschaftlicher Ebene zu verstehen. Das Gesetz sucht die Zusammenführung der wirtschaftlich eigenständigen Kräfte und Gruppen des Marktbereichs und des öffentlichen Sektors, insbesondere in Zeiten drohenden oder eingetretenen gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts, ein auf gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht gerichtetes, abgestimmtes ökonomisches Verhalten zu fördern. Hierdurch wird verhindert, daß unser Wirtschaftssystem politisch aus den Fugen gerät. Die im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vorgesehenen Maßnahmen fügen sich nicht nur ausdrücklich in den Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung ein, sondern sie bilden darüber hinaus ein Element der Festigung des marktwirtschaftlichen Systems. Das Gesetz gibt der Regierung ein differenziertes Instrumentarium zur Globalsteuerung des marktwirtschaftlichen und öffentlichen Sektors in die Hand. Die Globalsteuerung der Volkswirtschaft ist die einzige wirksame Alternative zum Einzelinterventionismus, mit dem sich die bisherigen Regierungen entgegen ihrem eigenen marktwirtschaftlichen Glaubensbekenntnis zunehmend mühsam und erfolglos aushalfen. Die Globalsteuerung setzt die Schwelle, von der an sich eine dirigistische Wirtschaftspolitik aufdrängt, ganz entschieden nach oben. In der heutigen Zeit führt die Globalsteuerung der Volkswirtschaft zugleich zu einer Festigung und zu einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit der marktwirtschaftlichen Ordnung. Dazu brauchen Regierung und Parlament dieses Gesetz. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt mit Genugtuung fest, daß ihre nach Vorlage des alten Stabilitätsgesetzentwurfes eingebrachten siebzehn Änderungs- und Ergänzungsvorschläge und die als Essentials bezeichneten fünf Hauptpunkte von der neuen Bundesregierung übernommen und im Wirtschaftsausschuß in den vorliegenden Gesetzentwurf eingebaut wurden. Damit wurde der ursprüngliche Regierungsentwurf zur Dämpfung der Konjunktur zu einem Gesetz auf der Höhe unserer Zeit ausgestaltet. Deshalb heißt dieses Gesetz auf Anregung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion jetzt auch: Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Diese Formel gibt eine knappe Wiedergabe des Gesetzesinhalts. Auch nach dem Eintritt der Sozialdemokraten in die Bundesregierung wurden alle ursprünglichen sozialdemokratischen Forderungen zu diesem Gesetz in vollem Umfange aufrechterhalten. Erst nach Bildung der neuen Bundesregierung wurden unsere Forderungen im Verlaufe der Beratungen übernommen. Noch in der ersten Lesung des ursprünglichen Regierungsentwurfs am 14. September 1966 wurden in diesem Hause von Sprechern der damaligen Koalition erhebliche Bedenken gegenüber der sozialdemokratischen wirtschaftlichen Konzeption geltend gemacht. Ein Kollege der damaligen Koalition erklärte seinerzeit bei der ersten Lesung des ehemaligen Stabilitätsgesetzes: „Was aber war das Geheimnis des Erfolges (von Erhards Wirtschaftspolitik)? War das Geheimnis des Erfolges der Refrain, den wir immer wieder von Ihnen hören: Globalsteuerung, Rahmenplanung, Wohlfahrtspolitik, kurzfristig, mittelfristig, langfristig? Nein, meine Damen und Herren!" Den „Erfolg" dieser Politik hat dieser Redner und haben wir alle am 1. Dezember, also knapp zehn Wochen nach Einbringung des Stabilitätsgesetzes, in nicht zu übertreffender Deutlichkeit erlebt. Das Instrumentarium, das heute in dieses Gesetz zur Förderung von Stabilität und Förderung der Wirtschaft aufgenommen worden ist, wurde noch am 14. September als „Zauberworte" abgetan. Diese Auffassung, diese verkehrte Auffassung, war nicht etwa eine vereinzelte Fehlleistungen eines Abgeordneten, sondern sie war unbewußt bereits Nachruf auf eine Wirtschaftspolitik der Ziel- und Zügellosigkeit. Unsere wirtschaftspolitische Konzeption in das Reich der Märchen zu verweisen, war, wie die heutige Situation zeigt, verhängnisvoll und zugleich höchst kurzsichtig. In der heutigen Lage benutzt diese Regierung jene in langen Jahren gewachsene Konzeption, die mit den Namen Heinrich Deist, Karl Schiller und Alex Möller verbunden ist, um die Rezession zu überwinden. Bereits 1956 legte die sozialdemokratische Fraktion dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Förderung eines stetigen Wachstums der Gesamtwirtschaft vor. In diesem Entwurf wurde bereits eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr gefordert, die insbesondere Fehlentscheidungen sowie die Auswirkungen und die Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen aufzeigen sollte. Leider wurden diese verantwortungsbewußten Vorschläge der Sozialdemokraten im Jahre 1956 von der damaligen Mehrheit abgelehnt. Die sozialdemokratischen Vorschläge zur Schaffung eines wirtschaftspolitischen Instrumentariums wurden nicht ernst genommen. So sind zehn Jahre vertan worden. Die Linie sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik läßt sich lückenlos von 1956 bis heute verfolgen. So heißt es z. B. in der Entschließung zu einer Wirtschafts- und Finanzpolitik als Einheit auf dem Parteitag in Karlsruhe 1964: „Für die wirtschaftliche Wirklichkeit unseres Jahrzehnts sind die Schablonen der Jahre 1948/49 nicht ausreichend. Erst die Kombination von Marktwirtschaft monetärer und fiskalischer Globalsteuerung und Wohlfahrtspolitik ist die Lösung, die sich auf der Höhe der Zeit befindet." Im Hinblick auf die Finanzpolitik forderte der Parteitag, und das kann jeder Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 5145 dort nachlesen: „Um die Zielanordnung und die Auswirkungen der anzuwenden Methoden im Rahmen einer wachstumsorientierten Finanzpolitik erkennbar und beeinflußbar zu machen, bedarf es zudem einer mittelfristigen Haushaltsplanung. Sie soll das voraussichtliche Ausmaß des Deckungsbedarfs der öffentlichen Hand in den einzelnen Rechnungsjahren darstellen und den Gesamtrahmen aller öffentlichen Verpflichtungen sichtbar machen." Weiter wurde ein Instrumentarium gefordert, ,,... das sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte Anwendung finden kann." Zur Lohnpolitik wurde ausgeführt: „Die Lohnbildung ist Sache der Sozialpartner im Rahmen der Tarifautonomie. Gleichwohl hat die neue Bundesregierung die Kooperation der Tarifparteien dadurch zu erleichtern, daß sie durch eine ausgebaute volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und andere Orientierungshilfen die laufende Information über die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge und Entwicklungsmöglichkeiten verbessert." Die Anträge und Anregungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion in Verbindung mit Regierungserklärungen, Haushaltsberatungen, Beratungen zu den Gutachten des Sachverständigenrates für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und bei vielen anderen Gelegenheiten wurden von einer nur allzu selbstgewissen und selbstherrlichen Regierung in den Wind geschlagen. Wären alle diese Vorschläge, wäre das wirtschaftspolitische Konzept der Sozialdemokraten rechtzeitig gehört und in die Wirtschaftspolitik aufgenommen worden, meine Damen und Herren, dann wäre es zu einer kraftvollen Wirtschaftspolitik auf breiter parlamentarischer Basis gekommen, wären unsere konstruktiven, über ein Jahrzehnt entwickelten wirtschaftspolitischen Überlegungen berücksichtigt worden, dann wäre es nicht zu einem wirtschaftlichen Offenbarungseid gekommen. Aber die alten Mehrheiten in diesem Hause und die von ihnen getragenen Regierungen haben nicht nur unsere Gedanken zur Wirtschaftspolitik abgelehnt, sondern sie haben zugleich die Gutachten ihrer eigenen wissenschaftlichen Beiräte zu den Akten gelegt. Der Grund für diese höchst bedenkliche und gefährliche Methode des Totschweigens der modernen Erkenntnisse der Sozialwissenschaften liegt auf der Hand. Die Wissenschaftler forderten im Grunde das gleiche wirtschaftspolitische Instrumentarium wie die Sozialdemokraten. Und dieses Konzept paßte nicht in die gescheiterte Politik des Laufenlassens. Vor fast elf Jahren, im Juli 1956, wurde ein gemeinsames Gutachten der Wissenschaftlichen Beiräte beim Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium über Instrumente der Konjunkturpolitik und ihre rechtliche Institutionalisierung veröffentlicht (vgl. Bundesanzeiger Nr. 129 vom 6. 7. 1956). Seitdem haben die Beiräte ihre Empfehlungen mehrmals wiederholt (vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Bundesanzeiger vom 2. 4. 1960, vgl. ferner 1961 Seite 80 ff., schließlich noch Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Bulletin der Bundesregierung vom 14. 4. 1960 und zuletzt Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Bulletin der Bundesregierung Nr. 123 vom 5. 3. 1964.). Die Bundesregierung hat von sich aus erstmals im Sommer 1964 Möglichkeiten einer Erweiterung des konjunkturpolitischen Instrumentariums dargestellt, und zwar als Anlage einen Nachtrag zu dem von ihr erstatteten Wirtschaftsbericht 1964 (vgl. Bundestagsdrucksache IV/1752), Anlage 1). Seit der ersten Empfehlung sind zehn Jahre vergangen, bis die Bundesregierung (Erhard) einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der das vorhandene, ganz unzureichende Instrumentarium für eine konjunkturstabilisierende Finanzpolitik um einige Mittel erweitert. Und diese Erweiterung war höchst dürftig. — Soviel zur Wissenschaft! Die Linie sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik wurde konsequent in den acht Punkten fortgesetzt, welche die sozialdemokratische Partei im Deutschen Bundestag am 8. November 1966 hinsichtlich der Aufgabenstellung einer neuen Bundesregierung formulierte. Unser Bundeskanzler Kiesinger sagte am 1. Dezember des vergangenen Jahres in der Regierungserklärung der Großen Koalition: Wachstumsförderung und Zusammenwirken mit allen verantwortlichen Kräften müssen in eine neue Politik der Globalsteuerung eingeordnet werden. Diese Politik schützt vor der Flucht in den Einzeldirigismus, sichert die marktwirtschaftlich-freiheitliche Ordnung und ist damit allen anderen Systemen weit überlegen. Die Bundesregierung sieht in der Verabschiedung eines umfassenden „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" eine notwendige Voraussetzung für diese Politik. Mit dieser in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 dargelegten Konzeption ist sozialdemokratische Wirtschaftspolitik zur Wirtschaftspolitik unserer Regierung erhoben worden. — Sehr spät, aber nicht zu spät! Dieses Gesetz steht nun zur endgültigen Beschlußfassung an. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt ihm zu. Noch ein letztes Wort! Man täusche sich nicht, dieses Gesetz könnte eine schwache Regierung nicht stark machen. Es würde ihr nur Sorgen bereiten, weil in ihm präzise zu lesen steht, was sie tun könnte, wenn sie nur könnte. Einer starken Wirtschaftspolitik hingegen wird es durch den Einsatz der Instrumente dieses Kerngesetzes der Wirtschaftspolitik für die zweite Phase der sozialen Marktwirtschaft möglich sein, konjunkturelle Wechselbäder mit all ihren sozialen Gefahren auszusparen. Einer starken politischen Führung in Regierung und Parlament hilft dieses Gesetz, bei ihrem wirtschaftspolitischen Geschäft des Aufklärens, Überzeugens und Handelns stetiges Wachstum nach Maß in Stabilität zu sichern. 5146 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 9. Mai 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim) (Drucksache V/1677 Frage 1) : Warum verzögert sich die deutsche Antwort auf die Note der Regierung der Sowjetunion an die Bundesregierung vom Januar 1967? Die Bundesregierung hat die sowjetische Regierungserklärung vom 28. Januar 1967 zusammen mit ihrer an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau gerichteten Begleitnote vom gleichen Tag sehr eingehend geprüft. Die Bundesregierung hat sich dabei von dem Gutachten leiten lassen, daß jede positive Möglichkeit zu einem Gespräch mit der sowjetischen Regierung im Interesse der Entspannung und zur Erörterung der Deutschland unmittelbar berührenden Fragen genutzt werden müsse. Die Bundesregierung ist an einem Meinungsaustausch mit der Sowjetunion interessiert und hat deshalb die Absicht, der sowjetischen Regierung zu einem geeigneten Zeitpunkt eine Gegenäußerung zuzuleiten, die sich nicht auf eine bloße Antwort auf die sowjetische Regierungserklärung vom 28. Januar 1967 beschränken wird. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Schütz vom 26. April 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim) (Drucksache V/1677 Frage 2): Warum werden — laut einem Interview des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts — zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China keine Gespräche irgendwelcher Art geführt? Der Warenaustausch im deutschen Chinahandel verläuft bis heute reibungslos. Es besteht daher unter diesem Gesichtspunkt kein Anlaß für die Bundesregierung, Gespräche mit Peking zu suchen. Die Chinesen ihrerseits lassen gegenüber Gesprächspartnern aus der deutschen Wirtschaft erkennen, daß ihnen im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland an der Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes — Abschluß von Einzelkontrakten mit deutschen Ein- und Ausfuhrfirmen — gelegen ist. Auf Grund der chinesischen Nachrichtengebung ist zur Zeit ein Interesse Pekings an anders gearteten Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland nicht zu erkennen. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung sorgfältig. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Lahr vom 28. April 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Stiller (Drucksache V/1677 Fragen 3, 4 und 5) : Wird die Bundesregierung den Schriftsteller Dr. Enzensberger in Zukunft wieder über das Goetheinstitut in das Ausland entsenden, um dort für die Bundesrepublik zu werben, nachdem in der Fragestunde am 13. April 1967 durch den Bundesjustizminister festgestellt wurde, ,daß er anläßlich der Verleihung des Nürnberger Kulturpreises wahrheitswidrig behauptet hat, in der Bundesrepublik würden Personen wegen ihrer Gesinnung gerichtlich verfolgt werden und dadurch dem Ansehen unseres Staates schwer geschadet hat? Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Auftreten des Herrn Dr. Enzensberger in der Türkei anläßlich der Wahrnehmung eines solchen Auftrages die deutschfreundlichen türkischen Zuhörer befremdet hat? Welche Kosten sind durch die Beauftragung Dr. Enzensbergers durch das Goetheinstitut, für die Bundesrepublik in der Türkei und in Indien zu werben, dem Institut und damit dem Steuerzahler insgesamt entstanden? Über die Einsendung von Künstlern und Autoren im Rahmen der Tätigkeit des Goethe-Instituts entscheidet der unabhängige Programmausschuß des Goethe-Instituts, in dem das Auswärtige Amt vertreten ist. Der Bundesregierung sind keine neuen Einladungen des Goethe-Instituts an Herrn Dr. Enzensberger bekannt, wohl aber viele positiven Stimmen über seine bisherigen Auslandsreisen. Über seinen „brillanten" Vortrag in Buenos Aires berichtet z. B. die Botschaft am 30. 11. 1965 wie folgt: „Durch seine liebenswürdige, frische Art hat sich Herr Enzensberger viele Sympathien bei Griechen und Trojanern erworben. Dank seiner ausgezeichneten englischen, vor allem aber französischen und italienischen Sprachkenntnisse konnte er sich leicht verständigen. Hans Magnus Enzensberger war nach Rolf Schroers der zweite deutsche Schriftsteller, der Argentinien nach dem Krieg besuchte. Die guten Erfahrungen mit diesen Besuchen sollten uns ermutigen, dem Beispiel anderer europäischer Regierungen nachzueifern, die auf die geistige Repräsentanz ihrer Nationen in Argentinien großen Wert legen. Die Presse hat, soweit sie für Besuche dieser Art ansprechbar ist, gut berichtet". Der Bericht der Botschaft bestätigt die Auffassung der Bundesregierung, daß international anerkannte deutsche Autoren, die gegenüber der Politik der Bundesregierung kritisch eingestellt sind, von Vortragsreisen nicht ausgeschlossen werden sollten, da auch sie zum geistigen Bild Deutschlands gehören und im Ausland ein lebendiges Beispiel für die in Deutschland herrschende Toleranz geben. Eben diese Toleranz wirkt der von Ihnen zitierten Behauptung entgegen, während eine irgendwie geartete Ahndung sie eher bekräftigen würde. Es ist der Bundesregierung bekannt, daß das Auftreten von Herrn Dr. Enzensberger in der Türkei von einigen Kreisen kritisch beurteilt wurde, sein Gesamteindruck aber positiv war. Das Goethe-Institut hat für die Reise von Herrn Enzensberger nach Griechenland, in die Türkei und nach Indien DM 5905,35 aufgewendet. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 28. April 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Mertens (Drucksache V/1677 Fragen 6, 7 und 8) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf einer Arbeitstagung des Bundeskriminalamtes am 18. April 1967 festgestellt wurde. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 5147 der durch Wirtschaftsdelikte verursachte Schaden sei von 1964 bis 1966 von 30 auf 100 Millionen DM gestiegen? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß auf Grund der bei Wirtschaftsdelikten sehr hohen Dunkelziffer das tatsächliche Schadensausmaß zwei- bis dreimal höher als die in Frage 6 erwähnten Beträge liegt? Hält die Bundesregierung bei einer Bejahung der Fragen 6 und 7 eine zentrale Erfassungsstelle für Wirtschaftsdelikte für notwendig? Das Bundeskriminalamt hat seit Jahren im Rahmen des kriminalpolizeilichen Nachrichtenaustausches die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität beobachtet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse haben es notwendig gemacht, im Zusammenwirken mit den Landeskriminalämtern in den Jahren 1963/ 1964 einen besonderen kriminalpolizeilichen Meldedienst für Wirtschaftsdelikte mit der zentralen Nachrichtensammlung im Bundeskriminalamt einzurichten. Seit 1964 ist das Bundeskriminalamt als zentrale Erfassungs- und Auswertungsstelle auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität tätig. Die im Rahmen einer Arbeitstagung „Kriminalpolizei und Technik" im Bundeskriminalamt bekanntgegebenen Zahlen über Schäden, die in den Jahren 1964 bis 1966 durch Wirtschaftsdelikte verursacht sind, sind das Ergebnis des genannten Nachrichtenaustausches. Die Schadenshöhe betrug: 1964 ca. DM 31 836 000,- 1965 ca. DM 49 833 000,- 1966 ca. tDM 96 586 000,—Aus der Zunahme der Schadenssummen kann allerdings nicht auf eine etwa damit korrespondierende Entwicklung der Wirtschaftskriminalität geschlossen werden. Die Zunahme ist im wesentlichen vielmehr darauf zurückzuführen, daß sich der Nachrichtenaustausch auf dem Gebiete der Wirtschaftskriminalität nach Einrichtung der zentralen Erfassungs- und Auswertungsstelle von Jahr zu Jahr intensiver gestaltet hat. Bei den Wirtschaftsstraftaten besteht wie bei anderen Deliktsgruppen eine beträchtliche latente Kriminalität. Der Grund für die Dunkelziffer bei Wirtschaftsdelikten liegt nicht zuletzt darin, daß die Geschädigten den betrügerischen oder unlauteren Charakter der Handlungen der Wirtschaftsstraftäter vielfach überhaupt nicht erkennen oder aber von einer Anzeigeerstattung absehen. Der Umfang der Dunkelziffer ist nicht abzuschätzen. Angaben über 'etwaige Schadenshöhen wären reine Spekulation. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 27. April 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/1677 Frage 10) : Welche steuerliche Mehrbelastung (Umsatzsteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Lohnsummensteuer, Getränkesteuer und Schankerlaubnissteuer) hat das Deutsche Fremdenverkehrsgewerbe z. Z. und nach Einführung der Mehrwertsteuer von 10 % gegenüber den Ländern der EWG, gegenüber Österreich, der Schweiz und Dänemark zu tragen? Ob das deutsche Fremdenverkehrsgewerbe gegenüber .dem Fremdenverkehrsgewerbe in anderen Staaten steuerliche Mehr- oder Minderbelastungen zu tragen hat, läßt sich ziffernmäßig nicht feststellen. Man kann lediglich die einzelnen Steuerarten und deren Steuersätze, soweit diese nicht örtlich verschieden sind, gegenüberstellen, wie das für die hier in Frage stehenden Staaten und Steuern nachstehend vorgenommen wird. Irgendwelche Schlüsse auf die effektiven Steuerbelastungen lassen sich hieraus nicht herleiten, zumal die wichtigsten direkten Steuern, nämlich Einkommen- und Körperschaftsteuern, in der Fragestellung nicht enthalten sind. Wenn man die genannten Steuern in den einzelnen Staaten vergleicht, ist zunächst festzustellen, daß es Gewerbesteuern einschließlich fakultativer Lohnsummensteuern entsprechend den deutschen Vorschriften, wenn auch mit unterschiedlichen Steuermeßzahlen und Hebesätzen, nur in Luxemburg und Österreich gibt. Die französische Patentsteuer, die nach dem Mietwert der Betriebsräume, der Zahl der Beschäftigten u. a. m. erhoben wird und je nach Gewerbezweig und Ortsgröße verschieden ist, läßt sich mit der deutschen Gewerbesteuer nicht vergleichen. Außerdem erhebt Frankreich eine selbständige Lohnsummensteuer von 5 v. H. der Nettolohnsumme. Für das Fremdenverkehrsgewerbe gelten in diesen Staaten, die Gewerbesteuern und Lohnsummensteuern erheben, keine Sonderregelungen. Grundsteuern werden in allen hier genannten Staaten mit Ausnahme der Niederlande erhoben. Hierbei können Belastungsvergleiche wegen der als Bemessungsgrundlage dienenden, in sehr unterschiedlichem Umfang veralteten Verkehrs- oder Ertragswerte nicht vorgenommen werden. Lediglich in Italien gelten Gebäudesteuerbefreiungen auf 25 Jahre für bestimmte Hotelneubauten. Besondere Getränkesteuern werden nur in einigen Schweizer Kantonen in geringem Ausmaß sowie in Österreich nach Landesrecht und in Italien als kommunale Verbrauchsteuern erhoben. Sie lassen sich wegen der teils festen, teils proportionalen, je nach Getränken differenzierten Steuersätze international nicht vergleichen. Sie stellen außerdem neben den spezifischen Verbrauchsteuern auf Branntwein, Wein und Bier nur einen geringen Teil der indirekten, auf den Verbraucher überwälzten Alkoholbesteuerung dar. Ebensowenig lassen sich die sogenannten örtlichen Schankerlaubnissteuern international vergleichen, zumal es sich hier weniger um Steuern im eigentlichen Sinne als vielmehr um Kozessionsgebühren handelt. Ein Vergleich der in den einzelnen Staaten erhobenen Umsatzsteuern und deren Sonderregelungen für das Fremdenverkehrs- bzw. Gaststättengewerbe ergibt, daß die in der Bundesrepublik vorgesehene Mehrwertsteuerbelastung von 10 vH zumindest nicht höher ist als die Umsatzsteuerbelastungen in den meisten anderen hier genannten Staaten. Der Mehrwertsteuersatz auf Beherbergungs- und Gaststättenumsätze beträgt ab 1968 in Frankreich 12 vH, nur für bestimmte Fremdenverkehrsbetriebe ermäßigt sich der Satz für Beherbergungsleistungen auf 6 vH. In Belgien wird zwar auf Beherbergungs- und Gast- 5148 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Mai 1967 stättenumsätze nur die Rechnungssteuer zum Normalsatz von 0,7 vH fällig; unabhängig hiervon bestehen jedoch die kumulativen Umsatzsteuervorbelastungen auf Dienstleistungen von 0,7 vH und auf Waren zum Normalsatz von 7 vH, während sie z. B. bei Branntwein und Sekt pauschal 20 vH und bei Wein pauschal 14 vH ausmachen. Der österreichische Normalsatz der kumulativen Umsatzsteuer von 5,25 vH, der auch für Beherbergungs- und Gaststättenumsätze gilt, dürfte sicherlich zu höheren Belastungen führen als die bisherige und die zukünftige deutsche Umsatzsteuer. In den Niederlanden, der Schweiz und Dänemark unterliegt die Vermietung von Zimmern zur Fremdenbeherbergung keiner Umsatz- oder Dienstleistungssteuer. Jedoch dürften in den Niederlanden die kumulative Mehrphasen-Umsatzsteuer zum Normalsatz von 5 bzw. 4 vH und zum erhöhten Satz von 18 vH für alkoholhaltige Getränke sowie in Dänemark die Sondersteuer von 58,5 vH auf Großhandelslieferungen von Branntwein und die Ausschanksteuer von 18 vH auf Wein zu Mehrbelastungen im Gaststättengewerbe führen. Lediglich in der Schweiz ergibt die nur einphasige Umsatzsteuer von 5,4 vH eine geringere Umsatzsteuerbelastung als in der Bundesrepublik. Ob die luxemburgische kumulative Mehrphasensteuer zum Normalsatz von 3 vH, der auch für Beherbergungs- und Gaststättenumsätze gilt, im Ergebnis zu einer geringeren Belastung führt im Vergleich zur Bundesrepublik, hängt vom Einzelfall ab. In Italien gelten für Beherbergungs- und Gaststättenumsätze zwar ermäßigte Tarife von 1,2 vH, jedoch erhöhte Sätze von 3,6 vH für Luxushotels, 4,8 vH für Gaststätten 1. Klasse und 7,2 vH für Luxusgaststätten, zu denen dann jeweils unterschiedliche Vorbelastungen hinzukommen. Wie Sie aus diesen Angaben ersehen dürften, sind Steuerarten, Bemessungsgrundlagen und Tarifgestaltung bei den einzelnen Steuerarten von Staat zu Staat und zum Teil innerhalb der Staaten örtlich verschieden. Sie lassen sich hinsichtlich der durch sie gegebenen effektiven Belastungen international kaum vergleichen, selbst wenn man von der Problematik etwa notwendiger Währungsumrechnungen und der unterschiedlichen Überwälzbarkeit direkter und indirekter Steuern einmal absieht. Nach den allgemeinen Erfahrungssätzen für globale internationale Steuerbelastungsvergleiche läßt sich feststellen, daß die Steuerlasten der Unternehmen in der Schweiz geringer sein dürften als in anderen europäischen Staaten; trotzdem ist die Schweiz nichts weniger als ein billiges Reiseland. Andererseits dürfte zum Beispiel in den nordischen Staaten wegen der relativ hohen Einkommen-, Vermögen- und Alkoholsteuern das Fremdenverkehrsgewerbe mehr Steuern zu zahlen haben als in mitteleuropäischen Staaten, ohne daß aus diesen Gründen die nordischen Staaten ein besonders teures Fremdenverkehrsgebiet sind, während zum Beispiel Österreich im Vergleich zu Frankreich trotz nicht sehr unterschiedlicher allgemeiner Steuerbelastungen noch ein billiges Reiseland ist. Man kan somit weder grundsätzlich davon ausgehen noch allgemein oder im einzelnen durch Steuervergleiche feststellen, daß das deutsche Fremdenverkehrsgewerbe zur Zeit oder nach Einführung der 10%igen Mehrwertsteuer gegenüber den Ländern der EWG, Österreich, der Schweiz und Dänemark mehr Steuern zu zahlen oder definitiv zu tragen habe. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Grund vom 30. April 1967 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Giulini (Drucksache V/1677 Fragen 11 und 12) : Hat die Bundesregierung einen Grund, dem Zollabbau für Kokosöl zu widersprechen, sofern es innerhalb der chemischen Industrie für technische Zwecke eingesetzt wird? Sollte die Bundesregierung keinen Grund sehen, dem Zollabbau für Kokosöl zu widersprechen, wäre sie dann bereit, diese Ansicht der EWG in Brüssel zu unterbreiten, zumal entsprechende Bemühungen vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt werden? Für Kokosöl, das ab 1. Juli 1967 unter die Bestimmungen der EWG-Fettmarktordnung (VO Nr. 136/ 66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette) fällt, ist von diesem Zeitpunkt ab der Gemeinsame Zolltarif anzuwenden (Zollsatz 5%). Bereits bei den Verhandlungen in Brüssel anläßlich der Erarbeitung und Verabschiedung der EWG-Fettmarktordnung hatte sich 'die deutsche Delegation für eine Nichteinbeziehung der Öle für technische Zwecke in die Fettmarktordnung eingesetzt. Sie ist aber mit ihren Anträgen leider nicht durchgedrungen. Die Bundesregierung unterstützt Bestrebungen für einen Zollabbau für Kokosöle für technische Zwecke im Rahmen der Kennedy-Runde. Eine entsprechende Forderung hat die deutsche Delegation bereits im Herbst 1966 in EWG-Organen und zuletzt im Besonderen Ausschuß nach Art. 111 des EWG-Vertrags in der Sitzung vom 18. bis 21. April 1967 in Genf erhoben. Die Bundesregierung glaubt daher, alles getan zu haben, um eine Senkung des Zollsatzes für Kokosöl für technische Zwecke zu erreichen.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich dem Hause einige Mitteilungen zu machen.
Zunächst ein Geburtstagsglückwunsch dem Abgeordneten Kurlbaum, der am 2. Mai 1967 seinen 65. Geburtstag gefeiert hat.

(Beifall.)

Als Nachfolgerin für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Adenauer ist am 28. April 1967 die Abgeordnete Frau Dr. Wex in den Bundestag eingetreten.

(Beifall.)

Ich begrüße sie und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit in diesem Hause.
Als Nachfolger für den Abgeordneten Zerbe, der am 2. Mai sein Mandat niedergelegt hat, ist am 9. Mai 1967 der Abgeordnete Dr. Enders in den Bundestag eingetreten.

(Beifall.)

Herr Abgeordneter Enders ist ebenfalls hier; ich begrüße ihn.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 27. April 1967 als Nachfolger für den Landtagsabgeordneten Adolf Hasenöhrl, Stuttgart, der sein Mandat im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt niedergelegt hat, den Abgeordneten Dr. Kreutzmann benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Kreutzmann als ordentliches Mitglied im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt gewählt.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 9. Mai 1967 für den Abgeordneten Jahn (Marburg), der sein Mandat im Vermittlungsausschuß niedergelegt hat, den Abgeordneten Dr. Reischl als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß vorgeschlagen. Als stellvertretendes Mitglied im Vermittlungsausschuß ist der Abgeordnete Hirsch benannt worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Es wird diesen Vorschlägen nicht widersprochen.
Damit sind der Abgeordnete Dr. Reischl als Mitglied und der Abgeordnete Hirsch als stellvertretendes Mitglied im Vermittlungsausschuß gewählt.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft hat am 28. April 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gewandt, Burgemeister, Lampersbach, Wieninger und Genossen betr. Staatliche Strukturpolitik und Handel — Drucksache V/1543 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1699 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 2. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Einsatz von Gastarbeitern und Stabilität der Wirtschaft — Drucksache V/1593 —beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1700 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 5. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Glüsing (Dithmarschen), Dr.-Ing. Seebohm, Rasner, Blöcker und Genossen betr. Schutz der Nordfriesischen Inseln im Kreise Südtondern — Drucksache V/1662 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1709 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen hat am 3. Mai 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Effertz, Logemann, Ertl und Genossen betr. Verbilligung von Dieselkraftstoffen — Drucksache V/1646 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1710 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 30. April 1967 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. September 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Eurofima berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1712 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 8. Mai 1967 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die
Verordnung Nr. 71/67/EWG des Rates vom 7. April 1967 zur Änderung der Verordnung Nr. 68/67/EWG in bezug auf die von Frankreich und Italien zu treffenden Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1967/1968
keine Bedenken erhoben habe.
Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1956 rückt der Abgeordnete Dr. Wuermeling aus der Reihe der nicht mehr Gewählten für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Adenauer als Wahlmann nach.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates über die Festsetzung der Preise sowie der wesentlichsten Handelsplätze für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1967/68
Verordnung des Rates über die Festsetzung von Standardqualitäten für Weichweizen, Roggen, Gerste, Mais und Hartweizen für das Wirtschaftsjahr 1967/68
Verordnung des Rates über die Festsetzung von Standardqualitäten für bestimmte Arten von Getreide, Mehl, Grobgrieß und Feingrieß, sowie die Regeln für die Festsetzung der Schwellenpreise dieser Arten
— Drucksache V/1683 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1967
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 52/64/EWG betreffend die Definition der Grunderzeugnisse im Schweinefleischsektor
— Drucksache V/1684 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1967
Verordnung des Rates, durch die eine Regelung für die unter
die Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates vom 27. Oktober
1966 fallenden Waren festgelegt wird, die von einem Mit-



Vizepräsident Schoettle
gliedstaat nach einem anderen Mitgliedstaat vor dem Zeitpunkt, an dem die in Artikel 3 der genannten Verordnung vorgesehene Belastungsregelung auf diese anwendbar wird, ausgeführt werden, jedoch in den Einfuhrstaat erst nach diesem Zeitpunkt in den freien Verkehr gebracht werden — Drucksache V/1688 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1967
Verordnung des Rates zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Blumenkohl
— Drucksache V/1696 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1967
Verordnung des Rates über die Aussetzung der Anwendung des Artikels 18 der Verordnung 160/66/EWG vom 27. Oktober 1966
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung Nr. - 160/66/EWG vom 27. Oktober 1966 durch einen Artikel für den Erlaß besonderer Vorschriften für den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und bestimmten Staaten, Ländern oder Gebieten
— Drucksache V/1708 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1967
Verordnung Nr. 78/67/EWG des Rates vom 18. April 1967 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 163/66/EWG zur Festlegung der Bedingungen für die Erteilung der Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen für Olivenöl
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Dreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -
- Drucksache V/1673 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 30. Juni 1967.
Zu den in der Fragestunde der 106. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. April 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Flämig, Drucksache V/1634 Nrn. 30, 31 und 32 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Strauß vom 25. April 1967 eingegangen. Sie lautet:
Nach fernmündlicher Auskunft des Leiters des Amtes für Verteidigungslasten in Hanau vom 17. April 1967 haben die örtlichen deutschen Stellen keine Kenntnis von der Lagerung von Munition und Sprengstoffen auf dem Übungsplatz bei Großauheim.
Die Bundeswehr richtet sich bei der Anlage von Munitions-und Sprengstofflagern nach der Zentralen Dienstvorschrift 34/2. Diese Vorschrift wird in der Regel auch von den Stationierungsstreitkräften angewendet. Danach richten sich die Sicherheitsabstände jeweils nach der Art, der Menge und der Gefahrenklasse der eingelagerten Munition. Die ,Stationierungsstreitkräfte können aber nach Artikel 53 des Zusatzabkommens zum NATO- Truppenstatut innerhalb der in Anspruch genommenen Liegenschaft auf dem Gebiete der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ihre eigenen Vorschriften anwenden, soweit diese Vorschriften gleichwertige oder höhere Anforderungen stellen als die deutsche Vorschrift.
Die zuständigen Bundes- und Landesbehörden sind bisher von keiner Seite über Gefahrenzustände, die vom Übungsplatz Großauheim ausgehen, unterrichtet worden.
Wie Ihnen bekannt ist, hat sich die von der Gemeinde Großauheim bereits früher angestrebte Verlegung des Übungsplatzes nicht verwirklichen lassen. Der Herr Hessische Minister des Innern hat der Gemeinde am 3. Dezember 1963 mitgeteilt, daß er keine Möglichkeit sehe, die Verlegung des Übungsgeländes zu erwirken, weil die Anlagen im Raume Hanau, Wolfgang und Großauheim standortbedingt sind.
Im übrigen läßt sich eine Einschränkung des militärischen Übungsbetriebes ebenfalls nur durch Bereitstellung einer angemessenen Ersatzliegenschaft erreichen.
Zu den in der Fragestunde der 107. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Schwabe, Drucksache
*) Siehe 106. Sitzung, Seite 4928 B
V/1634 Nrn. 46 und 47 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs
Dr. Arndt vom 3. Mai 1967 eingegangen. Sie lautet:
Die Bundesregierung hat keinen Einblick in die Gesamtkalkulation der Mineralölunternehmen, also in ihre Kosten- und Ertragslage „von der Quelle bis zur Säule"; die Frage kann daher nicht mit: „entweder — oder" beantwortet werden.
Ein Teil der Benzinpreissenkungen ist jedoch im Zusammenhang mit der vom Bundeskartellamt geführten Untersuchung über die unterschiedliche Höhe der regionalen Preise zu sehen. Ein anderer Teil wird sich als Gegenmaßnahme zu der starken Erhöhung des Marktanteils der Niedrigpreis-Tankstellen in den vergangenen Jahren (1959: 9 %, 1966: 20 %) erklären lassen.
Benzin wird in einer Raffinerie nicht isoliert erzeugt. Stets werden eine Vielzahl anderer Produkte (z. B. Heizöle) im gleichen technischen Prozeß ebenfalls hergestellt. Der Umfang der Mehrgewinne vor der Preissenkung oder der Mindergewinne nach der Preissenkung einer bestimmten Raffinerie oder gar eines ganzen Mineralölunternehmens hängt daher von der Preisbewegung aller Erzeugnisse und natürlich auch von der Entwicklung aller Kosten ab.
Ihre Frage kann daher nur beantwortet werden, wenn man sie auf die Einnahmeausfälle aus dem Treibstoffverkauf verengt. Die im vergangenen Jahr eingetretenen Preissenkungen dürften im Jahre 1967 zu Einnahmeminderungen von rd. 700 Mio. DM führen.
Wir treten in die Tagesordnung ein und kommen zur
Fragestunde
— Drucksachen V/1706, zu V/1706 —
Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Es sind die Fragen der Abgeordneten Dr. Effertz und Opitz:
Mit welchem finanziellen Beitrag der Bundesregierung wurde die Schrift „Mein Hof und die Zukunft" herausgegeben?
Welche Unkosten aus Steuermitteln hatten jene 89 998 Exemplare der in Frage 1 erwähnten Schrift verursacht, die Pressemeldungen zufolge der SPD-Vorsitzende von Schleswig-Holstein hat einstampfen lassen?
Welche Mittel beabsichtigt die Bundesregierung in diesem Haushaltsjahr für derartige Zwecke wie die in Frage 1 genannte Broschüre auszugeben?
In welcher Eigenschaft ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen) um Überprüfung der in Frage 1 genannten Broschüre gebeten worden?
Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß die SPD nicht auch in Niedersachsen große Mengen der aus Steuermitteln finanzierten Broschüre „Mein Hof und die Zukunft" bestellt und einstampft?
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage der Frankfurter Rundschau vom 22. April: „Nach Mitteilung von Reichardt (Herausgeber) wurde die Herausgabe der Schrift von dem stellvertretenden Chef des Bundespresseamtes, Conrad Ahlers, angeregt. Dieser Hinweis ist überraschend, da die SPD bei der Bildung der Großen Koalition Ahlers für dieses Amt nominiert hatte, unter anderem in der Absicht, die verschleierten Transaktionen zwischen Regierung und Regierungsparteien zu unterbinden."
Die Fragesteller haben sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten liegen vor. Die Antwort des Staatssekretärs von Hase auf die Fragen der Herren Abgeordneten Dr. Effertz und Opitz lautet:
Heft 4 und Heft 5 der Broschüre „Mein Hof und die Zukunft" wurden in einer Auflage von je 500 000 gedruckt. Die Kosten belaufen sich nach dem Voranschlag einschließlich Verpackung und Versand auf DM 91 046,60. Da der gesamte Druck in Berlin erfolgt ist, werden sich die Kosten jedoch um die einkalkulierte Umsatzsteuer, voraussichtlich um rd. DM 3000,—, verringern.
Die Parteizentralen in' Bonn konnten die Broschüre beim Verlag bzw. bei der Druckerei in Berlin abrufen und befanden dann über die weitere Verwendung. Die Herstellungs-, Verpackungs- und Versandkosten für die nach der von Ihnen zitierten Pressemeldung angeblich „eingestampften" Exemplare können vor Schlußabrechnung noch nicht präzise angegeben werden; sie werden aber etwa bei 7500,— DM liegen.
*) Siehe 107. Sitzung, Seite 5010 A



Vizepräsident Schoettle
Vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1967 ist eine endgültige Planung über die finanzielle Forderung von weiteren Broschüren nicht möglich.
Zu Ihrer Unterrichtung überreiche ich Ihnen als Anlage ferner Durchschrift meiner Antwort auf die drei Anfragen des Herrn Abgeordneten Rudolf Opitz vom 26. April 1967.
Der Abgeordnete Schmidt-Gellersen ist in seiner Eigenschaft als einer der Landwirtschaftssachverständigen der SPD vom Verleger vor Drucklegung zum Inhalt der Broschüre „Mein Hof und die Zukunft" gehört worden. Seine redaktionellen Einwände wurden im Text berücksichtigt.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat den Inhalt der Broschüre ebenfalls gebilligt.
Die Broschüre ist allen im Bundestag vertretenen Parteien angeboten worden. Sie rufen sie beim Verlag bzw. bei der Druckerei in Berlin ab. Die Bundesregierung geht davon aus, daß auf Grund der Absprachen des Verlegers mit den Parteizentralen in Bonn, die die Broschüre abrufen, die abgenommenen Exemplare zweckentsprechend zur Unterrichtung der landwirtschaftlichen Bevölkerung verwendet werden. Das Presse- und Informationsamt hat die Angelegenheit nochmals ausführlich mit dem Verleger erörtert und ihn beauftragt, bei den Parteizentralen die ordnungsgemäße Verwendung abgenommener Exemplare zu veranlassen.
Die Broschüre ist Bestandteil einer unperiodisch erscheinenden Schriftenreihe, mit der vor vielen Jahren begonnen wurde. Seit 1965 trägt sie den Titel „Mein Hof und die Zukunft". Diese Schriftenreihe soll die Politik der Bundesregierung im Agrarbereich interpretieren und einer. Radikalisierung der Landbevölkerung entgegenwirken. Die Frage, ob die Herausgabe der jetzigen Broschüre von dem stellvertretenden Chef des Bundespresseamtes „angeregt" worden ist, stellt sich daher nicht.
Zu Ihrer Unterrichtung überreiche ich Ihnen als Anlage ferner Durchschrift meiner Antwort auf die drei Anfragen des Herrn Abgeordneten Dr. Josef Effertz.
Wir kommen zu der Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dorn aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen:
Um welchen Schritt müßte nach Ansicht der Bundesregierung die Lösung der deutschen Frage näher rücken, um nach der Auffassung des Bundesaußenministers ein Treffen zwischen Bundeskanzler Kiesinger und dem DDR-Ministerpräsident Stoph akzeptabel erscheinen zu lassen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510800100
Herr Präsident, zur Beantwortung der Frage des Kollegen Dorn muß ich leider auf die Zusammenhänge eingehen, die , wie ich meine, für das Verständnis von Frage und Antwort in Erinnerung gebracht werden müssen.
Die Bundesregierung hat am 12. April dieses Jahres vor dem Beginn des SED-Parteitages in einer Erklärung vor dem Deutschen Bundestag an ihre Erklärungen zur Deutschlandpolitik in der Regierungserklärung vom 13. Dezember vorigen Jahres angeknüpft und hat dabei betont, daß sie sich von der Absicht leiten läßt, soviel an ihr liegt, zu verhindern, daß die beiden Teile unseres Volkes sich während der Trennung auseinanderleben. Sie hat in dieser Erklärung vom 12. April erneut bekundet, daß es ihr Bestreben sei, zu entkrampfen und nicht zu verhärten, Gräben zu überwinden und nicht zu vertiefen. Wörtlich hat die Bundesregierung am 12. April erklärt:
Es ist die Aufgabe aller in Deutschland lebenden und politisch handelnden Menschen, zu prüfen: was kann — ungeachtet der zwischen beiden Teilen Deutschlands bestehenden prinzipiellen Gegensätze — praktisch getan werden, um die Not der Spaltung unseres Volkes zu erleichtern und dadurch die Vorausetzungen für eine Entspannung innerhalb Deutschlands zu schaffen?
Die Bundesregierung hat hierzu Möglichkeiten genannt, ohne mit den von ihr genannten andere auszuschließen.
Diese Möglichkeiten betrafen erstens Maßnahmen zur Erleichterung des täglichen Lebens für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands, z. B. verbesserte Reisemöglichkeiten, Passierscheinregelungen, Erleichterung des Zahlungsverkehrs, Erleichterung des Empfangs von Medikamenten und Geschenksendungen, Ermöglichung der Familienzusammenführung, insbesondere der Kinderrückführung; zweitens Maßnahmen zur verstärkten wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Zusammenarbeit, z. B. Ausweitung und Erleichterung des innerdeutschen Handels u. a. durch öffentliche Bürgschaften und durch Einräumung von Kreditlinien, Austausch zwischen den beiderseitigen Energiemärkten, Herstellung einer rationellen Elektrizitätsverbundwirtschaft, gemeinsamer Ausbau oder Herstellung neuer Verkehrsverbindungen, insbesondere Brücken, Autostraßen, Wasserstraßen, Eisenbahn; verbesserte Post- und Telefonverbindungen, besonders Wiederherstellung des Telefonverkehrs in ganz Berlin; die Erörterung wirtschaftlicher und technischer Zweckgemeinschaften; und schließlich drittens Rahmenvereinbarungen für den wissenschaftlichen, den technischen und den kulturellen Austausch; sie hat dabei genannt den entbürokratisierten Verkehr zwischen Hochschulen, Forschungsinstituten und wissenschaftlichen Gesellschaften, zeitgemäße Formen der wissenschaftlichen und technischen Zusammenarbeit, schrittweise Freigabe des ungehinderten Bezugs von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen, Besuche von Jugendgruppen und Schulklassen, freien innerdeutschen Sportverkehr, freien Austausch und Verkehr kultureller Vereine und Institutionen.
Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft erklärt, jeden anderen Vorschlag zu prüfen, d. h. auch methodische Vorschläge. Schon in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hatte die Regierung erkennen lassen, daß sie bei den Bemühungen um eine Entkrampfung und um eine Entspannung niemanden ausschließt. Wo die Aufnahme von Kontakten zwischen Behörden in der Bundesrepublik und solchen im anderen Teil Deutschlands nötig ist, damit die menschlichen, die wirtschaftlichen und die geistigen Beziehungen gefördert werden können, dort werden sie durch den Rechtsstandpunkt der Bundesregierung nicht ausgeschlossen oder erschwert sein. Das war die erklärte Auffassung der Bundesregierung. Die Bundesregierung stellt also keine Vorbedingungen für behördliche Kontakte, durch die menschliche, wirtschaftliche und geistige Beziehungen gefördert werden können.
Anders verhält sich bisher die Führung der SED auf der anderen Seite. Auf dem Parteitag der SED hat deren Führung jede Erörterung von Maßnahmen und Schritten, die zur innerdeutschen Entspannung beitragen könnten, abgelehnt und hat ihrerseits die Unterwerfung unter ihren Rechtsanspruch verlangt. Das Angebot der Bundesregierung, die Möglichkeiten des Modus vivendi zu konkretisieren, wurde bisher nicht — ich kann vielleicht sagen: noch nicht — sachlich aufgegriffen, sondern allenfalls polemisch behandelt. Statt dessen ist die Liste kommunistischer Maximalforderungen an die Bundesrepublik mit der Forderung abgeschlossen worden, die Bedingungen der DDR-Regierung als Vor-



Bundesminister Wehner
aussetzungen für jede innerdeutsche Regelung anzuerkennen. Der Vorschlag des Ersten Sekretärs der SED lautet im Zusammenhang mit diesen Bedingungen:
Wir schlagen deshalb vor, daß der Vorsitzende des Ministerrates der DDR und der Bundeskanzler der Westdeutschen Bundesrepublik, von Delegationen unterstützt und mit gehörigen Vollmachten versehen, an einem noch zu vereinbarenden Ort zusammentreffen, um über diese ersten Schritte auf dem Weg zu einer Verständigung der beiden deutschen Staaten zu verhandeln und die entsprechenden Verträge abzuschließen.
Das ist das Zitat, der Vorschlag sozusagen, des
Ersten Sekretärs der SED, dem hinzugefügt wurde:
Dann werden wir auch über alle anderen Fragen sprechen können, die von den Regierungen der beiden deutschen Staaten auf den Verhandlungstisch gelegt werden.
So wörtlich.
Im Katalog der an die Bundesrepublik gerichteten Forderungen der Karlsbader Konferenz Kommunistischer Parteien in Europa vom 26. April sind dann die kommunistischen Maximalforderungen entsprechend wiederholt worden. Es heißt allerdings in der gleichen Erklärung auch:
Wir bekunden die Bereitschaft, jedwede Initiativen und Vorschläge zu unterstützen, die sich die Entspannung und die Festigung der Sicherheit der Völker unseres Kontinents zum Ziele setzen.
Eine entsprechende Äußerung gibt es in diesem Zusammenhang vom Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.
Die Bundesregierung wird jeden Ansatzpunkt zur Diskussion und sachlichen Behandlung ihrer eigenen Vorschläge und Prüfung der Vorschläge anderer zur Entspannung und Verständigung in Europa auch zur Entspannung zwischen den beiden Teilen Deutschlands nutzbar zu machen suchen. Sie hat am 12. April erklärt, daß sie Entspannung will, daß das Ziel ihrer Entspannungspolitik eine europäische Friedensordnung ist, die von allen Beteiligten als gerecht und dauerhaft empfunden werden kann. „In ihrem Rahmen werden alle europäischen Staaten zum Wohle ihrer Völker zusammenarbeiten können. In dieser Friedensordnung soll auf jede Anwendung von Gewalt verzichtet, Gefahr und Last der Rüstungen abgebaut und Recht und Würde aller Menschen geachtet werden. Die Bundesregierung will Entspannung auch zwischen beiden Teilen Deutschlands. Eine innerdeutsche Entspannung ist Bestandteil und Funktion der europäischen Entspanung. Beides" —so haben wir gesagt — „ist unlösbar miteinander verbunden."
In einer Erklärung des Präsidiums des VII. Parteitages der SED vom 20. April 1967 sind die Delegierten aufgefordert worden, das Zentralkomitee der Partei zu beauftragen — wie es dann auch geschehen ist —, als Resonanz auf die Angebote und Vorschläge aus der Bundesrepublik — ich zitiere jetzt — „einen Brief an die westdeutsche Arbeiterklasse und an die Mitglieder der SPD sowie einen Brief an die Mitglieder und Anhänger der CDU/CSU" auszuarbeiten.
In Konsequenz unseres uneingeschränkten und ehrlichen Bemühens, Gräben zu überwinden und die Not der Spaltung für die Menschen zu lindern; werden wir auch diese Briefe mit dem Ziel, zu positiven Lösungen zu kommen, falls solche Ansätze dafür in ihnen zu finden sind, prüfen und jeden Ansatzpunkt aufgreifen, um dem Ziele, von dem ich hier gesprochen habe, näherzukommen. Auf dem Wege, gemeinsame Möglichkeiten zur Normalisierung des Lebens für die Menschen im Nebeneinander unterschiedlicher und gegensätzlicher Machtverhältnisse innerhalb Deutschlands zu finden, gibt es für die Bundesregierung keinerlei Vorbedingungen, wenn nicht von der einen Seite Anspruch erhoben wird, der anderen Seite ihre eigenen Rechtsstandpunkte aufzuzwingen.
Das mußte ich — ich bitte den Herrn Fragesteller um Entschuldigung — in den Zusammenhang stellen und darstellen, um seine Frage zu beantworten und damit zugleich deutlich zu machen, daß wir im Gange der u. a. durch die Regierungserklärung vom 12. April eingeleiteten Ereignisse, wenn Sie so wollen, oder Schritte, wenn man so will, vor der Prüfung von solchen stehen, die von der anderen Seite noch in Aussicht gestellt worden sind, weswegen es sich wohl empfiehlt, diese Prüfung, ich möchte nicht sagen, abzuwarten, sondern: ihr nicht vorzugreifen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510800200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0510800300
Herr Minister, meinen Sie, daß die Erklärung, die Sie nunmehr abgegeben haben, eine Antwort auf meine Frage sei?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510800400
Ja, insofern, als ich einleitend mir erlaubt hatte, Ihnen zu sagen, daß ich zur Erläuterung dessen, was als Antwort auf Ihre Frage zu sagen notwendig ist, die Zusammenhänge darstellen muß — falls Sie nicht eine apodiktische Antwort, was für alle Zeiten gültig sei, haben wollen, und das habe ich nicht unterstellt —, aus denen heraus jetzt in dieser Landschaft die Antwort auf diese Frage gegeben werden muß. Wie gesagt, der SED-Parteitag hat Briefe in Aussicht gestellt, und diese Briefe — das haben wir erklärt — wollen wir auch noch sehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510800500
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0510800600
Darf ich Sie also so verstehen, Herr Minister, daß es die Bundesregierung von dem Inhalt der Briefe, die von der SED jetzt an die SPD und an die CDU kommen werden, abhängig macht, ob dann ein Treffen zwischen Bundeskanzler Kiesinger und Ministerpräsident Stoph durchgeführt werden soll?




Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510800700
Nein, das können Sie daraus nicht schlußfolgern. Daraus können Sie nur schlußfolgern, daß zum bisherigen Bilde dessen, was die Resonanz jenes Parteitages und jener Karlsbader Konferenz auf die Erklärung der Bundesregierung und auf die Briefe gewesen ist, eine gründliche Prüfung der in Aussicht gestellten weiteren schriftlichen Darstellungen der Gegenseite hinzugefügt werden muß, und dann werden wir sehen. Ich habe Ihnen ja deswegen zu erklären versucht, daß wir weder Vorbedingungen für Kontakte zwischen Behörden stellen, sondern sie allein vom Inhalt, vom Zweck, vom Ziel, das dabei erreicht werden kann, abhängig machen wollen, noch daß wir uns heute von der Gegenseite dazu drängen lassen, zu sagen: ja oder nein, diese oder jene können nie oder können ja einmal miteinander über bestimmte Dinge sprechen. Das hängt davon ab, worüber unter den gegebenen Umständen gesprochen werden kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510800800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0510800900
Herr Bundesminister, nachdem ein Mitglied der Bundesregierung diese Frage öffentlich erörtert hat, fühle ich mich zu der Frage an Sie berechtigt: Darf ich Ihre Erklärung so verstehen, daß die Bundesregierung ein Treffen zwischen Bundeskanzler Kiesinger und dem DDR-Ministerpräsidenten Stoph nicht ausschließt?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510801000
Sie dürfen die Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung in Erwartung jener weiteren Erklärungen, die in Aussicht gestellt worden sind, sich schlüssig werden wird, was das zweckmäßige Handeln der Regierung auf die Gesamtheit dessen, was wir zu prüfen haben, sein wird.

(Abg. Genscher: Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510801100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0510801200
Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob es nicht so ist, daß die Frage der Regierungsverhandlungen auf höchster Ebene nicht heute für alle Tage hier im Bundestag behandelt werden kann, sondern daß sie im Fluß zu sehen ist und daß diese Fragen doch eigentlich im Gesamtdeutschen Ausschuß besprochen werden müßten, im Interesse der Sache, um die es hier für unser Volk geht.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510801300
Ich denke, es ist niemandem verwehrt, hier im Plenum des Bundestages die Fragen zu stellen, die er im Interesse der Klärung der deutschen Politik stellen will. Das muß den Abgeordneten selbst überlassen bleiben, wo sie zugegebenermaßen besonders diffizile Fragen am intensivsten glauben der Klärung näherführen zu können.
Was den ersten Teil Ihrer Frage betrifft, Herr Kollege, muß ich sagen, ich habe aus dem Grunde eine etwas ausführlichere Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Dorn gegeben, weil ich deutlich machen wollte: wir unsererseits haben schon bei der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 das, was notwendig oder unvermeidlich sein sollte, zur Regelung innerdeutscher Beziehungen in Kontakten zwischen Behörden der beiden Teile Deutschlands regeln zu lassen, nicht an Stufen oder Ebenen oder Bedingungen gebunden. Das hängt von den Erörterungen ab. So ist das in der Politik.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510801400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0510801500
Herr Bundesminister, bedeutet die Antwort, die Sie auf die Zusatzfrage meines Kollegen Genscher gegeben haben, daß die Bundesregierung in toto zum mindesten zur Zeit die Ansicht des Herrn Bundesaußenministers nicht teilt?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510801600
Ich müßte dann zurückfragen, was Sie unter „Ansicht des Bundesaußenministers" verstehen wollen.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0510801700
Die Auffassung, die in der Frage des Kollegen Dorn — Frage 7 — angesprochen ist.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510801800
Da steht ja nicht, daß es die Ansicht des Herrn Bundesaußenministers ist.

(Unruhe bei der FDP. — Abg. Rasner: Ein neuer Stil der Fragestunde!)

Was den sachlichen Inhalt der Frage betrifft, habe ich mich jetzt hier in Abwesenheit des Außenministers nicht über dessen Ansichten zu äußern. Das werden Sie wohl verstehen. Sie werden Gelegenheit haben — und wir alle werden Gelegenheit haben —, uns von ihm selber bestätigen zu lassen, was seine Ansichten sind. Wir sollten uns hier auf das konzentrieren, was ich Ihnen als Standpunkt der Bundesregierung zum sachlichen Gehalt der Frage darzulegen versucht habe.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510801900
Ich halte die Erörterung dieser Frage für ausreichend und gebe zu keiner weiteren Zusatzfrage das Wort.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Oho-Rufe bei der FDP. — Zurufe rechts: Auch etwas Neues!)

Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau auf, zunächst Frage 8 — des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja —:
Für wie viele Krankenschwestern ist Wohnraum aus dem Sonderfonds des Bundeswohnungsbauministers seit Beginn dieser Maßnahme gefördert worden?
Ist der Herr Abgeordnete im Saal? — Ja. — Herr Minister, wollen Sie antworten?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510802000
Herr Präsident! Für die Zeit vor 1961, Herr Abgeordneter, kann ich Ihnen leider keine Zahlen nennen. Damals war die Statistik noch nicht nach der Art der Einzelbaumaßnahmen aufgegliedert. Vom Jahre 1961 bis einschließlich 1966 wurden zur Förderung von Wohnheimplätzen für Schwestern im Krankenpflegedienst an Bundesmitteln insgesamt eingesetzt: aus dem Ministersonderfonds für 10 835 Wohnheimplätze 14 968 000 DM, aus Rückflußmitteln für 11 873 Wohnheimplätze 17 642 000 DM, zusammen für 22 708 Heimplätze insgesamt 32 611 000 DM.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510802100
Eine Zusatzfrage? — Oder wollen Sie gleich die nächste Frage mit beantworten, Herr Minister? — Dann rufe ich die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Warum werden aus dem Sonderfonds des Bundeswohnungsbauministers im Jahre 1967 nicht mehr Wohnungen in Wohnheimen für Krankenschwestern gefördert, obwohl der Sonderfonds gegenüber dem Ansatz von 1966 nicht gekürzt werden soll?
Bitte, Herr Minister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510802200
Bis einschließlich 1965 wurde der Sonderfonds aus den Mitteln nach § 18 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes abgezweigt. Nach Auslaufen dieses Paragraphen kann der Sonderfonds nur noch aus Mitteln gemäß § 19 a abgezweigt werden. Die Vorschrift ist 1965 in das Gesetz eingefügt worden, war jedoch 1966 durch das Haushaltssicherungsgesetz suspendiert.
1965 wird der § 19 a zur Anwendung kommen und daraus der Sonderfonds abgezweigt werden. Dieser Paragraph enthält aber im Gegensatz zu dem früheren § 18 ganz spezielle Zweckbindungen. Der Bau von Schwesternwohnungen ist in dem Katalog nicht enthalten. Deshalb können solche Wohnungen in diesem Jahr nicht mehr aus dem Sonderfonds gefördert werden, sondern nur aus Rückflußmitteln.
Entscheidend ist jedoch, daß bisher sämtlichen von den Ländern vorgelegten bewilligungsreifen Anträgen auf Bereitstellung von Bundesmitteln stattgegeben wurde. Ich werde mich darum bemühen, daß dies auch in Zukunft geschieht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510802300
Eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0510802400
Herr Minister, wie erklären Sie dann die Fassung des Rundschreibens des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau vom 24. Januar 1967, die entgegen dem im letzten Satz Erklärten feststellt, daß die Förderung von Schwesternwohnheimen aus Tit. 588 nur in beschränkter Weise erfolgen kann und dafür nur beschränkte Mittel zur Verfügung stehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510802500
Das ist der Hinweis, daß wir die Möglichkeiten haben müssen, die Dinge zu prüfen, wieweit sie bewilligungsreif sind.
Ich darf Ihnen aber noch einmal erklären, daß wir bisher allen Anträgen entsprochen haben, die uns vorgelegt worden sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510802600
Herr Czaja!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0510802700
Darf ich, Herr Minister, aus dieser Antwort also folgern, daß der Hinweis auf die beschränkten Mittel nach Tit. 588 Antragsteller nicht von der Antragstellung fernhalten soll?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510802800
Ich würde zu dieser Frage ja sagen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510802900
Herr Abgeordneter Baier!

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0510803000
Herr Minister, würden Sie mir sagen, wie hoch die Förderungssätze pro Bettplatz oder pro Zimmer sind und ob in den vergangenen Jahren eine Anhebung der Förderungssätze erfolgte bzw. ob sie nicht notwendig wäre, weil in den vergangenen Jahren doch auch die Baukosten erheblich gestiegen sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510803100
Herr Abgeordneter, ich habe hier eine sehr sorgfältige Aufstellung der einzelnen Förderungssätze. Es scheint mir besser zu sein, sie Ihnen schriftlich mitzuteilen, als sie jetzt zu verlesen. Sind Sie damit einverstanden?

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0510803200
Gern, Herr Minister, aber Sie können mir doch sicher die Frage beantworten, ob schon einmal eine Anhebung der Förderungssätze erfolgte oder ob Sie eine solche Anhebung — wenn sie nicht erfolgte — angesichts der gestiegenen Baukosten in den letzten Jahren nicht für notwendig halten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510803300
Ich halte diese Frage für durchaus berechtigt und will sie sehr gern prüfen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510803400
Herr Abgeordneter Czaja!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0510803500
Herr Minister, was im derzeitigen Wortlaut des § 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes verbietet die Förderung von Schwesternplätzen aus dem Sonderfonds des Ministers?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510803600
Einfach die Tatsache, daß in dem Katalog des § 19 a dieser Verwendungszweck nicht ausdrücklich genannt ist.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0510803700
Der ist aber doch nicht erschöpfend.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510803800
Wir haben es bisher so gehandhabt, und das war auch die übereinstimmende Auffassung der Länder. Da wir durchaus mit Rückflußmitteln denselben Verwendungszweck erfüllen können, scheint mir diese Lösung besser zu sein als eine extensive Auslegung des § 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510803900
Keine weitere Frage.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Dr. Tamblé auf:
Welche Überlegungen werden von der Bundesregierung angestellt, um die unzureichende Zahl des zahnärztlichen Nachwuchses zu beheben, die durch den Mangel an Ausbildungsstätten an den Universitäten bedingt ist?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die heutige Zahl der Studierenden der Medizin zu der Zahl der Studierenden der Zahnheilkunde für den künftigen Bedarf in einem angemessenen Verhältnis steht?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 8. Mai 1967 lautet:
Zu Frage 1:
Zu dem Problem der Gefahr eines künftigen Mangels an Zahnärzten hat das Bundesministerium für Gesundheitswesen schon in den Fragestunden am 5. Oktober 1966 und am 28. April 1967 Stellung genommen. Über die Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat, um dieser Gefahr entgegenzuwirken, ist dabei folgendes gesagt worden:
Das Bundesministerium für Gesundheitswesen hat im Juni 1964 mit Zustimmung des Bundesrates eine Verordnung zur Änderung der Prüfungsordnung für Zahnärzte erlassen, durch die auch vorlesungsfreie Monate in die zahnärztliche Universitätsausbildung einbezogen worden sind. Dies sollte dazu verhelfen, die vorhandenen Ausbildungsplätze besser zu nutzen. Im Rahmen der Mitfinanzierung des Ausbaues und Neubaues von Hochschulen beteiligt sich der Bund auch an der Schaffung neuer Ausbildungsplätze für Zahnmediziner.
Darüber hinaus habe ich mich sowohl an den Präsidenten der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder als auch an den Vorsitzenden der Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder gewandt und gebeten, alles zu tun, um eine Vermehrung der Ausbildungsplätze für Studierende der Zahnheilkunde zu erreichen. Die Länderminister haben auf ihrer letzten Tagung am 1. Dezember 1966 den Beschluß gefaßt, eine gemeinsame Empfehlung an die Kultusministerkonferenz zu richten.
Die Kultusministerkonferenz hat ihrerseits empfohlen, eine entsprechende Berücksichtigung bei den einzelnen Ausbauplänen der Länder und nach Möglichkeit eine bessere und intensivere Ausnutzung der Ausbildungskapazitäten der Zahnkliniken anzustreben.
Ich habe außerdem in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, Herrn Professor Dr. Leussink, Anfang Februar dieses Jahres auf den Mangel an Ausbildungsplätzen in der Zahnmedizin hingewiesen und ihn gebeten, bei den Empfehlungen des Wissenschaftsrates diesen Sachverhalt zu berücksichtigen.
Zu Frage 2:
Bei der Beantwortung dieser Frage muß von dem künftigen Bedarf an Ärzten und Zahnärzten ausgegangen werden. Während über den Bedarf an Zahnärzten von mehreren Seiten Berechnungen vorliegen, die sich übereinstimmend für einen in den nächsten Jahren zunehmenden Mangel an Zahnärzten aussprechen, ist die Frage, ob in Zukunft mit einem Mangel an Ärzten zu rechnen ist, noch nicht endgültig geklärt. Auf diesem Gebiet gibt es Verlautbarungen von verschiedenen Seiten, die einander widersprechen. Um diese Frage zu klären, habe ich einen Gutachterauftrag vergeben. Das Ergebnis dieses Auftrages erwarte ich in der 2. Hälfte dieses Jahres. Auch der Wissenschaftsrat beschäftigt sich mit dieser Frage; mit einer entsprechenden Veröffentlichung ist ebenfalls erst Ende d. J. zu rechnen.
Unter Berücksichtigung der z. Z. bekannten Schätzungen wird man aber bereits heute schon sagen können, daß der Bedarf an Studierenden der Zahnmedizin relativ größer ist als an Studierenden der Medizin.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Rollmann auf:
Mit welchem Ergebnis hat das Bundesgesundheitsamt geprüft, ob die Eintragung von Futtermitteln mit thyreostatischer und östrogener Wirkung im Arzneimittelregister zu löschen ist?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Ja, er ist anwesend. Frau Ministerin, wollen Sie bitte antworten.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510804000
Das Bundesgesundheitsamt hat mitgeteilt, daß von vier Eintragungen von Arzneimittelspezialitäten mit thyreostatischer Wirkung zwei im Einvernehmen mit den Herstellern gelöscht worden sind. Bei den beiden anderen Präparaten hatten die Hersteller eine Änderung des Anwendungsgebietes angezeigt. Danach sollen diese Mittel allein zu therapeutischen Zwecken angeboten und ihre Verwendung als Masthilfsmittel ausgeschlossen sein. Es ist Aufgabe der Überwachungsbehörden, dafür zu sorgen, daß die Abgabevorschriften des Arzneimittelgesetzes und die Verbote des Lebensmittelgesetzes beachtet werden.
Die Löschung der Arzneimittelspezialitäten mit östrogener Wirkung steht nicht zur Diskussion, weil deren ärztliche Anwendung nicht bestritten ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510804100
Eine Zusatzfrage.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0510804200
Seit wann, Frau Ministerin, ist es so, daß die ärztliche Anwendung von Mitteln mit östrogener Wirkung nicht bestritten wird? Ist das nicht völlig neu?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510804300
In der Novelle zum Arzneimittelgesetz 1964 ist die nähere Bestimmung über thyreostatische und östrogene Mittel erfolgt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510804400
Keine weitere Frage zu diesem Punkt? — Dann rufe ich die Frage 13 des Abgeordneten Rollmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die italienische Regierung sofort den Import holländischen Kalbfleisches nach Italien verboten hat, nachdem bekanntgeworden ist, daß holländische Kälbermäster Futtermittel mit thyreostatischer und östrogener Wirkung verwenden, von denen eine krebs- oder sonst krankheitsauslösende Wirkung befürchtet wird?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510804500
Es ist bekannt, daß Italien den Import von Kalbfleisch aus den Niederlanden nach Italien verboten hat, nachdem sich bestätigte, daß in den Niederlanden verbotswidrig Stoffe mit östrogener Wirkung als Injektionspräparate in der Kälberaufzucht verwendet worden sind, um den Fett- und Fleischansatz zu beeinflussen. Ob darüber hinaus in den Niederlanden Mastkälber mit Wirkstoffen, deren Anwendung wegen ihrer gesundheitsgefährdenden Wirkung in der Bundesrepublik verboten ist, gefüttert worden sind, entzieht sich meiner Kenntnis.
Anläßlich einer Sitzung der EWG-Arbeitsgruppe „Veterinärrecht" am 3. Mai in Brüssel wurde von niederländischen Regierungsvertretern darauf hingewiesen, daß nunmehr das In-Verkehr-Bringen von Kalbfleisch mit Rückständen östrogener Stoffe wirksam dadurch behindert wird, daß in den Niederlanden die Vorschriften über das In-Verkehr-Bringen und den Besitz von Hormonpräparaten verschärft überwacht werden und daß Kälberschlachtungen systematisch einer verschärften tierärztlichen Unter-



Bundesminister Frau Strobel
suchung unter Einschluß chemischer Methoden zum Nachweis östrogener Stoffe unterworfen werden.
Im übrigen darf ich auf die schriftliche Beantwortung der mündlichen Anfrage des Herrn Kollegen Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein hinweisen, die im Protokoll der 107. Sitzung vom 28. April abgedruckt ist. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß ich damals u. a. mitgeteilt habe, daß ich den Deutschen Vieh- und Fleischhandelsverband auf die strafrechtliche Verantwortung der Importeure hingewiesen und gesagt habe, Importe sollten nur vorgenommen werden, wenn auf Grund von Zertifikaten oder Untersuchungen davon ausgegangen werden kann, daß unseren Verboten entsprochen ist. Außerdem habe ich schon damals die Länder um verschärfte Überwachung gebeten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510804600
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0510804700
Wäre es nicht angezeigt gewesen, Frau Ministerin, daß die deutsche Regierung, die doch für die Gesundheit der Fleischgenießer in unserem Lande Sorge zu tragen hat, die Einfuhr von holländischem Fleisch verbietet, so wie es die italienische Regierung getan hat?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510804800
Herr Kollege Rollmann, das ist nach den lebensmittelrechtlichen Vorschriften des Bundes nicht möglich. Wir haben keine Rechtsgrundlage, aus dem vorliegenden Anlaß eine allgemeine Einfuhrsperre für Kalbfleisch aus den Niederlanden zu verfügen. Nach § 21 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes ist der Importeur dafür verantwortlich, daß die eingeführten Lebensmittel den in der Bundesrepublik geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510804900
Zu einer Zusatzfrage Herr Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0510805000
Frau Ministerin, sind in der Bundesrepublik Krankheitsfälle bekannt, die dadurch verursacht worden sind, daß derart gesundheitsschädigende Stoffe beigefüttert wurden?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510805100
Herr Kollege, mir sind derartige Krankheitsfälle nicht bekannt. Bekannt ist aber, daß entgegen den gesetzlichen Vorschriften Verwendungen von thyreostatischen Stoffen stattgefunden haben. Die Lebensmittelüberwachung Ist veranlaßt, das zu unterbinden und strafrechtlich zu verfolgen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510805200
Bitte, Herr Reichmann!

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0510805300
Sind konkrete Krankheitsfälle, die dadurch verursacht wurden, bekannt?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510805400
Mir sind solche Krankheitsfälle nicht bekannt. Ich bin aber gern bereit, Ihnen dazu, falls darüber Unterlagen vorliegen, eine schriftliche Mitteilung zu machen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510805500
Herr Bauer (Wasserburg) !

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0510805600
Frau Ministerin, zeigt nicht dieser Fall ganz deutlich, daß die Anwendung unseres derzeit geltenden Lebensmittelrechts auf diesem Gebiet wieder zu einer Wettbewerbsverfälschung und -verzerrung führt? Denn Sie sagen ja mit Recht, daß wir keine Möglichkeit haben, uns gegen solche Dinge zu schützen. Sind Sie nicht der Meinung, daß wir deshalb entweder an unseren eigenen Gesetzen etwas ändern oder dringend dafür sorgen müssen, daß in der EWG rasch eine Harmonisierung der entsprechenden Vorschriften erfolgt?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510805700
Herr Kollege Bauer, die Harmonisierung ist im Gange. Allerdings würde uns selbst die Harmonisierung natürlich nicht davor schützen, solchen Möglichkeiten im Hinblick auf Länder ausgesetzt zu sein, die nicht der EWG angehören, zum anderen auch nicht davor, einer Übertretung unserer eigenen Vorschriften bzw. der hamonisierten Richtlinien innerhalb der EWG ausgesetzt zu sein. Ich muß noch hinzufügen, daß ich es damals bei der Behandlung des Lebensmittelgesetzes selbst als Abgeordnete für richtiger gehalten hätte, wenn man eine stärkere Importprüfung und nicht allein die Verantwortung der Importeure hätte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510805800
Herr Bauer!

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0510805900
Gibt es heute tatsächlich schon zuverlässige Verfahren, Frau Ministerin, die uns im Sinne Ihrer Ausführungen vor solchen Schäden etwa schützen könnten? Ich kann mich erinnern, daß diese Frage seinerzeit verneint werden mußte. Sind die Untersuchungsmethoden heute so weiterentwickelt, daß man sagen kann, daß wir derartige Gefahren von unseren Grenzen fernhalten können?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510806000
Herr Kollege Bauer, bei den Besprechungen in Brüssel haben die Niederländer überzeugend mitgeteilt, daß sie chemische Untersuchungsverfahren entwickelt haben, die sich als brauchbar erwiesen haben. Sie haben uns diese Untersuchungsergebnisse zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird zur Zeit eine histologische Methode erprobt, die eine zurückliegende Östrogenverabfolgung auf Grund irreversibler Veränderungen der Bulbourethraldrüsen und der Prostata auch dann noch erkennen läßt, wenn Östrogenrückstände im Fleisch nicht mehr vorhanden sind. Das ist also alles im Gange, aber es gibt noch keine voll befriedigenden Untersuchungsmethoden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510806100
Herr Rollmann, bitte!




Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0510806200
Frau Minister, ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welcher Weise die Importeure von Fleisch nachprüfen, wie das von ihnen importierte Fleisch im Ausland erzeugt worden ist?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510806300
Herr Kollege Rollmann, die Importeure sind — ich hatte das vorhin schon gesagt — auf dem Weg über den Vieh- und Fleischhandelsverband darauf hingewiesen worden, daß ihnen das Gesetz die Verantwortung zuschreibt und daß sie sich an Hand der Zertifikate und der Untersuchungsmöglichkeiten überzeugen sollen. Ich kann Ihnen leider darüber hinaus keine diesbezügliche Auskunft geben, zumal ich ja eben dem Herrn Kollegen Bauer antworten mußte, daß überzeugende Untersuchungsmethoden, die das Ergebnis klarstellen, bisher nicht vorhanden waren und die Niederländer gerade jetzt eine solche chemische Untersuchungsmethode entwickelt haben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510806400
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Rollmann auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das Verfahren für die Zulassung von Arzneimitteln in Deutschland noch ausreicht, um wirkungslose, nicht genügend erprobte oder gar schädliche Mittel vom Markt fernzuhalten?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510806500
Ihre dritte Frage, die im Zusammenhang mit den anderen Fragen steht, möchte ich wie folgt beantworten: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das im Deutschen Arzneimittelgesetz vorgesehene Verfahren für die Registrierung von Arzneispezialitäten, so wie es vom Bundesgesundheitsamt praktiziert wird, in Verbindung mit den Strafvorschriften der §§ 6 und 8 des Arzneimittelgesetzes ausreicht.
Bei der Anmeldung einer Arzneispezialität, die Stoffe bisher nicht allgemein bekannter Wirksamkeit enthält, ist unter anderem ein ausführlicher Bericht über die pharmakologische und klinische Prüfung der Arzneispezialität einzureichen. Der Bericht ist durch Prüfungsunterlagen so zu belegen, daß aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfung hervorgehen. Solange diese Prüfungsunterlagen nicht vollständig sind, kann das Bundesgesundheitsamt die Registrierung ablehnen. Sollten sich bei der Registrierung Anhaltspunkte dafür ergeben, daß bei der Anwendung der betreffenden Arzneispezialität eine therapeutisch nicht vertretbare Wirkung zu befürchten ist oder daß die behauptete Wirksamkeit nicht gegeben ist, können die für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Landesbehörden das In-Verkehr-Bringen dieser Spezialität untersagen.
Eine weitere Sicherung im Arzneimittelverkehr besteht darin, das Arzneimittel, die Stoffe von in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannter Wirksamkeit enthalten, für die Dauer von drei Jahren nur auf Verschreibung eines Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes abgegeben werden dürfen. Damit wird erreicht, daß solche Arzneimittel nur unter ärztlicher Aufsicht zur Anwendung kommen und damit in ihrer Wirkung ständiger ärztlicher Beobachtung unterliegen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510806600
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0510806700
Sind Sie der Ansicht, Frau Ministerin, daß das in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Verfahren für die Zulassung von Arzneimitteln mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation übereinstimmt?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510806800
Herr Kollege Rollmann, das Verfahren stimmt vor allen Dingen noch nicht ganz mit der ersten Richtlinie, die der Ministerrat der EWG zur Arzneimittelgesetzgebung erlassen hat, überein. Die Verhandlungen über die zweite und dritte Richtlinie sind in Brüssel noch im Gange. Ich bin mir darüber im klaren, daß uns die Zustimmung der Bundesregierung — im Rahmen des Ministerrates — zur ersten Richtlinie der EWG eines Tages dazu veranlassen wird, unsere Arzneimittelgesetzgebung zu ändern. Ich möchte jetzt aber nicht auf Einzelheiten der Änderung der Arzneimittelgesetzgebung eingehen, sondern das Ergebnis der Beschlüsse in Brüssel abwarten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510806900
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0510807000
Ich hatte mir erlaubt, die Frage zu stellen, Frau Minister, ob das deutsche Verfahren mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation übereinstimmt.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510807100
Herr Kollege Rollmann, ich habe das schon verstanden. Aber ich wollte darauf aufmerksam machen, daß wir unser Arzneimittelprüfverfahren im Zusammenhang mit der EWG überprüfen müssen. Ich darf vielleicht noch dazu sagen, daß man im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Brüssel natürlich auch die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für künftige Regelungen in der EWG in die Überlegungen einbeziehen muß.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510807200
Herr Dr. Hammans!

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0510807300
Frau Minister, ist Ihnen bekannt, daß gerade in den letzten Tagen wieder Pressemeldungen zu lesen waren, nach denen doch amerikanische Arzneimittel, die in Amerika noch nicht zugelassen sind, in Deutschland zugelassen und damit geprüft werden?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510807400
Herr Kollege, ich habe ebenfalls solche Pressemeldungen gelesen, insbesondere eine aus einem Presseinstitut im bayerischen Raum. Ich habe daraufhin noch einmal in meinem Hause meine vor einigen Wochen in der Fragestunde gegebene Antwort überprüfen lassen. Wir haben festgestellt, daß das Mittel, das hier besonders genannt wird, DMSO, zu der Zeit in den USA zur klinischen Prüfung zu-



Bundesminister Frau Strobel
gelassen war, daß es dann auf Grund von Feststellungen in einem anderen Land — ich glaube, es war England —, daß es bei Tieren Augenschäden hervorgerufen hat, sowohl in der Bundesrepublik als auch in den USA von der klinischen Prüfung zurückgezogen wurde, daß aber jetzt die USA dieses Mittel für die klinische Prüfung wieder zugelassen haben, wir nicht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510807500
Keine weitere Frage. Dann rufe ich die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Ollesch auf:
Worauf führt die Bundesregierung die immer noch steigende Zunahme der bösartigen Krebsneubildungen zurück, die 1966 bei 686 000 Sterbefällen zu 18,9 % den Tod verursacht haben?
Frau Minister, bitte.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510807600
Darf ich auf Ihre Frage, Herr Kollege Ollesch, eine etwas längere Antwort geben? Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung.
Es ist so, daß eine erschöpfende Beantwortung dieser Frage im Rahmen der Fragestunde nicht möglich ist, nicht zuletzt deshalb, weil es der Wissenschaft noch nicht gelungen ist, ,die letzten Ursachen für die Entstehung bösartiger Neubildungen aufzudecken. Es ist heute noch nicht bekannt, warum von zwei Menschen gleichen Geschlechts bei gleichen Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten ,der eine an Krebs erkrankt und der andere nicht. Abgesehen davon ist „Krebs" ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen einer krankhaften Entartung des Zeltwachstums, die nach der vermutlichen auslösenden Ursache, nach Häufigkeit, Gefährlichkeit, Erkennbarkeit, Behandlungsmöglichkeit und Heilungsaussicht nicht vergleichbar sind.
Die statistisch erfaßte Krebssterblichkeit hat zwar von 1964 bis 1966 nicht mehr zugenommen, sondern sich gleichbleibend um rund 19% der Gesamtsterblichkeit bewegt. Diese Zahl erlaubt aber keine verbindlichen Rückschlüsse auf die Krebshäufigkeit; denn mit verbesserten Methoden der Früherkennung und ,der Behandlung sind auch die Heilungsaussichten gestiegen.
Die Höhe der statistisch erfaßten Sterblichkeit an bösartigen Neubildungen hängt zunächst mit zwei statistischen Faktoren zusammen. Erstens. Wegen der Verbesserung der Diagnostik und der statistischen Erfassung werden heute mehr Krebsfälle als Todesursache erkannt und registriert als noch vor einigen Jahrzehnten. Zweitens. Wegen der ständigen Zunahme der Lebenserwartung erreichen heute mehr Menschen als früher die besonders krebsgefährdeten höheren Altersgruppen.
Neben diese statistischen Faktoren treten ursächliche Faktoren für die Höhe der Sterblichkeit an bösartigen Neubildungen, die mit Umweltbedingungen und Lebensgewohnheiten und mit der Geschlechtsgebundenheit .gewisser Krebsformen im Zusammenhang stehen. Dafür drei Beispiele.
An erster Stelle in ,der Krebsstatistik stehen bei Männern und Frauen die bösartigen Neubildungen der Verdauungsorgane, darunter besonders die des Magens und des Zwölffingerdarms. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Tatsache mit Beschaffenheit, Zusammensetzung und Zubereitung der Lebensmittel und mit den Ernährungsgewohnheiten zu tun hat. Die Krebssterblichkeit bei Frauen hat nicht in gleicher Weise zugenommen wie die der Männer. Das ist damit zu erklären, daß bei der Frau vorzugsweise solche Organe betroffen sind, bei denen die frühzeitige Erkennung leicht ist und die Heilungsaussichten besonders gut sind. Erschreckend ist die Zunahme bei Bronchialkrebs, der offenbar durch das Einatmen krebserregender Stoffe ausgelöst wird. Es handelt sich um ,das Benzpyren, einen Bestandteil des Teeres; das entsteht bei der Verbrennung, besonders bei der unvollkommenen Verbrennung, von Tabak, Kohle, Öl, Holz, Papier. Es findet sich in den Abgasen von Hochöfen und Kokereien, im Rauch und Ruß von. Hausöfen wie im Fabrikrauch der Städte wie in den Auspuffgasen aus den Verbrennungsmotoren. Hieraus ergibt sich, daß die Häufigkeit des Bronchialkrebses im Zusammenhang steht mit dem Tabakkonsum und mit der fortschreitenden Industrialisierung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510807700
Eine Zusatzfrage, Herr Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0510807800
Frau Ministerin, vielen Dank für die auch etwas längeren Ausführungen. Dürfen wir die Gewißheit mit nach Hause nehmen, daß sich Ihr Haus bemühen wird, eine Koordinierung aller der Stellen zu erreichen, die sich mit der Krebsforschung und mit der Krebsbekämpfung beschäftigen?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510807900
Herr Kollege, es ist bekannt, daß der Bund insbesondere das Krebsforschungsinstitut in Heidelberg zusammen mit dem Lande Baden-Württemberg und auch den Ausbau dieses Instituts finanziert. Darüber hinaus bin ich sehr darum bemüht, die Krebsvorsorgeeinrichtungen, -untersuchungen und Nachfolgehilfen der Länder mit der gesundheitlichen Aufklärung durch den Bund, die neuerdings durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung intensiviert werden soll, zu koordinieren.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510808000
Noch eine Zusatzfrage, Herr Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0510808100
Frau Ministerin, wir haben leider die Tatsache zu beklagen, daß sich die Gesundheitsfürsorge und die Gesundheitsüberwachung in den Ländern zersplittert. Wir können das aus der Hand heraus nicht ändern. Darf ich Sie bitten, trotz der Schwierigkeiten durch die gegebenen Zuständigkeiten die Krebsforschung insbesondere von Ihrem Hause aus voranzutreiben?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510808200
Herr Kollege, ich bin bemüht, auf all den Gebieten, auf denen sich Zuständigkeitsschwierigkeiten im Bereich der Gesundheitspolitik ergeben, durch möglichst enge Zusammenarbeit mit den Län-



Bundesminister Frau Strobel
dern und durch die Praktizierung eines kooperativen Föderalismus ein Höchstmaß an Ergebnis zu erreichen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510808300
Eine Zusatzfrage, Herr Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0510808400
Frau Ministerin, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen, daß die Öffentlichkeit immer wieder durch angeblich wirksame Heilmittel gegen Krebs irregeführt wird?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510808500
Herr Kollege, wir haben gesetzliche Möglichkeiten, in diesem Zusammenhang mit dem Heilmittelwerbegesetz.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510808600
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0510808700
Kann davon wirksam Gebrauch gemacht werden?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0510808800
Soweit es sich um angebotene Heilmittel und die Werbung dafür handelt, kann in dem Maße davon Gebrauch gemacht werden, in dem es die Überwachungsbehörden tun. Es ist eigentlich selbstverständlich, daß sie davon im optimalen, ja sogar im maximalen Maße Gebrauch machen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510808900
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt. Ich rufe die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, zunächst die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Verringerung der verheerenden Schäden, die durch die Windwurfkatastrophen im Februar und März in den deutschen Forsten entstanden sind, bis zum 31. Dezember d. J. befristet die Beförderungsteuer für Spezialfahrzeuge im Fernverkehr zur Abfuhr von Rundholz von 3 auf 1 Dpf/t-km herabzusetzen?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510809000
Ich nehme an, Herr Kollege, daß Sie mit meinem Vorschlag einverstanden sind, die Fragen 49 und 50 zusammen zu beantworten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510809100
Dann rufe ich noch die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher auf:
Ist die Bundesregierung des weiteren bereit, aus denselben Gründen wie in Frage 49 die Spezialrundholzfahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien, ebenfalls befristet bis zum Jahresende?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510809200
Der Bundesminister der Finanzen hat die Oberfinanzdirektionen in den süddeutschen Schadensgebieten bereits zu Billigkeitsmaßnahmen bei der Beförderungsteuer ermächtigt. Danach darf auf Antrag die mit drei Pfennig je Tonnenkilometer zu erhebende Beförderungsteuer bis auf rund 6,5 v. H. des Beförderungsentgelts erlassen werden, wenn die zuständigen
Verkehrsbehörden Unternehmern des gewerblichen Güternahverkehrs eine sogenannte Notstandsbescheinigung für den Abtransport von Windwurfholz über ihre Nahzone hinaus erteilt haben oder erteilen. Auch wenn das Windwurfholz im Werkfernverkehr z. B. durch Sägewerke abtransportiert wird, dürfen die Finanzämter in einzelnen Fällen auf die mehr als einen Pfennig je Tonnenkilometer betragende Beförderungsteuer verzichten. Dies setzt allerdings voraus, daß das Unternehmen durch die Entrichtung der vollen Beförderungsteuer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde. Darüber hinaus ist die Bundesregierung bereit, die Steuer im Werkfernverkehr ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des transportierenden Unternehmers bis auf einen Pfennig je Tonnenkilometer in solchen Fällen zu erlassen, in denen die Länder für den Fernabsatz Beihilfen gewähren. Zu einer allgemeinen Ermäßigung der Beförderungsteuer für Transporte von Windwurfholz ist die Bundesregierung durch die hierfür allein in Betracht kommende Vorschrift des § 131 der Reichsabgabenordnung' nicht ermächtigt.
Zu einem Kraftfahrzeugsteuererlaß vermag die Bundesregierung nicht Stellung zu nehmen, weil die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer den Ländern zusteht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510809300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rinderspacher.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0510809400
Herr Staatssekretär, was beabsichtigt die Bundesregierung zur Bekanntmachung ihres Standpunktes, der zur Erleichterung der Steuersätze führen kann, zu tun?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510809500
Ich habe schon gesagt, Herr Kollege Rinderspacher, daß die süddeutschen Oberfinanzdirektionen bereits über diese Ermächtigungen unterrichtet sind. Dasselbe geschieht im Augenblick wohl auch bei den anderen Oberfinanzdirektionen; denn die Ermächtigungen sind im ganzen Bundesgebiet wirksam.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510809600
Keine weitere Frage mehr.

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0510809700

Trifft es zu, daß das Hauptzollamt Coburg aufgelöst bzw. verlegt werden soll?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510809800
Zur Frage 51 des Kollegen Hofmann darf ich folgendes sagen: Die Bundeszollverwaltung prüft zur Zeit wie überall im Bundesgebiet so auch im Oberfinanzbezirk Nürnberg, inwieweit aus Rationalisierungsgründen die Hauptzollamtsbezirke neu abzugrenzen sind. Es ist beabsichtigt — und das weiß dieses Haus —, die Hauptzollämter Bamberg, Coburg und Hof zusammenzulegen. Das wurde bereits deutlich sichtbar durch einen Ansatz im Entwurf des Haushalts 1967, wonach ein zweiter Betrag für einen Neubau zur



Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
Verfügung gestellt werden sollte. Durch eine Intervention unseres Kollegen Röhner im Haushaltsausschuß ist dieser Ansatz dann gestrichen worden.
Die Entscheidung, wie diese Hauptzollämter gebietsmäßig zusammengelegt werden sollen und wo einmal der Sitz des Hauptzollamtes verbleibt, ob in Bamberg oder in Coburg, ist noch nicht getroffen worden; sie kann von uns auch noch nicht getroffen worden sein, weil in den Beratungen des Haushaltsausschusses ganz deutlich sichtbar geworden ist, daß die Mitglieder des Haushaltsausschusses von diesem Vorhaben unterrichtet sein wollen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510809900
Herr Abgeordneter Hofmann!

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0510810000
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß durch die Vorschläge, die Sie unterbreitet haben, das Hauptzollamt Coburg aus dem Zonenrandgebiet herausgenommen wird, obwohl ,es doch in einem Schriftlichen Bericht des Gesamtdeutschen Ausschusses heißt, aus dem Zonenrandgebiet sollten grundsätzlich keine öffentlichen Einrichtungen abgezogen werden?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510810100
Auf diese Frage, Herr Kollege Hofmann, möchte ich im Zusammenhang mit der Beantwortung Ihrer zweiten Frage, der Frage 52, eingehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510810200
Ich rufe also auch die Frage 52 des Abgeordneten Hofmann auf:
Würde diese Maßnahme, falls die Frage 51 mit einem Ja beantwortet wird, nicht den bisherigen Bemühungen der Regierung um das Zonenrandgebiet widersprechen und die Abwanderung fördern?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510810300
Natürlich unterstützen wir die Bestrebungen, das Zonenrandgebiet zu fördern, in jeder Weise. Aber auch dort können keine Bundesbehörden aufrechterhalten werden, die Verwaltungsaufgaben nicht mehr in ausreichendem Maße zu erfüllen haben. Damit will ich nicht sagen, daß hier eine Bundesaufgabe nicht mehr in ausreichendem Maße zu erfüllen wäre. Bei der Auflösung eines Hauptzollamtes hat die Wirtschaft im allgemeinen keine Nachteile zu erwarten. Sollte Coburg nicht Sitz des neuen Hauptzollamts werden, so würde dort ein Zollamt verbleiben, das alle notwendigen Befugnisse erhält; Firmenvertreter und Privatpersonen brauchten dann im allgemeinen nicht nach Bamberg zu reisen. Würde Coburg der Sitz des Hauptzollamtes, dann wäre dasselbe natürlich auch für Bamberg gültig.
Die Abwanderung von Personen wird sich bei der Zusammenlegung der Hauptzollämter in Grenzen halten. Bei Aufhebung des Hauptzollamtes Coburg wären es etwa 15 Bedienstete — :ich sage bewußt: etwa 15 Bedienstete —, die nach Bamberg ziehen müßten, während im umgekehrten Fall voraussichtlich fünf Bedienstete in Frage kämen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510810400
Herr Abgeordneter Hofmann!

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0510810500
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß das Hauptzollamt Coburg im Augenblick das größere ist und weit mehr Aufgaben in der Nähe der Zonengrenze zu erfüllen hat als das Hauptzollamt Bamberg?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510810600
Bei welchem Hauptzollamt im Augenblick der Schwerpunkt liegt, Coburg oder Bamberg, ist von mir, obwohl ich einige Beratungen auf diesem Sektor im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages miterlebt habe, nicht hundertprozentig zu entscheiden. Wenn man jedoch von den Personen ausgeht, so könnte man sagen, daß im Raum Coburg die meisten Beamten vorhanden sind, nämlich rund 400, während der Bezirk 'Bamberg nur rund 100 Bedienstete zählt. Auf der anderen Seite würde man geltend machen müssen, daß im Raum Bamberg viele Betriebe, die der Verbrauchsteueraufsicht unterliegen — z. B. Brauereien —, angesiedelt sind und daß unter diesem Gesichtspunkt wiederum dort ein gewisser Schwerpunkt liegt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510810700
Herr Hofmann!

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0510810800
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, daß es gar nicht so sehr darauf ankomme — auch nicht für die Wirtschaft —, wo das Hauptzollamt seinen Sitz habe, und daß die Frage, wo der größere Teil der Betriebe ansässig sei, hierbei keine Rolle spiele, da das Hauptzollamt nur in seltenen Fällen freqentiert werde. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es doch richtig, daß man das größere Hauptzollamt, Coburg, an seinem Sitz beläßt.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510810900
Selbstverständlich trifft das zu, was ich vorhin gesagt habe. Trotzdem spielt diese Frage bei der Entscheidung darüber, wie die Ämter einmal endgültig zusammengelegt werden, eine Rolle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510811000
Herr Schulze-Vorberg!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0510811100
Herr Staatssekretär, können Sie zusichern, daß insgesamt gesehen, wie immer die Lösung ausfällt, dem Zonenrandgebiet insofern kein Nachteil entstehen kann, als auch Bamberg zum Zonenrandgebiet gehört?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510811200
Ich glaube, das kann man zusichern, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510811300
Herr Abgeordneter Hofmann!




Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0510811400
Herr Staatssekretär, wir alle sind bemüht — das gilt auch für Ihr Haus und die Regierung —, den Abwanderungsbestrebungen nahe der Zonengrenze bzw. der Demarkationslinie entgegenzutreten. Halten Sie es unter diesem Gesichtspunkt für gerechtfertigt, daß der Staat, die Regierung selber, dazu beiträgt, die Abwanderung aus dem Raum Coburg — im Vergleich zu Bamberg — zu verstärken?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510811500
Ich glaube, bei einem Unterschied zwischen 15 und 5 kann man nicht von großen Unterschieden in der Zahl der Abwanderungen sprechen. Aber selbstverständlich wird auch diese Frage bei der endgültigen Entscheidung der Bundesregierung nochmals eingehend in Betracht gezogen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510811600
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Hofmann auf:
Trifft es zu, daß im Zonenrandgebiet Zollbeamte nicht befördert werden, wenn ihr Wohnsitz (Eigenheim im Nachbarort) 5 km vom Dienstort entfernt ist?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510811700
Für die Beförderung von Zollassistenten zu Zollsekretären trifft die Annahme, die dem ersten Teil Ihrer Frage zugrunde liegt, nicht zu. Die weitere Beförderung zum Zollobersekretär kommt für Grenzbeamte nur in Betracht, wenn sie bestimmte herausgehobene Funktionen ausüben und voraussichtlich noch mindestens drei Jahre in dieser Funktion im Grenzdienst verbleiben. Die wichtigste Funktion dieser Art ist die eines aufsichtführenden Beamten einer Grenzaufsichtsstelle. Diese Beamten haben in. besonderen Lagen, vor allem bei Grenzzwischenfällen, sofort selbständig den Einsatz der Grenzbeamten zu regeln. Deshalb müssen sie — zumindest an der Demarkationslinie zur SBZ und an der tschechischen Grenze — so nahe bei der Dienststelle wohnen, daß sie diese Aufgabe jederzeit erfüllen können. Auch eine Entfernung von 5 km kann, wie die Erfahrung gezeigt hat, unter Umständen hierfür zu groß sein. Auf die Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu benutzen, kann man sich dabei nicht immer verlassen, weil keineswegs sicher ist, ob das Kraftfahrzeug im gegebenen Moment einsatzbereit und — man denke nur an manche Witterungsverhältnisse — benutzbar ist.
In dem Fall, den Sie, Herr Kollege Hofmann, offenbar im Auge haben und der Mitte April auch meinem Hause bekanntgeworden ist, konnte der Beamte aus zwei Gründen nicht endgültig zum aufsichtführenden Beamten bestellt werden. Erstens wohnt er zu weit von der Dienststelle entfernt, und zweitens — und das ist der wesentlichere Grund — soll er in absehbarer Zeit aus dem Grenzdienst in den Zollinnendienst überführt werden. Aus diesen beiden Gründen erfüllt er auch nicht die von mir dargelegten Voraussetzungen für die Beförderung zum Zollobersekretär im Zollgrenzdienst. Selbstverständlich kann er bei entsprechenden Leistungen im
Zollinnendienst zum Zollobersekretär befördert werden.

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0510811800
Herr Staatssekretär, mir war nicht bekannt, daß er in den Innendienst überführt werden soll. Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510811900
Wir kommen zur Frage 54 des Abgeordneten Zebisch:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zur Zeit polnische Wacheinheiten der US-Armee nach den Truppenübungsplätzen Grafenwöhr, Filseck und Hohenfels in der Oberpfalz verlegt werden?
Bitte, Herr 'Staatssekretär!
Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister ,der 'Finanzen: Ich frage den Herrn 'Kollegen, ob er damit einverstanden ist, daß ich seine Fragen 54, 55 und 56 zusammen beantworte.

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0510812000
Einverstanden. Ich möchte allerdings zu den beiden letzten Fragen je zwei Zusatzfragen stellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510812100
Ich rufe dann noch die Fragen 55 und 56 des Abgeordneten Zebisch auf:
Besteht mit der in Frage 54 erwähnten Verlegung nicht die Gefahr, daß jetzt beschäftigte deutsche Arbeitnehmer (Wacheinheiten) aus dem Dienst der amerikanischen Armee entlassen werden und damit die überdurchschnittlich hohe Zahl von Arbeitslosen in diesen Gebieten noch verstärkt wird?
Welchen Versicherungsschutz genießen die bei den US-Streitkräften beschäftigten polnischen Wacheinheiten nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510812200
Die Verlegung von Wacheinheiten der von den US-Streitkräften bisher in Frankreich beschäftigten polnischen Dienstgruppen nach Grafenwöhr und anderen Orten im Bundesgebiet ist der Bundesregierung bekannt. Sie steht im Zusammenhang mit der Verlegung militärischer Einrichtungen der US-Streitkräfte aus Frankreich in die Bundesrepublik. Bei den Angehörigen der polnischen Dienstgruppen handelt es sich fast ausschließlich um zivile Arbeitskräfte, die bereits vor ihrer Verlegung nach Frankreich bei Dienststellen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik beschäftigt waren. Die Arbeitnehmer werden in BadenWürttemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz an Arbeitsplätzen eingesetzt, die durch die Verlegung der militärischen Einrichtungen hier neu entstehen. Es ist daher nicht zu befürchten, daß bei den US-Streitkräften bereits beschäftigte Arbeitnehmer hierdurch ihren Arbeitsplatz verlieren. Das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte für Europa in Heidelberg hat der Bundesregierung bestätigt — und nur das kann ich natürlich hier sagen —, daß die Beschäftigung der polnischen Dienstgruppenangehörigen im Bundesgebiet keine Entlassungen anderer Arbeitnehmer zur Folge hat.
Während ihres Aufenthalts in 'Frankreich konnten auf die Angehörigen der polnischen Dienstgruppen weder die Vorschriften der deutschen noch der französischen gesetzlichen Sozialversicherung Anwendung finden. Mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit im



Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
Gebiet der Bundesrepublik unterliegen die Beschäftigungsverhältnisse jedoch wieder den Bestimmungen der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung. Damit den Arbeitnehmern aus ihrer Auslandstätigkeit in ,versicherungsrechtlicher Hinsicht keine Nachteile entstehen, wurde zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Einvernehmen erzielt, ein Abkommen abzuschließen, in dem die Frage der sozialen Sicherheit dieses Personenkreises geregelt wird. Im Ergebnis sollen diese Arbeitnehmer nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses materiell so gestellt sein, als ob auch während ihrer Tätigkeit in Frankreich Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden wären. Die Kosten, gehen zu Lasten des Haushalts der US-Streitkräfte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510812300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zebisch.

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0510812400
Herr Staatssekretär, in welchem Umfang erfolgt im Zusammenhang mit der Aufgabe der Stützpunkte in Frankreich bis heute insgesamt eine Verlegung solcher Dienstgruppeneinheiten nach Deutschland, und wie groß ist ungefähr die Zahl der Betroffenen?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510812500
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, daß ich Ihnen diese Frage im Augenblick nicht beantworten kann. Sie wird geprüft, und Sie bekommen schriftlich Antwort.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510812600
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Zebisch.
Zebisch (SPD) Herr Staatssekretär, wer ist im Falle der Entlassung dieser Dienstgruppenangehörigen aus dem Arbeitsverhältnis für die Unterbringung zuständig? Sie wohnen zur Zeit auf den Truppenübungsplätzen.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510812700
Ich nehme an, daß auch in diesem Fall die deutschen Arbeitsvermittlungsbehörden zuständig sind. Ich werde mich aber noch einmal erkundigen und Ihnen auch hierüber schriftlichen Bescheid geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510812800
Damit sind diese Fragen beantwortet. Wir sind am Ende der Fragestunde.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0510812900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, die Herr Kollege Dorn hier gestellt hat, war von allgemeinem aktuellem politischem Interesse, sie bedarf der gründlichen Ausschöpfung in einer Aktuellen Stunde.
Ich beantrage deshalb eine solche Aktuelle Stunde. Mein Antrag, Herr Präsident, wird ausreichend unterstützt.
Zugleich stelle ich den Antrag, den Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, sollte er nicht im Hause sein, herbeizurufen oder aber ein anderes sachkundiges und autorisiertes Mitglied der Bundesregierung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510813000
Da das Präsidium inzwischen festgestellt hat, daß Ihr Antrag auf eine Aktuelle Stunde in der Tat ausreichend unterstützt ist, weil genügend Mitglieder der Fraktion der FDP anwesend sind

(Zuruf des Abg. Genscher)

— wir sind da vorsichtig, Herr Kollege Genscher —,

(Abg. Genscher: Wir auch, Herr Präsident!)

habe ich veranlaßt, daß der Herr Minister für gesamtdeutsche Fragen herbeigerufen wird. Ich nehme an, daß er bald eintrifft. Ob inzwischen ein Mitglied der Bundesregierung anwesend ist, das in diesen Fragen zuständig wäre oder mit gutem Grund das Wort ergreifen könnte, kann ich im Augenblick von hier aus nicht beurteilen. — Herr Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0510813100
Herr Präsident! Meine Damen 'und Herren! Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Anwesenheit des Herrn Bundesministers bitte ich, die Sitzung bis zu seinem Eintreffen zu unterbrechen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510813200
Ich halte das nicht für zweckmäßig. — Da kommt der Minister. Ihr Antrag ist also gegenstandslos geworden.
Dann hat als erster Redner in dieser
Aktuellen Stunde
Herr Abgeordneter Dorn das Wort.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0510813300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, die wir gestellt haben, hatte einen ganz besonders aktuellen Anlaß dadurch erhalten, daß in der Äußerung, die der Herr Bundesaußenminister auf dem Parteitag der südhessischen Sozialdemokraten getan hat, ein erheblicher Widerspruch zu Äußerungen führender Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union in diesem Hause besteht.
Es ist oft darüber diskutiert worden, ob auf Ministerebene, ob auf Staatssekretärsebene oder — wie es von führenden Mitgliedern der Christlich-Demokratischen Union immer wieder auch bei Podiumsdiskussionen außerhalb dieses Hauses betont wird—nur auf Beamtenebene bis zum Ministerialdirigenten Gespräche offizieller Art zwischen den beiden Teilen Deutschlands geführt werden dürfen. Was der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen bisher zur Beantwortung meiner Frage gesagt hat, hat eine, Fülle von Fragen offengelassen.
Herr Minister, die Regierungserklärung im kleinen, die Sie hier vorgetragen haben, ist leider an einer konkreten Beantwortung meiner Frage völlig vorbeigegangen. Wir haben leider nicht die Möglichkeit gehabt, Sie durch Zusatzfragen weiter zu bedrängen, um Klarheit darüber zu bekommen. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß in der Frage der



Dorn

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510813400
Wo anders, wenn nicht in diesem Hause, müssen diese Fragen geklärt werden?

(Beifall bei der FDP.)

Ich meine, der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen sollte jetzt hier klar sagen, was die Bundesregierung will. Der Minister hat in vielem was er gesagt hat, meine Zustimmung. Herr Minister, darüber gibt es keinen Zweifel. Auch wir Freien Demokraten haben ja in der Vergangenheit genug Ärger gehabt, als wir uns bemühten, diese Dinge in der Koalition mit durchzusetzen. Aber es genügt eben nicht, solche Deklamationen, solche Ankündigungen von entscheidender politischer Bedeutung nur auf Parteitagen abzugeben; man muß dann dafür sorgen, daß diese Dinge dann auch hier in diesem Hause und im Kabinett so entschieden werden, wie sie vorgetragen worden sind.
Die Frage also, was praktisch geschehen soll, die der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen vorhin rhetorisch gestellt hat, leider ohne sie dann zu beantworten, gipfelt nun noch einmal in der Frage, die ich hier wiederhole und um deren materielle Beantwortung ich bitte. Herr Minister, die Frage lautete — sie ist nicht durch einen Vorspann zu beantworten —: Um welchen Schritt müßte nach Ansicht der 'Bundesregierung die Lösung der deutschen Frage näherrücken, um nach der Auffassung des Bundesministers ein Treffen zwischen Bundeskanzler Kiesinger und dem DDR-Ministerpräsidenten Stoph akzeptabel erscheinen zu lassen? Diese Frage bitten wir uns hier konkret zu beantworten.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510813500
Erfolgen Wortmelmeldungen? — Herr Abgeordneter Zoglmann.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0510813600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Stunde ist nach einer Aussage des Bundesaußenministers gefragt. Der Bundesaußenminister hat nach uns vorliegenden Berichten an einer Stelle, die ich, wenn ich den Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen vorhin richtig verstanden habe, als eine nicht sehr zweckmäßige und kompetente Stelle ansehen müßte, nämlich auf einem Parteitag der südhessischen SPD — glaubwürdige Priester aus Memphis berichten, das sei so eine Art Bewährungsbataillon für einen SPD-Minister in einer CDU-Regierung — gesprochen und hat erklärt — das ist schlicht und einfach der Tatbestand —, daß der Bundeskanzler dieser Bundesregierung bereit sei, mit dem Ministerpräsidenten der sogenannten DDR zu verhandeln. Das ist der Tatbestand.

(Zuruf von der SPD: Ihr phantasiert ja!)

Das ist der Tatbestand. Wer bisher auch nur im Traum an die Möglichkeit von Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzler und dem Ministerpräsidenten aus Ostberlin gedacht hat, der erschrak vor seinen eigenen Überlegungen. Wer in Deutschland, wer hier zu sagen wagte, man sollte allenfalls auf Ministerebene verhandeln, mußte das immer schon mit der Einschränkung tun: „Na ja, der Postminister könnte vielleicht, wenn die Briefe nicht mehr klappen, mit dem anderen Postminister reden." Aber das waren dann schon die Pioniere, meine Damen und Herren, das waren die Leute, die bei der FDP in Hannover zwei Tage lang die Rednerbühne bestückten. Und nun erklärt der verantwortliche Bundesaußenminister, der Ministerpräsident und der Bundeskanzler sollten miteinander sprechen. Das ist doch ein neuer Tatbestand, das ist doch etwas, worüber dieses Haus reden muß, darüber müssen wir uns doch unterhalten, und darauf hat bisher der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen leider keine Antwort gegeben. Diese Antwort wollen wir hier haben. Hic Rhodus, hic salta! Vor allem Sie, lieber Kollege Barzel — Sie schauen mich gerade so an —: Sie sind einmal Minister für gesamtdeutsche Fragen gewesen, Sie haben da immerhin einen gewissen Fundus. Sie sind Fraktionsvorsitzender der größten Fraktion. Dieser Fraktion unterstellt man im allgemeinen eine Haltung, die nicht ganz mit dem konform ist, was der Herr Bundesaußenminister gesagt hat. Sie wären eigentlich aufgerufen, sich neben dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen heute hier zu äußern.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510813700
Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0510813800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist es jedem Abgeordneten unbenommen, hier zu fragen, und natürlich wird hier geantwortet. Wenn es bei den Abgeordneten geteilte Meinungen darüber gibt, ob bestimmte Fragen besser in den Ausschüssen behandelt werden sollten, während andere der Meinung sind, hier müßten alle Fragen behandelt werden, so ist es wohl Sache der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Ordnung in diese Verhältnisse zu bringen. Was ich heute hier getan habe, war, Ihnen darzulegen, aus welchem Zusammenhang heraus die Frage, die sich aus einem sogenannten Vorschlag des Ersten Sekretärs der SED auf dem Parteitag der SED ergeben hat, ob dieser mit jenem spricht, überhaupt entstanden ist. Ich hatte gehofft, daß es hier möglich sein könnte, eine Situation zustande zu bringen, in der es nicht darauf angelegt wird, einmal abzuklopfen, was der eine oder der andere wohl abstrakt und insgesamt für denkbar hielte, sondern in der man hier im Deutschen Bundestag darüber reden kann, was unter den gegebenen Umständen politisch ratsam ist, damit man dem Ziel näherkommt, das ich aus den



Bundesminister Wehner
Regierungserklärungen, sowohl der vom 13. Dezember 1966 als auch der jetzt vom 12. April 1967, wiederholt habe. Darum geht es mir und um nichts anderes.
Wenn ich soeben vor allem von meinem verehrten unmittelbaren Vorredner gehört habe, daß es eigentlich nur darauf ankomme, was jemand auf einem Parteitag gesagt hat, und warum das nicht hier gesagt werde, dann muß ich wiederholen: Dieses Vergnügen sollte man, da ich es niemandem verwehren will und auch nicht kann, sich dann vollständig machen, indem man denjenigen, dem diese Äußerungen zugeschrieben werden, hier direkt fragt. Auf Parteitagen — ich denke da an einen in Hannover — gibt es ja auch manches, was gesagt worden ist,

(Beifall und Heiterheit bei den Regierungsparteien)

und ich würde es geschmackloz finden und habe es bisher geschmacklos gefunden, Sie alle danach zu messen. Das ist Ihre Sache, darüber zu diskutieren, so, wie es anderer Leute Sache ist, darüber zu diskutieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sicher, es gibt verschiedene Temperamente, und Sie haben ein besonderes, Herr Zoglmann.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun noch einmal zu der Frage der Schaffung von Klarheit. Genau das versucht die Regierung: Klarheit darüber zu schaffen, wer in 'Deutschland, auch im gespaltenen Deutschland, die Möglichkeiten europäischer Entspannung nutzbar machen will und wer nicht. Die Bundesregierung stellt dafür keine Vorbedingungen. Die Bundesregierung legt dafür keine Ebenen fest. Die Bundesregierung hat ihre Vorschläge gemacht und hat gesagt, sie sei bereit, andere Vorschläge von anderen zu prüfen, und ich habe gesagt, .das trifft auch auf methodische zu.

(Abg. Dorn: Einverstanden!)

Hier ist nicht deklamiert worden; das werden Sie feststellen, wenn Sie ,es sich einmal in Ruhe ansehen, Herr Abgeordneter Dorn. Ich gebe zu, meine Erklärung war lang. Ich habe mich vorher dafür entschuldigt, weil ich weiß, maß man in einer unangenehmen Lage ist, wenn man einen Zusammenhang aus dem Stand heraus wieder für eine nächste Zusatzfrage benutzen soll. Aber das muß ja kein Streit sein.
Zu der 'Frage „Wann und ob überhaupt" möchte ich folgendes sagen. Doch sicher nicht, um die Maximalforderungen der Gegenseite anzuhören oder entgegenzunehmen, wird man den deutschen Bundeskanzler 211 einem Gespräch schicken wollen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

zweitens doch sicher auch nicht, um vorgehalten zu bekommen, im Deutschen Bundestag sei gefordert worden, der deutsche Bundeskanzler solle seine Bereitschaft zu einem solchen Treffen mitteilen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist eine Taktfrage, meine Damen und Herren, das ist auch eine politische Frage.
Dazu möchte ich Ihnen noch einmal sagen — vielleicht kann man sich auf dieser Linie finden —: die Bundesregierung muß frei und in der Lage sein, zu prüfen und zu beschließen, was sie für notwendig und für möglich hält, um die erklärten Ziele ihrer Politik, die ich hier noch einmal — wenn auch in extenso — darzustellen versucht habe, der europäischen Entspannung — einschließlich der deutschen —, zu erreichen.
Noch einmal: jede Festlegung von Ebenen oder Vorbedingungen schränkt die Möglichkeiten der Bundesregierung ein und erhöht die Manövrierfähigkeit der Gegenseite. Deren derzeitiges Ziel ist bekannt. Ich sage das auch mit dem Vorbehalt, daß wir noch einige Briefe zu erwarten haben, von denen ich hier gesprochen habe, die wir erst auf dem Tisch haben wollen. So leicht wollen wir es der Gegenseite nicht machen, daß wir anspringen, wenn sie auch nur einen Funken oder einen Tropfen zu spenden bereit sein würde.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Bis jetzt gibt es von dort nichts außer polemischem Reagieren. Wir möchten das Ganze sehen und wollen dann frei sein, darüber zu sprechen, auch mit Ihnen hier zu sprechen. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß dieses schwierige Kapitel der deutschen Politik, vielleicht das schwierigste Kapitel der deutschen Politik, Sache aller demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag bleiben muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510813900
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0510814000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind Herrn Bundesminister Wehner sehr dankbar, daß er hier in der Sache eine Reihe von Aussagen gemacht hat, die durchaus unsere Zustimmung finden. Wir freuen uns, daß ein entsprechender Beifall nicht nur von den Kollegen der Sozialdemokratischen Partei, sondern auch von der CDU kam; denn das war zum Teil neu.

(Beifall bei der FDP.)

Wir wollen doch nicht vergessen: die Sache ist nicht von uns in der Öffentlichkeit zur Sprache gebracht worden, sondern der Herr Bundesaußenminister hat es für richtig gehalten, eine Äußerung zu tun, die einer Erklärung bedurfte. Das haben wir hier zur Sprache gebracht, — nicht um einmal anzuklopfen, sondern um klarzustellen, ob unsere Auffassung über Gesprächsmöglichkeiten, so wie wir sie sehen, ohne sachliche, ohne personelle Vorbedingungen, von der Bundesregierung geteilt wird. Hier ist mitgeteilt worden, daß sie dieser Auffassung sei, ohne sachliche, ohne personelle Vorbedingung, selbstverständlich vom Gegenstand, vom Zeitpunkt und von der Sache abhängig Gespräche zu führen. Darüber besteht völlige Übereinstimmung mit den Freien Demokraten.



Mischnick
Es ist allerdings — und dieses Wort der Kritik werden Sie verstehen — unserer Meinung nach nicht gut gewesen, daß der Herr Bundesaußenminister zu diesem Zeitpunkt in dieser Form reagiert hat und damit natürlich den falschen Eindruck erwecken konnte, daß es eben nicht um die Gesichtspunkte geht, die hier dargelegt worden sind.
Sie haben darauf hingewiesen, es sei notwendig, solche Dinge natürlich auch im Bundestag, sei es in dieser oder jener Form, zu behandeln. Wir sind für beide Formen zu haben. Seit Monaten liegt unsere Bitte vor, ein gemeinsames Gespräch über die Deutschlandpolitik zu führen. Bis zur Stunde ist es von dieser Regierung abgelehnt worden, die gleichen Deutschlandgespräche zu führen,

(Hört! Hört! bei der FDP)

wie wir sie früher zwischen allen drei Fraktionen gehabt haben. Dann müssen wir eben hier fragen, wenn man nicht will, daß mit uns darüber gesprochen wird.

(Beifall bei der FDP.)

Es liegt an dieser schwarz-roten Koalition, es liegt an dieser Regierung, ob die gemeinsamen Möglichkeiten des Gesprächs erhalten bleiben oder ob wir gezwungen sind, hier in der Öffentlichkeit Fragen zu stellen. Bitte, sorgen Sie dafür, daß wir dieses Drei-Parteien-Gespräch wieder führen können, um die Dinge, über die man im internen Kreis zu beraten hat, intern zu beraten. Das darf aber nicht bedeuten, daß Deutschlandfragen für das Plenum des Deutschen Bundestages tabu werden. Dafür werden wir niemals sein.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510814100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0510814200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ohne die freundliche Aufforderung des Herrn Kollegen Zoglmann wäre ich jetzt hier. Aber es war ein solcher Andrang von Kollegen der FDP, hier zu sprechen, daß wir Mühe hatten, jetzt dranzukommen.

(Zuruf von der FDP: Sie wollten doch! — Lachen.)

Lassen Sie mich einen Satz vorweg sagen, in Erinnerung an Dinge, die wir früher miteinander im ganzen Haus gemacht haben, und an Erfahrungen, die wir miteinander in gesamtdeutschen Dingen gesammelt haben. Dieser Satz heißt: Wer für die Menschen im ganzen Deutschland etwas Wirksames erreichen will, muß auch schweigen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das laute Reden über alle möglichen Dinge vorweg — —

(Unruhe bei der FDP.)

— Sie können doch gleich drankommen. In der Aktuellen Stunde gibt es leider keine Zwischenfragen!
Meine Damen und Herren, wer das Bedürfnis hat, und sei es auch nur als Alibi für einen eigenen mißglückten Parteitag,

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der FDP: Das ist doch die allerletzte Kiste!)

auf diesem Gebiet durch lautes Reden die „Preise" zu verderben — das ist doch die Lage —, der wird damit sicherlich nicht helfen, das zu erreichen, was wir miteinander für die Menschen zu erreichen wünschen.
Herr Mischnick, es ist Ihnen bekannt, daß wir dafür eintreten — und ich glaube, das ganze Haus tritt dafür .ein —, daß wir wieder zu den gemeinsamen Gesprächen zurückkommen.
Ich frage mich: cui bono? Wem nützt dieses Reden auf offenem Markt? Wenn ein Feld für vertrauliche Beratungen, für sorgsame Abwägung der zweiten und dritten Schritte und auch für potentielle Antworten vorhanden ist, dann hier. Es geht doch um die Menschen drüben. Man zäumt das Pferd beim Schwanz auf, wenn man zuerst von Ebenen redet, bevor man weiß, ob es überhaupt eine Chance gibt, auch nur einen Millimeter voranzukommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Das zur Methode.

Nun zur Sache selbst! Dieses Haus hat sich in einer einmütigen Billigung des Schrittes der Bundesregierung — ich glaube vom 12. April — gefunden, ein humanitäres Minimalprogramm anläßlich des SED-Parteitages vorzulegen. Noch haben wir nur die öffentlichen Polemiken, die Ausflüchte, die falschen Vorbedingungen. Wir haben noch nicht einmal die angekündigte Antwort auf unsere Vorschläge.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Die Sozialdemokraten haben noch keine Antwort auf ihren Brief. Ein Brief an uns ist angekündigt. Und dies soll nun der Zeitpunkt sein, zu dem polemischen Teil, zu den Vorbedingungen öffentlich Stellung zu nehmen? Nein.

(Zurufe von der FDP.)

— Aber Sie haben es doch hier im Hause zur Sprache gebracht, weil Sie ein Alibi für das suchen, was Sie seit langer Zeit draußen sagen.

(Abg. Rasner: Show-business!)

Wir wollen doch die Dinge hier richtig darstellen!
Lassen Sie mich für uns in dieser Stunde zur Sache folgendes sagen. Wir sind bereit, durch technische Kontakte alles zu tun, was in der Realität des Alltags den Menschen drüben helfen kann. Dies ist die Antwort, die man zur Stunde gibt, wenn man die Dinge kennt und wenn man sich hier um die Sache bemüht und nicht um -eine Schlagzeile.
Ich füge hinzu: Den größten Teil der Dinge, die die Bundesregierung ins Gespräch gebracht hat, könnte Walter Ulbricht — zum Zeichen eines besseren Willens — aus Eigenem realisieren. Dazu braucht man keine Gespräche.
Als letztes noch folgendes: Wir befinden uns in dem Jahr, in dem im Oktober der 50. Jahrestag der



Dr. Barzel
Revolution in Moskau gefeiert wird. Wer ein bißchen Ahnung von diesen Dingen hat, weiß, daß jetzt alles auf Erfolgsbilanzen aufpoliert wird. Wer glaubt, daß der Vorabend solcher Ereignisse gar noch zum öffentlichen Ausreizen dessen, was hier drin sein könnte, besonders geeignet ist, der hat wirklich keine blasse Ahnung von dem, was Kommunismus auch heute noch bedeutet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen wir es — nachdem die Debatte ausgebrochen ist — also bei dem Satz: Ja zu technischen Kontakten; wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg! Aber zunächst einmal wollen wir den Willen von drüben sehen. Jetzt über alle möglichen Wege und über Vorbedingungen zu sprechen, hilft keinem Menschen. Das verdirbt die „Preise".
Ich möchte sehr herzlich bitten, daß wir zu dem Teil erfolgreicher gesamtdeutscher Politik zurückkehren, den wir früher einmal hatten, daß wir diese Dinge im zuständigen Ausschuß mit dem Minister erörtern. Ich darf für uns sagen, daß wir die Intervention des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen in dieser Aktuellen Stunde unterstützen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510814300
Das Wort hat der Abgeordnete Sänger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0510814400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedes politische Gespräch ist nützlich, wenn es zu Ergebnissen führen kann. Wenn es aber zu Ergebnissen führen soll, muß man von unantastbaren Grundlagen ausgehen,

(Sehr richtig! bei der SDP)

und die Argumente, die man vorbringt, müssen stimmen.
Auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Südhessen in Büdingen hat Herr Brandt am 22. April dieses gesagt — und nicht das, was hier vorgetragen wurde —:
Ulbricht hat neue Forderungen präsentiert. Er will, daß sich Westdeutschland ihm anpaßt, bevor auch nur über eine Konföderation verhandelt wird, und gleichzeitig wünscht er, daß der Bundeskanzler jetzt mit seinem Ministerpräsidenten verhandelt. Könnten auf diesem Wege die deutschen Fragen gelöst werden, so könnte auch eine solche Begegnung einen Sinn haben.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Aber hier geht es doch nur um eine Form und eine Formel, die von dem heute Möglichen ablenken soll.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das ist ganz was anderes!)

Er geht dann auf den Zusammenhang zwischen der deutschen und der europäischen Frage ein.
Ich möchte diese Tatsache offen festgestellt haben, weil ich glaube, daß sie die Fundamente zerstört, auf denen diese Diskussion von den Freien Demokraten jetzt geführt worden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein zusätzliches Wort. Ich halte jedes Gespräch für nützlich, wie ich eingangs sagte, wenn es redlich und aus der Verpflichtung heraus geführt wird, daß wir aufeinander zugehen wollen. Wenn hier aber ein Gespräch geführt werden soll, das einem formalen Ziel dienen soll, nämlich dem, jemand, der an diesem Gespräch teilnimmt, im Vergleich mit einem anderen aufzuwerten, dann führt das zur Trennung und nicht zueinander.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich bin der Meinung, daß wir einem solchen taktischen Zug nicht folgen sollten in einem Augenblick, wo uns die Bundesregierung — Herr Bundesminister Wehner hat eine ganze Reihe von Einzelheiten aufgeführt — in der Regierungserklärung und danach in mehreren Punkten die Schritte einzeln genannt hat, die sie zu geben beabsichtigt. Nun lassen Sie uns an dem Ort, an dem es sinnvoll ist, über den Wert, über die Zweckmäßigkeit und nicht zuletzt auch über den richtigen Zeitpunkt dieser Schritte sprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510814500
Das Wort hat der Abgeordnete Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0510814600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Freien Demokraten hier heute sprachen, als ihre Frage aufgerufen wurde, mußte ich an die Fragen um das Konkordat in der vergangenen Woche denken. Dann habe ich mir überlegt, aus welcher Gesinnung solche Fragen gestellt werden.
Unser deutsches Volk ist durch die Geschichte hindurch immer wieder gespalten gewesen, regional, politisch, konfessionell. Wir sind bemüht, diese Spaltungen zu überwinden. Ich glaube, daß man Spaltungen nicht überwindet, wenn man in Wunden wühlt. Überlegen Sie selbst einmal, aus welchen Gründen Sie in der vergangenen Woche die Konkordatsfrage und heute diese Frage gestellt haben. Ich glaube, wir sollten unserem Kollegen Sänger sehr dankbar sein, daß er uns den tatsächlichen Text der Rede des Bundesaußenministers vermittelt hat.
Konrad Adenauer ist einmal nach Moskau gefahren. In der Politik gibt es plötzliche, überraschende Züge, die vorauszusagen sehr schwierig ist.
Unser Ziel ist — ich glaube, das hat der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen deutlich gemacht, und auch unser Fraktionsvorsitzender Barzel hat es eben sehr klar gesagt —: Wir möchten alles tun, was der Wiederherstellung der deutschen Einheit dient. Wir möchten alles tun, was das Leben unserer Landsleute drüben erleichtert und uns zusammenführt. In dem Augenblick, wo Fragen gestellt werden, die nur den Verdacht erwecken können, daß hier in Wunden gewühlt werden soll, wird, fürchte ich, das Gegenteil erreicht.



Dr. Schulze-Vorberg
Ich erinnere mich lebhaft an die Reise nach Moskau, auch daran, daß dort auch Kanzler Kiesinger sprach. Vielleicht darf ich das hier sagen. Was Kiesinger als Begleiter des damaligen Bundeskanzlers Adenauer in Moskau gesagt hat, war ein Aufruf zum Zusammenwirken, zur Einheit der Völker. Diese Einheit der Völker ist in unserer Zeit notwendig. Wir müssen sie erreichen. Kiesinger hat damals in Moskau vor vielen jungen Russen erklärt, man möge doch die Erfüllung dieses Wunsches der Völker, der in unserer Zeit so notwendig ist, zur Einheit zu kommen, nicht dadurch erschweren und unmöglich machen, daß man ein Volk zwingt, gegen seinen Willen geteilt zu leben.
Ich glaube also, es ist die Gesinnung, auf die es ankommt, die Gesinnung, mit der man an die Dinge herangeht. Und ich bitte die Freien Demokraten noch einmal: Überprüfen Sie einmal selbst, mit welcher Gesinnung Sie die Fragen zum Konkordat gestellt haben und mit welcher Gesinnung Sie heute die Frage nach der deutschen Einheit gestellt haben. Ich glaube, Sie haben in beiden Fällen der Einheit nicht gedient. Sie haben in beiden Fällen nicht dem Heilungsprozeß der Wunden, die nun einmal in unserem Volk vorhanden sind, die durch die Jahrhunderte vorhanden waren und die wir schließen möchten, gedient. Darum bedauere ich diese Art der Fragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510814700
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0510814800
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es kann nach dem sachlichen Teil der Antwort des Herrn Bundesministers kein Zweifel bestehen, daß diese Aktuelle Stunde zu einer zusätzlichen Klärung in einer entscheidenden Frage der deutschen Politik geführt hat.

(Beifall bei der FDP.)

Jedes Mitglied dieses Hauses sollte an einer solchen Klärung interessiert sein. Wir werden die Fragen der deutschen Politik hier immer dann zur Diskussion stellen, wenn Fragen bei dieser Regierung offenbleiben, und wir werden uns diese Initiative nicht in einem Sumpf von Verdächtigungen und Unterstellungen ersticken lassen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)

— Wir brauchen Ihre Gesinnungshilfe nicht, Herr Schulze-Vorberg. Wir handeln aus unserer politischen Verantwortung, die ebenso ehrlich ist wie die Ihre.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)

— Und wir sind auch nicht eine Partei, die es nötig hat, über einen — wie Herr Kollege Dr. Barzel gesagt hat — mißglückten Parteitag hier sozusagen die Decke einer parlamentarischen Diskussion zu legen. Schließlich sind wir ja nicht eine Partei, die jährlich
einen neuen Parteivorsitzenden wählt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei ,der FDP. — Abg. Rasner: Vorsicht, Herr Genscher, das wissen Sie nicht! — Zuruf von der Mitte: Das durfte nicht kommen! — Lachen und anhaltende Zurufe von der Mitte.)

— Meine Damen und Herren, ich wünsche dein Parteivorsitzenden, den Sie in Braunschweig wählen wollen, eine mindestens ebenso lange Arbeits- und Amtszeit wie unserem jetzigen Parteivorsitzenden. Dann können Sie hier wieder antreten.

(Beifall bei der FDP.)

Meine verehrten Damen und Herren! Diese Diskussion ist nicht willkürlich von der parlamentarischen Opposition ausgelöst worden, auch nicht von einem Delegierten unseres Parteitags, sondern von einem amtierenden und, wie ich meine, für diese Fragen zuständigen Bundesminister auf einer Parteiveranstaltung in Südhessen. Wir haben diese Diskussion und ihre Klärung dorthin getragen, wohin sie gehört, weil wir der Meinung sind: Primär soll das hier und nicht in Südhessen oder in New York diskutiert werden.

(Beifall bei der FDP.)

Sie werden nicht umhinkönnen, der parlamentarischen Opposition das Recht einzuräumen, überall dort auf eine Klärung der Politik dieser Regierung hinzuwirken, wo sie im Zwielicht steht. Das gilt für Ihre Wirtschaftspolitik, das gilt 'für Ihre Haltung in der atomaren Frage, und es gilt auch für die Probleme Ihrer Deutschlandpolitik!

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510814900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.
Herr Abgeordneter Rasner hat das Wort zur Geschäftsordnung.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0510815000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Beratung der Punkte 3 a und b zu teilen, zunächst die zweite und dritte Beratung des Punktes 3 a vorzunehmen und dann die zweite und dritte Beratung des Punktes 3 b. Wir müssen zunächst das Werkzeug schaffen, das es uns erlaubt, anschließend das Gesetz zu verabschieden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510815100
Herr Abgeordneter Genscher zur Geschäftsordnung.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0510815200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Bundesregierung war gut beraten, als sie sowohl den Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes wie den des einfachen Gesetzes zusammen in einem Entwurf vorgelegt hat. Der Ältestenrat war ebenso gut beraten, als er sich entschied, daß beide Vorlagen hier zusammen beraten werden sollten.



Genscher
Zur Sache selbst lassen Sie mich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus dem Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses zitieren. Dort heißt es:
Wie jedoch die äußere Form der Einbringung bereits zeigt, ist die Grundgesetzänderung eng mit dem Stabilitätsgesetzentwurf verzahnt. Der Rechtsausschuß hat daher seine Beratung nicht nur auf die Grundgesetzänderung beschränkt, sondern in weiteren fünf Sitzungen gutachtlich zu dem Stabilitätsgesetzentwurf Stellung genommen.
Meine Damen und Herren, diese sachlichen Gründe sprechen dafür, daß wir es bei der vorgesehenen Behandlung in diesem Hohen Hause lassen.
Die Möglichkeiten der Geschäftsordnung, deren Inanspruchnahme ich in diesem Zeitpunkt der Verhandlung ausdrücklich bestreite, sollten auch nicht dazu dienen, hier vorhandene erhebliche Meinungsverschiedenheiten in der Koalition zu überdecken, damit zunächst einige Kollegen der Grundgesetzänderung zustimmen, die nachher nicht mehr bereit sind, dem einfachen Gesetz zu folgen. Wir bitten aus diesem Grunde, den Antrag des Kollegen Rasner abzulehnen.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510815300
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Frage kann am besten dadurch geklärt werden, daß wir darüber abstimmen, ob getrennt oder verbunden beraten wird. Herr Kollege Rasner hat beantragt, die beiden Vorlagen jede für sich zu behandeln. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen wollen, um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das erste war zweifellos die Mehrheit.
Ich rufe also den Punkt 3 a auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
— Drucksache V/890 —
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß)

— Drucksachen V/1686, zu V/1686 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lenz (Bergstraße)


(Erste Beratung 55. und 56. Sitzung)

Ein Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses liegt vor. Der Berichterstatter ist nicht da. Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelmi.

Dr. Hans Wilhelmi (CDU):
Rede ID: ID0510815400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter, Kollege Lenz, ist heute nicht da. Ich darf auf seinen Schriftlichen Bericht Bezug nehmen. Ich möchte Ihnen aber doch einiges sagen, was in diesem Gesetz von entscheidender Bedeutung ist.
Es handelt sich um das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes. Der Zweck dieser Änderung ist, dem Bund die verfassungsrechtlichen
Möglichkeiten zu geben, aus konjunkturpolitischen
Gründen die Finanzwirtschaft der Länder und Gemeinden in gewissen engen Grenzen zu beeinflussen.
Der Rechtsausschuß hat, weil es sich um das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes handelt, sehr genau die Frage geprüft, ob wirklich eine Grundgesetzänderung notwendig ist; denn wir stehen auf dem Standpunkt, daß das möglichst vermieden werden sollte. Wir haben geprüft, ob durch Staatsverträge zwischen Bund und Ländern dasselbe erreicht werden kann. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das bezüglich der Finanzen der Gemeinden ganz sicher nicht geht und daß es auch sonst wenig praktikabel erscheint.
Deshalb wird Ihnen nunmehr durch Beschluß des Rechtsausschusses dieses Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt. Geändert wird der Art. 109 des Grundgesetzes. Dieser Art. 109 bestand bisher aus einem einzigen Absatz, der lautete:
Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig.
Infolgedessen herrschte Einigkeit darüber, daß vom Bund kein Einfluß auf die Finanzwirtschaft und die Haushaltswirtschaft der Länder ausgeübt werden konnte. Nunmehr werden diesem Artikel drei weitere Absätze hinzugefügt.
Der erste Absatz enthält den Grundsatz, daß Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen 'Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben. Von einigen Wissenschaftlern ist gesagt worden, das sei eigentlich selbstverständlich, das brauche man gar nicht in das Gesetz hineinzuschreiben. Wir hielten es aber für zweckmäßig, dem Vorschlag der Regierung zu folgen, und haben insoweit dem Regierungsvorschlag stattgegeben. Das schafft jedenfalls Klarheit.
Von entscheidender Bedeutung sind aber die Absätze 3 und 4. In Abs. 3 erhält der Bund eine neue Zuständigkeit, und zwar eine allgemeine Kompetenz, die nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Das ist die Kompetenz, durch Bundesgesetz, das mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden kann, Grundsätze für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufstellen zu können. Das ist nicht an irgendwelche Voraussetzungen gebunden. Insofern unterscheidet sich diese Bestimmung des Abs. 3 sehr wesentlich von der des Abs. 4. denn hier handelt es sich um eine ausgesprochene Ausnahmekompetenz des Bundes. Hier ist nämlich Voraussetzung, daß eine Maßnahme erforderlich ist zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Wenn diese Voraussetzung nicht vorliegt, können die dann folgenden Maßnahmen nicht ergriffen werden. Das ist also eine Ausnahmebestimmung.
Dabei ist folgendes zu beachten: Wir hatten etwas Schwierigkeiten mit dem Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Wir waren geneigt, das etwas genauer zu definieren. Wir haben uns darum bemüht, sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß



Dr. Wilhelmi
das nicht geht. Insbesondere haben wir unsere Absicht fallenlassen, die Vorschrift auf die Stabilität des Geldwertes abzustellen. Das würde zu eng sein; infolgedessen haben wir es bei dem weiten Begriff belassen. Wir glauben aber, daß der Begriff immerhin eng genug definiert ist, um dem grundgesetzlichen Erfordernis Rechnung zu tragen.
Nach der Nr. 1 des Abs. 4 besteht die Möglichkeit, Höchstbeträge, Bedingungen und Zeitfolge der Aufnahme von Krediten durch Gebietskörperschaften und Zweckverbände vorzusehen. Das bedeutet, daß auch die Haushaltswirtschaft der Gemeinden beeinflußt werden kann. Das wiederum mußte zu der Prüfung führen, ob hierdurch Art. 28 des Grundgesetzes verletzt würde und da insbesondere der Abs. 2, der das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden normiert. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 nicht vorliegt, weil es sich hier um einen begrenzten Ausnahmetatbestand und nicht um eine allgemeine Kompetenz handelt.
Auch die Sperrvorschrift des Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes ist nicht verletzt; das ist der Artikel, in dem es heißt, daß die in den Art. 1 bis 20 niedergelegten Grundsätze überhaupt nicht abgeändert werden können und daß weiter die Gliederung des Bundes in Länder nicht gestört werden kann. Das ist eingehend geprüft.
Wir haben gegenüber dem Regierungsentwurf folgende entscheidende Änderung vorgenommen: Das Instrumentarium für die Konjunkturbeeinflussung kann nicht im Wege der Rechtsverordnung erlassen werden. Es bedarf immer eines Bundesgesetzes, und zwar eines Bundesgesetzes, das nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden kann. Das erschien uns insbesondere deshalb wichtig, weil ein solches Gesetz auch die Gemeindefinanzen berührt. Die Frage war, mit welchen Mehrheiten der Bundesrat einem solchen Gesetz zuzustimmen hat. Der Bundesrat hatte ursprünglich die Forderung nach einer Dreiviertelmehrheit gestellt. Das entspricht überhaupt nicht dem Aufbau des Grundgesetzes. Diese Forderung wird auch nicht mehr erhoben, so daß also die einfache Mehrheit zum Erlaß' eines solchen Gesetzes genügt.
Nun kann in einem solchen Gesetz auch eine Ermächtigung zur Durchführung erteilt werden; das ist im vorletzten Satz des Abs. 4 ausdrücklich vorgesehen. Diese Ermächtigung ist aber in zweifacher Weise eingeschränkt. Sie kann erstens nicht Ländern und zweitens nicht Bundesministern erteilt werden, was sonst in Gesetzen häufig der Fall ist, sondern sie kann nur der Bundesregierung erteilt werden. Zur Sicherung der parlamentarischen Rechte ist weiterhin eingefügt, daß diese Ermächtigung aufzuheben ist, wenn der Bundestag dies verlangt.
Ich glaube, daß damit alle Sicherungen verfassungsrechtlicher Art gegeben sind, und empfehle im Namen der Koalitionsparteien die Annahme dieses Gesetzes.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510815500
Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510815600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung möchte ich nur erklären, daß wir Ihnen sehr dringend empfehlen, diese Fassung anzunehmen. Wir erachten es als einen Fortschritt, daß der Abs. 4 die Befugnisse der Bundesregierung zu bestimmen Maßnahmen genau eingrenzt. Wir erachten es weiter als einen Fortschritt, daß die Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen und daß der Bundestag durch das Grundgesetz ein Kassationsrecht erhält. Wir sind der Meinung, daß damit gerade rechtsstaatlichen Gesichtspunkten Genüge getan wird.
Im übrigen darf ich hinzufügen, daß in dem noch folgenden einfachen Gesetz eine weitere Sicherung eingebaut ist, nämlich die, daß alle Maßnahmen, die in dem Grundgesetz als Ermächtigungen für die Bundesregierung erwähnt sind, vorher mit dem Konjunkturrat abgestimmt werden müssen.
Im Namen der Bundesregierung habe ich nur die Hoffnung auszudrücken, daß auch der Bundesrat dem hier gewählten Abstimmungsmodus folgt. Wir wissen, daß der Bundesrat in der ersten Lesung in einem Fall eine andere Mehrheit als der Rechtsausschuß des Bundestages für erforderlich gehalten hat. Die Bundesregierung ist mit dem Rechtsausschuß des Bundestages der Meinung, daß die einfache Mehrheit der bessere Weg sei.
Ich darf allerdings hinzufügen: Politisch sind diese beiden Maßnahmen, die hier grundgesetzlich verankert und eingegrenzt sind, nämlich Höchstbeträge für Kredite und Konjunkturausgleichsrücklagen, nur durchzuführen, wenn wir im Consensus mit allen Bundesländern handeln. Wenn wir mit Kampfabstimmungen im Bundesrat allein handeln wollten, würden diese Maßnahmen leicht zu durchbrechen sein. Gerade deswegen darf ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich der Bundesrat hier der Meinung des Rechtsausschusses des Bundestages anschließen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510815700
Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0510815800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind nach wie vor der Meinung, daß es besser gewesen wäre, ein Gesetz, von dem in einer langen Beratung praktisch nur noch die Überschrift übriggeblieben ist — und auch die nur zum Teil —, zunächst einmal zu beschließen, bevor man dazu eine Grundgesetzänderung vornimmt. Wir sind der Meinung, daß zu diesem Gesetz noch viele Anträge und viele Einsprüche kommen werden. Es wird einem doch sehr schwer gemacht, wenn man verlangt, einer Grundgesetzänderung zuzustimmen, ohne daß man weiß, was unter



Opitz
dem Strich gesehen, bei diesem Gesetz herauskommt.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510815900
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Fraktion der Freien Demokraten — so darf ich wohl feststellen — sind die aufgerufenen Artikel angenommen. Die zweite Beratung ist damit geschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Nach Art. 79 des Grundgesetzes bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Präsident, wenn für einen Beschluß die Zustimmung einer bestimmten Mitgliederzahl erforderlich ist, festzustellen, daß die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit vorliegt. Dies geschieht durch Auszählung. Wir haben also auszuzählen. Ich muß zu meinem Bedauern hinzufügen, daß die Berliner Abgeordneten bei dieser Abstimmung nicht stimmberechtigt sind. Ich bitte, den Saal zu verlassen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung *) bekannt. Insgesamt sind 365 Stimmen abgegeben worden, davon 337 mit Ja, keine Nein-Stimme, 28 Enthaltungen. Damit ist also die Verfassungsänderung beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 b) auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität
— Drucksache. V/890 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirt-
schaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

— Drucksachen V/1678, zu V/1678 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Elbrächter (Erste Beratung 55. und 56. Sitzung)

Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0510816000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen für den Wirtschaftsausschuß in Ergänzung des Schriftlichen Berichts einen mündlichen Bericht vor-
*) Siehe berichtigtes Ergebnis auf Seite 5105 B
zutragen. Ich möchte versuchen, darzutun, welche Überlegungen den Ausschuß bei seinen Beschlüssen geleitet haben.
Ich darf gleich zu Anfang sagen, daß die Feststellung, die zuvor vom Kollegen Opitz getroffen worden ist, nicht ganz verständlich erscheint; denn von dem Entwurf ist etwas mehr übriggeblieben, als er es darzustellen beliebt; es sind wesentliche Erweiterungen gekommen, es sind Präzisierungen gekommen, namentlich in den Zielsetzungen dieses Entwurfs, und insofern kann man nicht gut sagen, man wisse nicht, was übriggeblieben sei. — Das vorweg.
Auf diesen Gesetzentwurf haben wir lange gewartet. Nicht nur wir in diesem Hause, sondern die ganze deutsche Öffentlichkeit. Ich möchte deshalb feststellen, daß dieses Gesetz immer noch nicht nur aktuell ist, sondern wahrscheinlich auch für die nähere Zukunft sogar von allergrößter Bedeutung sein wird.
Das Gesetz geht auf einen Kabinettsbeschluß vom 30. März 1964 zurück. Die Diskussion ist also schon länger als drei Jahre im Gange. Ich darf daran erinnern, daß dieses Hohe Haus im vergangenen Jahr den Urlaub um zwei oder gar drei Wochen verkürzt hat, um die Verabschiedung des ursprünglichen Entwurfs so schnell wie möglich durchzuziehen. Ersparen Sie es mir, darauf hinzuweisen, aus welchen Gründen — Koalitionsbildung usw. — die Verabschiedung nicht so schnell möglich war, wie es an und für sich der Sache nach notwendig gewesen wäre. Ich glaube, viele der augenblicklichen Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art wären uns erspart geblieben, wenn wir ein solches Instrument, wie wir es hier vorlegen, schon nicht nur im vergangenen Jahr, sondern bereits vor Jahren gehabt hätten. Ich glaube, es ist ein Akt der Fairneß — und nicht nur der Freundschaft von mir gegenüber dem Kollegen Schmücker —, wenn ich feststelle, daß es seiner besonderen Energie zu danken ist, daß überhaupt ein solcher Gesetzentwurf endlich dem Hohen Hause zugeleitet worden ist.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Lassen Sie mich nun etwas zur Philosophie der aktiven Konjunkturpolitik sagen. Ich will es ganz kurz machen. Ich betone es deswegen, weil die Situation in der öffentlichen Diskussion so dargestellt worden .ist, als wenn mit einer aktiven Konjunkturpolitik durch den Staat die Freiheit des Unternehmers beschnitten werden könnte oder, anders gesagt, unser System der Wettbewerbswirtschaft, insbesondere der sozialen Marktwirtschaft, außer Kraft gesetzt oder eingeengt werden könnte oder sollte. Das ist keineswegs der Fall. Ich darf nur daran erinnern, daß bei einem so hohen Anteil des Staates von 30 % am Bruttosozialprodukt und mehr als 15 % der Investitionen — und es herrscht eigentlich Übereinstimmung darüber, daß dieser Anteil in einer modernen Gesellschaft wahrscheinlich noch zu gering ist — selbstverständlich der Staat ein Interventionsrecht haben muß, wenn Krisenzeiten da sind. — Ich betone: das, was wir jetzt haben, stellt sich für mich noch nicht als Krise dar.



Dr. Elbrächter
Ich darf weiterhin daran erinnern, daß gerade .die Freiheit des Unternehmers durch eine aktive Konjunkturpolitik mit Sicherheit schneller wiederhergestellt wird, als wenn wir ihn dem sehr schmerzhaften und langwierigen Anpassungsprozeß durch die Selbstheilung des Marktes überlassen. Gerade die jetzige Zeit zeigt ja, wie sehr ein Unternehmer trotz aller eigenen Tüchtigkeit von einer guten Wirtschaftspolitik abhängig ist.
Den Vorteil einer aktiven Konjunkturpolitik, d. h. einigermaßen den Ablauf zu steuern, die Schwankungen nach oben oder unten nicht zu stark auspendeln zu lassen, hat nicht nur der Unternehmer, die Unternehmerwirtschaft, sondern hat auch der Arbeitnehmer — Sicherheit der Arbeitsplätze, sie wird zur Zeit in unserem Vaterland wieder groß geschrieben —, den Vorteil hat aber auch der Staat selber in seiner Haushaltswirtschaft. Denn sicherer, stetiger Wirtschaftsverlauf bedeutet natürlich auch einen gleichmäßigen, stetigen Steuerfluß.
Lassen Sie uns also festhalten: Eine aktive Konjunkturpolitik dient der Freiheit der Unternehmerwirtschaft, sichert die Wettbewerbswirtschaft.
Eine aktive Konjunkturpolitik muß nun notwendigerweise vier Bereiche umfassen, wenn sie wirksam sein will. Das ist erstens der privatwirtschaftliche Sektor einschließlich des privaten Konsums, zweitens die öffentliche Hand in ihrer gesamten Haushaltsgebahrung, drittens der Lohnsektor, der — ich werde es nachher ausführen — am schwierigsten oder fast gar nicht zu manipulieren ist, da wir uns nach wie vor zu dem System der Autonomie der Sozialpartner bekennen, und schließlich das schwierige Gebiet der Steuerung der Außenwirtschaft.
Der vorliegende Entwurf versucht, diese vier Bereiche zum mindesten anzusprechen, bei einigen auch, sie stark in den Griff zu bekommen. Der Entwurf umfaßt 33 Paragraphen. Es ist vielleicht nützlich, darzutun, daß 24 Paragraphen sich mit der Gebarung der öffentlichen Hand befassen. Daraus allerdings zu schließen, daß dieses Gesetz ein Gesetz gegen die öffentlichen Hände sei, ist falsch. Es ist richtig, daß der private Bereich nur mit drei Paragraphen angesprochen wird. Diese Paragraphen haben es aber — lassen Sie mich das etwas vulgär sagen — in sich. Sie sind jedenfalls sehr wirksame und möglicherweise tief eingreifende Instrumente. Der Lohnsektor und das Gebiet der Außenwirtschaft sind nur mit je einem Paragraphen angesprochen. Sie sehen schon daran, welche Schwierigkeiten vorgeherrscht haben, um hier zu Aussagen zu kommen.
In § 1 ist die Zielansprache des Gesetzes enthalten. Sie ist allerdings geändert und erweitert worden entsprechend den veränderten Verhältnissen. Im vergangenen Jahr — ich darf daran erinnern — war das Hauptproblem die Sicherung der Geldwertstabilität. Inzwischen ist, durch welche Ereignisse auch immer — ich habe keine Zeit, das geschichtlich darzutun —, ein Umschwung eingetreten. Wir befinden uns in einer schon länger wirkenden Phase des konjunkturellen Abschwungs, so daß die Sicherung des Wachstums gleichrangig ist. Aber nicht nur die Sicherung des Wachstums ist gleichrangig, sondern auch die beiden anderen großen wirtschaftspolitischen Ziele: die Vollbeschäftigung und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, stehen gleichrangig verankert in dem § 1 in unserer Zielansprache. § 1 will weiterhin ,den Versuch machen — und wir sind eben Zeugen einer Grundgesetzänderung zu diesem Zwecke gewesen —, die Haushaltswirtschaft von Bund, Ländern und Gemeinden zu koordinieren, damit die gesamtwirtschaftliche Lage besser berücksichtigt wird, als ,das in dem bisherigen Nebeneinander, möglicherweise Gegeneinander der Fall gewesen ist.
Diese Zielsetzung soll im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung erreicht werden. Auch das ist eine Änderung, die gegenüber dem früheren Entwurf vorgenommen worden ist. Ich darf aber betonen, es ist nur eine Verdeutlichung. Die frühere Fassung glaubte das nicht expressis verbis zum Ausdruck bringen zu müssen. Wir haben es für nützlich gehalten gerade wegen der grundsätzlichen Bedenken, die ich zu Eingang meines mündlichen Berichts dargetan habe.
Nun lassen Sie mich, bevor ich auf den großen Sektor der Maßnahmen für die öffentliche Hand eingehe, ganz kurz auf den Paragraphen zu sprechen kommen, der sich mit ,dem Lohnsektor befaßt. In § 3 verpflichten wir die Bundesregierung, Orientierungsdaten für die Sozialpartner und die Gebietskörperschaften zu geben. Diese Orientierungsdaten sind natürlich kein sehr stark wirkendes Instrument, sondern sie appellieren letzten Endes an die wirtschaftspolitische Einsicht der angesprochenen Kreise. Sie dekretieren also keine Norm. Das können wir nicht, weil wir die Freiheit der Entscheidung der Sozialpartner nicht antasten wollen. Das gehört nun einmal 'zu dem freiheitlichen System unserer Gesellschaft. Infolgedessen können wir dort durch Gesetz nicht eingreifen.
Aber ich glaube, daß diese konzertierte Aktion doch einen Sinn hat, sooft man sie auch in der Öffentlichkeit etwas lächerlich zu machen versucht. Für mich bedeutet eine konzertierte Aktion ganz einfach den Versuch, zu einem Wohlverhalten nicht nur ,der Menschen untereinander, sondern auch der großen Gruppen, der Interessenvertreter, zu kommen. Es ist ein sehr langer geschichtlicher Prozeß gewesen, die Menschen so weit zu bringen, daß sie sich den Normen der Sitte und den Normen der Gesetze unterwerfen. Der Staat braucht Machtmittel, um das zu erzwingen. Dieses selbstverständliche Miteinander ist leider bei den großen Gruppeninteressen nicht so gegeben. Ich möchte hier aus einem kürzlich erschienen Buch einmal zitieren — Verfasser Streithofen —, es heißt „Wertmaßstäbe der Gewerkschaftspolitik". Es stellt fest — Herr Präsident, wenn Sie gestatten, darf ich zitieren —:
Es gehört nun einmal zum demokratischen Verhalten, daß mit der Verantwortung der Interessenvertreter für das ganze Staatswesen die Demokratie steht und fällt. Eine Mißachtung des Gemeinwohlwesens setzt den Interessenpluralismus von selbst außer Kurs.



Dr. Elbrächter
Das heißt, daß die Interessenvertreter gut beraten sind, wenn sie diese Orientierungsdaten, die die Bundesregierung zur Verfügung stellen soll, auch beherzigen.
Ich darf den englischen Gewerkschaftler Woodcock zitieren, der diese Orientierungsdaten oder Lohnleitlinien mit der Wirkung der zehn Gebote vergleicht. Ich kann leider nur sagen, die meisten Menschen halten sich nicht daran, und trotzdem haben die zehn Gebote eine großartige Wirkung: die Menschen wissen wenigstens, wie sie sich verhalten sollten. So ähnlich fasse ich die Wirkung. der Orientierungsdaten auf.
Zum außenwirtschaftlichen Gleichgewicht ganz kurz folgendes. Wir haben uns sehr schwer getan, hier ganz klar gesetzliche Maßnahmen vorzuschreiben. Vielmehr haben wir eine Aufforderung an die Bundesregierung gerichtet, den Weg zu suchen, den auch Herr Kollege Schmücker in der ersten Lesung schon vorgeschlagen hatte, nämlich den Versuch einer internationalen Koordinierung der Währungspolitik.
Wir wissen sehr wohl — das möchte ich nochmals sagen —, es ist eine unlösbare Antagonie vorhanden zwischen dem Versuch, die Geldwertstabilität nach innen sicherzustellen, und dem Versuch, gleichzeitig eine Stabilität der Wechselkurse nach außen zu erreichen. Das ist nicht möglich. Diese Antagonie ist nur aufzulösen, wenn eben der Versuch gemacht wird, Währungspolitik und Handelspolitik der großen Industrienationen aufeinander abzustimmen. Dazu wird die Bundesregierung in § 4 des Gesetzes aufgefordert.
Nun lassen Sie mich auf die Maßnahmen der öffentlichen Hand kommen. Ich werde sie nicht in der Reihenfolge der Paragraphen zitieren, sondern einfach nach dem Sachgebiet. Ich muß es kurz machen.
Als Erstes und eigentlich Selbstverständliches —erstaunlich, daß es noch nicht gewesen ist — ist die Auskunftspflicht der Länder und Gemeinden an den Bund zu erwähnen. Bei den Gemeinden besteht diese Pflicht nicht unmittelbar, sondern auf dem Weg über die Länder. Das gilt sowohl hinsichtlich der Haushaltsgebarung als auch der Finanzpläne der Länder. Es gilt aber auch für den Kreditbedarf von Ländern und Gemeinden oder Gebietskörperschaften. Es ist also in § 25 das, was früher der Runde Tisch in Frankfurt genannt wurde, institutionalisiert. Zu diesem Zweck — ebenfalls eine Institutionalisierung —, um das zu koordinieren, wird ein Konjunkturrat gebildet, ein Konjunkturrat für die öffentliche Hand, der aber auftragsgemäß laut gesetzlicher Bestimmung alle Maßnahmen der Konjunkturpolitik zu beraten hat. Es ist kein Beschlußorgan, sondern lediglich ein beratendes Organ.
Dazu sind Bedenken geäußert worden. Ich glaube, sie sind ausgeräumt. Wir haben nicht zu befürchten, daß ein solches Beratungsorgan etwa die Prärogative dieses Parlaments überspielen und möglicherweise ein Wirtschaftsparlament darstellen könnte. Ich glaube, alle diese Befürchtungen sind nicht stichhaltig.
Nun zu den eigentlichen materiellen Bestimmungen. Als erstes ist eine mittelfristige fünfjährige Finanzplanung seitens des Bundes, aber auch für die Länder vorgesehen, dazu als Grundlage Finanzprogramme. Die ganze Finanzplanung muß natürlich auf Programmvorstellungen basieren. Es ist weiterhin vorgesehen, daß solche Programme kurzfristig in Kraft gesetzt werden können, falls es erforderlich ist. Ich glaube, das Schicksal des Eventualhaushaltes zeigt, wie notwendig es ist, daß kurzfristig wirkende Investitionsvorhaben schubladenreif vorliegen und in die Praxis umgesetzt werden können.
Ich betone gegen Angriffe von draußen —, daß das sicherlich nicht Schuld der Bürokratie ist, sondern daß sie selbstverständlich plötzlich überfordert war. Um diese Überforderung zu vermeiden, sind in diesem Instrumentenkasten, den dieses Gesetz nun einmal darstellt, solche Investitionsprogramme vorgesehen.
Weiterhin ist für Zeiten einer überhitzten Konjunktur, eines Booms, vorgesehen, daß die öffentlichen Haushalte sich in ihrem Umfang etwa nach der gesamtwirtschaftlichen Lage richten sollen. Ich betone nochmals, es ist keine Parallelität etwa zwischen der Steigerung des Bruttosozialproduktes und einer Steigerung der Haushalte gefordert. Darüber ist in der ersten Lesung schon debattiert worden. Wir haben auch in der Beratung im Wirtschaftsausschuß diesen Versuch nicht machen wollen, sondern es im Gegenteil abgelehnt. Umgekehrt soll der Finanzminister ermächtigt werden, in Zeiten überhitzter Konjunktur gegebenenfalls einen Ausgabenstopp oder Ausgabenkürzungen vorzunehmen.
Die wahrscheinlich schärfste und diejenige Maßnahme, die gerade in den Reihen der kommunalpolitischen Verbände am meisten diskutiert und zum Teil angegriffen worden ist, stellt die sogenannte Kreditlimitierung oder, kurz gesagt, der Schuldendeckel für die öffentliche Hand dar; es sind die §§ 19 ff: Wir glaubten, daß trotz aller Bedenken dieses Instrument der Regierung an die Hand gegeben werden sollte. Wir haben dafür gesorgt, daß der Kreditbedarf nicht unter die untere Grenze von 80% der Vorjahre sinken sollte.
Hier entsteht ein besonderes Problem. Ich weiß nicht, ob der Kollege Ravens, der sich im Ausschuß dieser Sache besonders angenommen hat, noch darauf eingehen wird. Es ist das Problem, wie der stoßweise Kreditbedarf kleinerer Gemeinden befriedigt werden kann. Wir haben versucht, mit Hilfe des Ministeriums Formulierungen zu finden, haben es aber aufgeben müssen, da weder die Methode der Referenzperiode noch die der Kopfquote, noch die der Einwohnerzahl usw. zu befriedigenden Lösungen führt. Letzten Endes kann man aber auch vom Bund und von den Ländern Investitionen steuern, da in den meisten Fällen keine größere Investition — das darf ich hier noch einmal feststellen — ohne finanzielle Mitwirkung des Bundes oder der Länder erfolgt.
Eine ebenfalls sehr drastisch wirkende Maßnahme für die Zeiten der Überhitzung sieht dieses Gesetz



Dr. Elbrächter
in der Schaffung einer Konjunkturausgleichsrücklage vor. Überschäumende Kaufkraft und überhöhte Steuereinnahmen des Bundes sollen stillgelegt und einer Rücklage zugeführt werden. Dasselbe gilt übrigens für die Länder. Es handelt sich jetzt nur noch um eine Rücklage. Das ist eine Änderung gegenüber dem ersten Entwurf. Praktisch müssen zwölf Konten gebildet werden, die vom Bund und den Ländern bei der Bundesbank unterhalten werden müssen. Einer Überführung von Steuern in die Rücklage kommt die vorzeitige Schuldenrückzahlung gleich, zu der der Bund ebenfalls durch dieses Gesetz verpflichtet worden ist.
Diese Bestimmung hat dem Ausschuß deswegen viel Kopfschmerzen gemacht, weil der Bundesrat bei seiner Stellungnahme zu diesem Entwurf vorgesehen hat, daß eine solche Maßnahme nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden kann. Der Ausschuß hat sich zu diesem Vorschlag nicht verstehen können, einmal aus verfassungsmäßigen Gründen, zum andern, weil es ein Unikum darstellen würde; es wäre nämlich die einzige Verordnung, die einer qualifizierten Mehrheit im Bundesrat bedürfte. Wir glauben, daß das der Sache und der Verfassung nach nicht Rechtens ist.
Nun zu den Maßnahmen in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs oder, wie man auch sagt, der Rezession. Es ist vorgesehen, daß zunächst einmal der Bund in seiner Haushaltsgebahrung zusätzliche Ausgaben vorsehen kann. Es geht um die §§ 5 und 6. Er soll zuerst die Mittel aus der Konjunkturrücklage, falls Mittel in der Rücklage sind — was mir in den nächsten Jahren zweifelhaft erscheint —, bestreiten. Wenn keine Mittel darin sind, soll der Bund mit Hilfe einer Kreditermächtigung Mittel bis zu 5 Milliarden DM auf dem Kapitalmarkt beschaffen, notfalls mit Geldmarktpapieren, um entsprechende öffentliche Aufträge vergeben zu können.
Ich darf hier einen Punkt erwähnen und gleichzeitig auf einen Änderungsantrag zu sprechen kommen, der von den Fraktionen gemeinsam gestellt wurde. Es handelt sich darum, daß der Ausschuß glaubte, mit der vorliegenden Fassung der Bestimmung des § 6 Abs. 3 sei eine Dauerermächtigung an die Bundesregierung gegeben worden. Nachträglich hat uns die Haushaltsabteilung des Finanzministeriums mitgeteilt, daß verfassungsmäßige Bedenken im Hinblick auf Art. 115 des Grundgesetzes vorliegen, wonach Kreditermächtigungen immer nur durch Gesetz unter Nennung einer bestimmten Höhe vorgesehen werden müssen. Wir glauben, daß wir diese verfassungsmäßigen Bedenken durch Annahme des Änderungsantrags Umdruck 225 ausräumen können. Es soll ein Satz angefügt werden: „Soweit solche Kredite auf eine nachträglich in einem Haushaltsgesetz ausgesprochene Kreditermächtigung angerechnet werden, kann das Recht zur Kreditaufnahme erneut in Anspruch genommen werden." Ich möchte der Kürze der Zeit. wegen auf die Einzelheiten verzichten. Diese Regelung hat auch den Vorzug, daß die Verbindung zum Haushaltsgesetz geschaffen ist, so daß der Haushaltsausschuß immer damit befaßt sein wird.
Über die Bestimmungen zur Verbesserung der Offenmarktpolitik kann ich hinweggehen. Sie sind unstrittig.
Nun komme ich zu dem sehr umstrittenen Bereich der Maßnahmen für die Privatwirtschaft. Wir haben zunächst eine Maßnahme, die im ursprünglichen Entwurf vorgesehen war, gestrichen: die Kreditplafondierung. Gegen diese Plafondierung ist sowohl von seiten der Wirtschaft als auch insbesondere der Banken Sturm gelaufen worden. In der ersten Lesung hat insbesondere Herr Professor Schiller darauf hingewiesen, daß hier ein Dirigismus vorliegt, der nicht marktkonform sei. Das ist unbestritten. Aber ich darf auch erwähnen, daß diese Maßnahme wohl auf Anforderung der Bundesbank eingefügt worden ist, weil sie eben mit der Politik der Mindestreserve und der Zinshöhe nicht mehr zurechtkam und die Restriktionspolitik doch zu erheblichen Schwierigkeiten geführt hat, unter denen wir heute noch leiden. Nachdem nun aber die Bundesbank wegen der Schaffung der anderen Instrumente ebenfalls verzichtet hat, hat sich auch der Ausschuß leicht getan, auf dieses Instrument zu verzichten.
Als mildeste Maßnahme für den privatwirtschaftlichen Bereich ist wohl die Anpassung der Steuertermine anzusehen. Das bedeutet nichts anderes als Liquiditätsabschöpfung. Bedenken sind z. B. von Vertretern des Handwerks geäußert worden, daß diese Vier-Wochen-Frist der Nachzahlung zu kurz sei. Das Finanzministerium hat uns aber glaubhaft versichert, daß Stundungsanträge regelmäßig Erfolg haben, so daß wir Bedenken dieser Art nicht haben. Ich erwähne das, weil ich dem Kollegen Opitz, der sich zum Sachwalter dieser Forderungen gemacht hat, versprochen habe, in der mündlichen Berichterstattung darauf einzugehen.
Nun kommen die neuen Bestimmungen, die von dem ursprünglichen Entwurf abweichen. Da ist zunächst die Frage der Abschreibungsmethodik und die Frage der Variierung der Einkommensteuer. Lassen Sie mich zunächst etwas zu dem Instrument der Abschreibung sagen. Ich will es kurz machen, weil ich weiß, daß das eine Debatte auslösen wird und ich als Berichterstatter die Debatte nicht vorwegnehmen möchte. Aber ich muß immerhin begründen, warum der Ausschuß der Regierungsvorlage nicht gefolgt ist und ein für deutsche Verhältnisse völlig neues Instrument geschaffen hat. nämlich das Instrument einer Direktabsetzung von 7,5 % von der Steuerschuld. Es handelt sich um 7,5% des Wertes der Investitionsgüter. Das ist eine sicherlich einschneidende Maßnahme, die zu eingehenden Diskussionen geführt hat. Ich will nicht in die Einzelheiten gehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in dem Entwurf ursprünglich eine 15%ige Sonderabschreibung für Gebäude, für unbewegliche Güter und eine 30%ige Sonderabschreibung für bewegliche Güter vorgesehen hatte. Gegen diese Abschreibungsmethodik sind nicht nur von seiten der Finanzwissenschaft, sondern auch von der privaten Wirtschaft erhebliche Bedenken geäußert worden.



Dr. Elbrächter
Der Ausschuß hat sich vor allen Dingen von zweierlei leiten lassen. Wir glauben erstens, daß die bisherige Methode der Sonderabschreibungen, die wir in der Vergangenheit schon mit Erfolg praktiziert haben, heutzutage nicht ausreicht, Inzente zu setzen, daß sie also nicht effektiv genug ist. Der Hinweis auf die Vergangenheit ist insofern notwendig, als ich dartun muß, daß wir uns damals in einer langen Periode wirtschaftlichen Aufschwungs befanden, so daß relativ leichte Inzente genügten, die Unternehmungen zu Investitionen zu veranlassen. Das ist heute anders. Heutzutage genügen nicht diese leichten Anreizungen durch Sonderabschreibungen, sondern man muß schon etwas kräftiger kommen, wenn man wirklich die Investitionstätigkeit beleben will. Ich möchte dazu sagen, daß Investitionen immer noch die Quelle der Konjunktur sind — eine Weisheit, die schon vor hundert Jahren ein sicherlich ganz unverdächtiger Zeuge gesagt hat, nämlich Karl Marx. Schade, daß ich das Zitat nicht bei mir habe — sonst würde ich mich gern damit auseinandersetzen —, das dartut, daß die Investitionen die eigentliche Quelle sind und nicht etwa, wie auch heute vielfach in der Diskussion noch gesagt wird, die Schaffung von Kaufkraft. — Aber das geht über meine Aufgabe hinaus.
Die Bundesregierung hatte ursprünglich Sonderabschreibungen in Höhe von 15 und 30% vorgesehen. Sie haben sich als nicht sehr wirksam herausgestellt. Aber der Hauptgrund für uns war ein anderer. Solche Abschreibungen können natürlich nur von den Branchen vorgenommen werden, die sich in der Gewinnzone befinden. Das heißt, sie haben einen unerwünschten Konzentrationseffekt. Das ist nicht eine Weisheit, die der Ausschuß gefunden hat, sondern das geht aus den langjährigen Diskussionen in amerikanischen Finanzausschüssen hervor. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß versucht, eine wirksamere und gerechtere Methode zu finden. Denn infolge der Progression bei der Einkommensteuer wirkt eine Abschreibung alten Stils recht unterschiedlich.
Wir haben daher nach langer Diskussion die Methode vorgeschlagen, die in Amerika mit bestem Erfolg praktiziert worden ist, einen bestimmten Betrag — bis zu 7,5% des Wertes der Anlagegüter — von der Steuerschuld direkt abzusetzen. Wir glauben, daß mit dieser Methode der Regierung eines der wirksamsten Instrumente auf dem privatwirtschaftlichen Sektor gegeben ist.
Dem steht eine Dämpfungsmaßnahme bei der Abschreibung gegenüber. Da sind wir der alten Regierungsvorlage gefolgt, die für genau begrenzte Zeiten die Möglichkeit des Übergangs von der degressiven zur linearen Abschreibung vorsieht. Diese Vorschrift bedeutet nicht etwa eine Stellungnahme grundsätzlicher Art gegen die Methode der degressiven Abschreibung. Der Ausschuß hält diese Methode einstimmig für betriebswirtschaftlich erwünscht und notwendig. Aber in Notzeiten — und um die geht es — muß man einen Dämpfungseffekt hinnehmen. Ein solcher Dämpfungseffekt würde etwa 1,2 Milliarden DM ausmachen, wenn die optimale Wirkung erzielt wird. Auf der anderen Seite steht der Anheizungseffekt nach der von uns vorgesehenen Methode der direkten Absetzbarkeit oder der Investitionsprämie, wenn Sie so wollen. Das würde einen Effekt von etwa 4,8 Milliarden DM haben.
Es ist lebhaft darüber diskutiert worden, daß diese 4,8 Milliarden DM eine endgültige Zuwendung an die Unternehmungen bedeuten. Es ist daher die Frage gestellt worden: Wo bleibt denn da die soziale Symmetrie? Wir im Ausschuß haben geglaubt, die Entsprechung dafür sei die Sicherung des Arbeitsplatzes und die Sicherung des Wachstums und damit der Steigerung der Lohneinkommen. Sicher ist, daß der Arbeitnehmer in Zeiten der Stagnation oder gar des Rückgangs am schlechtesten fährt, da dort sein Anteil am Volkseinkommen, privat und gesamt gesehen, am stärksten fällt.
Nun ein Wort zu der zweiten Methode des Eingreifens, der Methode, die Einkommensteuer zu variieren; Entsprechendes würde für die Körperschaftsteuer gelten. Das ist ein sehr breit und sicherlich nicht so gezielt wirkendes Instrument. Aber durch eine Steuersenkung würde natürlich enorme Kaufkraft geschaffen, sowohl für den wirtschaftlichen als auch für den privaten Bereich. Umgekehrt würde bei einer Steuererhöhung selbstverständlich Kaufkraft stillgelegt. Das muß man sehen. Diese Maßnahme der Stillegung ist dadurch sichergestellt, daß die Gelder, die nach einer möglichen Steuererhöhung stillgelegt werden müßten, in die Konjunkturausgleichsrücklage kommen.
Ich muß hier eine Korektur meines eigenen Berichts anbringen. Ich bin Herrn Kollegen Schmidt sehr dankbar, daß er mich darauf aufmerksam gemacht hat. Ich habe nämlich in meinem Bericht von „Variierung der Steuersätze" gesprochen. Das ist die alte Diktion. In der Eile habe ich das in meinem Bericht beibehalten, und beim Korrekturlesen habe ich das übersehen. Es handelt sich nicht um eine Variierung der Steuersätze, sondern es handelt sich darum, daß man Zu- oder Abschläge bis 10 % der Steuerschuld festsetzen kann. Das möchte ich mit aller 'Deutlichkeit festgestellt haben, Herr Kollege Schmidt, und möchte insofern meinen Bericht korrigieren. Ich bitte um Nachsicht und um Verzeihung, daß mir das widerfahren ist.
Meine Damen und Heren, ich habe damit die wesentlichen Instrumente vorgetragen, die der Regierung in diesem Gesetz an die Hand gegeben werden sollen. Wir glauben, daß diese Maßnahmen insofern zu vertreten sind, als mehrere wichtige Bestimmungen eingefügt worden sind, in denen die Mitwirkung dieses Parlaments sichergestellt ist, entweder durch Kassationsrecht oder aber durch Zustimmung, und das ist das allerwichtigste bei verschiedenen Bestimmungen, wie z. B. bei der letzten steuerlichen Bestimmung. Damit wird dieses Instrument im Grunde genommen zu nichts anderem als zu einem Steueränderungsgesetz, nur im Eilverfahren. Ich glaube, daß die Mitwirkung des Parlaments bei der Frage, ob wir einer solchen Maßnahme zustimmen können oder nicht, entscheidend sein sollte.
Alles in allem glaubt der Ausschuß, damit ein Werk vorgelegt zu haben, das zu dem modernsten



Dr. Elbrächter
Instrumentarium gehört, das einer modernen Volkswirtschaft gegeben werden kann. Es ist nicht vollkommen. Ich habe die Schwächen aufgezeigt, bei dem Lohnsektor, bei der Außenwirtschaft. Immerhin sind die Bereiche der öffentlichen Hand und die privaten Bereiche so global steuerbar, daß wir die Gratwanderung wohl bestehen werden, die darin besteht, nicht in dem Strudel einer Inflation zu versinken, aber auch nicht abzustürzen in ein Tal des Todes, nämlich der wirtschaftlichen Stagnation.
Ich möchte noch meinen Dank abstatten an die Damen und Herren der beteiligten Verbände, die an dem Sachverständigen-Hearing mitgewirkt haben. Es war wohl für uns alle sehr nützlich, daß wir deren Stellungnahme in einer zweitägigen Diskussion in Berlin haben erfahren dürfen. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, daß wir das Gesetz so formuliert haben. Wir sind auch bei den neuen Bestimmungen von den Sachverständigen unterstützt worden.
Ich muß weiterhin meinen Dank sagen — ich betrachte das als Ehrenpflicht — all denen Damen und Herren der Ministerien, die unermüdlich — die große Zahl der Ausschußsitzungen beweist das — in Tag- und Nachtarbeit daran mitgewirkt haben, daß wir nun doch endlich, wenn auch spät, dieses Gesetz haben schaffen können. Nicht zuletzt möchte ich selbstverständlich auch der Ausschußassistentin Frau Regierungsdirektorin Vogt unseren ganz besonderen Dank sagen.

(Beifall im ganzen Hause.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510816100
Nach diesem Dank des Herrn Berichterstatters an die Mitwirkenden danken wir dem Herrn Berichterstatter für seine umfangreiche Arbeit.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, muß ich eine Berichtigung des Ergebnisses der Abstimmung über die Grundgesetzänderung bekanntgeben: Es haben 364 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben, nicht 365. Es hat 336 gültige Ja-Stimmen gegeben, nicht 337. Der Irrtum ist dadurch entstanden, daß es in diesem Hause voll stimmberechtigte und nicht voll stimmberechtigte Mitglieder gibt. Daran möchte ich mein Ceterum censeo anknüpfen: Das muß geändert werden!

(Beifall im ganzen Hause.)

Meine Damen und Herren, es liegen Wortmeldungen für die allgemeine Aussprache vor. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Stein.

Gustav Stein (CDU):
Rede ID: ID0510816200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob die Verabschiedung dieses Gesetzes einmal ein sehr bedeutungsvolles Datum unserer Wirtschafts- und Finanzgeschichte sein wird, steht natürlich vorläufig dahin. Uns selbst erscheint der Erlaß des Gesetzes aber von höchster Bedeutung, weil der Bundesregierung erstmalig für alle Bereiche ihrer wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten ein umfassendes konjunkturpolitisches Instrumentarium an die Hand gegeben werden soll. Dieses Instrumentarium unterscheidet sich ganz wesentlich von den klassischen und bisher gebräuchlichen Mitteln der Konjunkturpolitik. Darüber wird sich niemand wundern. Mit den bisherigen Mitteln haben wir trotz aller großartigen Erfolge unserer Wirtschaftspolitik nach dem Kriege gewisse Dinge nicht zu verhindern gewußt. Plötzlich werden in unserem Lande wieder Arbeitsplatz und Geldwert diskutiert, und wir stehen vor so mancher Überraschung in unserem Wirtschaftsleben. Diese Überraschungen — das ist die Absicht dieses Gesetzes — sollen und dürfen sich nicht wiederholen.
Der Entwurf zu diesem Gesetz — dies muß gerechterweise angemerkt werden — stammt von der vorigen Bundesregierung. Er trägt maßgeblich die Handschrift unseres Freundes Schmücker. An der Konzeption des Entwurfs brauchte in grundsätzlicher Hinsicht nichts geändert zu werden. In die weitere Prüfung wurden vor allem Änderungsvorschläge einbezogen, die in den Anmerkungen enthalten waren, die die damalige Oppositionspartei bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs vorgebracht hatte, und einige andere Anregungen. Das Resultat der umfangreichen Beratungen war, daß es einer breiten Regierungsbasis bedurfte, um das vorliegende Gesetz in einer so soliden und überzeugenden Form, wie sie vom Wirtschaftsausschuß jetzt vorgelegt und eben von unserem Kollegen Elbrächter begründet worden ist, zustande zu bringen.
Gerechterweise muß, wenn man sagt, daß der Entwurf von der vorigen Bundesregierung stammt, auch die Mitvaterschaft des jetzigen Bundesministers unterstrichen werden, der durch seine Vorschläge das Instrumentarium verbessert und manche schwierigen Fragen zu guten Kompromissen in der neuen 'Koalition gebracht hat.
Man hat eingewandt, daß man über Gesetze und insbesondere über ein solches Gesetz, das der Regierung für eine unabsehbare Dauer wichtige Vollmachten geben soll, nicht in einer einseitigen Entwicklungsphase des Wirtschaftsablaufs beraten sollte, um ganz abgewogene Vorschläge zu ermöglichen. Dem kann man gute Gründe entgegenhalten. Erstens gibt es im Auf und Ab der Wirtschaft diese Ruhelage nicht. Zum anderen sah der Gesetzentwurf zwar von vornherein Maßnahmen sowohl gegen inflatorische als auch gegen deflatorische Entwicklungen vor, aber der Hauptblick war schon im ersten Ansatz der Überlegungen auf die damals noch überschäumende Konjunktur gerichtet. Erst während der Beratungen im Ausschuß wechselte der Konjunkturverlauf deutlicher zur Flaute und Stagnation. Eine. als Anschauungsmaterial günstigere Beratungssituation ist kaum vorstellbar, so daß man wohl mit Recht vermuten darf, daß der jetzt vorliegende Gesetzentwurf für beide Konjunktursituationen geeignet ist.
Meine Freunde und ich stehen positiv hinter dem jetzt vorliegenden Beratungsergebnis, zu den vorgeschlagenen Instrumenten und der Methode ihrer Handhabung. Als Anhänger der sozialen Marktwirtschaft haben wir stets die Auffassung vertreten, daß der Staat die Befugnis und die Möglichkeit haben muß, unserer freien Unternehmerwirtschaft die Straßen offenzuhalten und ihr die Schwierigkeiten,



Stein (Honrath)

die sie aus sich selbst nicht bewältigen kann, aus dem Wege zu räumen. Wir hatten also zu prüfen, ob die Vollmachten, die die Bundesregierung erhalten soll, ausreichen, diese Aufgabe bei wechselnden Konjunkturverläufen befriedigend wahrzunehmen, ob die nötigen Kontrollen angebracht sind und ob der Tatkraft der Regierung keine bürokratischen Hindernisse entgegenstehen.
Damit steht die Frage im Zusammenhang, ob die Vollmachten den verfassungsmäßigen Erfordernissen entsprechen und andererseits so abgegrenzt sind, daß Eingriffe in die Wirtschaft und die öffentliche Hand auf das sachlich notwendige Maß beschränkt bleiben. Mit Genugtuung kann ich feststellen, daß es bei den Beratungen mit dem neuen Koalitionspartner möglich war, sich sehr schnell auf eine. mittlere Linie der Eingriffsbefugnisse zu einigen. Auf dieser Basis konnten dann die Einzelinstrumente auf ihre Zweckmäßigkeit und ihre Grenzen hin näher abgewogen werden. Ob der berühmte wirtschaftspolitische Instrumentenkasten, wie er sich dem Bundestag nun präsentiert, so ausgewählt und aufeinander abgestimmt ist, daß der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben ist, die wesentlichsten der denkbaren Konjunktursituationen zu meistern, möchte ich nach dem gegenwärtigen Stand unserer Erkenntnisse mit Überzeugung bejahen. Erfolgreiche Maßnahmen der Wirtschaftspolitik fußen in der Regel bekanntlich auf zuverlässigen Daten und auf breiten Erfahrungen. Alle künftigen Situationen und die Wirkung der wirtschaftspolitischen Behelfe vorauszuschätzen, ist allerdings nicht möglich. Aber die Vollmachten, die den Regierungen in Bund und Ländern gegeben werden, die Pflichten, die ihnen auferlegt werden, sind jetzt ganz klar umrissen. Die Regelungen, die in den föderativen Bereich hineinragen, sind allerdings von einer gewissen Zurückhaltung geprägt.
Besondere Schwierigkeiten werden sich sicher bei der Interpretation der allgemeinen Zielsetzungen des § 1 ergeben. Diese Zielsetzungen sind aber die Grundlage für das Zusammenspiel der privaten und öffentlichen Wirtschaft und deshalb unverzichtbar. Von einer behutsamen Auslegung der Einzelziele und ihrer Abstimmung aufeinander wird der wirkungsvolle Einsatz der einzelnen Konjunkturinstrumente künftig im wesentlichen abhängen. Hier befinden sich in dem Gesetz Formeln, die aus einem Lehrbuch der theoretischen Volkswirtschaft stammen könnten, so z. B. das bekannte magische Dreieck, das inzwischen zu einem Viereck erweitert ist. Man muß erhebliche innere Schwierigkeiten überwinden, wenn man das jetzt in Gesetzesbefehle umgemünzt sieht. Die Gefahr, daß man damit echte, lebendige Politik einmauert und die Bewegungsfreiheit auf einem Gebiet, das stetem Wandel unterworfen ist, einfrieren läßt, ist natürlich sehr groß. Ebenso schwer wiegt die Sorge, daß diese Gebote leere Formeln bleiben und sich damit auch in ihrem guten Kern abwerten, zumal sie ja auch nicht justitiabel gehalten werden können. Dem Gesetz allerdings würde die Aussagekraft, seine Farbe und vor allem die notwendigen Richtpunkte fehlen, wenn auf diese Thesen und Prämissen ganz verzichtet würde. Nur unter diesem programmatischen Gesichtspunkt wollen wir den Zielsetzungen des § 1 zustimmen.
Einen zweiten Punkt möchte ich ebenfalls ganz aufrichtig ansprechen. Man muß sich nachdenklich die Frage stellen, wie es wohl um unsere derzeitige wirtschaftliche Lage bestellt wäre, wenn wir das Gesetz, das jetzt aus den Erfahrungen zweier Konjunkturphasen Nutzen ziehen kann, schon längst gehabt hätten. Wäre es dann wohl möglich gewesen, die allgemeine wirtschaftspolitische Vorausschau, deren Unzulänglichkeit uns nicht zuletzt mit den dritten Jahresgutachten der Sachverständigen vor Augen geführt wurde, so zu verbessern, daß die finanz- und haushaltspolitischen Fehlleistungen, die uns jetzt diesen Kummer bereiten, vermindert und dieses gleichzeitige Ziehen am Wirtschaftskarren vorn und hinten, und zwar nach verschiedenen Richtungen, verhindert worden wäre? Meine Frage soll nicht mehr bedeuten, als plastisch zu machen, worum es bei dem Stabilitätsgesetz letzten Endes geht, nämlich um einen wesentlichen Teil unseres wirtschaftlichen und damit nationalen Schicksals.
Sicher wird auch dieses Gesetz Fehlgriffe und Fehlentscheidungen nicht ausschließen können. Das Positive an dem Gesetz ist aber, daß geeignete Ermächtigungen gegeben sind, daß die allgemeine Wachsamkeit verschärft und daß das Gesetz zu einer Zusammenarbeit zwingt, die, so hoffen wir, grobe Versehen ausschließt. Ein Gesetz, wie auch immer es beschaffen ist, wird natürlich Verzagte nicht mutig machen können, wird politische Kräfte nicht daran hindern, Wahlrücksichten zu nehmen und die Folgen falscher Handlungsweisen der anonymen Zukunft zu überlassen. Aber ein solches Gesetz wird es möglich machen, daß man in Zukunft eindeutig feststellen kann, wo die Verantwortung für ein Versagen liegt, und man wird die Schuld für dieses Versagen auch im Bereich der Verantwortlichen nicht hin- und herschieben können. Unsere Hoffnungen, die sich auf das Gesetz gründen, sind also groß.
Wir müssen aber auch einer Illusion vorbeugen, nämlich der Illusion, daß das Gesetz etwa generell brauchbare Patentrezepte für jeden Konjunkturverlauf biete. Wirtschaftspolitik ist eben kein Sandkastenspiel, wie wir in den letzten Monaten mit großer Eindringlichkeit haben feststellen können. Nicht einmal Prioritäten unter den möglichen Rezepten werden ausgedeutet, sondern es wird lediglich die Möglichkeit geschaffen, schnell und wirksam zu handeln, und zwar auf den Wegen, die sich nach den heutigen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen als geeignet herausgestellt haben.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch einen kurzen Blick auf den Namen des Gesetzes werfen. Ich vermute, daß es sich abgekürzt als „Stabilitätsgesetz" einbürgern wird, obwohl es sich „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" nennt. Die deutsche Sprache verbindet nach meiner Überzeugung in glücklicher Weise auch den Gedanken des Wachstums mit dem Begriff der Stabilität. So lebenswichtig Wachstum für die Wirtschaft ist, so wenig un-



Stein (Honrath)

glücklich wäre ich über die abgekürzte Bezeichnung „Stabilitätsgesetz", weil es die für den Bürger wichtigste Eigenschaft, nämlich die Solidität von Geld und Arbeitsplatz, am deutlichsten ausdrückt.
Die Diskussion über Stabilität und Wachstum hat sich bekanntlich in Deutschland nicht sehr glücklich entwickelt. Zwei Lager sind entstanden, die nun gegenseitig darauf warten, daß das andere Lager, Unrecht hat. Inzwischen sind wir wesentlich klüger geworden und wissen, daß immer beide Bemühungen nebeneinander stehen müssen. Man könnte die Beziehungen zwischen Stabilität und Wachstum, wie wir sie jetzt lernen, fast mit dem Unterschied vergleichen, den unser neuer technischer Zeitgenosse, der Wankelmotor, gegenüber dem klassischen Motor hat.
Unser heutiger Gesetzentwurf versucht, diesen Gedanken der kontinuierlichen, aber kontrollierten Bewegung in einigen Begriffen einzufangen. Aber auch hier warne ich vor der Vorstellung, als ob damit für die tägliche Praxis schon allzuviel gewonnen sei. Die Wirtschaftslage ist oft sehr undurchsichtig und widerspruchsvoll. In dem Ringen zwischen Stabilität und Wachstum wird es auch nie eine abschließende Entscheidung geben; immer wieder alles in Fluß bleiben. Man darf erwarten, daß das überall von den Kreislaufdiagnostikern bald erkannt wird und damit der beträchtliche Dilettantismus der bisherigen Auseinandersetzungen sein Ende findet.
Das Stabilitätsgesetz berührt die Grundlagen unserer Wirtschaftsverfassung nicht. Wir geben der Regierung lediglich Instrumente an die Hand, überlassen es aber ihrer Verantwortung, den Zeitpunkt und das Ausmaß für die Anwendung dieser Instrumente zu bestimmen.
Es wäre völlig falsch, anzunehmen, daß mit der Verabschiedung des Gesetzes eine Fülle von Maßnahmen und Eingriffen in den wirtschaftlichen Verlauf unmittelbar eingeleitet werde. So gibt beispielsweise § 20 der Regierung die Möglichkeit, Vorschriften über die Inanspruchnahme des Kapitalmarkts durch die öffentliche Hand zu erlassen, wenn die Kapitalmarktsituation dies erforderlich macht. Es mag aber möglicherweise schon genügen, daß die Regierung diese Eingriffsmöglichkeit hat, um die verschiedenen öffentlichen Haushalte für die Zukunft zur Vorsicht zu mahnen. Das Gesetz wird unzweifelhaft — so ist es unsere Auffassung — eine starke erzieherische Wirkung im öffentlichen und privaten Bereich der Wirtschaft haben.
Durch die vorgesehenen Jahresberichte, die Zielprojektionen und die Finanzberichte wird für alle Bereiche der tatsächliche Wirtschaftsablauf durchsichtiger, und es werden den Entscheidungen Richtpunkte gesetzt. Dies aber bedeutet den Abschied vom Glauben an Wunder in der wirtschaftlichen Entwicklung.
Als die ersten Texte des Gesetzes bekannt wurden, als ein Überblick darüber vorlag, wieweit das Instrumentarium, das von der bloßen Überredung bis zum harten Zwang reichen wird, ausgestattet ist, wurde besorgt gefragt, ob der Regierung nicht solche Ermächtigungen gegeben würden, die zu einer allmählichen Einflußsteigerung des Staates und zu einem Abbau der unternehmerischen Eigenverantwortung führen müßten.
Wir haben uns diese Frage, geschreckt durch die Ermächtigungsgesetze und deren Auswirkungen, sehr genau vorgelegt, meine Damen und Herren. Meine Fraktion glaubt, daß das Verhältnis von Regierungsverantwortung einerseits — denn die Regierung wird verpflichtet, die einzelnen je nach Lage notwendigen Maßnahmen einzuleiten — und parlamentarischer Kontrolle andererseits ausgewogen ist. Alle einschneidenden Maßnahmen sind an die Zustimmung des Bundestages oder dessen nachträgliche Billigung gebunden. Wir haben sichergestellt, daß ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Maßnahmen, die die öffentliche Hand und denen, die die Privatwirtschaft treffen, gefunden wurde.
So hat sich meine Fraktion mit allem Nachdruck gegen den Wunsch des Bundesrates ausgesprochen, daß beispielsweise die Rechtsverordnungen, die die Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage anordnen, an eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat gebunden werden.
Unabhängig von den rechtlichen Bedenken, die gegen ein solches Verfahren sprechen, hätte dies bedeutet, daß ein wesentliches Stück der Konjunkturpolitik in die Verantwortung der Länder abgeglitten wäre, obgleich das Grundgesetz dem Bund die Verantwortung für die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik gibt..
Meine Fraktion glaubt, den Ländern durch die Schaffung des Konjunkturrates für die öffentliche Hand, der stets vor Einleitung der Maßnahmen, die die öffentlichen Haushalte betreffen, zu hören ist, den hinreichenden Einfluß gesichert zu haben. Wir weisen also bewußt der Bundesregierung eine zusätzliche Verantwortung zu und wissen gleichzeitig, daß es gefährlich sein kann, zu früh zu den Instrumenten zu greifen oder für alle sichtbar mit ihnen zu spielen.
Die letzten Wochen haben uns gerade gezeigt, welche Gefahren ein nervöses Erwägen weiterer Maßnahmen mit sich bringt.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Die Unternehmer werden warten und ihre Entscheidungen zurückstellen, bis deutlich wird, was wirklich geschehen soll, ,d. h. in jedem einzelnen Fall wird die Regierung mit Vorsicht erwägen müssen, wann und wie sie handelt, um das Vertrauen nicht unnötig zu stören.
Die Regierung hat sich dabei nicht nur auf Daten, mechanisierte Wirkungen und Ergebnisse von Umfragen 'zu verlassen, sondern sie muß im laufenden Kontakt mit allen Beteiligten ein gutes Gefühl für abgewogenes, rechtzeitiges und ,maßgerechtes Handeln entwickeln. Die notwendige Distanz zu allen Vorgängen schützt auch die Regierung vor Voreiligkeit — Eile ist noch nie ein guter Ratgeber gewesen —, setzt sie aber in die Lage, die notwendige Atmosphäre des Vertrauens bei den Unternehmern und den Arbeitnehmern zu schaffen:



Stein (Honrath)

Lassen Sie mich noch kurz einen Blick auf die Instrumente selbst werfen. Da gibt es die prophylaktischen Maßnahmen — den schon erwähnten Jahreswirtschaftsbericht, den Subventionsbericht, die fünfjährige Finanzplanung — und die vielfachen Aufforderungen an die öffentliche Hand zur konjunkturgerechten Aufstellung der Haushalte und zu konjunkturgerechtem Verhalten. Diese Berichte werden der Wirtschaft deutlich machen, welche Ansprüche in naher Zukunft die öffentliche Hand an das Sozialprodukt stellen wird, Angaben, die Richtpunkte für unternehmerische Planungen sein können.
Wir haben bei den Formulierungen sorgfältig darauf geachtet und werden in Zukunft bei der Vorlage der Berichte aufmerksam darüber zu wachen haben, daß diese Berichte, und hier besonders die Berichte über die mittelfristige Finanzplanung, nicht ausufern in eine Steigerung des Dirigismus. Dies würde geschehen, wenn die Zielsetzungen bis in die Einzelvorhaben quantifiziert und in die unternehmerischen Entscheidungen eingreifen würden. Nur in dieser Beschränkung, daß nämlich konkrete Eingriffe in den Einzelwirtschaftsablauf vermieden werden, haben wir diesen prophylaktischen Maßnahmen zugestimmt.
Ihr Wert liegt nach unserer Auffassung jedoch auf einem anderen Gebiet. Die Vorschriften nehmen nämlich im Bereich der Konjunkturpolitik eine seit langem notwendige Koordinierung der öffentlichen Hände vorweg. Ihre Vollendung wird natürlich der Finanzreform vorbehalten sein. Die Vollmachten zu Einzelmaßnahmen schalten, wie ich schon andeutete, das Parlament nicht aus; sowohl die Kontrolle als auch die parlamentarische Verantwortung bleiben voll gewahrt. Wir stellenausdrücklich feist, daß diese Vollmachten den Rahmen unserer Wirtschaftsordnung nicht sprengen. Aus diesem Grunde konnten weder Vollmachten zur sogenannten außenwirtschaftlichen Absicherung noch zu einer Kreditplafondierung gewährt werden, weil beide Maßnahmen gegen die Prinzipien der marktwirtschaftlichen Ordnung verstoßen würden.
Für die Inanspruchnahme von Krediten durch die private Wirtschaft ist die Verantwortung der Bundesbank voll gültig, und wir haben keinen Grund, die Bundesbank aus dieser Verantwortung zu entlassen.
Die im Gesetz enthaltenen steuerrechtlichen Bestimmungen sind die massivsten in der Interventionsskala des Gesetzentwurfs. Ich hoffe, die Furcht vor diesen Eingriffen mildem zu können, wenn ich sage, daß in der Zukunft eine 'glücklichere Wirtschaftspolitik sie verhindern kann und sie auch verhindern muß.
Welche Risiken allerdings bei einer anhaltenden Stagnation oder Nachfrageausweitung auf dem Spiele stehen, wissen wir heute. Die Regierung muß deshalb mit ihren Incentives nach der einen oder anderen Richtung — gestatten Sie mir den Ausdruck — auch „klotzen" können, damit eine Konjunkturerkrankung nicht chronisch wird. — Ich spreche ,damit nicht zur gegenwärtigen Situation.
Die Steuerprämie von 7 1/2% der Anschaffungsoder Herstellungskosten gewisser beweglicher und unbeweglicher Wirtschaftsgüter, die naturgemäß im Vordergrund der steuerlichen Interventionen steht, ist ohne Zweifel ein besonders massives Instrument; ganze Bibliotheken an Befürwortungen und Einwänden lassen sich dazu finden. Von der Frage der konjunkturellen Wirksamkeit, der inneren Gerechtigkeit, der sachlichen Gleichmäßigkeit angefangen bis hin zur integrationspolitischen und finanzwirtschaftlichen Vertretbarkeit ist die ganze Problematik der steuerrechtlichen Intervention herausgefordert.
Wir Leute vom Wirtschaftsausschuß unterstützen den Vorschlag aber mit allem Nachdruck, weil er nach dem anerkannt bescheidenen Erfolg von Sonderabschreibungen und unter dem Zwang des NichtKleckern-Dürfens wohl die beste Lösung darstellt; wir sind aber der Meinung, daß von der Möglichkeit nur nach sehr gewissenhafter Prüfung der jeweiligen Konjunkturphase und nur, wenn bedeutende Interessen auf dem Spiel stehen, Gebrauch gemacht werden darf. Diese unsere Mahnung ist ernst ge- meint.
Die politische und wirtschaftliche Verflechtung, die sich in unserer Sozialen Marktwirtschaft und überhaupt in der Sozialpolitik am deutlichsten zeigt, bringt es mit sich, daß man sich beim Einsatz von Konjunkturmitteln nicht wie früher um einen Mangel an Courage, sondern eher um zuviel Courage Sorge machen muß.
Die Steuerprämie von 7 1/2 % ist also sehr sorgsam zu bedenken. Andererseits ist aber der Wirtschaft nichts dienlicher als die schnelle Wiederherstellung des Normalen und nichts störender als mangelnde Kontinuität. Auf die Prämie als global wirkende Maßnahme kann also schwerlich verzichtet werden.
Der Ausschuß konnte sich um so eher zu dieser Regelung entschließen, als es bei Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur ausschließlich darauf ankommen muß, allen Unternehmen und nicht nur denen in der Gewinnzone einen Anreiz zu gewähren.
Der Ausschuß hat dann diesem Instrument ein Korrelat für den Fall der überschäumenden Konjunktur gegenübergestellt. Ob von dieser Möglichkeit der Aussetzung der degressiven Abschreibung allerdings je Gebrauch gemacht wird, bleibt abzuwarten. Für uns war es aber absolut wichtig festzustellen, daß am Grundsatz der degressiven Abschreibung nicht gerüttelt wird und daß die Regierung ermächtigt bleibt, Sonderabschreibungen von der Aussetzung der degressiven Abschreibung auszunehmen.
Ich möchte zum Schluß zu meiner ersten Bemerkung zurückkehren, nämlich dazu, daß nur die Zukunft zu erweisen vermag, ob dieses Gesetz den Beginn einer grundsätzlich neuen Ara der Wirtschaftspolitik bedeutet und ob diese Ara erfolgreich sein wird. Das Gesetz stellt vielerlei Möglichkeiten nebeneinander; es gibt, wie gesagt, keine bindenden Regeln für ihre Anwendung und für ihre Dosierung, keine Taktik oder gar Strategie der Stabilisie-



Stein (Honrath)

rungspolitik. Von der richtigen und verantwortungsbewußten Handhabung hängt vielmehr alles ab.
Der entschlossene Wille einer Regierung, sich eine ungünstige Entwicklung nicht aufzwingen zu lassen, ist die eigentliche Ratio dieses Gesetzes.
In einem weiteren Punkt aber besteht ebenfalls volle Sicherheit. Das Gesetz und seine Durchführung werden die Information aller auf der Seite des Staates und der Wirtschaft Beteiligten verbessern. Diese zusätzliche Information — das ist das Fazit der schweren Monate und Wochen, die wir jetzt durchmachen — ist unbedingt nötig, um die Prognosen verläßlicher zu machen. Rückschauend betrachtet erscheint uns das, was vor achtzehn und zwanzig Monaten begann, schon bald wie ein unwirklicher Traum. Die Prognosen versagten rundherum. Aber vielleicht versagte bei uns allen auch der Wille, den Prognosen, soweit sie wenigstens Andeutungen enthielten, zu glauben und danach zu verfahren. Das sollten wir in Zukunft abstellen. Das Stabilitätsgesetz wird uns dabei behilflich sein.
Unsere soziale Sicherheit liegt — ich wiederhole es — in der Kontinuität unserer nationalen Arbeit, in der steten unbehinderten Ausnutzung unserer Fertigkeiten und des Fortschritts. Der Rang, der unter diesem Gesichtspunkt dem neuen Gesetz zukommt, das wir nach Möglichkeit — so ist es jedenfalls die Vorstellung meiner Fraktion — heute verabschieden wollen, kann daher nicht hoch genug veranschlagt werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510816300
Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0510816400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, mit Genehmigung des Präsidenten in dieser Aussprache gleich auch die Begründung für unseren Antrag zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 aus Gründen der Rationalisierung und der Zeitersparnis mit vortragen zu dürfen. Der Antrag liegt Ihnen vor.
Der § 2 des Stabilitätsgesetzes stellt den Bundestag bereits vor die Entscheidung, ob er ein Gesetz wünscht, das die Möglichkeit starker dirigistischer Eingriffe gibt, oder ob er die Eingriffe in das marktwirtschaftliche Geschehen auf das unbedingt notwendige Maß begrenzen will. Für die Freien Demokraten kommt es bei diesem Gesetz insbesondere darauf an, die Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand für die Konjunktur nutzbar zu machen. Das entsprach auch weitgehend den Vorstellungen der Regierung Erhard/Mende. Unter einem Wirtschaftsminister Schmücker und einem Finanzminister Dahlgrün wäre es auch nicht möglich gewesen, eine Neufassung des § 2 vorzulegen, wie sie schon vorher die SPD-Fraktion vorgelegt hatte und wie sie sich dann unter Wirtschaftsminister Schiller die Koalitionsfraktionen als Antrag zu eigen gemacht haben.
In den Beratungen des Wirtschaftsausschusses ist es dann gelungen, die Formulierungen dieses § 2, der dem Dirigismus Tür und Tor geöffnet hätte, ein wenig zu entschärfen. Es verschwand Gott sei Dank im Gesetzestext der Begriff der quantifizierten Darlegung der angestrebten wirtschafts- und finanzpolitischen Ziele in einer Jahresprojektion. Offenbar gibt aber auch die neue Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 die Möglichkeit gleichen dirigistischen Verhaltens; denn im Schriftlichen Bericht wird zu § 2 erläutert, daß die Jahresprojektion dazu beitragen soll, die angestrebten wirtschafts- und finanzpolitischen Globalziele genau zu formulieren und sie durch Quantifizierung gegeneinander abzugrenzen.
Nach Auffassung der Freien Demokraten sind quantifizierte Zielaussagen durch den Staat gefährlich. Auf Grund eines Antrages der damaligen CDUFDP-Koalition wurde ein Sachverständigengremium zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Situation geschaffen. Zu den Aussagen dieser Sachverständigen soll und muß sich die Bundesregierung natürlich äußern. Sie sollte es aber vermeiden, sich mit Zahlenangaben voll zu identifizieren, um das Verhalten der Wirtschaft nicht in einer Weise zu beeinflussen, die heute noch richtig und morgen vielleicht schon ganz falsch sein kann. Nach Auffassung meiner Fraktion besteht bei Professor Schiller die Gefahr, daß er die Wirtschaft zu sehr als eine Institution sieht, die man nach Belieben dirigieren kann. In dem ersten halben Jahr der Großen Koalition hat sich aber bereits gezeigt, daß das Verhalten der Wirtschaft nicht in einem solchen Umfang manipulierbar ist, wie sich das der für die Wirtschaft verantwortliche Minister vorgestellt hat.
Nachdem die Gegner der CDU-FDP-Koalition in der CDU und in der SPD die Konjunktur mit Erfolg zerredet hatten

(Lachen bei der SPD)

— und diese Tätigkeit setzte dann die Große Koalition in den ersten Wochen fort —, konnte die eingetretene negative Stimmung in der Wirtschaft nicht einfach durch irgendwelche Maßnahmen wieder wettgemacht werden.
Aus diesen Gründen lehnt es die FDP-Fraktion ab, in diesem Stabilitätsgesetz staatliche Eingriffe des Wirtschaftsministers in die Wirtschaft zuzulassen und durch die Formulierung von Gesetzesbestimmungen in verstärktem Maße dazu Vorschub zu leisten. Die FDP beantragt daher, in § 2 Abs. 1 die Ziffer 2 zu streichen.
Die FDP bejaht grundsätzlich das Stabilitätsgesetz. Ich möchte das ausdrücklich feststellen, damit nicht der Herr Kollege Schulze-Vorberg nachher wieder in unserer Gesinnung herumschnüffeln muß.

(Unruhe in der Mitte.)

Aber sie ist sich darüber im klaren, daß das Gesetz neben den von mir und meinen Nachrednern kirtisierten dirigistischen Eingriffen eine Reihe völlig überflüssiger Bestimmungen enthält.
Es ist doch wohl die Pflicht einer jeden Regierung, bei außenwirtschaftlichen Störungen die in § 4 vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, die sie sowieso ergreifen kann, gleichgültig ob das in diesem Gesetz steht oder nicht. Das gleiche gilt für § 17. Muß es denn ausdrücklich im Gesetz verankert werden, daß Bund und Länder sich gegenseitig die Auskünfte erteilen, die zur Durchführung einer konjunktur-



Opitz
gerechten Haushaltswirtschaft und zur Aufstellung ihrer Finanzpläne notwendig sind?
Auch der in § 12 vorgesehene zweijährige Subventionsbericht ist nichts Neues. Denn der Bundestag hat bereits in einer am 27. Mai 1966 einstimmig gefaßten Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, über die Subventionen einen jährlichen Bericht vorzulegen. Ein solcher Bericht ist auch noch von der Regierung Erhard/Mende festgelegt worden.
Bei dem vielen Perfektionismus, der in diesem Gesetz enthalten ist, haben wir nicht darauf bestanden, die einseitige Aufgliederung der Subventionen in diesem Paragraphen zu ergänzen, zumal — wie in dem Schriftlichen Bericht mit Recht gesagt wird — zum Beispiel die Sozialsubventionen gesondert in einem jährlichen Sozialbericht aufgeführt werden.
Dem § 12 werden wir deshalb zustimmen, weil — das ist das Neue in diesem Paragraphen — die Subventionen auch eine Wertung erfahren sollen. Wir können und wir wollen es nicht zulassen, daß die theoretischen Denkmodelle des Wirtschaftsministers durch Dirigismus auf die Wirtschaft übertragen werden. Der Staat kann und muß sich auf seine Institutionen beschränken. Die Wirtschaft und die Unternehmer können, wollen und sollen selber dirigieren. Dann geht es leichter und besser, als wenn sich jeder auf die Orientierungsdaten des Staates verläßt. Dadurch tritt nur eine weitere Erlahmung und Verzögerung ein. Wir haben doch die Beweise dafür, wie schwerfällig der Apparat des Staates reagiert. Es ist doch bisher nur ein Bruchteil der Mittel des Eventualhaushalts zur Belebung der Wirtschaft abgeflossen. Wir glauben, daß wir es uns einfach nicht leisten können, zweckgebundene Steuereinnahmen, die zur Belebung der Wirtschaft vorgesehen sind, liegenzulassen.
In seiner 78. Sitzung vom 8. Dezember 1966 verabschiedete dieses Haus die Mineralölsteuererhöhung. Die daraus zusätzlich fließenden Mittel sollten zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden und natürlich zur Belebung in der Konjunktur dienen. Die Gemeinden warten dringend auf dieses Mittel, aber bisher konnte kein Auftrag vergeben werden, weil sich Bund und Länder nicht auf diese Mittel, aber bisher konnte kein Auftrag Bei dieser Sachlage hätten wir doch besser keine Steuererhöhung vornehmen sollen, hätten besser das Geld in der Wirtschaft gelassen, und es wäre mit Sicherheit konjunkturfördernd im Umlauf geblieben.
Wir sind der festen Überzeugung, daß der Wirtschaftsablauf um so schwerfälliger werden muß, je mehr Planwirtschaft und je mehr Dirigismus Platz greifen.
Ich glaube und hoffe, daß zumindest ein Teil von Ihnen unserem Antrag oder den noch zu stellenden Anträgen zustimmen wird. Es handelt sich hier doch um Vorstellungen, die Sie zum Teil selbst bei der ersten Lesung vertreten bzw. im Wirtschaftsausschuß vorgetragen haben, die Sie dann aber in der neuen Koalition nicht mehr vertreten konnten oder vertreten sollten.
Es war in diesem Zusammenhang interessant, festzustellen, daß von der angeblich sicheren verfassungsändernden Mehrheit in diesem Hause gerade heute nur noch fünf Stimmen mehr als unbedingt erforderlich übriggeblieben sind.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510816500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0510816600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hatte sich vorgenommen, die Erklärung zu dem vorliegenden Gesetz in Form einer Schlußerklärung der dritten Lesung abzugeben. Sie wird diesem ihrem Vorhaben auch folgen. Lassen Sie mich deswegen nur auf einige Dinge sehr kurz eingehen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dem hier vorliegenden Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen. Wir tun das um so leichter, als in diesem Gesetz die von meiner Fraktion in der ersten Lesung des damaligen Stabilitätsgesetzes eingebrachten 17 Änderungs- und Ergänzungsvorschläge eingearbeitet wurden. Mit diesen Ergänzungsvorschlägen wurde dieses Gesetz zu einem wirksamen Instrumentenkasten der Konjunkturbeeinflussung.
Ich muß hier dem Kollegen Opitz sagen, daß er irrt, wen er sagt, daß von diesem Gesetz nur noch die Überschrift übriggeblieben sei. Auch sie, Herr Kollege Opitz, ist geändert. Es ist eingefügt worden „und des Wachstums in der Wirtschaft". Das ist nicht ohne Grund geschehen. Wir meinen, daß der Inhalt dieses Gesetzes, so, wie er jetzt vorliegt, durch diese Überschrift in einer knappen und präzisen Formulierung wiedergegeben wird..
Wir meinen, daß durch die Beratungen der vergangenen Monate dieses Gesetz ausgebaut wurde, und zwar im Hinblick auf ein wirkliches Konjunkturinstrument, das in den schwieriger werdenden Phasen der Wirtschaftspolitik in der Lage ist, helfend einzugreifen und die Instrumente der freien Marktwirtschaft mit der Globalsteuerung zu koordinieren, wie es der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 13. Dezember hier in diesem Hause als eine Aufgabe der neuen Bundesregierung zum Ausdruck gebracht hat.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die Änderungsanträge meiner Fraktion eingehen. Ich glaube, daß es notwendig und nützlich ist, sich daran zu erinnern, was in dieses Gesetz neu hineingekommen ist. Darf ich mich dabei gleich mit den von Ihnen, Herr Kollege Opitz, gegebenen Begründung Ihres ersten Änderungsantrages auseinandersetzen, weil er mit einem der fünf besonderen Punkte, die wir damals hier als Änderungsanträge eingebracht haben, zusammentrifft.
Sie sprachen davon, daß der Einbau eines Jahreswirtschaftsberichts mit einer Datenprojektion dem Dirigismus Tür und Tor öffne. Ich muß hier wirklich sehr ernsthaft fragen, ob die Freien Demokraten aus der schwierigen konjunkturellen Situation, in der wir uns heute befinden, denn nun gar nichts gelernt



Ravens
haben. Hier geht es nicht um Dirigismus in der Wirtschaftspolitik, sondern um die Information aller am Wirtschaftsleben Beteiligten. Die Unternehmer in unserem Lande brauchen in der freiheitlichen Wirtschaftsordnung, die wir haben, Orientierungsdaten. Sie müssen wissen, welche Vorstellungen diese Bundesregierung im Laufe des Jahres ihren eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten zugrunde legt. Um mehr handelt es sich hier nicht. An den hier dargelegten Daten kann und soll sich der Unternehmer in freier Entscheidung orientieren. Er soll seine Maßnahmen einbauen können. Niemand von uns denkt daran, seine Maßnahmen in die staatliche Wirtschaftspolitik einzubauen.
Wir sind mit guter Überlegung in der ersten Lesung zu der Überzeugung gekommen, daß dieser Jahreswirtschaftsbericht als ein unverzichtbarer Bestandteil in dieses Gesetz hineinkommen muß. Wenn wir schon von der Bundesregierung die Stellungnahme zum Jahresgutachten des Sachverständigenrats verlangen, dann sollte sie, so meinen wir, dazu auch klarmachen, welche Vorstellungen sie für ihre eigenen wirtschaftspolitischen Zielrichtungen hat. Sie sollte im Anfang eines Jahres auch klarstellen, was sie im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik in dem Jahr für möglich und notwendig hält.
Wir haben als zweiten Punkt damals die Einbeziehung der Einkommenspolitik in diesen Gesetzentwurf verlangt. Ich glaube, die guten Erfahrungen der vergangenen fünf Monate haben sehr deutlich gemacht, wie wichtig dieses Instrument der gegenseitigen Information, der Offenlegung der Karten, des Aufeinander-Abstimmens aller an der Wirtschaft beteiligten Gruppen auf ein gleichgerichtetes Ziel war. Hier haben wir — ich möchte nicht versäumen, das in dieser ersten Erklärung zu sagen — mit großer Genugtuung festzustellen, daß sich die Arbeitnehmerorganisationen, die Gewerkschaften, und die Arbeitgeberorganisationen in diese konzertierte Aktion hervorragend eingepaßt haben.
Wir waren weiter der Meinung, daß man über Stabilität in einem Gesetz nicht ehrlich reden kann, wenn man nicht gleichzeitig auch den Bereich der außenwirtschaftlichen Absicherung mit in dieses Gesetz hineinbringt, wenn man nicht mindestens auf die Problematik einer „offenen Flanke" auf diesem Gebiet hinweist. Dieser unser Antrag ist in § 4 des Entwurfs berücksichtigt worden. Darüber hinaus hat der Wirtschaftsausschuß dem Hohen Hause einstimmig einen Entschließungsentwurf vorgelegt, nach welchem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, unter Zugrundelegung der neuen Gesichtspunkte bei der Einführung der Mehrwertsteuer nach steuerlichen Instrumenten einer solchen Absicherungsmöglichkeit Ausschau zu halten.
Wir waren weiter der Meinung — damit haben wir damals nicht allein gestanden —, daß in einem so weitgreifenden Gesetz, gerade um den Dirigismus zu verhindern, die parlamentarische Kontrolle aller wichtigen Entscheidungen der Bundesregierung eingebaut werden sollte. Wir können heute mit Genugtuung feststellen, daß diese Sicherung in vollem Umfang aufgenommen worden ist.
Darüber hinaus haben wir im Rahmen unserer 17 Änderungsanträge ein weiteres Bündel an Ideen und Vorstellungen in diesen Gesetzentwurf hineingebracht, die wir heute alle wieder begrüßen können. Ich erinnere daran, daß wir als sozialdemokratische Bundestagsfraktion in der Opposition der Meinung waren, daß die Bundesregierung die, wenn ich es einmal. so nennen darf, besonders harten Knüppel dieses Gesetzes — die zusätzlichen Ausgaben bei allgemeiner Abschwächung, die Kreditermächtigung über 5 Milliarden DM, die Zuführung in die und die Entnahme aus der Konjunkturausgleichsrücklage, die Kreditplafondierung für die öffentliche Hand, die Variierung der Einkommen- und Körperschaftsteuersätze, die Variierung der Abschreibungssätze — nur dann benutzen dürfe, wenn es sich wirklich darum handele, ein drohendes gesamtwirtschaftliches Ungleichgewicht abzuwenden oder in der Phase eines Ungleichgewichtes zu reagieren. Es hat darüber eine lange Diskussion im Wirtschaftsausschuß gegeben. Ich muß sagen, die Kollegen aus der CDU/CSU hatten nicht ohne Grund die Sorge des Ankündigungseffektes. Wir haben gemeinsam eine Formel gefunden, die absichert, daß diese Maßnahmen nicht willkürlich und ohne Not durch die Regierung benutzt werden.
Wir haben darüber 'hinaus versucht, eine wesentliche Konkretisierung der Finanzplanung in dieses Gesetz hineinzubekommen. Wir meinten, daß hier wirklich eine Planung von fünf Jahren vorliegen sollte. Eine Finanzplanung, die sich auf ein oder zwei Jahre bezieht, würde eine solche Bezeichnung nicht verdienen. Wir waren der Meinung, daß der Bundesfinanzminister hier aufgefordert sein sollte, dem Parlament gegebenenfalls auch durch Alternativrechnungen Möglichkeiten der Entscheidung zu geben. Auch das ist erfolgt.
Wir haben darüber hinaus verlangt, daß eine weitere Kontrolle der Subventionen und der Steuervergünstigungen in diesem Land eingebaut wird. Herr Kollege Opitz, Sie sagten, das sei nichts Neues. Sie sagten dann allerdings, neu sei freilich die Aufgliederung, und deswegen stimmten Sie diesem Paragraphen zu. Uns kam es dabei im wesentlichen darauf an, zu unterscheiden zwischen Subventionen, die lediglich zur Erhaltung gewisser Wirtschaftszweige gegeben werden, Subventionen, die der Anpassung bestimmter Wirtschaftszweige an neue wirtschaftliche Gegebenheiten dienen, oder Förderungssubventionen für die Benutzung — wenn man das einmal so sagen darf — moderner und 'neuer Wirtschaftsmethoden.
Wir haben gleichzeitig gesagt, die Bundesregierung solle sich dann auch alle zwei Jahre einmal überlegen, wie lange sie solche Vergünstigungen noch gewähren muß und ob sie diese Vergünstigungen nicht abbauen kann. Das ist Bestandteil des Gesetzentwurfes geworden. Wir haben eine erweiterte Möglichkeit zu der obligatorischen Zuführung zur Konjunkturausgleichsrücklage in das Gesetz eingebaut. Ich meine, daß damit wesentliche Punkte für eine Globalsteuerung und für eine Inanspruchnahme auch der öffentlichen Hand und der



Ravens
Wirtschaft für die Konjunkturpolitik geschaffen worden sind.
Bedenken haben wir — das darf ich hier sagen — in der ersten Lesung immer wieder hinsichtlich der Konstruktion dieses Gesetzentwurfs, soweit er sich in erster Linie an die Gemeinden wandte, geäußert. Der Eindruck, der in der ersten Lesung in diesem Hohen Hause zweifellos entstanden war, war der, daß hier ein Gesetz geschaffen werden sollte, das in erster Linie die „Schuldigen", die damals in den Augen dieses Hauses „Schuldigen", die Gemeinden, an die Kette legen sollte. Die Beratungen im Wirtschaftsausschuß und die Beratungen im Rechtsausschuß haben hier erhebliche Verbesserungen und Sicherungen gebracht. Ich möchte heute sagen, der Gesetzentwurf ist in der jetzigen Fassung gemeindefreundlicher geworden: Er stellt die Aufgaben der Gemeinden gleichberechtigt neben die Aufgaben des Bundes und der Länder. Hier ist klargemacht worden, daß alle drei gleichwertig sind und daß keiner unter den anderen zu stehen kommt.
Wir haben darüber hinaus bei der Frage der Kreditplafondierung — der Herr Kollege Elbrächter hat dieses leidige Thema angesprochen — versucht, Formen zu finden, die auch dem unterschiedlichen Kapitalbedarf kleinerer Gemeinden mit sogenannten Sprunginvestitionen gerecht werden. Diese Sprunginvestitionen tauchen vielleicht alle vier oder fünf Jahre einmal auf. Ein Dorf mit 3000 oder 4000 Einwohnern hat beispielsweise vor fünf Jahren seine Schule gebaut, dann hat man jahrelang aus dem eigenen Haushalt versucht, über die Runden zu kommen, und nun geht es um den zweiten Schulanbau. Und genau in dem Jahre müßten wir sagen: Es ist nichts mit Krediten. Der fünfjährige Zeitraum, der zugrunde gelegt worden ist — —

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Ja, sie haben dann in dem fünfjährigen Zeitraum, den wir zugrunde gelegt haben, kein Kreditvolumen gehabt. Ergo würden sie in einer solchen Situation auf Null stehen.
Hier hat der Wirtschaftsausschuß folgende Lösung gefunden. Die Länder sind berechtigt, das auf mindestens 80 % festgelegte Kreditvolumen generell zunächst auf 70% zu kürzen und die frei werdenden 10 % für solche Sprunginvestitionen freizugeben. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, daß, wenn Gemeinden umgekehrt in einer solchen Zeit einmalig einen hohen Kreditbedarf gehabt haben, aber ihn im Zeitpunkt der Plafondierung nicht haben, die Mittel, die dort frei werden, für andere Gemeinden ausgegeben werden. Wir meinen, daß damit ein Instrument geschaffen worden ist, das auch in der Phase der Bremsung unabweisbare Investitionen in den Gemeinden weiter möglich macht.
Wir haben darüber hinaus für den Konjunkturrat — das war übrigens auch einer unserer Ergänzungsanträge — vier Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände vorgesehen. Sie nehmen hier also gleichberechtigt an der Diskussion um die in diesem Lande notwendigen Maßnahmen zur Belebung oder Bremsung, zur Steuerung der Konjunktur teil. Sie sind ständig dabei, wenn über diese Fragen gesprochen wird. Sie sind gleichberechtigte Partner des Bundes und der Länder geworden.
Ferner haben wir im Bereich der Abschreibungsvariierungsmöglichkeit, die das alte Gesetz vorsah — 15 und 30 % —, versucht, eine Regelung zu finden, die nicht zuletzt auch den Gemeinden hilft. Wir haben aus unseren Gemeindeverbänden immer wieder die Sorge gehört, daß, wenn im Zuge einer Konjunkturflaute die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages eine solche Abschreibungsvergünstigung einräumt, damit natürlich die Bilanzen der Unternehmungen wesentlich verändert werden. Da aber der Ertrag eines Unternehmens Ausgangsbasis für die Gewerbesteuerzahlung an die Gemeinde bedeutet, würden wir hier zwar die Investitionen im privaten Sektor anreizen, aber dadurch eine Verminderung der Gewerbesteuer bei den Gemeinden erreichen, so daß sie, die wir in einer solchen Phase sehr gern dabei hätten beim Investieren, dann dazu nicht mehr in der Lage wären, weil wir ihnen den Haushalt unter den Füßen wegziehen würden. Mit der Möglichkeit der Absetzung von bis zu 7,5 % des Anschaffungswertes der Investitionsgüter von der Steuerschuld ist eine Regelung gefunden, die auf die Gewinnsituation der Betriebe keinen negativen Einfluß ausübt und damit das Gewerbesteueraufkommen in den Gemeinden in einer solchen Zeit konstant läßt, sie also in die Lage versetzt, auch weiter mit zu investieren und mitzuhelfen, eine in den Keller geratene Konjunktur wieder in Gang zu bringen.
Wir haben unsere ursprünglichen Bedenken in diesem Fall also gründlich ausräumen können. Trotzdem möchten wir immer wieder davor warnen, die Gemeinden nur als ein drittes Glied unserer staatlichen Ordnung anzusehen und sie in dieser ganzen Situation ein wenig geringschätzig zu betrachten. Wir wissen, wie sehr sich der Wirtschafts- und der Finanzminister um eine höhere Investitionsbereitschaft bei den Gemeinden bemühen. Wir glauben nicht, daß eine solche Regelung, wie sie jetzt vorliegt, mißbraucht werden kann. Dieses Parlament muß einer solchen Regelung immer seine Zustimmung geben. Überall dort, wo die Gemeinden betroffen werden, haben wir das Kassationsrecht oder das Erfordernis der Zustimmung. Hier ist also ein hoher Schutz eingebaut worden. Von daher ist dieses Gesetz doch wohl wesentlich gemeindefreundlicher geworden.
Lassen Sie mich das nur in Erinnerung an das gesagt haben, was die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in der Opposition in diesem Hause begonnen hat und in der Koalition bei diesem Gesetz fortgesetzt hat. Wir meinen, daß der jetzt vorliegende Gesetzentwurf für die Menschen in diesem Lande ein hohes Maß an Schutz vor wirtschaftlicher Unsicherheit bringen wird, wenn die Bundesregierung und wenn dieses Parlament bereit sind, den hier zubereiteten Instrumentenkasten tatkräftig zu nutzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510816700
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.



Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie haben einiges Verständnis dafür, daß auch ich mich in wenigen Sätzen zu dieser Vorlage, wie sie uns heute beschäftigt, äußere. Wie die meisten von Ihnen habe auch ich natürlich das Protokoll über die erste Lesung noch einmal durchgestöbert und nicht nur die eigenen, sondern alle Ausführungen gelesen; ich habe das nicht ohne Schmunzeln getan. Ich habe eigentlich damit gerechnet, meine Herren von der FDP, daß Sie die Frage, ob sich das Gesetz mit der Änderung der Regierung nicht wohl auch erheblich verändert habe, noch etwas stärker untersucht hätten. Ich war also darauf gefaßt; und ich möchte Ihnen die Antwort geben, daß Sie alles weitgehend selbst in der Hand gehabt haben, denn Sie gingen ja in der Änderung der Regierung voran. Ich glaube, ich kann mich auf diese Bemerkung beschränken.
Wenn man die Frage nach den Änderungen stellt, sollte man zuvor die wichtigere Frage untersuchen, nämlich die Frage nach der Möglichkeit, das Gesetz und die Verfassungsänderung überhaupt zu verabschieden. Ich jedenfalls freue mich darüber, daß wir heute vor der Verabschiedung dieses Gesetzes stehen und daß wir die Verfassungsänderung mit eindrucksvoller Mehrheit — daß die Zahlen nicht noch höher ausgefallen sind, liegt an vielen Dingen, an vielen Tagungen, die stattfinden — verabschiedet haben.
Nun zu einigen Änderungen. Ich finde, daß die alte Vorlage und die fünf Zusatzwünsche, die five essentials, Herr Kollege Schiller, nicht nur in einem gelungenen Kompromiß vereinigt worden sind, sondern daß sie in der Mehrzahl der Fälle auch nach meinen Vorstellungen — warum sollte ich das nicht sagen — das Gesetz verbessert haben. Ich denke hier vor allem an die Mitwirkung des Parlaments, und ich stehe nicht an zu erklären, daß ich den Fortfall der damals auf Bitten der Bundesbank eingearbeiteten Kreditplafondierungen nach den heutigen Erkenntnissen für eine Verbesserung halte. Ich persönlich bin gegenüber der Investitionsprämie nicht ohne Bedenken, aber man muß fairerweise auch sagen, daß es hier nicht um die Einführung dieser Prämie geht, sondern nur um die Regelung gewissermaßen eines Schnellverfahrens, falls sie notwendig werden sollte.
Zu der damals sehr intensiv diskutierten außenwirtschaftlichen Absicherung wiederhole ich meine Feststellung, daß diese Aufgabe — die, dafür danke ich, auch als Auftrag an die Regierung in das Gesetz aufgenommen worden ist — weiterhin von hohem Rang bleibt. Wir sollten, wie das auch in den letzten Wochen verstärkt geschehen ist, unsere Bemühungen auf Herstellung einer internationalen Währungsdisziplin fortsetzen und, wenn es möglich ist, einen internationalen Vertrag über eine solche währungspolitische Zusammenarbeit, analog dem GATT, abschließen oder zumindest anstreben.
Zum Schluß — ich wollte mich sehr kurz fassen — ein Wort zu der Möglichkeit der Ausrichtung der Fiskalpolitik nach den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten. Es mag sein, Herr Kollege Ravens, daß das eine oder andere damals so geklungen hat, als sei es gemeindefeindlich gedacht gewesen. Ich habe damals schon ausdrücklich gesagt, man möchte das bitte nicht unterstellen. Nehmen Sie bitte die Erfahrungen, die Kollege Schiller hier zum Eventualhaushalt vor zehn Tagen dargestellt hat, dann werden Sie all denen recht geben, die sagen, daß es sehr, sehr schwierig ist, diejenigen, die mit der Ausführung der Haushalte befaßt sind, nun zusätzlich auch noch mit der Aufgabe zu betrauen, sich nach den wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu richten. Wir müssen hier Geduld haben. Das dauert einfach einige Zeit, denn die entsprechenden Damen und Herren sind natürlich gewohnt, nach architektonischen, nach fachlichen und sonstigen Gesichtspunkten vorzugehen. Daß sie nun aber auch noch zusätzlich wirtschaftspolitische Überlegungen anstellen sollen, ist eine neue Forderung. Wir müssen gemeinsam arbeiten, damit diese unbedingte Notwendigkeit in Bund, Ländern und Gemeinden erreicht wird, weil es sonst nicht nur in der Bundesrepublik nicht möglich ist, eine einheitliche, erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu treiben, sondern auch innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht möglich sein wird, die Bundesrepublik einheitlich und geschlossen zu vertreten. Wir müssen dahin kommen, daß die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in allen Verwaltungsebenen berücksichtigt werden. So etwas kann man ins Gesetz schreiben. Das genügt aber nicht. Wir müssen in geduldiger Arbeit daran wirken, daß dieses Ziel, daß dieser Arbeitsstil erreicht wird.
Meine Damen und Herren! Als der Initiator dieser Vorlage möchte ich Sie herzlich bitten, dem Gesetz in der jetzigen Form Ihre Zustimmung zu geben, und ich möchte allen denen danken, die an diesem wichtigen Gesetz mitgearbeitet haben.

(Beifall bei den Regierungspatreien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510816800
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Schmidhuber gibt die Ausführungen, die er machen wollte, zu Protokoll *).
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung. Ich rufe auf den § 1. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer dem § 1 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung einstimmig angenommen.
Zu § 2 Abs. 1 Ziffer 2 liegt der Änderungsantrag Umdruck 223 **) Nr. 1 vor; Herr Opitz hat ihn schon begründet. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag: § 2 Abs. 1 Nr. 2 wird gestrichen. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über § 2 in der unveränderten Fassung des Ausschußberichts. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 2



Vizepräsident Dr. Mommer
Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
Zu den §§ 3, 4 und 5 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen.
Zu § 6 liegen Änderungsanträge vor, zunächst der Antrag Umdruck 223 Nr. 2. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Haas.

Dr. Christian Albrecht Haas (FDP):
Rede ID: ID0510816900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat die Frage bewegt, ob die Einwirkungsmöglichkeit des Parlaments für die Geschehensabläufe, die dieses Gesetz voraussetzt, ausreicht. Wir sind bei § 6 Abs. 3 zu der Meinung gekommen, daß sie nicht ausreicht. Ich darf Sie deshalb bitten, in Abs. 3 des § 6 hinter den Worten „Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt" die Worte „mit Zustimmung des Bundestages" einzusetzen.
Zur Begründung darf ich Sie zunächst auf die Größenordnung der Ermächtigung des § 6 Abs. 3 verweisen. Danach kann der Bundesminister der Finanzen über die im Haushaltsgesetz erteilten Ermächtigungen hinaus weitere Kredite bis zur Höhe von 5 Milliarden DM — gegebenenfalls mit Hilfe von Geldmarktpapieren — aufnehmen. Sie wollen mich bitte nicht auf den § 8 verweisen und sagen, daß ja im Bundeshaushaltsplan ein Leertitel vorhanden sei und daß aus diesem Titel ohnedies nur mit Zustimmung des Bundestages etwas geleistet werden dürfe aus Einnahmen aus der Konjunkturausgleichsrücklage oder aus Krediten nach diesem § 6 Abs. 3.
Ich darf Sie noch auf den Satz 4 des § 8 verweisen, in dem darauf hingewiesen wird, daß die Zustimmung des Bundestages als erteilt gilt, wenn er nicht binnen vier Wochen nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat. Diese Fiktion einer Zustimmung könnte vor allem in Ferienzeiten von Bedeutung sein. Der Bundestag kann sehr leicht auf den bequemen Weg des SichVerschweigens verfallen, und damit wäre die Zustimmung erteilt.
Wir sind im übrigen der Meinung, daß schon bei der Kredit a u f n a hm e eine Zustimmung dieses Hauses notwendig ist. Denn hat der Bundesfinanzminister kraft der ihm gegebenen Ermächtigung einmal Kredite von einer Milliarde, drei oder fünf Milliarden DM aufgenommen, so ist natürlich die Gefahr sehr groß, daß dieses Haus dann auch erklärt: 'ich erhebe keinen Einspruch, denn die Kreditaufnahme ist ja bereits bewerkstelligt, das Geld ist da, es soll also in Gottes Namen auch ausgegeben werden.
Die in § 8 vorgesehene Art der parlamentarischen Kontrolle erscheint uns also keinesfalls ausreichend. Daher unser Antrag, eine zusätzliche und bessere Kautele, bei der es auch ein Sich-Verschweigen nicht gibt, in § 6 Abs. 3 einzubauen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510817000
Das Wort hat der Abgeordnete Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0510817100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Änderungsantrag abzulehnen, da ausreichende und harte Sicherungen bereits eingebaut sind. Der Kollege Haas selber hat auf den § 8 Abs. 2 hingewiesen, wonach der Bundestag in einer solchen Frage immer ein Kassationsrecht hat. Nach § 2 Abs. 3 wird !die Bundesregierung zur Aufnahme eines solchen Kredits nur ermächtigt, wenn ,sie gleichzeitig gegenüber dem Bundestag und dem Bundesrat erklärt, daß das zur Abwehr eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts geschehen muß. Diese Erklärung abzugeben, ist eine harte Forderung unsererseits an die Bundesregierung. Sie muß damit nämlich sagen, daß all ihre vorherigen Maßnahmen nicht so funktioniert haben. Ich meine also, zwei Schlüssel sollten eigentlich genügen.
Es wäre auch ein bißchen weit hergeholt, den Bundesfinanzminister hier auf die Tribüne des Bundestages zu zitieren, wenn er in Verhandlungen mit der Bundesbank treten will, um um einen solchen Kredit nachzusuchen. Sie, meine Damen und Herren von der FDP, haben das Argument der Ankündigungseffekte bestimmter Maßnahmen immer wieder sehr schnell in den Mund 'genommen. Hier muß jetzt nach Ihren Vorstellungen der Finanzminister zunächst einmal in den Bundestag marschieren, um zu fragen, ob er die fünf Milliarden DM aufnehmen darf. Bekommt er die Zustimmung ides Bundestages und des Bundesrates, dann marschiert er nach Frankfurt und versucht dort, mit der Bundesnotenbank klarzukommen: ob sie bereit und in der Lage ist, diese Mittel bereit- und zur Verfügung zu stellen. Wie „schnell" das geht, wissen wir, und wir können uns vorstellen, was in den vier oder fünf Wochen, die dabei verstreichen, sich ereignet.
Ich meine also, der Bundestag hat bereits nach dem vorliegenden Text eine ausreichende Bremse.
Herr Kollege Haas, Sie haben weiter gesagt, ,der Bundestag könne sich durch Schweigen verdrücken. Ich habe immer angenommen, wir haben in diesem Bundestag auch eine Opposition, die sich sehr lauthalts zu Wort melden kann, wenn es darauf ankommt. Die Koalition mag dann schweigen. Aber ich nehme doch an, daß dann mindestens die Opposition sich laut meldet.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0510817200
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 223 *) Nr. 2. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Zu Abs. 3 des § 6 liegt auf Umdruck 225 **) ein weiterer Änderungsantrag vor. Er ist schon von dem Herrn Berichterstatter begründet worden. Es handelt sich um einen interfraktionellen Antrag. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Ab-
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3



Vizepräsident Dr. Mommer
stimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 225 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Zu den §§ 7 bis 25 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer den §§ 7 bis 25 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig. angenommen.
Zu § 26 liegen mehrere Änderungsanträge vor. Der Abgeordnete Schmidt (Wuppertal) wünscht einen Rückverweisungsantrag zu begründen. Ein Rückverweisungsantrag geht Änderungsanträgen vor. Es ist deswegen zweckmäßig, zuerst Herrn Abgeordneten Schmidt (Wuppertal) das Wort zu erteilen. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Dr. Otto Schmidt (CDU):
Rede ID: ID0510817300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist durchaus verständlich, daß hier der Wunsch besteht, das Gesetz im ganzen, wie es vorliegt, heute zu verabschieden. Ich verstehe durchaus, daß dieser Wunsch in der allgemeinen Aussprache sehr nachdrücklich zum Ausdruck gekommen ist, insbesondere nachdem man sicherlich davon Kenntnis genommen hat, daß ich Ihnen hinsichtlich der steuerlichen Bestimmungen, der §§ 26 bis 28 der Vorlage, die in den letzten Wochen eingefügt worden sind, zu meinem Bedauern einen Rückverweisungsantrag unterbreiten muß. Dieser Antrag bezweckt, daß die §§ 26 bis 28 unter endgültiger Verabschiedung des Gesetzes im übrigen an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und den Finanzausschuß — mitberatend — überwiesen werden.
Meine Damen und Herren, diese Paragraphen befanden sich nicht in der Regierungsvorlage. Ihr Inhalt ist erst in den letzten beiden Sitzungen des Wirtschaftsausschusses konzipiert worden. Es handelt sich um steuerrechtliche Bestimmungen, und zwar steuerrechtliche Bestimmungen von grundlegender Bedeutung, die tief in das System des Einkommensteuerrechts eingreifen und für deren Beratung zweifellos der Finanzausschuß zuständig ist.
Um jedes Mißverständnis auszuschließen: Ich spreche hier lediglich als Abgeordneter dieses Hauses und nicht im Namen meiner Fraktion, selbstverständlich auch nicht im Namen des Finanzausschusses. Aber ich glaube, ich würde meine Pflicht versäumen, wenn ich das Hohe Haus in dieser Stunde nicht auf Zusammenhänge aufmerksam machen würde, .die doch von sehr grundlegender Bedeutung sind.
Es sollen hier zwei neue Institutionen eingeführt werden, und zwar als Institution Nr. 1 die Variierung der Einkommensteuerschuld und zweitens in Anrechnung auf die Steuerschuld neben der Möglichkeit einer hundertprozentigen Abschreibung eine zusätzliche Investitionshilfe bis zu 7,5 %.
Ich habe in der Woche um den 20. April gerüchtweise von diesem Vorhaben gehört und habe mich dann an den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses gewandt und gebeten, dem Finanzausschuß Gelegenheit zur Beratung dieser Vorlage zu geben. Der Finanzausschuß hatte ja im vergangenen Jahr, obwohl er für die Beratung dieses Gesetzes zuständig gewesen wäre, auf die Federführung und die Mitberatung verzichtet. Wir waren nämlich damals im Finanzausschuß durch die Beratung des Mehrwertsteuergesetzes mehr, als es für uns gut war, mit Arbeit zugedeckt. An diesem 20. April aber waren wir zur Beratung bereit. Dreiviertel Stunden nach Beginn der Sitzung kam die Vorlage — allerdings noch nicht abgeschlossen beraten — zu uns. Der Finanzausschuß hat die Vorlage zwar prüfen können; aber nach Abwägung aller Umstände und insbesondere angesichts der Tatsache, daß im Mehrwertsteuergesetz ein Stufenplan für die Investitionen vorgesehen ist, der praktisch eine Art Investitionshemmung bedeutet, beschloß der Finanzausschuß am 20. April einmütig, den Wirtschaftsausschuß zu bitten, seine Entscheidung zurückzustellen, bis zu dieser Frage wie auch zu der Frage der Entlastung der Altvorräte zumindest die zuständigen Ressortminister eine Einigung herbeigeführt hätten. Es heißt wörtlich:
Der Ausschuß hält den das Einkommensteuersystem einschneidend verändernden Vorschlag des Wirtschaftsausschusses, insbesondere im Hinblick auf die fehlende Koordination mit Altvorräteentlastung und Stufenplan im Mehrwertsteuerrecht, zur Zeit nicht für entscheidungsreif. Der Ausschuß bittet den Wirtschaftsausschuß, zunächst einmal die Bundesregierung zu ersuchen, den Vorschlag daraufhin zu prüfen, ob und inwieweit sie sich den Vorschlag im Rahmen einer koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik zu eigen machen will.
Nun, meine Damen und Herren, der Wirtschaftsausschuß berücksichtigte diesen Beschluß nicht. Er tagte am nächsten Tage weiter und faßte ohne jeden Kontakt mit dem Finanzausschuß dann den Beschluß, erstens, diese Investitionshilfe erst am 1. Januar 1969 in Kraft zu setzen, und er faßte zweitens den Beschluß über die Variierung der Einkommensteuerschuld, einen Beschluß, von dem wir überhaupt nicht unterrichtet worden sind.
Die Bundesregierung hat sich bis zur Stunde in dieser Angelegenheit nicht koordiniert. Sie hat auch keine Stellung dazu genommen, ob und inwieweit sie sich den Vorschlag im Rahmen einer koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik zu eigen machen will.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich vorstellen, daß der Finanzausschuß mit Rücksicht auf die Haushaltslage, mit Rücksicht auf die Tatsache, daß einfach keine Mittel vorhanden sind, in das Mehrwertsteuergesetz einen Stufenplan zur Entlastung der Neuinvestitionen eingefügt hat, damit im Laufe von einigen Jahren der Sofortabzug möglich werden soll, also praktisch zu einem Institut der investitionshemmenden Maßnahme aus fiskalischen Gründen gekommen ist, dann wird es sicherlich als Widerspruch empfunden werden, daß gleichzeitig in einem anderen Gesetz, an dem der Finanzausschuß überhaupt nicht beteiligt wird, eine Investitionshilfe beschlossen wird, die in einer sehr großzügigen Weise eine wirtschaftspolitische Incentivmaßnahme darstellt.



Dr. Schmidt (Wuppertal)

Meine Damen und Herren, ich frage Sie nur: soll das Gesetz mit diesem unaufgelösten Widerspruch wirklich verantwortlich abgeschlossen werden?
Der Haushaltsausschuß hat 2u diesem Gesetzentwurf zu einem Zeitpunkt Stellung genommen, zu dem in ihm weder von der Variierung der Einkommensteuerschuld noch von der Investitionshilfe überhaupt die Rede gewesen war. Ob das, da es sich um erhebliche Auswirkungen auf den Haushalt handelt, wirklich sinnvoll ist und ob das den Usancen dieses Hauses entspricht, lasse ich dahingestellt. Sie mögen das bitte im Rahmen meines Vertagungsantrags prüfen.
Ich frage: wofür ist der Staat zuerst verantwortlich — für die Intaktheit seines Budgets oder für die Globalsteuerung der wirtschaftlichen Unternehmen?

(Sehr richtig! bei Abgeordneten der CDU/ CSU.)

Ich meine, daß der Staat zunächst sein eigenes Haus in Ordnung zu bringen hat,

(Beifall bei den Abgeordneten der Regierungsparteien)

ehe .er daran denken kann, die bloße Globalsteuerung für wirtschaftliche Unternehmungen ins Auge zu fassen.
Meine Damen und Herren, wenn ich das so ausdrücke, dann will ich auf eine ganz grundsätzliche Wendung der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftspolitik aufmerksam machen, die in diesem Gesetz an dieser Stelle zum Ausdruck kommt und über .die man jedenfalls nach meiner Auffassung nicht hinweggehen kann, ohne daß der Finanzausschuß zu einer so grundlegenden Wende Stellung genommen hat.
Daß ich hier nicht groß auftrage, meine Damen und Herren, mag Ihnen ein Aufsatz von Professor Dr. Hansmeyer aus Mainz zeigen, der in der letzten Nummer der „Finanzrundschau" diese Lage, in der wir uns befinden, politisch aufgedeckt hat. Er hat in diesem Aufsatz die bisherigen Ziele der Wirtschafts- und Finanzpolitik in ihrem grundlegenden Verhältnis den neuen „gesamtwirtschaftlichen Zielvorstellungen" entgegengestellt und gesagt, daß hier die fiskalische Zielsetzung des Steuergesetzes, die ja bedeutet, daß ein Steuergesetz nach klassischen Vorstellungen in erster Linie dazu da ist, die Deckungsmittel für den Staatsbedarf zu schaffen, relativiert wird, daß die Besteuerung in erster Linie zum Mittel der gesamtwirtschaftlichen Globallenkung wird. In diesem Zusammenhang erklärt er:
Bisher hat sich die Besteuerung optimal angepaßt an die Wettbewerbswirtschaft. Jetzt bekommt sie ein aktives Ziel: die Steuer soll den Wirtschaftskreislauf lenken.
Wir müssen uns diese grundsätzliche Spannung, die hier zwischen Wirtschafts- und Finanzpolitik aufgerichtet wird, zumindest vor Augen halten; sie muß uns klar sein, wenn wir diese Entscheidung in § 26 ff. treffen wollen und treffen sollen. Professor Hansmeyer sagt in diesem Zusammenhang:
Die Steuerpolitik war bisher Bestandteil einer Ordnungspolitik, um die gewünschte Gesamtstruktur von Wirtschaft und Gesellschaft herbeizuführen. Jetzt wird sie zum Mittel der Prozeßpolitik, und zwar, um das Tempo und die Richtung des Wirtschaftsablaufs kurzfristig zu ändern.
Meine Damen und Herren, das zeige ich lediglich auf. Aber wir müssen uns darüber klar werden, ob und wie wir nun in dieser Entscheidung zu verfahren beabsichtigen. Die politische Tragweite kommt sehr charakteristisch in den Schlußbemerkungen des Aufsatzes von Hansmeyer zum Ausdruck, wo auf die Reaktion der Unternehmungen auf diese Art von neuer Wirtschaftspolitik eingegangen wird. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich zitieren. Professor Hansmeyer sagt:
Zu den vielfältigen Daten unternehmerischer Entscheidungen kommt nun ein neues hinzu, das insbesondere bei einer Manipulierung der Gewinnsteuern tief in die Unternehmersphäre eingreift. Es bleibt fraglich, ob der Unternehmer auf derartige Zielsignale zielkonform reagiert. Letztlich hängt dies davon ab, ob die unternehmerische, d. h. die einzelwirtschaftliche Betrachtung in das gesamtwirtschaftliche Konzept der Regierung paßt.
Es heißt dann weiter:
Dies ist bei den unterschiedlichen Branchenkonjunkturen in der Bundesrepublik durchaus zweifelhaft. Es sei nur angemerkt,
so Professor Hansmeyer —
daß ein Fehlschlag steuerlicher Prozeßpolitik darüber hinaus den politisch höchst gefährlichen Effekt haben könnte, einer Regierung, die den wirtschaftspolitischen Erfolg braucht, den Einsatz schärferer Mittel nahezulegen.
Ich will zunächst einmal offenlassen, ob dem in allen Teilen zuzustimmen ist. Nach meiner Auffassung zeigt es nur an, daß hier grundlegende, hintergründige Fragen zur Entscheidung anstellen, die man nicht mit vordergründigen Taktiken und Manipulationen erledigen kann. Und deshalb stehe ich hier mit der Behauptung, daß es legitim ist, meine Damen und Herren, daß sich der Finanzausschuß und der Haushaltsausschuß gründlich damit befassen müssen. Ich glaube, das Hohe Haus hat einen Anspruch darauf, sich von seinen sachkundigen Kollegen ein Votum geben zu lassen. Denn Sie haben ja letzten Endes den Finanzausschuß nicht dazu eingesetzt, um Lyrik zu studieren und sich am Rande mit allen möglichen theoretischen Problemen zu befassen, sondern er ist eingesetzt, damit er Sie hier in diesem Hause berät. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, stehe ich hier.
Wie problematisch nun diese beiden Rechtsinstitute sind, die hier neu eingeführt werden sollen, dazu bitte nur einige Hinweise.
Es soll — und das ist eine völlig neue Methodik innerhalb des Steuerrechts — die Einkommensteuerschuld, d. h. der Endbetrag nach Abzug aller Sonderabschreibungen, aller Werbungskosten, aller außer-



Dr. Schmidt (Wuppertal)

gewöhnlichen Belastungen, die Einkommensteuerschuld, die zunächst gar nichts über die wirkliche Einkommensteuerleistung des einzelnen erkennen läßt, weil objektive und subjektive Momente unterschiedliche Berücksichtigung gefunden haben, im Falle eines Konjunkturabschwungs um 10 % gesenkt und im Falle eines Konjunkturaufschwungs um 10 % erhöht werden.
Ihnen allen, meine Damen und Herren, ist wahrscheinlich ebenso wie mir der Bericht des Deutschen Industrieinstituts zum Thema der variablen Steuersätze zugegangen. Nun, es handelt sich, wie Herr Kollege Elbrächter soeben schon darlegte, gar nicht um die Variablität der Steuersätze, sondern um die Variablität der Steuerschuld. Aber cum grano salis kann das, was dort gesagt ist, auch hier angewandt werden. Ich will aus der großen Denkschrift nur auf einen oder zwei Gesichtspunkte hinweisen. In dem Zusammenhang gerade der konjunkturpolitischen Aspekte — ich mache mir die Bedenken gar nicht ohne weiteres zu eigen; ich habe nur den Eindruck, über diese Dinge müßte eben noch viel grundlegender nachgedacht werden, insbesondere im finanzpolitischen Bereich — heißt es dort: erfolge im Konjunkturabschwung eine allgemeine Reduzierung des Steuersatzes, so werde sie bei der veranlagten Einkommensteuer praktisch deshalb nicht voll wirksam, weil es der Wirtschaft wegen der schlechten Gewinnlage gerade dann an Erträgen fehle, die steuerlich begünstigt werden könnten; außerdem bestehe die Gefahr, daß infolge des verschärften Konkurrenzkampfes die Steuerermäßigung an den Abnehmer weitergegeben würde; es erfolge somit keine Verbesserung der Gewinnaussichten der Unternehmer, und damit ergebe sich auch kein Investitionsanreiz. Die Variation der Steuersätze wirke primär im Konjunkturaufschwung, .und auch nur dann, wenn sie mit einer verschärften Kreditrestriktion gekoppelt werde.
Um die Dinge nicht zu weit auszudehnen und um mich an eine vernünftige Zeitbegrenzung zu halten, möchte ich nur noch auf die Gefahr aufmerksam machen, daß in der überhitzten Konjunktur eine solche Maßnahme praktisch zu einer Gewinnabschöpfung führt, und zwar nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern auch im privaten Bereich, und zwar ganz ohne Rücksicht auf die Ursache und die Wirkung der Hausse oder der Baisse und ganz ohne Rücksicht darauf, ob es stich um Konsument oder Investor handelt; sie werden gleichermaßen bedrängt, auch in dem Falle, wo derjenige, der durch Jahre hindurch bei bleibenden Einkommensbezügen an der Schattenseite der Konjunktur gelebt hat, praktisch dann noch obendrein mit einer 10%igen Belastung „bestraft" wird.
Ebenso problematisch ist, meine ich, die Investitionshilfe. Bedenken Sie, daß wir im Anschluß an den Finanzbericht nun seit drei Jahren die Subventionslisten durchforsten und uns fragen, wie wir Subventionen, wie wir Steuervergünstigungen beseitigen können. Ich vermag beim besten Willen den Widerspruch nicht aufzulösen, daß wir jetzt in zwei Steueränderungsgesetzen, in zwei Finanzplanungsgesetzen und in einem voraufgegangenen Haushaltssicherungsgesetz Milliarden von sozialen Leistungen, von wirtschaftlich gezielten Leistungen zurückgenommen haben, daß wir uns eine austerity bis zum äußersten auferlegt haben.
Der Finanzminister hat in einem Interview in der vergangenen Woche angekündigt, daß er fortfahren müsse mit der Verkürzung von Steuervergünstigungen, die alle die breiten Schichten angehen. Denken Sie nur an die Ausbildungsbeihilfen! Und als Ergebnis dafür eine Anreicherung der Finanzkasse mit der Folge, daß nun — vorausgesetzt, daß eine 7 1/2prozentige Zuwendung in Frage kommt — ein Betrag von 4,8 Milliarden DM geschenkweise an die Unternehmer gegeben wird.

(Abg. Dr. Wuermeling: Hört! Hört! Und das macht die SPD mit!)

Ich bin der Meinung, daß das einfach so, wie es da im Widerspruch zur Regierungspolitik steht, nicht durchzuhalten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Das ist der Punkt, wo nach meiner Meinung unter allen Umständen eine Nachprüfung der Zusammenhänge stattfinden muß.

(Zurufe von der Mitte.)

Können wir uns das wirklich so leisten, wie es hier über uns kommt, und zwar plötzlich über uns kommt, ohne daß die beteiligten Ausschüsse wirklich gehört worden sind?
Es wird mir entgegengehalten: Wie können Sie das nur vergleichen? Das eine sei doch einmalig, und das andere seien laufende Subventionen. Meine Damen und Herren, im Gesetz steht gar nichts von „einmalig", sondern das ist laufend möglich, und zwar wiederholt möglich, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind gar nicht etwa im Stile einer Ultima ratio formuliert. Es kann gar keine Rede sein etwa von „Notzustand", sondern schon wenn das droht, wenn das in Aussicht steht, kann dieses Mittel eingesetzt werden.
Versetzen Sie sich doch einmal in meine Rolle.

(Zurufe von der Mitte: In welche Rolle? — Heiterkeit.)

— In meine Rolle, im Finanzausschuß existieren zu müssen. Ich wollte gerade darauf eingehen. Vielleicht hören Sie mich in Ruhe an, wie ich bis jetzt auch die langatmigen Reden in Ruhe angehört habe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Wir haben im Finanzausschuß diese harten Maßnahmen treffen müssen und haben uns dafür beschimpfen lassen müssen. Sollen wir vielleicht auf dem Gebiete der Sparprämienpolitik — die aus dem letzten Steueränderungsgesetz ja noch ansteht — harte Beschlüsse zu Lasten der breiten Schichten fassen, um den Haushalt zu entlasten, wenn die Mittel dann in einer ganz großzügigen Geschenkaktion im Ausmaß von 4,8 Milliarden DM der Wirtschaft gegeben werden? Ist hier eigentlich keine Koordinierung vonnöten?
Der Betrag der Investitionshilfe soll an der Steuerschuld abgesetzt werden. Das ist ein sehr bestechen-



Dr. Schmidt (Wuppertal)

der Gedanke, aber zugleich auch ein Gedanke, der unser ganzes Einkommensteuertarifsystem überfordern kann. Denn der Abzug von der Steuerschuld könnte ja Schule machen, nämlich die Herausnahme aus dem Progressionsbereich und die Herstellung der Gleichheit oder der gleichen Chancen unterhalb des Striches. Da stehen die Interessenten schon vor der Tür. Alle die Unternehmer, die sich vielleicht einbilden, sie würden in einem Akt der Vermögensbildung zugunsten der Unternehmer begünstigt werden, sollten einmal daran denken, daß auch die Kirchensteuer und die Vermögensteuer sich dazu eignen, hinten am Ende der Steuerschuld abgezogen zu werden. Sie sollten einmal daran denken, daß auch die Versicherungsbeiträge sich dazu eignen, hinten am Schwanz abgezogen zu werden. Schon wird erwogen, die Kinderfreibeträge im Progressionstarif abzuschaffen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich bitte vor, wo das am Ende hinführt! Wenn wir den Familienlastenausgleich unten unter dem Strich machen, dann haben Sie dem Unternehmer in dem einen Akt das gegeben, und in dem anderen Akt nehmen Sie dann den größeren Betrag wieder zurück. So sollten wir keine Politik machen. Das sollten wir uns zumindest sorgfältig überlegen.
Wenn ich ein Geschenk wie die Investitionshilfe nicht nur in einem Bereich der Gewinnsphäre mache, also dort, wo noch Steuern gezahlt werden können
— und das ist gerade hier bei dieser Maßnahme der Fall —, wenn Sie das dann praktisch nur dem Leistungsfähigeren bewilligen, dann bedeutet das — —

(Zuruf: Bei den Abschreibungen!)

— Bei den Abschreibungen haben Sie einen Verlustvortrag von fünf Jahren. Da können Sie das innerhalb von fünf Jahren auch noch übernehmen, wenn sich das Unternehmen in einer Verlustzone befindet. Aber hier bei Ihrer Investitionsprämie haben Sie einen Ausgleich von zwei Jahren vorgesehen. Zwangsläufig muß also das Unternehmen einen Gewinn haben.
Die logische Folge ist aber, daß Sie, wenn Sie hier gewissermaßen eine Konjunkturhilfe auch dem Schwächeren, dem kleineren und mittleren Unternehmer, geben wollen, zwangsläufig zu der Idee kommen, die Sie schon in einem FDP-Antrag hier auf dem Tisch haben. Dann müssen Sie nämlich zwangsläufig zur Negativsteuer, zur Investitionsprämie auch im Verlustfall kommen.

(Beifall bei der FDP.)

— Ja, Sie mögen mir Beifall geben. Ich erkläre hier nur einen logischen Zusammenhang.

(Lachen.)

Nichts weiter.

(Erneutes Lachen.)

Deshalb bin ich der Auffassung, daß wir eben einen solchen neuen Schritt im Einkommensteuergesetz nicht tun sollten, bevor wir uns alle Konsequenzen gründlich überlegt haben.

(Beifall in der Mitte und bei der FDP.)

Sie werden nämlich erleben, daß aus dieser Einkommensteuer, die ja Deckungsmittel für die Staatsausgaben sein soll, daß aus dieser Art von Steuerpolitik im Handumdrehen ein Subventionskanal wird; und das in einem Augenblick, in dem wir uns über die Abschaffung von Subventionen ernsthaft Gedanken machen und schon manch harte Maßnahme haben treffen müssen.
Ich will 'auf die fällige Kompensation aus Gründen der sozialen Symmetrie gar nicht eingehen. Das ist hier schon angedeutet worden. Aber, meine Damen und Herren, der scheinbare Vorteil der Investitionshilfe kann sehr wohl leicht zum Fluch werden, und davor möchte ich in dieser Stunde jedenfalls gewarnt haben.
Alles das muß meines Erachtens sorgfältig überlegt werden. Das kann auch geschehen, denn es verschlägt gar nichts. Das Gesetz kann, nachdem diese Bestimmungen überprüft worden sind, im Juni in Kraft gesetzt werden. Wenn Sie sich nämlich die Bestimmungen hinsichtlich des Inkrafttretens ansehen, werden Sie feststellen, daß die Investitionshilfe nach der Konzeption der Vorlage, über die Sie hier entscheiden sollen, ohnehin erst am 1. Januar 1969 in Kraft tritt. Das ist also noch ein Zeitraum von mehr als anderthalb Jahren. Die Variabilität der Steuerschuld kann nach Ihrer eigenen Fassung erstmalig auf den 1. Januar 1968 angewandt werden; denn Sie haben ausdrücklich bestimmt, daß das — um gewisse technische Schwierigkeiten zu vermeiden — nur für Kalenderjahre erfolgen kann.

(Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.)

Wenn es aber so ist, daß gar nicht von akuter und aktueller Bedeutung gesprochen werden kann, dann sollten Sie sich meines Erachtens verantwortlich fragen, ob die Zeit von drei Wochen nicht dazu genutzt werden kann, daß sich die zuständigen Ausschüsse mit einer solchen Materie befassen.

(Beifall in der Mitte und bei der FDP.)

Das ist der Grund, meine Damen und Herren, weshalb ich mich hier hinstelle, auch auf die Gefahr hin, daß 'ich eine Niederlage erleide. Aber ich möchte unter keinen Umständen diese Situation etwa mit Stillschweigen übergangen haben, um mir hinterher sagen zu lassen: Du hättest in dieser Stunde reden mögen.

(Beifall in der Mitte und bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510817400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menne.

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0510817500
Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, in diese Debatte einzugreifen, weil ich Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses bin, aber jetzt möchte ich hier gerade als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses sprechen.
Ich möchte dem verehrten Kollegen Schmidt zunächst einmal sagen, daß wir die grade die angezogenen Fragen im Wirtschaftsausschuß sehr sorgfältig überlegt haben. Ich habe Ihren Brief erst am Vormittag des Sitzungstages bekommen, als wir über diesen Punkt berieten, und zwar war dies der



Dr. h. c. Menne (Frankfurt)

Schlußtag unserer Gesamtberatungen. Wir haben, wenn ich mich recht erinnere, beinahe anderhalb Stunden darüber verhandelt. Wir haben den Einwand des Finanzausschusses keineswegs vom Tisch gefegt. Aber wir sind zu dem Schluß gekommen, daß dieses Gesetz, das ein neuartiges Gesetz im Rahmen der jetzigen Gesetzgebung ist, mit seinen Methoden und Maßnahmen nur für den Fall gedacht ist, daß es die Regierung für nötig befindet, einer Rezession oder einem Boom entgegenzutreten. Die Maßnahmen sollten auch diese Steuerfragen einschließen, weil sie außerordentlich wichtig sind; denn sie können sehr anregend wirken. Ich denke dabei besonders an die Investitionshilfe.
Ich teile in gewisser Hinsicht die Meinung unseres verehrten Kollegen Schmidt, daß hier Regelungen geändert werden, die in einer langen Gesetzgebung aufgebaut worden sind. Aber ich bin der Meinung, daß gerade in den von ihm behandelten Paragraphen noch ganz erhebliche Schutzklauseln liegen. Die eine Bestimmung lautet, daß die Maßnahmen des § 26 nur dann angewandt werden dürfen, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eingetreten ist oder sich abzeichnet, die eine nachhaltige Verringerung der Umsätze oder der Beschäftigung zur Folge hatte oder erwarten läßt, insbesondere bei einem erheblichen Rückgang der Nachfrage nach Investitionsgütern oder Bauleistungen.
Zweitens haben wir vorgesehen, daß die Zustimmung des Bundestages gegeben werden muß, bevor eine solche Maßnahme der Bundesregierung in Kraft tritt. Hier steht:
Rechtsverordnungen auf Grund dieser Ermächtigung bedürfen der Zustimmung des Bundestages. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Bundestag nicht binnen vier Wochen nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510817600
Herr Abgeordneter gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Schmidt? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schmidt!

Dr. Otto Schmidt (CDU):
Rede ID: ID0510817700
Herr Kollege Menne, ist es richtig, daß die Zustimmung des Bundestages nur im ganzen erfolgen kann, d. h. der Bundestag nichts ändern kann, sondern im ganzen annehmen oder ablehnen muß?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0510817800
Ganz recht!

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Gut!)

Ich möchte Ihnen dazu sagen, daß ich der Meinung bin, man sollte den § 26 nicht zurückverweisen; denn durch die Zurückverweisung wird die Verabschiedung dieses Gesetzes, das weiß Gott schon lange aufgehalten worden ist und auf das die Öffentlichkeit wartet, noch wer weiß wie lange verzögert. Ich erinnere daran, daß wir im September vorigen Jahres, drei Wochen vor Ende der Parlamentsferien, zurückgerufen wurden, um dieses Gesetz schnell zu verabschieden. Dann kamen die Regierungsänderungen, und wir haben sehr viel Zeit verloren.
Es muß einmal Schluß sein. Sosehr ich die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schmidt würdige, so bitte ich das Haus doch dringend, sich nicht zur Zurückverweisung zu entschließen.

(Beifall bei der FDP und in der Mitte.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510817900
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, bitte ich den Kollegen Dr. Schmidt (Wuppertal), seinen Antrag hier oben schriftlich abzugeben, damit wir den Umfang der Rückverweisungsanträge kennen.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Ich werde es tun!)

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesfinanzminister, Herr Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0510818000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zu diesem Zeitpunkt der Debatte für den Bundesminister der Finanzen einige Ausführungen zu den haushalts-
und steuerpolitischen Vorschriften des Gesetzentwurfs, die durch den Antrag des Kollegen Dr. Schmidt hier unmittelbar angesprochen worden sind, zu machen.
Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft stellt gerade die finanzpolitischen Instrumente zur Beeinflussung des Konjunkturverlaufs und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in den Mittelpunkt und unterstreicht damit die untrennbare Verbindung zwischen Finanzpolitik und allgemeiner Wirtschaftspolitik. Und deshalb, Herr Kollege Schmidt, wäre dieser Gesetzentwurf bei Verabschiedung ohne den haushaltspolitischen und steuerpolitischen Teil eigentlich des Wesentlichen entkleidet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In diesem Gesetz werden erstmals die für eine konjunkturgerechte Finanzpolitik erforderlichen Mittel in gesetzlicher Form verankert mit dem Ziel, ein ausreichendes — ich sage noch nicht einmal: ein ausgewogenes — konjunkturpolitisches Instrumentarium zu schaffen. Wenn ich Instrument sage, denke ich persönlich an ein medizinisches Instrument; dieses Instrument ist dann, wenn es notwendig wird, bei Operationen zu verwenden. Genauso soll dieses Instrumentarium in dem Augenblick vorhanden sein, in dem wir im wirtschaftlichen Bereich Operationen nötig haben.
Gerade bei den haushalts- und steuerpolitischen Vorschriften zur Konjunkturbeeinflussung kommt es in besonderem Maße darauf an, Regelungen zu finden, die es einerseits den Regierungen erlauben, die Konjunkturinstrumente im Bedarfsfall so rechtzeitig und wirkungsvoll wie irgend möglich einzusetzen, und andererseits deren Anwendung auf genau umrissene konjunkturelle Ausnahmesituation zu beschränken und vor allem den parlamentarischen Gremien die ihnen zustehenden Gestaltungs-
und Kontrollrechte sachlich und zeitlich nicht über Gebühr zu beschneiden. Das scheint mir im wesentlichen in diesem Gesetz gelungen zu sein.



P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0510818100
einmal in Vorschriften, die auf eine konjunkturgerechte Gestaltung der öffentlichen Haushalte selbst abzielen, also in haushaltspolitische Vorschriften; dann in solche Vorschriften, die einer unmittelbaren konjunkturellen Beeinflussung des privatwirtschaftlichen Bereichs dienen — wie die steuerpolitischen Vorschriften.
Obwohl es reizvoll wäre, will ich mich nicht mit den haushaltspolitischen Vorschriften befassen, die dieses Gesetz enthält. Auch dazu ist in der Diskussion schon vieles gesagt worden. Aber auf eines muß ich auch in diesem Zusammenhang hinweisen: Mit Recht wird die konjunkturpolitische Funktion der öffentlichen Haushalte in besonderer Weise hervorgehoben. Dennoch darf nicht verkannt werden, daß es nicht deren ausschließliche Aufgabe sein kann, gewissermaßen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu regulieren und ökonomisches Fehlverhalten im privatwirtschaftlichen Bereich auszugleichen. Die öffentliche Hand — und das muß auch in dieser Debatte gesagt werden — wäre damit unbedingt überfordert und könnte ihren vielgestaltigen Aufgaben nicht mehr in befriedigendem Umfang gerecht werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, daß eine Zurückdrängung öffentlicher Ausgaben im Falle der Hochkonjunktur allzu leicht einseitig den Investitionshaushalt trifft — ich denke da an Erlebnisse, die wir ja selber hatten —, in dem im allgemeinen nicht so starke rechtliche Bindungen vorliegen wie z. B. in anderen Haushaltsbereichen. Damit würden aber wiederum die für das allgemeine Wirtschaftswachstum notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu kurz kommen.
Gerade deshalb, meine Damen und Herren, sieht dieses Gesetz zugleich ergänzend Bestimmungen zur Beeinflussung des privaten Wirtschaftsbereiches und insbesondere des Investitionsbereiches vor, der eine Schlüsselstellung für Konjunktur- und Wirtschaftswachstum einnimmt. Nur so läßt sich ein ausgewogener Einsatz des konjunkturpolitischen Instrumentariums erreichen.
Damit wende ich mich nun noch kurz den steuerpolitischen Vorschriften des Gesetzes zu, die in allen Bereichen die besondere Kritik unseres Kollegen Schmidt gefunden haben. Hier sind insbesondere die Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Variation der Abschreibungsbestimmungen und zur Variation der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu nennen.
Der Vorschlag der Bundesregierung, für den Fall einer nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Abschwächung Sonderabsetzungen für Investitionen möglich zu machen, wurde im Wirtschaftsausschuß des Bundestages durch den Vorschlag eines Abzugs von der Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt, der bis zu 7,5 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für bestimmte Investitionen beträgt. Es ist nur zu verständlich, daß dieser Vorschlag, ein so neuartiges Konjunkturinstrument einzuführen, lebhafte Diskussionen hervorgerufen hat. Sicherlich läßt sich der gewünschte Investitionsanreiz sowohl durch
Sonderabsetzungen als auch durch einen Steuerabzug erreichen. Für beide Maßnahmen lassen sich beachtliche Gründe und Gegengründe anführen. Das ist zum mindesten bei der CDU-Fraktion, an deren Beratungen ich teilnehmen konnte, sehr eindeutig geschehen.
Der Bundesminister der Finanzen ist der Meinung, daß es sich bei der hier zu entscheidenden Frage, ob als Instrument zur Belebung der Konjunktur Sonderabschreibungen zugelassen werden sollen oder eine Investitionszulage in Form eines Abzugs von der Steuer gewährt werden soll, um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung mit unter Umständen —das muß zugegeben werden — sehr weitreichenden, insbesondere haushaltsmäßigen Folgen handelt. Das ist wohl auch eine Ihrer Hauptsorgen gewesen, Herr Kollege Dr. Schmidt, die in Ihren Ausführungen deutlich wurden. Diese Sorge teile ich persönlich mit Ihnen.
Der Konflikt zwischen der notwendigen endlichen Verabschiedung des Gesetzes, das ohne steuerpolitische und finanzpolitische Bestimmungen ein Torso wäre, und den Bedenken gegen eine Investitionszulage muß für die Verabschiedung des Gesetzes entschieden werden. Da unterscheiden wir uns in unserer Meinung aus den verschiedensten Gründen, die ich hier gar nicht näher anzuführen brauche. Doch bin ich Ihnen dankbar dafür, daß Sie sich der sich aus diesem Gesetz zweifellos ergebenden Bedrängnisse des Bundesministers der Finanzen so energisch angenommen haben. Ich bin auch der Meinung, daß wir Ihre Argumente, die Sie nochmals hier vorgebracht haben, immer und immer wieder prüfen sollten.
Das konjunkturpolitische Pendant zu einer Ermächtigung zur Gewährung von Sonderabsetzungen bzw. zum Abzug bestimmter Invesitionskosten von der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist die Ermächtigung zur vorübergehenden Einschränkung der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen sowie der sogenannten degressiven Abschreibung. Wenn eine wirkungsvolle, konjunkturdämpfende Steuerpolitik im Wege der Abschreibungsvariierung vorgenommen werden soll, muß auch eine vorübergehende Einschränkung der degressiven Abschreibungen möglich sein.
Es ist selbstverständlich, daß bei der Anwendung dieses Instruments sorgfältig geprüft werden wird, ob hierbei andere Zielsetzungen dringlicherer Art verletzt werden. Überdies würde eine solche Maßnahme ohnehin nur bei wirklich triefgreifendem wirtschaftlichem Ungleichgewicht ergriffen werden. Im übrigen gehören Maßnahmen auf dem Gebiet der steuerlichen Abschreibungen zu den international anerkannten und angewandten finanzpolitischen Instrumenten der Konjunkturpolitik.
Zu den zweifellos besonders wirkungsvollen steuerpolitischen Instrumenten der Konjunkturpolitik gehört die Variation der Einkommen- und Körperschaftsteuer, da hierdurch gleichzeitig der gesamte Investitions- und Konsumbereich der Wirtschaft beeinflußt werden kann. Im Falle einer überhitzten Nachfrage nach Konsumgütern ist die Kaufkraftabschöpfung durch Steuererhöhung bei selbst-



Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
verständlich gleichzeitiger Stillegung der Mehreinnahmen das wirksamste finanzpolitische Hilfsmittel. Außerdem sprechen für dieses Argument — und hier sind wir anderer Meinung als Sie, Herr Kollege Dr. Schmidt, das muß ich ganz deutlich sagen — die Möglichkeit einer flexiblen Handhabung und der nicht zu vernachlässigende Gesichtspunkt einer größeren steuerlichen Gerechtigkeit.
Selbstverständlich spricht vieles für eine Stabilität der Steuersätze auf möglichst lange Zeit, damit nicht zuletzt die Kalkulation der Unternehmer und Verbraucher möglichst wenig gestört werden. Abgesehen davon ließen auch praktische Gesichtspunkte keinesfalls häufigere Steuervariationen zu. Gerade dieses Instrument wird deshalb sicherlich nur im äußersten Notfall zur Beeinflussung des privaten Sektors in Betracht gezogen werden können, und wie ich meine, auch werden. Den vielfach geäußerten Bedenken gegen eine gesetzliche Verankerung der Steuervariation als Konjunkturinstrument dürfte dadurch begegnet worden sein, daß dem Bundestag und dem Bundesrat das Recht auf vorherige Zustimmung vorbehalten bleibt.
Meine Damen und Herren, bei der Entscheidung über die Verwirklichung dieser gesetzlichen Bestimmungen bitte ich, sich zweierlei vor Augen zu führen. Es handelt sich nicht um ein Maßnahmengesetz, sondern um ein Gesetz, das lediglich konjunkturpolitische Instrumente schafft, Instrumente, die erst dann, wenn sie angewendet werden, Maßnahmen auslösen. Die Anwendung dieser Instrumente, d. h. ihre Verwirklichung durch Maßnahmen der Bundesregierung, unterliegt sehr strengen Bestimmungen. Dies gilt insbesondere für die parlamentarische Mitwirkung bei der Verwirklichung der einzelnen Bestimmungen. Diese ist gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs wesentlich verstärkt worden, ohne daß, wie ich glaube, die Einsatzschnelligkeit der Instrumente nennenswert leiden wird.
Auch lassen Sie mich nochmals unterstreichen, daß mit Sicherheit jene Maßnahmen den Vorrang haben werden, die die Gestaltung der öffentlichen Haushalte betreffen, und daß unmittelbare Eingriffe in die privatwirtschaftliche Investitions- und Konsumsphäre erst in zweiter Linie in Betracht gezogen werden.
Ich glaube, die Vorschriften des vorliegenden Gesetzentwurfs in der Fassung der Beschlüsse des Wirtschaftsausschusses stellen, abgesehen von der von mir erwähnten steuerlichen Frage, ein konjunktur- und wirtschaftspolitisches Instrumentarium dar, das den Notwendigkeiten Rechnung trägt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510818200
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0510818300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den sehr ausführlichen Darlegungen von Herrn Staatssekretär Leicht kann ich mich verhältnismäßig kurzfassen. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß von diesem Gesetzentwurf nach
Herausbrechen aller steuerpolitischen Vorschriften lediglich ein Torso zurückbleiben würde. Lassen Sie mich in Kürze versuchen 2u skizzieren, was wir dann noch in der Hand hätten. Es verbliebe dann ein Gesetzentwurf, der uns den Konjunkturrat brächte, eine sicherlich sehr nützliche Institution, aber nicht im eigentlichen Sinne ein konjunkturpolitisches Instrument. Weiter bliebe uns nur noch die Schuldenmanipulierung der öffentlichen Hand, vor allen Dingen in den Vordergrund gestellt 'im vorigen Herbst, heute aber bei weitem nicht mehr so aktuell, wie sie damals vielleicht manchem erschienen ist. Heute geht es im wesentlichen darum, die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Investitionen wieder zu steigern und die dazu notwendige Schuldenaufnahme zu erleichtern. Was bleibt dann noch übrig? Da bleibt dann allein noch die konzertierte Aktion. Ich bin der Meinung und mit mir meine Fraktion, daß das völlig unzureichend wäre, so gut diese Instrumente im einzelnen für die für sie vorgesehenen Funktionen auch sein mögen. Wenn Sie die steuerpolitischen 'Bestimmungen herausbrechen, haben Sie nicht ein einziges Instrument mehr für den Bereich der Unternehmensinvestitionen.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Das wollen Sie doch erst 1969!)

Ich mache darauf aufmerksam, daß die Krise ihren Ausgangspunkt in erster Linie im Rückgang der Investitionstätigkeit, im Rückgang der Aufträge an die Investitionsgüterindustrie und an die Bauwirtschaft genommen hat. Ich mache Sie auf die letzten Zahlen, die zur Verfügung stehen, aufmerksam. Nach diesen Zahlen sind die Auftragseingänge sowohl im Verbrauchsgütersektor als auch im Investitionsgütersektor im ersten Quartal dieses Jahres um 13 bis 14% hinter den Zahlen des Vorjahres zurückgeblieben. Dabei ist noch zu beachten, daß sich 'das Tempo des Absinkens der Auftragseingänge im Januar, Februar und März weiter beschleunigt hat. Nach den neuesten Meldungen haben wir im Verbrauchsgüter-sektor einen Rückgang des Auftragseingangs von über 20% zu verzeichnen. Meine Damen und Herren, wer von Ihnen will es verantworten, in diesem entscheidenden Zeitpunkt der Bekämpfung des Konjunkturtales wichtige Instrumente aus unserem Instrumentarium herauszubrechen und damit unter Umständen zusätzliche Gefahren für die Sicherung der Arbeitsplätze heraufzubeschwören?

(Beifall.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510818400
Herr Abgeordneter gestatten Sie eine Frage? — Bitte Herr Dr. Schmidt (Wuppertal) !

Dr. Otto Schmidt (CDU):
Rede ID: ID0510818500
Verehrter Herr Kollege Kurlbaum, ist es nicht richtig, daß Sie das in Ihrem Gesetz gar nicht für den aktuellen Tatbestand vorgesehen haben, sondern erst für den 1. Januar 1969, und daß die andere Maßnahme überhaupt erst für den 1. Januar 1968 in Frage kommt, und haben Sie nicht gehört, daß ich Ihnen vorgeschlagen habe, daß wir das im Juni noch erledigen und verabschieden?




Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0510818600
Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Im übrigen ist Ihnen, Herr Schmidt (Wuppertal), ja auch bekannt, daß der 1. Januar 1969 ein von unserer Fraktion nicht vorgeschlagener Kompromiß gewesen ist. Es kann sehr leicht der Fall sein, daß wir diesen Termin werden aufheben müssen, wenn wir die Konjunktur nicht schneller in den Griff bekommen. Das liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Machen Sie die Wirtschaft doch nicht noch nervöser!)

— Hören Sie mich wenigstens doch einmal an, Herr Schmidt (Wuppertal) !
Nun zu Ihrer nach meiner Ansicht höchst bedenklichen These, die Steuer- und Finanzpolitik sei in erster Linie zur 'Deckung der öffentlichen Ausgaben und nicht zur globalen Steuerung der Wirtschaft da. Herr Schmidt (Wuppertal), ich muß Ihnen ganz offen sagen: Sie haben einen großen Teil der Diskussionen der letzten Jahre offenbar nicht mitgemacht!

(Beifall bei der SPD.)

Ich erinnere Sie daran, daß bereits im Jahre 1956 der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums und der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums ein Gutachten vorgelegt haben, in dem sie die Entwicklung eines konjunkturpolitischen Instrumentariums unter Einschluß der von Ihnen jetzt kritisierten Instrumente vorgeschlagen haben.
Herr Schmidt (Wuppertal), nehmen Sie es mir nicht übel: Sie haben über zehn Jahre Zeit gehabt, über diese Dinge nachzudenken.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal].)

Im Jahre 1959 hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums nochmals diese selben Dinge in Vorschlag gebracht. Immer wieder hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verlangt, man möge sich mit diesem Gutachten beschäftigen, diese Probleme diskutieren und Instrumente entwickeln. Jetzt sind wir durch Ihre Schuld in die Lage versetzt worden, diese Instrumente nunmehr kurzfristig in Gebrauch nehmen zu müssen. Das haben Sie zu verantworten und nicht wir.
Lassen' Sie mich noch etwas zu den sogenannten neuen Methoden sagen. Herr Schmidt (Wuppertal), auch das stimmt nicht. Die Methode mit den 7 1/2 Prozent, die wir vorgeschlagen haben, stimmt überein mit der für das Land Berlin bereits beschlossenen Investitionshilfe. Wir haben also diese Methode schon bei uns eingeführt. Daher ist es keine grundsätzliche Neuerung mehr. Allerdings liegt hier ein Abweichen von alten Methoden vor. Wenn Sie hier so tun, als würden durch die Einführung einer solchen Methode mit dem Übergang vom Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen zum Abzug von der Steuerschuld finanzielle Probleme größten Ausmaßes aufgeworfen werden, dann ist das eine falsche Darstellung. Man kann die Last für die öffentlichen Haushalte auf beiden Wegen, mit beiden Methoden genau gleich dimensionieren.
Es stimmt also einfach nicht, daß die Gefahren bestünden, die Sie hier an die Wand gemalt haben.
Wenn man der Meinung ist, daß wir diese wichtigen Instrumente insbesondere auch zur Wiederanhebung der Investitionen auf ein normales Niveau brauchen, daß wir sie einfach haben müssen, um bestimmte enttäuschende Entwicklungen abzuwehren, dann kann ich nur folgendes sagen. Gewiß gibt es wohl Möglichkeiten, das noch zu verbessern. Aber, lieber Herr Kollege Schmidt, dieses Gesetz liegt jetzt acht Monate hier im Bundestag. Im Oktober hat der Finanzausschuß die Methode der Sonderabschreibungen abgelehnt. Am 28. Februar — nach meinen Notizen — haben Sie die Methode der Steuervariierung abgelehnt. Jetzt lehnen Sie eine dritte Methode ab, die wir vorgeschlagen haben. Wo sind die Vorschläge von Ihrer Seite für eine positive Lösung dieses Problems?

(Beifall bei der SPD.)

Wo sind Ihre Vorschläge für eine zuverlässige Sicherung der Arbeitsplätze in der Wirtschaft?

(Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal].) Wir warten auf diese positiven Vorschläge.

Deshalb möchte ich für meine Fraktion folgendes erklären. Wir werden Ihrem Antrag auf Rückverweisung dieser Paragraphen nicht zustimmen. Aber es steht Ihnen vollkommen frei, im Gegensatz zu Ihrer bisherigen Haltung positive konkrete Vorschläge zu machen, auch auf dem Gebiet der Investitionen.. Dann werden Sie ein offenes Ohr für alle Verbesserungsvorschläge bei uns finden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510818700
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510818800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, auch ich muß Ihnen sagen, daß Sie in Ihrer Darstellung die Problematik der Anwendung steuerpolitischer Mittel für konjunkturpolitische Zwecke ungemein dramatisiert haben. Es geht doch nicht darum, den ersten Zweck der Steuerpolitik, nämlich die Bedarfsdekkung für die öffentlichen Bedürfnisse, auszuschalten, sondern es geht doch nur darum, diesen primären fiskalischen Zweck der Besteuerung im Quantum, in der Zeit und in der Datierung durch konjunkturpolitische Erfordernisse zu ergänzen. Sie haben es so dargestellt, als ob nun der primäre Zweck der Besteuerung, nämlich die Beschaffung von Einnahmen für öffentliche Bedürfnisse, sozusagen sekundär oder tertiär würde, als ob er nur noch am Rande beachtet und das Ganze grenzenloser globaler Steuerung zugeführt würde. Bitte, beachten Sie die Quanten! Bei der Einkommen-, der Lohn- und der Körperschaftsteuer geht es um zehn Punkte nach oben oder nach unten; es kann sich also nicht hochschaukeln.

(Zuruf von der CDU/CSU: Für einen befristeten Zeitraum!)




Bundesminister Schiller
— Für einen befristeten Zeitraum. Es kann wiederholt werden — ich trete ruhig auf den Boden des Mißtrauens, das Herr Kollege Schmidt (Wuppertal) hegt —, aber es kann nicht hochgeschaukelt werden, d. h. am Ende des ersten Jahres noch einmal 10 % und so.
Herr Kollege Schmidt, man könnte nach Ihren sehr bewegten und bewegenden Ausführungen den Eindruck haben, als ob der gesamte primäre Zweck der Besteuerung — die Bedarfsdeckung — völlig dem Gesichtspunkt der globalen Steuerung und der Konjunkturpolitik geopfert würde. Daß wir seit Jahren, seit Jahrzehnten im Übergang zu der stärkeren Mitberücksichtigung der nicht fiskalischen Zwecke der Besteuerung sind, das ist Ihnen, Herr Kollege Schmidt, doch bekannt. Ich wundere mich. Ich glaube, Sie wollen das heute einfach nicht sehen. Sie wissen das doch ganz genau, dazu sind Sie in diesem Bereich doch viel zu versiert. Deshalb wundere ich mich über Ihre Darstellung.
Sie haben doch sicherlich — und ich habe keinen
Protest von Ihnen gehört — folgenden Textgelesen: Maßnahmen auf dem Gebiete der steuerlichen Abschreibung gehören zu den allgemein anerkanten Instrumenten der Wirtschaftspolitik im In- und Ausland. So ist der Wiederaufbau nach der Währungsreform nicht zuletzt durch Investitionsanreize auf dem Abschreibungsgebiet

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Es geht doch nicht um Abschreibungen!)

wesentlich gefördert worden.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Es geht doch nicht um Abschreibungen, es geht um die Investitionshilfe neben der Abschreibung!)

— Schön, sind Sie denn für die Abschreibungen? Nun zur Kasse! Cash down! Sind Sie denn für die Sonderabschreibung?

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Ich bin sofort bereit, für die alte Regierungsvorlage einzutreten — in dieser Stunde! — Gegenruf von der SPD: Das haben Sie doch abgelehnt!)

— Ich glaube, durch dieses Zwischenspiel ist erreicht, daß Sie jetzt das sagen, was Herr Kollege Kurlbaum so gern hören wollte. Was wollen Sie, Herr Kollege Schmidt? Wollen Sie die Abschreibung?

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Ich finde, es kommt doch auf meine persönliche Meinung gar nicht an, sondern auf eine verantwortliche Gesamtprüfung!)

— Doch! Ihre persönliche Meinung ist in diesem Raum selbstverständlich sehr wichtig, und wir möchten von Ihnen gern hören, ob Sie dann lieber die Abschreibungen wollen.
Zu den Abschreibungen kann ich Ihnen nur folgendes sagen. Sie wissen, daß die Abschreibungsmöglichkeiten mit der Progression, d. h. mit dem Gewinn, steigen. Wenn ich so demagogisch sprechen wollte wie Sie — Sie haben ein bißchen demagogisch gesprochen, von „Lyrik" und so —, dann würde ich sagen: Wer für Sonderabschreibungen mit Progression eintritt und sich gegen Investitionsprämien wendet, die nämlich von der Progression unabhängig sind, der, Herr Kollege Schmidt, ist gegen den Mittelstand und gegen das Kleingewerbe. Das ist meine Folgerung.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist doch ganz selbstverständlich, daß derjenige, der mehr Gewinne macht und größere Einkommensbezüge hat, mehr Abschreibungen machen kann. Das ist doch das Hauptargument.
Es wurde hier auf die Beiräte verwiesen. Der Beirat des Finanzministeriums — und der muß Ihnen ja näherstehen als der des für Sie nun etwas dubios gewordenen Wirtschaftsministeriums — hat am 23. Februar — allerdings im „Konnubium" mit dem anderen — geschrieben:
Beide Beiräte erneuern ihre Stellungnahme vom Juli 1966, in der sie sich mit großer Majorität für die Verwendung von Investitionsprämien an Stelle von Sonderabschreibungen ausgesprochen haben.
So auch der Beirat des Finanzministeriums!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510818900
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510819000
Aber selbstverständlich!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510819100
Bitte, Herr Abgeordneter Ott!

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0510819200
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß über den Weg erhöhter Sonderabschreibungen kein echter Steuerverzicht eintritt und daß dann die zunächst gesparte Steuer, da nur gestundet, später wieder nachzuzahlen ist im Gegensatz zu der Prämie, die für uns verloren ist?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510819300
Ich kann Ihnen darauf eine ganz konkrete Antwort geben. Die Sonderabschreibung bedeutet für denjenigen, der sie in Anspruch nimmt, einen echten Gewinn, und zwar einen echten Zinsgewinn; das ist klar. Es kommt auf die Größe der Abschreibung an. Das ist doch selbstverständlich. Ich glaube, darüber besteht gar kein Zweifel.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510819400
Die Debatte sollte nicht in ein Frage- und Antwortspiel ausarten, sondern wir sollten sie fortführen.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0510819500
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß bei der Prämie der Zins ebenfalls verloren ist, aber das Kapital der Prämie noch zusätzlich, wogegen bei der Sonderabschreibung nur der Zins verloren ist, aber die Prämie, sprich Steuer, bei uns verbleibt?




Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510819600
Es kommt doch darauf an, Herr Kollege, bis zu welcher Höhe ich bei der Prämie gehe. Das ist doch hier völlig offen. Hier ist doch nur eine Obergrenze gesetzt, die deutlich zeigt, daß die Dinge nicht ins Maßlose gehen sollen.
Im übrigen spreche ich in diesem Falle überhaupt nicht für eine Idee, die von der Bundesregierung produziert ist, sondern von einer Idee, die aus dem Hause stammt. Ich finde sie gut; ich finde sie besser als das, was vorher war.
Ich darf noch hinzufügen, Herr Kollege Schmidt, daß ich mir eben habe vorlegen lassen, wie das System in anderen Ländern ist. Wir würden jetzt also eine Investitionszulage bis zu 7,5 % haben. Frankreich hat eine Steuergutschrift von 10 %, die Niederlande in Höhe von ebenfalls 10 %, Italien in Höhe von 15 %, Schweden in Höhe von 10 %, Großbritannien — jetzt Investitionsprämie — in Höhe von 20 %, die USA hatten bis vor kurzem eine Steuergutschrift — das ist praktisch ein System mit Symmetrie, aber nicht Abschreibung — in Höhe von 7 %.
Wir sind also nicht allein, Herr Kollege Schmidt. Investitionszulagen, wie man sie auch nennt, gleich welcher Art und welcher Aufmachung, die in anderen Ländern gewährt werden, sind Abschreibungen über 100 %, natürlich variierend je nach der Konjunktursituation. Wir, soweit wir das von diesem Hohen Hause, von dem Ausschuß angeboten bekommen haben, sehen ja, daß es sich nicht um ein Angebot handelt, das ins Grenzenlose geht, sondern das limitiert und unter parlamentarische Kontrolle gestellt ist.
Dann ein Letztes, Herr Kollege Schmidt! Sie haben sich auch gegen die Variation der — wie wir jetzt nicht mehr sagen dürfen — Sätze der Einkommen- und Lohnsteuer gewandt. Sie haben sich gegen die
— wie es exakt heißt — Variation der Einkommen- und Lohnsteuerschuld durch Zulagen oder Abzüge gewandt.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Das ist der Sache nach etwas Verschiedenes!)

— Wir sind uns doch in der Sache völlig einig, was mit der Vorlage gewollt wird. Hier handelt es sich um eine Vorlage, die nach Bildung der neuen Bundesregierung aus dem gemeinsamen Gespräch zwischen Bundesfinanzminister und Bundeswirtschaftsminister entstanden und diesem Hause vorgelegt worden ist.
Zu dieser Vorlage kann ich nur sagen: wir haben da nicht nur das Votum dieser Beiräte — Sie mögen sagen, das ist vielleicht noch nicht der Weisheit letzter Schluß —, sondern wir haben auch ein anderes und sehr wichtiges Votum, nämlich das jener Stelle, die man in ihrer einzelnen Politik beurteilen mag wie immer, die aber im Jahre 1965 und im größten Teil des Jahres 1966 das ganze Geschäft der Konjunkturpolitik allein hat betreiben müssen, nämlich das Votum der Bundesbank. Diese Deutsche Bundesbank hat sich für die Variation der Einkommen- und Lohnsteuersätze, wie sie sich ausdrückt, ausgesprochen:
Die vorgesehene Variierung der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuern um ± 10 % kann unseres Erachtens in bestimmten Lagen nützlich sein. Gerade in den letzten Jahren wurde die Erfahrung erhärtet, daß die Währungspolitik, soll sie nicht überstrapaziert werden und schnell genug wirken, der Ergänzung durch eine gleichgerichtete Fiskalpolitik bedarf.
— Das muß in Ihren Ohren schrecklich klingen, nach dem, was Sie bisher gesagt haben, daß nämlich die Finanzpolitik vor allem der Deckung der öffentlichen Bedürfnisse zu dienen hat.
Antizyklische Fiskalpolitik
— schreibt die Bundesbank weiter — ist aber in der restriktiven Phase
— das ist die Überhitzungsperiode, die längst hinter uns ist —
nur schwer durch Verminderung der öffentlichen Ausgaben zu erreichen. Die Investitionsausgaben allein zum konjunktturellen Lückenbüßer zu machen, ist unzweckmäßig.
Aus diesen Überlegungen — mit den Ausgaben der öffentlichen Hand allein kann man nicht Konjunkturpolitik machen, und die Währungspolitik der Bundesbank darf nicht überstrapaziert werden — ist die Deutsche Bundesbank für diese Ermächtigung an die Bundesregierung, die Lohn- und Einkommensteuer zu variieren.
Ich hoffe, Herr Kollege Schmidt, Sie haben aus diesen Ausführungen gesehen, daß es mir darum geht, Sie sachlich zu überzeugen. Ich bitte Sie, Ihre Anträge auf Sonderbehandlung steuerpolitischer Vorschriften zurückzustellen. Ich bin der Meinung, dieser große Gesetzentwurf muß heute zur dritten Lesung kommen und verabschiedet werden. Das Hohe Haus wird hoffentlich in seiner Mehrheit dafür plädieren. Es ist lange genug in der Öffentlichkeit von uns verlangt worden. Wenn wir jetzt einen so wichtigen Teil herausbrechen, bleibt ein Torso übrig; und mit dem Torso können wir uns alle nicht sehen lassen — Sie nicht, Herr Kollege Schmidt, und wir von der Regierung nicht. Dann machen wir in der gesamten deutschen wirtschaftspolitischen Öffentlichkeit keine gute Figur, wenn wir diesen zentralen Teil auf das nächste Jahr verschieben.
Im übrigen muß ich Ihnen zum Schluß noch sagen: Herr Kollege Schmidt, Sie sind in Ihrer Haltung von einer bewundernswerten Konsequenz. Sie haben gegen den Eventualhaushalt gestimmt. Über die Entlastung der Altvorräte haben wir beide zwei Nächte lang Gespräche mit anderen geführt. Sie sagten dabei einmal: „Man muß zwingen, daß die Vorräte nicht abgebaut werden." Ich sage Ihnen: Man kann eben in der Marktwirtschaft die Wirtschaft nicht zu einem bestimmten Handeln zwingen,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

man kann nur mit indirekten Mitteln arbeiten. Wenn wir auf die monetären Mittel verzichten — dazu gehört die Steuer und wenn wir im markt-



Bundesminister Schiller
wirtschaftlichen System bleiben wollen, dann müssen
wlir auf eine wirksame Konjunkturpolitik verzichten.

(Dr. Müller-Hermann: Dann können wir ja die Investitionssteuer abbauen, Herr Minister!)

Als Letztes darf ich Ihnen sagen: Sie haben nun auch diese Mittel abgelehnt und ein großes, leidenschaftliches und bewegendes Plädoyer für die reine „Bedarfsdeckungsfinanz", wie Gerloff es nennt, und gegen die „Ordnungsfinanz", gegen die Fiscal Policy gehalten. Nur muß ich Ihnen eines in aller Deutlichkeit sagen, Herr Kollege Schmidt: Wenn wir in dieser neuen Regierung Ihrer Politik gefolgt wären — wir wären heute bei Steuereinnahmen, die um hunderte von Millionen niedriger lägen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal].)

Wir hätten uns weiter herunterbewegt bis dahin, wie wir es schon einmal in unserem deutschen Volk erlebt haben. Wenn wir dieser reinen Politik des Ausgleichs der Finanzen, koste es was es wolle,
gefolgt wären, so hätten wir mit tödlicher Sicherheit in diesem Jahr weiter und schärfer herunternivelliert.
Ich hoffe sehr, daß die Mehrheit des Hauses der Arbeit des Wirtschaftsausschusses und seinen Vorstellungen Rechnung trägt und den Gesetzentwurf heute annimmt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510819700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0510819800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will und muß mich kurz fassen. Ich kann es auch tun nach den Ausführungen, die meine Vorredner, Herr Wirtschaftsminister Schiller, Herr Staatssekretär Leicht und Herr Kollege Kurlbaum, hier gemacht haben.
Ich möchte im Namen der CDU-Fraktion erklären, daß wir eine Zurückverweisung, wie auch immer der Antrag des Kollegen Schmidt lauten mag, nicht billigen, sondern daß wir — das ist ein Fraktionsbeschluß — dafür sind, daß dieses Gesetz heute in der vorliegenden Fassung verabschiedet wird. Das möchte ich dem Hause mitteilen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Schmidt, Sie wissen, wie sehr ich Sie verehre und Ihnen freundschaftlich zugetan bin. Aber hier befinden wir uns in einem sachlichen Gegensatz, den ich jetzt nicht mehr vertiefen will. Es ist ein sachlicher Gegensatz, der einfach darauf hinausläuft, wie Herr Schiller zum Schluß gesagt hat, ob man die Wirtschaftspolitik so dynamisch gestalten kann, daß die Frage der Deckung des Haushalts auch erledigt wird. Nur von der Deckung her, wie Sie es tun, kann man eben Steuern nicht ansehen. Das ist jedenfalls die Auffassung, die uns geleitet hat.
Ich möchte ein zweites sagen, Herr Kollege Schmidt, und muß da wiederholen, was Herr Schiller gesagt hat: Unserem Ausschuß haben nicht nur der
Bericht der Bundesbank und die Gutachten und Stellungnahmen der Wissenschaftlichen Beiräte vorgelegen. Wir haben uns wochenlang sehr eingehend mit dieser Methode der Abschreibung befaßt. Wenn es auch für unsere deutschen Verhältnisse etwas Neues ist, so ist es aber im Prinzip doch eine Erfahrung, die in anderen Ländern vorliegt, und eine solche Sonderstellung haben wir ja weiß Gott in unserem Vaterlande nicht, daß man nicht auf die Erfahrungen im Ausland zurückgreifen sollte.
Sie haben dann — das ist der einzige sachliche Punkt, auf den ich noch eingehen möchte — uns einer gewissen Inkonsequenz insofern zu zeihen versucht, als Sie sagten: Auf der einen Seite, bei der Nettosteuer, wird eine Investitionssteuer mit der Stufenregelung, die konjunkturdämpfend wirkt, erhoben — das ist vollkommen richtig —, und hier beschließt man eine Maßnahme, die genau das Gegenteil bringt. Herr Kollege Schmidt, der scheinbare Widerspruch löst sich sofort auf, wenn Sie berücksichtigen, daß wir ja in diesem Gesetz den Versuch machen, ein Instrumentarium zu schaffen, das möglichts komplett sein muß. Wann die Regierung es benutzt, das ist in das Ermessen und in die Weisheit der Regierung, aber auch in die Weisheit und das Ermessen dieses Hauses gestellt. Dieser Widerspruch löst sich also wirklich auf. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die strittigen Bestimmungen in absehbarer Zeit nicht angewandt werden können, und hier wage ich Herrn Kurlbaum zu widersprechen. Im Ausschuß war von Anfang an davon die Rede, daß das nicht zusammenfallen dürfte mit der Entlastung der Altvorräte und daß es der Regierung überlassen bleiben müßte, wann etwa das Instrument angewandt werden könne. Um aber ganz sicher zu sein, haben wir auf Anregung aus dem Wirtschaftsministerium diesen Termin festgelegt, aber auch — und deswegen zitiere ich Sie, Herr Kollege Kurlbaum — um jeglichen Attentismus in der Wirtschaft auszuschließen. Denn in der Tat bestünde die Möglichkeit, daß jetzt gewisse Unternehmungen sagten: hier kommt noch mehr auf uns zu. Das ist der Grund, warum wir den 1. Januar 1969 eingefügt haben. Bis dahin passiert auf diesem Gebiet ganz bestimmt nichts und darf nichts passieren.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist die allgemeine Meinung!)

— Ja, das ist die allgemeine Meinung.
Nun möchte ich zur Sache noch einmal sagen: Ich weiß nicht, welche Anträge Sie gestellt haben. Geschäftsordnungsmäßig ist nach meinem Dafürhalten eine Zurückverweisung einzelner Paragraphen nicht möglich. Sie müßten also Streichung beantragen, und ich habe schon vorher erklärt, daß meine Fraktion einen solchen Streichungsantrag ablehnen würde. Eine Gesamtzurückverweisung, die Sie möglicherweise beantragen, hielte ich politisch und auch der Sache nach für ganz undenkbar. Es bliebe dann wirklich nur — ich habe es in meinem Mündlichen Bericht darzutun versucht — ein Gesetz gegen die öffentliche Hand.
Herr Kollege Schmidt und alle Ihre Anhänger aus dem Finanzausschuß — ich darf Sie hier ein-



Dr. Elbrächter
mal ansprechen —, die Sie unterstützen, übersehen doch eines: Glauben Sie wirklich, daß der Bundesrat, der ja seinen Segen geben muß, einem solchen Torso die Zustimmung geben wird? Das ist doch undenkbar. Wir kennen doch die Bedenken, die gerade im Bundesrat wegen der Maßnahmen gegen oder für die öffentliche Hand vorhanden sind.
In diesem Zusammenhang appelliere ich an Sie mit einem Hinweis, den Sie vielleicht verstehen werden. Mit diesem Gesetz wird — ich habe es in der mündlichen Begründung aus Zeitmangel nicht besonders hervorgehoben — ein erster schwacher Versuch gemacht, ein Stückchen Finanzverfassungsreform zu schaffen, indem ein Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden in der Haushaltswirtschaft versucht wird. Wenn das jetzt abgelehnt wird, bezweifle ich, ob überhaupt noch ein nennenswerter Erfolg zu erreichen ist — hinsichtlich dieses Stückchens Verfassungsreform, das wir hier heute vor uns haben. Deswegen meine herzliche Bitte — bei allem Respekt vor Ihren grundsätzlichen Bedenken —: Sie sollten Ihre Anträge zurückziehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510819900
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0510820000
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei stimmt dem Vertagungsantrag zu, ohne sich in allen Punkten mit der Begründung des Herrn Kollegen Dr. Schmidt zu identifizieren. Bezüglich der Begründung möchten wir deutlich darauf hinweisen, daß wir allerdings nicht der Meinung sind, die Haushaltswirtschaft habe nichts mit der allgemeinen Wirtschaftslage zu tun.
Ich kann den Herrn Kollegen Dr. Schmidt insofern verstehen, als sicherlich die Frage, ob Steuern ein geeignetes Mittel der Konjunkturpolitik sind, sehr kritisch beleuchtet werden kann. Auch wir sind der Meinung, daß die Steuern nicht gerade ein geeignetes Mittel sind, wohl aber können es Haushaltsmittel sein. Es dürfte doch inzwischen ziemlich gesicherte Auffassung nicht nur dieses Hauses, sondern auch der breiten Öffentlichkeit sein, daß eine Rezession in der Wirtschaft nicht nur ihr Auswirkung darin hat, daß die Unternehmer weniger oder keine Gewinne haben, sondern daß eine Wirtschaftsrezession oder gar eine Wirtschaftskrise die' breiteste Bevölkerung sehr empfindlich trifft. Deshalb hat die Bundesregierung und auch dieses Haus die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, daß geeignete Mittel angewendet werden, um die wirtschaftliche Rezession mit geeigneten, das sind zweifellos auch monetäre, Mitteln zu steuern. Insoweit halten wir es durchaus für zulässig und richtig, auch Haushaltsmittel in solchen Augenblicken mit einzusetzen, wenn dies an der richtigen Stelle und in der richtigen Form geschieht.
Allerdings sind wir der Meinung, daß ,die Vorschriften vor allem des § 26 noch sehr reformbedürftig sind, — trotz aller Mühe, die sich der Wirtschaftsausschuß sicherlich gegeben hat. Wie Sie sehen, haben wir Änderungsanträge vorgelegt, die wir später noch im einzelnen begründen werden. Alles was im § 26 steht, ist nicht eilig und braucht daher nicht in diesem Augenblick entschieden zu werden. Es pressiert wirklich nicht. Denn der erste Teil, der die Investitionsvergütung betrifft, soll sowieso frühestens erst in anderthalb Jahren angewendet werden; da haben wir viel Zeit. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Beseitigung der degressiven Abschreibungen. Meine Herren und Damen, das wird doch vorläufig kein Mensch ernsthaft verwirklicht sehen wollen. Und beim dritten Punkt geht es um die Variierung der Steuersätze, die nach dem Wortlaut des Berichts nur zum Beginn eines Kalenderjahres wirksam werden soll. Da haben wir jetzt — Anfang Mai — sowieso noch viel Zeit. Insoweit sind wir der Meinung, daß — selbst wenn man den Intentionen des Gesetzes voll folgen wollte — im Augenblick gar nichts pressiert, sondern daß wir sehr wohl noch in eine hinreichende Debatte eintreten können.
Von der Sache her gibt es also keine Eilbedürftigkeit für den § 26. Es könnte allerdings so sein — und das scheint mir hier aus dieser Debatte innerhalb der konzertierten Koalitionsparteien klargeworden zu sein —, daß es sich um so etwas wie ein Parallelogramm der Kräfte handelt. Man hat die Forderungen und Ermächtigungen so zusammengestellt und politisch ausgewogen, daß alle Richtungen und Meinungen möglichst unter ein Dach kommen. Man hat offensichtlich miteinander ausgetauscht und ausgehandelt, und wenn jetzt ein Stück abbricht, hat man wahl die Sorge, daß diejenigen, die man mühsam unter dieses Dach gebracht hat, wieder ausbrechen. Ich glaube, daß das sicherlich koalitionspolitisch ungeheuer interessant, aber kein sachliches Argument dafür ist, eine so wichtige und notwendige Beratung im Fachausschuß zu verhindern.
Von einem Torso zu sprechen, wenn alles außer dem § 26 angenommen wird, scheint mir nicht sehr begründet zu sein. Dieses Gesetz ist sowieso eine Ansammlung verschiedenster Gesichtspunkte und Paragraphen. Im Laufe der Debatte sind immer noch neue Sachverhalte, Anregungen und Sachgebiete dazugekommen, so daß es nicht leicht ist, darin ein nur so denkbares einheitliches Ganzes zu sehen, das keinen Zusatz oder keinen Abstrich verträgt.
Wir glauben, daß es der Sache dienlich ist, wenn wir die steuerlichen Fragen noch sorgfältig beraten.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510820100
Damit ist dieser Teil der Aussprache zunächst beendet. Es liegen auch keine weiteren Wortmeldungen vor. Da der Rücküberweisungsantrag allen anderen Anträgen vorgeht, kommen wir zur Abstimmung darüber. Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Wuppertal) hat Rücküberweisung der §§ 26 bis 28 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums an den federführenden Wirtschaftsausschuß unter Mitberatung des Finanzausschusses beantragt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Das letzte ist die



Vizepräsident Schoettle
Mehrheit. Der Antrag auf Rücküberweisung ist abgelehnt.
Wir kommen damit zu § 26, und zwar zu den dazu vorliegenden Änderungsanträgen auf Umdruck 2231 und 224 **). Zunächst der Antrag auf Umdruck 224 Ziffer 1. Frau Kollegin Funcke, wollen Sie den nächsten Antrag gleich mitbegründen?

(Abg. Frau Funcke: Nur den einen!) Sie haben das Wort.


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0510820200
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich sagte eben schon, daß die Fraktion der Freien Demokraten den Gedanken unterstützt, im Falle einer wirtschaftlichen Rezession Investitionsbeihilfen zu gewähren und damit einen Anreiz zu neuen Investitionen zu schaffen. Wir wissen alle miteinander sehr wohl, daß in der Wirtschaft der Investitionsgüterindustrie eine Schlüsselstellung für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung zukommt und daß bei einer Reihe nicht gerade speziell strukturell bedingter Krisen oder Rezessionen durch Investitionen ein guter und sinnvoller Anreiz gegeben werden kann, um die gesamte Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Wir haben aber Bedenken, die Investitionszulage an den Tatbestand geschuldeter Einkommensteuer zu knüpfen.

(Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510820300
Darf ich Sie einen Moment unterbrechen, Frau Kollegin? Wenn schon nicht der Wunsch nach Ruhe in diesem Raum besteht, dann sollte doch wenigstens die Rücksichtnahme auf die Rednerin dazu veranlassen, die Gespräche im Saal nicht allzuweit auszudehnen.
Jetzt haben Sie wieder das Wort.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0510820400
Vielen Dank, Herr Präsident!
Meine Herren und Damen, die Gesetzesfassung macht die Begünstigung davon abhängig, daß der Unternehmer in dem Jahr der Begünstigung oder im folgenden Jahr Einkommensteuer zu zahlen hat. Das bedeutet, daß er in diesen Jahren Gewinne gemacht haben muß.
Nun ist es an sich eine altbekannte Tatsache, daß in Zeiten wirtschaftlicher Rezession auch rote Zahlen in der Wirtschaft vorkommen. Ja, es ist geradezu ein Zeichen einer freien Wirtschaft, daß sie mit Risiko arbeitet. Dieses Risiko bedeutet, daß man in schweren Zeiten auch Verluste einstecken muß. Wer also die freie Marktwirtschaft will — die Regierung hat sich dazu bekannt —, muß auch die Gegebenheiten und die Bedingungen anerkennen, unter denen eine freie Marktwirtschaft arbeitet, d. h. sie muß bei ihren Maßnahmen auch die Möglichkeit des Verlustrisikos ernst nehmen.
*) Siehe Anlage 2
**) Siehe Anlage 4
Wenn wir nun alle diejenigen, die in schlechten Jahren in die Verlustzone kommen und daher im folgenden Jahr noch einen Verlustvortrag zu verrechnen haben, ausschalten, ist für sie kein wirtschaftlicher Anreiz gegeben. Wir begünstigen durch die Form, die dieses Gesetz jetzt hat, lediglich diejenigen, die gute Artikel oder besonders lebensnotwendige Konsumartikel führen, die also auch in schlechten Zeiten verdienen; wir begünstigen die Konzerne, die bekanntlich die Möglichkeit haben, innerhalb einer breiter gestreuten Artikelserie Gewinne und Verluste gegeneinander auszugleichen, oder Organschaften, die unter Umständen in der Lage sind, durch Boni, Gutschriften usw. Verluste und Gewinne dorthin zu bringen, wo man sie gerade brauchen kann; und wir begünstigen die reichen Leute, die neben ihren wirtschaftlichen Einkommen aus dem Betrieb möglicherweise noch andere Einkünfte haben und den Verlust aus ihrem Betrieb anderweitig verrechnen können, um im nächsten Jahr diese Möglichkeit der Investitionsvergütung in Anspruch nehmen zu können.
Ich darf Ihnen an einem Beispiel erläutern, wie sich das auswirkt. Zwei Brüder haben gemeinsam eine offene Handelsgesellschaft. Der eine ist reich verheiratet; seinem Verlust aus dem Betrieb stehen also Einkünfte seiner Ehefrau gegenüber. Er verrechnet den Verlust und hat im nächsten Jahr keinen Verlustvortrag mehr. Daraufhin kann .er die Investitionsvergünstigung in Anspruch nehmen. Sein Bruder hat bei der Wahl seiner Ehefrau nicht so sehr auf das Geld geschaut. Er hat keine Möglichkeit der Verrechnung und hat daher im nächsten Jahr den Verlustvortrag. Bitte, wie wollen sie das jetzt machen? Der eine Bruder sagt: „Wir wollen investieren, ich kriege ja etwas zurück." Der andere sagt: „Ich habe kein Interesse, ich möchte mein Geld behalten." Und schon haben wir das Problem bei der Entscheidung in der gemeinsamen Firma. Und wir haben das Problem auch bei der Bilanz. Es muß einmal geklärt werden, wie man so etwas bilanziert.
Meine Herren und Damen, ich habe im Finanzausschuß darauf aufmerksam gemacht, daß wir nicht nur Aktiengesellschaften und GmbHs haben, an die die Regierung offensichtlich vorzugsweise denkt, an die auch die Kollegen in diesem Hause denken. Es gibt auch Kommanditgesellschaften mit 20 bis 100 Kommanditisten. Bitte, stellen Sie sich einmal vor, wie es aussieht, wenn .100 Kommanditisten alle Vierteljahre an ihr Finanzamt mit der Bitte um Reduzierung der Einkommensteuervorauszahlung herantreten, weil die Firma ihnen mitteilt, daß sie in einem gewissen Umfang an den 7,5% Steuerermäßigung beteiligt sind!
Hier sehen Sie, wie problematisch es ist, wenn man eine an sich gute Maßnahme an einen Steuertatbestand anknüpft, der in der Wirtschaft sehr unterschiedlich ist. Wir möchten deswegen einen sehr viel einfacheren Weg vorschlagen, der im Prinzip dasselbe beinhaltet und außerdem bereits eine gute und brauchbare Praxis in unserem Land hat, nämlich beim Berlinhilfegesetz. Wir möchten allen, die in schweren Zeiten investieren, eine Vergütung geben, die unabhängig von dem Tatbestand ist, ob Einkom-



Frau Funcke
mensteuer geschuldet wird oder nicht. Damit haben wir jene Gerechtigkeit, die Ihre Fassung nicht hat; weswegen meines Erachtens diese Bestimmung des Gesetzes in Karlsruhe landen wird. Denn die beiden Brüder ungleich zu behandeln, ist wirklich verfassungsrechtlich nicht begründbar.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Das kam aber durch die Liebe des einen, der nicht aufs Geld geguckt hat!)

— Aber man darf doch nicht steuerlich begünstigen oder benachteiligen, je nachdem, ob einer eine reiche oder eine arme Frau hat. Ich würde sagen, im Interesse der armen Frauen sollte man ein solches Gesetz nicht machen, denn sonst haben sie schlechtere Heiratschancen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP.)

Meine Herren und Damen! In dem Bericht, den der Herr Kollege Elbrächter zu diesem Punkt gegeben hat, steht als Begründung, warum nicht unser Vorschlag, sondern die Berichtsfassung gewählt wurde, man möchte verhindern, daß Fehlinvestitionen gemacht werden. Nun, meine Herren und Damen, an dieser Stelle haben wir uns doch ganz ernstlich die Frage zu stellen, ob man hier wirtschaftlich vernünftig nachgedacht hat. Denn die Gefahr, falsch zu investieren, ist sicher bei den Leuten, die Gewinne haben, sehr viel wahrscheinlicher als bei Leuten, die gerade in der Verlustzone sind. Wer Verlust hat, wird sicherlich nicht leichtfertig investieren, sondern eher zu vorsichtig sein, um das Geld beisammenzuhalten. Wir sehen in der Ausschußfassung wirklich eine starke Benachteiligung der selbständigen mittelständischen und kleinen Industrie und des Gewerbes und eine Bevorzugung derer, die — durch welche Maßnahmen auch immer — allemal auf der Sonnenseite dieses Lebens stehen. Ich meine, um der Gerechtigkeit und um der wirtschaftlichen Vernunft willen sollten wir den Antrag der FDP annehmen.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510820500
Das Wort hat der Abgeordnete Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0510820600
Meine Damen und Herren! Ich darf bitten, diesen Änderungsantrag abzulehnen. Wir haben eine sehr harte Auseinandersetzung mit dem Vorsitzenden des Finanzausschusses hinsichtlich möglicher finanzwirksamer Ausgaben gehabt. Eine solche Ausweitung, wie sie hier vorgeschlagen wird, würde bedeuten, ein Volumen von im Höchstfalle 9 bis 10 Milliarden DM in Bewegung setzen zu wollen. Frau Kollegin Funcke, die arme Frau eines reichen Mannes oder die reiche Frau eines armen Mannes zur Begründung eines solchen Vorschlages heranzuziehen, scheint mir ein bißchen weit gegriffen.
Ich möchte trotz alledem dazu noch eines sagen: Sie haben in der damaligen Koalition, meine Damen und Herren der Freien Demokraten, einen Vorschlag der von Ihnen mitgetragenen Bundesregierung in dieses Haus mit eingebracht, der die Abschreibungsvariierung beinhaltete — mit all den Verklemmungen und Schwierigkeiten, die wir in diesem Bereich ja haben und die ja wohl dazu geführt haben, daß wir im Wirtschaftsausschuß zu einer neuen Form gefunden haben. Die von uns vorgeschlagene Form sichert auch dem kleinen und mittleren Unternehmer durch die Möglichkeit des Abzugs von seiner Steuerschuld eine Investitionsmöglichkeit. Sie können mir nicht sagen, daß die kleinen Unternehmungen in der heutigen Zeit alle nur von Luft und Liebe leben. Einkommen müssen sie mindestens haben, und dann zahlen sie also auch Steuern. Ich meine, hier kann man doch nicht sagen, der ganze Bereich der mittleren und kleinen Unternehmungen sei in einem Konjunkturtief in den roten Zahlen. Wir haben hier wirklich eine Möglichkeit für den Handwerksbetrieb, für den Kleinbetrieb geschaffen, der rechnen kann und mitgehen kann. Eine Ausweitung hin zu einer Investitionsprämie scheint uns in einer solchen Zeit nicht gerechtfertigt zu sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510820700
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0510820800
Bitte sehr!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0510820900
Herr Kollege, haben Sie schon etwas von einem Verlustvortrag gehört? Können Sie sich vorstellen, daß es so etwas gibt?

(Beifall bei der FDP.)


Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0510821000
Können Sie sich vorstellen, Frau Kollegin Funcke, daß ein Handwerksmeister mit einem Betrieb von zwei Gesellen einen Verlustvortrag in seinen Büchern vor sich herwälzen kann, wenn er darauf angewiesen ist, aus seinen Einnahmen zu leben?

(Abg. Dorn: Aber natürlich! Wer das bestreitet, der hat nun wirklich keine Ahnung davon!)

— Herr Kollege Dorn, ich würde Sie doch bitten, sich einen kleinen Betrieb mit einem Meister und zwei Gesellen — nehmen wir mal einen Malereibetrieb oder einen Klempnerbetrieb — anzusehen, wie lange der einen Verlustvortrag aushalten kann.

(Abg. Dorn: Bei Ihrer Politik!)

Hier geht es um ein Anreizinstrument, das demjenigen weiterhelfen soll, der hier mit einer Steuerschuld steht. Wir gehen dabei viel weiter als die alte Regierungsvorlage. Wir haben die Streuung verbreitert. Ich meine, weiter braucht man in diesem Falle wirklich nicht mehr zu gehen.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510821100
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 224 *) Nr. 1. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 4



Vizepräsident Schoettle
Wir kommen zum Antrag Umdruck 223 *) Nr. 3. Zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Staratzke das Wort.

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0510821200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sei mir gestattet, auch gleich die Nr. 4 unseres Antrags mit zu begründen.
Ich möchte die Begründung dieser beiden Anträge mit den Worten beginnen, die meine Kollegin Funcke eben gewählt hat: Auch hier scheint es mir die Frage zu sein, ob man richtig nachgedacht hat. Der Herr Berichterstatter hat bereits zum Ausdruck gebracht, daß bei den Beratungen im Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sehr gewichtige Bedenken gegen die Ermächtigung erhoben , worden sind, die degressive Abschreibung für bewegliche Güter zur Investitionsdämpfung auszusetzen. Meine Freunde und ich haben diese Bedenken, auch mit Kollegen anderer Fraktionen, mit allem Nachdruck erhoben und erheben sie hier in diesem Hohen Hause noch einmal, und zwar — sehr zusammengefaßt — aus folgenden Gründen:
Zunächst muß man bei der Prüfung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Abschreibungen für konjunkturpolitische Zwecke eingesetzt werden sollten, nach unserer Auffassung grundsätzlich unterscheiden zwischen den normalen, durch den Wertverzehr der Anlagegüter verbrauchsbedingten Absetzungen für Abnutzung und den darüber hinausgehenden zusätzlichen Abschreibungen. Durch die normalen, verbrauchsbedingten Absetzungen, zu denen auch die degressive Abschreibung — bei uns in Höhe von 20 % — gehört, wird lediglich sichergestellt, daß betriebswirtschaftlich entstandene Kosten im Jahr ihrer Entstehung als Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Sie dürfen nicht eingeschränkt oder ausgesetzt werden, wenn dieser für das gesamte Bilanzrecht maßgebliche Grundsatz nicht in einer solchen entscheidenden Frage durchbrochen werden soll.
Ich möchte mit allem Nachdruck noch einmal darauf hinweisen, daß die degressive Abschreibung keine Abschreibungserleichterung in diesem Sinne, sozusagen eine Art Geschenk, ist. Sie ist bei dem wachsenden Risiko schneller wirtschaftlicher Veralterung der Anlagegüter und als Folge des schnellen technischen und wirtschaftlichen Verschleißes heute eine durch den Verbrauch nicht nur gerechtfertigte, sondern notwendige Abschreibungsmethode. Deshalb darf eine Aussetzung der degressiven Abschreibungsmethode unseres Erachtens auch nicht als konjunkturpolitisches Mittel gebraucht werden. Dies ist im übrigen die einhellige Meinung der Gutachter und auch der Sachverständigen, die wir in dem zweitägigen Hearing anzuhören die Ehre hatten. Ich darf nur an das Gutachten des Professors Pagenkopf vom Institut Finanzen und Steuern verweisen.
Darüber hinaus ist festzustellen, daß die geltenden Bestimmungen über die degressive Abschreibungsmethode heute schon als nicht ausreichend angesehen werden können, um den tatsächlichen Wert-
*) Siehe Anlage 2
verzehr zu decken. Schließlich noch etwas: Jeder weiß, daß in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der ausländischen Steuersysteme die Bestimmungen über die Abschreibungsmethode vorteilhafter sind als in der Bundesrepublik. Für die kontinuierliche Entwicklung der industriellen Investitionen ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Unternehmen in Deutschland auch in Zukunft bei ihren Investitionsplanungen und -überlegungen davon ausgehen können, daß dieses Minimum an Abschreibungsvolumen nicht noch Einschränkungen unterworfen wird. Mit anderen Worten, auch bei konjunkturpolitischen Gesetzen sollte jede Unsicherheit vermieden werden, die darin besteht, daß man möglicherweise unter das Minimum der Abschreibungen geht, indem man hier die Degression zur Investitionsdämpfung aussetzt.
Nun wird immer wieder erklärt, so auch in dem Schriftlichen Bericht, daß die für den Fall einer Konjunkturabschwächung vorgesehene Förderungsmaßnahme, nämlich dieser gerade umstrittene Abzug von der Steuer in Höhe von 7,5 % der Investitionskosten natürlich ein „Schluck aus der Pulle" sein kann, dem für den Fall einer Konjunkturüberhitzung auch eine investitionserschwerende Maßnahme von Gewicht gegenüberstehen sollte oder gar müßte. — Diese Argumentation kann ich nicht akzeptieren, und zwar deshalb nicht, weil der einzelne Betrieb, das einzelne Unternehmen, von der Vergünstigung möglicherweise keinen Nutzen hat, weil er in der Phase der Konjunkturabschwächung nicht investieren kann. Hingegen kann er aber schwerwiegend getroffen werden, wenn er in der Phase, in der die Degression aus konjunkturpolitischen Gründen gerade ausgesetzt werden soll, investieren muß. Wir haben Beispiele dieser Art im Wirtschaftsausschuß gehört; Herr Professor Burgbacher hat sie genannt.
Mit anderen Worten: man kann meines Erachtens nicht das volkswirtschaftliche Volumen an Begünstigungen einerseits dem Volumen an Abschreibungsverschlechterungen andererseits gegenüberstellen, wenn man den einzelnen Betrieb, das einzelne betroffene Unternehmen, im Auge hat; und das muß man im Auge haben.
Nun ist im Wirtschaftsausschuß immer wieder erklärt worden, daß die Bundesregierung wegen der großen Tragweite einer Aussetzung der degressiven Abschreibung für die Wirtschaft nur in wirklich ganz schweren Boomsituationen von dieser Ermächtigung Gebrauch machen soll, das heißt in anderen Worten, daß nach Möglichkeit von einer Verschlechterung nicht Gebrauch gemacht werden soll. Wenn dem so ist, dann sollte man eine solche Ermächtigung nicht vorsehen.
Ganz anders wäre diese Investitionsbremse mittels Abschreibungserschwerung zu beurteilen, wenn der normale Abschreibungssatz höher läge als der heutige Satz. Ich erinnere daran, daß wir in der Bundesrepublik schon degressive Abschreibungssätze bis zu 28% hatten bei zehnjähriger Nutzungszeit. Bis zum Jahre 1960 hatten wir 25%, und heute haben wir einen Minimalsatz von 20 %.
Und noch ein entscheidender Gesichtspunkt: Wenn man überhaupt unter das Minimum an Abschreibun-



Dr. Staratzke
gen gehen will, d. h. die degressive Methode vorübergehend ganz oder teilweise aus konjunkturpolitischen Gründen aussetzen will, dann ist dies nach meiner Überzeugung überhaupt nur vertretbar, wenn man diese Aussetzung der Degression lediglich für ,den Zeitraum der Konjunkturüberhitzung vornimmt, also normalerweise für ein Jahr und nicht, wie es jetzt im Gesetz vorgesehen ist, für die Gesamtheit der Nutzungsjahre des Anlagegutes, im Durchschnitt also für acht bis zehn Jahre.
Ich möchte hier gleich dem Einwand begegnen, der ganz sicher kommen wird, daß nämlich der degressive und der lineare Abschreibungssatz nach vier bzw. fünf Jahren gleich sind. Das ist völlig richtig. Nur soll es sich hier um eine Konjunkturphase handeln, also um ein Jahr, maximal vielleicht um zwei Jahre, aber nicht um vier oder fünf Jahre. Ich meine also, daß die vorgesehene Verschlechterung sogar den Prinzipien zuwiderläuft, die dem Stabilisierungsgesetz innewohnen, nämlich kurzfristige konjunkturpolitische Einwirkungsmöglichkeiten zu schaffen.
Wir bitten deshalb im Interesse der Vermeidung weiterer Unsicherheit und zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbskraft der deutschen Wirtschaft, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)

Vielleicht darf ich, Herr Präsident, gleich den zweiten Antrag begründen; er hängt mit dem ersten Antrag zusammen und betrifft auch denselben Paragraphen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510821300
Bitte!

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0510821400
Hier wird ein Problem angeschnitten, meine Damen und Herren, das schon in dem Schriftlichen Bericht des Herrn Berichterstatters angesprochen worden ist. Eine Aussetzung von Sonderabschreibungenbestimmter Art soll nur in den Fällen vorgesehen werden — ich zitiere —, „in denen dies ohne Gefährdung der mit diesen Sonderabschreibungen verfolgten Ziele möglich ist". Was heißt das? Das heißt, daß es sich um Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen handelt — ich zitiere aus dem Änderungsantrag — „für Anlagen zur Verhinderung, Beseitigung oder Verringerung von Schädigungen durch Abwässer, der Verunreinigung der Luft, der Bekämpfung des Lärms sowie für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die ausschließlich der Forschung und der Entwicklung dienen." Gegen Verschlechterung der genannten Sonderabschreibungen spricht, daß sie die nationalen Produktivkräfte für die Zukunft stärken — Forschung, Entwicklung — oder der Erfüllung ganz wichtiger Gemeinschaftsaufgaben dienen wie der Reinhaltung von Luft und Wasser, der Bekämpfung des Lärms usw. Diese Investitionen sind für den Unternehmer regelmäßig unproduktiv. Durch sie erbringt er also bereits Opfer für die Gemeinschaft. Eine auch nur vorübergehende Aufhebung dieser volkswirtschaftlich notwendigen Sonderabschreibungen bzw. der erhöhten Absetzung würde deshalb nicht nur eine Härte bedeuten, sondern auch die Bereitschaft zu diesen wichtigen Investitionen nachteilig beeinflussen. Deshalb unser Änderungsantrag, die genannten Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen nicht aus konjunkturpolitischen Gründen zeitweise zu verschlechtern.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510821500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0510821600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, beide Anträge abzulehnen. Ich will versuchen, das ganz kurz zu begründen. Sie waren eben Zeuge einer sehr langen Debatte über die Verbesserung in der Abschreibungsmethodik, die wir im Ausschuß vorgenommen haben. Wir haben den Unternehmungen sozusagen einen ganz gehörigen Schluck aus der Pulle gegeben, falls das notwendig wird; lassen Sie mich das einmal in dieser trivialen Form sagen. Das haben wir selbstverständlich nicht getan, weil wir etwa darauf aus wären, den Unternehmen Geschenke zu erbringen, sondern der höheren Ziele wegen, im allgemeinen Interesse der Volkswirtschaft, der damit verbundenen Sicherung der Arbeitsplätze usw. Wer eine solche Vergünstigung notfalls bekommt, der muß es sich auch gefallen lassen, daß er einmal vorübergehend einen kleinen Dämpfer erhält. Um nichts weiter handelt es sich bei dem Übergang zur linearen Abschreibung. Ich habe schon die Ziffer genannt: es handelt sich höchstenfalls um einen Dämpfungseffekt von 1,2 Milliarden DM. Ich halte es für wichtig, daß das, gewissermaßen als Gegenleistung, hier im Gesetz steht.
Herr Kollege Staratzke, Sie haben selber darauf hingewiesen: Es ist eben doch von Bedeutung, daß sich die Kurven nach vier oder fünf Jahren schneiden, so daß dann eine zusätzliche Belastung nicht entsteht, im Gegenteil, im Grunde genommen sogar ein Vorteil. Ich will auf die grundsätzliche Frage der Abschreibungen nicht eingehen.
Nun zu dem zweiten Teil Ihres Antrags, den ich ebenfalls abzulehnen bitte. Ich darf darauf hinweisen, daß es in dem Bericht heißt, bei Wirtschaftsgütern, für die Sonderabschreibungen, erhöhte Absetzungen usw. in Anspruch genommen werden, sei wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen dieser Förderungsmaßnahmen der Ausschluß von der Begünstigung in das Ermessen der Bundesregierung gestellt worden. Der Ausschuß war der Auffassung, daß die Bundesregierung nach Möglichkeit, d. h. wenn es die Konjunkturlage nur irgendwie gestattet, die Sonderabschreibungen weitergewähren sollte. Ich halte es aber nicht für vertretbar, der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, in ernsten Zeiten auf diese Sonderabschreibungen zurückzugreifen und sie zeitweise auszusetzen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510821700
Das Wort wird weiter nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag Umdruck 2231 Ziffer 3.
*) Siehe Anlage 2



Vizepräsident Schoettle
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Den Antrag unter Ziffer 4 hat Herr Abgeordneter Staratzke ebenfalls bereits begründet. Wir stimmen ab. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe bitte! — Das letztere ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zu Ziffer 5 des Antrags Umdruck 223. Das Wort zur Begründung hat Frau Kollegin Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0510821800
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In einer Demokratie ist das älteste und wohl entscheidendste Recht das Budgetrecht. Es ist in ganz besonderem Maße Ausdruck und Kennzeichen der Gewaltenteilung, auf der die liberale Demokratie beruht. Und nun wollen Sie, meine Herren und Damen von der CDU und SPD, mit leichter Hand einen ganz beträchtlichen Teil dieses klassischen Rechtes unseres Parlaments preisgeben.
Nicht selten wird von repräsentativen Persönlichkeiten dieses Hauses in der Öffentlichkeit beklagt, daß das öffentliche Bewußtsein von der Bedeutung und der Aufgabe des Parlaments nicht sehr groß sei und daß dieses Haus nicht stark genug in dem Verständnis von der Repräsentanz des Volkswillens begründet sei. Wenn dieses Haus nun bereit ist, die Entscheidung über das Ob und Wie einer Steueränderung in einer Spannweite von zehn Milliarden DM der Regung zu übertragen, dann darf es sich nicht wundern, daß der Staatsbürger Macht und Gewalt dieses Staates allein bei der Regierung und nicht bei diesem Hause sucht. Ich bin in dieses Haus nicht deswegen eingetreten, um über die Befreiung des Zuckers zur Fütterung von Bienen von der Zuckersteuer zu beraten — so wichtig dieses Problem, das wir heute morgen im Finanzausschuß beraten haben, auch sein mag —, sondern ich hatte die Vorstellung, daß ich ein Stück Mitverantwortung an den Finanzen unseres Staates tragen sollte, und das bedeutet doch: entscheidend über das Verhältnis von Geldbedarf des Staates für die allgemeinen Aufgaben einerseits und Steuerbelastung der Bürger andererseits zu befinden.
Warum, meine Herren und Damen, sind Sie nun so leicht bereit, sich dieses entscheidende Budgetrecht schmälern zu lassen?
Ich habe vorhin schon die grundsätzliche Frage angesprochen, ob es richtig ist, über Steuergesetze und Steuermaßnahmen Wirtschaftspolitik zu treiben. Lieber über Staatsausgaben, die man jährlich neu beschließen kann, als über die Steuer! Aber warum sind Sie nun bereit, dieses Recht aus der Hand zu geben?
Aus den vielen Gesprächen, die wir geführt haben, und auch aus den Ausschußberatungen sind mir zwei Begründungen als wesentlich für Ihre Entscheidung erschienen. Das erste Argument — und da wird es schon bedenklich — war, daß die Regierung die Sorge hat, das Haus könnte eine Vorlage der Regierung, die ordnungsgemäß über drei Lesungen geht, zu sehr zerpflücken und ändern. Meine Herren und Damen, wenn wir diesem Mißtrauen nachgeben, wird es schon problematisch; denn dann wird sich dieses Haus zu einer Institution zur Ratifikation fertiger Gesetzesvorlagen der Regierung herabwürdigen. Dieses Haus hat die Verantwortung für die Gestaltung von bestimmten, notwendigen Maßnahmen, und die sollten wir nicht weggeben. Wir sollten uns die gute alte Übung von drei Lesungen, bei denen auch die Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, in den Zwischenstufen Kenntnis vom Stand der Beratungen zu nehmen und sich möglicherweise in die Gestaltung einzuschalten, nicht nehmen lassen. Denn das ist aus Erfahrung gewachsener guter parlamentarischer Brauch. Was Sie anscheinend wollen, ist, daß die Regierung Ihnen — um vielleicht Schwierigkeiten in ihrer eigenen Koalition oder in einer Fraktion zu überwinden und sie nicht zur Austragung kommen zu lassen — die Arbeit von sich aus abnimmt und dem Hause nur noch die Möglichkeit läßt, nachher ja oder nein zu sagen — wobei die Wahrscheinlichkeit, daß es ja sagen wird, auf der Hand liegt —, daß aber das Haus nicht mehr die Möglichkeit hat, Änderungen vorzunehmen. Hiergegen haben wir aus parlamentarischen, demokratischen und, wenn Sie wollen, liberalen Gründen ganz entscheidende Bedenken.
Meine Herren und Damen, wenn von Ihnen bei der Erörterung der Wahlrechtsfrage immer wieder gesagt wird, die Liberalität in Deutschland sei bei der CDU und der SPD inzwischen gut aufgehoben, so mögen Sie sich an dieser Stelle daran erinnern. Wir stellen die Frage, ob Sie nicht allzu bereit sind, gute, alte demokratische Grundsätze. aufs Spiel zu setzen.
Ein Zweites. Es wird hier gesagt, es sei so eilig, und eine Rechtsverordnung könne schneller erlassen werden, wenn das Haus allenfalls die Ratifikationsbefugnis habe. Nun, meine Herren und Damen, wann eilt es denn eigentlich? Wenn sich die wirtschaftliche Rezession oder die überschäumende Konjunktur im März vollzieht, müssen Sie ja allemal warten, bis das neue Jahr kommt, es sei denn, die Formulierung „ ... soll sich mit dem Kalenderjahr decken", wird nur als ein frommer Wunsch, nicht aber als Verpflichtung .der Regierung im rechtlichen Sinne angesehen. Eilen kann es doch nur, wenn der Konjunkturaufschwung oder die Rezession In die Adventszeit fällt, das neue Jahr also kurz bevorsteht. Nun, wir haben manchmal ein solches Gesetz schon im Januar verkündet. Da der Termin für die Abrechnung der Lohnsteuer erst Ende Januar ist, würden wir also auch das noch im normalen Gesetzgebungsgang hinbekommen können. Und daß gerade zu Weihnachten ein Boom oder eine Rezession eintritt, dürfte so selten vorkommen, daß das Haus deswegen seine Verfügungsgewalt bezüglich zehn Milliarden DM mehr oder weniger nicht aus der Hand zu geben braucht.
Nun wird manchmal als Argument für solche Ermächtigungen angeführt, man habe die Sorge, daß der Staatsbürger, wenn er durch die erste Lesung von derartigen bevorstehenden Maßnahmen Kennt-



Frau Funcke
nis bekomme, Manipulationen vornehmen werde. Meine Herren und Damen, wo will denn jemand noch manipulieren, der jeden Monatseine Lohntüte bekommt und für den dann die Höhe des Abzugs festliegt? Und auch der Einkommensteuerpflichtige kann nicht plötzlich manipulieren, wenn er erfährt, daß die Steuer im nächsten Jahr ein bißchen hinauf- oder hinuntergehen wird. Oder er tut bereits das, wozu ihn die Gesetzesänderung sowieso veranlassen will, nämlich mehr oder weniger zu investieren. Eine Gefahr der Manipulation ist also wirklich nicht gegeben, und daher besteht nach unserer Vorstellung keinerlei Notwendigkeit, eine so folgenschwere und für das Parlament letzten Endes herabwürdigende Entscheidung zu fällen.
Herr Kollege Schulze-Vorberg hat uns heute gesagt, man solle jedesmal, wenn man hier antritt, sehr genau die Beweggründe prüfen. Ich darf Ihnen jetzt zurufen: Prüfen Sie die Beweggründe, die für Ihre eigene Entscheidung und die Forderung der Regierung, solche Ermächtigungen zu bekommen, maßgebend sein könnten! Wir haben die Sorge, daß eine Regierung, die sich eine Ermächtigung über 10 Milliarden DM geben läßt, Appetit auf weitere Ermächtigungen bekommt. Und dann werden wir uns schwerlich auf Grundsätze berufen können, die Sie heute leichten Herzens aufgeben.
Was bedeutet denn nun dieser schnelle Griff .des Staates in die Lohntüte unserer Arbeitnehmer? Was bedeutet der schnelle Griff des Staates nach der Einkommensteuer? Er bedeutet doch mindestens eines: daß in unserem Volke die Möglichkeit einer vernünftigen Disposition nicht mehr gegeben ist. Der Lohnempfänger, der auf plötzliche und unvorbereitete höhere Steuern trifft, hat sich möglicherweise eben mit seinen Ratenzahlungen festgelegt und steht vor Schwierigkeiten. Und ähnlich geht es der Wirtschaft. In einer stabilen Wirtschaft ist es doch einfach notwendig, daß man mit den Kostenfaktoren — dazu gehört indirekt ja auch die Einkommensteuer — ,einigermaßen rechnen kann.

(Abg. Russe: Und wenn er weniger Steuern zahlen muß?)

— Nun, dann werden wir um so lieber in diesem Hause dies beschließen. Den Eindruck habe ich doch nun, Herr Kollege Russe.

(Abg. Russe: Aha, dann sind Sie also einverstanden!)

Ich meine eines: Die Entwicklung, die nach unseren Bemühungen und den Bemühungen der Regierung um eine Reaktivierung in der Wirtschaft in den
letzten Monaten eingetreten ist, sollte uns doch wohl
deutlich machen, daß eine Regierung allerhand Instrumente haben und sogar einsetzen kann — wir
haben die Abschreibungen erhöht, wir haben den
Investitionshaushalt — und daß trotzdem nichts
Wesentliches passiert. Denn zum Wirtschaften
gehört nun einmal fundamental das Vertrauen der
Wirtschaft in die Entwicklung und in die Stabilität
ihrer Kostendisposition. Nach diesem permanenten
Herumoperieren, auch nach den Ermächtigungswünschen hat nun allerdings die Wirtschaft allmählich
die Sorge, daß die Grundlage vernünftigen Wirtschaftens und damit die Grundlage langfristiger Disposition, durch Staatseingriffe zu leicht und zu schnell erschüttert werden könnte. Von daher kommt ein Teil des Attentismus, den wir doch heute spüren. Es ist doch nicht mehr die Zinshöhe, es sind doch nicht mehr die Kreditrestriktionen, es sind doch nicht mehr mangelnde Abschreibungsmöglichkeiten, meine Herren und Damen, die eine Gesundung der Wirtschaft verhindern, sondern es ist in der Tat eine Vertrauenskrise, die mitschwingt. Und solche Ermächtigungen an die Regierung erhöhen eben die Sorge vor unstabilen Verhältnissen.
Der Herr Wirtschaftsminister hat uns soeben gesagt, die Steuereinnahmen würden noch geringer sein, wenn nicht die neue Regierung inzwischen Maßnahmen ergriffen hätte. Meine Herren und Damen, man kann natürlich einen Erfolg dadurch herbeizaubern, daß man behauptet, ohne die eigenen Maßnahmen wäre es noch schlimmer geworden. Es fehlt nur der Beweis dafür. Im Gegenteil: im Finanzausschuß war heute jedenfalls zu hören, daß die Steuereingänge in den letzten Monaten immer weiter abgesunken und nicht gestiegen sind. Die Vorstellung, daß es noch schlimmer hätte kommen können, müßte zumindest erst bewiesen werden, um deutlich zu machen, mit welcher Begründung man sich hier einen Erfolg ausrechnet.

(Zustimmung bei der FDP.)

Nein, meine 'Herren und Damen, so einfach geht es nicht. Der Regierung Manipulationsmöglichkeiten zu geben, die die Wirtschaft nicht kalkulieren kann, 'ist ein schlechter Dienst an unseren gemeinsamen Bemühungen, die Rezession in der Wirtschaft zu überwinden.
Wir bitten deswegen, diese Paragraphen, die eine Ermächtigung an die Regierung zur Änderung der Steuersätze beinhalten, zu streichen.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510821900
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 5 des Umdrucks 223 *). Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit sind alle Anträge zu § 26 beschieden.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 26 selbst. Wer dem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Der § 26 ist gegen eine Anzahl Stimmen angenommen.
Wir kommen zu dem Antrag Umdruck 224 **) Ziffer 2, wonach ein neuer § 26 a eingefügt werden soll.

(Zuruf von der FDP: Ist gegenstandslos geworden!)

— Ist also erledigt.
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 4



Vizepräsident Schoettle
Ich rufe den § 27 auf. Dazu liegen Anträge auf Umdruck 223, Ziffern 6 und 7, und 224, Ziffer 3, vor. Ziffer 3 des Antrags Umdruck 224 scheint aber auch durch den Beschluß von vorhin gegenstandslos geworden zu sein.
Sollen die Ziffern 6 und 7 des Umdrucks 223 begründet werden?

(Zurufe: Sind erledigt!)

— Sind ebenfalls gegenstandslos. Alle Änderungsanträge sind also erledigt.
Wir stimmen ab über die §§ 27, — 28, — 29, — 30,
— 31, — 32, — 33, — Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen sind diese Paragraphen angenommen.
Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung. Ich eröffne die
dritte Beratung.
In der allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht begehrt.

(Zuruf: Doch!)

Ich sehe, daß hier ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung vorliegt. Der Antrag ist noch nicht verteilt, ich muß ihn deshalb vorlesen.

(Zurufe von der FDP: Ist zurückgezogen! Ist gegenstandslos!)

— Der Antrag ist zurückgezogen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache in dritter Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Abgeordneter Dr. Staratzke.

(Dr. Staratzke: Zu einer Erklärung!)

— Bitte!

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0510822000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten hat sich, wie Sie wissen, bereits in der Regierung Erhard/Mende immer wieder für die Schaffung eines Instrumentariums zur Konjunkturpolitik ausgesprochen. Wir haben es bedauert, daß die Beratungen über dieses Gesetz während der neuen Regierung stark verzögert worden sind. Es wäre besser gewesen, wenn wir ein solches Gesetz schon zu Beginn der konjunkturellen Abschwächung gehabt hätten. Offenbar haben koalitionspolitische Gründe und Schwierigkeiten eine Rolle gespielt.
Wir haben eine Reihe von Bedenken, insbesondere gegen die nachträglich eingebrachten Anträge, die sehr stark auf denjenigen der früheren Opposition basieren. Während der Beratung haben wir im Wirtschaftsausschuß diese Bedenken angemeldet. Ein Teil unserer Bedenken wurde uns abgenommen und ausgeräumt. Trotzdem sind eine ganze Anzahl übriggeblieben. Sie erschienen uns so gravierend, daß wir hierzu die Änderungsanträge in der zweiten Lesung gestellt haben.
Wir sind vor allem der Meinung, das möchte ich in aller Offenheit sagen, daß dieses Gesetz stark kopflastig in Richtung auf die Privatwirtschaft geworden ist und sich von dem ursprünglichen Ziel, vor allem die öffentlichen Hände in den Griff zu bekommen, entfernt hat.
Wir sind auch der Meinung, daß eine ganze Reihe von Maßnahmen, die jetzt in dem Gesetz verankert sind, entweder nicht hineingehören oder überflüssig sind. Ich denke dabei insbesondere auch an die Formulierung der außenwirtschaftlichen Absicherung in § 4 — eine überflüssige Formulierung, weil es selbstverständlich, ja sogar Pflicht der Bundesregierung ist, eine mögliche importierte Inflation mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Wir glauben, daß jede Aufnahme solcher Selbstverständlichkeiten in das Stabilitätsgesetz ungünstige psychologische Auswirkungen in der Wirtschaft zum mindesten haben kann, d. h. daß damit Unsicherheiten geschaffen werden. Denn gerade die heutige Zeit zeigt doch: was wir in der ganzen Frage der Konjunkturbelebung als Zentralpunkt herausstellen müssen, ist die Wiederherstellung des Vertrauens aller Bürger unseres Volkes in die Wirtschaft, in den Arbeitsplatz und in die Stabilität der Mark. Jede irgendwie provozierte Unsicherheit muß nach unserer Meinung vermieden werden; denn — ich glaube, es wurde schon einmal angedeutet — der Organismus der Wirtschaft ist eben kein Automat, sondern ist eine sehr lebendige Angelegenheit, bei der eine Unzahl von psychologischen Faktoren in Rechnung gestellt werden muß.
Wir haben auch sehr oft die Frage gestellt, inwieweit einzelne Maßnahmen nicht mehr reine Steuerungsmaßnahmen sind, sondern schon zum Dirigismus geworden sind, und wir haben die Maßnahmen insbesondere gegenüber der privaten Wirtschaft immer wieder unter dem Blickwinkel betrachtet, ob sie nicht eher Unsicherheit erzeugen und das so dringend notwendige Vertrauen möglicherweise negativ beeinflussen können. Variierung der Steuersätze, Verschlechterung der Abschreibung unter das Minimum betriebswirtschaftlicher Notwendigkeiten — wir haben es eben gehört — sind nicht dazu geeignet, Sicherheit, Vertrauen und Beständigkeit in der Wirtschaft zu erzeugen.
Wenn wir nunmehr diesem Gesetz als Ganzem trotzdem zustimmen, so einfach aus der ursprünglichen Überlegung heraus, daß es dringend notwendig ist, ein Instrumentarium zu schaffen, insbesondere um die öffentlichen Hände konjunkturpolitisch in den Griff zu bekommen und sie zu antizyklischem Verhalten zu veranlassen. Wir hoffen, meine Damen und Herren, daß in manchen Dingen die Einsicht und die Praxis dazu führen werden, geeignete Novellierungen zu schaffen. Wir werden trotz Bedenken auf den speziellen Gebieten, die wir angeschnitten haben, und in den Details dem Gesetz zustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510822100
Ich darf mitteilen, daß der Abgeordnete Ravens eine Erklärung *), die
*) Siehe Anlage 7



Vizepräsident Schoettle
er für die sozialdemokratische Fraktion abgeben sollte, zu Protokoll gegeben hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ist eine ähnliche Erklärung von der Fraktion der CDU zu erwarten?

(Abg. Luda: Noch nicht einmal das, nicht einmal schriftlich!)

— Von der Fraktion der CDU kommt also keine Erklärung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind einverstanden!)

Dann gebe ich das Wort dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510822200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem zum Schluß auch die Fraktion der FDP erklärt hat, daß sie diesem Gesetz im ganzen zustimmen wird, bedarf es, glaube ich, von mir nur einer kurzen Begründung der Bedeutung dieses Gesetzes. Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß außer den beiden Haushaltsbeschlüssen von Ende 1966 und Anfang 1967 kein anderes Gesetz so sehr mit der Veränderung der politischen Landschaft dieser Bundesrepublik Deutschland verquickt war wie dieses Gesetz. Es wurde am 14. September zur ersten Lesung eingebracht, und von einem Abgeordneten wurde damals gesagt, dieses Gesetz werde sich eine neue Regierung suchen. Am zweiten Tag der ersten Lesung trat ein Bundesminister zurück, und es begann der Prozeß, der zum 1. Dezember führte, ein Prozeß, den unsere Kollegen von der FDP als etwas weit von ihnen abliegend bezeichnen und auffassen, ein Prozeß, der sozusagen durch höhere Gewalt eingetreten sei.
Wir haben heute einen Gesetzentwurf vor uns, der einen echten Kompromiß darstellt zwischen den alten Entwürfen der alten Bundesregierung, den Entwürfen der damals in der Opposition befindlichen sozialdemokratischen Fraktion und Anträgen im Ausschuß von allen Seiten des Hauses. Ich kann nur sagen: dieses Gesetz im Ganzen ist jetzt nicht mehr ein Tisch, der auf zwei Beinen ruht, sondern es ist ein Tisch, der voll auf vier Beinen steht. Damals fehlten die konzertierte Aktion und die außenwirtschaftliche Absicherung. Das alles ist jetzt darin.
Es ist auch etwas neu hineingekommen, auf das ich besonders unsere Kollegen von der FDP hinweisen muß. Der § 1, der auch von Ihnen behandelt worden ist, hat durch die sozialdemokratische Fraktion die Einfügung bekommen, daß alle Maßnahmen „im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung" zu treffen sind. Ich erinnere mich an einen sehr lebhaften Parteitag bei Ihnen, und ich möchte im Hinblick darauf sagen: die Jungdemokraten würden Frau Funcke und Herrn Opitz fragen: „Wo war da die FDP?" Denn Sie haben damals an dem Entwurf mitgewirkt und haben den Hinweis auf die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gebracht.

(Zuruf des Abg. Mertes.) — Es ist immer besser, man sagt es.

Hier wurde schlankweg gesagt: „Da ist Dirigismus darin." Meine Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, wir sind uns jetzt alle einig: die größte dirigistische Bombe, die in dem Ding darin war, die ist jetzt heraus. Das war die Kreditplafondierung. Und an dem Entwurf, der diesen Dirigismus enthielt, waren Sie noch beteiligt. Der Begriff wurde erst durch uns und andere gemeinsam in dieser Koalition herausgebracht. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, daß die Leute, die an diesem jetzt vor uns liegenden Entwurf gemeinsam gearbeitet haben, alles andere als Dirigisten sind.
Von Herrn Opitz wurde gesagt, ich sei ein Dirigist. Er ist nicht mehr da, sonst würde ich ihm sagen, er solle mir einmal eine dirigistische Maßnahme nennen, die bisher in der Praxis von dem Bundeswirtschaftsminister, der hier steht, getroffen worden sei.

(Zuruf von der FDP.)

Die Gesamtrechnung, die von Ihnen so angeprangert wurde, ist für uns weiter nichts als Hilfsmittel und Orientierungshilfe. Der § 2 hat seinen guten Sinn. Zahlen, Ziffern sind nicht verboten, auch nicht in der Marktwirtschaft. Im übrigen hat diese Gesamtrechnung, die in § 2 der Regierung abverlangt wird, doch auch zweierlei Bedeutung. Einmal ist es eine Forderung, die eine Fraktion aufgestellt hat, als sie in der Opposition war. Sie sollten allesamt auch anerkennen, daß man seine Forderungen, die man aus der Opposition heraus stellt, nicht vermißt, wenn man selber in der Regierung sitzt, auch wenn sie für die Regierung unbequem sind. So haben wir diese Forderung auch jetzt wieder erhoben und in das Gesetz gebracht. Denn dieser § 2 begründet eine Pflicht, in die die Regierung genommen wird.
Zweitens ist die Gesamtrechnung als ein Orientierungstableau etwas Heilsames für die Politik und für uns alle. Wer einmal die Gesamtrechnung durchgegangen ist und ein paar Aktionen und Unterhaltungen harter Art über ein solches Tableau der Gesamtrechnung mitgemacht hat, der kann sagen: Wer einmal von d e m Baum der Erkenntnis aß, hat die Unschuld reiner Interessentenlogik für eine lange Zeit verloren. Das ist nämlich der Sinn der Gesamtrechnung.
Ich freue mich, daß auch nun bei der Fraktion, die hier die Opposition darstellt, der § 3 mit den Orientierungsdaten und der konzertierten Aktion akzeptiert wird. Wir wollen damit nicht soziale Konflikte übertünchen. Wir wollen durch Information, gegenseitige Information der Partner — der Unternehmerverbände, der Gewerkschaften, der Sachverständigen und der Regierung — die Konfliktfelder einengen und damit die Lösung der Konflikte, die draußen in der autonomen Welt der Gesellschaft stattfinden, erleichtern.
Im übrigen haben wir von beiden Seiten die Zustimmung bekommen, dieses fortzusetzen, was wir bisher ja im Vorgriff auf das Gesetz schon getan haben. Darüber sind wir sehr froh.



Bundesminister Dr. Schiller
Es wurde hier auch in der Zwischendiskussion des Herrn Kollegen Schmidt über das Thema Fiskalpolitik gesprochen. Das kann ich völlig ausklammern. Ich kann nur folgendes sagen, um den neuesten Stand unserer antizyklischen Ausgabenpolitik hier wiederzugeben. Die Auftragsvergabe aus dem Eventualhaushalt ist bis zum 9. Mai auf über 1 Milliarde 50 Millionen DM gestiegen. Nach Mitteilung der beteiligten Ausgaberessorts werden die Termine — 31. Mai für die normalen Sachausgaben des Eventualhaushaltes, 15. Juni für die Hochbauausgaben — eingehalten, weil alle wesentlichen Ausschreibungen erfolgt sind und die Angebote jetzt geprüft werden. Das nur zur aktuellen Lage. Es geht nun sehr schnell in dieser Beziehung nach oben, und die magischen Termine — 31. Mai und 15. Juni — wirken beschleunigend auf alle.
Dieses Gesetz ist mehr als eine Sammlung von neuen Instrumenten in einem Instrumentenkasten, der bisher weniger Instrumente hatte. Meiner Ansicht nach ist dieses Gesetz — das habe ich schon als Chance am 14. September vorigen Jahres gesagt — ein Gesetz, das es uns ermöglicht, in die zweite Phase der marktwirtschaftlichen Ordnung einzutreten und in der zweiten Phase die Marktwirtschaft zu erhalten, ja, lebendiger zu gestalten. Um es ganz deutlich zu sagen: Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß das Zeitalter des Wirtschaftens aus dem Vollen in der öffentlichen und in der privaten Wirtschaft vorbei ist. Das Zeitalter der Rechner hat begonnen. Dieses Gesetz ist ein Gesetz, das die Rechner animiert und die Rechner in die Verpflichtung nimmt — auch die Rechner bei der Wirtschaftspolitik. Das scheint mir eine gute Sache zu sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510822300
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister? — Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0510822400
Herr Bundesminister, trotz der vorgerückten Stunde darf ich Sie fragen: Sie sprachen von der zweiten Phase der marktwirtschaftlichen Ordnung. Wie unterscheidet sich diese zweite Phase der marktwirtschaftlichen Ordnung von einer ersten Phase der marktwirtschaftlichen Ordnung?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0510822500
Darf ich das, Herr Mertes, um die Sache abzukürzen, im Rest meiner Ausführungen miterledigen. Sollten Sie nicht zufrieden sein, bin ich selbstverständlich bereit, dann Zwischenantworten zu geben.
Es ist heute schon gesagt worden, daß dieser Gesetzentwurf zu einem Zeitpunkt eingebracht wurde, als die konjunkturelle Situation nicht mehr dem Akzent entsprach, mit dem der Entwurf in der Öffentlichkeit verkauft wurde. Er wurde in der Öffentlichkeit, durch wen auch immer, als ein Gesetz zur Dämpfung verkauft. In Wirklichkeit befanden wir uns schon in der Talfahrt.
Wir haben jetzt die Zahl für die öffentlichen Investitionsausgaben des Jahres 1966. Die inlandswirksamen Investitionsausgaben haben im ganzen Jahr 1966 um 1,2% abgenommen. Das heißt, wir sind im Jahre 1966 schon ganz schön auf der Drift nach unten gewesen. Es ist gut, daß dieses Gesetz nun konjunkturpolitisch symmetrisch geworden ist. nicht mehr, wie es damals draußen in der Öffentlichkeit verkauft wurde, zur Kontrolle der öffentlichen Hand oder zur Restriktion, sondern zur Steuerung gegen einen Boom und auch zur Gegensteuerung bei drohenden rezessiven Tendenzen.
Von diesem Gesetz ist gesagt worden, es überschütte die Wirtschaft mit neuen Variablen. Die Frage der Sicherheit, des Vertrauens und der Einstellung auf einen Trend vurde hier von Sprechern mehrerer Fraktionen mit Recht betont. Ich bin, wie ich glaube, mit den Autoren des Gesetzes — es sind ja viele Autoren — der Meinung: Wenn das Gesetz richtig angewandt wird, wird der Wirtschaftsprozeß stetiger werden; es wird keine Wiederholung der Preis-Lohn-Preis-Spirale geben; es wird keine Wiederholung der deutschen Ausgabe der „go-and-stop-policy" geben; es wird eine stetige Entwicklung geben. Nach meiner Ansicht wird durch diese stetige Entwicklung dem Unternehmer die Möglichkeit verschafft, sich in dieser Welt besser zurechtzufinden und sich in seiner Aktivität an den Variablen zu orientieren, die seiner eigenen Entscheidung unterstehen. Das sind der technische Fortschritt, die Kostenersparnisse, die Makterweiterung und das Wachstum des Unternehmens. Ich bin der Meinung, daß dieses Gesetz gerade dem Unternehmer die Möglichkeit gibt, es als ein Gesetz des sozialen und ökonomischen Gleichgewicht, des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts und auch der Interdependenz privater und öffentlicher Wirtschaft aufzufassen.
Schauen Sie in den § 9! Da steht zum erstenmal in einem deutschen Gesetz etwas von mittelfristiger Finanzplanung und gegenseitiger Wechselbeziehung von gesamtwirtschaftlichem Leistungsvermögen und öffentlichen Ausgaben und Einnahmen.
Mit einem solchen Gesetz — das möchte ich nach der anderen Seite sagen, meine Damen und Herren — wird die Wirtschaftspolitik nicht in eine bloße Operation mit Rechenautomaten verwandelt. Natürlich gibt es auf Grund dieses Gesetzes keinen Rechenautomaten, aus dem irgendwann, wenn wir oben etwas hineinstecken, unten der richtige Lohn herauskommt. Das wird mit dem Gesetz nicht verlangt und ist auch nicht möglich. Aber mit diesem Gesetz wird eine Wirtschafts- und Finanzpolitik möglich gemacht, die sich rechnerischer Methoden in den Grenzen, die diese Methoden haben, bedient. Es wird eine Politik möglich gemacht, die transparent ist, die sich in quantitativen Tableaus dokumentiert und die straff formuliert ist. Ich möchte sagen: Dieses Gesetz verlangt eine Wirtschafts- und Finanzpolitik im Klartext, in einem Klartext, der jederzeit Soll und Haben unserer gesamten Wirtschaft sichtbar macht.
Und nun sage ich es ganz deutlich: Ich sehe dieses Gesetz als ein Gesetz an, das den Übergang von einer konventionellen Marktwirtschaft zu einer aufgeklärten Marktwirtschaft schafft. Wenn ich einige Damen und Herren von der FDP höre, würde ich sagen: den Übergang von der paläoliberalen Marktwirtschaft zur aufgeklärten Marktwirtschaft. Das ist



Bundesminister Dr. Schiller
der Sinn. Es wird hier nicht eine Politik der prästabilierten Harmonie begründet, sondern eine Politik der rationalen Einsehbarkeit und der rationalen Zusammenarbeit mündiger Menschen. Für die rationale Zusammenarbeit haben wir schon in der Vergangenheit Beweise gehabt, nämlich bei der Entstehung dieses Gesetzes.
Es bleibt mir nur die Aufgabe, jetzt allen Abgeordneten zu danken, die im Sinne rationaler Zusammenarbeit mündiger Menschen dieses, Gesetz in diese Form gebracht haben. Ich danke im Namen der Bundesregierung und bitte Sie, in dritter Lesung das Gesetz in dieser Form anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510822600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menne.

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0510822700
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nach der Verabschiedung des Gesetzes noch ein paar Worte an Sie richten. Da es mir aber so aussieht, daß wir es verabschieden werden, will ich es dann schon jetzt tun, da ich ja aufgerufen worden bin.
Dieses Ermächtigunggesetz, das zu verabschieden wir im Begriffe sind, gibt der Bundesregierung große Rechte. Aber dieses Hohe Haus hat nicht den Fehler gemacht, der vor einem Vierteljahrhundert begangen wurde. Es hat sich nämlich die Kontrolle in allen Punkten, die wichtig sind, vorbehalten. Es hat auch Bedingungen für die Anwendung gestellt, die im übrigen von unserem verehrten Wirtschaftsminister selbst vorgeschlagen worden sind, und diese Bedingungen können uns mit diesem Gesetz weitgehend versöhnen. Unser Wirtschaftsminister hat selbst gesagt: Wir wollen das Gesetz nur anwenden, wenn uns der Zustand der Wirtschaft — sei es eine Rezession oder ein Boom — dazu zwingt.
Allerdings ist es natürlich schwierig, diesen Zeitpunkt zu erkennen. Herr Wirtschaftsminister, Sie sprachen vom Baum der Erkenntnis. Ich muß sagen, da habe ich doch einige Bedenken, denn als Adam und Eva im Paradies waren und vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, wurden sie rausgeschmissen.

(Heiterkeit.)

Da muß man also sehr vorsichtig sein. Ich hoffe, daß uns das nicht passiert, wenn Sie vom Baum der Erkenntnis essen.

(Heiterkeit. — Bundesminister für Wirtschaft Dr. Schiller: Aber Sie haben noch nicht vom Baum der Erkenntnis gegessen!)

Wenig, wenig, Herr Minister! Ich bin sehr vorsichtig mit unbekannten Früchten.

(Heiterkeit.)

Nun möchte ich nur noch sagen: die Ermächtigungen und die Rechte, die wir den beiden Ministern, dem Bundeswirtschaftsminister und dem Bundesfinanzminister, in einigen Minuten geben werden, sind sehr erheblich, und ich hoffe wirklich, daß sie nur dann gebraucht werden, wenn es sein muß.
Ich hoffe ein wenig — Herr Minister Schiller, Sie werden mir hoffentlich verzeihen —, daß sie weitgehend Schubladengesetze sind. Ich hoffe allerdings umgekehrt, daß Sie sie anwenden, wenn Sie die Erkenntnis bekommen haben, daß es notwendig ist.
Nun möchte ich aber noch einen Dank aussprechen. Der Berichterstatter, Herr Elbrächter, hat zwar schon einer Reihe von Freunden gedankt, die uns bei diesem Gesetz geholfen haben. Ich möchte gern im besonderen auch den Herren danken, die zuerst daran gedacht haben; das ist Bundeskanzler Erhard, das ist Herr Schmücker, und das ist Herr Dahlgrün. Ich möchte dem Herrn Professor Schiller und dem Herrn Minister Strauß sehr dafür danken, daß sie sich um diese Dinge so intensiv gekümmert haben. Ganz besonders die Herren Ihres Hauses, die Herren Staatssekretäre, Ministerialdirektoren, Dirigenten und Räte haben uns wirklich viel Zeit dafür zur Verfügung gestellt.
Nun möchte ich aber auch den Damen und Herren dieses Hohen Hauses danken, vor allen Dingen den Ausschüssen, die sich gutachtlich damit beschäftigt haben und die uns im Wirtschaftsausschuß die Möglichkeit gegeben haben, die Dinge auch aus einer anderen Sicht zu sehen. Ich denke dabei an den Finanzausschuß — leider ist sein Vorsitzender nicht mehr hier —, ich denke an die Ausschüsse für Arbeit, Soziales und den Haushaltsausschuß und vor allen Dingen auch an den Rechtsausschuß, der ein schwieriges Amt im Zusammenhang mit der Grundgesetzänderung hatte. Besonders möchte ich den Herren Obmännern des Wirtschaftsausschusses danken, und zwar den Herren Brand, Kurlbaum, Ravens und Mertes sowie allen anderen Mitgliedern.
All diesen möchte ich danken, aber auch den Verbänden und den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, die uns beraten haben. Diese Beratung war sehr wichtig. Wenn ich mich an das „public Kearing" in Berlin erinnere, kann ich nur sagen, daß sich die dort zum Hearing Eingeladenen wirklich sehr bemüht haben.
Aber ich möchte zum Schluß noch eine Bitte an den Herrn Wirtschaftsminister richten. Ich wollte Sie bitten, Herr Minister, die Autonomie der Bundesbank bei all dem, was jetzt kommt, doch voll zu beachten. Denn wir, das Hohe Haus, haben die Bundesbank damit beauftragt, die Währung zu schützen, was sie bisher mit Erfolg getan hat. Sie ist nicht verantwortlich für die 'Stabilität des Geldwerts im Inland, sondern sie ist verantwortlich für die Stabilität der Währung. Da liegt, glaube ich, ein kleiner Unterschied. Das Geschäft für das Inland hat der Herr Minister übernommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510822800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0510822900
Bitte schön!

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510823000
Bitte, Frau Abgeordnete Schwarzhaupt.




Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0510823100
Herr Kollege Menne, sollten Sie nicht zu den vielen Dankesworten, die Sie mit Recht ausgesprochen haben, auch noch ein Wort für die Regierungsdirektorin der Bundestagsverwaltung,

(Abg. Dr. h. c. Menne: Steht auf meinem Zettel!)

die Ihnen sehr geholfen hat, finden?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0510823200
Ohne sie wäre ich gar nicht in der Lage gewesen, das Amt auszuüben; denn ich habe nicht die langjährige Vorbildung des Herrn Dr. Schmidt aus Wuppertal. Ich bin Frau Regierungsdirektorin Vogt und ihren 'Mitarbeitern ganz besonders dankbar.

(Beifall.)

Ich hätte ohne sie das alles nicht erledigen können. — Gnädige Frau, das war aber vorgesehen.
Nun möchte ich noch meine Bitte an den Herrn Minister richten. Meine Bitte an Sie, Herr Minister, ist, daß, wenn einmal der Tag kommt — der hoffentlich nicht so früh kommt —, daß wir einen neuen Bundesbankpräsidenten bekommen, dieser Mann ,ein völlig freier Mann sein muß. Darum möchte ich bitten, daß man ihn nicht in irgendwelche besonderen Überlegungen einschaltet. Ich sage nicht, daß Sie das vorhaben. Ich bitte nur darum.
Meine Damen und Herren, die Zeit ist sehr weit fortgeschritten.

(Beifall.)

Ich hoffe, daß ich recht habe, daß Sie das Gesetz verabschieden werden; denn sonst hätte ich etwas Falsches gesagt.

(Beifall.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510823300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, so lautet der Titel jetzt. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung ist das Gesetz mit großer Mehrheit angenommen worden.
Wir haben noch abzustimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 226 *). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Professor Burgbacher.

Dr. Fritz Burgbacher (CDU):
Rede ID: ID0510823400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das soeben verabschiedete Gesetz enthält eine Bestimmung über die sogenannte Investitionsprämie, die erst ab 1. Januar 1969 in Frage kommt. Das schon beschlossene Mehrwertsteuergesetz enthält eine Bestimmung über Investitionssteuern für die Jahre 1968, 1969, 1970 und 1971. Zwischen diesen beiden Bestimmungen besteht eine gewisse Unebenheit. Der Sinn der Ihnen vorliegenden kurzen Resolution liegt in der Bitte an die Bundesregierung, an den Herrn Bundeswirtschaftsminister und den Herrn Bundesfinanzminister, sich vor Anwendung dieser nicht ganz übereinstimmenden Bestimmungen eine konzertierte Aktion über diese beiden Vorschriften zu überlegen. Deshalb bitte ich um Annahme dieses Antrages.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0510823500
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir haben noch abzustimmen über den zweiten Teil des Ausschußantrages, nämlich über den Entschließungsantrag auf der ersten Seite der Drucksache V/1678. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende dieser Beratung.
Ich darf noch einer Bitte der Kollegin Renger entsprechen und mitteilen, daß die Veranstaltung der Parlamentarischen Gesellschaft um 21.15 Uhr beginnt. Das wärs jetzt. Die Ereignisse sind dieser Bekanntgabe etwas vorausgeeilt.
Damit sind wir auch am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, 11. Mai, 14.30 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.