Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, in dieser ersten Sitzung .des neuen Jahres, die auch die erste ist, in der ich die Ehre habe, in diesem Hohen Hause . zu präsidieren,
möchte ich Ihnen allen meine herzlichen Glückwünsche für Ihr persönliches Wohlergehen und für Erfolg in Ihrer Arbeit aussprechen. Uns allen möchte ich wünschen, daß es uns gelingen möge, mit ver- einten Kräften der Schwierigkeiten Herr zu werden, mit denen wir in dieses Jahr hineingegangen sind.Ich komme zu den amtlichen Mitteilungen.Der Abgeordnete Dr. Hein hat mit Wirkung vom 22. Dezember 1966 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger ist der Abgeordnete Feuring am 2. Januar 1967 in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit.
Es liegt Ihnen eine Liste auf Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, an die zuständigen Ausschüsse gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor:1. Vorlage des BundeskanzlersBetr.: Übereinkommen 123, 124 sowie Empfehlungen 123, 124, 125 der 49. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz vom 2. bis 23. Juni 1965 in Genf— Drucksache V/1253 —zuständig: Ausschuß für Arbeit , Ausschuß für Familien- und Jugendfragen2. Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die Auswirkungen des EntwicklungshilfeSteuergesetzesBezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom il. Dezember 1963— Drucksache V/1257 —zuständig: Finanzausschuß , Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Ausschuß für Entwicklungshilfe, Haushaltsausschuß3. Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Automation der Steuerverwaltungen der Bundesländer Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. Oktober 1966— Drucksache V/1264 —zuständig: Finanzausschuß , Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen, Innenausschuß, Haushaltsausschuß4. Vorlage des BundeskanzlersBetr.: Geschäftsbericht der Bundesversicherungsanstalt für das Rechnungsjahr 1965Bezug: § 2 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über die Errichtungder Bundesversicherungsanstalt tür Angestellte— Drucksache V/1275 —zuständig: Ausschuß für Sozialpolitik.Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Das ist nicht ,der Fall; dann ist so beschlossen.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am5. Dezember 1966 gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Zusammenstellung der über-und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im dritten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1966, die den Betrag von 10 000 DM übersteigen, — Drucksache V/1199 — übersandt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird diese Vorlage dem Haushaltsausschuß überwiesen. — Das Haus ist damit einverstanden.In dieser Weihnachtspause haben einige Kollegen bemerkenswerte Geburtstage feiern können. Der Herr Abgeordnete Sänger ist 65 Jahre alt geworden,
Herr Abgeordneter Brese noch fünf Jahre älter, nämlich 70 Jahre,
dann der Senior des Hauses, der Herr Abgeordnete Dr. Adenauer 91 Jahre,
der Herr Abgeordnete Dr. h. c. Güde 65 Jahre,
der Herr Abgeordnete Klein 65 Jahre,
der Herr Abgeordnete Müller 70 Jahre
und am heutigen Tage der Herr Abgeordnete Jacobi 60 Jahre.
Ich spreche den Herren die Glückwünsche des Hauses aus.
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3906 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Vizepräsident Dr. MommerFolgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. Dezember 1966 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Zweites Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das BranntweinmonopolGesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 70/66/EWG
Neuntes Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
Gesetz zu der Vereinbarung vom 20. Juli 1965 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Belgien über die Durchführung der Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der • WanderarbeitnehmerGesetz zu dem Abkommen vom 18. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei der GewerbesteuerGesetz zu dem Abkommen vom 22. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei einigen anderen SteuernGesetz zu dem Abkommen vom 13. Juli 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik zur Vermeidung. der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom VermögenFünftes Gesetz zur Änderung des MühlengesetzesGesetz über betriebs- und marktwirtschaftliche Meldungen in der LandwirtschaftZweites Gesetz zur Änderung des SaatgutgesetzesSiebentes Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes
Bundesgesetz zur Einführung des Bundesgesetzes zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger im Saarland (BRüG - Saar)Siebzehntes Gesetz zur Änderung des UmsatzsteuergesetzesDrittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts
Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1966
Erstes Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung
Zweites Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung .Zu den nachfolgenden Gesetzen hat der Bundesrat ferner Entschließungen gefaßt, die als Anlage 2-6 diesem Protokoll beigefügt sind:Siebzehntes Gesetz zur Änderung des UmsatzsteuergesetzesDrittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts
Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1966
Erstes Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung
Zweites Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung .Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat am 19. Dezember 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Vorlage internationaler Abkommen zur Ratifikation - Drucksache V/1105 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1247 verteilt.Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat am 16. Dezember 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorwürfe gegen Staatssekretär Prof. Dr. Friedrich Karl Vialon — Drucksache V/1140 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1248 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 19. Dezember 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ertl, Dr. Achenbach, Opitz, Reichmann, Schmidt , Dr. Haas, Geldner und Genossen betr. Sicherung der Wettbewerbsgleichheit im internationalen Kapitalverkehr hier: Ausländische Direktinvestitionen in der Bundesrepublik - Drucksache V/1100 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1249 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 19. Dezember 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Verbesserung der Fluggast-Versicherung — Drucksache V/1193 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V11250 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 21. Dezember 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wettbewerbslage der Freien Tankstellen" - Drucksache V/1141 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1251 verteilt.Der Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 3. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauknecht, Bauer . Bewerunge, Dr. Reinhold, Stooß und Genossen betr. Agrarangebote der EWG in der Kennedy-Runde - Drucksache V/1236 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1258 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 5. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Klepsch, Dr. Wuermeling, Hanz , Josten, Dr. Kliesing (Honnef), Holkenbrink und Genossen betr. Rheinschiffahrt bei Hochwasser und dadurch verursachte Uferschäden - Drucksache V/1241 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1266 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung hat am 12. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. ehemalige Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr in der Verwaltung — Drucksache V/1228 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1289 verteilt.Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 12. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fortbildung im öffentlichen Dienst - Besuch von Verwaltungs-und Wirtschaftsakademien - Drucksache V/983 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1293 verteilt.Der Präsident des Bundestages hat unter dem 10. Januar 1967 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die nachstehenden, von der Bundesregierung als dringlich bezeichneten Zollvorlagen dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen:Zweiundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1271 —Dreiundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1272 —
Achtundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1276 —Fünfundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
— Drucksache V/1278 —
— Drucksache V/1291 —.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Achtundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -— Drucksache V/1256 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. April 1967;Neunundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1260 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. April 1967;Vierundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1261 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. April 1967;Achtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966
- Drucksache V/1262 -an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. April 1967.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überweisen:Entscheidung des Rats betreffend die von den Mitgliedstaaten im innergemeinschaftlichen Warenverkehr geforderten Formalitäten- Drucksache V11255 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 9. März 1967;Verordnung des Rats betr. Verlängerung der in Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17/64/EWG über den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft festgesetzten Frist— Drucksache V/1259 -
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3907
Vizepräsident Dr. Mommeran den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 17. Februar 1967;Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden— Drucksache V/1263 —an den Innenausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 25. Januar 1967;Vorschläge der Kommission der EWG fürvom Rat zu erlassende Vorschriften über die Beteiligung der Gemeinschaft zugunsten von Personen, die durch die Überschwemmung in bestimmten Regionen Italiens im Herbst 1966 geschädigt wurdeneine Finanz-Verordnung des Rates über die Beihilfe für die von den Überschwemmungen in bestimmten Regionen Italiens im Herbst 1966 betroffenen Personenan den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Vorschläge erhoben werden;Verordnung Nr. 215/66/EWG des Rates vom 14. Dezember 1966 über die Regelung für Milch-Mischfuttermittel und für Milchpulver für FutterzweckeVerordnung Nr. 216/66/EWG des Rates vom 14. Dezember 1966 über die Regelung für verschiedene Arten von Mischfuttermitteln aus Getreide und ReisVerordnung Nr. 217/66/EWG des Rates vom 14. Dezember 1966 über die Aussetzung der Einfuhrabschöpfung für Olivenöl zur Herstellung bestimmter KonservenVerordnung Nr. 218/66/EWG des Rates vom 14. Dezember 1966 über die monatlichen Erhöhungen des Marktrichtpreises, des Interventionspreises und des Schwellenpreises für Olivenöl im Wirtschaftsjahr 1966/1967an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung; wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden;Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch— Drucksache V/1280 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. März 1967;Verordnung des Rates über einzelne Maßnahmen zur gemeinsamen Marktorganisation für Zucket für das Wirtschaftsjahr 1967/1968— Drucksache V/1281 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. März 1967;Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide— Drucksache V/1282 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. März 1967;Verordnung des Rates betreffend Übergangsmaßnahmen imHinblick auf die Anwendung der gemeinsamen Preise fürGetreide— Drucksache V/1283 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. März 1967;Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker— Drucksache V/1284 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Februar 1967;Verordnung des Rates über das vertragsmäßige und daszusätzliche Zollkontingent für Gefrierfleisch von Rindern— Drucksache V/1285 -— an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlagedes Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Februar 1967; Richtlinie des Rates über das Recht der Landwirte, die Angehörige eines Mitgliedstaates und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, auf Zugang zu den verschiedenen Arten von Beihilfen— Drucksache V/1288 —an den Ausschuß .für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 14. April 1967.Zu den in der Fragestunde der 58. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. September 1966 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Meinecke, Drucksache V/919 Nrn. IX/1, IX/2 und IX/3*), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 16. Dezember 1966 eingegangen:Ich teile nunmehr das Ergebnis der Umfrage bei den für das Gesundheitswesen zuständigen obersten Landesbehörden mit. Von den Bundesländern Bayern und Hessen liegt mir eine Antwort nicht vor, sie ist auch nicht mehr zu erwarten. Ich kann deshalb Ihre nachstehend aufgeführten Fragen nur unter Verwendung der Zahlen aus den übrigen neun Bundesländern beantworten:Zu Frage IX/1Für vollbeschäftigte Ärzte stehen im öffentlichen Gesundheits• dienst in neun Bundesländern ohne Bayern und Hessen 1892 Planstellen zur Verfügung. Die Zahl der Planstellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte ist für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland wegen der fehlenden oder ungenauen Zahlenangaben nicht anzugeben.Zu Frage IX/2Die Zahl der vakanten Stellen für vollbeschäftigte Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst beträgt z. Z. 170. Die vakanten Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte sind nach den vorliegenden Unterlagen nicht feststellbar.Zu Frage IX/3Auf Grund der Länderumfrage lassen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern nur bezüglich der vakanten Planstellen für vollbeschäftigte Ärzte angeben: Der Fehlbedarf schwankt hier zwischen 20 % in Niedersachsen und 0 % in Hamburg. Durchschnittlich beträgt die Zahl der vakanten Stellen in den Ländern 10% und darunter. Die Zahlen sind insbesondere bei den vakanten Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte ständig Schwankungen unterworfen. Zu Ihrer weiteren Unterrichtung füge ich eine Auswertung der Länderumfrage als Anlage bei.AnlageZu Frage IX/1 Zu Frage IX/2Ist die Bundesregierung in Ist die Bundesregierung aufder Lage, die Summe der z. Z. Grund der Gesundheitsberichte in allen Bundesländern einge- der Länder in der Lage, die richteten Stellen des öffent- Zahl der nichtbesetzten Stellen für beide in der vollbeschäftigte Ärzte und Frage IX/1 angeführten Kate-nichtvollbeschäftigte Ärzte an- gorien zu nennen?zugeben?1. Baden-Württemberg:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:312 vakante Stellen: 26Stellen für vollbeschäftigte Zahnärzte:53 vakante Stellen: 7Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:80 bis 100 vakante Stellen: etwa 8 %2. Berlin:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:280 vakante Stellen: 6Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:78 vakante Stellen : 03. Freie Hansestadt Bremen:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:44 vakante Stellen: 2Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:7 vakante Stellen: 14. Freie und Hansestadt Hamburg:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:140 vakante Stellen: 0Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:11 vakante Stellen: 0Stellen für stundenweise beschäftigte Ärzte:176 vakante Stellen: 125. Niedersachsen:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:229 vakante Stellen: 48Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:nicht bekannt vakante Stellen: nicht bekanntStellen für stundenweise beschäftigte Ärzte:etwa 450 vakante Stellen: keine Angaben*) Siehe 58. Sitzung, Seite 2873 D
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3908 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Vizepräsident Dr. MommerStellen für stundenweise beschäftigte Zahnärzte:etwa 700 vakante Stellen: keine Angaben6. .Nordrhein-Westfalen:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:638 vakante Stellen: 65Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:4 vakante Stellen: 07. Rheinland-Pfalz:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:99 vakante Stellen: 10Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:schwankend vakante Stellen: keine Angaben8. Saarland:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:47 vakante Stellen: 2Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:keine Angaben vakante Stellen: keine Angaben9. Schleswig-Holstein:Stellen für vollbeschäftigte Ärzte:103 vakante Stellen 11,5Stellen für nichtvollbeschäftigte Ärzte:4 vakante Stellen: keine AngabenStellen für nebenamtlich tätige Ärzte:schwankend vakante Stellen: keine AngabenZu der in der Fragestunde der 80. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Müller , Drucksache V/1215 Nr. III/1 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 16. Dezember 1966 eingegangen:Es war vorgesehen, vier Verwaltungsstreitverfahren über die Gewährung von Margarinesubventionen 1951 durch Vergleich zu erledigen, nachdem die strittigen Rechtsfragen durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt worden waren. Die Verhandlungen haben nur in zwei Fällen zum Abschluß von Vergleichen geführt. Mit den beiden anderen Firmen konnte keine Einigung über die zu zahlenden Beträge erzielt werden.Den Vergleichen lagen Gutachten der Deutschen Revisions-und Treuhand AG zugrunde, die Finalabrechnungen nach einheitlichen Grundsätzen für alle Firmen enthielten. Die in den Gutachten errechneten Beträge weichen von den von den Firmen in den Verwaltungsstreitverfahren geforderten Beträgen ab.Von den im Einzelplan 10 bereitgestellten Mitteln sind fürdie Vergleiche unter Berücksichtigung von Zinsen und Kosteninsgesamt 329 100 DM in Anspruch genommen worden.Zu der in der Fragestunde der 81. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. Dezember 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Rinderspacher, Drucksache V/1217 Nr. III/5 **), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Lahr vom 2. Januar 1967 eingegangen:Die Darstellung, die Dr. Schumann gegenüber der Illustrierten „Stern" gegeben hat, trifft nicht zu. Der richtige Sachverhalt ist folgender:Im Jahre 1957 begab sich ein Angehöriger der damaligen deutschen Gesandtschaft in Khartoum auf eine Dienstreise in die Südprovinzen des Sudan, wo er u. a. auch die dort lebenden deutschen Staatsangehörigen besuchte. Dabei traf er auch mit Dr. Schumann zusammen, der damals als Arzt in sudanesischen Regierungsdiensten stand. Zur Jagd ist der Angehörige der Gesandtschaft mit Dr. Schumann nicht gegangen.Zu dieser Zeit war Dr. Schumann nicht im Fahndungsbuch eingetragen. Die deutschen Justizbehörden dehnten erst im Juni 1959 ihre Ermittlungen auf den Sudan- aus. Dr. Schumann verließ den Sudan wenig später, nachdem ihm von der sudanesischen Regierung gekündigt worden war.Zu der in der Fragestunde der 80. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Josten, Drucksache V/1217 Nr. VI/3 ***), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 14. Dezember 1966 eingegangen:*) Siehe 80. Sitzung, Seite 3645 C **) Siehe 81. Sitzung, Seite 3676 B ***) Siehe 80. Sitzung, Seite 3647 CNach Rückfrage bei der Regierung von Rheinland-Pfalz besteht für das Ahr-Weinbaugebiet offiziell kein Sanierungsplan, da der Landtag von Rheinland-Pfalz den Vorschlägen seines Weinbauausschusses einen entsprechenden Sanierungsplan zu verabschieden nicht gefolgt ist. Das Land Rheinland-Pfalz beabsichtigt die Flurbereinigung im Weinbau des Ahrgebietes zu beschleunigen. Drei Verfahren mit einer Rehfläche von rd. 150 ha sind vorgesehen. Die Bundesregierung unterstützt diese Vorhaben nach den Richtlinien zur Förderung der Flurbereinigung.Meine Damen und Herren, wir treten dann in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:Fragestunde— Drucksachen V/1290, V/1292 —Wir ziehen die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz vor. Ich rufe zunächst die Frage VII/1 des Abgeordneten Dr. Wörner auf:Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 1966 zu ziehen, wonach die Grenze für die unbedingte Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr auf 1,3 Promille festgelegt wird?Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Abgeordneter, wegen des Zusammenhanges der Materie möchte ich auf Ihre beiden Fragen, wenn Sie einverstanden sind, einheitlich anworten.
Der Herr Abgeordnete ist einverstanden. Ich rufe dann gleichzeitig die Frage VII/2 des Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um der auf dem in Frage VII/1 erwähnten Gebiet drohenden Rechtsunsicherheit zu begegnen?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, aus dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember vorigen Jahres gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen. Sie beabsichtigt insbesondere nicht, den Grenzwert für absolute Fahruntüchtigkeit gesetzlich festzulegen. Dieser Grenzwert steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers, sondern richtet sich auf der Grundlage des geltenden Rechts nach medizinischnaturwissenschaftlichen Erfahrungssätzen. Deren letztem Stand muß sich die Rechtsprechung im Rahmen der ihr obliegenden Wahrheitsermittlung anpassen können. Diese Regelung hat in den vergangenen 13 Jahren zu keiner Rechtsunsicherheit geführt, und eine Rechtsunsicherheit ist auch künftig nicht zu befürchten. Es ist vielmehr zu erwarten, daß sich die Gerichte der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Frage anschließen. Wir hegen auch keine Befürchtungen wegen Übergangsschwierigkeiten.Vizepräsident Dr. Mommer: Die Fragen wurden von dem Herrn Abgeordneten Dr. Vogel übernommen. Eine Zusatzfrage? — Keine Zusatzfragen!Dann rufe ich die Frage VII/3 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus auf:Wurde entsprechend der Entschließung des Bundestages eine Große Strafverfahrenskommission und eine Große Strafvollzugskommission gebildet?Bitte, Herr Minister.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3909
Frau Kollegin, beide Kommissionen, nach denen Sie fragen, bestehen noch nicht. Um zu verdeutlichen, warum das der Fall ist, ist folgendes zu sagen. Das Nichtbestehen dieser beiden Kommissionen ergibt sich aus dem strafrechtlichen Gesamtprogramm des Bundesjustizministeriums, das folgendes umfaßt.
Zum ersten: Es geht um die Reform des materiellen Strafrechtes und darin vorrangig um die Reform des politischen Strafrechtes. Diese Arbeit liegt, wie Sie selbst aus Ihrer Teilnahme in dem zuständigen Ausschuß wissen, eben im Bundestagsausschuß. Was vom Justizministerium her geschehen kann, um diese Arbeit zu fördern, das geschieht. Beklagenswert ist die Arbeitsmöglichkeit des Ausschusses. Was dazu geschehen kann, wäre noch gesondert zu bedenken.
Zum zweiten geht es um das Einführungsgesetz zu einem neuen Strafgesetzbuch. Unter dem Stichwort „Einführungsgesetz" stellt man sich unter Umständen eine sehr geringe Aufgabe vor. Hier handelt es sich um eine besonders große Aufgabe, weil das neue Strafgesetzbuch, wenn es fertig ist, eingeblendet werden muß in mehrere hundert Bestimmungen anderer Gesetze, um sie mit dem neuen Strafgesetzbuch in Einklang zu bringen.
Zum dritten geht es dann um die Reform des Strafvollzugs. Die Reform des Strafvollzugs ist u. a. abhängig von dem neuen Strafrecht, insbesondere von dem System der Strafen und Maßregeln, die das neue Strafgesetzbuch bringen wird. Sie wissen aus Ihrer eigenen Mitarbeit in dem zuständigen Ausschuß, daß hinsichtlich des Strafensystems im Oktober vorigen Jahres ein Kompromiß gefunden worden ist, so daß jetzt die Zeit als gekommen angesehen werden kann, wo eine Kommission für die Reform des Strafvollzuges die Arbeit aufnehmen kann. Vorweg lassen sich darüber hinaus die Vollzugsrichtlinien der Länder in vielen Stücken sicherlich überprüfen und ändern.
Im Rahmen des strafrechtlichen Gesamtprogramms des Bundesjustizministeriums geht es dann zum vierten um die Große Strafprozeßreform. Diese ist allein Thema des Beschlusses des Bundestages, auf den Sie Bezug nehmen. Die Reform des Strafprozesses ist bis jetzt nicht anfaßbar, auch noch nicht durch eine Kommission, wie immer sie zusammengesetzt sein möchte. Jede dieser Kommissionen bedarf einer intensiven Mitarbeit durch das Justizministerium. Da geht es um die Formulierung der Themen, um die Sammlung des Materials, um den permanenten Schriftwechsel, um die Vorbereitung von Sitzungen, um die Auswertung von Ergebnissen dieser Sitzungen.
Frau Kollegin, alle diese Arbeiten aus dem strafrechtlichen Gesamtprogramm des Justizministeriums gleichzeitig anzufassen geht nicht. Wir können nicht gleichzeitig das materielle Strafrecht, das Einführungsgesetz dazu, den Strafvollzug und den Strafprozeß bearbeiten, weil das sowohl über die Kräfte des Justizministeriums hinausgeht als auch wohl den zuständigen Bundestagsausschuß überfordern
würde. Ich behalte mir vor, die hinreichende kräftemäßige Ausstattung des Justizministeriums für diese Aufgaben zur Sprache zu bringen. Selbstverständlich wird der Beschluß des Bundestages vom Juni 1964, an den Sie anknüpfen, ausgeführt, aber eben nicht so „alsbald", wie es in dem Beschluß heißt, und zwar aus den Gründen, die ich nannte. Was vorbereitend geschehen kann, das geschieht. So sind z. B. zur Strafprozeßreform rechtsvergleichende Arbeiten durch ein zuständiges Institut eingeleitet. Der Deutsche Richterbund arbeitet an dieser Materie. Die Bundesrechtsanwaltskammer arbeitet an dieser Materie. Alle diese vorbereitenden Arbeiten werden auch vom Bundesjustizministerium begleitet.
Alles in allem darf ich also auf Ihre Frage, warum diese beiden Kommissionen noch nicht bestehen, antworten, daß es kräftemäßig nicht möglich ist, alles das, was zu dem Gesamtprogramm gehört, gleichzeitig anzufassen.
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Minister, haben nicht ,die Erfahrungen der Großen Strafrechtskommission, die ja seinerzeit die Vorbereitungsarbeiten für ,die Reform des materiellen Strafrechts geleistet hat, gezeigt, daß eine derartige Kommission für die Vorbereitung einer so grundlegenden Reform einige Jahre Zeit braucht, und war nicht an sich geplant, daß, während sich der Bundestag mit der Reform des materiellen Strafrechts befaßt, durch diese große Kommission die spätere große Strafverfahrensreform für den Bundestag vorbereitet würde? Hat sich nicht gerade auch im Zusammenhang mit der kleinen Strafprozeßnovelle schon gezeigt, wie dringend notwendig eine derart grundsätzliche Betrachtung unseres Strafverfahrens ist?
Ich muß Ihnen leider zugeben, daß Kommissionsarbeiten sich lange hinziehen können. Aber Sie werden mir doch, glaube ich, auch darin zustimmen, daß z. B. die Reform des Strafvollzugs überhaupt erst in Angriff genommen werden kann, wenn klar ist, welches System der Strafen und Maßregeln das neue Strafgesetz enthalten wird. Die Arbeit am materiellen Strafrecht in dem zuständigen Ausschuß kommt gerade jetzt erst an den Abschluß dieser Stücke heran.
Was die Strafprozeßreform anlangt, so muß ich noch einmal sagen, daß kräftemäßig einfach nicht alles gleichzeitig hinzubringen ist.
Noch eine Zusatzfrage, Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Minister, mit Ihren Ausführungen bezüglich der Strafvollzugskommission habe ich mich zufriedengegeben; ich bin darauf nicht zurückgekommen. Ich möchte aber jetzt doch noch eine ergänzende Frage
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3910 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Frau Dr. Diemer-Nicolausstellen. Sie haben darauf hingewiesen, daß schon eine Reihe von Maßnahmen — Gutachten usw. — ergriffen worden ist. Bis wann werden diese Vorarbeiten abgeschlossen sein?
Sobald das kräftemäßig zu machen ist.
Ungefähr! Welche Zeit?
Ich kann weder dem Max-Planck-Institut für rechtsvergleichende Aufgaben noch dem Richterbund usw. Termine setzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Minister, was kann denn geschehen, um die inzwischen bekanntgewordenen schweren Mängel des Strafvollzugs unmittelbar so abzustellen, daß die Öffentlichkeit keine groben Anstände mehr festzustellen braucht?
Herr Kollege, Strafvollzug ist Ländersache, und die Landesjustizminister sind nach meiner Unterrichtung
B) jetzt, alarmiert durch Klingelpütz und ähnliche Vorgänge, intensiv bei der Überprüfung der geltenden Strafvollzugsrichtlinien, bei denen es sich ausschließlich um Landesrichtlinien handelt. Ich selber habe auch von der Rosenburg aus Anregungen gegeben, in welchen Stücken man die geltenden Landesvollzugsrichtlinien überprüfen könnte. In diesen Richtlinien sind z. B. Beschränkungen für die Petition von Häftlingen an einen Parlamentsausschuß enthalten, eine meines Erachtens völlig ungute Angelegenheit. Also eine Überprüfung der landesrechtlichen Vollzugsrichtlinien kann sofort durch die Landesjustizverwaltungen geschehen. Wir können dazu nur Anregungen geben.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Welche Möglichkeiten haben Sie, um Einfluß darauf zu nehmen, daß diese Landesrichtlinien einigermaßen einheitlich gestaltet werden?
Die Richtlinien sind unter den Ländern abgestimmt, und das Gremium, das für die Koordinierung unter den verschiedenen Landesjustizverwaltungen zuständig ist, ist die Justizministerkonferenz.
Ich rufe die Fragen VII/4 und VII/5 des Herrn Abgeordneten Prochazka auf:
Welche Motive haben die Bundesregierung veranlaßt, dem Bundespräsidenten die Begnadigung des früheren Bundestagsabgeordneten Frenzel vorzuschlagen?
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß der Austausch eines Landesverräters Ansehen und Würde unseres Staates schädigt und auch im Hinblick auf die schweren Schäden, die der Landesverrat für unser gesamtes Volk mit sich bringt, nicht zu verantworten ist?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. ,Ich rufe die Frage I/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke auf:
In welchem Verhältnis zu der Höhe des Beitrags, den die Bundesrepublik für eine Radioanlage in Mogadischu geleistet hat, standen die Reise- und Aufenthaltskosten der 44köpfigen deutschen Delegation anläßlich der Einweihung dieses Senders?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung legt Wert darauf, daß die Öffentlichkeit, vor allen Dingen im jeweiligen Entwicklungsland, über die Entwicklungshilfeleistungen der Bundesrepublik hinreichend informiert wird. Für eine politisch und publizistisch wirksame Information über die deutsche Entwicklungshilfe erweist sich die Einweihung eines wichtigen Projektes als besonders geeignet. Deshalb hatte die deutsche Botschaft in Mogadischu vorgeschlagen, die Einweihung des ersten deutschen Entwicklungshilfeprojekts in der Hauptstadt besonders publikumswirksam zu gestalten. Da es sich um die Übergabe eines Rundfunkprojektes handelte, wurde von ihr die Entsendung einer kleinen Bundeswehrkapelle empfohlen. Das Auswärtige Amt und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung haben diese Anregung aufgegriffen, nachdem sich der Herr Bundesminister der Verteidigung bereit erklärt hatte, eine Bundeswehrkapelle und für den Transport ein Flugzeug der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen.
Entscheidend ist, daß dem Bund für den Transport der Delegation und der Musiker keine speziellen Kosten entstanden sind. Die Bundeswehr hat vielmehr diesen Flug im Rahmen ihres sowieso erforderlichen normalen Übungsprogramms durchgeführt. Bekanntlich müssen die Besatzungen von Transportflugzeugen der Bundeswehr pro Jahr 200 Flugstunden zu Übungszwecken absolvieren. Ohne diese 200 Flugstunden würde das Flugpersonal seinen Flugschein verlieren. Aus diesen Gründen müßte daher notfalls auch leer geflogen werden. Praktisch sind also durch die Reise der deutschen Delegation nur Aufenthaltskosten verursacht worden.
Berücksichtigt man — und damit komme ich auf den Kern Ihrer Frage, Herr Abgeordneter —, daß 11 der Teilnehmer ihren Aufenthalt selbst finanziert haben, so belaufen sich die dem Bund entstandenen Kosten im Verhältnis zum Projekt auf 0,29 %.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, wieso 11 Teilnehmer ihren Aufenthalt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3911
Dr. Rutschkeselbst finanziert haben. Haben die auch die Flugkosten bezahlt? Oder in welcher Form konnten überhaupt 11 Teilnehmer — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf wiederholen, Herr Abgeordneter, daß es sich um die Finanzierung des Aufenthalts und nicht um die Finanzierung der Flugkosten handelt, die, wie gesagt, beim Bund nicht in spezieller Weise aufgelaufen sind, wie ich eben dargelegt habe. Bei diesen 11 Teilnehmern handelt es sich um Mitglieder der Presse und um Mitglieder der Afrika-Gesellschaft, die ihre volle Unabhängigkeit wahren wollten.
Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, halten Sie den Transport von Musikkapellen zur Absolvierung von Flugstunden für besonders geeignet? Sollte man dieses System künftig noch etwas ausbauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß dies eine besonders angenehme Last ist. Mit Musik geht vieles besser.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß es das erste Entwicklungsprojekt in Mogadischu gewesen sei. Da die Bundesregierung aber bereits andere Entwicklungshilfeprojekte in Somalia finanziert hat, hat die Delegation doch sicher den Auftrag gehabt, über die Wirkungsfähigkeit zu berichten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf zunächst sagen, daß es in Somalia schon einige Projekte im Landesinnern gegeben hat. Dies war das erste Entwicklungshilfeprojekt in der Hauptstadt, also in Mogadischu selbst. Im Landesinnern wäre die Musikkapelle selbstverständlich nicht so wirksam gewesen.
Über den Eindruck und über das Wirken dieser Kapelle liegt ein Bericht vor, und zwar sowohl des Musikmeisters der Bundeswehr wie auch der Botschaft. Beide kommen zu der übereinstimmenden Ansicht, daß sich der Einsatz der Kapelle gelohnt hat.
Noch eine Zusatzfrage.
Ich bin eben wohl bei meiner ersten Frage nicht richtig verstanden worden. Ich wollte fragen, ob die Delegation — soweit sie fachlich dazu in der Lage gewesen ist — einen Bericht über die Wirksamkeit anderer in
Somalia durchgeführter, von der Bundesrepublik finanzierter Entwicklungshilfeprojekte gegeben hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Frage kann ich Ihnen im Augenblick leider nicht präzise beantworten, weil ich mich nur über die Kostenfrage hinsichtlich des Auftretens der Musikkapelle informiert habe. Ihre Frage würde auch in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und des Auswärtigen Amtes fallen. Ich darf die beiden Ministerien unterrichten und sie dann bitten, Ihnen Ihre Frage zu beantworten.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.
Herr Staatssekretär, bestehen bei dem Erfolg dieser Musikkapelle, so wie Sie ihn schildern, Überlegungen in der Bundesregierung, den Einsatz von Geldmitteln vielleicht künftig zum Teil durch den Einsatz von Musikkapellen zu ersetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf im wesentlichen das wiederholen, was ich gesagt habe. Uns ist oft auch in der deutschen Öffentlichkeit der Vorwurf gemacht worden, daß wir die Informationspolitik gerade im Zusammenhang mit der Entwicklungshilfe nicht publikumswirksam genug gestaltet und nicht den lokalen Verhältnissen jeweils angepaßt hätten. Ich glaube, hier ist durchaus ein guter Weg beschritten worden, und man sollte prüfen, ob nicht ein solches Verfahren in Zukunft in dem einen oder anderen Falle wieder angewandt werden kann.
Ich rufe die Frage I/2 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
In welcher Weise wird die Bundesregierung die Ankündigung des Stellvertretenden Bundespressechefs, Conrad Ahlers, verwirklichen, nach der ohne Geheimnistuerei die volle parlamentarische Kontrolle des Titels 300 hergestellt werden soll?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der bisherige Vermerk bei Kap. 04 03 Tit. 300, wonach die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterliegt, ist in den vergangenen Jahren stets mit der Mehrheit des Bundestages — für das Jahr 1966 also mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP — beschlossen worden und ist damit Gesetz..
Die Bundesregierung prüft, welche Regelung sie für die Zukunft dem Bundestag vorschlagen wird. Gedacht ist an eine Regelung entsprechend der Regelung bei Kap. 04 04 Tit. 300, wie sie für den Bundesnachrichtendienst gilt. Das heißt, daß ein Unterausschuß des Bundestages zusammen mit dem Bundesrechnungshof die Prüfung vornehmen würde.
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3912 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, zunächst zu der Frage II/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler:
Wie viele Brautpaare haben seit dem August 1961 über die Zonengrenze hinweg eine Heiratsmöglichkeit bekommen?
Herr Bundesminister, bitte!
Herr Präsident, wenn der Herr Kollege Dr. Kübler einverstanden ist, möchte ich beide Fragen zusammen beantworten.
Herr Kübler ist einverstanden.
Dann rufe ich auch die Frage II/2 auf:
Wie berät die Bundesregierung heiratswillige Verlobte, die durch die Zonengrenze getrennt sind?
Seit dem 13. August 1961 sind der Bundesregierung insgesamt 154 Fälle bekanntgeworden, in denen Personen, die im sowjetisch besetzten Teile Deutschlands wohnen, von den dortigen Behörden die Erlaubnis erhalten haben, eine Person im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu heiraten und zu ihr überzusiedeln. Erschöpfende Zahlen sind der Bundesregierung allerdings nicht bekannt, weil natürlich keine Meldepflicht besteht.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wieviel Personen aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes zur Eheschließung nach dem sowjetisch besetzten Teile Deutschlands übergesiedelt sind, weil bei der polizeilichen Abmeldung die Gründe nicht angegeben werden und auch nicht angegeben zu werden brauchen.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich 664 Brautpaare um die Genehmigung zur Eheschließung und Übersiedlung des in dem sowjetisch besetzten Teile Deutschlands lebenden Partners bemühen. Bisher haben die dortigen Behörden die Genehmigung nicht erteilt, auch nicht in den Fällen, in denen ein Kind vorhanden ist. Es ist anzunehmen, daß die Zahl der Heiratswilligen größer ist, denn nicht alle Brautpaare tragen ihr Anliegen der Bundesregierung oder dem Deutschen Roten Kreuz vor.
Zu der nächsten Frage möchte ich folgendes sagen. Die Bundesregierung berät Verlobte, die sich an unsere Behörden wenden, mit dem Hinweis, daß die Behörden im sowjetisch besetzten Teile Deutschlands im allgemeinen eine Eheschließung nur genehmigen, wenn der im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebende Partner sich verpflichtet, nach Mitteldeutschland überzusiedeln. Sie weist ferner darauf hin, daß die dortigen Behörden im allgemeinen nur arbeitsunfähigen, meist älteren Personen gestatten überzusiedeln. Die Bundesregierung unterrichtet die Anfragenden über die im sowjetisch besetzten Teile Deutschlands für die Genehmigung zuständigen Behörden sowie über die Beschwerdemöglichkeiten, d. h. beim Rat des Kreises oder der
Stadt, beim Rat des Bezirkes, beim Innenministerium.
Außerdem rät die Bundesregierung den Anfragenden, sich mit dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg-Osdorf, Blomkamp 51, in Verbindung zu setzen, weil dieser unter Umständen die Möglichkeit hat, in besonderen Härtefällen das Rote Kreuz in Mitteldeutschland um Hilfe zu bitten. Ferner registriert der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes im Auftrag der Bundesregierung die ratsuchenden Verlobten, damit sichere Unterlagen verfügbar sind, falls die politische Lage es in Zukunft erlauben wird, entsprechende Listen den Behörden im sowjetisch besetzten Teile Deutschlands zu übersenden oder sonst erforderliche Hilfen zu erweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Kübler.
Herr Bundesminister, war es bisher möglich, bei dem einen Fünftel, das die Heiratserlaubnis bekommen hat, die berufliche Zugehörigkeit der Bräute zu registrieren — meistens sind es ja die Bräute, die nach Westdeutschland wollen — oder festzustellen, in welchen Regionen dies leichter möglich ist? Sind Unterlagen vorhanden, aus denen hervorgeht, warum das eine Fünftel kam und warum die restlichen vier Fünftel keine Erlaubnis bekamen?
Herr Kollege Dr. Kübler, entschuldigen Sie, das sind zwei verschiedene Fragen. Die eine Frage ist die, ob wir hier über eine solche Aufgliederung verfügen und auf sie zurückgreifen können. Das andere ist der Rückschluß, den man aus solchen Angaben hinsichtlich der Gründe für die Genehmigung der Übersiedlung ziehen könnte. Beides ist nicht ohne weiteres in einen Zusammenhang zu bringen.
Zur ersten Frage darf ich sagen, daß ich jetzt derartige Unterlagen nicht habe. Ich werde mich bemühen, falls die Unterlagen, die wir natürlich nicht besonders ausführlich halten können, Angaben dieser Art möglich machen, Sie sie wissen zu lassen. Zu der anderen Frage möchte ich sagen: ich fürchte, es würde zu einem Trugschluß führen, wenn man aus einer Aufgliederung über die berufliche und sonstige Zugehörigkeit Rückschlüsse auf die Gründe für die Genehmigung ziehen würde.
Keine Zusatzfrage. Ich danke, Herr Minister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Frage III/1 des Abgeordneten Ollesch:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um beispielsweise durch Änderungen im Versicherungs- und Kriegsopferversorgungsrecht weiteren Hilfskräften die Ganztags- oder Teilzeitarbeit attraktiver zu machen als bisher?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit der Frage befaßt, inwieweit z. B. die
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3913
Staatssekretär KattenstrothTeilzeitbeschäftigung durch Maßnahmen im Bereich der Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung gefördert werden kann. Durch das von der Bundesregierung eingebrachte Rentenversicherungs-Anderungsgesetz vom 9. Juni 1965, die sogenannte Härtenovelle, ist die Teilzeitarbeit in weit größerem Umfange als zuvor von der Sozialversicherung freigestellt worden. So ist seit dem 1. Juli 1965 eine Teilzeitbeschäftigung, die als Nebenbeschäftigung ausgeübt wird, kranken-, renten- und arbeitslosenversicherungsfrei, solange das Entgelt aus dieser Beschäftigung einen bestimmten, der Lohnentwicklung folgenden Betrag — 1966: 162,50 DM monatlich — nicht übersteigt oder wenn die Beschäftigung nur gelegentlich ausgeübt wird und nicht länger als drei Monate oder 75 Arbeitstage dauert.Auch im Kriegsopferversorgungsrecht sind die Vorschriften insbesondere für Kriegerwitwen durch das von der Bundesregierung eingebrachte, soeben verkündete 3. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 28. Dezember 1966, das sogenannte Neuordnungsgesetz, so gestaltet worden, daß bei vorhandenem Arbeitswillen ein hinreichender Anreiz zu einer sich noch lohnenden Tätigkeit gegeben ist. Die Grundrente für Kriegerwitwen, die auf 150 DM im Monat erhöht worden ist, wird unabhängig von anderen Einkünften gewährt. Für die Ausgleichsrente bleiben nach den neuen Anrechnungsvorschriften 128 DM vom Bruttoerwerbseinkommen generell und von dem darüber hinausgehenden Betrag im allgemeinen etwas über 50 v. H. anrechnungsfrei.Im übrigen ist auch die jüngste Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen; die Zahl der offenen Stellen hat sich vermindert, während die Zahl der Arbeitslosen gestiegen ist. Nach vorliegenden Berichten kann bereits in zahlreichen Bezirken die Nachfrage nach weiblichen Hilfskräften befriedigt werden; offene Teilzeitstellen fehlen sogar mitunter. Allgemeine Sondermaßnahmen, z. B. für die Gewinnung von Teilzeitkräften, dürften daher im Augenblick kaum vordringlich sein. Auch die Bereitschaft der Frauen, Hilfstätigkeiten in Krankenanstalten aufzunehmen, ist gewachsen. Das zeigt z. B. die Tatsache, daß Krankenanstalten im Augenblick kaum Vermittlungsaufträge für ausländische Hilfskräfte erteilt haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ollesch.
Die Frage muß im Zusammenhang mit den von mir gestellten Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen gesehen werden. Gilt Ihre Antwort auch für diesen Fall?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, meine Antwort bezieht sich auf die an mich gerichtete Frage, d. h. auf die Hilfskräfte. Meine Antwort bezieht sich nicht auf den Mangel an Schwestern. Diese Frage wird vom Bundesminister für das Gesundheitswesen beantwortet. Der
Arbeitsmarkt reagiert auf dem Sektor der Hilfskräfte empfindlich und viel schneller als bei Schwestern. Auf dem Sektor der Hilfskräfte ist eine Entspannung eingetreten. Wir haben aber immer noch einen Mangel an Schwestern.
Die Frage III/2 des Herrn Abgeordneten Ruf:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend einer von Senatspräsident Dr. König auf einer Pressekonferenz des Bundesarbeitsgerichts gegebenen Anregung, das Kündigungsschutzgesetz zu ergänzen und für den Fall einer treuwidrigen Kündigung auch die leitenden Angestellten in den allgemeinen Kündigungsschutz einzubeziehen?
wird schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers, für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich rufe die Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Bühler auf:
Trifft die Angabe in „Christ und Welt", 1966 Nr. 52 Seite 10, zu, wonach im Senegal das modernste deutsche Krankenhaus leersteht?
Bitte, Herr Bundesminister!
Herr Präsident, ich möchte um die Erlaubnis bitten, die Fragen der Abgeordneten Bühler und Dr. Kempfler zusammen zu beantworten. Beide Fragen berühren das gleiche Problem. Es geht um das Krankenhaus im Senegal.
Sind die Fragesteller einverstanden? — Dann rufe ich ferner die Frage IV/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler auf :
Sind Pressemeldungen, die behaupten, daß in Diourbel bereits im Mai 1966 das Heinrich-Lübke-Krankenhaus eingeweiht wurde, eine Teilinbetriebnahme durchaus moglich wäre, das Krankenhaus aber bis jetzt den Patienten noch nicht zugängig gemacht wurde, richtig?
Bitte, Herr Bundesminister!
Pressemeldungen, wonach das im Rahmen der deutschen technischen Hilfe geförderte Krankenhaus in Diourbel am 26. Mai 1966 eingeweiht und bisher nicht in Betrieb genommen worden sei, treffen zu.Eine teilweise Inbetriebnahme wäre rein technisch seit Mai 1966 möglich gewesen. Weil aber über das Betriebsreglement und über das Abkommen betreffend die Entsendung deutschen Personals eine Einigung mit der senegalesischen Regierung noch nicht erzielt werden konnte, wurde angesichts der ungeklärten arbeitsrechtlichen und innerbetrieblichen Stellung der deutschen Fachkräfte von der Inbetriebnahme zunächst abgesehen. Erfahrungsgemäß können Projektvereinbarungen, die bis zur Betriebsaufnahme nicht abgeschlossen sind, später kaum noch in einem zufriedenstellenden Sinne realisiert werden.Inzwischen ist das Betriebsreglement zur Zufriedenheit beider Seiten vereinbart und das noch feh-
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3914 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Bundesminister Wischnewskilende deutsche Personal gewonnen worden. Mit dem Abschluß des Projektabkommens ist in Kürze zu rechnen. Der Krankenhausbetrieb wird Ende Januar 1967 aufgenommen werden.Pressemeldungen, wonach die Deutsche Förderungsgesellschaft für Entwicklungsländer die Verzögerung verursacht hat, treffen nicht zu.Herr Kollege, ich darf Ihnen mitteilen, daß die notwendigen Überprüfungen und Maßnahmen eingeleitet worden sind, so daß solche Verzögerungen und Schwierigkeiten in Zukunft nicht mehr eintreten können.
Herr Kempfler zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ich darf Sie also dahin gehend verstehen, daß Sie das positiv auswerten und aus den Erfahrungen den Schluß ziehen, daß in Zukunft das Betriebsreglement vorher völlig vereinbart wird?
Es müssen die notwendigen vertraglichen Vereinbarungen in jedem Falle vorher getroffen werden. Das ist in diesem Fall, soweit es den personellen Sektor betraf, nicht geschehen. Dadurch sind leider Schwierigkeiten entstanden. Die notwendigen Konsequenzen sind daraus bereits gezogen worden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage V/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Rau auf:
Treffen Pressemeldungen von Mitte Dezember 1966 zu, wonach auf Veranlassung des damaligen und jetzigen Bundesinnenministers durch Erlaß des Auswärtigen Amtes — Az.: II A 7 - 85 - 30 - 1 - 4989 - 1966 - VS Vert. — vom 18. November 1966 fünf deutsche Botschaften angewiesen wurden, zu ermitteln, ob in ihren Gastländern gesetzliche Grundlagen bestehen, „Personen, die als gefährlich für die Sicherheit des Staates angesehen werden können" ohne richterlichen Haftbefehl während eines Notstandes zu internieren?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist richtig, daß das Bundesministerium des Innern das Auswärtige Amt gebeten hat, ausländisches Gesetzesmaterial zur Rechtsvergleichung zu beschaffen. Wegen der Gründe, die das Bundesministerium des Innern zu dieser Bitte veranlaßt haben, darf ich auf die Beantwortung der Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher durch den Herrn Bundesminister des Innern — sie wird in der heutigen oder in der morgigen Fragestunde erfolgen — verweisen.
Durch einen Erlaß des Auswärtigen Amts wurden daraufhin unsere Botschaften in fünf befreundeten Ländern um ihre Feststellung gebeten, ob in ihren Gastländern Rechtsvorschriften bestehen, die es in Krisenzeiten erlauben, für die Sicherheit des Staates gefährliche Personen zu internieren. Es ist allerdings nicht richtig, daß sich die erbetenen Feststellungen auch darauf erstrecken sollten, ob es die Notstandsgesetzgebung ihrer Länder erlaubt, Personen ohne richterlichen Haftbefehl zu internieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rau.
Ich darf fragen, Herr Staatssekretär, ob ich dann im Zusammenhang mit der Antwort, die der Herr Bundesminister des Innern auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher geben wird, noch Genaueres über den Zweck der Anfrage erfahren kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich teile Ihre Hoffnung.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage V/2 des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert:
Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Entsendestaaten über die rechtliche Gleichstellung und soziale Sicherung der bei den alliierten Stationierungsstreitkräften beschäftigten Personen?
wird schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage V/3 des Abgeordneten Schultz : auf:
Warum gehören — Pressemeldungen zufolge — zwar die Volksrepublik China und andere asiatische Staaten, nicht aber die Sowjetunion zum Osteuropa-Referat des Auswärtigen Amtes?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Es gibt im Auswärtigen Amt kein Osteuropa-Referat. Die mit Osteuropa zusammenhängenden Fragen müssen wegen ihres Umfangs und ihrer Vielschichtigkeit von mehreren Referaten bearbeitet werden. Innerhalb der einen meiner beiden politischen Abteilungen sind hierfür zuständig:1. ein Referat, das sich ausschließlich mit der Sowjetunion beschäftigt; dies trägt der Bedeutung Rechnung, die der Sowjetunion in der europäischen Politik und insbesondere bei der Lösung der deutschen Frage zukommt;2. ein Referat für die anderen kommunistischen Länder, sowohl Europas als auch Asiens; dieses Referat bearbeitet allerdings zusätzlich, weil es sich so ergeben hat, Probleme von Nationalchina, Hongkong und Makao.3. gibt es für diese Fragen ein Referat für die politischen und sozialökonomischen Strukturfragen im Ostblock.Außerdem ist innerhalb der Abteilung für Handels- und Entwicklungspolitik ein Referat für Wirtschaftsbeziehungen zum Osten, also auch für alle osteuropäischen Länder einschließlich der Sowjetunion, zuständig.Selbstverständlich — das brauche ich nicht extra zu betonen — arbeiten die genannten Referate, vor allem die politischen Referate, innerhalb der gleichen Abteilung aufs engste zusammen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3915
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schultz.
Schultz (FDP) : Habe ich Sie recht verstanden, Herr Staatssekretär, daß Sie bei der Frage China nur von Taiwan und Hongkong und nicht von der Volksrepublik gesprochen haben? Wo werden die Fragen, die mit 'der Volksrepublik China zusammenhängen, behandelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, ich sollte es noch einmal klarmachen: in diesem Referat werden alle kommunistischen Länder, sowohl Europas als auch Asiens, d. h. also auch die Volksrepublik China, behandelt. Zusätzlich zu diesen Aufgaben hat dieses Referat allerdings noch die Behandlung der Fragen zu übernehmen, die sich aus Nationalchina, Hongkong und Makao ergeben.
Ich rufe die Frage V/4 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die kritischen Äußerungen des französischen Staatspräsidenten über das amerikanische Engagement in Vietnam — insbesondere im Hinblik auf den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter, ich darf Ihr Verständnis dafür erbitten, daß die Bundesregierung nicht zu Äußerungen eines befreundeten Staatschefs über Fragen, die nicht das Verhältnis zu uns betreffen, Stellung nehmen kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, die Gefahren, die der franzöische Staatspräsident für Europa sieht und die sich aus den bestehenden Allianzen ergeben könnten, sind Gefahren, die auch deutsche Politiker sehen. Ich darf hier eine Formulierung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Helmut Schmidt, aufgreifen, wonach nämlich europäische Staaten in einen Krieg hineingezogen werden könnten, ohne an seiner Verursachung beteiligt gewesen zu sein. Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Sachverhalt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung des Konflikts in Vietnam mit großer Sorge, wie Sie wissen. Sie wünscht einen gerechten und gesicherten Frieden für diesen Teil der Welt unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts der dortigen Bevölkerung. Sie unterstützt die vielfältigen Bemühungen auf internationaler Ebene um eine baldige friedliche Lösung des Vietnam-Konflikts. Wir leisten, wie Sie wissen, Hilfe. Sie dient insbesondere der durch Jahrzehnte kriegerischer Wirren hart betroffenen Bevölkerung von Vietnam. Zu diesem Zweck ist das Hospitalschiff „Helgoland" entsandt worden, das wie auch die anderen von uns dort geschaffenen humanitären Einrichtungen, d. h. die Sozialzentren, der Flüchtlingseinsatz, der Malteser-Hilfsdienst und andere, jedem Hilfesuchenden ohne Ansehen der Person, der territorialen Herkunft, der Rasse, der Religion und ,der politischen Meinung zur Verfügung steht.
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung die Möglichkeit oder sogar die Notwendigkeit, die amerikanische Regierung gerade im Interesse der europäisch- amerikanischen Partnerschaft auf die Sorgen hinzuweisen, die sich daraus ergeben, 'daß die amerikanische Regierung europäische Regierungen, auch die Bundesregierung, wiederholt unzureichend oder verspätet über ihre politischen Absichten unterrichtet hat, und zwar selbst dann, wenn europäische Interessen unmittelbar berührt waren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist in all diesen Fragen in engem Kontakt mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Zu einer Zusatzfrage Herr Ott.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß — im Gegensatz zu Ihrer vorigen Äußerung über unsere Hilfe in Vietnam durch ein Lazarettschiff — in der Ostzone Gelder gesammelt werden und von dort militärisches Material nach Vietnam geliefert wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es sind nach unseren Informationen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands Sammlungen für Nord-Vietnam und für den Vietkong im Gange. Ob es sich um militärisches Material und militärische Lieferungen handelt, ist uns nicht bekannt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß Konsultationsgespräche im Rahmen des deutsch-französischen Vertrags deshalb besonders erfolgreich sind, weil man solche Themen nicht behandelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Konsultationsgespräche im Rahmen des deutschfranzösischen Vertrags behandeln selbstverständlich, wenn es notwendig ist, auch solche Fragen, wie sie hier angeschnitten wurden. Wenn das geschieht, werden — davon bin ich überzeugt — auch solche Fragen erfolgreich behandelt werden.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, aber aus Presseerklärungen zu den letzten Konsultationsgesprä-
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3916 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Ertlchen ist doch zu entnehmen, daß man auf die Behandlung dieses Themas verzichtet hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann mich nicht auf Pressemeldungen stützen, sondern nur auf die Konsultationsgespräche selbst, und in diesen Konsultationsgesprächen sind die Fragen nicht erörtert worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz.
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß sich die deutsche Bundesregierung in absehbarer Zeit die Auffassungen des französische Staatspräsidenten bezüglich des Krieges in Vietnam voll zu eigen macht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung wird ihre Auffassung zu diesen Fragen dem Hause mitteilen. Sie hat dazu in einer Regierungserklärung Stellung genommen. Falls sie zu einer anderen Auffassung kommt, wird sie das sicher dem Hohen Hause mitteilen.
Ich rufe die nächste Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg, die Frage V/5, auf:
Welche Erfahrungen gewann die Bundesregierung durch die deutsche Architekturausstellung in drei sowjetischen Städten für die deutschsowjetischen Beziehungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die deutsche Architekturausstellung, die in der zweiten Jahreshälfte 1966 und den ersten Tagen des Monats Januar 1967 in Leningrad, Kiew und Moskau gezeigt worden ist, haben weit mehr als eine halbe Million sowjetischer Besucher gesehen. Auf diese Weise wurde eine sehr große Anzahl sowjetischer Staatsbürger, die bisher keine Möglichkeit hatten, sich einen unmittelbaren Eindruck von der Gestaltung des Daseins in der Bundesrepublik zu verschaffen, mit einer Selbstdarstellung unseres Landes konfrontiert. Dies stellt nach unserer Meinung weit über den künstlerischen Bereich hinaus einen bedeutsamen Faktor für die Weiterentwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen dar.
Aus den vielen hundert Eintragungen in das in der Ausstellung aufgelegte Besucherbuch geht eindeutig hervor, daß die Bewohner der Sowjetunion Deutschland ganz überwiegend nicht nur mit Achtung und häufig Bewunderung, sondern mit aufrichtigem Verständigungswillen gegenüberstehen. Auch dieser Umstand wird bei richtiger Würdigung auf die deutsch-sowjetischen Beziehungen zukünftig nicht ohne Einfluß bleiben.
Schließlich hat die Bundesregierung bei der Vorbereitung und Abwicklung der Ausstellung mit Befriedigung feststellen können, daß die Zusammenarbeit mit den beteiligten sowjetischen Stellen im allgemeinen über das Maß sachlicher Korrektheit hinausging und die mit der Errichtung der Ausstellung beauftragten deutschen Persönlichkeiten und
Dienststellen bei den sowjetischen Gesprächs- und Verhandlungspartnern vielfach lebhaftes und wohlwollendes Interesse gefunden haben. Auch dies stellt für unsere zukünftigen Überlegungen im Hinblick auf die Beziehungen zur Sowjetunion eine wertvolle Erfahrung dar.
Zusammenfassend möchte ich also sagen, daß unsere Erfahrungen bei dieser Ausstellung als — wie das Auswärtige Amt zu formulieren pflegt — ermutigend zu bezeichnen sind.
Herr Staatssekretär, darf ich ergänzend fragen, wie das Echo auf diese Ausstellung in Presse, Rundfunk und Fernsehen der Sowjetunion gewesen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In der Sowjetunion ist es nicht üblich, daß ausländische Veranstaltungen durch die Presse große Publizität bekommen. Die wenigen Artikel allerdings, die in der sowjetischen Tagespresse erschienen sind, waren — mit einer Ausnahme — wohlwollend und lobten insbesondere die Sachlichkeit der Ausstellung.
Keine weiteren Fragen.Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Fragen VI/1, VI/2 und VI/3 des Herrn Abgeordneten Baron von Wrangel auf:Ist die Bundesregierung bereit, den Gemeinden im Zonenrandgebiet Zuwendungen für den Ausbau und die Erhaltung von Wirtschaftswegen im Zonenrandgebiet zu gewähren, die durch die Benutzung von Fahrzeugen des Bundesgrenzschutzes erheblich beschädigt werden?Ist eine Koordinierung der für den Wirtschaftswegebau im Zonenrandgebiet vorgesehenen Mittel innerhalb der Bundesregierung erfolgt?Nach welchen Gesichtspunkten kann das Bundesinnenministerium den finanziell schwachen Gemeinden im Zonenrandgebiet behilflich sein, die Schäden, die durch die Benutzung von Fahrzeugen des Bundesgrenzschutzes entstehen, auszugleichen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Ernst vom 10. Januar 1967 lautet:Die Frage der Instandsetzung von Wegen, die zur Überwachung der Demarkationslinie befahren werden müssen, beschäftigt mich schon seit geraumer Zeit.In Aussicht genommen ist, für die Instandsetzung der Wege Mittel des Grünen Planes in stärkerem Maße als bisher einzusetzen. Sie sollen aus dem Regionalen Förderungsprogramm des Bundes aufgestockt werden, soweit nicht Mittel aus anderen Haushalten im Falle des Schadenersatzes heranzuziehen sind.Nachdem auf Anregung des Niedersächsischen Ministers des Innern zunächst festgestellt werden mußte, welche Wege durch die Überwachungsfahrzeuge benutzt werden und welcher Belastung sie dabei ausgesetzt sind, wurde von mir veranlaßt, daß die Grenzschutzkbmmandos und die Grenzschutzverwaltungen das vom Bundesgrenzschutz benutzte Wegenetz kartenmäßig erfassen. Dieses Kartenwerk ist inzwischen erstellt und von mir dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übersandt worden, der eine Koordinierung mit dem Herrn Bundesminister der Verteidigung und dem Herrn Bundesminister der Finanzen herbeiführen wird.In der Zwischenzeit sind in mehreren Ländern Maßnahmen zum Ausbau der Wirtschaftswege unter Verwendung von Mitteln des Grünen Planes und des Regionalen Förderungsprogramms des Bundes bereits angelaufen.Ihre Fragen darf ich daher wie folgt beantworten: Zu Frage 1:Den Gemeinden im Zonenrandgebiet werden Mittel des Bundes für die Instandsetzung und den Ausbau von Wirtschaftswegen. die im Zusammenhang mit der Überwachung der Demarkationslinie befahren werden, gewährt. Für den Ersatz von Schäden,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3917
Vizepräsident Dr. Mommerdie bei Überwachungsfahrten im einzelnen verursacht werden. gilt das übliche Schadenersatzverfahren.Zu Frage 2:Die Koordinierung aller Forderungsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet erfolgt durch den Interministeriellen Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik . Dieser hat jedoch wegen des Sachzusammenhangs den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gebeten, die Finanzierung des Wirtschaftswegebaues im Zonenrandgebiet mit den beteiligten Ressorts abzustimmen.Zu Frage 3:Der Ersatz von Schäden, die von den. Streitkräften verursacht werden, erfolgt nach Richtlinien, die der Herr Bundesminister der Finanzen herausgegeben hat und nach denen die Schäden aus Anlaß von Überwachungsfahrten wie Manöverschäden zu behandeln sind. Schäden, die beim Grenzstreifendienst vorn Bundesgrenzschutz oder dem Zollgrenzdienst verursacht werden, sind nach allgemeinen wegerechtlichen Grundsätzen dann zu ersetzen, wenn sie bei Überschreitung der zulässigen wegerechtlichen Nutzung verursacht sind.Wir kommen zu der Frage VI/4 des Herrn Abgeordneten Mertes:Wie beurteilt die Bundesregierung das Ergebnis der Untersuchung des amerikanischen Instituts für Informationsfreiheit an der Universität von Missouri, wonach in der Reihe der Länder, in denen die Presse die größte Freiheit genießt, die Bundesrepublik. Deutschland erst an zehnter Stelle steht?
Die von Ihnen erwähnte Untersuchung ist der Bundesregierung nur durch eine Pressemeldung bekannt, die lediglich über das Ergebnis berichtet hat. Auch der Deutsche Presserat und namhafte Institute der Zeitungswissenschaft in der Bundesrepublik verfügen nicht über eingehendere Informationen.
Es läßt sich daher im Augenblick nichts darüber sagen, wie das Ergebnis dieser Untersuchung zu beurteilen ist. Für ein solches Urteil wäre es erforderlich, zu wissen, von welcher Begriffsbestimmung die Untersuchung ausgeht und welche Bewertungsmaßstäbe sie zugrunde gelegt hat. Es sind alle Schritte eingeleitet, um die Untersuchung sobald wie möglich im Wortlaut zu erhalten.
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, wenn die Untersuchung vorliegt, vielleicht einmal das Pressewesen in den Niederlanden zu studieren, das ja nach dem Ergebnis dieser Untersuchung an erster Stelle steht, um dann eventuell für das deutsche Pressewesen Verbesserungsmöglichkeiten zu finden?
Ich komme im Zusammenhang mit der Beantwortung der beiden anderen Fragen zu einer zustimmenden Äußerung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Minister, ist es nicht so, daß wir in dieser Untersuchung deshalb an zehnter Stelle stehen, weil wir Staatsschutzbestimmungen haben, die — jedenfalls in Amerika — den Vorstellungen von Freiheit nicht gerecht werden?
Ich möchte das zurückweisen. Ich darf noch einmal, feststellen, daß die Bewertungsmaßstäbe und die Untersuchung
selbst unbekannt sind. Ich weiß nicht, ob sie Ihnen bekannt sind, Herr Kollege.
— Wir haben auch nur das Ergebnis, und ich glaube, Sie sind damit einverstanden, daß wir zunächst die Untersuchung selbst abwarten. Ich bin dann gern bereit, weiter darüber zu berichten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Würde es die Bundesregierung begrüßen, wenn eine deutsche Fakultät oder deutsche Wissenschaftler ähnliche Untersuchungen mit europäischen Maßstäben durchführen würden?
Ich würde das sehr begrüßen. Ich komme bei der Beantwortung der beiden anderen Fragen darauf zurück.
Ich rufe die Fragen VI/5 und VI/6 des Herrn Abgeordneten Mertes auf:
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus dem Jahresbericht des internationalen Presseinstituts in Zürich zu ziehen, wonach die Zukunft vieler Zeitungen in westlichen Ländern ebenso wie die Pressefreiheit selbst durch wirtschaftliche Konzentration und Monopolisierung gefährdet ist?
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung angesichts der jüngsten Ereignisse im deutschen Pressewesen über das Fortbestehen einer mannigfaltigen und unabhängigen Presse in unserem Lande?
Bitte, Herr Bundesminister!
Ich möchte die beiden Fragen zusammen beantworten. Auch der Bundesregierung ist selbstverständlich bekannt, daß sich die wirtschaftliche Lage vieler deutscher Zeitungen wesentlich verschlechtert und dadurch der Zug zur Konzentration verstärkt hat. Ob nun der gegenwärtige Stand der Konzentration der deutschen Presse und die erkennbaren Entwicklungstendenzen die Pressefreiheit ernsthaft gefährden, wird untersucht werden müssen.
Die Bundesregierung wird daher schon in Kürze eine unabhängige Sachverständigenkommission einsetzen, die die erforderlichen Unterlagen möglichst vollständig und zuverlässig beschafft und zugleich auch — falls erforderlich — konkrete Lösungsmöglichkeiten vorschlägt.
Die Bundesregierung sieht nach wie vor in einer unabhängigen Presse eine entscheidende Voraussetzung für die freiheitliche Gesellschaftsordnung nach den Grundsätzen unserer demokratischen Verfassung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Bundesminister, sieht die Bundesregierung eine Gefahr darin, daß nach Pressemeldungen neben über 30 % der Tageszeitungen 89 % der überregionalen Zeitungen und 85 % der
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3918 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Mertesaktuellen Sonntagszeitungen von einem Pressekonzern beherrscht werden?
Es wird eine der wesentlichen Aufgaben dieser Kommission sein müssen, zunächst festzustellen, inwieweit hier solche Gefahren zu sehen sind, und dann kommen wir zur Therapie.
Ist die Bundesregierung bereit, grundsätzlich einmal zu untersuchen, welche Regelungen in anderen Staaten getroffen wurden, um die Pressefreiheit zu schützen?
Ich halte das für ein solches Untersuchungsergebnis für unerläßlich. Ich bin also dazu bereit.
Herr Blumenfeld zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich fragen, ob Sie bei der von Ihnen soeben angekündigten Kommission auf den Erfahrungen fußen wollen, die eine von der Bundesregierung in der 4. Legislaturperiode eingesetzte Untersuchungskommission erarbeitet hat, aber noch nicht dem Bundestag vorgelegt hat, ober ob Sie an eine ganz neue Kommission denken.
Ich denke daran, daß alle bisherigen Untersuchungen und Erfahrungen verwertet werden.
Herr Abgeordneter Blumenfeld zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich fragen, wann Sie den ersten Bericht dieser vor rund zweieinhalb Jahren eingesetzten Kommission erwarten, damit sich auch der Bundestag darüber eine Meinung bilden kann.
Es ist mir gesagt worden, daß dies im nächsten Halbjahr möglich sein wird. Mir schwebt aber eine Kommission anderen Charakters vor, die in die Zukunft hinein arbeiten soll.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordnete Moersch.
Herr Minister, können Sie sicherstellen, daß bei den Untersuchungen der Begriff der Pressefreiheit klar definiert wird, einmal als Meinungsfreiheit, zum anderen aber auch als Informationsfreiheit, d. h. als Freiheit des Bürgers, sich so umfassend wie möglich selbst zu informieren?
Meine Vorstellungen von Pressefreiheit sind so weitgehend, daß ich hoffe, daß es gelingt, sie im Rahmen der
Grundgesetzbestimmungen gesetzlich oder in Verordnungen zu verankern, falls es notwendig sein sollte.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Moersch.
Sind Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß bei der Informationspolitik der Bundesregierung, was auch zur Informationsfreiheit gehört, keine Unterschiede — um die Verfassung zu zitieren — nach Rang, Stand und politischer Zugehörigkeit gemacht werden?
Mir ist nicht bekannt, daß die Bundesregierung je so verfahren wäre.
Es ist so.
Das ist eine Behauptung, die ich im Augenblock nicht nachprüfen kann.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß in weiten Teilen der Bundesrepublik, örtlich gesehen, einzelne Zeitungen ein Nachrichten- und Mitteilungsmonopol haben, und kann die Bundesregierung von sich aus die Initiative ergreifen, um diese Entwicklung zu stoppen?
Ich sagte, daß es die Aufgabe dieser Kommission sein wird, diese Entwicklung zu analysieren und dann Vorschläge zu unterbreiten, was zu tun ist.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß in den letzten Monaten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten gerade bei der Heimatpresse einen unerhörten Niederschlag gefunden haben, daß der Rückgang der Anzeigen das erwartete Maß weit überschritten hat?
Das ist mir bekannt. Ich habe das in meiner Antwort an den Herrn Kollegen Mertes vorhin schon ausgeführt.
Ich rufe auf die Frage VI/7 des Herrn Abgeordneten Genscher:Wie stellt die Bundesregierung sicher, daß sich bis zur Verabschiedung einer deutschen Notstandsgesetzgebung auch die Alliierten bei der Ausübung der Vorbehaltsrechte nach Artikel 5 Absatz 2 des Deutschlandvertrages der Eingriffe in Grundrechte enthalten und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie die Funktionsfähigkeit ihrer Organe achten?Ich weiß nicht, ob der Abgeordnete Genscher damit einverstanden ist, daß seine drei Fragen zu-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3919
Vizepräsident Dr. Mommersammen beantwortet werden. — Gut, wir werden sie einzeln behandeln.
Nach aller Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Alliierten gehe ich davon aus, daß die Alliierten bei Ausübung ihrer Vorbehaltsrechte bemüht sein werden, etwaige Eingriffe in die Grundrechte und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der Funktionsfähigkeit ihrer Organe auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Auch würde .die Bundesregierung selbstverständlich bei der vertraglich vorgesehenen Konsultation auf die Alliierten in diesem Sinne einwirken.
Nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages sind die Alliierten bei Ausübung ihrer Vorbehaltsrechte aber nicht an das Grundgesetz und die sonstige Rechtsordnung der Bundesrepublik gebunden, unbeschadet der Schranken, die sich aus den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts und den in allen rechtsstaatlichen Demokratien gültigen Grundprinzipien ergeben. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß eine Verpflichtung zu der erwähnten Konsultation der Bundesregierung nicht besteht, wenn die militärische Lage eine solche ausschließen würde. Aus diesen Gründen kann die Bundesregierung eine Garantie im Sinne der Frage nicht geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Genscher.
Sollte sich die Bundesregierung nicht bei den verbündeten Regierungen darum bemühen, eine generelle Garantie dieser Art zu erzielen, was um so leichter sein sollte, als die drei verbündeten Regierungen für ihre eigenen Staaten die gleichen rechtsstaatlichen Grundsätze in Anspruch nehmen, die wir auch bei uns im Grundgesetz niedergelegt haben?
Das wird sich sicherlich nur durch die baldige Verabschiedung einer praktikablen deutschen Notstandsverfassung völlig regeln lassen, die den Fragenkreis der alliierten Vorbehalte endgültig und restlos ablöst.
Herr Genscher zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, teilen Sie die Auffassung, daß die Vorbehaltsrechte, wenn man sie überhaupt noch als bestehend ansieht, ausschließlich im Fall des äußeren Notstandes zur Anwendung kommen können?
Sie gelten nur für den äußeren Notstand.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Barzel.
Herr Minister, sind Anregungen dieser Art, wie sie soeben hier zu hören waren, in der Zeit gemacht worden, in der die Kollegen der FDP der Bundesregierung angehörten?
Die verehrten Kollegen der FDP sind über alle diese Fragen seit Anfang bis ins Detail hinein informiert.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Bundesminister, nachdem soeben der Kollege Genscher Zweifel über die völkerrechtliche Fortgeltung der alliierten Vorbehaltsrechte aus Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages geäußert hat, darf ich Sie fragen, ob die Kollegen der FDP zu der Zeit, als sie der Bundesregierung angehörten, Ihnen jemals solche Zweifel zur Kenntnis gebracht haben?
Nein, weder im Plenum noch in dem Zwölferrat, dem verantwortliche Herren der Fraktion der Freien Demokraten angehören.
Darf ich die Zusatzfrage stellen, ob solche Zweifel vielleicht im Bundeskabinett angemeldet worden sind.
Ich kann mich nicht erinnern.
Eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Minister, ist es nicht so, daß sich die alliierten Vorbehaltsrechte nur auf den Schutz der stationierten Streitkräfte beziehen.
Natürlich, Schutz der alliierten Streitkräfte nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Busse.
Herr Minister, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie meinten, die Vorbehaltsrechte der Alliierten bezögen sich lediglich auf den Fall des äußeren Notstands?
Ja.
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3920 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Wie bringen Sie es dann damit in Einklang — wenn ich weiter fragen darf, Herr Präsident —, daß diese Rechte zur Zeit ausgeübt werden?
Verzeihen Sie, sprechen Sie jetzt von Art. 10?
Von den Vorbehaltsrechten der Alliierten.
Meine Damen und Herren, das muß jetzt getrennt werden. Ich habe nur die alliierten Vorbehaltsrechte auf Grund des Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages erwähnt. Ich bitte doch, daß wir hier die Basis der Diskussion nicht verlassen. Selbstverständlich gelten für Art. 10 des Grundgesetzes andere Bestimmungen, die bisher nicht erörtert wurden und die wir — darüber haben wir, Herr Kollege Busse, in dem Gremium gesprochen — zusammen mit der Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages durch das Durchführungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes regeln wollen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Minister, wären Sie bereit, den Kollegen der FDP noch einmal eine Gesamtzusammenstellung der Debatten bei der Verabschiedung der Verträge, insbesondere der Debatten vom 24. Februar, mit den Ausführungen der Sprecher der Freien Demokraten zu dem Gesamtkomplex, der jetzt von der Fraktion der FDP in Frage gestellt worden ist, zuzuleiten?
Ich bin dazu gern bereit. Das wird die Aussprache sicherlich etwas erleichtern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Minister, hat die Überstellung des Manegedirektors des sowjetischen Staatszirkus zur Vernehmung an ausländische Vernehmungsbehörden etwas mit der Durchführung der Vorbehaltsrechte der Alliierten jetzt zu tun?
Nein.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dorn.
Können Sie mir sagen, Herr Minister, auf Grund welcher Vereinbarungen, die von der Bundesregierung getroffen worden sind, solche Überstellungen erfolgen?
Ich bin im Augenblick überfragt. Ich werde Ihnen dazu eine schriftliche Antwort geben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die nächste Frage des Abgeordneten Genscher, die Frage VI/8, auf:
Wie stellt die Bundesregierung sicher, daß bis zur Verabschiedung einer deutschen Notstandsgesetzgebung bei der Ausübung der alliierten Vorbehaltsrechte nach Artikel 5 Absatz 2 des Deutschlandvertrages etwa mitwirkende deutsche Behörden in jedem Fall der Kontrolle durch die deutschen parlamentarischen Körperschaften — Bundestag, Landtage und kommunale Vertretungen — unterworfen bleiben?
Bitte, Herr Minister!
Die Ausübung der Vorbehaltsrechte der drei Mächte nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages kann die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik nur so weit verdrängen, wie die Befugnisse der drei Mächte reichen. Im übrigen bleiben also die Rechte-und Verantwortlichkeiten, insbesondere auch die Kontrollbefugnisse der gesetzgebenden Körperschaften erhalten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Genscher.
Teilen Sie die Meinung, Herr Bundesminister, daß die Mitwirkung deutscher Behörden bei der Ausübung nicht geschehen muß, sondern nur geschehen kann?
So ist die derzeitige Rechtslage.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, ist es Ihnen möglich, dem Herrn Kollegen Genscher noch einmal aus dem Bericht des Berichterstatters anläßlich der Verabschiedung der Verträge den Passus zuzuleiten, daß die Alliierten bestimmte Zusagen in bezug auf die Konsultation der Bundesregierung in solchen Fragen gemacht haben?
Es steht im Vertrag; aber ich bin auch dazu gern bereit. Ich bedanke mich für die Anregung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ertl.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß sich seit der Verabschiedung der Verträge Erhebliches verändert hat und daß es längst Zeit wäre, daß man auch unter der veränderten Situation die Vorbehaltsrechte nachprüft?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3921
Ich bin allerdings dieser Meinung und bemühe mich, seit ich mein Amt übernommen habe, mit Nachdruck darum, daß diese alliierten Vorbehalte durch praktikables deutsches Notstandsrecht ergänzt werden. Ich darf Sie auch weiterhin um Ihre bisherige gute Unterstützung bitten.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ertl.
Gilt Ihre Bitte auch Ihrem neuen Koalitionspartner SPD?
Ich habe mit dem neuen Koalitionspartner SPD schon vor Bestand dieser Koalition eingehende Gespräche über die Verabschiedung einer praktikablen Notstandsverfassung gehabt und kann bei dieser Gelegenheit vielmehr einige Irrtümer richtigstellen: Die Sozialdemokratische Partei war ohne diese Koalition bereit, einer praktikablen Notstandsverfassung zuzustimmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, könnten Sie dem Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen die Unterlagen darüber geben, daß damals bei der Verabschiedung dieser alliierten Vorbehaltsrechte nicht daran gedacht gewesen sein konnte, daß im Jahre 1967 offensichtlich auf Grund solcher Vorbehalte beispielsweise ein russischer Manegedirektor fremden, amerikanischen Untersuchungsbehörden überstellt werden würde?
Das ist nicht auf Grund der alliierten Vorbehaltsrechte erfolgt. Ich bitte noch einmal, das zur Kenntnis zu nehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Bundesminister, ist es richtig, daß sich bis in den November des letzten Jahres hinein alle Fraktionen dieses Hauses darüber einig waren, daß eine Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte aus Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages nur in Betracht käme, wenn es gelingt, durch eine funktionsfähige deutsche Notstandsverfassung das Grundgesetz zu ergänzen?
Das ist richtig. Gleichzeitig darf ich noch einmal erwähnen, daß für mich zu diesem Fragenkreis auch die Verabschiedung des Gesetzes nach Art. 10 des Grundgesetzes gehört. Das führte vorhin zu einer kleinen Verwirrung; ich darf es noch einmal klarstellen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zoglmann.
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Äußerung, daß Sie durch eine deutsche Notstandsgesetzgebung diesen Komplex ergänzen wollen, entnehmen, daß die bisherige Argumentation, eine deutsche Notstandsgesetzgebung solle die alliierten Vorbehaltsrechte ablösen, nicht mehr zutrifft?
Ich habe offen gestanden die Frage nicht verstanden. Wegen der Bedeutung des Themas erlauben Sie mir bitte, daß ich sie schriftlich beantworte. — Ich habe nicht verstanden, was Sie meinen.
Herr Minister, darf ich Sie noch einmal darauf hinweisen: Sie haben soeben hier gesagt, daß Sie durch eine deutsche Notstandsgesetzgebung diesen ganzen Fragenkomplex ergänzen wollen. Darf ich daraus entnehmen, daß die bisherige Argumentation, eine deutsche Notstandsgesetzgebung solle die alliierten Vorbehaltsrechte ablösen, nicht mehr zutrifft?
So einfach können Sie es nicht einmal mit mir machen, Herr Kollege.
Ich habe mich sicher im Gedränge der Fragestunde unklar ausgedrückt und darf es noch einmal so formulieren: Die alliierten Vorbehalte sollen durch ein praktikables deutsches Notstandsrecht abgelöst werden.
Herr Minister, ich darf aber daran erinnern, daß Sie wörtlich gesagt haben, es solle ergänzt werden. Das würde bedeuten, daß die alliierten Rechte bestehenbleiben.
Sie sollen abgelöst werden. Das habe ich so oft geschrieben und gesagt. Es ist gut, daß Sie die Fragen gestellt haben. Es geht darum, die alliierten Vorbehaltsrechte einschließlich des Komplexes des Art. 10 des Grundgesetzes — Post- und Fernmeldegeheimnis — abzulösen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Minister, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie sich mit den Sozialdemokraten darüber einig sind, jetzt eine praktikable Notstandsgesetzgebung durchzuführen, und darf ich das so auslegen, daß Sie nunmehr zu der Überzeugung gekommen sind — die die Sozialdemokraten schon vor der letzten Bundestagswahl vertreten haben —, daß die damals vorgelegte Notstandsregelung nicht praktikabel war?
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3922 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Ich habe vorhin erklärt, daß ich vor Bildung der Koalition mit den Sozialdemokraten mit diesen darüber einig war, daß eine praktikable Notstandsverfassung verabschiedet werden soll. Ich wollte damit dartun, daß es nicht erst der jetzigen Koalitionsbildung bedurft hat. Ich hoffe im übrigen, daß die Freien Demokraten bei dem bleiben, was sie sieben Jahre lang in der Regierung und hier im Parlament zu dieser Frage vertreten haben, und ich bitte Sie um Ihre Mitarbeit.
— Ich bitte Sie wirklich ernsthaft um Ihre Mitarbeit bei der Regelung dieser für unser Volk so wichtigen Frage.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Benda.
Herr Minister, würden Sie mir bestätigen, daß seit mindestens 1961 bis eigentlich zum heutigen Tage die Bundesregierung, wie immer sie zusammengesetzt war, und alle drei Fraktionen dieses Hohen Hauses sich darüber vollkommen einig waren, daß der Fortbestand der alliierten Vorbehaltsrechte nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschland-Vertrages Unzuträglichkeiten mit sich bringt und daß insbesondere auch aus diesem Grunde — zwar nicht ausschließlich aus diesem Grunde, aber insbesondere auch aus diesem Grunde — sobald wie möglich eine rechtsstaatliche, freiheitliche und praktikable Notstandsverfassung durch unsere gemeinsamen Bemühungen in Kraft treten sollte?
Ich möchte das voll bestätigen.
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist eigentlich abgelaufen. Wir haben aber noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Genscher zu demselben Fragenkomplex. Wollen wir sie noch nehmen?
— Dann rufe ich die Frage VI/9 des Abgeordneten Genscher auf:
Hält die Bundesregierung den Fortbestand der alliierten Vorbehaltsrechte nach Artikel 5 Absatz 2 des Deutschlandvertrages weiterhin für vereinbar mit den deutschlandpolitischen, außenpolitischen und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Vorbehaltsrechte der Drei Mächte sobald wie möglich und vollständig abgelöst werden sollen. Für die Ablösung bedarf es nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages der Verabschiedung einer deutschen Notstandsverfassung. Die Bundesregierung hat dies wiederholt vor diesem Haus erklärt und hat dabei in dankenswerter Weise die Zustimmung der Sprecher aller Fraktionen gefunden. Die Bundesregierung ist bemüht, den neuen Entwurf der Notstandsverfassung in Kürze den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen.
Keine Zusatzfrage. Dann sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich erteile Herrn Genscher das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben gestellten und beantworteten Fragen haben allgemeines und aktuelles Interesse. Ich beantrage deshalb mit ausreichender Unterstützung eine Aktuelle Stunde.
Ich frage, ob der Antrag von 30 anwesenden Abgeordneten unterstützt wird. — Das ist der Fall. Dann treten wir ein in die
Aktuelle Stunde.
Herr Genscher, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht in diesem Hohen Hause, wie auch durch die Fragestellung von Vertretern anderer Fraktionen dargelegt worden ist, Einigkeit darüber, daß das Grundgesetz dort, wo es nicht ausreicht, dem Fall der Not zu begegnen, ergänzt werden soll. Wir sind uns auch einig darüber, daß es wünschenswert ist, diese Regelung für den Fall der Not auf Grund deutschen Rechts und nicht mit Autorität alliierter Vorbehaltsrechte zu treffen. Ich glaube, es sollte hier auch Übereinstimmung darüber bestehen, daß Grundgesetzänderungen für alle diese Bereiche auch für den Fall der Not nur das äußerste Mittel sein dürfen und daß sie in keinem Fall den Wesensgehalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung antasten dürfen.Aber die Regelung der Vorbehaltsrechte, Herr Kollege Schmitt, die ich gar nicht in Zweifel gezogen habe, sondern die ich in meiner Fragestellung nur angerührt habe, besteht schon sehr lange. Die Fortdauer der Vorbehaltsrechte seit 1954 bis jetzt ist wesentlich länger, als man das zunächst vorausgesehen hatte.Es geht also bei dieser Aussprache um die Auswirkung der Vorbehaltsrechte, gar nicht um deren Ablösung, sondern es geht um ihre Anwendung, und zwar um ihre rechtsstaatliche Anwendung.
Diese Inanspruchnahme der Vorbehaltsrechte durch die drei verbündeten Regierungen ist in jüngster Zeit zusätzlich und für uns, vor allen Dingen für unsere Sicherheits- und Deutschland-Politik, bedauerlicherweise belastet durch eine nicht mehr vorhandene Übereinstimmung der alliierten Sicherheitspolitik. Ich glaube, auch hier wird deutlich, daß der gegenwärtige Rechtszustand mehr als unbefriedigend ist.Was wir wünschen, ist, daß die Bundesregierung über die Erfahrungen bei Konsultationen hinaus in einer Vereinbarung mit den Alliierten feststellt und sicherstellt — und das ist trotz der gegebenen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3923
GenscherVertragslage möglich oder, ich möchte geradezu sagen, im Sinne dieser Verträge —, ,daß Grundrechte, Verfassungsmäßigkeit und Funktionsfähigkeit ,der Verfassungsorgane nicht angetastet werden.Meine Damen und Herren, wenn Sie fragen, warum das Thema der Vorbehaltsrechte jetzt und hier angerührt wird, so sage ich Ihnen: Wir nehmen für uns in Anspruch, was auch die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion für sich in Anspruch nehmen, daß wir die Fragen ,der Notstandsgesetzgebung unabhängig davon beurteilen und behandeln, ob wir Mitglied einer Bundesregierung sind oder nicht.
Aber die Diskussion über die Notstandsgesetzgebung und über die Vorbehaltsrechte hat insofern eine Belastung erfahren, als Veröffentlichungen, teils richtig, teils übertrieben, in der Presse über die sogenannten Schubladengesetze bekanntgeworden sind. Sie wissen, daß nicht alle Stellungnahmen zu dieser Frage nur von der Sorge um den Rechtsstaat getragen waren. Wir sind der Meinung, daß die hier bei vielen Bürgern unseres Landes entstandene ehrliche Besorgnis am besten in der Weise beseitigt werden kann, daß alle diese Vorschriften, soweit sie in den Bereich der Gesetzgebung eingreifen, in dieses Hohe Haus, in den ordentlichen Gesetzgebungsgang gebracht werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Geben Sie diese Vorlagen heraus! Diese Schubladenentwürfe gehören auf den Tisch. Wir möchten sicherstellen, daß jeder Bürger übersehen kann, welche Maßnahmen auch unter dem gegenwärtigen Rechtszustand für den Fall der Not vorgesehen sind. Nur unter diesem Gesichtspunkt wird es möglich sein, auch die Diskussion über eine deutsche Notstandsgesetzgebung in der sachlichen und verantwortungsvollen Weise zu führen, die wir alle wünschen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den Aufsatz des Kollegen Genscher in der „fdk" gelesen und seine heutige Rede gehört hat, muß allerdings sagen: das war ein Rückzug auf die bisherige Linie in voller Breite. Insofern sind wir von dem bisherigen Verlauf der Aktuellen Stunde befriedigt.
Denn die Übereinstimmung in den Grundfragen, die zweifelhaft geworden war, ist von ihm heute hier bestätigt worden. Insofern sind wir mit diesem ersten Ergebnis voll und ganz einverstanden.
Zweitens. Herr Kollege Genscher, Sie haben sich um die Anwendung der alliierten Vorbehaltsrechte Gedanken gemacht. Eine berechtigte Frage, eine Frage, die uns ja auch dazu führt, daß wir diese Rechte ablösen wollen. Das ist mit der Druck, der hier hinter uns steht. Die Vertragstexte und der Briefwechsel mit der Bundesregierung machen aber
deutlich: die Verfassungsorgane der Bundesrepublik können nicht angetastet werden. Wir hoffen und wünschen, daß der Herr Minister hierzu vielleicht noch einige weitere Erläuterungen gibt.
Ich darf aber in diesem Zusammenhang erneut an das Wort des Kollegen Erler erinnern, der hier einmal mit Recht gesagt hat: „Die jetzige Notstandsregelung ist die schlechteste, die es gibt, weil sie auf unbeschränkten alliierten Vollmachten beruht.
Nun haben Sie, Herr Kollege Genscher, hier zu dem Problem „Schubladengesetze" Stellung genommen. Wir hatten am 26. Oktober in diesem Hause eine eingehende Diskussion über diese Frage. Damals haben alle Fraktionen übereinstimmend den Willen bekundet, diese Gesetze bis auf jenen kleinen Rest, über den auch Übereinstimmung bestand, im ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden. Es besteht kein Grund, hier — wie man das so oft draußen gehört hat — das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat durch den Herrn Bundesinnenminister vor wenigen Tagen dazu eine klare und eindeutige Stellungnahme abgegeben. Danach wird der gesamte Gesetzgebungskomplex überarbeitet und die Zahl der Gesetze stark verringert. Es besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß der Bundesinnenminister so schnell wie möglich dieser von ihm selbst übernommenen Verpflichtung nachkommen und die Unterlagen dem Hohen Hause zuleiten wird. Auch insoweit, Herr Kollege Genscher, befinden wir uns heute wie schon am 26. Oktober und in den früheren Debatten alle in Übereinstimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis zu Beginn dieser Aktuellen Stunde habe ich mich vergeblich gefragt, was denn an ihr eigentlich so besonders aktuell ist.
So ganz sehe ich es immer noch nicht, Herr Kollege Genscher; denn das, was die FDP-Fraktion uns nun hier ein wenig mit Zirkusluft, mit etwas Manegenzauber angereichert als neueste Erkenntnis vorträgt, wissen wir doch alles seit Jahren. Das ist doch gar nicht neu. Es ist schon auf die Debatten in diesem Hohen Hause aus Anlaß der Verabschiedung, der Ratifizierung des Deutschlandvertrages hingewiesen worden. Da können Sie das alles nachlesen. Da hat es dieselben Probleme schon in der Vorschau gegeben. Da haben wir — ich weiß nicht, in wieviel — —
— Herr Schmitt-Vockenhausen, meine Zeit ist ganz kostbar; ich ringe um jede Sekunde. Lassen Sie mich jetzt weiterreden!
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3924 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
BendaDamals in den Diskussionen, in der Vorausschau auf die Zukunft, ist natürlich mit Recht schon gesagt worden, daß es Probleme geben werde; denn der Rechtszustand war so, wie er damals geschaffen war, besser als der Rechtszustand im Hinblick auf das Besatzungsrecht, das vorher bestand. Aber er war doch nicht voll befriedigend. Insbesondere im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 ist dem deutschen Gesetzgeber eine Aufgabe gestellt worden. Herr. Kollege Genscher, Sie sagen, es gehe nicht um die Ablösung, sondern um die — wie Sie meinen — richtige Anwendung des Deutschlandvertrages. Das verschiebt jedoch das Problem.
— Kollege Genscher, die ganzen Beschwernisse, über die Sie — teilweise mit Recht — klagen, kann ich jetzt im einzelnen nicht untersuchen, weil mir dafür einfach die Zeit fehlt. Zu Ihrem „Zirkus-Vorgang" haben Sie eine sehr konkrete Erklärung des zuständigen Herrn Ministers bekommen, und daran sollten wir uns jetzt einmal halten. Im übrigen kann ich dazu nichts sagen; mir ist der Vorgang nicht bekannt.
Aber alle diese Probleme werden in dem Moment beseitigt sein, in dem der deutsche Gesetzgeber das tut, was er bei Verabschiedung des Deutschlandvertrages in Aussicht gestellt hat: daß er nämlich eine eigene Gesetzgebung schafft und dadurch dann automatisch, wenn diese Regelung ausreichend und praktikabel ist, den Art. .5 Abs. 2 — wie hier schon gesagt worden ist — und die darin enthaltenen Vorbehaltsrechte ablöst.Meine Damen und Herren, das liegt allein in unserer Hand, und wir sollten so schnell wie möglich an diese Arbeit gehen. Ich hoffe, daß die FDP dieser Frage keine Aktualität dadurch gibt, daß sie ihren Standpunkt ändert, sondern daß sie wie bisher mit uns zusammenarbeitet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Benda hat gesagt, wir hätten eine Antwort auf die Frage bekommen, die wir zur Überstellung des Manegendirektors an einen ausländischen Nachrichtendienst gestellt haben. Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Benda, der Herr Innenminister hat erklärt, er könne diese Frage nicht beantworten; er wolle das schriftlich nachholen. Ich habe Verständnis dafür.
Aber wenn Sie meinen, diese Antwort sei eine Sachantwort auf unsere Frage, so muß ich Sie enttäuschen.Nun zur Frage nach der Aktualisierung dieses Problems. Natürlich ist dieses Problem aktuell zu einem Zeitpunkt, da zwei Mitglieder dieser Bundesregierung innerhalb einer Woche zwei völlig widersprüchliche Aussagen zu dieser Angelegenheit machen. Der Bundesjustizminister Dr. Heinemann hat erklärt, alle bisherigen Entwürfe der Notstandsgesetzgebung seien im Papierkorb gelandet; es würde eine lange Zeit der Vorbereitung und Beratung notwendig sein, bis das Parlament sich mit dieser Frage befassen könne. Der Bundesinnenminister hat zum gleichen Zeitpunkt, als wir diese Frage aufgegriffen haben, erklärt, er werde spätestens im Februar dem Kabinett die entsprechenden Entwürfe zuleiten, so daß sich das Parlament mit dieser Frage befassen könne. Meine Damen und Herren, wenn das für Sie kein aktueller Anlaß ist, daß diese Problematik hier diskutiert werden muß, müssen Sie allerdings uns als Opposition zugestehen, daß wir durchaus daran interessiert sind, zu erfahren, was die Bundesregierung wirklich zu tun gedenkt, um die alliierten Vorbehaltsrechte abzulösen.
Lassen Sie mich hier ein sehr offenes Wort sagen, Herr Bundesinnenminister. Was ist seit dem Sommer 1965 geschehen, als in der Frage der Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte von Ihrem Hause Verhandlungen geführt worden sind?
Wir sind seit diesem Zeitpunkt nicht mehr darüber informiert worden. Wir waren damals — im Gegensatz zu den Kollegen der SPD-Fraktion — der Meinung, wir sollten wenigstens schon einmal die allgemeinen Vorbehaltsrechte ablösen lassen, um einen großen Schritt bei der Beratung und Verabschiedung der Notstandsgesetzgebung weiterzukommen. Die Kollegen der SPD haben erklärt, sie 'seien dazu nicht bereit. Nun, das ist ihre Argumentation, die wir respektieren. Sie haben gesagt, sie wollten alle, auch die speziellen Vorbehaltsrechte, abgelöst haben. Wir fragen Sie, Herr Innenminister, nunmehr: sind seit dem Sommer 1965 weitere Verhandlungen geführt worden, um die Ablösung der allgemeinen und der speziellen Vorbehaltsrechte zu erreichen?Lassen Sie mich auch dazu ein Wort sagen. — Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich bin nicht bereit, mich hier unterbrechen zu lassen, weil ich genau wie die anderen Kollegen unter einem gewissen Zeitdruck stehe.Über die Problematik der Schubladengesetze will ich mich jetzt hier nicht auslassen. Nur über eines müssen wir uns klar sein. Diese Schubladengesetze sind inzwischen nicht nur im Verteidigungsbuch der Bundesregierung enthalten. Sie sind ja auch zum Teil durch Ostberliner Dienststellen veröffentlicht worden. Und sie sind zum großen Teil als Schubladengesetze bis in die Kreise und Gemeinden hinein verlagert worden: Wenn also jetzt ein Notstandsfall einträte, würden diese Gesetze angewandt werden, obwohl ein Gesetzgebungsakt bisher nicht zustande gekommen ist. Wir meinen, Herr Bundesinnenminister, daß eine Regierungsstelle oder Behörde nicht als Hilfsorgan für die Durchführung dieser Schubladengesetze der alliierten Vorbehaltsrechte außerhalb des Grundgesetzes tätig werden darf.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3925
DornWas heißt also, daß sie verlagert sind und daß sie angewandt werden können? Ist sichergestellt, daß sie nur im Rahmen des Grundgesetzes angewendet werden dürfen? Oder besteht die Gefahr, daß die alliierten Vorbehaltsrechte oder die Forderungen zur Durchführung der alliierten Vorbehaltsrechte auch außerhalb des Grundgesetzes — als Sondervollmachten auf deutsche Stellen übertragen — von diesen deutschen Stellen angewandt werden?In einer solchen Frage, die das zur Zeit gültige Notstandsrecht betrifft, von dem wir ausgehen müssen — deshalb ringen wir alle darum, eine andere Lösung zu finden —, ist für uns Freie Demokraten von entscheidender Bedeutung, daß Diskussionen, die in den letzten Tagen angeklungen sind, nicht weitergeführt werden. Sie haben nämlich den Eindruck entstehen lassen, als ob das Parlament als Ganzes eventuell aus seiner Gesamtverantwortung entlassen werden könnte und ein Teil dieses Parlaments dann die parlamentarische Kontrollfunktion über alles übernehmen sollte, was ohne Gesetzgebungsakt bisher überhaupt sichtbar geworden ist.
Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde gilt streng die Fünf-Minuten-Regel. Schon aus diesem Grunde sind Zwischenfragen nicht zulässig.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Kollege Dorn, Ihre Behauptung, daß zwischen meinen Aussagen zum Notstand und den Aussagen anderer Regierungsmitglieder ein Widerspruch bestünde, ist gekünstelt. Ich habe auf an mich gerichtete Fragen, wie ich zum Notstand stünde, immer und wiederholt lediglich geantwortet, daß sich über diese Frage erst dann diskutieren lasse, wenn präzise Vorlagen da seien.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei meinen Vorrednern von den anderen Fraktionen sind heute die Rollen etwas vertauscht. Gewöhnlich ist Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen der zornige Mann und Herr Benda der gemäßigtere. Diesmal waren die Rollen umgekehrt verteilt. Herr Kollege Benda, die Aktualität dieser Frage ergibt sich doch für uns Abgeordnete einfach daraus, daß es uns schwer fällt, die Anforderungen wegen Podiumsdiskussionen über die Notstandsfrage zu erfüllen.
— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Sie können es uns als Oppositionspartei nicht übelnehmen, daßwir aktuelle Probleme aufgreifen und nicht unter dem Tisch liegen lassen.
In Anknüpfung an die Fragestunde darf ich folgendes sagen: Herr Bundesinnenminister, die Ablösung der Vorbehaltsrechte ist in der Zwischenzeit auch von der Rechtswissenschaft sehr zur Diskussion gestellt worden. Es ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die Vorbehaltsrechte tatsächlich noch weiter bestehen. Maßgebliche Wissenschaftler sind der Auffassung, daß diese sich überholt haben. Da gibt es Überlegungen, die in der letzten Legislaturperiode noch nicht so intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.Vor allen Dingen kommt es darauf an, in welcher Weise und in welchem Geist die Vorbehaltsrechte abgelöst werden. Hier muß ich auf einen Widerspruch zu sprechen kommen. Herr Kollege Benda hatte darauf hingewiesen, der Herr Bundesinnenminister habe eindeutig geäußert, daß die Zahl der Gesetze verringert werden solle. Es liegt aber auch eine andere Äußerung vor; ich meine die Äußerung, wonach rund 80 Änderungen unseres Grundgesetzes erfolgen sollen. Wenn ich mir überlege, daß unser gesamtes Grundgesetz nur 146 Artikel hat, dann muß ich mich doch mit Sorge fragen: Was bleibt nachher von unserem Grundgesetz — vor allen Dingen vom Geist unseres Grundgesetzes — übrig?
Ich muß auch fragen, wie dann die Grundrechte gewahrt bleiben.Ich bin der Auffassung, daß auch die alliierten Vorbehaltsrechte an unser Grundgesetz gebunden sind. Auch die Alliierten können nicht über die Grundrechte, die seinerzeit ihre Billigung erfahren haben, hinweg, sondern müssen sie einhalten, und zwar so lange, wie noch keine deutsche Notstandsgesetzgebung vorhanden ist.
Dann sind auch die Erfahrungen von Fallex zu berücksichtigen. Was mich z. B. stutzig gemacht hat, womit ich in der letzten Legislaturperiode bei unseren Beratungen im Rechtsausschuß nicht gerechnet hatte, war, daß der Gemeinsame Ausschuß, während er im Bunker beriet, keine Informationsfreiheit mehr hatte; er erhielt Informationen nur noch von der Exekutive. Das ist eine unmögliche Situation, Herr Benda.
Ich halte es deshalb für notwendig, daß an Hand dieser Erfahrungen möglichst bald — auch für die Allgemeinheit und die Öffentlichkeit — die Bundesregierung klarstellt, welche Notstandsregelung sie beabsichtigt. Sie darf nicht nur dem Wortlaut des Grundgesetzes entsprechen, sondern sie muß auch dem liberalen Geist des Grundgesetzes entsprechen. Ganz wesentlich ist auch dabei der Schutz der freiheitliche Rechte unserer Bürger.
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3926 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Das Wort hat der Abgeordnete Even.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die von der FDP-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde ein höchst zwiespältiges Echo hinterlassen wird. Man fragt sich erstens, ob damit beabsichtigt war, die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer alsbaldigen Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte darzutun — sollte das die Absicht gewesen sein, dann würde ich dem lebhaft zustimmen —, oder ob zweitens etwa eine gewisse Vorbereitung der deutschen Öffentlichkeit darauf erfolgen soll — darin bestärken mich gewisse Wendungen, die Herr Kollege Dorn und Frau Kollegin Diemer-Nicolaus gebracht haben —, daß sich die FDP aus ihrer bisherigen Position in dieser Frage zurückziehen will.
Hier sind einige höchst gefährliche Thesen übernommen worden, die nicht ganz unbekannt sind.
Die Anspielung auf die Rechtswissenschaft (Zurufe von der FDP)
— ja, von in der Rechtswissenschaft vertretenen Äußerungen; Sie hätten vielleicht Herrn Professor Ridder genauer zitieren können —, die Anspielung darauf, daß durch den langen Zeitablauf die Vorbehaltsrechte der Alliierten im Deutschlandvertrag möglicherweise gar nicht mehr oder nicht mehr so gültig seien wie damals, läßt doch einiges Höchstgefährliche für die Zukunft vermuten. Ich würde es zutiefst bedauern, wenn die bisher im Hohen Hause in dieser Frage praktizierte Einigkeit durch die FDP zerbrochen werden sollte.
Herr Kollege Dorn, ich bewundere manchmal Ihren Ideenreichtum. Ich denke dabei jetzt nicht daran, daß durch Sie der Manegedirektor des sowjetischen Staatszirkus in eine Aktuelle Stunde eingeführt worden ist, sondern an das, was Sie zu der Fallex-Übung gesagt haben. Sie haben nämlich von der großen „Bunker-Koalition" gesprochen. Sie sind der Erfinder dieses Begriffs, der übrigens dann im Osten aufgegriffen worden ist.
Daß Frau Kollegin Diemer-Nicolaus Dinge aus der Fallex-Übung zitiert, an der sie überhaupt nicht teilgenommen hat, halte ich auch nicht für gut. Herr Kollege Benda wird dazu nachher noch einiges sagen. Es wird notwendig sein, die FDP einmal klar vor die Frage zu stellen, was sie nun angesichts des Problems der Notstandsverfassung eigentlich will, ob sie dartun will, daß es zur Zeit praktisch überhaupt kein Notstandsrecht gebe, weil sich das alliierte durch Zeitablauf gewissermaßen abgenutzt habe, oder ob sie darauf hinaus will, so schnell wie möglich zu einer deutschen Notstandslösung zu kommen. Dann würde sie, glaube ich, die Unterstützung des ganzen Hauses finden.
Ich wollte das noch einmal in aller Deutlichkeit herausstellen. Nach unserer Auffassung geht es bei dem deutschen Notstandsproblem um folgendes: Wir müssen erstens dafür sorgen, daß der gegenwärtige, zugegebenermaßen unerfreuliche Rechtszustand der Überlagerung des deutschen Verfassungsrechts durch altes alliiertes Recht endlich beendet wird und daß die entstandene Rechtsunsicherheit durch eine klare, saubere demokratische deutsche Notstandsverfassung abgelöst wird, die zu einer vollständigen Ablösung aller alliierten Vorbehaltsrechte führt.
Zweitens muß darauf hingewiesen werden, daß durch eine solche deutsche Notstandsverfassung der Freiheitsraum des einzelnen Bürgers nicht etwa eingeschränkt, sondern gegenüber der bisherigen Rechtslage gerade ausgeweitet werden soll. Wir sollten uns doch darüber einig sein, daß die Möglichkeiten und die Freiheitsrechte der Deutschen nach dem alliierten Notstandsrecht geringer sind, als sie es auf Grund einer deutschen Notstandsverfassung sein würden, wenn wir die vorbereitenden Beratungen, die wir hinter uns haben, zur Basis machen.
Ich bin daher der Auffassung: das Ergebnis dieser Aktuellen Stunde kann nur eine Aufforderung an uns alle sein, so schnell wie möglich eine demokratische deutsche Notstandsverfassung zu schaffen, um den bisherigen nicht in allen Punkten geklärten und für die Zukunft gerade für unser Volk und unser Parlament unerträglichen Zustand der alliierten Notstandsrechte abzulösen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn.
Es wäre für diese Diskussion außerordentlich hilfreich, wenn sich die Kollegen von der FDP-Fraktion entschließen könnten, wirklich einmal zu sagen, was sie wollen.
Ich vermag nicht zu erkennen, was der Sinn dieser Aktuellen Stunde sein soll.
Wenn es schon notwendig zu sein scheint, ,die Liebesaffären von Zirkusdirektoren oder die Hilflosigkeit in Podiumsdiskussionen anzuführen, so halte ich das nicht für eine ausreichende Begründung einer Aktuellen Stunde.
Herr Kollege Dorn hat hier gefragt: Was ist eigentlich seit Sommer 1965 geschehen? Herr Kollege Dorn, wer war denn bis November 1966 mit in der Bundesregierung?Meine Frage an Sie ist: Was haben Sie denn eigentlich getan? Was haben Sie getan, um dieFragen zu klären, die Ihnen nun plötzlich, wenige.Wochen nach der Bildung einer neuen Regierung, so aktuell und klärungsbedürftig zu sein scheinen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3927
Jahn
Oder — und dann wäre es allerdings ehrlich, das hier offen zu sagen — Sie sagen gar nicht alles, was Sie wissen, reden von ganz anderen Dingen, als Sie hier mit Worten zum Ausdruck bringen, meinen . etwas anderes. Wenn ,das der Fall ist, dann sollten Sie sagen, was Sie wissen, wovon Sie reden, wenn Sie hier ständig zum Ausdruck bringen, das Grundgesetz solle nicht gefährdet werden. Das will niemand. In den bisherigen Diskussionen ist auch nicht andeutungsweise die Rede davon gewesen, ,daß eine solche Absicht bestehe.Ich fordere Sie auf: Sagen Sie hier klar, worauf Sie mit dieser Diskussion hinaus wollen! Sagen Sie hier bitte deutlich, was Ihre Motive für diese Debatte sind! Sagen Sie hier bitte deutlich, wo Sie eigentlich selber jetzt noch stehen!Zweifel daran sind ja wohl begründet, wenn man hört, was Frau Kollegin Diemer-Nicolaus hier gesagt hat, die jetzt sogar noch die Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Ausschusses in Frage stellen will, von ,dem wir ja wohl alle, jedenfalls bis vor ein paar Wochen noch, der Meinung waren — sicherlich ist die perfekte Form noch nicht gefunden, aber abgesehen von der Verbesserungsfähigkeit in der einen oder anderen Frage, einschließlich ,der Informationsmöglichkeiten —, daß er, wenn er tätig werden muß, ein brauchbares, ein praktikables, ja, ein notwendiges Instrument zur Wahrung der parlamentarischen Kontrolle auch im Falle eines Notstandes ist.Ich habe nach dieser bisherigen Äußerung in der Aktuellen Stunde die aktuelle Sorge, ob wir auch in dieser Frage überhaupt noch über eine gemeinsame Basis verfügen. Ich fände es verdienstvoll, wenn die Antragsteller zum Abschluß dieser Stunde ein klares Wort über die Motive und die Zielsetzungen dieser Aktuellen Stunde sagten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Kollegen Jahn, dem. Kollegen Schmitt-Vockenhausen und dem Kollegen Dr. Even ist es jedenfalls gelungen, nicht zuzuhören bei der Begründung meines Kollegen Genscher und auch bei dem, was Herr Dorn hier gesagt hat.
Sie haben schlichtweg auf Grund einer schiefen Darstellung polemisiert. Sie gehen nämlich von der Notstandsgesetzgebung hier aus. Wir aber sind auch in diesen Fragen von den Veränderungen ausgegangen, die sich bei der Anwendung der alliierten Vorbehaltsrechte abzeichnen, und von den Veränderungen, die sich für uns beim NATO-Vertrag durch den Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration zweifellos ergeben müssen.
Herr Kollege Jahn, wenn Sie so abschätzig von dem Manegedirektor sprechen, dann frage ich Sie
als Jurist, ob nicht e i n Fall rechtsstaatlich ebenso
wichtig ist, wie hundert Fälle wichtig sein können.
Sie können sich das Beispiel, das Sie im Rechtsstaat brauchen, niemals wählen, sondern Sie müssen das Beispiel nehmen, das aktuell ist. Und das ist aktuell; denn hier hat uns der Bundesinnenminister die Frage nicht beantworten können, auf Grund welchen Rechts eine Überstellung erfolgt ist. Das ist doch die Frage. Diese Frage muß beantwortet werden. Denn auf diesem Hintergrund wird etwas ganz anderes sichtbar: die Absendung von streng geheimen Verordnungen und Gesetzen und Richtlinien an Länder, Gemeinden und Kreise, auf Grund deren man annehmen muß, daß, nachdem das geschehen ist, deutsche Behörden und die deutsche Exekutive, wenn die Notstandsregelung in diesem Hause nicht so ausfällt, wie sie beispielsweise den Alliierten zur Ablösung der Vorbehalte vorschwebt, an diesem Bundestag vorbei kraft alliierter Souveränität grundgesetzliche Regelungen und Grundrechte einfach außer Kraft setzen. Wenn so etwas geschieht, ist es dieses Hohen Hauses unwürdig. Es muß hier geklärt werden, ob beabsichtigt ist, auf eine demokratische, rechtsstaatliche deutsche Notstandsverfassung praktisch zu verzichten, weil es vielleicht bequemer sein könnte, sich auf Grund der alliierten Vorbehalte als Hilfsorgan zur Außerkraftsetzung von Grundrechten zu betätigen. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen. Das ist das Motiv dieser Fragen hier.
Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, daß sich seit 1955 etwas Entscheidendes geändert hat, nämlich das französische Verhalten im Bündnis. Diese Vorbehalte sind doch gemeinsam getroffen worden!
— Und Sie, Herr Schmidt, sind eingetreten. Das hat man Herrn Schmitt-Vockenhausen heute sehr wohl angemerkt. Er hat sich nämlich als Hilfstruppe des Herrn Innenministers betätigt in einer Weise, daß man fragen muß, ob er der südhessischen Bewährungskompanie in der SPD nicht mehr angehört.
Sie werden uns doch nicht verbieten wollen, daß wir diese Fragen hier aufgreifen, weil sie eben durch solche Einzelfälle aktuell geworden sind, aktuell geworden sind auch durch Fragen, die aus den Kreisen und Gemeinden gekommen sind: auf Grund welchen Rechtes z. B. derartige Schubladengesetze und -verordnungen herausgegeben wurden. Wir als Opposition haben das Recht, diese Fragen hier zu stellen. Benn es geht darum, daß nicht die parlamentarische Kontrolle von Anfang an und gewissermaßen vorsätzlich ausgeschaltet wird mit dem Hinweis, es werde anders eine Regelung nicht möglich sein. Wir legen Wert darauf, daß alles, was zur Einschränkung der Rechte deutscher Staatsbürger geschieht, auf Grund von Beschlüssen dieses Hohen Hauses geschieht und nicht auf Grund eines sehr bequemen Hinweises auf alliierte Vorbehaltsrechte,
3928 Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Moersch
die vielleicht der Exekutive das Leben erleichtern, die aber den Rechtsstaat jedenfalls nicht fördern können.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu meinem eigenen Bedauern noch einmal sprechen, weil etwas, was Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus gesagt hat, nicht unwidersprochen bleiben kann.
Ich benutze die Gelegenheit, Frau Kollegin Die-mer, zu versichern, daß ich weder aufgeregt noch zornig war. Nur kann man in fünf Minuten nicht viel sagen, wenn man nicht schnell redet. Daher mochte das so klingen, es war aber nicht so gemeint.
Wenn es jedoch etwas gibt, was mich hätte zornig machen können, dann waren es Ihre Ausführungen über die angeblich mangelhafte Information des Gemeinsamen Ausschusses während der Übung Fallex 1966. Da muß ich sagen — und das gilt für alle beteiligten Kollegen, einschließlich der Kollegen Ihrer Fraktion, die in genauso dankenswerter Weise wie alle anderen daran teilgenommen haben —: das kann einen wirklich verärgern, — um es sehr vorsichtig auszudrücken. Wir haben vom ersten bis zum letzten Tag — und das wollte ich Ihnen gesagt haben, Frau Kollegin — in vollem Umfang dafür gesorgt und uns selber durchgesetzt, daß wir alle Informationen, die für unsere Urteilsbildung und unsere Entscheidungen notwendig waren, bekommen haben.
Nachdem wir aus dem Bunker herausgegangen waren, habe ich mit dem vorher eingeholten Einverständnis aller Mitglieder dieses Ausschusses als Vorsitzender in der Pressekonferenz eine Erklärung abgeben dürfen, in der es wörtlich heißt:
Die Bundesregierung hat während der gesamten Übung den Gemeinsamen Ausschuß ständig über jede wesentliche Entwicklung der Übungslage unterrichtet und, soweit dies nach der zugrunde gelegten Verfassungslage oder wegen des besonderen Gewichts der zu treffenden Entscheidung erforderlich war, die Stellungnahme des Gemeinsamen Ausschusses erbeten....
Das andere will ich gar nicht mehr vorlesen. — Das steht in eklatantem Widerspruch zu dem, was Sie als gar nicht Beteiligte — ich weiß nicht, auf Grund welcher Information — gesagt haben.
Ich möchte annehmen, Frau Kollegin, da haben Sie eine wirkliche Informationsschwierigkeit gehabt.
Das gilt übrigens auch für den Kollegen Dorn, und ich darf die Gelegenheit benutzen, das hier einfach einmal niedriger zu hängen. Kollege Dorn hat vor
einigen Tagen vor der Presse — ich entnehme das einer Zeitung vom 14. Januar; es hat wohl in mehreren Zeitungen gestanden — die Vermutung geäußert, daß nach dem Auszug der Parlamentarier aus dem Bunker das, was er in Anführungszeichen die Schönwetterlage der NATO-Übung nannte, zu Ende gegangen sei und daß anschließend die militärische und die zivile Verteidigung völlig zusammengebrochen sei.
Herr Kollege Dorn war an den Vorbesprechungen und an der ganzen Übung beteiligt.
Er weiß — und ich sage das als Übungsvorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses —, daß die Mitglieder der Bundesregierung vor der Übung erklärt haben und daß wir selber es alle erfahren haben: Der Gemeinsame Ausschuß nimmt vom Anfang bis zum Ende in vollem Umfang an dieser NATO-Übung teil. Wir haben praktisch als letzte den Bunker verlassen, und zu diesem Zeitpunkt war die NATOÜbung nicht nur für die Bundesrepublik, sondern innerhalb der NATO beendet. Das weiß der Kollege Dorn, und alle Vermutungen darüber, was hinterher geschehen ist, sind — ich ringe nach einem parlamentarischen Ausdruck — irrig und falsch. Ich behaupte, sie sind wider das bessere Wissen des Kollegen Dorn, der dabei war, falsch aufgestellt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den Frageformulierungen unserer Kollegen von der FDP und auch den Bemerkungen, die jetzt hier in der Aktuellen Stunde gefallen sind, zugehört hat, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß entweder unsere Kollegen in der FDP selbst über das verwirrt sind, was hier zur Debatte steht, oder daß sie Verwirrung stiften oder ihren eigenen Kurswechsel ankündigen wollen.
Herr Dorn hat gesagt, es sei ein Widerspruch zwischen den Äußerungen des Justizministers Dr. Heinemann und den Äußerungen des Herrn Ministers Lücke. Der eine hat gesagt, über die alten Entwürfe wolle er nicht mehr reden, der andere hat gesagt, er werde demnächst neue präsentieren. Das ist nicht nur kein Widerspruch, sondern das paßt lückenlos ineinander.
Weiter hat Kollege Dorn gesagt, seit dem Sommer 1965 sei nichts mehr passiert. Ich habe auf meinem Tisch Protokolle, wonach Sie an Besprechungen im Zwölferrat bei Herrn Minister Lücke im Mai 1966 selbst beteiligt gewesen sind. Sie sind also informiert worden,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3929
Schmidt
Dann hat Herr Kollege Moersch gemeint, es sei inzwischen in der NATO einiges verändert. Herr Moersch, doch nicht erst seit dem Dezember 1966! Wenn wir uns fragen, was sich seit dem Dezember 1966 verändert hat, dann müssen wir antworten: daß Sie aus dieser Regierung ausgeschieden sind und nun glauben, aus dieser Sachlage, die für Sie anders ist, in der deutschen Öffentlichkeit Kapital schlagen zu müssen.Was den Manegedirektor angeht, so muß ich den Herrn Bundesinnenminister in Schutz nehmen, obwohl ich nicht im Verdacht stehe, zur „Bewährungskompanie" Hessen-Süd zu gehören. Im Gegenteil!
Sie haben in einer Zusatzfrage den Innenminister etwas gefragt, worauf er nicht vorbereitet war und wozu er die Antwort nicht parat hatte. Er hat Ihnen eine Teilantwort gegeben. Auf die erste Frage, ob das was mit den Vorbehaltsrechten zu tun habe, hat er geantwortet: Nein, damit habe es nichts zu tun. Auf die Frage, womit es denn zu tun habe, hat er gesagt: Das werde ich Ihnen noch schriftlich beantworten. — Das, was Sie hinterher gemacht haben, war nur Verdrehung, Herr Moersch!
Und nun zum Kollegen Genscher. Sie haben die Frage aufgeworfen, ob nicht vielleicht inzwischen die alliierten Vorbehaltsrechte aus dem Generalvertrag durch die Veränderung der Zustände obsolet geworden seien. In anderen Fragestellungen haben Sie erkennen lassen, daß Sie die Meinung hegen, diese Vorbehaltsrechte seien vielleicht ablösbar, und zwar im Einverständnis mit den Alliierten und ohne daß eine deutsche Grundgesetzänderung erfolge. An anderer Stelle wiederum haben Sie erkennen lassen, daß Sie es für denkbar hielten, daß man zwar die Vorbehaltsrechte aus Artikel 5 Abs. 2 teilweise ablöse, aber die Vorbehaltsrechte, die z. B. mit Post und Telefon zusammenhängen, bestehen lasse.
— Dann ist es Ihnen mit Erfolg gelungen, jedenfalls mich über das, was Sie gewollt haben, zu verwirren.
Ich habe noch eine Frage an Herrn Mende. Ich richte diese Frage auch an Herrn Bucher, und ich richte sie an alle FDP-Kollegen, die in der Regierung an der Vorbereitung von schwierigen Lagen teilgenommen und die Beschlüsse der Regierung in den letzten Jahren mitverantwortet haben. Ich frage Sie, Herr Dr. Mende, ob Sie heute über alle diese Probleme anders denken als — sagen wir — vor acht Wochen, im November des vorigen Jahres.
Sie können ja nicht anders darüber denken, denn in den Koalitionsverhandlungen mit uns im November und Dezember haben Sie kein einziges Wort darüber gesagt, daß Sie in dieser Frage Ihre Meinung ändern wollten.
Wir sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Meinung gewesen, wir könnten uns darauf verlassen, daß alle drei Fraktionen dieses Hauses im Grunde dasselbe wollten. Wenn Sie jetzt etwas anderes wollen,
dann müssen Sie sich überlegen, ob Sie nicht in Zukunft bei Notstandsdebatten von der rechten Seite des Hauses auf den äußersten linken Flügel umsiedeln wollen, Herr Dr. Mende.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Bemerkung vorab: Die Freien Demokraten haben sich bekannt und werden sich auch in Zukunft bekennen zur Notwendigkeit der Notstandsgesetzgebung. Daran ist in der heutigen Debatte von niemandem in unserer Fraktion ein Zweifel gelassen worden. Sie haben nur den Versuch gemacht, von dem eigentlichen Tatbestand, der hier diskutiert wird, abzulenken, um Ihre eigene Meinung nicht äußern zu müssen.Herr Kollege Schmidt, ich bedauere, daß Sie uns Motive unterstellen, gegen die Sie sich — mit Recht — jahrzehntelang in diesem Hohen Hause gewehrt haben.
Ich bedauere auch sehr, daß hier bei einzelnen Kollegen Angst vor der Wissenschaft besteht; denn sonst hätte der Kollege Even nicht sagen können: Sie beziehen sich auf Wissenschaftler. Als ob das etwas Schlimmes wäre! Ich kenne sehr viele in diesem Hause, die das ständig tun.
— Um welche Wissenschaftler es geht, werden Sie in der Einzeldiskussion hören.
Es ist hier behauptet worden, daß eine falsche Darstellung von dem gegeben worden sei, was in der Bunkersitzung geschehen ist. Es ist von dem Kollegen Dorn bzw. von der Kollegin Diemer-Nicolaus jedoch nur erklärt worden — und das zu Recht —, daß den Abgeordneten im Gemeinsamen Ausschuß keine Möglichkeit gegeben ist, sich im Bunker selber Informationen zu besorgen, sondern daß die Mitglieder des Ausschusses auf das angewiesen sind, was ihnen gegeben wird. Es ist doch zwischen allen Kollegen unbestritten, daß man darüber noch reden sollte, ob man hier andere Möglichkeiten finden kann.Es ist allmählich langweilig, meine verehrten Kollegen von der SPD, wenn Sie immer wieder fragen: „Aber was haben Sie gestern und vorgestern im Kabinett gesagt?" Bis zur Stunde sind dem Kabinett diese Gesetzentwürfe doch noch gar nicht zur Bera-
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3930 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Mischnicktung vorgelegt worden, weil innerhalb des ZwölferRates über die Dinge mit Ihnen diskutiert wurde und werden soll, damit Sie sich entscheiden, ob Sie endlich bereit sind, die Zweidrittelmehrheit im Hause zustande zu bringen; das war doch der Tatbestand.
Ich wäre dafür dankbar, wenn Sie sich mit uns darum bemühen würden, daß auch das, was heute mit den alliierten Vorbehaltsrechten noch möglich ist, für die Übergangszeit, bis wir gemeinsam die notwendigen Grundgesetzänderungen — aber in einem wirklich freiheitlichen Geist — hier beschlossen haben, in eine Form gebracht wird, von der wir schon heute mit gutem Gewissen sagen können, daß nichts geschieht, was mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Gehen Sie auf dieses Sachproblem endlich einmal ein und lenken Sie nicht von den Dingen ab!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn sich die große Koalition mit 468 Abgeordneten dieses Hohen Hauses so souverän und stark gegenüber einer mit 50 Mandaten vertretenen Opposition fühlt, dann verstehe ich die Erregung nicht, die Sie gegenüber dieser Opposition hier in der letzten Stunde zum Ausdruck gebracht haben.
Es gibt auch eine Erregung des schlechten Gewissens.
Ich möchte mich im Namen der Freien Demokratischen Partei gegen die Unterstellung verwahren, unseren Sorgen uni grundgesetzliche Bestände seien Motive zu unterstellen, die, Herr Kollege Schmidt, möglicherweise Veranlassung dazu geben könnten, von ganz rechts nach ganz links überzuwechseln. Ich finde, diese Art der Unterstellung ist einer parlamentarischen Ordnung und auf Grund bisherigen Verhaltens der Opposition der SPD unwürdig.
Sie haben als sozialdemokratische Opposition viele Jahre darunter gelitten, daß man Ihnen mit Ihrem Deutschland-Plan, mit Ihrer Sicherheitspolitik Motive unterstellte,
die in keiner Weise aus Ihrer Argumentation herzuleiten waren.
Versuchen Sie auch nicht in der Regierung, der
heutigen liberalen Opposition Motive zu unterstellen, die damals Ihnen unterstellt wurden und gegen die Sie sich mit Recht gewehrt haben.
Was die früheren Kabinettsmitglieder der Freien Demokratischen Partei betrifft, Herr Kollege Schmidt, so seien Sie beruhigt: in den Grundsatzfragen ist die Einstellung der Liberalen zu der Notstandsgesetzgebung unverändert. Sie werden es uns aber nicht verdenken, daß wir bei dem ständigen Ruf nach Grundgesetzänderungen Sorgen haben, daß die Neunzehntelmehrheit dieses Hauses eines Tages jene Versuchung vor sich sieht, der sie auch gegenüber dem Grundgesetz erliegen könnte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fürchte, daß der Kollege Mende mich in einem Punkte falsch verstanden hat. Wenn ich gesagt habe — —
— Na ja, es ist auch schwer, Sie richtig zu verstehen. Ich weiß nicht, ob Sie sich selber richtig verstehen, meine Herren.
Ob z. B. Herr Genscher und Herr Zoglmann sich richtig verstehen, das zweifle ich, nach den Zwischenrufen und den Zwischenfragen, die Herr Zoglmann gestellt hat — Sie werden es im Protokoll morgen lesen können —, sehr an. Aber ich will das mal offenlassen.Wenn ich gesagt habe, Sie müßten zukünftig bei Notstandsdebatten von der äußersten rechten Seite auf die äußerste linke Seite umziehen, dann habe ich damit nicht unterstellt, was Sie, Herr Dr. Mende, daraus haben machen wollen. Sie sitzen auf der äußersten rechten Seite als Demokraten. Sie würden auch auf der äußersten Linken als Demokraten sitzen, aber in Nachbarschaft solcher großen Fachleute des Notstandsrechts wie Abendroth, Ridder und anderen.
Das muß auch einmal gesagt werden.Ich habe hier einen Aufsatz in der „fdk" vor mir, den Herr Genscher unterschrieben hat.
— Ich will Sie nicht frozzeln. — Da findet sich der Satz: Die Vorbehaltsrechte der Alliierten können nicht Rechtsgrundlage für eine vorweggenommene deutsche Notstandsgesetzgebung sein. — Was soll das eigentlich heißen, „vorweggenommene"? Haben wir schon eine? Hat sie schon jemand vorweggenommen?
Oder meinen Sie die Sicherstellungsgestze, die Siemit angenommen haben? Die namentliche Abstim-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3931
Schmidt
mung steht Gott sei Dank im Protokoll. Die JaStimmen der FDP bei den Sicherstellungsgesetzen stehen im Protokoll, Herr Dr. Mende.
Was Sie wirklich wollen, Herr Genscher, müssen Sie hier mal erklären.
Ich habe den Eindruck, Sie wollen im Augenblick draußen ein Gefühl erzeugen, daß es nicht notwendig sei, .das Grundgesetz zu ergänzen, daß wir durch freundliches Reden mit .den Alliierten, von denen Sie andererseits sagen, sie seien inzwischen anderer Meinung, über das ganze Problem hinwegkommen könnten. Dann können Sie sich bei vielen Podiumsdiskussionen hinstellen und so einen schönen Eindruck machen; so glauben Sie.In Wirklichkeit nehmen wir Ihnen nichts übel, wenn Sie etwas durchdacht haben.
Wir sind auch nicht erregt über die Zwischenrufe, die Herr Genscher jetzt macht. Wenn hier jemand in diesem Hause erregt gewesen ist, dann über den sich aufdrängenden Eindruck, daß eine respektable Partei innerhalb von acht Wochen in einer so wichtigen Frage so schnell ihr Profil ändern kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage nur drei Sätze.
Erstens. Der Vorwurf, der von den Kollegen Benda und Schmitt-Vockenhausen gegen mich erhoben worden ist, ist völlig gegenstandslos.
Zweitens. Es gibt keinen Grund, Herr Kollege Benda, wider besseres Wissen hier zu behaupten, mit unserem Auszug sei die Übung, .die dort angesetzt worden ist, beendet gewesen. Nur haben wir an dem weiteren Verlauf nicht mehr teilgenommen.
Drittens. Ich habe am 7. Dezember den Bundesinnenminister und den Bundesminister für Verteidigung angeschrieben, sie möchten uns .darüber Auskunft geben, wie der weitere Verlauf der Übung, über den wir aus anderen Häusern der Bundesregierung etwas erfahren hatten, gewesen ist. Bis heute haben wir darauf keine Antwort bekommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Zu Beginn der parlamentarischen Aussprache nach der Bildung der Bundesregierung hatte die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU den früheren Koalitionspartner gebeten und eingeladen und selbst diese Einstellung hier bekundet, in den folgenden Zeiten nicht irgend etwas von dem einzureißen oder in Frage zu stellen, was
wir gemeinsam aufgebaut haben. Ich vermisse diese Haltung in dieser Debatte. Ich bedaure, meine Damen und Herren, daß statt dessen auch bei uns eine gewisse Erregung über Ihre Haltung, die auch uns nicht verständlich ist, eintreten mußte. Ich kann es nicht verstehen, daß Sie, Herr Kollege Genscher, hier drei abstrakte Fragen stellen, daß dann in der Aktuellen Stunde hier zwei ganz andere Fragen ge stellt werden, die nicht formuliert sind, und daß, wenn von unseren Kollegen von der Sozialdemokratie und uns 'selbst hier noch einmal nachgefragt wird, gesagt wird, wir verdrehten die Tatsachen. Meine Damen und Herren, nicht die Zirkus-Frage ist gestellt, sondern es sind drei abstrakte Fragen gestellt, und weil hier wirklich eine Verwirrung entstanden ist und Sie, Herr Kollege Mende, die Frage, die Herr Kollege Schmidt — des Ranges wegen mit Recht — an Sie gestellt hat, nicht beantwortet haben, frage ich Sie nur in einem Satz zusammengefaßt: Gilt noch das, was die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei im Mai und Juni des vergangenen Jahres, 1965, in der Debatte dieses Hauses zu diesen Fragen erklärt und durch Abstimmung kundgetan hat? Dies ist die Frage, auf die wir eine Antwort haben wollen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dehler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Merkwürdig, wie sehr sich durch Stimmungen die Materie, um die es geht, verdecken kann! Die Fragen meines Kollegen Genscher sind ganz eindeutig, sie gehen auf die jetzige Situation und haben gar nichts mit der Frage unserer Notstandsgesetzgebung zu tun. Deswegen ist unsere Antwort auf Ihre Frage, Herr Dr. Barzel: Wir stehen in jedem Wort zu dem, was wir bisher zur Frage der Notstandsgesetzgebung gesagt haben.
Das Problem, das wir anschneiden, ist ein ganz anderes. Lesen Sie doch noch einmal die Fragen nach! Wir leiden unter dem Zustand, daß im Augenblick in einem Ernstfall eine Notstandsgesetzgebungslage eintreten kann, die mit unserem Grundgesetz nicht im Einklang, sondern im Gegenteil im schwersten Konflikt stehen würde.
— Lassen Sie mich einmal nach den vielen bösen Worten, die Sie gefunden haben, ganz kurz sagen, worum es geht. Es ist ja nicht so einfach,-wie Herr Dr. Even die Rechtslage dargestellt hat, — das Problem, ob der Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages noch gilt. Ich will Sie nicht mit Literatur aufhalten. Lesen Sie aber nach, was der damalige deutsche Unterhändler, Professor Dr. Wilhelm Grewe, der jetzige deutsche Botschafter bei der NATO, im Bulletin am 10. November 1954 geschrieben hat, als
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Dr. Dehlerder Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages völlig neu formuliert wurde, als die Regelung von 1952, die sehr detailliert war, vom Tisch gewischt wurde. Er hat damals ausdrücklich erklärt:Durch die Streichung des gesamten bisherigen Textes des Artikels 5 ist das Recht der drei Mächte zur Verhängung eines Notstandes und zur Ergreifung entsprechender Notstandsmaßnahmen beseitigt worden.— Beseitigt worden! —Übrig geblieben ist lediglich eine Übergangsvorschrift.Das ist in Kraft getreten am 5. Mai 1955; wir schreiben jetzt das Jahr 1967. Da soll man nicht fragen, ob es richtig ist, wenn mit einem Male von der Regierungsbank oder wenigstens von einem Mitglied der Regierung, dem Herrn Kollegen Dr. Heinemann, vielleicht mißverständlich, aber doch gesagt worden ist: die bisherigen Entwürfe der Notstandsgesetzgebung in den Papierkorb, es muß noch lange darüber verhandelt werden!Es besteht also die Möglichkeit, daß vielleicht eine der alliierten Mächte — und sie sind ja nicht mehr einig in den Grundfragen — von dem Recht des Art. 5 Abs. 2 Gebrauch macht und an die Bundesregierung das Ansinnen stellt, Notstandsmaßnahmen zu treffen, die für uns verfassungsmäßig nicht zu ertragen sind. Es ist eine ernste Frage, die, Herr Dr. Even, nicht allein von Herrn Professor Ridder aufgeworfen worden ist, sondern von vielenStaatsrechtlern, ob nicht durch unsere Ergänzung des Grundgesetzes, durch die Bestimmungen der Wehrverfassung auf jeden Fall der Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages obsolet geworden ist. Ich darf nur mit einem Satz einmal zitieren, was so ein Mann wie der ordentliche Professor des Staatsrechts Dr. Klein in Münster darüber geschrieben hat. Er sagt:Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen des deutschen innerstaatlichen Verfassungsrechtes und auch des zwischenstaatlichen Völkerrechts darf die Bundesregierung nur im Rahmen und auf der Rechtsgrundlage des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland tätig werden.Herr Dr. Even, das ist der Standpunkt eines ernstzunehmenden Professors.Wir wissen oder ahnen doch, was in den Schubladengesetzen steht, was möglicherweise mit unserer Verfassungslage nicht in Einklang gebracht werden kann. Darf man diese Sorge nicht äußern? Wohin sind wir denn gekommen?
— Ach, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, was ist uns, seit wir in der Opposition stehen, nicht unterstellt worden! Wir versuchten zu verwirren, versuchten zu entstellen. Wo haben wir entstellt? Sie haben nicht zugehört, meine Herren, und Sie haben noch nicht einmal gelesen, was wir gewollt haben.
Wir reden ausschließlich über den augenblicklichen Zustand, über die Gefahr, die mit dem jetzigen Zustand gegeben ist, daß die Alliierten — die drei Westalliierten oder einer der Westalliierten — an uns die Forderung stellen, Notstandsgesetze zu erlassen, die mit unserer Verfassung nicht im Einklang sind. Da bin auch ich ernsthaft der Ansicht: Das ist nicht möglich. Ich bin der Meinung, diese Bundesregierung untersteht in allem — in allem! — dem Grundgesetz.
Sie kann nicht auf Weisung der Alliierten ein Notstandsgesetz erlassen, das die Rechte, die Grund-und Freiheitsrechte der deutschen Bürger beeinträchtigt.
Darum unsere Forderung: Schubladen auf!
Die Gesetze, die Verordnungen auf den Tisch, damit wir wissen, worum es geht!
Sind Sie fertig? Das enthebt mich der Notwendigkeit, Ihnen das Wort abzuschneiden.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist zu Ende. Es liegt eine Wortmeldung des Herrn Bundesministers des Innern vor, der ich auf Grund von Art. 43 des Grundgesetzes und. § 47 der Geschäftsordnung auf jeden Fall folgen muß, es sei denn, Herr Bundesinnenminister, daß Sie das Wort nicht wünschen. — Ich sehe, Sie wünschen es. Dann mache ich darauf aufmerksam, meine Damen und Herren, daß nach § 48 der Geschäftsordnung damit die Diskussion wieder eröffnet ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dehler, Herr Kollege Dorn und Herr Kollege Busse gehören seit eineinviertel Jahren der Kommission an, die beim Bundesminister des Innern die Notstandsverfassung diskutiert. Bei dieser Gelegenheit bestand für alle beteiligten Herren die Möglichkeit, alle Fragen zu stellen bis hin zu den mysteriösen, angeblichen Schubladengesetzen, die gar nicht existieren. Ein Großteil von dem, was heute hier gesagt worden ist, ist dort bereits erörtert worden, Herr Kollege Dehler. Ich habe vor — ich habe es auch bereits vor Wochen angekündigt —, dieses Gremium erneut einzuberufen, um diese schwerwiegende Diskussion nicht in einer Aktuellen Stunde, sondern zunächst einmal bis zu einer kabinettsreifen Vorlage zu führen, um dann genügend Zeit zu haben, dieses wichtige Thema hier zu diskutieren.Herr Kollege Mende und einige Herren der Freien Demokraten haben herausgestellt, daß sie für das Grundgesetz eintreten. Meine Damen und Herren, ich bitte für meine Person, für die Bundes-
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Bundesminister Lückeregierung und auch für die die Bundesregierung tragenden Parteien zu unterstellen, daß das in diesem Haus für alle gilt. Wir sollten nicht besondere Hüter der Verfassung am rechten Flügel des Hauses konstruieren.
Herr Kollege Dorn hat über die Berliner „Schubladengesetze" und die Dinge gesprochen, die in der sowjetisch besetzten Zone erörtert wurden. Herr Kollege Dorn, Sie wissen aus den Vorgesprächen genau, daß es sich hier um Material handelt, das ein Spion, ein ehemaliger Angestellter des Innenministeriums, Knipp, an die Sowjetzone verkauft hat. Er hat dafür zehn Jahre Zuchthaus bekommen. Dieses Material hat mit den sogenannten Schubladengesetzen nicht nur nicht das geringste zu tun; in den Schubladen existieren nur Entwürfe, die sich im Rahmen der Notstandsverfassung halten, soweit sie der Rechtsausschuß bisher diskutiert hat. Auch das, meine Herren von den Freien Demokraten, wissen Sie.
Ich konnte vorhin nicht gleich darlegen, wie sich die Sache mit dem Zirkusdirektor verhält. Wir sollten diesem Herrn nicht unnötig im Bundestag zu großer publicity verhelfen. Ich habe aber festgestellt, daß Herr Ruschat selbst den Wunsch geäußert hat, sich den Amerikanern zu stellen. Nun, das sollte man ihm doch wohl überlassen. Diese Frage mit der Notstandsverfassung und den alliierten Vorbehaltsrechten in Zusammenhang zu bringen, heißt doch wohl die Sache auf den Kopf stellen.
Nun die wichtige Frage: Sind die alliierten Vorbehalte durch die Entwicklung — was immer auch geschehen ist — erloschen? Die Auffassung, daß die alliierten Vorbehaltsrechte der Drei Mächte erloschen seien, ist rechtlich nicht haltbar. Ich würde dringend bitten, daß diese Diskussion trotz aller Härte, mit der sie geführt wird, so geführt wird, wie es der Rechtslage entspricht. Die Auffassung, daß die Vorbehaltsrechte erloschen seien, steht auch im Widerspruch zur Rechtsauffassung der Regierungen der Drei Mächte. Auch das wurde im Gremium erörtert. Die Drei Mächte haben es auch in allen bisher mit ihnen geführten Gesprächen — seit 1965 habe ich selbst Gespräche geführt — als selbstverständlich angesehen, daß die Vorbehaltsrechte weiter bestehen. Hieran hat sich auch durch die jüngste Entwicklung in rechtlicher Hinsicht nicht das geringste geändert.Die Bundesregierung befürchtet zwar nicht, daß die Drei Mächte ihre Vorbehaltsrechte rücksichtslos gebrauchen würden, falls es zu einer Notstandssituation käme und die Vorbehaltsrechte ausgeübt werden müßten. Die Bundesregierung hält es jedoch für an der Zeit, diese noch aus der Besatzungszeit stammenden Notstandsvollmachten der drei ehemaligen Besatzungsmächte nunmehr durch eine hieb-und stichfeste deutsche Notstandsverfassung abzulösen, und ich bin dankbar, daß sich auch die Freien Demokraten heute trotz der kontroversen Diskussion zu diesem Grundsatz bekannt haben. Der Kollege Mende hat es in einem Zwischenruf noch einmal wiederholt getan; Herr Kollege Genscher nickt zustimmend. Das ist sehr wichtig.
— Sie haben aber sicher Verständnis, wenn ich das feststelle. Denn wir wollen doch nach dieser Diskussion an der Lösung dieses unangenehmen, schwierigen, für unser Volk und unsere Rechtsordnung aber so wichtigen Problems weiterarbeiten.Dieses Verlangen entspricht auch dem im Deutschlandvertrag eindeutig zum Ausdruck gelangten Willen sämtlicher Vertragsschließenden. Nur auf diese Weise können wir für die Zukunft klare Rechtsverhältnisse schaffen. Nur auf diese Weise können wir sicherstellen, daß allen Verantwortlichen, Parlamentariern, Regierungsmitgliedern, Beamten und Soldaten — das haben die Fallex-Übungen erwiesen —, Gewissenskonflikte erspart bleiben, in die wir geraten könnten, wenn es v o r der Verabschiedung einer deutschen Notstandsverfassung, was Gott verhüten möge, in der Bundesrepublik zu einer Notstandssituation käme und die Drei Mächte gezwungen wären, von ihren Vorbehaltsrechten Gebrauch zu machen.Die Bundesregierung wird daher in Kürze — so war es vor Jahresfrist vorgesehen — den gesetzgebenden Körperschaften einen neuen Regierungsentwurf einer deutschen Notstandsverfassung vorlegen. Dabei gehen wir von den Ergebnissen aus, die die bisherigen parlamentarischen Beratungen gezeitigt und die auch ihren Niederschlag in dem Ihnen bekannten Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages der vergangenen Legislaturperiode gefunden haben.Nun ist beabsichtigt — wie ich bereits ankündigte —, daß diese Regierungsvorlage noch einmal — das habe ich vor Monaten gesagt — in der Zwölferkommission, die aus drei Freien Demokraten, drei Sozialdemokraten, drei Christlichen Demokraten und Vertretern der Länder besteht, eingehend erörtert wird, damit die Fraktionen, schon bevor die Vorlage der Regierung vorgelegt wird, ihre Wünsche äußern und ihre Anmerkungen machen können. Weiter werden diese Themen mit den Innenministern, mit den Frauenverbänden, den Gewerkschaftsorganisationen und anderen wichtigen Organisationen besprochen. Daneben aber beabsichtigt die Bundesregierung, diese Frage in großer Breite in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Ich habe hier einmal ausgeführt und wiederhole es: Diese wichtige Frage gehört hierher, sie soll im Bundestag diskutiert werden. Und diesem Ziele dient auch die Beschaffung des rechtsvergleichenden Materials, das in der Fragestunde erörtert wurde. Wir werden also bei Gelegenheit dieser Beratungen, die einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren benötigen, genügend Zeit haben, in öffentlichen Foren, in den Ausschüssen, insonderheit aber hier im Bundestag und im Bundesrat, diese Frage zu behandeln. Es geht um eine rechtsstaatliche, praktikable deutsche Notstandsverfassung. Sie ist der Mühe aller wert.
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3934 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Bundesminister LückeIch darf deshalb um Ihre Mitarbeit bitten und bedanke mich für die interessanten Ausführungen, die deutlich gemacht haben, wie dringend dieseFrage ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.
Punkt 2 der Tagesordnung:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 enthielt die Feststellung:... die entscheidende Rolle für die Zukunft Europas fällt der Entwicklung des deutsch-französischen Verhältnisses zu. Die vom Osten und Westen erhoffte europäische Friedensordnung ist ohne ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich nicht denkbar.Diese Überzeugung hat mich und hat auch den Herrn. Außenminister bei unseren Gesprächen in Paris am 13. und 14. Januar geleitet. Wir fanden sie durch unsere französischen Gesprächspartner bestätigt. Ich kann mit Befriedigung feststellen, daßdiese Gespräche eine Neubelebung des deutschfranzösischen Vertrages erbracht haben. Dieselbe Feststellung trafen unsere französischen Partner.Dieses Ergebnis, meine Damen und Herren, ist weit mehr als eine bloße Verbesserung des Klimas zwischen unseren beiden Völkern und Regierungen. Es war mein Bestreben, unsere ausführlichen Unterhaltungen so genau wie möglich zu führen, Übereinstimmungen und Abweichungen unserer Meinungen möglichst klar abzugrenzen und festzustellen, ob die sich ergebende Bilanz jene Aussage rechtfertigt, die in der Regierungserklärung so lautete:Die Bundesregierung ist jedoch überzeugt, daß solche Probleme— d. h. gewisse Unterschiede von Interessen und Auffassungen —geringer wiegen als die für das Schicksal unserer beiden Völker und Europas gebieterische Notwendigkeit zu einer immer weitere Bereiche umfassenden wirtschaftlichen, technologischen, kulturellen, militärischen und politischen Zusammenarbeit.Es gehört ohne Zweifel zu den glücklichsten Ereignissen der Nachkriegszeit, daß das deutsche und das französische Volk die Gefühle der Fremdheit, der Abneigung, der Feindschaft, welche das schlimme Ergebnis einer langen Entwicklung waren, überwunden hat. Um aber das zu tun, was die Initiatoren des deutsch-französischen Vertrages, Präsident de Gaulle und Konrad Adenauer, sich vorgesetzt hatten, müssen eben auch die Interessen unserer Völker weithin übereinstimmen. Die Initiatoren desVertrages waren der Meinung, es gebe für beide Länder besondere Gründe, untereinander Beziehungen zu gestalten, die stärker seien als die zu anderen Völkern. Dieser Gedanke wurde bei unseren Pariser Gesprächen erneut bestätigt. Beide Länder wollen, so sagte es mein Gesprächspartner, auf lange Zeit und in großem Stil zusammenarbeiten.Der französische Präsident hat davon gesprochen, daß unsere beiden Völker zwar alt, aber auch erneuert seien, und er hat. hinzugefügt, daß er es als seine Aufgabe ansehe, diese Erneuerung und Erstarkung in einem Zustand der äußeren Ruhe und des Friedens sich stetig weiterentwickeln zu lassen. Ich konnte ihm darin nur aufrichtig zustimmen.Ich habe aber meinen Gesprächspartner darauf hingewiesen, daß — für Deutschland gesehen — ein solches Friedensprogramm der Ergänzung bedarf. Uns, den in Deutschland wirkenden Generationen, ist nun einmal das Ziel der Wiedervereinigung unseres Volkes gesetzt, — nicht als ein in unabsehbarer Ferne verschwimmendes und verschwindendes Ziel, sondern als konkrete politische Aufgabe.
Ich freue mich, sagen zu können, daß Präsident de Gaulle uns die Unterstützung seines Landes für eine solche Politik erneut zugesagt hat.
Wir haben weiter einen Überblick über die politische Situation in der Welt vorgenommen. Wir haben die Interessenlage unserer Völker und ihr Verhältnis zu anderen Mächten zu vergleichen versucht. Dabei haben sich natürlicherweise nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch Nuancen und Abweichungen ergeben. Aber wir wurden uns einig, daß auf keinem Gebiet derart fundamentale Gegensätze unserer Interessen und Auffassungen bestehen, daß sie die Zusammenarbeit unserer Länder nach dem Geist und dem Gehalt des deutsch-französischen Vertrages verhindern könnten,Dies gilt .auch für die deutschen Beziehungen zu Großbritannien und zu den Vereinigten Staaten. Ich habe dem Präsidenten erläutert, daß eine Erweiterung des Gemeinsamen Marktes — durch den Eintritt Großbritanniens und anderer — den Wünschen und den wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik entsprechen würde und daß die Belange unserer Außenpolitik und unserer Sicherheit uns eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, ein Verbleiben in der integrierten Organisation der NATO und eine fortdauernde Anwesenheit amerikanischer Truppen auf unserem Gebiet erforderlich erscheinen lassen. Das letztere gilt natürlich ebenfalls für die britischen und französischen Truppen, die zum Zwecke der gemeinsamen Verteidigung in Deutschland stationiert sind.Aber ich betone noch einmal —.weil es da und dort in der Presse eine andere Deutung gegeben hat —: solche Meinungsunterschiede, die sich aus verschiedenartigen nationalen Interessenlagen und Auffassungen ergeben, stehen nach unserer gemeinsamen Überzeugung der vereinbarten Wiederbelebung des deutsch-französischen Freund-
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Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingerschaftsvertrages nicht im Wege. Diese Überzeugung wird auch in allem raschen Wandel des Geschehens eine Konstante unserer Politik bleiben.Es wurde eine Vielzahl von gemeinsamen Anstrengungen vereinbart, um zu erreichen, daß dieser Vertrag, wie es der Präsident genannt hat, wieder aus dem Schatten ins Licht tritt. Der weitere Ausbau der europäischen Gemeinschaften und die baldige Fusion ihrer Exekutiven gehören dazu. In diesem Geist begrüßten beide Partner die von Italien aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens der Römischen Verträge ausgesprochene Einladung zu einer Begegnung der Regierungschefs der sechs Vertragspartner in Rom, zu einer Begegnung, die Gelegenheit zu nützlichen Gesprächen bieten könnte.Wir haben ferner beschlossen, auf allen vom deutsch-französischen Vertrag umfaßten Gebieten die Zusammenarbeit zu intensivieren, auch im industriellen und im wissenschaftlichen Bereich.Unsere nächste große Begegnung wird im Juni oder Juli hier in Bonn stattfinden. In der Zwischenzeit werden die betroffenen Ressorts, die Außen-und Verteidigungsminister, die Wirtschafts- und Finanzminister, die Wissenschaftsminister, die Minister für Jugendfragen, der französische Erziehungsminister und der deutsche Bevollmächtigte sich treffen und die nächste Begegnung vorbereiten.Zum Schluß, meine Damen und Herren, möchte ich das für unsere Zukunft wohl wichtigste Ergebnis meiner Gespräche mit Präsident de Gaulle hervorheben: es ist das Zusammenwirken der beiden Regierungen auf dem weiten Feld einer europäischen Ostpolitik.Es ist das Ziel dieser Bundesregierung, das deutsche Verhältnis zu den osteuropäischen Nationen und zur Sowjetunion aufzulockern und zu entspannen. Diese unsere Absicht stimmt mit den Absichten des französischen Präsidenten überein, vor allem deshalb, weil sich diese unsere Politik gegen niemanden richtet, auch nicht gegen Rußland. Sie darf nicht mit den Maßstäben konventioneller Diplomatie gemessen werden, jener konventionellen Diplomatie, die allzu leicht ein Motiv des Unruhestiften-Wollens vermutet. Das ist nicht unsere Absicht. Wir haben sogar Verständnis dafür, daß man uns im Osten zur Zeit noch kritisch und skeptisch gegenübersteht. Von 1939 bis heute ist so viel geschehen, daß unser Vorhaben manchem unrealistisch anmuten mag.Aber, meine Damen und Herren, jedes Volk braucht, wenn es überhaupt Politik im Sinne eines großen Entwurfs und nicht nur im Sinne der administrativen Bewältigung von Einzelproblemen und Tagesfragen betreiben will, das, was Toynbee die historische Herausforderung genannt hat. Die friedliche Neugestaltung unserer Beziehungen zum Osten und darin eingeschlossen die Lösung der deutschen Frage sehen wir als eine solche Herausforderung, als d i e große Aufgabe unserer Generation an.
In diesem Sinne begrüße ich es, daß Herr Breschnew in Gorki gesagt hat, die Sowjetunion werde alle vernünftigen und für den Frieden in Europa nützlichen Schritte — darunter auch die entsprechenden Schritte der Bundesrepublik Deutschland, sollte sie welche unternehmen — natürlich unterstützen. Es entspricht meiner Absprache mit dem französischen Präsidenten, daß die Bundesregie- rung derartige Schritte erwägt, in dem Bemühen, gemeinsam eine gerechte und dauerhafte europäische Friedensordnung mitzugestalten.Gerade unser Zusammenwirken mit Frankreich, dessen friedliche Absichten nicht bezweifelt werden können — Absichten, welche in unseren Gesprächen einen besonders deutlichen, ja beherrschenden Ausdruck gefunden haben —, sollte für unsere östlichen Nachbarn auch ein Beweis unseres aufrichtigen Willens sein, Lösungen der zwischen uns schwebenden und uns noch trennenden Probleme im Vollzug eines Prozesses der fortschreitenden Entspannung zu suchen und zu finden.Wir finden es an der Zeit, daß auch unsere östlichen Nachbarn diese klare, durch keinerlei Mentalreservationen eingeschränkte Politik nicht länger als bösartigen Revanchismus verdächtigen, sondern sie trotz aller noch bestehenden Verschiedenheit der Auffassungen als das erkennen, was sie ist und sein will: eine weitgespannte Politik des Friedens und der Verständigung, die sich eine glückliche Zukunft ganz Europas zum Ziel gesetzt hat.
Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich namens der CDU/CSU dem Herrn Bundeskanzler dafür danken, daß er seiner Informationspflicht sofort nachgekommen ist.
Das entspricht Ihrer Verantwortung vor diesem Haus; das legt die notwendige Vertrauensbasis zwischen Parlament und Regierung, eine Basis, die wir für eine fruchtbare Zusammenarbeit notwendig haben.Man mag das Ergebnis der Pariser Besprechungen bewerten, wie man will. Niemand aber wird bestreiten können und wollen, daß der Wiederbeginn eines intensiven Gesprächs mit unserem französischen Nachbarn eine Notwendigkeit ist. Daß diese Notwendigkeit Wirklichkeit wurde, ist ein Erfolg. Denen, die ihn erreichten, darf ich namens meiner Fraktion den Dank aussprechen.
Durch diesen Besuch ist eine Atmosphäre gutenWillens geschaffen worden, in der Gemeinsamkeitenmöglich und Differenzen erträglich sind. Die Mei-
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3936 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Majonicanungsverschiedenheiten und Unterschiede werden nicht ausbleiben.Gerade der französische Staatspräsident de Gaulle, für den die Identität Frankreichs ein so hoher Wert ist, wird Verständnis dafür haben, daß auch der Partner diese nationale Identität besitzt. Sie ist in seinen Augen die Voraussetzung der Partnerschaft. Es war durchaus als Kompliment gemeint, als der französische Außenminister seinem deutschen Kollegen sagte: „Ich sehe, Sie haben eine Politik." Halbdunkel und Ungenauigkeiten führen zu Mißverständnissen. Sie sind unerträglich. Klare Standpunkte, auch gegensätzlicher Natur, können ertragen und ausgetragen werden. Das gilt vor allem dann, wenn beide Regierungen und beide Völker erkennen, wie sehr sie aufeinander angewiesen sind, wie sehr sie einander bedürfen. Diese Erkenntnis hat gottlob die Pariser Gespräche bestimmt. Sie haben so viele Gemeinsamkeiten erbracht, daß auf vielen Gebieten, entscheidenden Gebieten, eine deutsch-französische Aktionsgemeinschaft möglich ist. Sie richtet sich gegen niemanden — der Herr Bundeskanzler hat das soeben ausdrücklich betont —, sie soll dem Aufbau einer gerechten europäischen Friedensordnung dienen.Es gehört nun zur deutschen nationalen Identität, daß wir dabei mit Vorrang an die Lösung der deutschen Frage denken. Wir sehen diese Frage nicht isoliert; wir sehen sie eingebettet in die Versuche zur Entspannung des Ost-West-Gegensatzes. Eine französische Diplomatie, die bei ihren Gesprächen und Aktionen in Osteuropa behutsam und beharrlich immer wieder die deutsche Frage berücksichtigt, bewahrt sie vor Erstarrung und konfrontiert die dortigen Regierungen mit dem Tatbestand, daß ohne ihre Lösung der Frieden, den Ost und West notwendig haben, nicht endgültig gesichert ist. Ein Frankreich, das keine Furcht vor einem wiedervereinigten Deutschland hat, demonstriert ihnen, daß auch ihre Furcht unbegründet ist. Damit ist eine sicherlich langfristige Entwicklung in Gang gesetzt worden. Aber immerhin, der Prozeß hat begonnen.Wir bedürfen bei der Lösung der deutschen Frage sicherlich auch der Unterstützung der angelsächsischen Mächte. Eine Wiedervereinigungspolitik, die nicht abgesichert ist, ist nicht denkbar. Aber Frankreich ist der unmittelbare Nachbar. Für ihn wäre eine Fehlentwicklung unheilvoll. Sie würde ihn unmittelbar bedrohen. Frankreich kann daher auch im Osten ein größeres Vertrauen für seinen Standpunkt in der deutschen Frage fordern.Wir wollen dieses französische Eintreten, wie es uns der französische Staatspräsident zugesichert hat, nicht als eine Selbstverständlichkeit nehmen, sondern als den Entschluß eines großen Staatsmannes, den wir honorieren wollen, honorieren vor allem durch eigene Beiträge, um die ideologische Trennungslinie, die Europa teilt, zu überwinden. Wir wollen das Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn auf allen Gebieten verbessern. Aber — auch das hat der Bundeskanzler soeben schon betont — diese müssen den gleichen Wunsch haben. Eine einseitige Verständigung ist nicht möglich. Eine Kapitulation wird von uns weder erwartet noch angeboten wer-den. Die Berücksichtigung der vitalen Interessen aller Beteiligten ist die Grundlage jeder Verständigung. Wir sind dazu bereit und erwarten das auch für die Lebensinteressen des ganzen deutschen Volkes.Die Reaktion des Ostens auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers war leider nicht ermutigend. Wir werden alles tun und alle Anstrengungen unternehmen, damit das nicht das letzte Wort ist. Die Regierung der Großen Koalition ist nicht die Regierung der großen Kapitulation.Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten ist ein Instrument u. a. für die Verbesserung der Beziehungen zu diesen Staaten. Wir haben erlebt, meine Damen und Herren, daß die Handelsmissionen, so nützlich sie sind, oft an die Grenzen ihrer Wirkungsmöglichkeiten stoßen. Diplomatische Beziehungen sollen daher, wo sie den Umständen nach möglich sind, aufgenommen werden. Sie sind in meinen Augen nicht die Krönung einer schon vollzogenen Verständigung, sondern ein Mittel dazu. Sie sind aber, meine Damen und Herren, auch nicht die Prämie für eine totale antideutsche Haltung.Ihre Aufnahme ist sicherlich nicht ohne Risiko für die deutsche Politik. Dieses Risiko muß getragen werden um des Zieles der Entspannung willen. Dieses Ziel verbindet uns mit Frankreich. Frankreich kann uns helfen, die Risiken zu mindern, so daß in der neutralen Welt nicht ein Schritt, der als ein Schritt zur Entkrampfung des Ost-West-Verhältnisses gedacht ist, zum Anlaß genommen wird, die deutsche Position entscheidend zu verschlechtern.Für die Verbesserung der Beziehungen zum Osten ist der Austausch von Botschaftern ein Schritt neben anderen, den wir unternehmen wollen. Hinzu kommen handelspolitische Maßnahmen und kultureller Austausch.Diese ostpolitischen Schritte sollten aber mit den zunächst Betroffenen, den Vertriebenen, abgesprochen werden. Es ist ganz selbstverständlich, daß die Entspannungspolitik auch eine innenpolitische Seite hat.Zur Entspannung gehört der Verzicht auf atomaren Ehrgeiz. Sie haben, Herr Bundeskanzler, den Ratschlag des französischen Generals in dieser Frage verstanden. Aber die deutsche Politik hat diesen Ehrgeiz nie besessen; sie war ihm nie verfallen. Wir haben vor allen anderen Nationen den Produktionsverzicht geleistet. Wir haben das Teststopp-Abkommen unterzeichnet und in diesem Hause einstimmig ratifiziert. Was wir wollen, ist Schutz vor atomarer Erpressung und atomarer Bedrohung.
Der Nichtweitergabevertrag ist eine Leistung der Nichtbesitzenden an die Besitzenden. Das kann selbstverständlich nicht ohne Gegenleistung durch die Besitzenden bleiben. Es wäre auch eine gefährliche Entwicklung, meine Damen und Herren, wenn die Sowjetunion durch einen derartigen Vertrag Schiedsrichter über die innere Struktur des Bündnisses würde oder wenn sie das Maß der friedlichen
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MajonicaErforschung und friedlichen Nutzung der atomaren Energie bestimmen könnte. Das könnte auch die technologische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Bundesrepublik erschweren, ja auf einem wichtigen Gebiet nahezu unmöglich machen.Das geplante Abkommen über die Nichtweitergabe atomarer Waffen hat eine Interessengemeinschaft zwischen den nichtbesitzenden Nationen deutlich werden lassen. Es scheint mir eine Aufgabe der Bundesregierung auch in der Zukunft zu sein, diese Gemeinschaft mit den anderen nicht besitzenden Nationen zu pflegen.Dieser geplante Vertrag darf auch die zukünftige Verteidigung eines geeinten Europas nicht unmöglich machen. Wenn Europa eine selbständige Rolle in der Weltpolitik spielen will, muß es auf lange Sicht in der Lage sein, sich selbst zu schützen. Diese Rolle Europas in der Weltpolitik ist ein vordringliches Ziel des Generals. Wir stimmen ihm dabei vorbehaltlos zu. Auch eine atlantische Partnerschaft ist nur zu verwirklichen, wenn es dieses geeinte Europa gibt. Im deutsch-französischen Vertrag ist ausdrücklich bestimmt, daß er ein Instrument sein soll, um dieses Europa zu schaffen. Seine Aktivierung muß daher logisch auch zur Aktivierung der Europapolitik führen.Hier gibt es sicherlich, meine Damen und Herren, unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der inneren Struktur dieses Europas und auch hinsichtlich seines Umfanges. Dabei sollte aber für unsere zukünftige Europapolitik maßgebend sein, daß das Mögliche vor dem Wünschenswerten kommt. Wir erwarten dabei einiges von der geplanten Konferenz in Rom und begrüßen die französische Bereitschaft zur Teilnahme. Hier könnte es etwa zur Fusion der Exekutiven kommen, hier könnte ein neuer Ansatz zu einer politischen Gemeinschaft gemacht werden. Keine der großen Fragen der Weltpolitik könnte ohne Europa diskutiert, geschweige denn gelöst werden, wenn es dieses politisch geeinte Europa heute schon gäbe.Wir halten in diesem Zusammenhang weiter daran fest, daß Großbritannien Mitglied der europäischen Gemeinschaften werden soll. Das entspricht der deutschen Interessenlange sowohl handelspolitisch wie allgemeinpolitisch. Wir haben ein großes Verständnis dafür, daß diese Frage noch nicht in Paris geregelt wurde; einmal, weil sie ein Problem der Sechs ist und in diesem Kreise besprochen werden muß, zum andern, weil ja die englischen Karten noch nicht auf dem Tisch liegen. Wir hören Stimmen aus England, die für eine Übernahme aller Bestimmungen der Römischen Verträge sind, die auch die politischen Ziele akzeptieren. Wir hören aber auch Stimmen dagegen, und es ist nun an der englischen Regierung, in dieser Frage klar zu sprechen.Gerade im Zusammenhang mit dem Beitritt Großbritanniens zum Gemeinsamen Makt hat die Opposition gestern über dpa ankündigen lassen, daß sie in der heutigen Debatte einen Katalog der Fragen vorlegen wolle, die in Paris nicht behandelt oder nicht geregelt worden seien. Ich muß Ihnen sagen, daß ich einen deutschen Bundeskanzler nur hättewarnen können, der mit der Formel „alles oder nichts" nach Paris gegangen wäre.
Wer glaubt, daß in anderthalb Tagen alles geregelt werden kann, kennt entweder die Lage oder den Partner nicht.Von zentraler Bedeutung ist es, daß Bundeskanzler Kiesinger unser Verhältnis zu den USA in Paris deutlich angesprochen hat. Unklarheiten in dieser Frage müßten den gesamten zukünftigen deutschfranzösischen Dialog belasten. Wir glauben, daß eine amerikanische Präsenz in Europa sowohl im amerikanischen wie auch im europäischen Interesse liegt, und wir meinen, daß wir auf diese Präsenz der Amerikaner in Europa auf absehbare Zeit nicht verzichten können. Selbstverständlich gilt aber auch für das deutsch-amerikanische Verhältnis das gleiche, was ich schon für das deutsch-französische Verhältnis gesagt habe; daß es nicht immer eine vollkommene Interessengleichheit gibt. Dann muß ein Ausgleich unter Berücksichtigung der eigenen Interessenlage versucht werden, und dieser Ausgleich ist meines Erachtens leichter, wenn es eine europäische Solidarität gibt.Da die Rede des amerikanischen Präsidenten vom 7. Oktober 1966 Parallelen zur französischen Politik hat deutlich werden lassen, mindert sich für die deutsche Politik der Zwang zur falschen Alternative. Die Washingtoner Reaktion auf die Pariser Gespräche war positiv. Es zeigt sich, daß Amerika die deutsch-französische Freundschaft nicht als störend empfindet, sondern im Gegenteil sie positiv bewertet, und wir wollen alles unternehmen — das hat der Herr Bundeskanzler schon in seiner Pressekonferenz erklärt —, soweit wir dazu in der Lage sind, den amerikanisch-französischen Gegensatz zu mindern, sind wir doch die Leidtragenden dieses Gegensatzes. Wir erwarten von den Vereinigten Staaten auch in Zukunft, daß sie die besonderen deutsch-französischen Beziehungen akzeptieren. Die Vereinigten Staaten wollen Europa. Diese deutschfranzösischen Beziehungen sind auf Europa gerichtet. Diesem Ziel dienen die geplanten Kommissionen und Institute, die gemäß dem Vertrag jetzt eingerichtet werden sollen, dient eine deutsch-französische Zusammenarbeit in den Entwicklungsländern, und auch diese Zusammenarbeit in den Entwicklungsländern mindert die dortigen schweren amerikanischen Verpflichtungen.De Gaulle hat für das deutsch-französische Verhältnis und für die friedliche Konfrontation dieser beiden Völker die Formel gefunden — der Herr Bundeskanzler hat es in seiner Regierungserklärung soeben wiederholt —, daß sich mit Frankreich und Deutschland zwei alte, aber erneuerte Völker gegenüberstünden. Meine Damen und Herren, die Geschichte bindet und trennt. Nun haben wir uns — und Paris ist dazu ein Markstein — zu einer gemeinsamen Geschichte entschlossen. Zu dieser Geschichte gehört auch die jüngste Vergangenheit, in der nicht alles gut in unseren Beziehungen gelaufen ist. Aber es ist meines Erachtens nicht fruchtbar und sicherlich zu früh, die Schuldfrage zu stellen. Viel-
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Majonicaleicht gibt es sogar gar keine Schuld, sondern einen Wandel der Verhältnisse, der über persönliche Schuld hinausgeht.Frankreich hat in diesem Zeitablauf große Änderungen in seiner Politik vorgenommen, die wir respektieren, denen wir aber auch aus unserem anderen Lager heraus nicht immer folgen konnten. Aber auch in dieser Zeit gab es positive Entwicklungen, etwa in der Begegnung der Jugend.Sicherlich hat diese jüngste Zeit, die hinter uns liegt und durch die Pariser Begegnung zu einem Abschluß gebracht wurde, das Gute gehabt, daß wir unser Verhältnis jetzt nüchterner sehen als vorher. Nüchternheit aber, meine Damen und Herren, darf nicht das Engagement verringern. Zu diesem Engagement, zu einer engen deutsch-französischen Zusammenarbeit sind wir bereit. Ohne diese Zusammenarbeit ist Europa nicht möglich. Wenn diese Zusammenarbeit nicht funktioniert, wird Europa eine uninteressante Provinz der Weltpolitik werden.Paris war dazu ein guter Anfang und Auftakt. Wir danken dem Herrn französischen Staatspräsidenten und wir danken dem Herrn deutschen Bundeskanzler dafür, daß dieser Anfang und dieser Auftakt möglich waren.
Wir von der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union sind willens, der Bundesregierung auf diesem Wege volle Unterstützung zu leisten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt die Erklärung des Bundeskanzlers und freut sich insbesondere, daß es nach einer längeren Zeit der Mißstimmung zwischen beiden Regierungen gelungen ist, zu einem offenen Gespräch zu kommen. Niemand in diesem Haus hat von diesem ersten Gespräch in Paris spektakuläre Ergebnisse erwarten können. Dazu ist nicht nur die Vorbereitungszeit ein wenig kurz gewesen, sondern dafür sind auch — das muß hier offen ausgesprochen werden — zu viele Probleme zwischen beiden Regierungen ein wenig zu kontrovers. Aber ich meine, wir sollten besonders hoch einschätzen, daß von beiden Partnern klar gesagt worden ist, wo Übereinstimmungen in der Beurteilung der Lage und in den Möglichkeiten künftigen gemeinsamen Handelns gegeben sind, und ebenso klar gesagt wurde, wo Divergenzen bestehen.Wir wissen, daß besonders der französische Präsident diese offene Form der Konsultation schätzt, und vielleicht hat es gerade an der bisherigen Atmosphäre, die manches im Unklaren ließ, gelegen, daß sich so viele Mißverständnisse und Mißtöne im deutsch-französischen Verhältnis während der letzten Jahre eingeschlichen haben.Ich persönlich glaube, daß die außenpolitische strategische Linie der französischen Regierung, des französischen Staatspräsidenten seit Jahren konsequent verlaufen ist, daß man ihr das Attribut der Folgerichtigkeit zuerkennen muß und daß man ihr infolgedessen das Attribut der Berechenbarkeit und der Vorhersehbarkeit nicht versagen darf. Nun spielt einmal das deutsch-französische Verhältnis für unsere deutsche Außenpolitik eine große Rolle. Ich glaube, es war in den vergangenen Jahren ein Fehler, daß wir uns nicht sorgfältig genug auf die vorhersehbare und vorherkalkulierbare Entwicklung der französischen außenpolitischen Linien und auf deren Erfolgschancen eingestellt haben.Wir wissen, daß sich die gegenwärtige Bundesregierung der Bedeutung dieser französischen Komponente in unserer Außenpolitik bewußt ist. Wir glauben, daß wir davon ausgehen sollten, daß, wenn nicht etwa der vietnamesische Konflikt weltweite Konsequenzen zeitigen sollte, welche die Situation Europas beeinträchtigen könnten — was ich für recht unwahrscheinlich halte, sondern ich glaube, daß die gegenwärtige Phase der europäischen Entwicklung andauern wird —, die französische Politik sich kontinuierlich und daher für uns im Vorwege erkennbar weiterentwickeln wird.Für die deutsche Außenpolitik müssen wir von unseren eigenen Interessen ausgehen, aber auch davon, was die anderen für Interessen haben, was sie denken, was sie zu tun beabsichtigen, und erst aus diesen Komponenten zusammen ergeben sich die Möglichkeiten zur Verwirklichung unserer eigenen politischen Ziele. Couve de Murville hat kurz vor dem Besuch des Bundeskanzlers und des Außenministers in Paris in einem Interview gesagt, Außenpolitik habe nichts mit Launen und Neigungen zu tun, sie beruhe vielmehr auf den Interessen und auf den Idealen des jeweiligen Landes, und sie müsse den jeweiligen Umständen, d. h. vor allem den außenpolitischen Gegebenheiten Rechnung tragen. Sie beruht auf den Interessen und den Idealen! Diese Feststellung aus dem Munde von Couve de Murville gilt für Frankreich, sie gilt ganz genauso für Deutschland und für uns. Je mehr und je klarer wir die Interessen des Partners und unsere eigenen Interessen erkennen und aussprechen, um so deutlicher wird, wo etwa Interessen differieren, d. h. wo man klugerweise die Verschiedenartigkeit der Auffassungen zu respektieren hat. Um so deutlicher wird andererseits auch, wo die Interessen konvergieren, zusammenlaufen oder wo sie aufeinander abgestimmt werden können. Das heißt, um so klarer wird, wo Kooperation möglich, wünschenswert oder gar notwendig ist. Das gilt nicht nur im Verhältnis zu Paris, das gilt ganz genauso im Verhältnis zu London oder zu Washington.Frankreich will mit uns gute Beziehungen unterhalten, eine Politik der Zusammenarbeit betreiben. Ebenso erscheint es Frankreich notwendig, mit der Sowjetunion gute Beziehungen zu haben, dem Kalten Krieg ein Ende zu machen, den Eisernen Vorhang aufzulösen, daran zu arbeiten, daß die Beziehungen zwischen den Ländern West- und Ost-
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Schmidt
europas sich so weit wie möglich normalisieren und fortentwickeln und sich friedlich gestalten. Ungeachtet einer anderen Haltung in der Oder-NeißeFrage will Frankreich dazu helfen, daß unser deutsches Volk wieder zusammengefügt werde. Daß Frankreich dazu helfen will, ist übrigens nicht so ohne weiteres selbstverständlich. Es ist auch nicht nur ein Lippenbekenntnis der Franzosen oder der französischen Regierung, ich glaube vielmehr, daß es ein Ausfluß der Einschätzung der entscheidenden Rolle der Nation oder der Nationen in der Geschichte ist, wie sie durch den überaus geschichtsbewußten französischen Staatspräsidenten vorgenommen wird. Es ist im übrigen ein Ausfluß der französischen Beurteilung der europäischen Lage und ihrer zukünftigen Entwicklung, wenn sich die Franzosen dafür einsetzen, daß die Deutschen wieder in ein gemeinsames Haus zurückkehren.Wir Sozialdemokraten sehen, ähnlich wie es soeben Herr Majonica für seine Fraktion ausgedrückt hat, den besonderen Erfolg der Gespräche des Bundeskanzlers darin, daß die französische Regierung mit uns auf dem Sektor der Osteuropapolitik zusammenarbeiten wird. Wir können hierbei mit Genugtuung feststellen, daß diese Tendenz, zu einem neuen Verhältnis mit den Staaten Osteuropas zu kommen, auch eine gemeinsame Grundtendenz der anderen mit uns verbündeten Regierungen ist, insbesondere der englischen und der amerikanischen Regierung. Wir sind dankbar dafür, daß Frankreich sein gutes Ansehen in Ost- und Südosteuropa einsetzen will und andererseits den Wunsch der Bundesrepublik nach guten Beziehungen auch zu diesen Staaten unterstützen und seiner Verwirklichung zuhelfen will. Die Politik, die wir dort treiben, wird — so nehmen wir an — in Zukunft wohl in engen Konsultationen mit der französischen Regierung verwirklicht werden. Dabei wird wohl auch geprüft werden, auf welchen Gebieten etwa gemeinsame Initiativen gegenüber osteuropäischen Staaten zweckmäßig sind.Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Bundesregierung gerade jetzt in diesen Tagen, mit der Prager Regierung zu einem direkten Gespräch über die Probleme zu kommen, die zwischen beiden Ländern stehen. Ich darf vielleicht als Fußnote hinzufügen, die Bundesregierung sollte sich — so meinen wir — nicht durch Reden und Erklärungen in der Öffentlichkeit unseres Landes oder des anderen Teils oder in anderen Ländern in Osteuropa von diesen Bemühungen abbringen lassen. Wir wissen, daß diese Politik, wenn sie konsequent und mit Würde und mit Festigkeit verfolgt wird, den Interessen des ganzen deutschen Volkes und aller europäischen Völker dient.Nun, es deuten sich, wie schon mehrfach betont, natürlich auch Divergenzen an. Der Ausdruck „andeuten" ist eigentlich zu schwach; es sind Divergenzen zwischen Frankreich und uns ganz klar zu erkennen, insbesondere bei der Beurteilung der Fortentwicklung der Europapolitik im engeren Sinne — ich meine, im Sinne der westeuropäischen Integration und ihres Fortschritts — und in der Zusammenarbeit innerhalb ihres Bündnisses. Es hatkeinen Zweck, das zu beschönigen, es zu verschweigen. Man muß es nüchtern erkennen. Man sollte es aber nun auch nicht übertreiben. Man sollte positiv festhalten, daß die unterschiedlichen Interessen der beiden Länder und ihrer Regierungen auf diesem Felde das deutsch-französische Verhältnis nicht strapazieren müssen.Ich möchte im Namen meiner Fraktion, ähnlich wie eben schon gehört, allerdings aussprechen, daß wir das große Ziel der europäischen Einigung — einschließlich Englands und der skandinavischen Staaten und anderer — weiterhin anstreben. Für uns ist die Aufrechterhaltung und die Festigung des Zusammenhalts Westeuropas ein wesentliches Fundament, eine Voraussetzung für die Deutschlandpolitik, für die Wiedervereinigung, die wir erstreben.Wir begrüßen in diesem Zusammenhang den Willen der britischen Regierung, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten, sehen mit Interesse den Gesprächen des britischen Premierministers und seines Außenministers mit den Regierungen der Mitgliedstaaten entgegen und sind uns dabei darüber klar, daß die Basis der Römischen Verträge nicht verlassen werden kann.Auch auf dem Gebiet der Verteidigung gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und uns. Das hängt auch mit unterschiedlichen Interessen zusammen. Die Meinungsverschiedenheiten beziehen sich auf die Organisation und den Integrationsgrad des Bündnisses, dem wir beide angehören, und auf die militärische Strategie. Die Bundesrepublik bleibt ihrer exponierten Sicherheit wegen an einem unmittelbaren militärischen Engagement der Vereinigten Staaten und an einer engen Zusammenarbeit mit Washington sehr viel stärker interessiert, als das in Frankreich vom französischen Interessengesichtspunkt aus empfunden wird.Aber es gibt auch auf dem Felde der Verteidigung weitreichende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Frankreich, Möglichkeiten für uns, die in den letzten, Jahren nicht genutzt worden sind. Die völlig einseitige Beschaffungspraxis der letzten Jahre hat nicht nur in Washington sehr illusionäre Vorstellungen von einer kontinuierlichen deutschen finanziellen Leistungskraft und illusionäre Vorstellungen von einem kontinuierlichen deutschen Bedarf an amerikanischen Flugzeugen und Schiffen und Waffen und Gerät entstehen lassen, sondern sie hat auf der anderen Seite zwangsläufig auch Frankreich vernachlässigt.Das wird von der gegenwärtigen Regierung keineswegs im Handumdrehen geändert werden können. Es handelt sich um langfristige Programme, deren Abwicklung viel Zeit und viel Geld erfordert. Das kann man nicht von heute auf morgen.
— Ja, sicherlich, auch der Bedarf schrumpft. Ich habe ja gesagt, das waren Illusionen von einem kontinuierlichen Bedarf, sicherlich. — Die Bundesregierung wird das nicht von heute auf morgen ändern können. Aber wir haben doch die Möglichkeit, in Verfolg der Verhandlungen, die in
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Paris geführt worden sind, bei den nun verabredeten Gesprächen der Verteidigungsminister im Rahmen der vertraglichen Konsultation die abgerissenen Fäden wieder ein bißchen zusammenzuknüpfen.Ich selbst habe seit Jahr und Tag zu den Leuten gehört, die hier in diesem Hause und auch in der Öffentlichkeit auf dem nichtnuklearen Gebiet eine starke gemeinsame Entwicklung und Produktion mit den Franzosen immer wieder verlangt haben. Abgesehen von dem Concorde-Projekt, das die Franzosen und die Engländer gemeinsam machen, haben gerade vor zwei Tagen der englische Verteidigungsminister und der französische Verteidigungsminister vier gemeinsame Flugzeugentwicklungs- und Flugzeugproduktionsprogramme verabredet. Das ist ein Zeichen dafür, daß es doch Felder gibt, auf denen die Franzosen auch mit anderen zusammenarbeiten wollen, in diesem Fall sogar mit den Engländern, wo sonst der Wunsch nach Zusammenarbeit nicht ganz so deutlich ausgesprochen wird wie uns gegenüber. Unser Verteidigungsministerium — um ein Beispiel zu geben — sollte das erkennen, wenn man z. B. vor der Notwendigkeit steht, demnächst einen Abfangjäger als Nachfolgemuster für den Starfighter 104 G einerseits und für die französische Mirage 3 andererseits zu entwickeln. Ich rede von Problemen, die in den 70 er Jahren aktuell werden, die man aber spätestens acht Jahre vorher angehen muß. Ich nenne das als ein Beispiel, das Chancen bietet, ähnlich wie das, was die Engländer und die Franzosen jetzt verabredet haben.Es gibt andere Beispiele, andere Möglichkeiten auf dem Felde der gepanzerten Fahrzeuge oder der Elektronik schlechthin für Telekommunikation, für Luftraumüberwachung, für Computer usw. Und gerade das, was ich zuletzt nannte, setzt sich dann doch später auf dem viel größeren und auf die Dauer unendlich viel wichtigeren Sektor der zivilen Technologie und der zivilen technischen Entwicklung fort. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit gerade der wachstumsträchtigen, die moderne Technologie vorantreibenden Industrien, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit Europas in den siebziger und den achtziger Jahren sichern wollen. Darüber hinaus, glaube ich, haben sich Deutsche und Franzosen auch auf dem Felde der zweckfreien Forschung, der Grundlagenforschung gegenseitig vieles zu bieten. Es list nicht nötig, daß sich die kulturelle Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern im wesentlichen auf den lobens- und dankenswerten Jugendaustausch konzentriert.Ehe ich schließe, eine Bemerkung mehr am Rande, mehr zum Hausgebrauch — in einer bestimmten Richtung gesprochen — bestimmt: Die Pariser Verhandlungen haben, wenn ich die verschiedenen Berichte ansehe, die der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister darüber gegeben haben — teils vor der Presse, teils heute die Erklärung des Kanzlers, teils an anderer Stelle —, auch klargemacht, was nüchterne Analytiker schon längst gewußt und ausgesprochen haben, nämlich daß Paris kein Interesse daran hat, sich seinen französischen Kopf über eine innereuropäische nukleare Streitmacht zu zerbrechen. Das ist zwar eine, wie ich zugebe, etwas saloppe Formulierung; aber sie ist im Inhalt noch sehr zurückhaltend, wie ich meine, gegenüber der Klarheit, die man in Paris hat gewinnen können. Mir scheint es vernünftig, auch dies hier in diesem Saale auszusprechen, damit man sich auch auf diesem Gebiet darüber klar wird, daß Illusionen vermieden werden sollten und daß die diesbezüglichen Hoffnungen, die ich gut verstehe und die ich für die spätere Zeit auch teile, einstweilen in die Tiefkühltruhe gestellt werden müssen und nach heutiger Voraussicht erst dann wieder aktuell werden, wenn es eines Tages die souveränen Vereinigten Staaten von Europa geben wird. Für diesen Zeitpunkt meine ich nicht nur für meine Person, sondern ich nehme an, daß auch meine Fraktion für diesen Zeitpunkt, wo es so etwas gibt wie einen politischen Zusammenschluß Europas, der mindestens Teilsouveränitäten besitzt, die Auffassung teilt, daß man dann auch über eine voll ausreichende und abgerundete gemeinsame Verteidigung muß verfügen können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Majonica!
Herr Kollege Schmidt, stimmen wir darin überein, daß jetzt aber nichts geschehen darf, was diese zukünftigen Hoffnungen heute schon vernichten würde?
Ich bin dieser Meinung. Aber wenn Sie diese Frage stellen, will ich mich an eine Antwort erinnern, die der Herr Bundesaußenminister in der Debatte über die Regierungserklärung im Dezember mir gegenüber gegeben hat. Er hat, wie ich meine, zutreffend — ich, habe es damals nicht quittieren können, weil ich nicht mehr zum Wort kam; aber ich quittiere es jetzt sowohl Ihnen gegenüber, Herr Kollege Majonica, wie gegenüber dem Bundesaußenminister — gesagt, wenn ein souveräner Zusammenschluß der Staaten Europas zustande komme, sei die Lage eine völlig andere. Dann kann doch gar nicht dadurch ein Problem auftreten, daß Staaten, die heute souverän oder beinahe souverän sind, sich heute binden, etwas nicht zu tun. Sie können doch nicht 'das zukünftige souveräne Europa binden. Dann tritt doch bestenfalls das juristische Problem der Sukzession auf, das aber im Augenblick gar nicht zur Debatte steht und auch nicht im Zusammenhang mit dem Atomwaffensperrvertrag, auf den Sie, Herr Majonica, ohne ihn zu nennen, natürlich anspielen, zur Debatte gestellt ist.Ich darf zusammenfassen. Wir sehen die Pariser Gespräche, zunächst die des Herrn Außenministers im Dezember, aber insbesondere die ausführlichen Verhandlungen, die der Herr Bundeskanzler jetzt geführt hat und über die er berichtet hat, als einen ermutigenden Erfolg an. Keiner in diesem Hause hat nach Lage der Dinge und nach der allerjüngsten Vergangenheit, die vorhergegangen war, mehr erwarten können. Wir sind beiden Regierungen dankbar für das, was erreicht ist. Wir begrüßen die Festigung des deutsch-französischen Verhältnisses und hoffen, daß .die vertrauensvolle Grundlage des
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jetzigen Gesprächs erhalten bleibt und daß sie in Zukunft weiter ausgebaut werden kann.Ein letztes Wort dazu: Je weniger dabei neue Illusionen erzeugt werden, um so mehr Hoffnung darf man in diese Bemühungen setzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Bemühungen der Bundesregierung um eine Aktivierung der deutsch-französischen Beziehungen werden von der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei voll unterstützt. Wir haben es deshalb begrüßt, daß in dem Kommuniqué von einer Verbesserung der Atmosphäre zwischen Bonn und Paris gesprochen wird. Diese Verbesserung der Atmosphäre kann eine vertrauensvolle Erörterung derjenigen Fragen erleichtern, in denen unverändert Meinungsverschiedenheiten zwischen Fankreich und der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Es wäre falsch, wenn man diese Meinungsverschiedenheiten geringer einschätzte als in der Vergangenheit. Ja, man würde mit einer Bagatellisierung sogar das deutsch-französische Verhältnis durch unberechtigte Erwartungen belasten. Jeder, der an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Frankreich interessiert ist, muß sich zunächst um eine Klärung der Standpunkte und sodann um eine Annäherung dieser Standpunkte bemühen. Es ist unbestreitbar, daß gerade die praktische Handhabung des deutschfranzösischen Freundschaftsvertrages die bestehenden Auffassungsunterschiede deutlicher werden ließ, als das vorher von manchen zugegeben wurde.Das Verhältnis der Bundesrepublik zu Frankreich wird durch die Aussöhnung des französischen und des deutschen Volkes bestimmt. Mit dieser Aussöhnung ist nach einer leidvollen Vergangenheit der Weg freigemacht worden für eine den Interessen beider Völker dienende Politik. Es darf aber auf der anderen Seite nicht verkannt werden, daß die Mittellage Deutschlands Veranlassung genug ist, um ein vertrauensvolles Verhältnis zu allen Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland zu suchen. Wir wünschen diese Beziehungen so herzlich und so eng wie möglich zu gestalten.Die Bundesregierung wird deshalb bei jedem Schritt die Unterstützung der parlamentarischen Opposition haben, der darauf gerichtet ist, die Verbindungen auch zu den anderen Europäischen Staaten zu verstärken. Die Haltung der dänischen eben- ° so wie der englischen Regierung sind Beweise aus der jüngsten Zeit für das hohe Maß an Verständnis und Unterstützung, auf das die Bundesrepublik dann rechnen kann, wenn es darum geht, ihre Osteuropapolitik zu erleichtern. Was wir nicht wollen — und wir sind uns dabei der Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Bundesaußenminister sicher —, ist eine Bewertung des Paris-Besuches, wie sie durch eine große deutsche Zeitungvorgenommen wurde, die davon sprach, das Kabinett Kiesinger/Brandt habe, wenn nicht alles täusche, die Weihen des Elyseums empfangen; ganz offenbar hätten der neue Kanzler und sein Außenminister den richtigen französischen Akzent getroffen; was ihnen diese Wallfahrt erleichtert habe, sei wohl der Umstand, daß man den schwierigen Hausherrn des Elyseepalastes mit dem bösen Schröder verschont habe.
So will niemand in diesem Hohen Hause den Besuch in Paris verstanden wissen, auch nicht, davon bin ich überzeugt, die französische Regierung.
Auch nach dem Bericht des Herrn Bundeskanzlers bedarf die Erklärung des französischen Außenministers Couve de Murville, die dieser am 14. 1. 1967 abgegeben hat, der Erläuterung. Dort hat er gesagt: „Die deutsche Politik ist der französischen Konzeption nähergekommen, und wir glauben, daß dies im Interesse aller, insbesondere im Interesse Deutschlands, liegt." Herr Bundeskanzler, hier ist die Frage zu stellen: Auf welchen Gebieten ist die deutsche Politik der französischen Konzeption nähergekommen?Die Bemühungen der Bundesregierung um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den Staaten Osteuropas und um eine Verbesserung unseres Verhältnisses zu Osteuropa liegen ebenso im Interesse Deutschlands wie im Interesse Frankreichs. Eine Unterstützung dieser Bemühungen wird aber dann besonders fruchtbar sein können, wenn es gelingt, über den Inhalt einer Osteuropapolitik Einverständnis zu erzielen. Der Herr Bundeskanzler hat selbst davon gesprochen, daß wir unsere Ostpolitik miteinander abstimmen wollen und daß wir kooperieren wollen, wo es möglich ist. Auch er geht also offensichtlich davon aus, daß in der Auffassung der Bundesregierung und der Auffassung der französischen Regierung über den Inhalt der Osteuropapolitik Unterschiede bestehen. Das dürfte insbesondere der Fall sein in der Grenzfrage, in der Beurteilung der Hallstein-Doktrin, aber auch, soweit es sich um die Deutschlandpolitik handelt, in der Beurteilung des Verhältnisses der getrennten Teile Deutschlands zueinander.Es wird einer Erklärung bedürfen, was beide Regierungen für erforderlich halten, um durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auch in der Sache eine Entspannungspolitik nach Osteuropa zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für die Verknüpfung einer Politik, die auf die Überwindung der europäischen Spaltung gerichtet ist, mit den Bemühungen um die Zusammenführung der getrennten Teile Deutschlands. Es ist zweifelsfrei, daß es der deutschen Entspannungspolitik nützlich sein wird, wenn das uns befreundete Frankreich in Osteuropa um Verständnis für die Bundesrepublik und um Verständnis für die deutschen Probleme wirbt, — eine Unterstützung, für die wir im übrigen jedem Staat dankbar sind, der sie uns gewährt.Die Bundesrepublik muß bei ihren Bemühungen zur Überwindung der Spaltung Europas immer wie-
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Freiherr von Kühlmann-Stummder darauf hinweisen, daß die Hauptursache der Spannung in Europa die deutsche Teilung ist und daß ohne die Lösung dieser Frage die Lösung der europäischen Probleme nicht möglich erscheint. Es wird auf der Grundlage der deutschen Spannung in Europa keine dauerhafte Friedensordnung geben können.
Es wäre deshalb auch falsch, die Überwindung der deutschen Spaltung sozusagen als Endphase der europäischen Entwicklung anzusehen. Nach unserer Auffasssung sollten auch bei den befreundeten Nationen alle Bemühungen darauf gerichtet sein, Fortschritte in Europa zu verknüpfen mit Fortschritten in der Deutschlandfrage. Die europäische Entspannung und Klimaverbesserung kann und wird mit Sicherheit der Entwicklung im innerdeutschen Bereich vorauseilen. Sie wird aber nicht möglich sein unter Aussparung Deutschlands. Wir würden es daher begrüßen, wenn die Bundesregierung auch für ihre künftige innerdeutsche Politik die Unterstützung der französischen Regierung suchen würde und wenn es ihr gelänge, diese innerdeutsche Politik in den Rahmen der europäischen Politik zu stellen.Untrennbar verbunden mit der Osteuropapolitik ist die Sicherheitspolitik in Europa. Die von dem Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung noch einmal bekräftigte Absicht zur Abgabe von Gewaltverzichtserklärungen ist ein Teil einer europäischen Sicherheitspolitik, mit der die Bundesrepublik versucht, unter Wahrung ihrer eigenen Sicherheit auch das Sicherheitsbedürfnis ihrer osteuropäischen Nachbarn zu befriedigen. Wir sind der Überzeugung, daß es möglich sein wird, eine Reihe von Fragen der. Sicherheitspolitik in zweiseitigen Vereinbarungen mit den osteuropäischen Nachbarn zu regeln.Eine Unterstützung dieser Bemühungen durch die französische Regierung erfordert jedoch eine Klärung der verteidigungspolitischen Auffassungen der beiden verbündeten Staaten. Die Bundesregierung will in der für die europäische Sicherheitspolitik bedeutungsvollen Frage der atomaren Mitverfügung die Tür offen lassen für eine spätere europäische Gemeinschaftslösung. Die FDP ist unverändert der Auffassung, daß die Bundesrepublik Deutschland eine atomare Mitverfügung nicht anstreben sollte.
Eine solche atomare Mitverfügung schafft nicht mehr Sicherheit, wohl aber ist die ständig wiederholte Forderung danach geeignet, unseren eigenen außenpolitischen Spielraum einzuengen.Die Frage einer europäischen Gemeinschaftslösung ist kein Problem der Bundesrepublik Deutschland allein, sondern eine Frage, die alle europäischen Staaten angeht. Wir halten es deshalb nicht für sinnvoll, wenn anstelle überholter Gemeinschaftsmodelle die Forderung nach einer solchen Gemeinschaftslösung, auch wenn sie erst für eine sehr entfernte Zukunft erhoben wird, die Regelung der jetzt vor uns liegenden Aufgaben belastet.
Auch wer in dieser Frage anderer Meinung ist, sollte erkennen, daß eine solche Lösung keine Aussicht auf Verwirklichung hat. Haben Sie, Herr Bundeskanzler, eine Bereitschaft des französischen Staatspräsidenten feststellen können, eine solche europäische Gemeinschaftslösung unter Beteiligung der Bundesrepublik zu schaffen? Angesichts der Tatsache, daß auf deutschem Boden auf der einen Seite in die NATO integrierte und auf der anderen Seite den französischen nationalen Oberbefehl unterstehende Truppen stationiert sind, bedarf es dringend einer Formulierung der Vorstellungen der Bundesregierung von der zukünftigen Struktur der NATO, wenn nicht ein Offenlassen dieser Frage zu einer Belastung sowohl des deutsch-französischen Verhältnisses als auch des Verhältnisses zu den anderen Verbündeten führen soll.Neben dieser Frage des Bündnisses im Ganzen scheint es uns erforderlich zu sein, daß über die im Dezember getroffene Vereinbarung hinaus die Frage des Auftrages für die französischen Truppen auf deutschem Boden, d. h. also die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen diese Truppen einsatzbereit sind, geregelt wird. Der französische Außenminister Couve de Murville hat am 14. Januar dieses Jahres erklärt, darüber seien Gespräche mit dem Herrn Bundeskanzler nicht geführt worden, weil das Problem der Stationierung der französischen Streitkräfte in Deutschland geregelt sei. Wir können uns nicht vorstellen, daß die Bundesregierung diese Meinung des französischen Außenministers teilt. Wir gehen vielmehr von der Erwartung aus, daß die Bundesregierung in dem Dezember-Abkommen eine begrüßenswerte Regelung für eine Teilbereich sieht, die der Ergänzung für das Ganze, und zwar in den wesentlichsten Fragen, bedarf.
Es wäre falsch, wenn wir durch ein Offenlassen dieser Frage die Diskussion über die künftige Struktur des Bündnisses auch im Verhältnis zu Frankreich belasten würden.Die Bundestagsfraktion der FDP betrachtet mit einer gewissen Sorge die bevorstehenden Verhandlungen über den Eintritt Englands in den Gemeinsamen Markt. Mit Sorge deshalb, weil wir lieber gestern als heute England im Kreise der Gemeinschaft begrüßt hätten.
Dieser Wunsch, die Gemeinschaft zu vergrößern, erstreckt sich natürlich nicht nur auf England, sondern auf alle Länder Europas, ,die bereit sind, .Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu werden. Ein Hinausschieben des Eintritts anderer Länder wird deren künftigen Eintritt nicht erleichtern, sondern erschweren. Wir werden es begrüßen, wenn die Bundesregierung sich unverändert zu dem Ziel bekennt, endlich die Spaltung des nichtkommunistischen Teils Europas zu überwinden.
Sie haben, Herr Bundeskanzler, mit Recht darauf hingewiesen, welche ernsthaften Probleme in- der
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Freiherr von Kühlmann-StummEuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstehen können, wenn sich Frankreich .dem Beitritt Englands widersetzen sollte. Wenn es neben der Osteuropapolitik einen Bereich gibt, in dem die deutschfranzösische Freundschaft nicht allein im deutschfranzösischen Interesse, sondern im gesamteuropäischen Interesse genutzt werden muß, so ist es die Frage der Ausweitung der EWG. Wir bitten die Bundesregierung, mit allem Nachdruck in Paris um Verständnis zu werben für die Gründe, die uns veranlassen, einen Eintritt Englands und auch anderer europäischer Staaten so früh wie möglich herbeizuführen. Alle europäischen Fragen, nicht nur im Bereich .der Wirtschaftspolitik, werden leichter zu lösen sein, wenn die wirtschaftliche Spaltung überwunden wird. Für uns gehört England zu 'Europa. Für uns ist Europa weder politisch, noch wirtschaftspolitisch, noch sicherheitspolitisch ohne England denkbar.
Wir sprechen das gerade unter dem Eindruck des Paris-Besuches des Herrn Bundeskanzlers aus, weil wir finden, daß auch unter Nationen, die in Freundschaft verbunden sind, die Klärung der Standpunkte nützlich ist.Die Bundesrepublik Deutschland wird in ihrer Außenpolitik von vielfältigen Verpflichtungen bestimmt. An der Spitze ihrer Aufgaben steht die Lösung der deutschen Frage. Dazu gehört auch in Anbetracht unserer Mittellage die Verbesserung unseres Verhältnisses zu Osteuropa. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind unsere Bemühungen in dieser Richtung durch vielfältige Probleme belastet. Deshalb ist für uns jeder Schritt nach Osteuropa schwerer, aber, wenn er getan ist, auch wirksamer und vorteilhafter. Als geteiltes Land sind wir noch mehr als alle anderen Staaten an einer Entspannung in Europa, an einer Überwindung der Gegensätze und als Folge davon an einer Überwindung der Spaltung dieses Kontinents interessiert. Als geteiltes Land wünschen wir Sicherheit für den freien Teil, aber als geteiltes Land wünschen wir auch alles zu vermeiden, was in Wirklichkeit oder auch nur vermeintlich die Sicherheitsinteressen unserer Nachbarn beeinträchtigen kann. Als geteiltes Land mit der exponierten Lage seiner Hauptstadt Berlin wollen wir die Sicherheitsprobleme Europas nicht lösen ohne die Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Ja, wir sind sogar der Meinung, daß ein beständiges und verläßliches System der Sicherheit für Europa nicht nur die Sowjetunion, sondern auch die Vereinigten Staaten einschließen muß. Als ein Land der Mitte wünschen wir gute Beziehungen zu allen Nachbarn, und als ein Land der Mitte wünschen wir auch im wirtschaftlichen Bereich den Zusammenschluß mit allen, die es wollen.Wir wissen, daß diese Politik nur mit Frankreich möglich sein wird. Deshalb sind wir so nachdrücklich daran interessiert, daß das Verhältnis zu Frankreich so eng wie möglich gestaltet wird. Wenn die Bundesregierung den Geist der Beratungen in Paris nützen wird, um die von mir hier aufgezeigtenschwerwiegenden Probleme, in denen unverändert Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind, einer Lösung zuzuführen, so wird sie dabei die volle Unterstützung der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und seine verschiedenen Berichte über die Pariser Verhandlungen haben innerhalb und außerhalb dieses Hohen Hauses ein lebhaftes Echo hervorgerufen. Mit dem Hinweis auf den Fragenkomplex der Aktivierung der Ostpolitik, der im Mittelpunkt der Pariser Verhandlungen stand, wurden erneut Probleme jener Teile unserer Bevölkerung angesprochen — unserer Mitbürger aus den Ostgebieten und aus dem Sudetenland —, deren Standpunkt hier noch nicht vertreten wurde, auch nicht in der Debatte über die Regierungserklärung. Ich glaube daher, einen legitimen Auftrag zu erfüllen, wenn ich vom Standpunkt dieser Mitbürger aus einmal einige Anmerkungen zu den Problemen mache, die mit dem Bericht des Herrn Bundeskanzlers vorgelegt wurden.Ich tue das insbesondere deshalb, weil es kein Geheimnis ist, daß in diesen Teilen unserer Bevölkerung und darüber hinaus eine Unruhe, eine große Besorgnis entstanden ist. Ich möchte gerade im Hinblick auf diese Unruhe und Besorgnis sagen, daß ich fürs erste auch von mir aus dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Außenminister dafür danken möchte, daß sie sich in Paris so sehr für eine Aktivierung des deutsch-französischen Bündnisverhältnisses eingesetzt haben. Wenn es wahr ist — der Herr Bundeskanzler hat uns das gestern zur Diskussion gestellt —, daß wir in der Bundesrepublik lediglich die Alternative zwischen einem defensiven Warten und dem Aufnehmen eines neuen Weges haben, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß es einen anderen Beginn für eine Aktivierung unserer nationalen Politik geben könnte als den, der beschritten wurde, nämlich die Gemeinsamkeit zwischen den beiden Nachbarn, zwischen Deutschland und Frankreich zu unterstützen. Ich glaube, daß wir alle nur das unterstreichen können, was, wie berichtet wird, der Herr Präsident der Republik Frankreich gesagt hat: daß seiner Meinung nach keine anderen Völker des freien Teils Europas so sehr miteinander verbunden sind wie das französische und das deutsche Volk.In Paris wurden also zunächst einmal Primärakte einer Gemeinsamkeit gesetzt oder erneuert, deren Ergebnisse abzuwarten sind, die nicht von Beginn an alle Probleme lösen können. Das möchte ich vor allem denjenigen Kritikern sagen, die nur von Ungeduld erfüllt sind. Wir alle in der Bundesrepublik müssen der vom Herrn Bundeskanzler und seinem Außenminister ergriffenen Initiative die Chance geben, sich einzulaufen und sich auszuwirken. Vielleicht ist es optimistisch — ich glaube aber, daß es
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Dr. Becher
ein gesunder Optimismus ist —, wenn ich meine, daß sich am Ende dieses Konzeptes viele Fragen, die heute noch absolut verquert erscheinen, leichter oder zumindest etwas leichter werden lösen lassen, als es heute aussieht.Ich bin aber, auch gewillt, mich mit den Kreisen auseinanderzusetzen, die in diesem Konzept von vornherein nichts als das „Fallenlassen nationaler Interessen" oder den „Verrat nationaler Interessen" wittern oder sehen. Ich meine, daß es sehr billig ist, sich in die Pose eines nationalen Helden zu werfen und dabei die Ohnmacht zu vergessen, durch die wir in die Situation unserer Außenpolitik hineingeraten sind, einer Ohnmacht, die zweifellos ohnehin ihre Wurzeln in den Fehlern der Vergangenheit, vor allem in den Fehlern der Führer des „Dritten Reiches" hat. Wir haben das Erbe heute vor uns liegen. Wir haben diese Vergangenheit zu meistern. Diese Aufgabe wird nicht dadurch leichter, daß wir uns auch mit den Fehlern auseinanderzusetzen haben, die von westaliierter Seite während des Krieges und nach dem Kriege gemacht wurden und die uns die Teilung Europas und die Teilung Deutschlands bescherten. Zweifelsohne handelt es sich um eine schwierige, eine unerhört ernste Aufgabe. Die nationalistische Pauke, auf die heute so viele schlagen — wir kennen ja die Kreise, die so reagieren —, ist das schlechteste der Instrumente, die wir zur Sicherung unserer nationalen Existenz brauchen können.
Es wird aber auch schwerfallen, den Bürgern unseres Staates eine Logik beizubringen, welche auf der einen Seite die Regierung auffordert, das Selbstbestimmungsrecht, die Menschenrechte und das Heimatrecht zum Leitstern ihrer Außenpolitik zu machen — was erfreulicherweise Herr Kollege Mende getan hat und was ich begrüße —, auf der anderen Seite aber im gleichen Augenblick eine ganze Skala von Forderungen und Parolen aufzählt, zum Teil mit übernimmt, die auch von denjenigen im Osten gehandhabt werden, die da antreten, um unser Selbstbestimmungsrecht, unser Freiheitsbewußtsein und auch das Recht auf Heimat zu unterminieren. Da entsteht die Gefahr einer Wunschtraumpolitik, die durch bloße Kritik in bezug auf das, was die Bundesregierung unterlassen hat, nicht glaubwürdiger wird. Bei den Pariser Gesprächen sind die Probleme des Selbstbestimmungsrechts und des Heimatrechts, vielleicht durch eine falsche und mangelhafte Nachrichtengebung, in ein schlechtes Licht gekommen. Es entstand, wie wir gestern gehört haben und auch heute aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers vernommen haben, eine Lücke zwischen dem wirklich Gesagten und den Informationen eines Teils der Presse und des Fernsehens. Diese Informationen haben zweifelsohne eine große Unruhe hervorgerufen. Ich möchte deshalb unterstreichen, was gestern der Herr Bundeskanzler 'in der Fraktion der CDU/CSU dargelegt hat: das, was er als Bundeskanzler in der Regierungserklärung über das Verhältnis zu Polen und zur Tschechoslowakei, über den Problemkreis der Oder-Neiße-Linie und des Münchener Abkommens gesagt habe, sei das Äußerste gewesen, was heuteein Bundeskanzler sagen könne! Das entspricht wohl genau der Stimmung, der Situation und der politischen Aufgabe in der Bundesrepublik, das entspricht dem — hier möchte ich ein schon zitiertes Wort erwähnen —, was uns Herr General de Gaulle selbst predigt, nämlich dem Grundsatz der nationalen Integrität, den wir ebensowenig verraten und verlassen können wie die Franzosen und andere Völker dieses Europas, der aber dann verlassen wird, wenn wir die Politik des Rechtsverzichts so weit treiben, daß sich große Teile unserer Bevölkerung eben übergangen und geopfert fühlen.Ich möchte hier nochmals etwas anmerken, was in der Regierungserklärung in bezug auf das Verhältnis zu Polen gesagt worden ist. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß nur eine gesamtdeutsche Regierung in einem Friedensvertrag legitimiert ist, Fragen zu regeln, die heute nach dem gegenwärtigen Stadium der Dinge noch nicht geregelt werden können. Das gilt nach meiner Meinung auch für den Gesamtkomplex des Münchener Abkommens, den man neuerdings in der Öffentlichkeit so oft zitiert. Man kann völkerrechtlich geschlossene Verträge nicht nachträglich annullieren, ohne überhaupt die Geschichte auszulöschen, zumal dann nicht, wenn sich aus diesen Verträgen Rechtsbezüge ergeben, die mitten in das Privatleben vieler unserer Mitbürger hineinzielen. Wenn die tschechoslowakische Außenpolitik heute immer wieder die Forderung nach Annullierung des Münchener Vertrags erhebt, dann sind jene unserer Mitbürger nicht falsch orientiert, die da sagen: Mit genau dem gleichen Recht könnten wir unsererseits die Forderung nach nachträglicher Annullierung des Vertrages von St. Germain erheben, durch den ja auch Menschenrechte unter Anwendung einseitiger Gewalt verletzt wurden. Das sind doch Gedankengänge, die in großen Teilen unserer Bevölkerung registriert und diskutiert werden. Ich meine, wir sind aufgerufen, dazu von hier aus Stellung zu nehmen.Ich stimme mit meinen Freunden durchaus einer Anmerkung des Herrn Bundeskanzlers zu, die er, wie ich meine, in einer Pressekonferenz gemacht hat, nämlich man solle z. B. dieses Münchener Abkommen und auch andere Rechtsverträge nicht dramatisieren. Das ist absolut richtig. Wir sind es nicht, die das Münchener Abkommen dramatisieren oder immer wieder zitieren. Die andere Seite ist es, die es bewußt tut. Wir sind der Überzeugung, daß das Münchener Abkommen für den Teil der Normalisierung deutsch-slawischer Beziehungen, der sich zwischen der Bundesrepublik und der Tschechoslowakei abspielt, durchaus nicht die letzte Instanz ist. Wir sind der Überzeugung, daß das Verhältnis zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken entweder aus dem Geist der allgemeinen Menschenrechte normalisiert wird oder daß es überhaupt nicht normalisiert werden kann.Wenn daher in der Diskussion von Paris die Gedankenreihe „Von der Detente über die Entente zur Kooperation" aufgestellt wurde, so glaube ich, daß wir alle freimütig dazu ja sagen können, sofern wir darunter eine echte europäische Partner-
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Dr. Becher
Schaft verstehen; wenn wir außer- und innerstaatliche Föderalisierung als das Grundprinzip jener neuen Ordnung von Europa vor Augen haben, die jetzt so sehr auch in den deutsch-französischen Gesprächen von französischer Seite aus angesprochen und diskutiert wurde.Die Diskussion über den Begriff des Volksgruppenrechts, der Gruppen- und Personalautonomie, die seit Jahrzehnten von allen politischen Richtungen in diesem Hause vertreten wird, führt uns sehr wohl in ein positives Europaprogramm hinein. Wenn wir hierbei die deutsch-französische Zusammenarbeit als Hilfe haben, dann befinden wir uns, glaube ich, auf dem richtigen Weg.Ich möchte aber — gestatten Sie mir diese kritische Anmerkung — davor warnen, zu glauben, daß schon im jetzigen Augenblick dieses freiheitliche Konzept für Mitteleuropa mit der Sowjetunion und mit den Ostblockstaaten, so wie sie sich gestern und heute äußern, möglich„ ist. Ich glaube, daß wir einer Illusion anheimfallen würden, wenn wir überhören, was von dort heute gesagt und getan wird.Der Herr Bundeskanzler hat aus der Rede das kommunistischen Parteiführers Breschnew in Gorki den Satz zitiert, der den Anhaltspunkt gibt, also den Satz, der sagt, die Sowjetunion würde alles begrüßen, was zu einer Entspannung führt. Er hat sich dabei sehr großmütig gezeigt. Denn wenn man diese Rede genau durchliest und daraufhin glaubt, es seine eine Rede für die Entspannung, dann ist man eben Illusionist.Wie die Dinge heute liegen, ist Sowjetrußland wohl bereit, mit Frankreich zur politischen Entmachtung der Bundesrepublik, nicht aber zur Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zusammenzuarbeiten. Das soll nicht heißen, daß es morgen anders sein kann. Aber heute — diese Überlegung muß in diesem Hause doch auch einmal ausgesprochen werden — sind wir gehalten, mit all dem, was unter dem Kennwort „Entspannung" an euphoristischen Thesen vertreten wird, einigermaßen vorsichtig zu sein. Die Antwort zumindest eines großen Teils der Ostblockstaaten auf den guten Willen der Regierungserklärung ist, wie sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einem Bericht aus Warschau ausdrückte, reichlich „bleiern" gewesen. Die „Signale Bonns", eine Normalisierung mit dem Osten herbeizuführen, haben eine sehr harte Antwort gefunden. Warum wohl? Nun, ich glaube, weil zur Zeit die Sowjetunion ihrerseits nicht eine Politik der Entspannung, sondern immer noch eine Politik der Spannung verfolgt und weil sie das ja stündlich und täglich zum Ausdruck bringt.Wir sehen uns also in einer Situation, in der in Europa zwei Thesen propagiert werden: vom Westen her die These der Entspannung. Sie geht von dem Glauben aus, der Kommunismus schmelze dahin, die Gegensätze schmölzen dahin, und es könne morgen zu einer freien Kooperation der Völker kommen. Demgegenüber sehen wir auf der anderen Seite, beim Adressaten dieses guten Willens, stündlich und täglich das Vertreten der These, die jüngst in das Zentrum der Parolen zur 50. Wieder-kehr der Oktoberrevolution gestellt wurde, und die Breschnew am vorigen Freitag zitierte: daß in Europa starke Streitkräfte zweier Weltanschauungen gegenüberstünden, daß zwischen dem Sozialismus und dem Kapitalismus, wie es in dieser Parole heißt, zwischen den Kräften des Fortschritts und der imperialistischen Reaktion der Kampf „unversöhnlich weitergehe". Und in der sowjetischen Parteizeitung „Kommunist" können Sie in der Nummer von gestern lesen, daß sich dieser Kampf „in scharfer Form in allen Sphären vollziehe, in der Wirtschaft, in der Politik, der Ideologie und der Kultur".Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, das ist zu einem guten Teil die Realität der heutigen Diskussionslage im europäischen Osten. Man kann natürlich sagen, das sind die Gebetsparolen einer sich selbst wiederkauenden altmarxistischen Litanei. Aber wer gibt uns das Recht, das nicht zu glauben, was hier wirklich gesagt wird? Dieser Fehler wurde schon einmal gemacht, vor dreißig und mehr Jahren, und am Schluß hat sich herausgestellt, daß die Wirklichkeit eher mit solchen Parolen übereinstimmte als mit dem, was wir an gutem Willen in die Diktatur hineindichteten.Die östlichen Kommentare zur Regierungserklärung und zu den Bekundungen des guten Willens, die von Paris ausgehen, stimmen zu 90% mit den Parolen eines fortgesetzten Klassenkampfes überein und passen leider nicht zu den Zeichen von gutem Willen, die von uns gegeben wurden. Die Bundesregierung, heißt es da stereotyp, habe sich nicht gewandelt, sie hänge nach wie vor dem Prinzip der Alleinvertretung an, sie wolle nach wie vor an Kernwaffen teilhaben, sie sei nach wie vor für die früheren Grenzen. Die vorbehaltlose Anerkennung der „Deutschen Demokratischen Republik" — so heißt es in einer der Reden — sei eine der Voraussetzungen der wirklichen Normalisierung der Lage in Europa.Ich will damit nicht schwarzmalen. Aber ich meine, daß es notwendig ist, diese Realität in der gegenwärtigen Stunde einmal anzusprechen. Nicht ein defensives, sondern ein außerordentlich offensives, ja, ich möchte sagen, ein gnadenlos offensives Kalkül der Sowjets tritt hier dem guten Willen und dem guten Glauben der Entspannungsoffensive gegenüber. Dem entspricht u. a. der Spott und der Hohn, mit dem die Mitglieder der tschechoslowakischen Regierung die Regierung Brandt-Kiesinger kritisiert haben. Unter Verwendung des Schlagwortes „Kiesebrandt" — geschmackloser geht es wohl nicht mehr — versucht man zu beweisen, daß die Bundesregierung ein „sinkender Ballon" sei — so die Aussage des stellvertenden tschechoslowakischen Außenminister Dr. Klička —, ein Ballon, der nunmehr Ballast abwerfe, nämlich die Rechtspositionen der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien. Die Bundesregierung dürfe aber keine Gegenleistung dafür erwarten. Es sei sozusagen die Aufgabe der Oststaaten zu warten, bis die „außenpolitische Isolierung" der Bundesrepublik ihr keinerlei Ausweg mehr lasse.Und da tritt nun ein, was man mit Recht als die „umgekehrte Hallstein-Doktrin" bezeichnet hat.
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3946 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Dr. Becher
Von einem Teil der Ostblockstaaten wird die Forderung aufgestellt: Diplomatische Beziehungen, aber nur unter der Voraussetzung, daß die Bundesregierung die „DDR" anerkennt, die Oder-Neiße-Linie anerkennt, sich nicht an einer gemeinsamen atomaren Verteidigung beteiligt, das Münchner Abkommen annulliert und womöglich am Schluß die Landsmannschaften verbietet. Das ist praktisch die Skala der Forderungen, wie sie in der Presse drüben diskutiert wurden. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren, daß vielleicht hintergründige Verhandlungspositionen bessere Ansatzpunkte zeigen.Von der Diskussion der Ostpresse, die in unseren Reihen, in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt ist, haben wir nichts Gutes zu erwarten. Die tschechoslowakische Regierung spricht von der Annullierung des Münchner Abkommens, meint aber die Legalisierung der Austreibung. Hier — so meine ich — ist die Bundesregierung aufgefordert, ihre klärende und erklärende Stellungnahme — ich danke für die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesaußenministers schon am Ende der Regierungsdebatte — durch die publizistischen Organe, die ihr zur Verfügung stehen, besser zu vertreten, als dies bisher der Fall ist. Weil ein Teil der Bevölkerung einseitig unterrichtet ist, entstehen Unruhe und gefährliche Entwicklungen draußenIch möchte, Herr Bundeskanzler, das wiederholen, was mein Kollege Majonica hier sagte —und diese Bitte auch an den Herrn Außenminister richten —: Reden Sie rechtzeitig mit den zuständigen Gremien der Bevölkerungsteile, um die es hier geht, damit Sie von ihnen vorher erfahren, was sie wollen. Dann werden sie nicht immer von draußen, zum Teil durch Hetzreden oder durch Hetzpropaganda, womöglich — nein, sicher — unnötigerweise gegen die Bundesregierung aufgebracht. Aufgehetzt gegen eine Bundesregierung, die etwas ganz anderes will, als man ihr andichtet.Ich meine z. B. auch, daß es heute notwendig ist, das in fast jeder Zeitung diskutierte Gerede von den astronomisch hohen Reparationsforderungen zurückzuweisen, wie sie z. B. von Staaten wie der CSSR erhoben werden. Es handelt sich dabei um Milliardenbeträge, bei deren Anerkennung wir mit unserer ganzen mittel- und langfristigen Finanzplanung einpacken könnten. Diese Parolen sollten insbesondere solchen Staaten gegenüber zurückgewiesen werden, die sich widerrechtlich das Nationalvermögen deutscher Volksgruppen zu eigen gemacht haben, das seinerseits in die Milliarden geht.Ich habe mich verpflichtet gefühlt, hier einmal diese Kehrseite der Medaille anzuleuchten, und ich tue das aus gutem Grund. Viele Bürger aus den ehemaligen Ostgebieten hegen die Befürchtung, daß ihre Treue zur Heimat, daß der Glaube an die Solidarität aller Deutschen übergangen wird. Sie werden in dieser Meinung durch so manche Zeitungsthesen und so manche Theorien hochgestellter westlicher Persönlichkeiten — nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo — unterstützt. Sie vernehmen, daß die Große Koalition geradezu den Auf-trag habe, das Abschreiben der Ostgebiete durchzuführen, weil eine einzige Partei das nicht allein auf ihre Schultern hätte nehmen können. Nun, ich meine, ihnen muß gesagt werden, daß diese Bundesregierung nicht antrat, um die nationalen Interessen unseres Volkes fallenzulassen, sondern um sie zu wahren.Nur in dem Bewußtsein, so zu handeln, sind wir, wie ich glaube, hier versammelt. Nur in dem Bewußtsein, so zu handeln, werden wir mit dem, was wir wollen und tun, vor der Geschichte bestehen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache zur Regierungserklärung ist geschlossen.Ich rufe nun die Punkte 3 bis 14 gemeinsam auf:3. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Friedrich Thielen, Bremen-Schönebeck, Adolf von Thadden, Hannover, und 15 weiterer Mitglieder und Wähler der NPD, Bevollmächtigter: RA Dr. Wolfgang Kaden, Göttingen, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965 — Drucksache V/1069 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde4. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD), vertreten durch den stellvertretenden Vorsitzenden August Haußleiter, München, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965 — Drucksache V/1112 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde5. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung . — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Dipl.-Kaufmanns Alexius Mansmann und des Kaufmanns Werner Toberentz, Hamburg, Bevollmächtigter: RA Dr. Sdun, Hamburg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965 in der Freien und Hansestadt Hamburg— Drucksache V/1113 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde6. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch der Deutschen Volkspartei, Bonn, vertreten durch das Vorstandsmitglied Dr. v. Wendorff, Bonn,
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Präsident D. Dr. Gerstenmaiergegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1114 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde7. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Hans-Joachim Böhme, Neustadt/Coburg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1115 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde8. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Werner Herrmann, Cuxhaven, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1116 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde9. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Dr. Herbert Beer, Lütjenburg/Ostholstein, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965— Drucksache V/1117 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde10. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Joachim von Müchow, Lübeck, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1118 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde11. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Wilhelm Studt, Hamburg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1119 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde12. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahiprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Wilhelm Reinfeld, Schleswig, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965— Drucksache V/1120 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde13. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Erhard Andreas Will, Bamberg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1121 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. Güde14. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten - über den Wahleinspruch des Gottfried Herbelßheimer, Freiburg (Breisgau), gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965- Drucksache V/1122 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. h. c. GüdeAls Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Güde zu den Punkten 3 bis 14 das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde Sie in dieser relativ späten Stunde nicht mit allen Einzelheiten der Wahleinsprüche beschäftigen, nicht mit all jenen tatsächlichen und rechtlichen Darlegungen, die entweder, soweit es sich um Tatsachen handelt, widerlegt oder als irrelevant erkannt sind, nicht mit jenem rechtlichen Aufbegehren gegen das Wahlgesetz, gegen bereits entschiedene Dinge, sondern ich will mich auf einige wenige zusätzliche Bemerkungen beschränken, um die Wahlanfechtungen, über die das Haus zu entscheiden hat, deutlich in den Zusammenhang zu stellen, in dem die allein prüfungsbedürftigen Argumente ihre Grundlage haben, in den Zusammenhang der Parteienfinanzierung und der verfassungsgerichtlichen Urteile, die dazu ergangen sind.Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem im Normenkontrollverfahren ergangenen Urteil vom 19. Juli 1966 entschieden, daß es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, „den Parteien Zuschüsse aus Haushaltsmitteln für ihre gesamte Tätigkeit im Bereich der politischen Meinungs- und Willensbildung zu gewähren". Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Auffassung nicht immer vertreten. Im Urteil vom 24. Juni 1958, dessen Gegenstand bekanntlich die steuerliche Abzugsfähigkeit der Spenden an politische Parteien war, hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine entscheidende Rolle zukommt, muß es auch zulässig sein, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen.In einer späteren Entscheidung vom 15. März 1961, mit der ein Antrag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE auf Erlaß einer einstweiligen Anord-
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Dr. h. c. Güdenung abgelehnt wurde, erklärte das Bundesverfassungsgericht, indem es auf jenes Urteil von 1958 verwies:Die Aussetzung des Vollzugs einer solchen Maßnahme,— nämlich der Parteienfinanzierung —die es den begünstigten Parteien ermöglicht, ihrer Aufgabe als Verfassungsorgane unabhängiger von sachfremden Finanzierungsquellen als zuvor gerecht zu werden, würde das Gemeinwohl auch, und zwar mehr beeinträchtigen als der möglicherweise vorübergehende Ausschluß einer im Bundestag nicht vertretenen Partei von der staatlichen Finanzierung.Meine Damen und Herren, ich zitiere das, weil es sich der Bundestag gegenüber einem in der öffentlichen Meinung weithin verbreiteten Zerrbild von der Entstehung und den Motiven der jetzt mißbilligten Parteienfinanzierung aus Haushaltsmitteln schuldig ist, festzustellen und festzuhalten, daß er in dieser Sache einen Weg beschritten hat, den ihm das Bundesverfassungsgericht selbst gewiesen hatte.In seinem jetzigen Urteil vom 19. Juli 1966 im Normenkontrollverfahren hat das Bundesverfassungsgericht diese Tatsache ausdrücklich anerkannt. Indem es sich auf seine früheren Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 1958 bezieht, sagt es wörtlich:Diese— also jene Ausführungen des Gerichts —konnten von den gesetzgebenden Körperschaften in Bund und Ländern dahin verstanden werden und sind dahin verstanden worden, daß es verfassungsrechtlich zulässig sei, den Parteien aus Haushaltsmitteln Zuschüsse für ihre Beamte politische Tätigkeit zu bewilligen.Das Bundesverfassungsgericht hat also seine frühere Auffassung geändert. Dazu ist es berechtigt, und selbstverständlich muß seine jetzige Entscheidung respektiert werden. Aber es muß dabei doch auch im Interesse des Ansehens des Parlaments darauf hingewiesen werden, daß bis zu dieser Entscheidung vom 19. Juli 1966 die Verfassungswidrigkeit der Parteienfinanzierung aus Haushaltsmitteln keinesfalls evident war, sondern im Gegenteil mit guten Gründen, nämlich mit Gründen des Bundesverfassungsgerichts selbst, verneint werden konnte.Aber angesichts dieses Sachverhalts, meine Damen und Herren, drängt sich selbstverständlich die Frage auf, ob die jetzige Feststellung der Verfassungswidrigkeit rückwirkende Kraft hat. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 19. Juli 1966 die Antwort gegeben, die das Bundesverfassungsgerichtsgesetz allein vorsieht, nämlich die Antwort, daß das Haushaltsgesetz in dem angefochtenen Punkt verfassungswidrig sei. Es mag ein Mangel des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes sein, an dessen Korrektur der Bundesgesetzgeber denken sollte, daß das Bundesverfassungsgericht nicht je nach Lage des Falles die Wirkung seines Spruchs, der Feststellung der Verfassungswidrigkeit, ex nunc oder ex tunc bestimmen kann, so also, daß es die Wirkung vonjetzt an oder mit echter Rückwirkung eintreten lassen kann. Ich bin der Überzeugung, hätte das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit gehabt, in dieser Weise zu unterscheiden, dann hätte es die Wirkung seiner Entscheidung im Normenkontrollverfahren ganz bestimmt ex nunc, also von der Entscheidung ab, eintreten lassen.Eine sinnvolle Auslegung des Urteilssatzes wird die Frage nach der Rückwirkung jener Entscheidung auf die Wahlen des Jahres 1965 entsprechend beantworten, nämlich so, daß die Wahl des Jahres 1965 durch die am 19. Juli 1966 getroffene Entscheidung nicht berührt wird.Nun ist allerdings in den Urteilen über die Organklagen der drei im Bundestag nicht vertretenen Parteien ein weiterer Grund für die Verfassungswidrigkeit der Parteienfinanzierung aus dem Haushalt dargelegt worden, daß nämlich das Recht der antragstellenden Parteien auf Chancengleichheit verletzt sei; denn ihre Chancen seien dadurch verringert, daß bestimmte andere Parteien staatliche Zuschüsse erhielten, die allen Parteien von der Verfassung grundsätzlich verwehrt seien.Aber, muß ich fragen, wird mit diesem Hinweis auf das grundsätzliche Verwehrtsein der staatlichen Parteienfinanzierung nicht wieder zurückverwiesen auf die bis zum 19. Juli 1966 nicht evidentermaßen verfassungswidrige Art -der Parteienfinanzierung? Konnte dem Gesetzgeber die Beachtung gerade dieses Gesichtspunktes zu jener Zeit, als er entschied, zugemutet werden? .Dabei ist zuzugeben, daß die Parteienfinanzierung über das Haushaltsgesetz, da sie nicht auf einer ausdrücklich geschriebenen Regelung beruht, keine ausdrückliche Begründung für die Nichtbeteiligung der im Bundestag nicht vertretenen Parteien an der Parteienfinanzierung enthält. Das bedeutet aber doch nicht, daß diese Nichtbeteiligung im Parlament nicht erwogen war. Die zugrunde liegenden Erwägungen legen doch auf der Hand. Die Rechsprechung des Bundesverfassungsgerichts über eine differenzierende Zuteilung von Sendezeiten in Rundfunk und Fernsehen drängte sich als Leitlinie auch für die Parteienfinanzierung auf. Ein legitimer Grund für die Differenzierung und ihr Ausmaß ist, wie das Bundesverfassungsgericht auch jetzt noch einmal im Urteil vom 19. Juli 1966 feststellt, die Gefahr einer übermäßigen Aufsplitterung der Stimmen und der Parteien. Auch für jene Art der Parteifinanzierung über das Haushaltsgesetz, die jetzt für verfassungswidrig erklärt ist, brauchte eine undifferenzierte Beteiligung aller, also auch der kleinen und kleinsten Parteien nicht vorgesehen zu werden.Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jetzigen Urteil vom 19. Juli 1966 ein Modell zulässiger Finanzierung der Wahlkampfkosten entworfen. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Frage, ob er die im Bundestag nicht vertretenen Parteien beteiligen sollte, damals andere Maße und Unterscheidungen zugrunde gelegt hat, als sie jetzt — übrigens in einer nicht schlechthin für den Gesetzgeber verbindlichen Weise — vom Bundesverfassungsgericht entwickelt worden sind, so kann darin allein keine
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Dr. h. c. GüdeVerfassungswidrigkeit gefunden werden. Das Parlament hat in diesem Punkte nicht willkürlich entschieden, wenn es von Mindesterfordernissen ausging, die in der Frage der Sendezeiten vom Bundesverfassungsgericht entwickelt worden waren. Selbst dann war die Entscheidung nicht willkürlich, wenn das Parlament in der Umsetzung jener Maßstäbe auf das Problem der Parteienfinanzierung nach der Meinung des Bundesverfassungsgerichts zu eng gewesen sein sollte. Die im Bundestag damals und jetzt nicht vertretenen Parteien sind nicht aus willkürlichen, sondern aus verfassungsrechtlich immerhin vertretbaren Gründen von der Finanzierung ausgeschlossen worden. Sie wären von der Finanzierung der Wahlkampfkosten selbst dann ausgeschlossen gewesen, wenn das Modell des Bundesverfassungsgerichts vom Gesetzgeber 1965 schon vorausgesehen und verwirklicht worden wäre. Das ist in den Gründen unserer Beschlußentwürfe ganz klar ausgeführt.Der Wahlprüfungsausschuß ist deswegen einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bundestagswahlen 1965 durch die Parteienfinanzierung nicht beeinflußt worden sind. Er empfiehlt daher dem Hohen Hause die Zurückweisung der Einsprüche.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich mache das Haus darauf aufmerksam — was den rechtskundigen Mitgliedern ohnehin bewußt ist —, daß hinter diesem knappen Bericht eine Summe von Mühe und Arbeit steckt, die der Ausschuß in diesem Zusammenhang geleistet hat, eine Summe von Sorgfalt und ernster Anstrengung, die das Haus dankbar zur Kenntnis nimmt.
Meine Damen und Herren, ich eröffne nun die Aussprache. Die Aussprache zu den Punkten 3 bis 14 kann verbunden werden. Abgestimmt werden muß nachher über jeden Punkt einzeln.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen damit zur Abstimmung, zunächst über den Punkt 3 der Tagesordnung.
Zur Abstimmung gebe ich das Wort dem Abgeordneten Jahn .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hält den Wahleinspruch der NPD für nicht begründet. Sie wird deshalb dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1069 zustimmen.Die Fraktion der SPD teilt allerdings nicht die von der Mehrheit des Ausschusses vertretene Meinung, die in Ziffer 2 der Entscheidungsgründe des vom Ausschuß vorgelegten Beschlusses ihren Niederschlag gefunden hat. Die von der Ausschußmehrheit angenommenen zwei Arten unzulässiger Informationstätigkeit der Regierung sind nicht die einzigen Möglichkeiten eines Mißbrauchs der Offentlichkeitsarbeit durch die Bundesregierung. Die Informationstätigkeit der Regierung ist nicht nur dann unzulässig, wenn sie auf Grund ihres Umfangs zu einer Überlagerung der Offentlichkeitsarbeit der Parteien führt oder wenn durch diese Informationstätigkeit direkt und unmittelbar bestimmte politische Parteien begünstigt werden.Die Wege, die die damalige Bundesregierung bei einer verschleierten Finanzierung der sie tragenden Parteien CDU/CSU und FDP gegangen ist, sind differenzierter. Die SPD wirft der damaligen Bundesregierung vor, unzulässige Informationstätigkeit u. a. in folgenden Fällen, die nur als Beispiele genannt werden können, ausgeübt zu haben.Erstens. Sie hat ihre Werbung für die Bundesregierung zeitlich und inhaltlich so auf die Werbung der die Bundesregierung damals tragenden Parteien abgestimmt, daß ein Unterschied zur Werbung dieser Parteien nicht mehr feststellbar war.Zweitens. Sie hat die der Bundesregierung für eigene Offentlichkeitsarbeit zur Verfügung stehenden Mittel sachlicher Art, schriftliches Werbematerial und Werbeinstitutionen, unmittelbar in den Dienst der sie tragenden Parteien gestellt und diesen überlassen.Meine Fraktion ist nach wie vor der Auffassung, daß die damalige Regierung ihre Befugnisse im Bundestagswahlkampf des Jahres 1965 mißbraucht und die Mittel der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit einseitig zugunsten der sie tragenden Parteien eingesetzt hat.
Allerdings konnte nach der Auffassung meiner Fraktion diese verschleierte Finanzierung der Regierungsparteien das von der NPD erzielte Wahlergebnis nicht beeinflussen. Auf diese unsere Auffassung kann sich die NPD nicht berufen. Sie ist von dieser Auseinandersetzung zwischen der früheren Bundesregierung und der damaligen parlamentarischen Opposition gar nicht betroffen.Die von der SPD beanstandete Informationstätigkeit der damaligen Regierung befaßte sich im wesentlichen mit solchen politischen Themen, die zwischen den im Parlament vertretenen Parteien ganz oder teilweise kontrovers waren. Sie gab Ergebnisse der parlamentarischen Arbeit, die auf Initiativen und Ideen der SPD zurückgingen und an denen die SPD maßgeblich mitgewirkt hatte, als das alleinige Verdienst der Regierung aus.Ein anderer, wesentlicher Teil der sogenannten Informationstätigkeit der damaligen Bundesregierung richtete sich gezielt gegen die damalige parlamentarische Opposition und versuchte, diese und deren Repräsentanten und Sachvorstellungen anzugreifen. Die von einer zulässigen Offentlichkeitsarbeit einer Regierung zu erwartende objektive Darstellung ihrer Tätigkeit im Verhältnis zur parlamentarischen Opposition war dabei nicht gewahrt. Soweit sich die Werbung und Informationstätigkeit der Bundesregierung mit den im Bundestag behandelten politischen Sachfragen befaßte, konnte sie sich auf die Wahlchancen der NPD schon deshalb nicht auswirken, weil diese Partei überhaupt kein politisches Sachprogramm, etwa zur Sozial-, Wirtschafts-, Ver-
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Jahn
kehrs-, Gesundheitspolitik usw., entwickelt hat, das der Wähler an den von der Bundesregierung vertretenen Vorstellungen hätte messen können. Die Wähler, die sich bei der Stimmabgabe an politischen Sachprogrammen orientierten, hätten die NPD mangels solcher politischer Sachvorstellungen ohnehin nicht gewählt. Soweit sich die Regierungspropaganda aber unmittelbar gegen die SPD richtete, war eine Beeinflussung des Wahlergebnisses zuungunsten der NPD ohnehin ausgeschlossen. Die verschleierte Parteienfinanzierung mittels der- Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zugunsten der sie damals tragenden Parteien kann deshalb das von der NPD erreichte Wahlergebnis nicht beeinflußt haben.Aus diesen Gründen kann die SPD die von der NPD zur Rechtfertigung ihres Antrages gegebene Begründung nicht anerkennen. Sie stimmt deshalb nach Klarstellung ihrer Auffassung dem Antrag des Ausschusses zu.
Weitere Erklärungen zur Abstimmung? — Keine Wortmeldungen.Wir kommen zur Abstimmung:Punkt 3: Wahleinspruch des Friedrich Thielen, Bremen-Schönebeck usw. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Wahleinspruch ist vom Bundestag einstimmig zurückgewiesen.Punkt 4: Wahleinspruch der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher. Der Ausschuß schlägt auch hier vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Wahleinspruch ist vom Bundestag einstimmig zurückgewiesen.Punkt 5: Wahleinspruch des Dipl.-Kaufmanns Alexius Mansmann und des Kaufmanns Werner Toberentz. Der Ausschuß schlägt auch hier vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer diesem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Wahleinspruch ist vom Bundestag einstimmig zurückgewiesen.Punkt 6: Wahleinspruch der Deutschen Volkspartei, Bonn. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer diesem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen ? — Auch dieser Einspruch ist einstimmig zurückgewiesen.Punkt 7: Wahleinspruch des Hans-Joachim Böhme, Neustadt/Coburg. Der Ausschuß schlägt auch hier Zurückweisung des Wahleinspruchs vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier ist die Zurückweisung einstimmig beschlossen.Punkt 8: Wahleinspruch des Werner Herrmann, Cuxhaven. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmenwünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig zurückgewiesen.Punkt 9: Wahleinspruch des Dr. Herbert Beer, Lpütjenburg/Ostholstein. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch diese Zurückweisung ist einstimmig beschlossen.Punkt 10: Wahleinspruch des Joachim von Müchow, Lübeck. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Wahleinspruch ist einstimmig zurückgewiesen.Punkt 11: Wahleinspruch des Wilhelm Studt, Hamburg. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Auch dieser Einspruch ist einstimmig zurückgewiesen.Punkt 12: Wahleinspruch des Wilhelm Reinfeld, Schleswig. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig zurückgewiesen.Punkt 13: Wahleinspruch des Erhard Andreas Will, Bamberg. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier ist die Zurückweisung einstimmig beschlossen.Punkt 14: Wahleinspruch des Gottfried Herbelßheimer, Freiburg. Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier ist der Einspruch einstimmig zurückgewiesen.Ich rufe nun den Punkt 15 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch des Georg Wucher, Höfen/Vogt., gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965— Drucksache V/1123 —Berichterstatter: Dr. SchäferIch frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet; ich bedanke mich.Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch auch in diesem Fall zurückzuweisen. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier ist einstimmig zurückgewiesen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3951
Präsident D. Dr. GerstenmaierIch rufe den Punkt 16 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts des Ausschusses fürWahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Wahlprüfungsangelegenheiten — über den Wahleinspruch desGünther Schulte, Dietzenbach — Steinberg,gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Deutschen Bundestag vom 19. September 1965— Drucksache V/1124 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. KlepschIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.Der Ausschuß schlägt vor, den Wahleinspruch auch in diesem Fall zurückzuweisen. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch hier — und damit in jedem einzelnen Fall — ist der Wahleinspruch einstimmig vom Deutschen Bundestag zurückgewiesen.Meine Damen und Herren, der Punkt 17 der Tagesordnung soll vereinbarungsgemäß am Freitag nach der Fragestunde behandelt werden.Ich rufe Punkt 18 auf:Zweite Beratung des von den Fraktionen derCDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeibeamtengesetzes— Drucksache V/350 —Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksachen V/1180, zu V/1180, Nachtrag zu V/1180 Berichterstatter: Abgeordneter Lautenschlager
Wir möchten Ihnen nach einer Beratung im Ältestenrat vorschlagen, in die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeibeamtengesetzes nicht einzutreten, sondern den Entwurf an den Innenausschuß und an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung zurückzuverweisen. Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Punkt 19:Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ; Bading, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl— Drucksache V/932 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/1232 —Berichterstatter: Abgeordneter Windelenb) Mündlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/1221— Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Kurlbaum-Beyer
Auch dieser Entwurf soll an die Ausschüsse zurückverwiesen werden, und zwar an den Finanzausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend —, nach § 96 der Geschäftsordnung. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Das Haus ist einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Den Aufruf von Punkt 20 der Tagesordnung kann ich mit dem Aufruf der Punkte 21 bis 29 verbinden:20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Weinwirtschaft
— Drucksache V/1208 —21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung
— Drucksache V/1195— 22. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten EntWurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 6. Mai 1963 über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern— Drucksache V/1219 —23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung der Volkszählung 1970— Drucksache V/ 1220— 24. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
— Drucksache V/1279—
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3952 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Punkt 33:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hammans, Dr. Klepsch, Dr. Vogel , Winkelheide, Dr. Ritz und Genossen betr. Altersgrenze für Schülerfahrkarten bei der Deutschen Bundesbahn— Drucksache V/1240 —*) Siehe Anlage 7
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1967 3953
Präsident D. Dr. GerstenmaierIch frage, ob das Wort gewünscht wird. — Herr Dr. Hammans!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei diesem Antrag praktisch um eine Wiederholung des Antrags 546 aus dieser Legislaturperiode. Danach sollte die Altersgrenze für die Erlangung der Schülerfahrkarten bei der Deutschen Bundesbahn, die ab 1. März 1966 auf 27 Jahre festgelegt worden war, wieder fallen. Der Antrag V/546 war durch einstimmigen Beschluß im Verkehrsausschuß und im Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik verabschiedet worden, konnte aber vom Haushaltsausschuß nicht genehmigt werden, weil die Mittel nicht zur Verfügung standen.
Nach dem Ihnen neu vorliegenden Antrag sollen durch eine Umlage auf alle Schülerfahrkarten — nämlich durch eine Erhöhung um 2% — die etwa 2 Millionen DM aufgebracht werden. Damit wäre dann die Möglichkeit gegeben, die Grenze aufzuheben.
Ich möchte Sie bitten, in den Ausschüssen dieser neu vorgeschlagenen Regelung zuzustimmen. Im übrigen darf ich auf die Begründung verweisen, die ich in der 38. Sitzung vom 4. Mai 1966 gegeben habe.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates lautet: Verkehrsausschuß — federführend —, Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik zur Mitberatung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit sind wir für heute am Ende unserer Tagesordnung. Nächste Plenarsitzung: Donnerstag, den 19. Januar, 14.30 Uhr; nur Fragestunde. Auch für Freitag besteht Präsenzpflicht. Wir beginnen am Freitag um 9 Uhr mit der Fragestunde.
Die Sitzung ist geschlossen.