Protokoll:
5069

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 69

  • date_rangeDatum: 28. Oktober 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:27 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 69. Sitzung Bonn, den 28. Oktober 1966 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 3229 A Fragestunde (Drucksache V/1025) Fragen des Abg. Reichmann: Mißbräuchliche Verwendung von Gasöl und leichtem Heizöl Grund, Staatssekretär 3229 B Reichmann (FDP) 3229 D Wächter (FDP) . . . . . . . 3230 A Fragen des Abg. Dr. Eppler: Erlaß des Bundesaußenministers betr. mögliche dienstliche Konsequenzen einer Heirat von Beamten des AA mit ausländischen Staatsangehörigen Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 3230 C Dr. Eppler (SPD) 3230 D Fellermaier (SPD) 3231 A Fragen des Abg Dr. Schulz (Berlin) : Eheschließungen mit ausländischen Staatsangehörigen Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 3231 B Dr. Schulz (Berlin) (SPD) 3231 D Frage des Abg. Matthöfer: Schicksal der in der Sowjetunion verhafteten Redakteurin Martina Kischke Dr. Carstens, Staatssekretär . . 3232 B Matthöfer (SPD) 3232 C Jahn (Marburg) (SPD) 3232 D Frage des Abg. Kohlberger: Aufhebung der starren Altersgrenze Kattenstroth, Staatssekretär . . . 3233 A Fragen der Abg. Frau Dr. Hubert: Mangel an hauswirtschaftlichen Kräften in Krankenhäusern und Altenheimen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 3233 B Frau Dr. Hubert (SPD) . . . . . . 3234 A Vizepräsident Dr. Dehler . . . . . 3234 B Varelmann (CDU/CSU) . . . . . 3234 C Müller (Mülheim) (SPD) . . . . . 3234 D Frage des Abg. Folger: Verordnung betr. eine vorläufige Landarbeitsordnung vom 24. 1. 1919 Kattenstroth, Staatssekretär . . 3235 A Folger (SPD) 3235 B Fragen des Abg. Kulawig: Lärm- und Staubbelästigung der Anwohner des Panzererprobungsgeländes „Großer Sand" in Saarlouis-Fraulautern Gumbel, Staatssekretär 3235 C Kulawig (SPD) 3236 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 Fragen des Abg. Müller (Worms) : Äußerungen des Leutnants zur See Struve über Australien bei einem Freundschaftsbesuch des Schulschiffs „Donau" in Melbourne Gumbel, Staatssekretär 3236 A Müller (Worms) (SPD) . . . . 3237 A Frage des Abg. Müller (Worms) : Folgerungen aus dem Vorfall Gumbel, Staatssekretär 3237 B Müller (Worms) (SPD) 3237 C Fragen des Abg. Dr. Tamblé: Kostenträger bei Beseitigung von Bunkerresten 3237 D Fragen des Abg. Börner: Einladungen an Reservisten zu einer wehrpolitischen Veranstaltung der FDP im Kreis Hanau 3237 D Frage des Abg. Moersch: Hintergründe bei der Beschaffung des Schützenpanzers HS 30 Gumbel, Staatssekretär . . . . 3238 A Moersch (FDP) . . . . . . . . 3238 B Dr. Dehler, Vizepräsident 3238 D, 3239 C, 3240 B, 3241 A Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 3238 D Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 3239 A Borm (FDP) . . . . . . . . . 3239 B Reichmann (FDP) . . . . . . . 3239 C Wächter (FDP) . . . . . . . . 3240 A Raffert (SPD) . . . . . . . . . 3240 C Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . . 3240 D Fragen des Abg. Josten: Patenschaften zwischen deutschen und Truppeneinheiten der Verbündeten Gumbel, Staatssekretär 3241 B Josten (CDU/CSU) 3241 B Fragen des Abg. Dr. Müller (München) : Drohende Abwanderung von Wissenschaftlern der Luft- und Raumfahrtindustrie in die VAR — Besondere Form der Wehrdienstleistung für Mathematik- und Physikstudenten — Handhabung der Wehrdienstleistung von Abiturienten in anderen Ländern 3242 B Fragen des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) : Erfahrungen mit der Verwendung von Gasturbinen als Antrieb schwerer Kraftfahrzeuge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3242 C Fragen des Abg. Richter: Planung der Verkehrssanierung des Raumes Neckarelz–Diedesheim–Obrigheim 3242 D Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) : Zulassung reflektierender Nummernschilder an Kraftfahrzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3243 A Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 3243 A Frage des Abg Schmitt-Vockenhausen: Einführung eines Bauleistungsbuches Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3243 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 3243 C Schriftliche Berichte des Ausschusses für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen über die 55. und 58. Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/924, V/1050, V/925, V/1051) . . 3243 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen über die Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksachen V/955, V/1058) 3243 D Schriftliche Berichte des Ernährungsausschusses über die Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Antragsfrist für die Gewährung von Zuschüssen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abt. Ausrichtung, für das Jahr 1967 (Drucksachen V/999, V/1059), sowie zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 3/63 EWG vom 24. 1. 1963 betr. die Handelsbeziehungen zu den Staatshandelsländern in bezug auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Drucksachen V/848, V/1060) 3243 D Entwurf eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Neun- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 III tes Rentenanpassungsgesetz) (Drucksache V/1001), in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen (Sozialbericht 1966) sowie des Gutachtens des Sozialbeirats über die Rentenanpassung (Drucksache V/940) Katzer, Bundesminister . 3244 B, 3257 B, 3258 D, 3259 B Stingl (CDU/CSU) . . . 3246 A, 3260 B Glombig (SPD) 3249 D Spitzmüller (FDP) 3253 A Dr. Schellenberg (SPD) . 3256 A, 3258 C, 3258 D, 3260 A, 3260 C Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . . 3259 D Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Drittes Neuordnungsgesetz — KOV) (Drucksache V/1012) Katzer, Bundesminister . . . . . 3260 D Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . . 3263 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 3264 A Bazille (SPD) . . . . . . . . . 3265 D Dr. Rutschke (FDP) 3268 A Erklärungen gemäß § 36 GO Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 3270 C Dr. Even (CDU/CSU) . . . . . . 3270 D Mündlicher Bericht des Innenausschusses über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 36 — Zivile Verteidigung (Drucksache V/994, Umdruck 46) Dr. Even (CDU/CSU) 3271 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Standortübungsplatzes Tübingen-Waldhausen (Drucksachen V/669, V/985) . . 3271 C Nächste Sitzung 3271 D Anlagen 3273 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 3229 69. Sitzung Bonn, den 28. Oktober 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Frau Albertz 28. 10. Dr. Arndt (Berlin) 31. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 28. 10. Bäuerle 31. 10. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 28. 10. Berger 28. 10. Berlin 28. 10. Blachstein 15. 11. Brand 29. 10. Dr. Burgbacher 28. 10. Burgemeister 31. 10. Damm 28. 10. Deringer 4. 11. Dr. Dichgans 28. 10. Diebäcker 28. 10. Dr. Dittrich * 28. 10. Ehnes 28. 10. Eisenmann 31. 10. Erler 31. 10. Faller * 28. 10. Frieler 28. 10. Fritsch (Deggendorf) 28. 10. Dr. Furler 28. 10. Frau Geisendörfer 28. 10. Geldner 28. 10. Graaff 28. 10. Frau Griesinger 28. 10. Gscheidle 28. 10. Haage (München) 28. 10. Hauffe 28. 10. Hirsch 28. 10. Dr. Hofmann (Mainz) 28. 10. Iven 28. 10. Jacobi (Köln) 28. 10. Kahn-Ackermann 30. 11. Kaffka 29. 10. Dr. Kempfler 28. 10. Kiep 28. 10. Kriedemann * 28. 10. Frau Dr. Krips 28. 10. Kubitza 28. 10. Frau Kurlbaum-Beyer 28. 10. Lenders 28. 10. Lenz (Trossingen) 31. 10. Dr. Löhr 28. 10. Dr. Lohmar 28. 10. Lücker (München) * 28. 10. Mauk 28. 10. Memmel * 28. 10. Mengelkamp 28. 10. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 28. 10. Dr. von Merkatz 30. 11. Missbach 28. 10. Mischnick 28. 10. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Müller (Aachen-Land) * 28. 10. Ollesch 28. 10. Ott 28. 10. Paul 28. 10. Picard 28. 10. Prochazka 28. 10. Frau Pitz-Savelsberg 31. 10. Ramms 28. 10. Dr. Rinderspacher 28. 10. Sänger 28. 10. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 28. 10. Dr. Schmid (Frankfurt) 28. 10. Schmidt (Kempten) 28. 10. Schmitt (Lockweiler) 28. 10. Schoettle 28. 10. Dr. Serres 28. 10. Seuffert * 28. 10. Springorum * 28. 10. Dr. Staratzke 28. 10. Strohmayr 31. 10. Struve 31. 10. Teriete 31. 10. Dr. Verbeek 31. 10. Weigl 28. 10. Weimer 31. 10. Welslau 28. 10. Wendelborn 28. 10. Baron von Wrangel 28. 10. Wurbs 28. 10. Zerbe 28. 10. Zink 28. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 26. Oktober 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Jung (Drucksache V/1025 Fragen X/7, X/8 und X/9) : Ist die Bundesregierung bereit, die Straßenverkehrs-Ordnung dahin gehend zu ergänzen, daß künftig jeder Führerscheinerwerber einen Akut-Hilfe-Kursus ableisten muß? Ist die Bundesregierung bereit, die Straßenverkehrs-Ordnung dahin gehend zu ergänzen, daß künftig jeder Halter eines Kraftfahrzeuges im Fahrzeug einen Verbandskasten, ein Warndreieck und eine Warnlampe mitführen muß? Ist die Bundesregierung bereit, die Straßenverkehrs-Ordnung dahin gehend zu ergänzen, daß künftig jeder Fußgänger bei nächtlicher Benutzung öffentlicher Verkehrswege, außerhalb von Ortschaften, Leuchtarmbinden tragen muß? Zu X/7: Ich beabsichtige, für den Erwerb der Fahrerlaubnis aller Klassen die Teilnahme an einer Unterrichtung über „Sofortmaßnahmen am Unfallort" vorzuschreiben. Dazu bedarf es zuvor der Ermächtigung des Bundesverkehrsministers durch das Straßenverkehrsgesetz. Der Entwurf eines Änderungsgesetzes zu diesem Gesetz wird den gesetzgebenden Körperschaften nach Abschluß der Vorbereitungsarbeiten vorgelegt werden. 3274 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 Zu X/8: Zu a) : Ich beabsichtige, die Ausrüstung aller Kraftwagen mit einem Verbandskasten vorzuschreiben. Doch auch dazu bedarf es besonderer gesetzlicher Ermächtigung. Auch deren Einholung wird vorbereitet. Zu b) und c) : Die Frage, ob es notwendig ist, das Mitführen von bestimmten Beleuchtungs- und Warneinrichtungen generell für alle Kraftfahrzeuge vorzuschreiben oder ob dies die geltenden Vorschriften zur Sicherung haltender oder liegengebliebener Fahrzeuge entbehrlich machen, wird z. Z. mit den hierfür zuständigen Behörden usw. geprüft. Zu X/9: Das Tragen von reflektierenden Gegenständen für Fußgänger bei nächtlicher Benutzung von Landstraßen vorzuschreiben, ist vorläufig nicht beabsichtigt. Auch dafür würde eine gesetzliche Ermächtigung fehlen. Das Problem hat auch an Bedeutung verloren. Der Fußgängerverkehr auf Landstraßen nimmt infolge der anhaltenden Motorisierungswelle, von der auch die Bevölkerung auf dem flachen Lande und in ländlichen Siedlungsgebieten in zunehmendem Maße erfaßt wird, immer mehr ab. Hinzu kommt die Einführung des asymmetrischen Abblendlichts, das eine bessere Ausleuchtung des rechten Fahrbahnrands ermöglicht. Schließlich ist auch noch die in § 37 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung enthaltene Regelung zu erwähnen, nach der Fußgänger außerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen ohne besonderen Gehweg die äußerste linke Straßenseite zu benutzen haben. Das alles schließt jedoch nicht aus, daß Fußgänger zum eigenen Schutz von solchen Sicherungsmitteln freiwillig Gebrauch machen. Die Gemeinsame Verkehrssicherheitskonferenz des Bundes und der Länder und auch der Arbeitskreis zur Prüfung von Unfallverhütungsmitteln, dem außer verschiedenen Behörden eine Reihe von mit Verkehrs- und Sicherheitsfragen befaßten Verbänden angehören, haben den Gebrauch von Sicherungsmitteln durch Fußgänger auf Landstraßen empfohlen. Die Bevölkerung ist durch die Presse entsprechend unterrichtet worden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 28. Oktober 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fellermaier (Drucksache V/1025 Frage X/10): Hält der Bundesverkehrsminister trotz seiner Mitteilung über den Nichtbeginn des Baues geplanter neuer Autobahnen und Bundesfernstraßen seine während der Bereisung in Memmingen und Günsburg gegebene Zusage aufrecht, wonach der ursprünglich bereits für 1967 geplante Baubeginn für die Autobahn Ulm—Memmingen nunmehr endgültig für 1968 angesetzt wird und die Bauausschreibungen bereits 1967 vorgenommen werden? Unsere Absicht, die Autobahn zwischen Ulm und Memmingen sobald als möglich zu beginnen, ist unverändert. Wegen der Kürzung der Aufwendungen für ,den Straßenbauplan im Haushalt 1967 ist es jedoch nicht möglich, im nächsten Jahr neue Baumaßnahmen an Bundesautobahnen oder Bundesstraßen zu beginnen. Aus diesem Grunde konnte ich auch in Memmingen den Baubeginn für die geplante Bundesautobahn Ulm—Memmingen nicht vor 1968 in Aussicht stellen. Dies hat aber auch sachliche Gründe, denn für diese Autobahn läuft z. Z. erst auf Landesebene das Raumordnungsverfahren. Nach dessen Abschluß erfolgt durch das Bundesverkehrsministerium die Festlegung der Linienführung nach § 16 Fernstraßengesetz, wobei das Benehmen mit allen anderen beteiligten Bundesministerien hergestellt werden muß. Danach werden die baureifen Entwürfe aufgestellt, die als Unterlage für das bei jeder Neubaumaßnahme gem. § 18 Fernstraßengesetz zwingend vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren dienen. Dieses Verfahren kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, je nach Art und Zahl der Einsprüche. Die bis jetzt vorliegenden Einwände haben schon großen Umfang angenommen und machten zusätzliche planerische Untersuchungen notwendig. Vor Baubeginn sind dann noch die Grunderwerbsverhandlungen durchzuführen, wobei hinsichtlich deren Dauer das gleiche gilt wie beim Planfeststellungsverfahren. Erst nachdem alle diese technischen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind, kann mit den Bauausschreibungen und mit dem Bau begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt werden dann sicherlich auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden können. Nach wie vor würde ich es sehr begrüßen, wenn die Vorarbeiten so zu beschleunigen wären, daß noch 1967 ausgeschrieben werden könnte. Dies liegt aber größtenteils nicht in meiner Macht. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 28. Oktober 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/1025 Fragen XI/ 1, XI/2 und XI/3) : Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der Abwasserbeseitigung unter dem Gesichtspunkt der Reinhaltung der Flüsse und Seen einschließlich der Trinkwasserbereitstellung? Ist der Bundesregierung bekannt, daß speziell in Nordbayern erhebliche Schwierigkeiten wegen der Abwasserbeseitigung bestehen? Welche Pläne haben Bund und Länder entwickelt, um gemeinsam mit den Kommunen und der Industrie in einer absehbaren Zeit das Ziel einer vollbiologischen Klärung aller Abwässer zu erreichen? Zu 1.: Im kommunalen Bereich sind in den vergangenen Jahren etwa 12 Mia DM für den Bau von Kanalisationen und Kläranlagen investiert worden. Damit sind etwa 55 % der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland an Kanalisationen und zentralen Kläranlagen angeschlossen. Zur Zeit wird jedoch bei etwa 20 % der Bevölkerung das Abwasser zwar in Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 3275 einer Kanalisation erfaßt, jedoch noch nicht in zentralen Kläranlagen gereinigt. Für etwa 25 % der Bevölkerung bestehen weder Kanalisation noch Kläranlagen. Die Menge des gesamten Abwassers hat in der Vergangenheit so stark zugenommen, daß trotz der gesteigerten Abwasserbehandlung in alten und neuen Kläranlagen der Anteil des ungereinigten Abwassers jetzt noch höher ist als früher. Die hohen Investitionen haben nicht ausgereicht, den Zustand der Gewässer zu verbessern; es wäre jedoch unerträglich geworden, wenn die Kosten für die Abwasseranlagen in den zurückliegenden Jahren nicht aufgebracht worden wären. Für den industriellen Abwassersektor liegen keine vergleichbaren Angaben vor, soweit es sich um Abwasser handelt, das nicht in kommunalen Kläranlagen mitbehandelt wird. Der Abwasseranfall bei der Industrie ist jedoch ebenfalls wesentlich gestiegen. Der Bau von Abwasserreinigungsanlagen der Industrie hat aber noch nicht den notwendigen Umfang angenommen. Die Bundesregierung beurteilt den heutigen Zustand der Gewässer in der Bundesrepublik als nicht befriedigend. Durch die noch zunehmende Verschmutzung der Gewässer sind erhebliche Schwierigkeiten in bezug auf die gegenwärtige und künftige Versorgung mit Trinkwasser eingetreten. Die öffentliche Wasserversorgung muß immer mehr auf die Nutzung von Oberflächenwasser ausweichen. Wenn auch Notstände in größerem Umfange bisher verhindert werden konnten, so bereitet doch die Sicherung der Trinkwasserversorgung ernste Sorge. Zu 2.: Der Bau von Abwasserreinigungsanlagen der Städte und Gemeinden sowie der Industrie bereitet allgemein, vor allem in bezug auf ihre Finanzierung, Schwierigkeiten. Dabei wirken sich in diesem Jahr die Kürzungen in den Haushalten von Bund und Ländern leider auch bei den Maßnahmen der Wasserwirtschaft nachteilig aus. Der Bundesregierung ist bekannt, daß in Nordbayern, d. h. im Fränkischen Raum, vor allem die Deckung des Trinkwasserbedarfs aus örtlichen Vorkommen wegen ungünstiger hydrogeologischer und klimatischer Verhältnisse besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist der Bundesregierung aber auch bekannt, daß das Land Bayern für die Wasserversorgung des Fränkischen Raumes auf Grund umfangreicher Erhebungen und Untersuchungen einen großräumigen Plan aufgestellt hat, der zügig verwirklicht wird. Zu 3.: Für die Reinhaltung der Gewässer sind nach dem Grundgesetz und nach dem bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 30. 10. 1962 die Länder zuständig. Insofern kann der Bund mit den Ländern einen gemeinsamen Plan für die hinsichtlich der Reinhaltung der Gewässer einzuhaltenden Anforderungen nicht entwickeln. Gerade deshalb hat die Bundesregierung den aus der Mitte des Bundestages eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes lebhaft unterstützt. Dieser Entwurf hatte das Ziel, jeden Einleiter von Abwasser unmittelbar zur Einhaltung bestimmter Anforderungen zu verpflichten und außerdem die obere Grenze für eine noch tragbare Belastung der Gewässer festzulegen. Die zugehörigen Rechtsverordnungen sahen biologische oder gleichwertige Kläranlagen vor; weiterhin war daran gedacht, Fristen für die Fertigstellung dieser Anlagen zu setzen. Leider ist dieses vom Bundestag einstimmig beschlossene Gesetz vom Bundesrat abgelehnt worden. Zur Ermittlung der Verhältnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Abwasserwesens hat die Bundesregierung in den Jahren 1957 und 1963 amtliche Erhebungen durchführen lassen. Die Ergebnisse gaben einen Überblick über die Entwicklung und erlauben, den Finanzbedarf für die noch notwendigen Abwasseranlagen abzuschätzen. Das Bundesgesundheitsministerium hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit Erfolg dafür eingesetzt, daß die für den Bau von Abwasseranlagen der Kommunen und der Industrie bestimmten ERP-Mittel, soweit eben möglich, in der bisherigen Höhe zur Verfügung bleiben. Die Vergabe dieser Kredite erfolgt in jedem Jahr nach einem mit den Bundesländern abgestimmten Verfahren, das sicherstellt, daß die von Bund und Ländern gewährten Kredite und Beihilfen nach Dringlichkeit und Schwerpunkten vergeben werden, da sie zur Befriedigung aller Anträge nicht ausreichen. Dadurch ist gewährleistet, daß die Mittel der öffentlichen Hand möglichst wirkungsvoll eingesetzt werden. Die Länder, die die Hauptlast der Zuschüsse tragen, haben bis zum Jahre 1966 die Beihilfemittel für Abwasseranlagen von Jahr zu Jahr beträchtlich erhöht. Da auch diese Mittel für den gesamten Bedarf nicht ausreichen, werden sie nach besonderen Schwerpunkten verteilt. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 28. Oktober 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) (Drucksache V/1025 Frage XI/4) : Zu welchen konkreten Ergebnissen ist der nach Auskunft der Frau Bundesministerin für Gesundheitswesen in der Fragestunde vom 3. März 1966 neu konstituierte Ausschuß Fluglärm bisher gekommen? Die Ausschüsse „Fluglärm" und der Rechtsausschuß im Luftfahrtbeirat haben sich in erster Linie mit dem aus .der Mitte des Bundestages eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen befaßt, der gesetzgeberische Folgerungen aus dem Göttinger Fluglärmgutachten ziehen will. Nach Prüfung des Entwurfs unter rechtlichen, finanziellen und verkehrswirtschaftlichen Gesichtspunkten sind die Ausschüsse zu der Auffassung gelangt, daß sich die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Lärmschutzmaßnahmen nicht verwirklichen lassen. 3276 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 Die von den Ausschüssen in Anlehnung an das Fluglärmgutachten erarbeiteten konstruktiven Beiträge zur Fluglärmminderung und die Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf sind schriftlich niedergelegt. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, daß ich auf die Einzelheiten jetzt nicht eingehe, Ihnen aber Abdrucke der Niederschriften über die Beratungen der Ausschüsse „Fluglärm" und des Rechtsausschusses des Luftfahrtbeirates zuleite. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 28. Oktober 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Fellermaier (Drucksache V/1029 Fragen II/ 1 und 11/2): Ist der bayerischen obersten Landesverkehrsbehörde, der bayerischen Staatsregierung, entsprechend den Bestimmungen des Bundesbahngesetzes Gelegenheit zu einer Stellungnahme zur Auflösung der Bundesbahndirektionen Augsburg und Regensburg gegeben worden, was der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Dr. Schedl, öffentlich bestreitet? Sind über das Vorhaben der Deutschen Bundesbahn, die in Frage II/1 genannten Direktionen aufzulösen, gegebenenfalls außer dem Land Bayern auch die beteiligten Städte, die Eisenbahnergewerkschaft und der Hauptpersonalrat der Deutschen Bundesbahn angehört worden, wie es der Bundesverkehrsminister in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 13. Oktober 1966 gesagt hatte? Herr Kollege, mit Recht beziehen Sie sich auf meine Ausführungen in der Fragestunde der 65. Sitzung des Bundestages. Auf die Fragen des Herrn Kollegen Dr. Hofmann wegen einer etwaigen Auflösung der Bundesbahndirektion Mainz habe ich mich zu der Frage des Zusammenwachsens von Bundesbahndirektionen im Rahmen der notwendigen Straffung der Organisation der Deutschen Bundesbahn auch allgemein geäußert. Diese Ausführungen gelten natürlich auch für die vier im Freistaat Bayern liegenden Bundesbahndirektionen. Inzwischen haben auch die in meiner Antwort angekündigten Informationsgespräche mit den Regierungschefs oder, falls sie verhindert waren, den zuständigen obersten Stellen der betroffenen Länder stattgefunden. Über die Überlegungen, die wegen der Bundesbahndirektionen Augsburg und Regensburg in dem vorliegenden Gutachten angestellt wurden und ihre etwaigen Konsequenzen informierte der Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn, Herr Prof. 'Dr. Oeftering, am 12. Oktober Herrn Ministerpräsidenten Dr. h. c. Goppel. An dem Gespräch nahm, wie mir mitgeteilt wurde, für den verhinderten Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dr. Schedl, Herr Staatssekretär Wacher teil. Auch die Eisenbahnergewerkschaften und der Hauptpersonalrat der Deutschen Bundesbahn wurden inzwischen vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn über die Vorschläge der Organisationskommission informatorisch unterrichtet. Diese Informationsgespräche ersetzen selbstverständlich nicht das nach dem Bundesbahngesetz vorgeschriebene Verfahren, sondern gehen ihm voraus. Zur Beschaffung der Grundlagen für das im Gesetz vorgeschriebene Verfahren laufen noch weitere Untersuchungen, die in der Erarbeitung einer Rahmenplanung zusammengefaßt werden, in die die Prüfungen der aufzustellenden Sozialpläne, der zu ermittelnden Rationalisierungseffekte, der Kosten usw. eingehen werden. Bis zur Fertigstellung der Rahmenplanung werden noch einige Monate benötigt. Erst dann können nach dem im Bundesbahngesetz vorgeschriebenen Verfahren die abschließenden Verhandlungen mit den Ländern erfolgen. Dazu gehören auch die Entscheidungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn darüber, welche Vorschläge der Organisationskommissionen weiterverfolgt und welche Ersatzlösungen vorgeschlagen werden sollen. Den örtlich beteiligten obersten Landesverkehrsbehörden wird also erst nach längerer Zeit gemäß § 44 Bundesbahngesetz offiziell Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Die Willensmeinung der Länder wird dann bei der Beschlußfassung des Verwaltungsrates nach § 12 Abs. 1 Ziffer 11 Bundesbahngesetz und schließlich bei der Genehmigung durch den Bundesminister für Verkehr nach § 14 Abs. 4 Buchstabe e) Bundesbahngesetz eingehend gewürdigt und angemessen berücksichtigt werden. Bei ihrer Willensbildung werden die obersten Landesverkehrsbehörden meines Erachtens sicher nicht versäumen, auch die betroffenen Städte zu hören, die natürlich auch selbst alles Interesse haben, nicht übergangen zu werden und sich bereits entsprechend rühren. Ich möchte zur Klarheit noch ausdrücklich unterstreichen, daß die Güte der Verkehrsbedienung für die Bevölkerung und die Wirtschaft natürlich nicht von der Organisationsform der Deutschen Bundesbahn oder der Zahl oder dem Sitz der Bundesbahndirektionen auch nur im geringsten beeinflußt wird. Anlage 7 Ergänzende Ausführung des Abgeordneten Dr. Rutschke zu Punkt 7 der Tagesordnung. Mit der gleichen turnusmäßigen Gewißheit, mit der dem Winter der Frühling folgt, wird vor jedem Bemühen um eine Verbesserung des Versorgungsrechts der Kriegsopfer die Grundrente als eine Versorgungsleistung 'hingestellt, die entweder einer Erhöhung überhaupt nicht mehr bedürfte oder zumindest jenen gestrichen werden sollte, die diese Rente zur Beseitigung von existenzieller Not nicht brauchen. Wenn es kürzlich in einem Artikel der „Heilbronner Stimme" über die geplante laufende Anpassung ,der Kriegsopferversorgung wörtlich heißt: „Bezieht man in diese laufende Anpassung auch die Grundrente ein, erhöht man in zahllosen Fällen im Zwei-Jahres-Turnus das Taschengeld von Männern und Frauen, die diesen Obolus vom Vater Staat wahrhaftig nicht mehr nötig haben", so muß dazu festgestellt werden, daß dieser Gedankengang keineswegs neu, sondern so alt wie die Kriegsopferversorgung selbst ist, aber dadurch bis zum heutigen Tage noch nicht um einen Deut richtiger wurde. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 3277 Was steckt hinter einer solchen Betrachtungsweise? Unzweifelhaft resultiert sie aus der Auffassung, die Kriegsopferversorgung sei ihrem Wesen nach eine Art „besondere Fürsorge" für arme in Not geratene Kriegskrüppel, die kein Glied für eine berufliche Tätigkeit mehr rühren können, und für solche armen Witwen und Waisen, die andernfalls betteln gehen müßten. Diese Betrachtungsweise unterstellt damit, ohne es auszusprechen und sicherlich auch ohne diesen Gedanken zu Ende zu denken, daß der Staat auf dem Wege über die allgemeine Wehrpflicht das absolute Recht habe, die Gesundheit des von der Wehrpflicht erfaßten Staatsbürgers entschädigungslos zu enteignen. Einer solchen Auffassung stehen der Rechtsgrundsatz des Bürgerlichen Rechts auf Schadenshaftung eines jeden zivilisierten Staates sowie Artikel 2 des Grundgesetzes, nach dem jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat, prinzipiell entgegen. Für den recht und billig Denkenden kann es gar keinen Zweifel darüber geben, daß Leben und Gesundheit als die bedeutendsten Güter des Menschen, die durch nichts anderes zu ersetzen sind, auch für Gemeinzwecke genausowenig entschädigungslos enteignet werden sollen wie materieller Besitz, dessen Schutz auch durch Artikel 14 des Grundgesetzes verbrieft ist. Alle Vorschläge für die Einstellung der Grundrentenzahlung an solche Kriegsbeschädigte, die entweder Vermögen besitzen oder über ein Einkommen verfügen, das sie vor unmittelbarer wirtschaftlicher Not bewahrt, argumentieren vorwiegend mit Einkommensvergleichen zwischen einem kriegsbeschädigten Hilfsarbeiter und beispielsweise einem kriegsbeschädigten hohen Beamten, woraus sie den Schluß ziehen, daß der kriegsbeschädigte Beamte auf seine Grundrente, die für ihn ohnehin nur ein Taschengeld sei, verzichten könne oder solle, damit die Versorgungsbezüge des kriegsbeschädigten Hilfsarbeiters erhöht werden könnten. Dieser Vergleich ist nicht nur irreführend, sondern zugleich auch unzulässig, weil er völlig außer acht läßt, daß die Kriegsopferversorgung nicht die Aufgabe hat, allgemein vorhandene und auf ganz anderen Ursachen basierende soziale Unterschiede einzuebnen — auch der gesunde höhere Beamte pflegt mehr zu verdienen als ein gesunder Hilfsarbeiter —, sondern im Gegenteil, jene besonderen Einbußen an Gesundheit und Leistungsfähigkeit ausgleichen soll, die der kriegsbeschädigte Staatsbürger im Vergleich zu dem gesunden Staatsbürger seiner sozialen Schicht zu beklagen hat. Deshalb orientiert sich die Kriegsopfer-Grundrente als jene Komponente der Versorgung, die den Entschädigungscharakter repräsentiert, nicht am Einkommen des Versorgungsberechtigten, sondern am Grade der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit. Da für mehr als 80 % aller Kriegsbeschädigten infolge ihrer Berufstätigkeit die Grundrente mit Ausnahme der notwendigen Kosten für freie Heilbehandlung der Kriegsbeschädigung und der Lieferung von orthopädischen Hilfsmitteln die einzige Versorgungsleistung ist, die sie empfangen, würde die Einstellung der Grundrentenzahlung an sie mit der Einstellung der Versorgung überhaupt praktisch identisch sein. Rechtlich aber gibt es keine Begründung dafür, daß die Gesundheit eines wirtschaftlich besser gestellten Staatsbürgers weniger wert sei als die eines schlechter gestellten. Der für den Laien zunächst bestechende Gedanke, durch Einsparung der Grundrenten von Kriegsbeschädigten aus höheren 'sozialen Schichten die Versorgung minderbemittelter oder besonders schwer betroffener Kriegsbeschädigter wesentlich zu verbessern, entpuppt sich bei näherer Prüfung als ein Irrtum. Die Zahl der Kriegsbeschädigten in jenen schon von sich aus schwach besetzten hohen Einkommensgruppen, bei denen die Grundrente im Verhältnis zu ihren eigenen Realeinkommen finanziell tatsächlich ohne Bedeutung ist, ist so gering, daß der Erlös einer solchen Maßnahme von den zu ihrer Durchführung erforderlich werdenden Verwaltungskosten weit übertroffen wird. Eine solche Maßnahme könnte erst dann nennenswerte Einsparungen erbringen, wenn die Einkommensgrenze, von der ab die Grundrente gekürzt oder nicht mehr gezahlt werden soll, so tief angesetzt wird, daß das Gros der deutschen Kriegsopfer damit erfaßt wird. Daß aber all solchen im Grunde laienhaften Überlegungen meist auch völlig irreale Vorstellungen über die wirkliche Höhe der Kriegsopferversorgungsleistungen zugrunde liegen, möge ein einfaches Beispiel verdeutlichen, das bewußt aus der Gegenwart genommen ist und damit zugleich geeignet erscheint, den wehr- und verteidigungspolitischen Aspekt der Versorgung erkennen zu lassen. Zwei Redakteure mit einem angenommenen Gehalt von 1500 DM im Monat arbeiten in einer Zeitungsredaktion nebeneinander. Der eine macht eine Reserveübung bei der Bundeswehr, wird bei einer nächtlichen Übung von einem Panzer überfahren und verliert ein Bein im Oberschenkel. Nach Amputation, längerem Krankenhausaufenthalt und prothetischer Versorgung erhält er bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 % eine monatliche Grundrente von 140 DM. Der andere Redakteur verliert auf einer dienstlichen Fahrt im Auftrag der Zeitung durch einen Verkehrsunfall ebenfalls ein Bein im Oberschenkel. Er erhält dafür eine Unfallrente von 700 DM monatlich ebenso neben jedem weiteren Einkommen, wie sein bei der Wehrübung verunglückter Kollege seine 140 DM Grundrente für den gleichen Schaden neben weiterem Einkommen erhält. Das ist der nüchterne Tatbestand, den man zur Kenntnis nehmen und von dem man ausgehen sollte, wenn man über die Frage nachdenkt, ob Grundrenten notwendig und sinnvoll sind, ob sie ganz weggenommen, gekürzt oder erhöht werden sollen. Anlage 8 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Jungmann zu Punkt 7 der Tagesordnung. Der Herr Bundesarbeitsminister hat vorhin gesagt, daß es bei diesem Gesetzentwurf um die Ver- 3278 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 wirklichung des Anspruchs der Kriegsopfer auf eine würdige und gerechte Versorgung geht. Das veranlaßt mich zu folgenden Feststellungen. In den §§ 18 c Abs. 4 und 24 a dieses Gesetzentwurfs ist vorgesehen, daß die ärztliche und zahnärztliche Behandlung der Versorgungsberechtigten, nicht nur der Kriegsopfer, sondern auch der beschädigten Soldaten der Bundeswehr und der Beschädigten der zivilen Ersatzdienstes, in Zukunft nur nach den Mindestsätzen der Amtlichen Gebührenordnung vergütet werden soll. Soweit es sich um Schwerbeschädigte handelt, soll die Bundesregierung ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates „im Falle des Bedürfnisses" einen prozentualen Zuschlag auf die Mindestsätze der gesetzlichen zahnärztlichen Gebühren festzusetzen. Ich will hier nicht fragen, was unter „im Falle des Bedürfnisses„ zu verstehen ist. Ich will auch nicht darauf eingehen, daß ich die Begründung der einschlägigen Vorschläge für sachlich falsch und in ihrer Fiktion für irreführend halte. Das alles wird in den Ausschußberatungen zur Sprache kommen und dort erörtert werden müssen. Worauf es heute und hier ankommt, das ist zunächst einmal die Frage, ob diese Regelung den berechtigten Belangen der Kriegsopfer und des ihnen gleichgestellten Personenkreises entsprechen würde. Und gerade das glaube ich nicht. Die Kriegsopfer haben von sich aus immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß sie eine solche Bewertung durch den Staat als entwürdigend, als das Gegenteil dessen empfinden, was der Herr Bundesarbeitsminister vorhin als den eigentlichen Sinn dieses Gesetzes herausgestellt hat. Sie haben immer wieder betont, daß sie mit ihrer Versorgung den anderen Versorgungsberechtigten und nicht den Sozialhilfeberechtigten gleichgestellt sein wollen. Aber auch für die Ärzte und Zahnärzte handelt es sich um eine Grundsatzfrage. Sie wehren sich gegen jede gesetzliche Honorarfestsetzung außerhalb des Sozialhilfegesetzes. Sie sehen darin einen auch verfassungsrechtlich nicht vertretbaren Eingriff in ihre staatsbürgerlichen Rechte, die ja auch auf allen anderen Gebieten des Sozialrechts grundsätzlich anerkannt sind. Ich möchte im übrigen auch bezweifeln, ob eine Regelung, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, bei einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht würde bestehen können. Ich würde hier nicht zu dieser Frage Stellung nehmen, wenn es in Wahrheit nicht um diese Grundsatzfragen, sondern um die Höhe der Honorare ginge. Abgesehen davon, daß die Höhe des Honorars so wie bisher auch in Zukunft ohne jede Konsequenz für die ärztliche Behandlung von Kriegsopfern sein wird — das weiß niemand besser als die Kriegsopfer selbst —, ist die allenfalls in Frage kommende Differenz für den einzelnen Arzt ebenso wie für die Ärzteschaft als Ganzes wirtschaftlich völlig bedeutungslos. Man darf daraus aber nicht den Schluß ziehen, daß die Ärzte und Zahnärzte dann ja auch auf ihre Vertragsfreiheit verzichten könnten. Damit bin ich bei dem entscheidenden Punkt: es geht auch der Bundesregierung nicht um das Geld, sondern um das grundsätzliche Bestreben, mit Hilfe dieses Gesetzes eine Bresche in die gesetzlich garantierte Vertragsfreiheit der Ärzte zu schlagen. Das Kriegsopferrecht sollte aber nicht dazu benutzt werden dürfen, ein Präjudiz für andere, wenn nicht sogar für alle übrigen sozialrechtlichen Regelungen zu schaffen. Das sollten sich alle diejenigen sagen lassen, die diese Absicht verfolgt haben und auch jetzt noch, zum Teil ganz offen, verfolgen. Noch ein letztes Wort zu der finanziellen Seite dieser Frage. Auch vor 1933 hat die schlechte Finanzlage zu Notverordnungen geführt, die dann nur sehr schwer und zum Teil auch heute noch nicht wieder korrigiert werden konnten. Das sollte uns eine Warnung sein!
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Die Tagesordnung soll durch die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. ergänzt werden. — Das Haus ist damit einverstanden; die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 25. Oktober 1966 die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Apel und der Fraktion der SPD betr. Mineralölsteuertransporte auf deutschen Tankschiffen — Drucksache V/984 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1062 verteilt.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksachen V/1025, V/1029 —
Wir fahren fort mit der Beantwortung von Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage V/11 des Abgeordneten Reichmann auf:
Sind Schätzungen zutreffend, nadi denen durch mißbräuchliche Verwendung von Gasöl, das einmal als leichtes Heizöl für 0,12 DM und zum anderen als Dieselkraftstoff für 0,50 DM verkauft wird, Steuerausfälle von jährlich ca. 100 Millionen DM verursacht werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506900100
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Reichmann wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506900200
Einverstanden?

(Abg. Reichmann: Gern!)

Frage V/12 und Frage V/13 des Abgeordneten Reichmann:
Ist es zutreffend, daß allein in Nordrhein-Westfalen 150 Strafverfahren wegen mißbräuchlicher Verwendung von leichtem Heizöl als Dieselkraftstoff anhängig sind?
Wieviel Verwaltungskosten könnten jährlich im Bundesgebiet eingespart werden, wenn durch die Färbung des leichten Heizöls die Kontrollen vereinfacht und bei der Abgabe des gefärbten Gasöls an die Landwirtschaft das ganze Steuerrückerstattungsverfahren hinfällig würde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506900300
Der Steuerausfall infolge des Mißbrauchs von leichtem Heizöl als Dieselkraftstoff läßt sich nicht zuverlässig schätzen, weil eine Überwachung der mehr als 6 Millionen Heizölverwender praktisch nicht möglich ist. Mißbräuche können immer nur mehr oder weniger zufällig aufgedeckt werden. Berücksichtigt man jedoch, daß allein in Nordrhein-Westfalen in zehn Monaten des Jahres 1966 eine mißbräuchliche Verwendung von mindestens 11 500 t leichtem Heizöl aufgedeckt worden ist, die einem verkürzten Steuerbetrag von rund 9,3 Millionen DM entspricht, und berücksichtigt man ferner, daß der große Preisunterschied zwischen leichtem Heizöl und Dieselkraftstoff stark zum Mißbrauch anreizt, andererseits die Gefahr der Entdeckung recht gering ist, so erscheinen im ganzen Bundesgebiet Steuerausfälle in der Größenordnung bis zu 100 Millionen DM durchaus möglich. Die Steuerausfälle werden sich allerdings auch durch die vorgesehene Kennzeichnung des leichten Heizöls nicht in vollem Umfange ausschließen lassen.
In Nordrhein-Westfalen sind zur Zeit 158 Strafverfahren gegen 203 beteiligte Personen wegen des Mißbrauchs von Heizöl als Dieselkraftstoff anhängig. Sie beziehen sich auf eine Menge von rund 10 000 t Heizöl und einen verkürzten Steuerbetrag von 3,425 Millionen DM.
Wenn der Landwirtschaft das gekennzeichnete Heizöl steuerbegünstigt als Dieselkraftstoff zur Verfügung gestellt würde, dann würden die mit dem Beihilfeverfahren bisher bei den Ländern anfallenden Verwaltungskosten wegfallen. Ihre genaue Höhe ist nicht bekannt; sie kann nur geschätzt werden. Geht man davon aus, daß in jedem Landkreis mit der Bearbeitung der Anträge im Durchschnitt eine Arbeitskraft während des ganzen Jahres voll beschäftigt ist und daß darüber hinaus auch Personalkosten bei zentralen Stellen sowie Sachausgaben für Vordrucke usw. entstehen, so kann der Gesamtaufwand auf etwa 6 bis 6,5 Millionen DM geschätzt werden. Diese Kosten könnten die Länder einsparen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506900400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0506900500
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung angesichts dieser Lage — einmal im Hinblick auf den Steuerausfall und dann im Hin-



Reichmann
blick auf die Ersparnis der Verwaltungskosten —eine möglichst baldige gesetzliche Regelung für geboten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506900600
Hert Bundestagsabgeordneter, Ihnen ist bekannt, daß bereits eine Initiative aus diesem Hohen Hause vorliegt, die die Kennzeichnung des Heizöls vorsieht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506900700
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0506900800
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung angesichts der soeben geschilderten Situation bereit, diesen Initiativantrag mit allem Nachdruck zu unterstützen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506900900
: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hatte seit langem die Kennzeichnung des Heizöls durch Färbung oder in anderer Weise vorbereitet. Insoweit entspricht der Initiativantrag durchaus den Vorstellungen der Bundesregierung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506901000
Herr Abgeordneter Wächter zu einer Zusatzfrage.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0506901100
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wieviel Strafverfahren in der gesamten Bundesrepublik anhängig sind und um welche Größenordnung es dabei geht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506901200
Herr Abgeordneter, die Frage hatte ich mir selbst gestellt, habe aber in der kurzen Zeit Angaben für ihre Beantwortung nicht bekommen können.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506901300
Eine weitere Zusatzfrage.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0506901400
Stimmt es, Herr Staatssekretär, daß das Verfahren des Münchener Chemieprofessors Dr. Spengler, leichtes Heizöl zu vergällen, damit es nicht als Dieselkraftstoff verwandt werden kann, nicht in Anwendung gebracht werden soll, weil das Bundesverteidigungsministerium das Heizöl in 6 Millionen Heizöltanks in der Bundesrepublik als Notstandsreserve für Dieselfahrzeuge ansieht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506901500
Herr Abgeordneter, das von Ihnen bezeichnete Verfahren ist auch von meinem Hause schon vor längerer Zeit geprüft worden. Es hat eine Reihe von Schwierigkeiten hinsichtlich der Verwendbarkeit dieses Verfahrens gegeben. Ich bin im Moment überfragt, ob auch der Gesichtspunkt, den Sie eben erwähnt haben, eine Rolle gespielt hat.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506901600
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zunächst die Frage II/ 1 des Abgeordneten Dr. Eppler:
Entspricht ein Pressebericht der Wahrheit, wonach der Bundesaußenminister in einem Erlaß vom 5. April 1966 die Beamten des Auswärtigen Dienstes auf mögliche dienstliche Konsequenzen einer Heirat mit ausländischen Staatsangehörigen aufmerksam gemacht hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506901700
Herr Präsident, darf ich die Fragen des Abgeordneten Dr. Eppler zusammen beantworten?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506901800
Herr Kollege Eppler ist einverstanden, daß die Fragen gemeinsam beantwortet werden. Daher rufe ich auch die Fragen II/2 und 3 des Abgeordneten Dr. Eppler auf:
Ist der Bundesaußenminister bereit, dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages den Wortlaut des in Frage II/1 erwähnten Erlasses vorzulegen?
Hat die Bundesregierung die Vereinbarkeit des in Frage II/1 erwähnten Erlasses mit dem Grundgesetz, insbesondere Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 1 überprüfen lassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506901900
Das Auswärtige Amt hat unter dem 5. April 1966 einen Runderlaß herausgegeben, der sich mit der Eheschließung von Angehörigen des auswärtigen Dienstes mit ausländischen Staatsangehörigen befaßt. Der Wortlaut dieses Runderlasses steht dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages zur Verfügung.
Die Vereinbarkeit des Runderlasses mit dem Grundgesetz ist geprüft und bestätigt worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506902000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Eppler.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0506902100
Herr Staatssekretär, haben alle Bediensteten des Auswärtigen Amts und des auswärtigen Dienstes diesen Erlaß ohne Widerspruch hingenommen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506902200
Mir ist kein Widerspruch bekanntgeworden, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506902300
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Eppler.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0506902400
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich, wenn hier ein Problem für den auswärtigen Dienst vorliegt, nicht eine etwas dezentere und taktvollere Methode vorstellen, die Beamten des auswärtigen Dienstes auf dieses Problem hinzuweisen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506902500
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß hier die dezenteste und taktvollste Methode angewendet worden ist, die überhaupt nur möglich ist.

(Abg. Wehner: Im Auswärtigen Amt!)

Ich würde das gern näher erläutern, aber ich greife damit der Frage vor, die Herr Abgeordneter Dr. Schulz in de gleichen Sache an mich gerichtet hat.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506902600
Herr Abgeordneter Dr. Eppler, noch eine Zusatzfrage.

Dr. Erhard Eppler (SPD):
Rede ID: ID0506902700
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit! Herr Staatssekretär, könnten Sie sich nicht vorstellen, daß ein Beamter, der gegen diesen Erlaß beim Bundesverfassungsgericht klagt, recht bekommt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506902800
Das kann ich mir nicht vorstellen, Herr Abgeordneter.

(Abg. Wehner: Das glaube ich auch!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506902900
Herr Abgeordneter Fellermaier zu einer Zusatzfrage.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0506903000
Herr Staatssekretär, gibt es besondere Gründe dafür, daß Sie diesen Erlaß genau jetzt im Jahre 1966 für notwendig halten und daß es früher anscheinend nicht so war? Was sind die aktuellen Gründe?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506903100
Herr Abgeordneter, die Gründe sind, daß die Zahl der Eheschließungen von Angehörigen des Auswärtigen Dienstes mit Ausländerinnen sehr stark angestiegen ist.

(Abg. Wehner: Der Herr von Amsberg zum Beispiel! Heiterkeit.)

— Der Fall ist nicht vergleichbar.

(Abg. Wehner: Das glaube ich auch!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506903200
Dann die Frage II/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz (Berlin) :
Wo liegt nach Auffassung der Bundesregierung bei der Zahl von Eheschließungen mit ausländischen Staatsangehörigen das Maß, das die dienstlichen Erfordernisse berührt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506903300
Herr Präsident, darf ich auch die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz im Zusammenhang beantworten?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506903400
Bitte sehr. Ich rufe noch die Fragen II/5 und II/6 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz (Berlin) auf:
Sieht die Bundesregierung in der dienstlichen Auswirkung der in Frage II/4 erwähnten Eheschließungen nur Nachteile?
Hält die Bundesregierung den Erlaß des Bundesaußenministers vom 5. April 1966 für vereinbar mit den Bestrebungen, außer den politischen auch die menschlichen Beziehungen von Volk zu Volk, insbesondere in Europa, zu fördern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506903500
Jedem auswärtigen Dienst obliegt die Vertretung der eigenen Interessen seines Staates gegenüber anderen Staaten. Eine wirksame Wahrung dieser Interessen kann dadurch beeinträchtigt werden, daß Ehepartner von Mitgliedern der Auslandsvertretungen nicht Staatsangehörige ihres Entsendestaates, sondern anderer Staaten sind, zu denen
z. B. das Empfangsland in Spannung lebt. Auch entstehen durch die unterschiedliche Staatsangehörigkeit von Ehefrauen von Diplomaten rechtliche Schwierigkeiten, da Mitglieder der Auslandsvertretungen gundsätzlich auf Vorrechte und Befreiungen keinen Anspruch haben, wenn sie Angehörige des Empfangsstaates sind.
Daher sind dienstliche Erfordernisse des Auswärtigen Amtes, des auswärtigen Dienstes beeinträchtigt, wenn die Zahl der Diplomaten mit ausländischen Ehefrauen so groß ist, daß infolge eingeschränkter Versetzungsmöglichkeiten eine ordnungsmäßige Besetzung der Auslandsposten erschwert wird. Die möglichen Vorteile einer Eheschließung mit einem ausländischen Ehepartner, die keineswegs verkannt werden, wiegen diese Nachteile nicht auf.
Andere Staaten haben daher für den auswärtigen Dienst Sonderbestimmungen über die Eheschließung mit Ausländern erlassen. Sie sehen u. a. eine Genehmigungspflicht, d. h. die Pflicht zur Einholung einer Genehmigung für eine derartige Eheschließung vor.
Die Bundesregierung hat die früher für den auswärtigen Dienst bestehende Genehmigungspflicht für Heiraten mit ausländischen Staatsangehörigen nicht übernommen. Der Runderlaß des Auswärtigen Amtes vom 5. April dieses Jahres führt lediglich die Pflicht zur Anzeige einer bevorstehenden Eheschließung mit einem ausländischen Ehepartner ein. Diese Anzeigepflicht schränkt die Freiheit der Eheschließung nicht ein; sie steht auch der Förderung menschlicher Beziehungen von Volk zu Volk, die auch die Bundesregierung für notwendig und nützlich ansieht, nicht entgegen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506903600
Herr Dr. Schulz, eine Zusatzfrage.

Dr. Klaus-Peter Schulz (SPD):
Rede ID: ID0506903700
Herr Staatssekretär, ich darf nochmals auf eine Frage zurückkommen, die mir nicht genügend geklärt zu sein scheint. Die Existenz des Auswärtigen Amts datiert nicht von gestern und ehegestern, und dieser Erlaß trägt das Datum vom 5. April 1966. Können Sie mir sagen oder, wenn Ihnen das nicht opportun erscheint, dem Auswärtigen Ausschuß eine Erklärung darüber abgeben, ob es vielleicht weniger prinzipielle Erwägungen als akute Überlegungen waren, die diesen Erlaß inspiriert haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506903800
Herr Abgeordneter, ich kann auf das bestimmteste sagen, daß es nur prinzipielle Erwägungen waren, die diesen Erlaß veranlaßt haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506903900
Eine weitere Frage, Herr Dr. Schulz.

Dr. Klaus-Peter Schulz (SPD):
Rede ID: ID0506904000
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Praxis anderer Staaten hingewiesen. Meinen Sie nicht, daß der freie Teil Deutschlands, seit 17 Jahren als Bundesrepublik konstituiert



Dr. Schulz (Berlin)

und von vornherein von einem starken europäischen und internationalen Impetus geprägt, alles tun und nichts unterlassen sollte, um diesen europäischen und internationalen Geist auch und gerade in der Praxis von Exekutivbehörden glaubhaft zu machen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506904100
Ich stimme dem durchaus zu, Herr Abgeordneter. Trotzdem gibt es praktische Grenzen, die ich soeben hier dargelegt habe.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506904200
Herr Dr. Schulz, eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Klaus-Peter Schulz (SPD):
Rede ID: ID0506904300
Herr Staatssekretär, halten Sie es für eine undenkbare Konsequenz einer Fragestunde des Deutschen Bundestages — die ich doch wohl in ihrer Eigenart richtig als einen ständigen Meinungsaustausch zwischen Legislative und Exekutive interpretiere —, daß ein Mitglied des Kabinetts einen Erlaß in dieser Form, wie er besteht, zurückzieht, weil er nicht in die Zeit und in die Landschaft paßt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506904400
Herr Abgeordneter, ich würde dazu sagen, daß die kurzen Äußerungen, die zu dieser Frage jetzt erfolgt sind, wirklich nicht ausreichen, das Thema erschöpfend darzustellen und zu behandeln. Ich würde vorschlagen — das habe ich vorhin ja angeboten —, daß die Diskussion darüber im Auswärtigen Ausschuß fortgesetzt wird. Ich möchte aber noch einmal sagen: die prinzipiellen und die sachlichen Gründe, die zu diesem Erlaß geführt haben, sind nach meiner Auffassung sehr gewichtiger Natur.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506904500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulz.

Dr. Klaus-Peter Schulz (SPD):
Rede ID: ID0506904600
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre letzte Äußerung dahin auslegen, daß das Auswärtige Amt durchaus bereit ist, in dem zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages über diese Form einer dienstlichen Regelung in eine offene Diskussion einzutreten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506904700
Wir sind, wie ich gesagt habe, bereit, dem Auswärtigen Ausschuß den Wortlaut zur Verfügung zu stellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506904800
Ich rufe die Frage II/7 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Was weiß die Bundesregierung über das Schicksal der auf einer Urlaubsreise in der Sowjetunion verhafteten Redakteurin der Frankfurter Rurndschau, Martina Kischke?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506904900
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist amtlich mitgeteilt worden, daß Fräulein Martina Kischke in Haft gehalten wird, weil gegen sie ein Untersuchungsverfahren wegen — so heißt es in
dieser amtlichen Mitteilung — „zersetzender Tätigkeit" eingeleitet worden ist und noch läuft. Einzelheiten der gegen Fräulein Kischke erhobenen Beschuldigungen sind unserer Botschaft in Moskau bisher jedoch nicht mitgeteilt worden. Trotz wiederholter mündlicher und schriftlicher Vorstellungen hat die Deutsche Botschaft bisher auch keine Sprecherlaubnis erhalten. Ihr wurde von sowjetischer Seite mitgeteilt, dies könne vor Abschluß des Untersuchungsverfahrens nicht geschehen.
Die Deutsche Botschaft setzt ihre Bemühungen in dieser Angelegenheit nachdrücklich fort.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506905000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0506905100
Um welche Bemühungen handelt es sich, Herr Staatssekretär? Können Sie das ein wenig genauer sagen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506905200
Die Deutsche Botschaft ist mehrfach im sowjetischen Außenministerium vorstellig geworden und wird diese Vorstellungen fortsetzen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506905300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0506905400
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung die Feststellung des Chefredakteurs der „Frankfurter Rundschau" bestätigen, daß die Redakteurin Martina Kischke weder freiwillig noch gepreßt für einen deutschen oder ausländischen Nachrichtendienst gearbeitet hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506905500
Ich kann diese Feststellung weder bestätigen noch bestreiten. Ich habe darüber keine eigenen Feststellungen treffen können.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506905600
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0506905700
Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, ausreichenden Rechtsschutz für Fräulein Kischke zu sichern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506905800
Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß die erste und wichtigste Maßnahme, die im Interesse von Fräulein Kischke getroffen werden muß, die Herstellung eines unmittelbaren Kontakts zwischen ihr und einem Angehörigen der Botschaft darstellt. Erst dann wird es möglich sein, zu prüfen, was in ihrem Interesse geschehen kann. Infolgedessen insistiert die Deutsche Botschaft im sowjetischen Außenministerium darauf, daß ihr diese Sprecherlaubnis erteilt wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506905900
Die Frage II/8 des Herrn Abgeordneten Brück (Holz) ist vom 'Fragesteller zurückgezogen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.



Vizepräsident Dr. Dehler
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen VIII/1 und VIII/2 des Herrn Abgeordneten Cramer sind ebenfalls vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage VIII/3 des Herrn Abgeordneten Kohlberger auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Gedanken an die Aufhebung der starren Altersgrenze von 60 oder 65 näherzutreten und das Ende der Berufstätigkeit stärker von der Leistungsfähigkeit des einzelnen abhängig zu machen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506906000
Von einer starren Altersgrenze für das Ende der Berufstätigkeit kann außer für Beamte eigentlich gar nicht gesprochen werden. Es gibt sonst keine gesetzlichen Bestimmungen, die die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vorschreiben, wenn der Arbeitnehmer eine bestimmte Altersgrenze erreicht hat. Auch nach der Rechtsprechung zum Kündigungsschutzgesetz kann der Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht allein darauf stützen, daß der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr erreicht hat. Die gesetzlichen Vorschriften stehen also einer Weiterbeschäftigung nicht im Wege. Der Versicherte kann den Beginn des Altersruhegeldes auf einen späteren Zeitpunkt verlegen oder bei gleichzeitigem Bezug von Altersruhegeld weiterarbeiten.
Im übrigen ist das Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem Berufsleben vor Vollendung des 65. Lebensjahres allein von der Leistungsfähigkeit des einzelnen abhängig; denn ein Versicherter, der vor Erreichung des 65. Lebensjahres in seiner Leistungsfähigkeit so beeinträchtigt ist, daß er nicht mehr arbeiten kann, erhält Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Eine allgemeine Herabsetzung der Altersgrenze für das Altersruhegeld in der Sozialversicherung sollte dagegen nicht erwogen werden. Damit wäre weder der Anpassung an die individuelle Leistungsfähigkeit Genüge getan noch den außerordentlichen Belastungen Rechnung getragen, die infolge des ungünstigen Bevölkerungsaufbaus in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf die gesetzliche Rentenversicherung zukommen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506906100
Ich rufe die Fragen VIII/4 und VIII/5 der Abgeordneten Frau Dr. Hubert auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß allein in Nordrhein-Westfalen in 661 Krankenhäusern und 641 Altenheimen 3353 hauswirtschaftliche Kräfte fehlen?
Welche Gründe veranlassen die Bundesregierung, trotz des zu einem Notstand führenden Mangels an hauswirtschaftlichen Arbeitskräften in den Krankenhäusern, die Anwerbung von hauswirtschaftlichen Arbeitskräften durch die Bundesanstalt in Nürnberg aus außereuropäischen Ländern nicht zuzulassen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506906200
Die Bundesregierung weiß, daß der Mangel an hauswirtschaftlichen Kräften in Krankenanstalten und Altenheimen
groß ist. Im Mai 1966 waren bei den Arbeitsämtern des gesamten Bundesgebietes einschließlich Berlin in der Krankenpflege für weibliche hauswirtschaftliche Kräfte 2568 und für Raum- und Hausratreiniger (z. B. Stundenhilfen) 2501 offene Stellen gemeldet. Diese Zahlen können jedoch erfahrungsgemäß nicht mit den effektiv fehlenden Kräften gleichgesetzt werden.
Für diese bedauerliche Personallage ist neben dem allgemeinen Kräftemangel die Tatsache entscheidend, daß Frauen weitgehend eine Tätigkeit in Industrie, Handel und Gewerbe einer hauswirtschaftlichen Betätigung vorziehen und sie bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage auch finden.
Zur Frage 2: Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat sich in den letzten Jahren ständig und mit Erfolg bemüht, den Arbeitskräftemangel in den Krankenhäusern durch Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer zu mildern. Insgesamt waren im Jahre 1965 in der deutschen Krankenpflege rund 20 000 ausländische Arbeitnehmer, d. h. ausgebildetes Pflegepersonal und Hilfskräfte, beschäftigt. Von diesen 20 000 Kräften stammen rund 18 000 Arbeitnehmer aus den europäischen Anwerbeländern Italien, Griechenland, Spanien, Türkei und Portugal, während die übrigen 2000 Arbeitskräfte aus dem außereuropäischen Ausland, insbesondere aus Indien, dem Iran, Korea und von den Philippinen, gekommen sind. Die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer in der Krankenpflege hat sich seit 1961 nahezu vervierfacht und seit 1963 fast verdoppelt.
Die Bundesressorts sind bei ihren Überlegungen im interministeriellen Ausschuß zu dem Ergebnis gekommen, daß Hilfskräfte, zu denen auch die hauswirtschaftlichen Kräfte in Krankenhäusern zählen, aus dem außereuropäischen Ausland für eine Arbeitsaufnahme in Deutschland dem Grundsatz nach nicht zugelassen werden sollten. In Übereinstimmung damit haben die für die Durchführung des Ausländergesetzes zuständigen Innenminister der Länder im Jahre 1965 beschlossen, Hilfskräften aus außereuropäischen Ländern grundsätzlich keine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Gründe hierfür sind die besonderen Anpassungsschwierigkeiten dieser Kräfte, ihre Neigung, ihren Arbeitsplatz zu wechseln, wenn ihnen günstigere Arbeitsangebote in Deutschland gemacht werden, und die hohen Kosten für ihre Rückführung.
Die Aussichten, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen aus den europäischen Anwerbeländern weibliche ausländische Arbeitnehmer kurzfristig zu vermitteln, haben sich etwas gebessert. Bei der deutschen Verbindungsstelle in der Türkei sind z. B. zur Zeit 150 vorausgewählte Arbeitnehmerinnen verfügbar, die zur Arbeitsaufnahme in deutschen Krankenhäusern bereit sind. Vermittlungsaufträge deutscher Krankenhäuser liegen hierzu jedoch noch nicht vor. Im übrigen hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die vorliegende Anfrage erneut zum Anlaß genommen, seine Dienststellen anzuweisen, die Krankenanstalten auf die Vermittlungsmöglichkeiten in den europäischen Anwerbeländern aufmerksam zu machen.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506906300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0506906400
Sie sagen, daß keine Vermittlungsanfragen vorliegen und man trotzdem einem Wunsch der Krankenhausgesellschaft ablehnend gegenübergestanden hat. Wieso ist es dann nicht möglich, hier koreanische junge Mädchen als Arbeitskräfte anzuwerben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506906500
Offenbar bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und den Krankenanstalten. Ich weiß, daß sich die Krankenanstalten häufig bemühen, auf ihren Wegen auch Kräfte aus außereuropäischen Ländern nach Deutschland zu holen. Dabei haben sich jedoch oft Schwierigkeiten ergeben. Das ist z. B. in Korea der Fall gewesen. Man sollte nach Möglichkeit die deutschen Vermittlungsstellen einschalten, zumal offenbar die Möglichkeit besteht, in Europa noch weibliche Arbeitskräfte zu finden.
Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat gebeten, nach Möglichkeit noch folgendes vorzutragen — es ist vielleicht auch für die Krankenanstalten nicht ohne Bedeutung —:
Seit einiger Zeit werden in vermehrtem Umfang weibliche Bewerber aus ländlichen Gegenden Griechenlands und der Türkei vorgestellt,
— wie es in der Sprache der Nürnberger Anstalt heißt —
die bisher überwiegend in der Landwirtschaft tätig waren. Die Bewerberinnen erscheinen für einen Ansatz in hauswirtschaftlichen Tätigkeiten besonders geeignet und werden bei der gegenwärtigen Entwicklung der Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften in zunehmender Zahl zur Vermittlung bereitstehen....
. Leider mußten die deutsche Kommission in Athen und die deutsche Verbindungsstelle in Istanbul bei der Bearbeitung von Vermittlungsaufträgen über Frauen feststellen, daß von den Auftraggebern immer häufiger Anforderungen gestellt werden, deren Notwendigkeit nicht überzeugen kann. So werden etwa für einfache Haushaltsarbeiten nur jüngere Kräfte, „möglichst mit Kenntnis der deutschen Sprache", angefordert. Andere verlangen berufliche Fertigkeiten, die von den Bewerberinnen nicht erwartet werden können, oder sie beschränken den Auftrag auf ledige und jüngere Frauen. Es muß deshalb den Auftraggebern, gerade auch Krankenanstalten und ähnlichen Einrichtungen — —

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506906600
Herr Staatssekretär, es würde ein bißchen zu weit führen, jetzt den ganzen Brief vorzulesen. — Frau Dr. Hubert, vielleicht können Sie außerhalb dieses Hauses von dem Brief Kenntnis nehmen.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0506906700
Herr Staatssekretär, sprechen gerade die Zahlen über die vielen freien Stellen, die Sie vorhin genannt haben und die die mir bekannten Zahlen noch übertreffen, nicht dafür, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eben doch nicht in der Lage ist, den Krankenhäusern aus europäischen Ländern genügend Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506906800
Frau Abgeordnete, ich habe den Eindruck, daß die Bundesanstalt dazu in der Lage wäre. Aber die Krankenanstalten müssen sich der Arbeitsvermittlung der Nürnberger Anstalt etwas mehr bedienen; denn dafür ist sie nun einmal da. Das ergibt sich auch aus den Ausführungen des Präsidenten der Anstalt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506906900
Herr Abgeordneter Varelmann zu einer Zusatzfrage.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0506907000
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bereitschaft, in pflegerischen Berufen tätig zu sein, in ländlichen Gebieten viel größer ist als in den Großstädten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506907100
Die Frage kann ich bejahen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506907200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller (Mülheim).

Willi Müller (SPD):
Rede ID: ID0506907300
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für möglich, daß die von Ihnen hier aufgezeigten Spannungen zwischen der Bundesanstalt und der Krankenhausgesellschaft sich unter Umständen daraus ergeben, daß beispielsweise Krankenschwestern aus Südkorea, die eine Ausbildung haben, die über den Rahmen der Ausbildung des deutschen Schwesternpersonals hinausgeht, im Gegensatz zu dieser qualifizierten Ausbildung in den Krankenhäusern mit geringeren Tätigkeiten beschäftigt werden und dort praktisch als Hausgehilfinnen Dienst tun sollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506907400
Herr Abgeordneter, ich muß bestätigen, daß das leider in manchen Fällen zutrifft.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506907500
Eine weitere Frage.

Willi Müller (SPD):
Rede ID: ID0506907600
Herr Staatssekretär, eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist folgende: Glauben Sie, daß es sich bei der Bundesanstalt um eine einhellige Auffassung handelt? Ist es nicht vielmehr so, daß in bestimmten Ballungsgebieten, wie im Ruhrgebiet, von Landesarbeitsämtern sehr darauf gedrängt wird, Schwestern aus Südkorea zu bekommen?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506907700
Herr Abgeordneter, auch diese Frage kann ich bejahen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506907800
Ich rufe die Frage VIII/6 des Herrn Abgeordneten Folger auf:
Ist die geltende Verordnung betreffend eine vorläufige Landarbeitsordnung vom 24. Januar 1919 (RGBl. S. 111) nach Meinung der Bundesregierung noch zeitgemäß oder muß sie an die jetzigen Verhältnisse angepaßt werden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506907900
In der Bundesrepublik Deutschland gehört die Schaffung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluß und Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu den Aufgaben der Sozialpartner. Das gilt auch für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft, in dem heute vielfältige Mantel- und Lohntarifverträge bestehen. Auf Grund dieser tariflichen Regelungen, die weit über ihre rechtliche Geltung hinaus auch die einzelvertraglichen Vereinbarungen beeinflussen, ist die Vorläufige Landarbeitsordnung, die einige allgemeine arbeitsvertragliche Bestimmungen enthält, praktisch zum größten Teil überholt. Sie insoweit den jetzigen Verhältnissen anzupassen, würde einen Eingriff in die Autonomie der Sozialpartner speziell in der Landwirtschaft bedeuten. Sie ließe sich nur verantworten, wenn die Autonomie auf diesem Gebiet ohne staatliche Hilfe die Aufgabe nicht zu bewältigen vermöchte. Für eine solche Annahme liegen Anhaltspunkte nicht vor.
Einige Bedeutung haben trotz der inzwischen auch in der Landwirtschaft herabgesetzten Arbeitszeit unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes noch die Vorschriften über die Arbeitszeit und die Ruhepausen. Sie erfüllen in der Landwirtschaft etwa dieselbe Funktion wie die Vorschriften anderer arbeitsschutzrechtlicher Gesetze für die übrige Wirtschaft. Insoweit ist ,die Vorläufige Landarbeitsordnung auch heute noch von einiger praktischer Bedeutung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506908000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Folger.

Erwin Folger (SPD):
Rede ID: ID0506908100
Herr Staatssekretär, wäre es, wenn es richtig ist, daß diese Vorläufige Landarbeitsordnung zum größten Teil überholt ist, nicht vernünftig, sie entweder aufzuheben oder neu zu gestalten, damit so antiquierte Bestimmungen wie eine Höchstarbeitszeit von elf Stunden verschwinden und das geltende Recht auf diese Weise bereinigt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506908200
Herr Abgeordneter, daran ist sicher im Zusammenhang mit dem geplanten Arbeitsgesetzbuch zu denken. Vielleicht können hier aber auch schon in einem Vorabgesetz gewisse Ergebnisse der Vorarbeiten für ein Gesetzbuch vorweggenommen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506908300
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe die Frage IX/1 des Herrn Abgeordneten Kulawig auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die unerträgliche Lärmbelästigung und die ebenfalls sehr erhebliche Staubbelästigung, unter denen die Anwohner des Panzererprobungsgeländes „Großer Sand" in Saarlouis-Fraulautern zu leiden haben, zu beseitigen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506908400
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Kulawig zusammen beantworten zu dürfen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506908500
Einverstanden. Dann rufe ich zusätzlich die Frage IX/2 des Herrn Abgeordneten Kulawig auf:
Hält die Bundesregierung die sofortige Inangriffnahme von Lärm- und Staubschutzmaßnahmen insbesondere deshalb für geboten, weil das an den Übungsplatz „Großer Sand" in SaarlouisFraulautern angrenzende Wohnungsbaugelände in den nächsten Jahren vollständig bebaut wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506908600
Zum Schutz der in der Nähe des Sandfahrgeländes Fraulautern gelegenen Wohnsiedlung gegen Lärm und Staub ist die Anpflanzung eines Schutzstreifens mit schnellwüchsigen Bäumen und Sträuchern an der Innen- und Außenseite des Zauns vorgesehen. Mit der Durchführung ist das Forstamt Rheinpfalz der Bundesvermögensverwaltung beauftragt. Im November dieses Jahres wird der Boden entsprechend vorbereitet, damit im Frühjahr 1967 die Bepflanzung vorgenommen werden kann. Mit dieser Bepflanzung dürfte bereits eine wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Staub- und Lärmschutz geschaffen sein.
Darüber hinaus ist aber auch aus folgendem Grund mit einer fühlbaren Verminderung von Lärm und Staub zu rechnen. Die Einschränkung der Mitbenutzung des französischen Standortübungsplatzes Trier-Grüneberg für Erprobungsfahrten der einschlägigen Erprobungsstelle der Bundeswehr hat seit Anfang dieses Jahres zu einer wesentlich stärkeren Inanspruchnahme des Fahrgeländes in Fraulautern geführt. Um wichtige Panzererprobungen durchführen zu können, mußte in Fraulautern bis zum 15. Oktober dieses Jahres sogar in Nachtschichten gefahren werden. Inzwischen besteht Aussicht, im Raum Trier ein anderweitiges Panzerfahrgelände zu finden. Die Verhandlungen hierüber mit der Landesregierung Rheinland-Pfalz im Raumordnungsverfahren sind allerdings zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Sobald jedoch die Panzererprobungsfahrten in den Raum Trier verlagert werden können, wird dies zu einer merklichen Entlastung des Sandfahrgeländes bei Fraulautern führen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506908700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kulawig.




Alwin Kulawig (SPD):
Rede ID: ID0506908800
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß zur Eindämmung der Lärm- und Staubbelästigung nicht nur schnellwüchsige Bäume und Sträucher angepflanzt werden, sondern daß, wie das ursprünglich von Ihrer Dienststelle der Stadt Saarlouis gegenüber eingeräumt worden ist, die Erprobungsfahrzeuge einen größeren Abstand zu dem Wohngebiet einhalten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506908900
Ich kann die Frage nicht zustimmend beantworten. Aber ich werde gern prüfen, ob das möglich ist, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506909000
Wir kommen zur Frage IX/3 des Herrn Abgeordneten Müller (Worms) :
Trifft der Bericht der Frankfurter Rundschau vom 5. Oktober 1966 zu, wonach bei einem Freundschaftsbesuch des Schulschiffs „Donau" in Melbourne ein junger Offizier vor der australischen Presse freimütig über seine schlechten Erfahrungen mit den Australiern berichtet mid erklärt hat, daß ihm Australien so wenig gefallen habe, daß er schließlich in die alte Heimat zurückgekehrt sei?
Bitte, Herr Staatsekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506909100
Herr Präsident, darf ich auch hier die beiden ersten Fragen zusammen beantworten?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506909200
Dann rufe ich noch die Frage IX/4 des Herrn Abgeordneten Müller (Worms) auf:
Ist es zutreffend, daß Korvettenkapitän Horst G. Oehlke, der Kommandant des Schulschiffs „Donau", in einer Pressekonferenz den Versuch gemacht hat, den schlechten Eindruck, den der in Frage IX/3 erwähnte Marineleutnant gemacht hat, auszuräumen und die Auffassung vertrat, diese Äußerungen hätten niemals getan werden ;dürfen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506909300
Der Führungsstab der Marine hat den Kommandanten des Schulschiffes „Donau" zu einer Meldung über den Vorfall in Australien aufgefordert. Aus der Meldung geht folgendes hervor:
Nach dem Einlaufen der „Donau" in Fremantle am 12. September 1966 fand an Bord eine Pressekonferenz mit dem Kommandanten und dem Ersten Offizier statt. Dabei wurden die üblichen Fragen über Zweck des Besuchs und Einzelheiten von Schiff und Besatzung gestellt. Die Pressekonferenz fand in freundlicher und aufgelockerter Atmosphäre statt. Sie endete mit Filmaufnahmen von Kommandant und Erstem Offizier auf dem Achterdeck des Schiffes für das Fernsehen.
Nach Abschluß der Pressekonferenz blieben drei Pressevertreter an Bord zurück und führten mit dem Leutnant zur See Struve ein Gespräch. Der Kommandant und der Erste Offizier waren bei diesem Gespräch nicht zugegen, weil sie das Schiff bereits zu einem Höflichkeitsbesuch an Land verlassen hatten.
Leutnant zur See Struve war im Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern nach Australien ausgewandert. 1961 kehrte er allein in die Bundesrepublik zurück. Er bewarb sich bei der Bundeswehr und
wurde am 1. 4. 1962 als Offizieranwärter eingestellt. Am 1. 7. 1966 wurde er als Ausbildungsoffizier auf das Schulschiff „Donau" versetzt. Diese Versetzung entsprach seinem eigenen Wunsch, damit er während der Ausbildungsreise der „Donau" seine in Melbourne lebenden Eltern besuchen könne.
Über das Gespräch, über das die Presse in Australien sehr negativ berichtet hat, gibt Struve folgende Darstellung:
Ausgangsfragen, wann und unter welchen Bedingungen meine Familie nach Australien auswanderte, wurden von mir wahrheitsgemäß beantwortet. Auf Befragen berichtete ich über übliche Anpassungsschwierigkeiten, die auch von meiner Familie zu überwinden waren. Auf Fragen, die meine persönlichen Erfahrungen betrafen, deutete ich an, daß diese Schwierigkeiten ihren Grund nicht nur in anderer Lebensart hatten, sondern auch in einer gewissen Voreingenommenheit gegenüber deutschen Einwanderern begründet waren. Bewußt vermied ich die Wiedergabe von Einzelheiten zu Fragen, die mich zu einem allgemeingültigen negativen Urteil über das heutige Verhältnis deutscher Einwanderer gegenüber der australischen Bevölkerung verleiten sollten. Statt dessen stellte ich meine Freude in den Vordergrund, Eltern und alte Freunde wiederzusehen. Um so überraschter war ich über die Verschiebung der Schwerpunkte meiner Aussage in der Abendpresse des gleichen Tages.
Nach dieser Meldung sind die Äußerungen Struves in der Presse teilweise entstellt wiedergegeben worden.
In einer späteren Pressekonferenz am 23. September 1966 vor dem Einlaufen der „Donau" in Melbourne wurde der Kommandant gegen Ende der Pressekonferenz gefragt, ob ein Interview mit Leutnant zur See Struve möglich sei. Er antwortete auf diese Frage, daß Struve vom Auslaufen Fremantle bis zum Auslaufen Melbourne zu seinen Eltern beurlaubt worden sei. Auf weitere Fragen antwortete der Kommandant, daß nach seiner Auffassung die privaten, in persönlichen Gesprächen geäußerten Meinungen einzelner Besatzungsmitglieder von den offiziellen Äußerungen der Schiffsführung auf einer Pressekonferenz getrennt werden müßten. Einen Kommentar zu den Äußerungen des Leutnants zur See Struve hat der Kommandant nicht abgegeben. Seine Ausführungen auf der Pressekonferenz wiederholte der Kommandant in einem Rundfunkinterview in deutscher Sprache am 27. September 1966 in Melbourne.
Die Meldung des Kommandanten schließt mit folgender Feststellung:
Ungeachtet der Veröffentlichungen eines Teils ,der Presse ist festzustellen, daß der Besuch des Schulschiffs „Donau" in Fremantle und Melbourne durch diesen Vorfall nicht beeinträchtigt wurde.



Staatssekretär Gumbel
Der sich aus der Meldung ergebende Sachverhalt wird ferner durch ein Schreiben der australischen Journalistin Ruth Ihle — Frau Ihle ist ständige Mitarbeiterin der deutschsprachigen Melbourner Wochenzeitung „Neue Welt" — an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Canberra vom 22. September 1966 bestätigt. Frau Ihle hat sich nach dem Vorfall sowohl mit den Eltern als auch mit Leutnant zur See Struve unterhalten.
Eine eingehendere Darstellung ist zur Zeit nicht möglich. Der Führungsstab der Marine hat am 12. Oktober 1966 das Marineamt angewiesen, den Vorfall nach Rückkehr des Schulschiffes „Donau" zu untersuchen und über ,das Ergebnis zu berichten. Die „Donau" wird am 20. Dezember 1966 in Kiel zurückerwartet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506909400
Herr Abgeordneter Müller (Worms), eine Zusatzfrage.

Willy Müller (SPD):
Rede ID: ID0506909500
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie bereit sind, nach Rückkehr des Schulschiffs diese Angelegenheit erneut zur Sprache zu bringen? Und wird die Bundesregierung, falls die Äußerungen des Marineleutnants zutreffend sind, die australische Presse habe entstellend über seine Erklärung berichtet, dafür eintreten, daß entsprechende Dementis oder Berichtigungen auch in der australischen Presse erfolgen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506909600
Ich kann der australischen Presse keine Auflage machen, Herr Abgeordneter. Aber wir werden es versuchen, falls sich das, was ich hier vorgetragen habe, nach der Rückkehr des Schiffes bestätigen sollte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506909700
Keine weitere Zusatzfrage? Dann rufe ich auf -- —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506909800
Verzeihung, Herr Präsident, ich habe noch die Frage IX/5 zu beantworten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506909900
Dann rufe ich Frage IX/5 des Herrn Abgeordneten Müller (Worms) auf:
Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung aus dem in Frage IX/3 genannten Vorfall zu ziehen, damit in Zukunft Freundschaftsbesuche durch unüberlegte Äußerungen nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506910000
Es gibt eine Reihe von Vorschriften und Dienstanweisungen, die das Verhalten und Auftreten von Angehörigen der Bundeswehr im Ausland regeln. Ich führe nur die wichtigsten an: es sind die Zentrale Dienstvorschrift 25/1 „Allgemeine Richtlinien für das Verhalten im Ausland und gegenüber Ausländern", die Marinedienstvorschrift 400/1
„Dienst an Bord" und die „Vorläufigen Bestimmungen über die Auslandsreisen von Schiffen der Bundeswehr".
Der Vorfall hat den Führungsstab der Marine dazu veranlaßt, in einer Weisung vom 20. Oktober 1966 nochmals auf die strikte Einhaltung der einschlägigen Vorschriften hinzuweisen und die Besatzungen erneut entsprechend zu belehren. Nach den bisherigen Erfahrungen kann gesagt werden, daß das Vorkommnis in Australien einen Einzelfall darstellt, der — soweit das jetzt übersehen werden kann — nicht überbewertet werden sollte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506910100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.

Willy Müller (SPD):
Rede ID: ID0506910200
Wird das Ministerium den Marineleutnant noch persönlich vernehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506910300
Ich sagte schon, der Führungsstab der Marine hat angeordnet, daß nach Rückkehr des Schiffes der Vorfall noch einmal untersucht werden wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506910400
Eine weitere Frage? — Bitte sehr.

Willy Müller (SPD):
Rede ID: ID0506910500
Wird je nach dem Ausgang dieser Untersuchung der Betreffende eventuell zur Verantwortung gezogen und in welcher Weise?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506910600
Das hängt von dem Ergebnis dieser Untersuchung ab, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506910700
Die Fragen IX/6 bis IX/8 des Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Sie lauten:
Trifft es zu, daß ,die Gemeinden verpflichtet sind, den Pioniereinheiten der Bundeswehr bei der Beseitigung von Bunkerresten die Kosten für Sprengmittel zu ersetzen?
Billigt es die Bundesregierung beispielsweise, daß dem Amt Landschaft Sylt für derartige in Frage IX/6 erwähnte Sprengungen im Jahre 1965 die Sprengsatzkosten angelastet wurden?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß derartige in Frage IX/6 erwähnte Maßnahmen eindeutig in die Zuständigkeit des Rechtsnachfolgers des Deutschen Reiches fallen, also von der Bundesrepublik Deutschland zu finanzieren sind?
Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Auch die Fragen IX/9 und IX/10 des Herrn Abgeordneten Börner werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Sie lauten:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zu einer wehrpolitischen Veranstaltung der Freien Demokratischen Partei im Kreis Hanau Einladungen an Reservisten der Bundeswehr über den Verteiler des Kreiswehrersatzamtes bzw. des Verteidigungsbezirkskommandos 43 und auf Kosten dieser Dienststelle ergangen sind?
Herrscht bei anderen Kreiswehrersatzämtern eine ähnliche -
wie in Frage IX/9 aufgezeigte — Praxis?
Die Antwort liegt auch hier noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.



Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe die Frage IX/11 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zu den Hinweisen des schweizerischen Oberstleutnant a. D. Schaufelberger, betreffend Hintergründe bei der Beschaffung des Schützenpanzers HS 30, in der Nummer 11 der Zeitschrift Deutsches Panorama eine Erläuterung zu geben?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506910800
Der Oberstleutnant a. D. Schaufelberger war dem damaligen Minister Strauß angekündigt worden als wichtiger aktiver Offizier des schweizerischen Nachrichtendienstes, der ihm bedeutsame und vertrauliche Informationen übermitteln würde. In dem Gespräch stellte sich heraus, daß Herr Schaufelberger damals bereits im Ruhestand lebte und lediglich für eine andere Firma Geschäfte anbahnen wollte. Ich darf am Rande bemerken: auch laut „Panorama" kam er aus „rein privaten Gründen".
Minister Strauß hat ihn ausdrücklich gefragt, ob er Informationen oder Hinweise zu der Schützenpanzerbeschaffung geben könne. Schaufelberger hat das verneint. Auch das steht im „Panorama".
Rechts- oder Amtshilfe hat Herr Schaufelberger weder in diesem Gespräch angeboten noch später anbieten lassen. Im übrigen sind damals und auch später alle Hinweise und Gerüchte um die Beschaffung des HS 30 auf besondere Anordnung des Ministers geprüft worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506910900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0506911000
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der ehemalige Reichsminister Treviranus, Mitglied im Kabinett Brüning, auf Anregung britischer Behörden in Bonn vorgesprochen und auf einen Korruptionsverdacht an Hand einer Namensliste hingewiesen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506911100
Ich glaube diese Frage verneinen zu können.
Ich darf, Herr Abgeordneter, vielleicht auf folgendes aufmerksam machen. Zu dem Gesamtkomplex Hispano-Suiza hat die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei eine Kleine Anfrage eingebracht, deren Beantwortung die Bundesregierung zur Zeit vorbereitet. In dieser Antwort auf die Kleine Anfrage wird sie auf alle gestellten Fragen in diesem Zusammenhang eingehen. Ich wäre dankbar, Herr Abgeordneter, wenn Sie im Hinblick darauf von weiteren Zusatzfragen absehen würden.

(Lachen bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506911200
Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0506911300
Herr Staatssekretär, es tut mir leid, ich habe das Erstgeburtsrecht und habe hier die Fragen zu stellen.
Herr Staatssekretär, nach dem Bericht in „Panorama" — im „Deutschen Panorama", nicht in dem anderen — ist ein Korruptionsverdacht mindestens gegeben gewesen. Warum hat die Bundesregierung nicht unverzüglich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, nachdem ihr im Zusammenhang mit der Beschaffung des Schützenpanzers HS 30 dieser Verdacht offensichtlich von mehreren Personen mitgeteilt worden war?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506911400
Der Verdacht, der ausgesprochen worden ist, ließ sich in den angestellten Ermittlungen und Untersuchungen überhaupt nicht konkretisieren. Im Gegenteil, es ist sogar gesagt worden, daß auf der Liste überhaupt keine Beamten oder Offiziere oder Soldaten aufgeführt seien. Infolgedessen war eine Abgabe wegen eines konkreten Vorwurfs überhaupt nicht veranlaßt.
Zum andern, Herr Abgeordneter, sind Zuwendungen an Abgeordnete oder Parteien in keiner Weise untersagt.

(Hört! Hört! bei der SPD. Abg. Wehner: Werden Sie mal Abgeordneter, Herr Gumbel!)

- Herr Abgeordneter, ich habe überhaupt nicht gesagt, daß solche Zuwendungen erfolgt seien. Sie sind nach unseren Feststellungen nicht erfolgt. Aber im Zusammenhang mit der hier gestellten Frage muß ich sagen: Selbst wenn es solche Zuwendungen gegeben hätte — sie hätten ja auch Ihrer Partei zugewendet werden können ,

(Abg. Wehner: Hört! Hört! — Abg. van Delden: Bekommen Sie keine Zuwendungen? Weitere Zurufe)

wäre das kein Grund, diese Sache an die Staatsanwaltschaft abzugeben.

(Abg. Wehner: Gehen Sie mal in sich! — Abg. Balkenhol: Wo sind denn die Gewerkschaftsbeiträge? — Weitere Zurufe und Gegenrufe.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506911500
Das Rechtsgewissen sträubt sich gegen die Feststellung, Herr Staatssekretär, daß solche Zuwendungen ohne weiteres zulässig wären.
Bitte, Herr Dr. Rutschke, eine Zusatzfrage!

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0506911600
Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, daß der Kaufvertrag mit dieser Firma Hispano-Suiza nach der Beurteilung eines Holzmodells aus einer Bonner Schreinerwerkstatt abgeschlossen worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506911700
Nein.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506911800
Eine weitere Frage, Herr Dr. Rutschke.




Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0506911900
Hat die Bundesregierung geprüft, ob der behauptete Verdacht auf nachrichtendienstliche Verbindung mit dem Osten bei einem maßgebenden Vertreter der Hispano-Suiza unbegründet war?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506912000
Wir haben in dieser Hinsicht keine Feststellungen treffen können.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506912100
Herr Abgeordneter Ertl, eine Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0506912200
Herr Staatssekretär, ist Ihnen etwas bekannt, daß die in den Veröffentlichungen beschuldigten Personen wegen übler Nachrede Strafanzeige gestellt haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506912300
Das kann ich nicht sagen, Herr Abgeordneter. Mir ist das nicht bekannt.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0506912400
Würden Sie mit mir der Auffassung sein, daß die Beschuldigungen ehrenrühriger Art sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506912500
Zu einem Teil sind sie sicher ehrenrühriger Art. Sie richten sich vornehmlich gegen Personen, die nicht mehr am Leben sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506912600
Herr Abgeordneter Borm, eine Zusatzfrage.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0506912700
Herr Staatssekretär, wie hoch waren die gesamten Zahlungen des Bundes aus Anlaß des Geschäftes mit Hispano-Suiza?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506912800
Die Frage kann ich in diesem Moment nicht exakt beantworten. Sie steht nicht mehr in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, die hier eingereicht worden ist.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0506912900
Sind Sie bereit, sie schriftlich zu beantworten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506913000
Ich bin bereit, die Frage zu beantworten.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0506913100
Wann ist die erste Rate und wann ist die letzte Rate gezahlt worden? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das mit beantworteten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506913200
Das muß ich dann in diesem Zusammenhang mit beantworten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506913300
Herr Abgeordneter Reichmann, eine Zusatzfrage.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0506913400
Herr Staatssekretär, darf ich fragen: Durch wen ist dem Botschafter a. D. Holzapfel in der Sache eine besondere dienstliche Schweigepflicht auferlegt worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506913500
Mir ist nicht bekannt, daß dem Botschafter Holzapfel eine Schweigepflicht auferlegt worden sei.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506913600
Zunächst einmal eine Vorfrage: Herr Abgeordneter Reichmann, ist Ihre Frage im Zusammenhang mit der Frage des Herrn Abgeordneten Moersch zu sehen?

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0506913700
Herr Präsident, sie steht in engem Zusammenhang mit der Angelegenheit.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506913800
Das ergibt sich nicht ohne weiteres aus der Formulierung Ihrer Frage. Sie behaupten, daß der gleiche Sachverhalt eine Rolle spiele auch hinsichtlich des Verhaltens der Regierung gegenüber dem Botschafter Holzapfel. Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506913900
Ich sagte schon, Herr Präsident: mir ist nichts darüber bekannt, daß dem Botschafter Holzapfel eine Schweigepflicht auferlegt worden sei, eine besondere Schweigepflicht auferlegt worden sei.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506914000
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0506914100
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß der Bundesrechnungshof seit Jahren ohne sichtbaren Erfolg bemüht ist, einen Bericht über die Abwicklung des Auftrages für den Schützenpanzer HS 30 zu erstellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506914200
Ich kann die Frage nicht beantworten.

(Abg. Reichmann: Das ist aber ein schöner Zustand!)

Herr Abgeordneter, es ist gefragt worden nach dem Verhalten des Bundesrechnungshofes.

(Zuruf von der SPD: Nein!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506914300
Nein, so war die Frage wohl nicht zu verstehen. Wollen Sie Ihre Frage wiederholen, Herr Abgeordneter Reichmann?

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0506914400
Trifft es zu, daß der Bundesrechnungshof seit Jahren ohne sichtbaren Erfolg bemüht ist, einen Bescheid und einen Bericht über die Abwicklung dieses Auftrages zu erstellen?
Gumbel, Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung. Ich werde soeben darauf aufmerksam gemacht, daß die Fragen, die der Bundesrech-



Staatssekretär Gumbel
nungshof in diesem Zusammenhang dem Verteidigungsministerium gestellt hat, am 24. Februar 1964 beantwortet worden sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506914500
Herr Abgeordneter Wächter zu einer Zusatzfrage.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0506914600
Herr Staatssekretär, können Sie uns zunächst einmal sagen, wie diese Frage des Bundesrechnungshofes an das Bundesverteidigungsministerium vom Bundesverteidigungsministerium beantwortet worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506914700
Das ist ein umfangreiches Schriftstück; denn es sind Prüfungsbemerkungen, die im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof gemacht worden sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506914800
Eine weitere Frage, Abgeordneter Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0506914900
Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß der deutsche Botschafter in Bern in seiner Berichterstattung wiederholt auf den zweifelhaften Ruf des Geschäftspartners von Hispano-Suiza aufmerksam gemacht hat?

(Abg. Wehner: Würden Sie, Herr Präsident, nicht für eine Beantwortung sorgen, die der Würde dieses Hauses entspricht?)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506915000
Herr Abgeordneter Wehner, Sie haben kein Recht, meine Geschäftsführung zu kritisieren. Der Herr Staatssekretär ist berechtigt, sich Unterlagen von seinen Mitarbeitern zu erholen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506915100
Herr Präsident, ich muß darauf aufmerksam machen, daß hier nach dem Besuch eines Herrn Schaufelberger und nicht nach dem Verhältnis des Herrn — —

(Abg. Wehner: Das ist Ihnen doch ganz egal, was geschieht!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506915200
Herr Abgeordneter Wehner, ich bitte, sich zu mäßigen. — Der Herr Staatssekretär hat recht, daß natürlich die Fragen nur in mittelbarem Zusammenhang zur Urfrage stehen und daß er nicht ohne weiteres darauf vorbereitet sein mußte. — Bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506915300
Ich bin auch deswegen nicht darauf vorbereitet, Herr Präsident, weil ich — wie ich das schon getan habe — auf die Kleine Anfrage verwiesen habe,

(Beifall bei der CDU/CSU)

in der diese Fragen ja alle miteinander aufgeworfen worden sind. Ich kann und möchte dieser Beantwortung nicht vorgreifen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506915400
Herr Abgeordneter Raffert zu einer Zusatzfrage.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0506915500
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht klar, daß bei diesem Komplex, den wir hier vorhaben, doch noch eine ganze Reihe anderer Fragen auftauchen können als die, die in der Kleinen Anfrage von uns aufgeschrieben worden sind, und darf ich Sie deswegen in dem Zusammenhang fragen, ob der zweite Nullserien-Vertrag für den Panzer nicht am 3. August 1957, also zu einer Zeit unterzeichnet worden ist, in der Herr Strauß bereits Bundesverteidigungsminister gewesen ist, ob diese Tatsache nicht dem widerspricht. was er jetzt zu der am 3. November 1958 in der Drucksache III/613 uns gegebenen Antwort erklärt hat, und ob hier nicht eine Täuschung des Parlaments vorliegt?

(Hört! Hört! bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506915600
Auch diese Frage geht natürlich über die ursprüngliche Frage des Herrn Abgeordneten Moersch weit hinaus.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0506915700
Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung: sie steht im engen Zusammenhang mit dem Komplex, den wir behandeln.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506915800
Aber nicht in unmittelbarem Zusammenhang. — Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, darauf zu antworten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506915900
Nein, ich kann die Frage nicht beantworten; ich möchte sie jetzt auch nicht beantworten.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0506916000
Ich bin nicht verwundert darüber, Herr Staatssekretär! Das wundert mich nicht!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506916100
Herr Abgeordneter Jahn (Marburg) zu einer Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0506916200
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie eben erklärt haben, daß seinerzeit der damalige Bundesverteidigungsminister die Vorgänge zum Anlaß einer besonderen Überprüfung genommen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506916300
Jawohl, es sind wiederholt Prüfungen auf Grund von Presseveröffentlichungen und anderen Angaben durchgeführt worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506916400
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn.




Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0506916500
Wie erklären Sie dann die Antwort auf die Frage in der Kleinen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion vom 17. Oktober 1958, was der Grund für die überraschende Einziehung aller Akten gewesen sei, es handle sich um keine außergewöhnliche Maßnahme?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506916600
Ich muß sagen, daß auch diese Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, die mir gestellt worden ist, steht.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0506916700
Aber doch mit Ihrer Antwort, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506916800
Aber wenn schon die Akten zusammengezogen worden sind, dann muß das wohl im Zusammenhang mit solchen Überprüfungen stehen. Denn wie soll das anders gemacht werden, wenn man die Akten nicht zur Hand hat?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506916900
Ich glaube, man kann dem Staatssekretär keinen Vorwurf machen, daß er nicht auf diese ganz konkrete Frage vorbereitet ist. Abgeordneter Jahn, machen Sie den Vorwurf?

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0506917000
Ja, Herr Präsident, der Herr Staatssekretär hat eine Antwort gegeben, und diese Antwort führt zwingend zu dieser Frage. Denn jetzt haben wir neuerdings zum selben Fragenkomplex zwei Antworten aus einem Ministerium. Das ist doch ganz interessant.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506917100
Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Die Fragen IX/12 bis IX/14 des Herrn Abgeordneten Collet sind vom Fragesteller zurückgezogen worden. Ich rufe die Fragen IX/15, IX/16 und IX/17 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Wieviel Patenschaften zwischen französischen und deutschen Truppeneinheiten wurden bisher abgeschlossen?
Welche Erfahrungen wurden mit den in Frage IX/15 erwähnten Patenschaften gemacht?
Wieweit wurden mit anderen Staaten Patenschaften zwischen Truppeneinheiten vereinbart?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506917200
Zur ersten Frage: Es sind bisher etwa 50 Patenschaften zwischen deutschen und französischen Truppenteilen, vom Bataillon bis hinauf zur Division, abgeschlossen worden.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0506917300
Herr Staatssekretär, ist mit dem Abschluß weiterer Patenschaften zu rechnen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506917400
Ich möchte das nicht ausschließen, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506917500
Jetzt die zweite Frage des Herrn Abgeordneten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506917600
Zur zweiten Frage: Die Patenschaften haben sich bewährt als ein Mittel der menschlichen Kontaktpflege, das geeignet ist, das Verständnis der Verbündeten untereinander für den gemeinsamen Auftrag zu fördern. Die Truppe steht dieser Entwicklung aufgeschlossen gegenüber, wie die Zunahme der dienstlichen und außerdienstlichen Begegnungen zeigt. Hier sind tatsächlich bereits zahlreiche enge zwischenmenschliche Beziehungen unter den Soldaten zweier Nationen und ihren Familienangehörigen gewachsen.
Die Bedeutung, die die französische Seite diesen Patenschaften beimißt, hat z. B. der neue Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte in Deutschland, General Massu, anläßlich der Patenschaftsübernahme zweier Divisionen kürzlich persönlich bekundet.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0506917700
Herr Staatssekretär, pflegt das Bundesministerium der Verteidigung über diese Patenschaften hinaus die menschlichen Beziehungen mit unseren verbündeten Streitkräften auch auf andere Weise?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506917800
Es gibt noch andere Möglichkeiten. In einem mir vorliegenden Grundsatzerlaß — vom Jahre 1963, glaube ich — über die Frage der dienstlichen und außerdienstlichen Verbindungen zwischen Soldaten der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte ist geregelt, .daß neben der Übernahme von Patenschaften noch folgende Möglichkeiten ,der Kontaktpflege bestehen: Austausch von Soldaten zu Dienstverrichtungen in Verbänden ,der Partner, die Durchführung gemeinsamer Übungen, Wettkämpfe, Diskussionen, kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen. Außerdem ist auch eine Beziehung auf der Ebene der Sozialbetreuungswerke hergestellt worden.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0506917900
Herr Staatssekretär, will das Ministerium diese Kontakte zu unseren Verbündeten der Initiative der einzelnen Truppeneinheiten überlassen, oder beabsichtigt das Ministerium, selbst steuernd diese Kontaktpflege zu fördern und beispielsweise auch besondere Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506918000
Diese Kontaktpflege ist nicht allein ,der Truppe überlassen, sondern es ist im Ministerium ein besonderes Fachgebiet innerhalb der Abteilung Streitkräfte für diesen Zweck eingerichtet worden. Auf Grund dieser Arbeit hat kürzlich eine Arbeitstagung mit den Spitzenvertretern der Streitkräfte von neun Nationen hier in Mitteleuropa stattgefunden, bei der die Möglichkeiten der Verstärkung der gegenseitigen Kontaktpflege be-



Staatssekretär Gumbel
sprochen worden sind. Haushaltsmittel können für diesen Zweck der Kontaktpflege in einem eigenen Titel noch nicht bereitgestellt werden. Es besteht jedoch in einem begrenzten Umfang die Möglichkeit, finanzielle Mittel aus anderen Titeln des Haushalts für diese Aufgabe einzusetzen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506918100
Keine Zusatzfrage. Dann die dritte Frage des Abgeordneten Josten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506918200
Außer mit den französischen Verbänden, die den Hauptanteil der Patenschaften ausmachen, bestehen zur Zeit entsprechende Beziehungen zu den in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräften von Belgien, Großbritannien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0506918300
Herr Staatssekretär, können Sie uns einige Zahlen über die bereits abgeschlossenen Patenschaften mit den Ländern nennen, die Sie soeben angeführt haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506918400
Ich habe nur die Zahlen der Patenschaften mit französischen Verbänden parat. Das sind 50. Die Zahlen bei ,den anderen Nationen liegen zum Teil wesentlich darunter.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0506918500
Herr Staatssekretär, wäre das Ministerium bereit, im kommenden Jahr den Mitgliedern unseres Hauses einen kurzen schriftlichen Bericht über ,den Stand und die Erfahrungen mit den Patenschaften von Truppeneinheiten vorzulegen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0506918600
Ich bin dazu bereit, Herr Abgeordneter.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506918700
Die Fragen IX/18 bis IX/20 des Abgeordneten Dr. Müller (München)

Wie beurteilt die Bundesregierung die durch Mittelkürzungen des Bundesverteidigungsministeriums drohende Abwanderung von Wissenschaftlern der Luft- und Raumfahrtindustrie in die Vereinigte Arabische Republik?
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Vorschlag des Präsidenten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft aufzugreifen, eine besondere Form der Wehrdienstleistung für Mathematik- und Physikstudenten einzuführen?
Hat die Bundesregierung eine Übersicht darüber, wie die Wehrdienstleistung von Abiturienten in anderen Ländern gehandhabt wird?
werden mit seinem Einverständnis schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers' der Verteidigung liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen -aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Frage X/1 des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) :
Welche Erfahrungen sind, vor allem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, bekanntgeworden über die Verwendung von Gasturbinen als Antrieb schwerer Kraftfahrzeuge?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506918800
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Erhard gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden ist, da sie den gleichen Sachverhalt betreffen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506918900
Einverstanden. Frage X/2 des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) :
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, in der Bundesrepublik oder im EWG-Bereich die Entwicklung und Verwendung von Gasturbinen als Antrieb für Kraftfahrzeuge zu fördern?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506919000
In den Vereinigten Staaten von Nordamerika werden zur Zeit Gasturbinen für den Antrieb schwerer Kraftfahrzeuge erprobt. Abschließende Ergebnisse über diese Versuche liegen mir noch nicht vor. Es hat sich aber schon jetzt gezeigt, daß Gasturbinen für Straßenfahrzeuge in wirtschaftlicher Hinsicht — vor allem im Hinblick auf den noch sehr hohen Kraftstoffverbrauch — den herkömmlichen Kolbenmotoren unterlegen sind.
Um den Turbinenantrieb für Kraftfahrzeuge wirtschaftlich zu gestalten, ist besonders im Hinblick auf die notwendige Entwicklung von Werkstoffen für hohe thermische Dauerbelastung weitere Grundlagenforschung erforderlich. Eine Möglichkeit, diese Entwicklung durch die Bundesregierung zu fördern, ist leider vorerst kaum gegeben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506919100
Keine Zusatzfrage. Die Fragen X/3 und X/4 des Abgeordneten Richter:
Steht der Bundesverkehrsminister noch zu der mir am 17. März 1966 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages gegebenen Zusage, daß die Planung der Verkehrssanierung des Raumes Neckarelz—Diedesheim—Obrigheim „kurz vor dem Abschluß" stehe und mit dem Anlaufen der Bauarbeiten gerechnet werden kann, wenn bei der Durchführung des Planfeststellungsverfahrens keine Schwierigkeiten auftreten?
Wird mit dem in Frage X/3 genannten Bauvorhaben im Frühjahr 1967 begonnen, wenn das Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau rechtzeitig vorliegt und Schwierigkeiten aus dem Planfeststellungsverfahren sich nicht mehr ergeben?
werden schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers für Verkehr vom 26. Oktober 1966 lautet:
Auf Ihre Frage zur Fragestunde am 17. März 1966 hatte ich Ihnen mitgeteilt, daß die Planung für die sehr schwierige Verlegung der Bundesstraßen 27, 37 und 292 im Raume Neckarelz-
Diedesheim—Obrigheim kurz vor dem Abschluß stehe und mit dem Anlaufen der Arbeiten bald gerechnet werden könne, wenn sich bei der Durchführung des Planfeststellungsverfahrens keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten ergeben würden.
Grundsätzlich ist diese Mitteilung auch heute noch zutreffend. Allerdings hat sich der Abschluß der Planungsarbeiten verzögert, weil, wie Sie wissen, bezüglich der Hochwasserabführung des Neckars zunächst noch ein Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau angefordert werden mußte. Dieses Gutachten wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres vorliegen, so daß dann erst die Planungsarbeiten endgültig abgeschlossen werden können. Ein Baubeginn im Frühjahr 1967 wird aus diesem Grund nicht möglich sein. Die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens, mit dessen Einleitung bei dieser Sachlage nicht vor Sommer nächsten Jahres gerechnet werden kann, nimmt bekanntermaßen auch dann mehrere Monate in Anspruch, wenn gegen die Planung keine grundsätzlichen Einwendungen erhoben werden. Es ist daher anzunehmen, daß aus diesen Gründen mit dem Bau leider erst im Frühjahr 1968 begonnen werden kann.
Frage X/5 des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) :
Aus welchen Gründen können reflektierende Nummernschilder an Kraftfahrzeugen nicht zugelassen werden, obwohl sie wahrscheinlich größerer Verkehrssicherheit dienen könnten?




Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506919200
Herr Kollege, ich habe bereits in der Fragestunde vom 11. Februar 1966 auf die Frage des Herrn Kollegen Strohmayr ausgeführt, daß auf internationaler Ebene im Rahmen der ECE in Genf durch umfangreiche Versuche geprüft wird, ob die amtlichen Kraftfahrzeugkennzeichen rückstrahlend sein dürfen. Diese Versuche sind inzwischen abgeschlossen; jedoch liegt der Bericht darüber noch nicht vor. Es kann damit gerechnet werden, daß die Untersuchungsergebnisse bis zum Frühjahr 1967 ausgewertet sein werden. Danach können wir dann über etwaige zu treffende Maßnahmen entscheiden. Ich hoffe, daß die zu treffende Regelung international erfolgt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506919300
Eine Zusatzfrage.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0506919400
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in Frankreich seit 1963 rückstrahlende Nummernschilder zugelassen sind?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506919500
Jawohl, das ist bekannt. Wir haben auf Grund dieser Tatsache selber diese Fragen geprüft. Es wurde aber dann das Problem im Rahmen der ECE aufgegriffen. Wir wollten deshalb einmal abwarten, wie die Sache international geregelt werden kann. Die ECE ist ja eine Organisation, die alle europäischen Staaten — auch jenseits des Eisernen Vorhangs — umfaßt.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0506919600
Herr Minister, könnten die rückstrahlenden Nummernschilder nicht wenigstens zugelassen werden, wenn sie auch nicht vorgeschrieben werden?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506919700
Sicherlich. Aber ich wollte gern erst einmal den Bericht abwarten, damit wir uns bei Empfehlungen oder Vorschriften die Erfahrungen zunutze machen können, die bei diesen umfangreichen Untersuchungen gesammelt wurden. Da es sich nur noch — wie ich hoffe — um einige Monate handelt, darf ich doch bitten, daß wir erst das Ergebnis dieser Prüfungen abwarten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506919800
Frage X/6 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Hält die Bundesregierung die Einführung eines für die ganze Bundesrepublik gültigen Bauleistungsbuches, wie es auf dem Straßenbau-Kongreß in München gefordert wurde, für zweckmäßig?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506919900
Herr Kollege, die Bundesregierung hält ein Bauleistungsbuch für den Straßenbau für zweckmäßig. Sie hat deshalb die Bearbeitung eines solchen Buches bereits in Angriff genommen. Sie kann es jedoch nur für den in ihrer Zuständigkeit liegenden Bundesfernstraßenbau einführen, wird aber seine Anwendung, wenn das Buch vorliegt, auch den anderen Straßenbaulastträgern empfehlen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506920000
Eine Zusatzfrage!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0506920100
Wann rechnen Sie, Herr Minister, mit dem Vorliegen?

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0506920200
Das kann man sehr schwer sagen. Es wird sicher noch einige Monate erfordern, weil die Arbeiten nicht so ganz einfach sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506920300
Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.
Wir erledigen nun zweckmäßigerweise die Zusatzpunkte 1 bis 5:
1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Fünfundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Erhöhung des Zollkontingents für Verschnittrotwein)
— Drucksachen V/924, V/1050 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
2. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Achtundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für Kabeljau usw.)
— Drucksachen V/925, V/1051 — Berichterstatter: Abgeordneter Junker
3. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung vorgelegte Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen
— Drucksachen V/955, V/1058 — Berichterstatter: Abgeordneter Ravens
4. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Antragsfrist für die Gewährung von Zuschüssen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1967
— Drucksachen V/999, V/1059 — Berichterstatter: Abgeordneter Logemann
5. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten



Vizepräsident Dr. Dehler
Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 3/63/EWG vom 24. Januar 1963 betreffend die Handelsbeziehungen zu den Staatshandelsländern in bezug auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse
— Drucksachen V/848, V/1060 — Berichterstatter: Abgeordneter Lange
Ich nehme an, daß ein Bericht seitens der Berichterstatter nicht gewünscht wird. Ist das Haus einverstanden, daß wir über die Punkte der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Ich kann das feststellen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen V/1050, 1051, 1058, 1059 und 1060. Wer zustimmen will, gebe bitte Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Es ist entsprechend den Anträgen beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Neuntes Rentenanpassungsgesetz — 9. RAG)

— Drucksache V/1001
b) Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen (Sozialbericht 1966) sowie des Gutachtens des Sozialbeirats über die Rentenanpassung
— Drucksache V/940 —
Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506920400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn dieses Gesetz, das Ihnen die Bundesregierung heute zur ersten Lesung vorlegt, am 1. Januar 1967 in Kraft treten wird, dann werden auf den Tag genau zehn Jahre verstrichen sein, seit die Rentenversicherungsneuregelungsgesetze wirksam wurden. Zehn Jahre sind gewiß ein kurzer Abschnitt in der Geschichte eines Volkes. Dennoch wollen Sie mir gestatten, daran zwei allgemein politische Bemerkungen zu knüpfen:
Erstens. Wir haben in der Vergangenheit hin und wieder den Vorwurf gehört, unsere sozialpolitischen Entscheidungen seien allenfalls Reaktionen auf den Augenblick, und sie trügen zu wenig den Bedürfnissen einer Politik Rechnung, die über den Tag hinausblicke. Nun, die Sozialenquete hat diese Kritik eindeutig widerlegt. Auch dieser Gesetzentwurf für die neunte Rentenanpassung ist ein konkreter Beweis für die Kontinuität unserer Sozialpolitik.
Zweitens. Das neue System der Rentenversicherung hat sich in diesen zehn Jahren bewährt. Es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer gesellschaftlichen Ordnung geworden. Das Prinzip der jährlichen Rentenanpassung hat dem Rentner die Teilnahme am wachsenden Volkseinkommen ermöglicht.
Eine Aktualisierung der Renten in der Weise, daß die bei der Rentenberechnunng zugrunde liegenden Arbeitsentgelte im Zeitpunkt des Versicherungsfalles an das jeweilige Lohngefüge herangeführt werden, hätte dazu nicht genügt. Sinn der kontinuierlichen Rentenanpassung, zu der sich vor zehn Jahren der Gesetzgeber verpflichtete, ist vielmehr, daß nicht nur die neu festzustellende, sondern auch die einmal festgestellte Rente der Lohnentwicklung, allerdings in mehrjährigem Abstand, folgt.
Um die Erhaltung dieses Systems geht es entscheidend auch bei der Frage des Bundeszuschusses. Würde er geschmälert oder beseitigt, so wäre die jährliche Rentenanpassung nicht mehr gesichert. Deshalb hat die Bundesregierung auch in dem Entwurf eines Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes, das ich vor kurzem diesem Hohen Hause vorgelegt habe, vorgeschlagen, den Bundeszuschuß in seiner bisherigen Form und Höhe zu erhalten. Sie hat damit nachdrücklich zu erkennen gegeben: An dem System unserer sozialen Altersversicherung wird festgehalten.
Das Prinzip der kontinuierlichen Rentenanpassung ist — meine Damen und Herren, das wissen Sie in diesem Hause alle — nie ganz unbestritten gewesen. Wir können jedoch heute sagen, daß sich die Befürchtungen, die Rentenanpassungen könnten sich ungünstig auf das wirtschaftliche Wachstum oder auf die Preisentwicklung auswirken, als unbegründet erwiesen haben.
Wenn wir deshalb immer wieder ruhigen Gewissens eine Rentenanpassung vorschlagen konnten, so sollte dabei das Verdienst des Sozialbeirates nicht unerwähnt bleiben. Seine Gutachten faßten stets mit besonderer Sorgfalt alle in Betracht kommenden wirtschaftlichen Aspekte zusammen. Sie sind ein zuverlässiger Ausgangspunkt für den Sozialbericht und die Gesetzgebungsvorschläge der Bundesregierung. Es ist mir deshalb ein aufrichtiges Bedürfnis, den Mitgliedern des Sozialbeirates auch an dieser Stelle den herzlichen Dank der Bundesregierung auszusprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU, FDP und Abgeordneten der SPD.)

Lassen Sie mich jetzt kurz auf den wesentlichen Inhalt des vorliegenden Neunten Rentenanpassungsgesetzes eingehen:
Erstens. Der Sozialbeirat hat vorgeschlagen, die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen um 8 %, die Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung um 9 % ab 1. Januar 1967 anzupassen. Diesem Vorschlag hat sich die Bundesregierung nach sorgfältiger Prüfung, die im Sozialbericht ihren Niederschlag gefunden hat, angeschlossen. Sie hofft zuversichtlich, daß dieses Hohe Haus dem folgen wird.



Bundesminister Katzer
Zweitens. Wie in den Rentenneuregelungsgesetzen von 1957 vorgeschrieben, folgen diese Anpassungssätze der Lohnentwicklung. Gegenüber Hinweisen und Vorschlägen, die immer wieder in der Öffentlichkeit gemacht werden, möchte ich hier sagen: Ich halte es für unerläßlich, daß von diesem Grundsatz nicht abgegangen wird.
Drittens. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß es unmöglich ist, eine Rentenanpassung ganz oder teilweise zu unterlassen; denn wir dürfen nicht übersehen, daß die Durchschnittsrente nach einem erfüllten Arbeitsleben heute immer noch weniger als die Hälfte des Arbeitsverdienstes eines aktiv Versicherten ausmacht. Insoweit hat, das will ich hier offen bekennen, die Rentenreform ihr Ziel nicht ganz erreicht. Um so weniger können wir deshalb zulassen, daß sich die Stellung der Rentner im Sozialgefüge verschlechtert.
Viertens. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der Bundesregierung hat der Sozialbeirat in seinem Gutachten empfohlen, die Beiträge zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten bereits ab 1. Januar 1967 zu erhöhen, auch der Bundesrat ist in seiner Stellungnahme zum Sozialbericht darauf eingegangen. Ich möchte dazu wiederholen, was ich bereits gelegentlich der ersten Lesung des Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes am 7. Oktober in diesem Hause sagte:
Für diese Vorschläge des Sozialbeirates habe ich durchaus Verständnis. Wenn sich die Bundesregierung auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht zu einer so frühen und starken Anhebung der Beitragssätze entschließen konnte, so wird man nicht umhin können, sich mit diesen Vorschlägen auseinanderzusetzen.
Das wird in den Ausschußberatungen nicht dieses, sondern des 3. Rentenversicherungsänderungsgesetzes geschehen.
Fünftens. Die Anpassungssätze von 8% bzw. 9% ergeben sich für die Rentenversicherungen aus der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage des Jahres 1966 gegenüber dem Jahre 1965, für die gesetzliche Unfallversicherung aus der Entwicklung der durchschnittlichen Bruttolohn- und Gehaltssumme von 1964 auf 1965.
Ich darf dabei daran erinnern, daß auch die allgemeine Bemessungsgrundlage in der Rentenversicherung die Lohnentwicklung vergangener Jahre widerspiegelt; ich sage das deshalb ausdrücklich, um dem Eindruck zu begegnen, die Renten würden den Löhnen vorauseilen.
In Wahrheit ist es so, daß den Rentnern nur nachträglich eine Teilnahme an einer in der Vergangenheit liegenden Lohnentwicklung ermöglicht wird.
Sechstens. Lassen Sie mich das noch durch folgende Feststellungen erhärten: Für die diesjährige Anpassung in der Rentenversicherung ist die Lohnentwicklung der Jahre 1962, 1963 und 1964 maßgebend. Diese Verzögerung hat zur Folge, daß sich mit der jetzt vorgeschlagenen Anpassung das Rentenniveau seit 1957 um 84 % anheben wird, während die Durchschnittsverdienste aller Versicherten
sich nahezu verdoppelt haben und die Regelsätze der Sozialhilfe sogar um 101,2 % gestiegen sind.
Siebtens. So kontinuierlich in Aufbau und Inhalt die Rentenanpassungsgesetze aufeinander folgen, so ist die Bundesregierung doch gleichzeitig bemüht, den veränderten Umständen Rechnung zu tragen und alle Vorschläge, die auf eine Verbesserung und Verfeinerung des Anpassungsverfahrens gerichtet sind, im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen.
So wird nunmehr auch bei Besitzstandsrenten dem Versicherungsträger nur noch das Ergebnis des Anpassungsverfahrens vorgeschrieben, während er bisher gehalten war, ein bestimmtes Verfahren zu beobachten. Dadurch werden die Berechtigten in gar keiner Weise benachteiligt. Auf der anderen Seite wird dem Rentenversicherungsträger und der Bundespost in noch weitergehendem Maße als bisher die Möglichkeit geboten, das Anpassungsverfahren zu vereinfachen.
Achtens. In den vergangenen Jahren ist die Frage ernstlich umstritten gewesen, ob auch die Sonderzuschüsse angepaßt werden sollten. Nach eingehender Prüfung habe ich die Überzeugung gewonnen, daß sich für die Nichtanpassung der Sonderzuschüsse sehr gute Gründe, besonders systematischer Art, ins Feld führen lassen.
Auf der anderen Seite verkenne ich aber auch nicht die technischen und sozialpolitischen Schwierigkeiten, die mit dieser Nichtanpassung verbunden sind. Gerade wenn wir uns zu einer wesentlichen Verwaltungsvereinfachung entschließen, sollten wir diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, diese Schwierigkeiten für die Zukunft auszuräumen, zumal es sich hier ohnehin um ein auslaufendes Problem handelt.
Neuntens. Zum Schluß noch einige Bemerkungen zu den Anrechnungsvorschriften, die uns ja in jedem Jahr bei dieser Debatte wieder beschäftigen. Ich habe volles Verständnis für die Empfindungen derjenigen, die bisher noch bei jeder Rentenanpassung erleben mußten, daß oft die eine Hand nimmt, was die andere soeben gegeben hat. Da es sich jedoch hier nicht um ein Problem der Sozialversicherung handelt, können Lösungen nur auf den Rechtsgebieten gefunden werden, in denen derartige Anrechnungsvorschriften getroffen sind. Ein solcher Bereich ist die Kriegsopferversorgung. Hier sind wir ein Stück weitergekommen.
Der Entwurf des Dritten Kriegsopferneuordnungsgesetzes, den ich heute vormittag noch dem Hohen Hause vorlegen werde, sieht vor, daß die Leistungen der Kriegsopferversorgung von der Anpassung weitgehend nicht mehr berührt werden. Der Rang und die Festigkeit unserer sozialen Ordnung erweisen sich nicht nur darin, daß sie ständig dem technischen Fortschritt und der gesellschaftlichen Entwicklung angepaßt wird. Ich meine, die Güte unseres sozialen Rechtsstaates erweist sich vor allen Dingen auch in der Stabilität und in der Kontinuität der Maßnahmen. Dazu soll dieser Gesetzentwurf beitragen. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506920500
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.

Josef Stingl (CDU):
Rede ID: ID0506920600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Innerhalb sehr kurzer Zeit beschäftigt sich das Hohe Haus wieder mit der Rentenversicherung, mit der Alterssicherung unserer Bevölkerung. Herr Minister Katzer hat darauf hingewiesen, daß der Termin, zu dem das Neunte Rentenanpassungsgesetz in Kraft treten soll, zehn Jahre nach dem Inkraftsetzungstermin der Rentenreform liegt. Er hat mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß diese zehn Jahre zwar in der Geschichte des Volkes ein kurzer Abschnitt sind, daß sich aber in dieser Zeit erwiesen hat, daß sich die Rentenreform in diesem Bereich der Alterssicherung unseres Volkes bewährt hat.
Es ist jemandem, der damals an der Rentenreform mitgearbeitet hat, sicherlich erlaubt, gerade heute auch an die Beratungen zu dieser Rentenreform im Oktober und November des Jahres 1956 zu erinnern. Es entbehrt gewiß nicht der Pikanterie, daß genau in derselben Zeit damals eine Regierungskrise war. Es entbehrt gewiß nicht der Pikanterie, daß die Beratungen damals auch unter dem Gesichtspunkt standen, ob man denn bei den Rentnern nicht ein wenig bremsen müsse. Zwar war das in dieser Frage nicht die Hauptauseinandersetzung, aber sie spielte auch in die Diskussionen hinein. Manchen möchte ich sehr gern daran erinnern, welche Haltung er damals eingenommen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Mancher hat damals gesagt, man könne doch nicht schon heute sagen, daß auch die Rentner am jeweiligen Wachstum des Volkseinkommens und an der Entwicklung der Löhne und Gehälter teilnehmen müßten. Wir müssen zugeben, daß wir demgemäß — weil wir natürlich nicht Prophet sein und nicht mit Gewißheit sagen konnten, wie sich alles entwickeln würde — damals auch einige Modifizierungen anbringen und Bremsmöglichkeiten in die Gesetze einbauen mußten. Wir können dabei aber auch sagen, daß wir diese Bremsmöglichkeiten nicht auszuschöpfen brauchten.
Meine Damen und Herren, wenn dieses Neunte Rentenanpassungsgesetz in Kraft tritt, wird der Rentenbestand von der Rentenreform, also vom Jahre 1957 an, um 84 % angehoben sein. Das ist sicher eine stattliche Zahl, eine Leistung, die sich sehen lassen kann. Nun die Frage an diejenigen, die sagen, man müsse doch einmal bei den Rentenausgaben sparen: Würden sie eigentlich vor den Rentnern bestehen können, wenn ihre Pläne im Laufe der 10 Jahre berücksichtigt worden wären, wenn sie heute sagen müßten, das Renteneinkommen habe sich nicht um den gleichen Prozentsatz erhöht wie die Löhne und Gehälter, und die Rentner, die aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden seien, hätten nicht Anteil am wachsenden Wohlstand oder nicht im gleichen Maße Anteil am wachsenden Wohlstand gehabt? Denn hätte man nur einen eventuellen Preisverfall in dieser Zeit aufgefangen, dann
hätten die Rentner zwar heute noch keinen Verlust, sie wären in ihrem Lebensstandard nicht gesunken, aber sie hätten am wachsenden Volkseinkommen, am wachsenden Wohlstand, nicht teilnehmen können; es wäre ihnen genau nur der Standard gesichert gewesen, den sie 1957 hatten.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Diese Worte sind vielleicht, wenn man an die vor zehn Jahren stattgefundenen Erörterungen denkt, nicht ungerechtfertigt, und sie sollen deshalb auch eine Mahnung für unsere Beratungen sein. Sie sollen eine Mahnung für unsere Beratungen sein, daß wir den Zusammenhang zwischen Lohn und Gehalt und den Renten sehen müssen, daß nämlich Rentenanpassungen nicht nur den Sinn haben, das Absinken des Lebensstandards zu verhindern — das natürlich auch —, sondern auch den Sinn haben, denjenigen, der aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden ist, in der Solidarität mit demjenigen, der die Beiträge zahlt, ganz deutlich mit anzuheben, ihn weiterzubringen und ihm einen höheren Lebensstandard zu sichern. Das soll nach dem Willen der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union so bleiben.
Die Renten werden aus Löhnen und Gehältern, dem Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil, und dem Bundeszuschuß finanziert. Sie werden wesentlich aus der Solidarität der Generationen finanziert. Demnach muß der Fortschritt bei den Beitragszahlern auch den Rentnern zugute kommen. Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an das, was der Herr Minister vorhin gesagt hat: Wir müssen gestehen, daß wir das Ziel, das uns vorschwebte, dennoch nicht erreicht haben. Wir haben damals gemeint, wir könnten so weit kommen, daß man 60 % des Arbeitseinkommens als Rente beziehen kann. Wir haben es nicht erreicht! Wer uns aber jetzt vorschlägt, wir sollten andere Maßnahmen ergreifen als die, die wir jetzt beabsichtigen, schlägt uns vor, die Renten noch niedriger anzusetzen.
Dabei sei nur ein Blick darauf geworfen, daß 1 % Lohnerhöhung immerhin auch sofort 250 Millionen DM mehr Beitragseinkommen bei den Rentenversicherungsträgern erbringt. Der Durchschnitt der Renten — Arbeiter, Angestellte, Handwerker — beträgt 392 DM. Wenn man diesen Betrag dem Sozialhilfesatz gegenüberstellt, erkennt man, daß das gar nicht so schrecklich viel mehr ist. Ich weiß, daß man natürlich mit Durchschnittswerten außerordentlich vorsichtig sein muß. Aber in diesem Zusammenhang sei mir der Hinweis auf diesen Durchschnitt einmal gestattet. Durchschnittswerte könnten eigentlich immer nur gemessen an der Zahl der Beitragsjahre eine Rolle für unsere Überlegungen spielen; denn man kann nicht den Durchschnitt eines Beitragszahlers, der nur fünf Jahre gezahlt und mit dem niedrigsten Beitrag gerade seine Versicherung aufrechterhalten hat, einfach mit hineinnehmen. Das ist mir bekannt. Aber wenn wir einmal eine Globalbetrachtung — und diese Neunte Rentenanpassung gibt dazu die Möglichkeit — anstellen, so ist dieser Hinweis, glaube ich, mit allem Vorbehalt gestattet.
Wer uns nun aber vorschlägt, wir sollten unsere Schwierigkeiten beim Haushalt dadurch bereinigen,



Stingl
daß wir die dritte Säule der Finanzierung der Rentenversicherung, den Bundeszuschuß — übrigens existiert die dritte Säule, seit es eine Rentenversicherung in Deutschland gibt; der Reichszuschuß war als wesentlicher Bestandteil von allem Anfang an gedacht, und er war in der relativen Größenordnung höher, als er heute ist — kürzen und eine Veränderung vornehmen, muß uns genau wie an anderer Stelle sagen, was er dann tun will, wie er dann verfahren will. Wenn er die Rente kürzen will das wäre eine Möglichkeit —, kommt er natürlich mit weniger Einkommen aus. Ober aber er muß uns sagen: Nein, die Rente will ich nicht kürzen. Und ich möchte den sehen, der sich hier hinstellt und sagt, er wolle die Rente kürzen, weil der Bundeszuschuß gekürzt werde. Also das wäre kein Vorschlag.
Dann müßte er Beitragserhöhung vorschlagen. Er müßte dann aber dem neuen Beitragszahler sagen: Ich will dir eine Beitragserhöhung auferlegen, obwohl ich die Rentenformel nicht verändere, obwohl du mit deinem höheren Beitrag keine höheren Ansprüche erwirbst, als sie dein Vorgänger als Rentner erworben hat und als du sie erwerben würdest, auch wenn dein Beitrag nicht steigen würde. Er muß also sagen: Weil ich die allgemeinen Steuermittel einschränke, muß ich dir — dem Arbeiter, dem Angestellten, dem Versicherten einen höheren Beitrag auferlegen.
Meine Damen und Herren, wer kann da eigentlich noch sagen, er sei gegen Steuererhöhungen, wenn er an einer anderen Stelle den Leuten das Geld abnehmen will? Nur die Bezeichnung ist anders.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sehe, daß Sie sich sehr freuen (zur SPD); wir haben uns ja schon häufiger miteinander Gedanken gemacht.
Die dritte Möglichkeit besteht natürlich darin, daß man das, was an Rücklage und Kapital vorhanden ist, aufzehrt. Das wäre aber nun nach allgemeiner Meinung gerade in der jetzigen Situation konjunkturpolitisch völlig falsch. Man darf nicht an einen Kapitalverzehr herangehen. Der Sozialbeirat, dessen Bericht ja die Grundlage für unsere Beratungen ist, sagt sogar, man dürfe nicht einmal aufhören, neues Kapital anzusammeln; denn daran habe sich die Wirtschaft gewöhnt. Wer sich also nicht gegen die Konjunkturpolitik verhalten will, darf auch nicht an Kapitalverzehr denken. Schon aus diesen Überlegungen muß das, was Minister Katzer vorhin gesagt hat, erneut bestätigt werden: Die dritte Säule, der Bundeszuschuß, darf in seiner Funktion und in seiner Größenordnung, wie das jetzt in den Rentenversicherungsgesetzen konzipiert ist, nicht verändert und nicht angegriffen werden. Man könnte nämlich auch zu der Auffassung kommen, daß in bezug auf den Bundeszuschuß die Relation nicht zur allgemeinen Bemessungsgrundlage gezogen werden dürfe, sondern daß sie zu den Ausgaben der Rentenversicherungsträger oder zu deren Einnahmen gezogen werden müsse. Wir haben einen anderen Modus gewählt, und ich glaube, wir sollten es dabei belassen.
Jedenfalls scheint mir nur noch von wenigen bestritten zu sein, daß wir unser Rentenversicherungssystem, das wir zehn Jahre als ein Abschnittsdekkungsverfahren aufgefaßt haben und das uns in diesen zehn Jahren ungemein viele Erfahrungen vermittelt hat, in ein Umlageverfahren umzuwandeln haben, natürlich nicht eins von Monat zu Monat und nicht eins von Jahr zu Jahr, sondern mit überschaubaren Zeiträumen und mit einer kontinuierlichen Beitragsentwicklung. Wir müssen erkennen, daß es — welche Zeiträume wir auch immer nehmen — im Prinzip ein Umlagesystem ist. Wir können die Rentenversprechen der Vergangenheit nur auf Grund der Maßnahmen erfüllen, die wir den Beitragszahlern heute aufzwingen, nämlich auf Grund von Konsumverzicht durch Beitragszahlung.

(Zustimmung in der Mitte.)

In diesem Zusammenhang möchte ich einmal darauf hinweisen, daß das Kapitaldeckungsverfahren noch immer in vielen Köpfen herumspukt und man noch immer mit Überlegungen, die nur aus dem Kapitaldeckungsverfahren kommen, an die Rentenversicherung herangeht. Aber das Kapitaldekkungsverfahren würde noch ganz andere Maßnahmen verlangen, u. a. eine Rücklage, die einfach unvorstellbare Ausmaße annehmen müßte.
Eines der Argumente, die wir vor zehn Jahren hier erörtern mußten, lautete: Die Erhöhung der Renten wäre insoweit konjunkturgefährdend, als sie einen Konsumstoß bringen würde. Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal feststellen ich glaube, ich kann das für die überwältigende Mehrheit des Hauses tun —: niemand hat sich konjunkturgerechter verhalten als die Rentner.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Rentner haben natürlich ihre Rentenerhöhung dann aufgezehrt, wenn sie für ihr tägliches Leben notwendig war. Aber sie waren auch sorgsam darauf bedacht, sich Polster anzuschaffen. Das wissen wir alle.
So konnte, meine Damen und Herren, die Anpassung der Leistungen aus der Rentenversicherung auch Modell werden für die Anpassung der Unfallversicherung ,die wir jetzt im Rahmen des Neunten Rentenanpassungsgesetzes mitberaten. So konnte sie auch Modell werden für die Anhebung verschiedener anderer Leistungen. Und so können wir, wir, diese christlich-soziale und christlich-demokratische Fraktion, meine Damen und Herren, darauf hinweisen, daß wir durch die Schaffung der Voraussetzungen einer gesunden Volkswirtschaft in der Lage waren, den Anteil der Sozialleistungen am Volkseinkommen konstant zu halten.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Nur eine gute Wirtschaftspolitik kann uns zu einer optimalen Sozialpolitik bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es scheint mir ganz interessant zu sein, einmal darauf hinzuweisen, daß im Jahre 1927 nach den Zahlen der Sozialenquete — ich werde nachher noch einige Zahlen aus dem Sozialbericht nennen — das Volkseinkommen zu 10 v. H. als Sozialeinkommen



Stingl
an die weniger Begüterten ging, daß dieser Anteil der direkten Sozialleistungen am Volkseinkommen 1933 18,4 % ausmachte und daß wir diese Größenordnung — 18,37 %, 18,36 %, 1966 nach Schätzungen 18,27 % - beibehalten haben.
Sie können mir sagen — ich höre diesen Einwand schon —: Ja, das ist doch aber keine Leistung, wenn der Anteil der Sozialleistungen am Volkseinkommen nur gleich bleibt. Nein, meine Damen und Herren, das ist eine enorme Leistung. Denn wir sind froh darüber, daß wir eine ganze Reihe von Sozialleistungen abbauen konnten, z. B. Leistungen der Arbeitslosenversicherung, weil wir eine Vollbeschäftigung haben, und daß daher jetzt dieser Anteil am Volkseinkommen, der in die Sozialleistungen geht, viel gezielter und viel deutlicher eine Sozialleistung ist, weil durch ihn nicht nur Notstände überwunden, sondern auch die Gleichziehung derer, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind, mit den anderen Einkommensträgern durchgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir müssen, wie gesagt, nicht nur die erhöhten Kasten auffangen, sondern wir müssen auch den Anteil am gestiegenen Sozialprodukt miterhöhen. Das habe ich vorhin ausgeführt. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch sagen: angesichts dieser unserer grundsätzlichen Auffassung müssen wir natürlich das Dritte Rentenversicherungsänderungsgesetz, das Stabilitätsgesetz und das Neunte Rentenanpassungsgesetz im Zusammenhang sehen und die in ihnen enthaltenen Bestimmungen sehr aufmerksam bedenken. Das Neunte Rentenanpassungsgesetz, das Dritte Rentenversicherungsänderungsgesetz und die Maßnahmen, die im Stabilitätsgesetz für die Vermögensanlage der Rentenversicherungsträger vorgesehen sind, gehören zusammen. Sie können nur in einer Gesamtschau gesehen werden, und wir müssen 'uns, wenn wir unter Umständen Beitragserhöhungen ins Auge fassen, auch sehr genau überlegen, zu welchem Zweck wir sie ins Auge fassen. Es kann jedenfalls nicht Aufgabe der Beiträge der Sozialversicherungsträger sein, Kapitalsammelstellen zu fördern. Es kann aber auch nicht unsere Aufgabe sein, den Bestand zu ermäßigen. Es muß jedoch unsere Aufgabe sein, auch die Beiträge so weit vorauszuplanen, daß Wirtschaft und Arbeitnehmer eine kontinuierliche Entwicklung voraussehen können

(Beifall bei der CDU/CSU)

und daß für alle Zukunft die Gewähr gegeben ist, daß die Rentenversprechen von heute später auch erfüllt werden können.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Investitionsquote ist nach dem Sozialbericht leicht gestiegen. Obwohl die Investitionsquote 1965 — die Zahlen liegen uns im Sozialbericht vor gestiegen ist, ist auch der Anteil der Arbeitnehmer am Volkseinkommen gestiegen. Auch dies sollte man, wenn nunmehr zum Neunten Rentenanpassungsgesetz der Sozialbericht vorliegt, einmal sagen. Betrug der Anteil der Aribeitnehmereinkommen am Volkseinkommen 1950 noch 59,1 %, so ist er 1965 nach den Angaben des Sozialberichts auf 66 % gestiegen.
Die Sparquote — ich erinnere Sie an meine Aussage von vorhin — ist von 8,3 % im Jahre 1960 über mehrere Stufen — 1962 betrug sie 8,5 %, 1964 10,8 % — auf 12 % im Jahre 1965 gestiegen. Hier ein neuer Ausblick auf andere Zusammenhänge. Ist dieses Steigen eigentlich 'denkbar, ohne daß man den Sparwillen des kleinen Mannes belohnt und die Sparfähigkeit des kleinen Mannes fördert?

(Sehr gut! in der Mitte.)

Wir haben die Politik betrieben, die auch diese Sparförderungsmaßnahmen, die das Sparvermögen der kleinen Leute gesteigert haben, beinhaltet. Sollte es nicht zutreffen, daß gerade das 312-Mark-Gesetz hier seinen wesentlichen Anteil hat?

(Beifall in der Mitte.)

Wer es unverändert lassen will, daß die Träger hoher Einkommen kumuliert sparen können und noch Prämien bekommen, ,der handelt wirklich nicht im Interesse der kleinen Leute, sondern er will sich Lorbeeren auf Kosten der Kleinen holen.

(Beifall in der Mitte.)

Der Zuwachs an Sparsumme im Jahre 1965 um 34,8 Milliarden DM' ist immerhin ein Zuwachs von 23,4 % gegenüber der früheren Sparsumme. Die Löhne und Gehälter sind von 1964 auf 1965 nach dem Sozialbericht im Durchschnitt von 8508 auf 9276 gestiegen, das sind über 9 %. Das Volkseinkommen der Erwerbstätigen ist von 11 729 auf 12 579 DM, um 7,2 % gestiegen, also wieder ein Beweis dafür, daß auch die Arbeitnehmer mehr Anteil am Volkseinkommen bekommen haben.
Wir sagen, die Sicherung unseres Rentensystems und unserer Rentenformel verlangt die Ausgewogenheit zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern. Hier wieder ein Blick auf eine anscheinend andere Politik, die aber ihren Zusammenhang hat. Ich denke dabei an die Maßnahmen zur Rehabilitation und zur Mobilität der Arbeitskräfte. Die Sicherung unserer Rentenversprechen hängt auch davon ab, ob wir dafür sorgen, daß Menschen nicht zu früh aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden müssen. Wir müssen die Menschen daher durch Rehabilitationsmaßnahmen, Bildungsmittel und Bildungschancen in die Lage versetzen — auch davon haben wir vorgestern gesprochen —, in der sich wandelnden technischen Welt sich selbst wandeln zu können und neuen Arbeitsbedingungen gewachsen zu sein.
Ein dritter Blick zur Familienpolitik. Wir können die Rentenversprechen nicht erfüllen, wenn wir nicht gerade die kinderreichen Familien in die Lage versetzen, daß sie nicht das 15jährige Kind aus der Schule nehmen müssen, um es Geld verdienen zu lassen, sondern das Kind ausbilden können — wobei wir helfen —, damit seine Effizienz im Arbeitsprozeß später größer wird.

(Beifall in der Mitte.)




Stingl
Das sollten sich auch die sagen lassen, die nichts von der ethischen Begründung eines Kindergeldes halten. Sie müßten doch aber zumindest auf die wirtschaftspolitischen Begründungen eingehen. Man muß sich doch dazu auch überlegen, daß wir die junge Familie fördern müssen. Was nützt es uns denn, auf den Rentenberg von 1976 zu starren und zu sagen, den überwinden wir, sobald die geburtenreichen Jahrgänge im Arbeitsprozeß sind, wenn wir feststellen müssen, daß andererseits die geburtenschwachen Jahrgänge des Zweiten Weltkrieges jetzt in das heiratsfähige Alter kommen und wir sie nicht in die Lage versetzen, den Hausstand zu gründen, wirtschaftlich in die Lage versetzen, auch kinderreiche Familien zu begründen. Dann haben wir wirtschaftspolitisch zu einem späteren Zeitpunkt noch einen weiteren Rentenberg oder besser gesagt ein Beitragszahlertief zu überwinden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Hier beim Neunten Rentenanpassungsgesetz wollte ich das alles sagen, weil mir scheint, daß über den Anlaß hinaus die heutige politische Situation in unserem Staat auch solche Überlegungen in die Gehirne hineinbringen möchte, weil man nämlich auch über den Tag hinaus Verantwortung hat. Wir haben über den Tag hinaus Verantwortung, auch im Bereich der Sozialpolitik, die sich nicht im Nachdenken über die Rentenerhöhungen erschöpft, sondern die daran Anteil nimmt, wie denn überhaupt die soziale Schichtung in unserem Volk aussehen wird.
Zu dem Gesetzentwurf selber will ich nicht sehr viel sagen. Der Herr Bundesminister hat ihn ja begründet. Aber einen Punkt will ich natürlich ansprechen. Denn es könnte sonst sein, daß mein Kollege Kühn gleich wer weiß wie von Ihnen zitiert wird. Dieser Gesetzentwurf sieht mit unserer vollen Zustimmung — und wir haben mit dem Arbeitsministerium sehr frühzeitig übereingestimmt — die Anpassung auch der 21 und 14 DM vor. Wenn Sie uns dann sagen: „Aber da habt ihr euch doch immer gewehrt", antworte ich: Jawohl, wir haben uns immer gewehrt. Diese 21 und 14 DM sind kein Rentenbestandteil. Aber inzwischen — ich sagte es vorhin — ist ein Zeitraum von zehn Jahren vergangen. Inzwischen überlegen wir uns neu, wie das Dekkungsverfahren, wie die Deckungsabschnitte aussehen müssen. Und inzwischen sind die Renten um 84 °/o, also fast auf das Doppelte, gestiegen, d. h. das Problem hat sich insgesamt auch auf die Hälfte verringert.
Demgemäß sind wir der Meinung: da zudem eine Verwaltungsvereinfachung dadurch möglich ist und eine Neueingliederung nicht eintreten soll, werden wir jetzt dieser Einbeziehung als Rentenbestandteil zustimmen. Aber wenn es Rentenbestandteil wird, dann ist es kein gesondertes Finanzierungsproblem, sondern dann ist es ein Finanzierungsproblem der Gesamtrentenversicherung, und demgemäß stimmen wir auch zu, daß insoweit der dafür gedachte Zuschuß des Bundes gestrichen wird.

(Lachen bei der SPD.)

— Sehen Sie, jetzt können Sie wenigstens gleich darauf eingehen und brauchen mich nicht nachträglich zu zitieren, so daß ich hinterherlaufen müßte.

(Abg. Dr. Schellenberg: Akrobat schön! — Abg. Biermann: Sie merken es spät!)

— Was merke ich spät?

(Abg. Biermann: Daß man das längst hätte erledigen können! Weitere Zurufe und Unruhe bei der SPD.)

— Nein, dafür habe ich ja einige Begründungen gegeben. Ich wiederhole es, damit es Ihnen auch ins Gedächtnis kommt. Wir haben erstens ein neues Deckungsverfahren überlegt. Zweitens ist das Problem selber auf die Hälfte verringert. Drittens geht die Anpassung selber in einem anderen Verfahren vor sich, wie ja überhaupt das neue Rentenanpassungsgesetz, so hoffen wir jedenfalls, die Handhabung der Anpassung durch die Versicherungsträger und die Post ein wenig vereinfacht.
Wir meinen, daß allein die Vorlage dieses neuen Rentenversicherungsanpassungsgesetzes ein Beweis dafür ist, daß die die Regierung tragende Fraktion nicht daran rütteln läßt, daß die gerechte Sozialordnung Grundlage unseres Staates ist. 2 Milliarden mehr in die Hände der Rentner geben, das ist etwas, was sich sehen lassen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sind überzeugt, daß draußen die Rentner auch wissen, wem sie es verdanken. Unsere Wirtschaftspolitik ist die optimale Sozialpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0506920700
Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0506920800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherlich ist bei allen Kolleginnen und Kollegen im Hohen Hause bei der Rede des Kollegen Stingl der Eindruck entstanden — er mußte entstehen —, daß es sich bei seinen Ausführungen in erster Linie um eine Philippika gegen den ungetreuen Koalitionspartner, gegen die FDP, handelte. Das nehmen wir zur Kenntnis.

(Abg. Stingl: Herr Glombig, da müssen Sie meine früheren Reden nachlesen! Das ist nicht neu!)

— Das weiß ich. Trotzdem ist das natürlich sehr aktuell oder auf den aktuellen Anlaß zugeschnitten gewesen.
Wir müssen uns bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß sozialpolitische Ansichten dieser Art, wie sie Herr Stingl hier eben verdammt hat, in den vergangenen Jahren nicht nur von der FDP geäußert worden sind, sondern nicht zuletzt auch von dem früheren Wirtschaftsminister und dem jetzigen Bundeskanzler Erhard. Ich glaube, auch das ist in diesem Zusammenhang zumindest erwähnenswert; denn ' gegen eine Dynamisierung der Renten hat sich auch der frühere Wirtschaftsminister und

Glombig
jetzige Bundeskanzler oft genug und zumindest ebenso eindeutig wie die FDP ausgesprochen.
Ich will hier nicht die Debatte über das Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz wiederholen, die sich bereits vor 14 Tagen oder drei Wochen abgespielt hat. Ich möchte mich auf das Neunte Rentenanpassungsgesetz und auf den Sozialbericht 1966 konzentrieren.
Ich habe seinerzeit an den Beratungen der Sozialreform im Jahre 1956 nicht unmittelbar teilgenommen. Ich habe ihr aber auf der Tribüne des Hohen Hauses beigewohnt. Ich kann mir von daher — aus der Betrachtung der Vergangenheit — manches Urteil erlauben.
Wenn man heute feststellt, daß seit Inkrafttreten der Rentenreform zehn Jahre vergangen sind, dann muß man in dem Zusammenhang noch etwas anderes Bedeutsames sagen, nämlich daß mit dem Inkrafttreten des Neunten Rentenanpassungsgesetzes am 1. Januar 1967 das Ende des ersten Deckungsabschnitts in der gesetzlichen Rentenversicherung gekommen ist. Darauf möchte ich einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit lenken. Das Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz sieht für die Zeit nach dem 31. Dezember 1966 vor, daß die Länge der Deckungsabschnitte von zehn Kalenderjahren auf ein Kalenderjahr verkürzt wird. Diese Tatsache gibt mir Veranlassung, mich einigen wenigen historischen Reminiszenzen hinzugeben.
Im Sozialbericht 1958 gibt es eine Vorausschätzung l über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Ende des ersten Deckungsabschnitts unter Berücksichtigung der vom Gesetz vorgeschriebenen Rücklage bei Annahme einer Steigerung der durchschnittlichen Arbeitsentgelte ab 1958 um 4 v. H. jährlich und bei verschiedenen Annahmen über die Vornahme von Anpassungen laufender Renten ab 1959. Danach wird das Rücklagesoll am 31. Dezember 1966 um 5,4 Milliarden DM unterschritten, wenn bis 1966 acht Anpassungen, nämlich — wie geschehen — für die .Jahre 1959 bis einschließlich 1966, erfolgen.
Nun ist es besonders reizvoll, dieser Feststellung im Sozialbericht 1958 die entsprechende Feststellung im Sozialbericht 1966 gegenüberzustellen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Es heißt dort:
Das Rücklagesoll am 31. Dezember 1966 wird übererfüllt sein. Denn die Aufwendungen zu Lasten der Versicherungsträger — d. h. die Gesamtausgaben abzüglich der Zuschüsse und Erstattungen — im Jahre 1966 werden schätzungsweise in der Arbeiterrentenversicherung 15 357 Millionen DM, in der Angestelltenversicherung 9043 Millionen DM ausmachen, und das Bar- und Anlagevermögen der Versicherungsträger hat schon Ende 1965 in der Arbeiterrentenversicherung 16 264 Millionen DM und in der Angestelltenversicherung 9 858 Millionen DM erreicht, wird also im Hinblick auf den 1966 anfallenden Einnahmenüberschuß Ende 1966 über den Sollwerten liegen, und zwar auch in der Arbeiterrentenversicherung, die am 1. Januar 1966 weitere 1 042 Millionen DM Vermögen an die Angestelltenversicherung zu übertragen hatte.
Wir sollten uns daran erinnern, meine Damen und Herren, daß die Rentenanpassung für das Jahr 1958 in erster Linie wegen einer befürchteten Gefährdung der Finanzlage der Rentenversicherung — ich sagte bereits: insbesondere der Angestelltenversicherung — verweigert worden ist.
In diesem Zusammenhang nimmt sich die Begründung der Bundesregierung zur Ablehnung der Rentenanpassung für das Jahr 1958, jedenfalls rückschauend betrachtet, geradezu abenteuerlich aus. Ich darf auch hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Es heißt im Sozialbericht 1958:
Jedoch ist eine Anpassung der laufenden Renten an die allgemeine Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 durch Erhöhung um 6,1 v. H. — auch unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Rentenausgaben bis zum Ende des ersten Deckungsabschnittes — in der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung ohne Gefährdung der Finanzlage und bei Einhaltung der Vorschrift über die zu bildende Rücklage möglich. Für die zukünftigen Auswirkungen einer solchen Anpassung bis zum Ende des ersten Deckungsabschnittes ist aber — insbesondere in der Angestelltenversicherung — entscheidend, ob die Anpassung rückwirkend ab 1. Januar 1958 oder erst für die Zukunft, .nämlich ab 1. Januar 1959, erfolgt. Die Bundesregierung hält unter den gegebenen Verhältnissen
— so heißt es weiter —— wie sie sich aus der angestellten Vorausschätzung über die zukünftige Entwicklung ergeben — eine rückwirkende Anpassung nicht für vertretbar. Abgesehen davon, daß eine rückwirkende Anpassung große verwaltungsmäßige Schwierigkeiten zur Folge hätte, würde sie dazu führen, daß die Finanzlage der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung im kommenden Jahr
— nämlich im Jahre 1959 —
außerordentlich beengt wäre und wahrscheinlich — wenn auch vielleicht nur zeitweilig — Rückgriffe auf das vorhandene Vermögen notwendig werden.
Wie denn überhaupt der Eindruck besteht, meine Damen und Herren, als wenn — und hier komme ich auch Herrn Stingl noch einmal entgegen — die ungünstige Vorausschau des Sozialberichts 1958 den offenen und heimlichen Gegnern — bei der FDP sind es mehr oder weniger offene Gegner, und bei der CDU/CSU gibt es sicherlich eine nicht unbeträchtliche Zahl von geheimen Gegnern, wobei ich die Kollegin Kalinke sicherlich zu den offenen Gegnern zählen kann, denn auch sie hat ja daraus kein Geheimnis gemacht — immer wieder die notwendige Munition gegen die Anpassungsklausel in den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen geliefert hat.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28, Oktober 1966 3251
Glombig
Ich möchte hiermit feststellen, daß gerade der Sozialbericht 1966 nicht zuletzt einen nicht zu unterschätzenden Beweis für die Richtigkeit und Notwendigkeit der Anpassung der Renten an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse darstellt, wenngleich ich überzeugt bin, daß der Sache und den Menschen, denen wir gemeinsam verpflichtet sind, eine Gesetzesbestimmung über eine automatische Rentenanpassung besser bekommen wäre. Es wäre in der Zukunft, nach Aufholung des Rückstandes, um den es jetzt bei der Rentenanpassung geht, sicherlich sinnvoller, zeit- und kräftesparender, auch die sogenannten Bestandsrenten ebenso wie die Zugangsrenten ohne besonderes Gesetz, also automatisch, anzupassen. Dazu würde dann aber auch notwendigerweise ein Wegfall der sogenannten Rentenschere gehören. Durch die von der Bundesregierung und der Bundestagsmehrheit erwirkte Bestimmung in den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen — die übrigens gegen den Widerstand der Opposition zustande gekommen ist ist ein unverhältnismäßig großer Abstand zwischen der Lohnentwicklung und der Entwicklung der Renten erreicht worden.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu der finanziellen Entwicklung der Rentenversicherung sagen.
Die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten war — das ist hier sinngemäß bereits zum Ausdruck gekommen, ich möchte es aber noch einmal unterstreichen; ich habe das auch zu belegen versucht — von 1957 bis 1966 günstig. Obgleich die Renten achtmal an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt wurden, ist zugleich mehr als die vorgeschriebene Rücklage angesammelt worden. Die Zahlen des Sozialberichts 1966 beweisen, daß die SPD mit ihren optimistischen Prognosen zur Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung immer recht gehabt hat. Trotzdem bleibt der bedauerliche Tatbestand, daß — das sagte Herr Stingl bereits, ich möchte es aber noch etwas vertiefen — die Rente eines Versicherten mit durchschnittlichem Arbeitsentgelt heute nach 40 Versicherungsjahren im Rentenbestand nur 364 DM monatlich und im Rentenzugang nur 394 DM monatlich erreicht und damit nur 44 bzw. rund 48 v. H. des Durchschnittlohnes gleichkommt. Erklärtes Ziel der Rentenreform des Jahres 1957 — und damit auch der Bundesregierung, wenn ich das richtig verstanden habe — war es, .den nach einem erfüllten Arbeitsleben aus ,dem Arbeitsprozeß Ausscheidenden eine Rente in Höhe von zirka 60 vom Hundert ihres Durchschnittsverdienstes zu geben.
In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Durchschnittshöhe aller am 1. Januar 1966 laufenden Renten an Versicherte in der Arbeiterrentenversicherung 215,90 DM, in der Angestelltenversicherung einschließlich Handwerkerrenten 365,20 DM, an Witwen in der Arbeiterrentenversicherung 167,50 DM, in der Angestelltenversicherung 241,90 DM, an Halbwaisen in der Arbeiterrentenversicherung 78,50 DM, in der Angestelltenversicherung 86,80 DM, an Vollwaisen in der Arbeiterrentenversicherung 104,10 DM und in der Angestelltenversicherung 118,30 DM betrug. Ich habe der Feststellung von Herrn Stingl, daß diese Beträge nur unwesentlich die Regelsätze in der Sozialhilfe überschreiten, kaum etwas hinzuzufügen.
Die Bundesregierung schlägt den gesetzgebenden Körperschaften vor, in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der knappschaftlichen Rentenversicherung die am 1. Januar 1967 laufenden Renten um 8 v. H. und in der gesetzlichen Unfallversicherung um 9 v. H. zu erhöhen. Der Sozialbeirat hat die Anpassung der Renten und Geldleistungen 'in dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausmaß einstimmig empfohlen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist ,der Auffassung, daß die Rentenanpassung in dem vorgeschlagenen Umfang notwendig ist.
Nach Auffassung der Mehrheit des Beirats, der sich auch der Bundesrat angeschlossen hat, ist die Anpassung in den gesetzlichen Rentenversicherungen jedoch nur dann zu verantworten, wenn sie, wie es dort heißt, mit einer gleichzeitigen Steigerung ,des Beitragssatzes in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von 14 v. H. auf 14,5 v. H. verbunden wird. Nach dem Entwurf des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes, den die Bundesregierung inzwischen den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt hat, soll der Beitragssatz für das Jahr 1967 bei 14 v. H. der versicherungspflichtigen Entgelte belassen bleiben. Dieser Auffassung schließt sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion an.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Dr. Probst)

Wir sind der Auffassung, ob, wann und in welcher Höhe später eine Beitragserhöhung notwendig wird, hängt von dem Ergebnis der Beratungen im Ausschuß für Sozialpolitik ab — und wir sollten diesen Beratungen nicht unbedingt vorgreifen —, nicht zuletzt auch davon, Herr Stingl, ob eine solche Beitragserhöhung einseitig zu Lasten der Versichertengemeinschaft für finanzpolitische Manipulationen des Bundes direkter oder indirekter Art mißbraucht werden soll.
Wenn ich Ihren Ausführungen richtig gefolgt bin, Herr Kollege Stingl, und wenn ich die Schlagworte vom Konsumverzicht durch Beitragszahlung richtig verstanden habe, dann käme einer solchen Beitragserhöhung der Charakter einer Sondersteuer zu. Das ist doch sicherlich von Ihnen nicht gewollt gewesen. Jedenfalls würden wir einer solchen Sondersteuer mit einer solchen Begründung nicht zustimmen können.
Im Gegensatz zu den bisherigen Rentenanpassungsgesetzen ist diesmal der Sonderzuschuß nicht von der Anpassung ausgeschlossen. Diese Regelung wird selbstverständlich von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion begrüßt; denn sie hat sie oft genug gefordert. Dieser Vorgang entbehrt jedoch nicht der Pikanterie; hier trifft das Wort „Pikanterie" ganz bestimmt zu. Achtmal sind die Renten angepaßt worden, und achtmal wurde die berechtigte Forderung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auf Einbeziehung des Sonder-
3252 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966
Glombig
zuschusses in die Anpassung von der Regierungsmehrheit mit 'den fadenscheinigsten Begründungen abgelehnt; ich muß das so nennen. So hat zuletzt bei der Beratung des Achten Rentenanpassungsgesetzes in der 12. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 1965 zu dem von Herrn Kollegen Riegel begründeten Antrag auf Einbeziehung des Sonderzuschusses in die Rentenanpassung der Herr Kollege Kühn (Hildesheim) erklärt — ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Ihr darüber hinausgehender Antrag, den Sie jetzt eingebracht haben, würde bedeuten, daß wir nicht nur die erdienten Beiträge, sondern auch die Zuschüsse, die wir seinerzeit gewährt haben, in die Dynamisierung einbeziehen würden. Das wiederum würde eine echte Ungerechtigkeit gegenüber denjenigen sein, die ihre Beiträge erdient haben. Aus diesem Grunde allein bitten wir, den Antrag abzulehnen. Wir wollen zwar Härten beseitigen, aber keine Ungerechtigkeiten schaffen.
Herr Kollege Kühn, bei aller Freundschaft muß ich hier folgendes sagen. Herr Stingl hat hier quasi prophylaktisch etwas zu diesen Erklärungen gesagt, die Sie nicht nur einmal, sondern wiederholt abgegeben haben, Ich muß sagen, daß im Zusammenhang mit dem Sonderzuschuß doch ein Grundsatz postuliert worden war. Diesen Grundsatz geben Sie nun zugunsten einer verwaltungsmäßigen Veränderung auf, weil damit auf der Lochkarte ein Raum für andere Rentenarten frei wird.

(Widerspruch in der Mitte.) — Sie bezweifeln das?


(Abg. Stingl: Stellen Sie doch den Antrag, daß wir nicht anpassen!)

— Das hat damit ja wohl nichts zu tun. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß es eine fadenscheinige Begründung war und daß es zweifellos kurios ist, wenn im Gegensatz hierzu die Bundesregierung die Einbeziehung des Sonderzuschusses in die Rentenanpassung mit verwaltungsmäßigen Vereinfachungen begründet, so, als wenn es bei dem Problem der Anpassung des Sonderzuschusses um eine Frage des freien Raumes auf der Lochkarte ginge. Das wollte ich Ihnen in dem Zusammenhang einmal klarmachen. Wenn es sich hier um die bessere Einsicht in die sozialpolitische Notwendigkeit handelt, dann ist es gut. Aber bei dieser Art von Begründung, die auch von Herrn Stingl wiederholt worden ist, glaube ich, mutet man uns nun wirklich etwas zuviel zu. Jedenfalls hat es acht lange Jahre gedauert, ehe man zu dieser besseren Einsicht gekommen ist.
Aber auch diese Errungenschaft hat ihren Pferdefuß. Herr Stingl hat bereits prophylaktisch auch auf diesen Pferdefuß hingewiesen. Ich möchte das trotzdem noch einmal deutlicher machen, damit es nicht untergeht. Mit dem in Aussicht stehenden Finanzplanungsgesetz soll der Bundeszuschuß für den Sonderzuschuß — das sind für das Jahr 1967 110 Millionen DM — gestrichen werden. Herr Stingl hat das damit begründet, daß durch die Einbeziehung des Sonderzuschusses in die Dynamisierung
dieser Sonderzuschuß in die Gesamtleistung gehöre und damit der Sonderzuschuß in den Gesamtbundeszuschuß hinein müsse.
Herr Stingl, Sie werden ebenso wie ich wissen, daß sich dieser Betrag von 110 Millionen DM durch die Einbeziehung des Sonderzuschusses in die Rentenanpassung von Jahr zu Jahr erhöht. Damit werden Jahr für Jahr bei der Berechnung des Bundeszuschusses weitere Verluste entstehen.

(Abg. Stingl: Das können Sie dem Modus des Bundeszuschusses selber überlassen!)

Das wird die Praxis in der Zukunft zeigen. Das ist die berechtigte Befürchtung der Rentenversicherungsträger. Anders sehen es die Rentenversicherungsträger nicht. Ich halte die Auslegung des Vorganges durch Sie — das muß ich sagen — für recht kühn. Ich bin der Meinung, daß das auf dem dornenvollen Wege vom Haushaltssicherungsgesetz bis zum Finanzplanungsgesetz einen weiteren Schlag gegen die Rechtssicherheit darstellt und daß wir uns mit dieser Frage noch sehr eingehend werden beschäftigen müssen.
Was die Anrechnungsbestimmungen im Neunten Rentenanpassungsgesetz angeht, so ist ebenso wie beim Sonderzuschuß — ich möchte es einmal volkstümlich sagen — jetzt die Kurve gekratzt worden. Achtmal haben die Sozialdemokraten gefordert, man möge die Erhöhung der Renten aus der Sozialversicherung z. B. für die Kriegsopfer nicht nur für die ersten Monate eines neuen Jahres — Januar bis Mai —, sondern grundsätzlich anrechnungsfrei lassen. Diese Forderung ist immer wieder mit der Begründung abgelehnt worden, wir müßten das im Bundesversorgungsgesetz selbst tun. Aber wir haben ja seit Verkündung des Bundesversorgungsgesetzes im Jahre 1950 eine sehr große Zahl von Novellen und Neuordnungsgesetzen zur Kriegsopferversorgung erlebt, mit denen diese Ankündigung der Regierungsmehrheit in immerhin 16 Jahren nicht ihre Verwirklichung gefunden hat. Aber dazu wird sicherlich beim nächsten Tagesordnungspunkt noch einiges zu sagen sein.
Ich möchte nur anregen, daß man nicht nur den Bereich der Kriegsopferversorgung berücksichtigt, wie es jetzt mit dem Dritten Neuordnungsgesetz geschehen ist, sondern darüber hinaus auch andere Leistungsbereiche. Da böte sich z. B. die 19. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz an — wenn sie nicht bereits vorher im Bundesrat fällt, was wir nicht hoffen wollen.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß wir uns über die anderen Fragen, die den Entwurf des Neunten Rentenanpassungsgesetzes angehen, im Ausschuß weiter unterhalten sollten. Wir sollten uns im Zusammenhang mit dem Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetz vor allem über die Finanzierung der Rentenversicherung sehr pflichtbewußt einige Gedanken machen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506920900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.




Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0506921000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bevor ich zu den uns vorliegenden Drucksachen V/1001 und V/940 übergehe, darf ich — Herr Kollege Stingl, Sie werden sicher Verständnis dafür haben —

(Abg. Stingl: Aber natürlich!) auf einige Ihrer Ausführungen eingehen.


(Abg. Kühn [Hildesheim] : Er ist schon ganz spitz darauf!)

Ich möchte gleich vorweg sagen: Herr Kollege Stingl und Herr Minister Katzer haben sehr betont ausgesprochen, daß sich das RentenversicherungsNeuregelungsgesetz des Jahres 1957 bewährt habe. Aber sie haben gleichzeitig zugegeben, daß das Ziel, nämlich die 60 %, nicht erreicht sei. Sie haben gleichzeitig zugeben müssen, daß das Finanzierungsverfahren geändert werden muß, und sie haben zum 3. Rentenänderungsgesetz gleichzeitig zugeben müssen —das steht in einem inneren Zusammenhang —, daß die Beiträge zur Sozialversicherung unabhängig von der jetzigen Höhe des Bundeszuschusses ebenfalls ansteigen, ohne daß deshalb auch die Rentenansprüche der Beitragszahler steigen. Hier ist also keine Äquivalenz für die ohnehin in jedem Fall in den nächsten Jahren zwingend erforderliche Beitragserhöhung gegeben.
Herr Kollege Stingl und Herr Minister Katzer, ich kann nur dankenswert anerkennen, daß in diesem Gesetz nunmehr auch die Grundbetragsanpassung vorgenommen ist. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie wissen ja, wie sehr Sie uns einmal schlagen konnten, weil wir aus Koalitionstreue nicht mehr bereit waren, mit Ihnen für die Einbeziehung dieser Grundbetragsanpassung zu stimmen. Wir wären jetzt auch nicht in der Situation, koalitionstreu sein zu müssen, wenn diese Sache zur Abstimmung steht. Aber beinahe in weiser Voraussicht hat. Herr Minister Katzer diese Grundbetragsanpassung schon eingebaut, so daß es über diese Frage keine divergierenden Meinungen von links nach rechts mehr geben wird.
Gleichzeitig begrüßen wir die neu vorgesehene Anrechnungs- bzw. Nichtanrechnungsbestimmung bezüglich des Bundesversorgungsgesetzes.
Herr Kollege Stingl, Sie haben darauf hingewiesen, daß eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen hier im Hause im Jahre 1956 erhebliche Bedenken gegen die Automatik und Dynamik vorgebracht hat. Sie haben dabei vergessen, daß die Abgeordnete, die damals 256 Änderungsanträge begründen mußte, in der Zwischenzeit beredtes Mitglied Ihrer eigenen Fraktion geworden ist und immer noch auf dem Standpunkt steht,

(Abg. Stingl: Man kann immer klüger werden!)

daß ihre damaligen Bedenken auch heute noch nicht vom Tisch gefegt werden können. Auch wir hätten Ihnen, Herr Kollege Stingl, sagen müssen: in welche Höhen würden die Sozialpolitiker wohl ihre Flüge ausdehnen, wenn es nicht gelegentlich kritische, mahnende Stimmen gäbe, die dafür sorgen, daß man sich bei der Abfassung von sozialpolitischen Gesetzen irgendwo an einer mittleren Grenze trifft,
wenn es nicht Kollegen gäbe, die nicht nur die Sozialpolitik, sondern die Sozialpolitik im Gesamtrahmen der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sehen. Ich meine, mindestens wir Sozialpolitiker sollten doch aufhören, uns gegenseitig unsoziales Verhalten vorzuwerfen, weil der eine oder andere Bedenken gegen die Automatik und gegen diese Form der Dynamik zum Ausdruck gebracht hat und auch heute noch zum Ausdruck bringt. Wir haben bis zum Jahre 1956 acht Rentenanpassungen durchgeführt, ohne daß Automatik und Dynamik gesetzlich vorgeschrieben waren. Allen acht Anpassungen durch Gesetz haben auch die Freien Demokraten zugestimmt.
Herr Kollege Stingl, Sie haben darauf abgehoben, daß Sie im Jahre 1956 gemeinsam mit der SPD diese Automatik und Dynamik durchgesetzt haben.

(Abg. Kühn [Hildesheim] : Es ist gar keine Automatik!)

— Die Automatik ist natürlich für die Neuzugangsrenten. — Herr Kollege Stingl, ich darf dazu darauf hinweisen, daß Sie mit diesem Gesetzentwurf einen ganz entscheidenden Punkt allein gegen SPD und FDP durchgesetzt haben. Die Sozialdemokraten waren wie die Freien Demokraten im Jahre 1956 der Meinung, daß man einen Grundbetrag in einer irgendwie gearteten Höhe vorsehen sollte, damit keine Minimalrenten unter 120 DM Höhe gezahlt werden. Das war der letzte Vorschlag, den wir damals gemacht haben. Sie haben seinerzeit Ihre absolute Mehrheit dazu verwandt, um diese Form ohne Grundbetrag gegen die Vorstellungen der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten durchzusetzen.

(Abg. Stingl: Die sich aber bewährt hat!)

Herr Kollege Stingl, Sie haben darauf abgehoben, daß Beitragserhöhungen sozial ungerechter seien als Steuererhöhungen. Ich bedaure, daß Sie bei der Anhörung der Sachverständigen aus dem Sozialbeirat nicht bis zum Ende dableiben konnten. Ich habe dort vor zwei Tagen die Frage gestellt, was sozial gerechter sei. Herr Professor Meinhold, der natürlich nicht für sich in Anspruch nimmt, die Weisheit gepachtet zu haben, aber immerhin als Vorsitzender des Sozialbeirates eine beachtenswerte Persönlichkeit und ein Wissenschaftler von hohem Rang ist, hat dort erklärt, daß nach seiner Meinung Steuererhöhungen in einer expandierenden Wirtschaft größere Kostenüberwälzungsvorgänge und damit größere Preissteigerungen hervorrufen als Beitragserhöhungen. Er hat ferner für seine Person als Wissenschaftler festgestellt, daß jede Form der Verteuerung, sei es über Steuern, sei es über Beiträge, nicht allein die unmittelbar Belasteten, sondern die Gesamtheit infolge der Überwälzung betreffe und daß bei Steuererhöhungen keineswegs von einer sozial gerechteren Maßnahme gesprochen werden könne.

(Abg. Stingl: Es kommt darauf an, welche Steuern man erhöht! Wenn man natürlich den Arbeitnehmerfreibetrag streichen will, dann ist es kaum ein Unterschied!)

— Herr Kollege Stingl, auch darüber kann man sich
in Verhandlungen durchaus unterhalten. Wir Freien



Spitzmüller
Demokraten meinen, daß eine Steuerexpansion, die in Kostenüberwälzung umschlägt, preistreibend wirken kann und keine gute Sozialpolitik wäre, weil sie im Endeffekt diejenigen am härtesten trifft, die die geringsten Pro-Kopf-Einkommen haben; und das sind nach unserer Meinung nicht zuletzt die Empfänger von Sozialleistungen.

(Beifall bei der FDP.)

Sie sehen, daß die Dinge nicht ganz so einseitig betrachtet werden dürfen, wie Sie das aus verständlichen Gründen hier darzustellen versucht haben.
Sie haben davon gesprochen, daß es Leute gibt, welche die Rentendynamik ändern und bremsen wollen. Ich kann nur wieder sagen, Herr Kollege Stingl, ich bedauere, daß Sie am vorvergangenen Montag nicht in Baden-Baden bei der Tagung für Versicherungswissenschaft anwesend waren und deshalb nicht erleben konnten, wie der Vater der Rentenreform, Herr Professor Schreiber, über die Rentenreform gesprochen hat. Sie wären dann sicher zu der Überzeugung gekommen, daß die Prügelstrafe in Deutschland noch nicht abgeschafft ist; denn Herr Professor Schreiber hat dort sein zehnjähriges Kind, das Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetz, außerordentlich geprügelt. Mir tat es manchmal weh ob des zarten Kindes des Herrn Professor Schreiber, daß er dort mit solch harten Worten bzw. mit solchen Schlägen bedachte. Herr Professor Schreiber ist es, der als erster und am lautesten nach einer Reform der Rentenreform gerufen hat, und sicherlich nicht ohne guten Grund. Auch er sieht, daß die Bewährung der Rentenreform erst noch im nächsten und übernächsten Jahrzehnt bevorsteht. Auf Grund dieser Ausführungen glaube ich sagen zu dürfen, daß wir uns hier nicht gegenseitig der unsozialen Haltung beschuldigen sollten, wenn der eine oder der andere eben andere Wege zur sozialen Sicherung vorschlägt.
Wir stehen in der Beratung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, der die Drucksachennummer 1001 trägt. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an die Zahl 1001 eine kleine Vorbemerkung knüpfen. Sicherlich wäre unseren Vorfahren, die am Anfang dieses Jahrhunderts im Rentenalter standen, der Inhalt dieses Gesetzentwurfs wohl wie ein Märchen aus 1001 Nacht vorgekommen. Das darf man wohl sagen, weil heute der unbefangene Betrachter allzu leicht glaubt, die jährlichen Rentenanpassungen seien eine Selbstverständlichkeit, über die man zur Tagesordnung übergehen könne.
Auch wir begrüßen es, daß die Rentner in diesem Maße an der sozialen Entwicklung, am Fortschritt teilnehmen können. Wir müssen uns aber immer wieder bewußt machen, daß wir sie nur in dem Maße teilnehmen lassen können, wie unsere Wirtschaft intakt ist. Bei der Behandlung der Frage der Sozialrenten muß man eben immer wieder daran denken, daß nur eine intakte Volkswirtschaft in der Lage ist, die Kosten, die sich aus diesem Rentengesetz bei einem positiven Trend ergeben, zu bezahlen und dieses Gesetz weiterzuentwickeln. Deshalb haben wir die große Aufgabe, alle Kräfte darauf zu richten, daß diese Volkswirtschaft intakt
bleibt und daß das Volkseinkommen, das Bruttosozialprodukt als solches zunimmt.
Der Sozialbeirat, dem ich für seine außerordentliche Arbeit und für seine, so möchte ich meinen, mutige Stellungnahme an dieser Stelle schon danken möchte, ist einstimmig der Meinung, daß eine Anpassung der Renten um 8 °/o vorgenommen werden sollte. Diese 8%ige Anpassung ist nicht so selbstverständlich, wie vielleicht mancher im Hause meinen mag. Denn die Kriterien, auf die der Sozialbeirat bei der Anpassung Rücksicht nehmen muß, sind nicht nur die Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage, sondern auch die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität, die Veränderung des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und die Finanzlage der Rentenversicherungsträger.
Meine Damen und Herren, wenn man allein diese vier Komponenten zusammen betrachtete und berücksichtigte, käme man — so Professor Meinhold — sicherlich zu dem Ergebnis, daß die Renten nicht um 8 %, sondern nur um 5 oder 5,5 % angepaßt werden können. Der Sozialbeirat und auch wir Freien Demokraten sind aber der Meinung, daß man aus sozialpolitischen Gründen eine Anpassung um 8 % vornehmen sollte und auch verantworten kann. Allerdings sind wir der Meinung, daß wir dem vom Sozialbeirat im Ausschuß für Sozialpolitik abgegebenen Votum größte Beachtung schenken sollten, das zwar nicht einstimmig, aber immerhin mit der beachtlichen Mehrheit von 7 zu 3 Stimmen angenommen worden ist. Nach Auffassung der Mehrheit des Beirates ist diese Anpassung um 8 % jedoch nur dann zu verantworten, wenn sie mit einer gleichzeitigen Steigerung des Beitragssatzes den Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten von 14 auf 14,5 % verbunden ist. Wenn wir uns so oft auf den Sozialbeirat beziehen, dann sollten wir uns nicht nur dann auf ihn beziehen, wenn er uns angenehme oder populäre Maßnahmen vorschlägt, sondern wir sollten seine Vorschläge auch dann ernsthaft prüfen, wenn sie gerade nicht so populär und so angenehm in die Tat umzusetzen sind.
Meine Damen und Herren, wenn vorhin Herr Stingl und der Arbeitsminister davon sprachen, daß die Rentenversicherung sich bewährt habe, so dürfen wir nicht außer acht lassen, daß sich für die Rentenversicherung eine günstige Situation dadurch ergab, daß die Renten im Jahre 1958 einmalig nicht angepaßt wurden. Diese einmalige Anpassung fehlt eben immer noch. Die einmalige Nichtanpassung hat nicht nur einmal, sondern jedes Jahr Einsparungen bewirkt, so daß ein Großteil des angesammelten Vermögens der Rentenversicherungsträger aus der Tatsache dieser einmaligen Nichtanpassung herrührt.
Außerdem ist nun weiter ein ungeheurer Beitragsgewinn in Form von neuen Beitragszahlern, die zugewachsen sind, hinzugekommen. Einmal sind uns eine Fülle von ausländischen Arbeitnehmern zugewachsen, die hereingeströmt sind und sich hier zunächst noch als Beitragszahler bewähren. Diesen stehen noch kaum Leistungen in nennenswerter Größe gegenüber. Wir hatten einen großen Zustrom

Spitzmüller
an jungen Flüchtlingen aus Mitteldeutschland; dieser Strom ist versiegt. Wir hatten schließlich einen Zustrom aus der sogenannten inneren Emigration, d. h. aus der Umschichtung junger Arbeitskräfte. Ich denke hier insbesondere an die Landwirtschaft, die immerhin 1,3 Millionen weniger Beschäftigte hat und trotzdem eine unerhörte Leistungssteigerung in der Produktion zu verzeichnen hat. Ich glaube, es ist heute, auch wenn es Freitagsstimmung ist, der Platz, einmal in einer sozialpolitischen Debatte der deutschen Landwirtschaft für diese ungeheuere Leistung zu danken, nämlich dafür, daß sie mit 1,3 Millionen weniger Beschäftigten beinahe das Doppelte erzeugt und produziert als im Jahre 1950.

(Beifall bei der FDP.)

Die Landwirtschaft hat nicht nur Arbeitskräfte verloren, sondern sie hat auch Arbeitskräfte an die gewerbliche und die industrielle Erzeugung abgegeben. Man sollte gelegentlich auch einmal daran erinnern, daß die Landwirtschaft auch damit einen erheblichen Beitrag zu unserer volkswirtschaftlichen Entwicklung geleistet hat, indem sie auf diese Arbeitskräfte verzichten konnte, die in der gewerblichen und industriellen Wirtschaft mitgewirkt haben. Man sollte sich nicht immer gerade in den Industriezentren die Landwirtschaft zum Prügelknaben auswählen, wenn man über und von Subventionen spricht.

(Beifall bei der FDP.)

Das, glaube ich, sind wir an dieser Stelle auch einmal zu sagen verpflichtet.

(Abg. Killat: Wir sprechen nicht über Altershilfe für Landwirte!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Beitragserhöhungen sind nach Auffassung des Sozialbeirates und insbesondere des Herrn Professors Meinhold notwendig. Wenn wir die Renten um 8 % erhöhen, dann müssen wir eben Beitragserhöhungen schon recht bald vornehmen.

(Abg. Killat: Zur weiteren Kapitalbildung!)

— Zur weiteren Kapitalbildung, Herr Kollege Killat! Herr Kollege Stingl hat ja schon ausgeführt, daß wir unsere Rentenversicherung aus drei großen Säulen finanzieren, einmal ,aus den Beiträgen, zum anderen aus dem Bundeszuschuß und zum dritten eben auch aus .den Erträgen der Kapitalansammlung. Wenn Sie das Kapital aufzehren, dann fällt eben dieser Anteil der Finanzierung weg. Wenn Sie dieses Kapital aufzehren, dann fällt eben auch eine gewisse Pufferzone für schwierige Zeiten der Beitragsgestaltung weg. Wir sind schon der Meinung, daß das, was der Sozialbeirat uns vorgetragen hat, richtig ist, und man auf einen Kapitalverzehr keineswegs umsteigen sollte, sondern wenigstens einen Kapitalzuwachs in Höhe des bisherigen Zinsertrages sicherstellen sollte. Herr Kollege Killat, wenn einmal rezessive Zeiten kämen — wir wollen es nicht hoffen, aber wir können es doch nicht ganz ausschließen; soweit sind wir doch nun leider in der deutschen und in der Weltwirtschaft nicht, daß man das völlig ausschließen kann —, könnte sich das sonst sehr böse 'und sehr negativ auswirken.
Wir wollen hier sehr klar zum Ausdruck bringen, daß wir zu einer wenig populären, aber notwendigen Maßnahme bereit sind.
Für uns Freie Demokraten kommt diese Beitragserhöhung nicht unerwartet. Sehen Sie, Herr Kollege Stingl, hier erweist sich, daß wir im Jahre 1956, als wir gewisse Bedenken bezüglich der Bewährungsprobe dieser Rentenversicherung aussprachen, nicht ganz falsch lagen.
Hier ist damals davon gesprochen worden, daß Beitragssteigerungen bis zu 20 % zu verzeichnen sein werden. Das, was uns der Verband der Rentenversicherungsträger in Berlin übergeben hat, weist aus, daß dieser Verband nach dem derzeitigen Stand annimmt, man werde im Jahre 1976 mindestens bei einer 18%igen, vielleicht sogar bei einer 19%igen Beitragsbelastung angekommen sein, und damit ergibt sich eben auch die Frage der zumutbaren Belastung des Bruttosozialeinkommens.
Wir stimmen aus sozialpolitischen Erwägungen der 8%igen Anpassung zu, ohne daß wir uns aus der Verantwortung für eine längerfristige solide Finanzierung der Rentenversicherung hinausschleichen wollten. Wir wissen, daß wir, wenn wir dieser 8%igen Erhöhung zustimmen, auch das Unpopuläre der Beitragserhöhung im 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz auf uns nehmen müssen, und wir gedenken nicht, uns aus dieser wenig erfreulichen Verantwortlichkeit hinwegzustehlen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einen ganz kurzen Blick auf den Sozialbericht Drucksache V/940 werfen. Dieser Bericht der Bundesregierung ist zwar nicht das Schicksalsbuch der Nation, stellt aber eine durchaus lesenswerte Lektüre dar, der man allerlei entnehmen kann. Besonders auffällig ist, daß die Zahl der Selbständigen und der mithelfenden Familienangehörigen um 10 % abgenommen hat, während die Zahl der deutschen abhängigen Beschäftigten nur ganz knapp zugenommen hat, so daß die Zunahme der in der Wirtschaft Tätigen insgesamt nur noch auf die beschäftigten Nichtdeutschen zurückzuführen ist. Aus diesen Zahlen können wir plastisch ersehen, daß dem Wachstumsvolumen unserer Volkswirtschaft schon von dieser Seite her bestimmte Grenzen gesetzt ,sind.
Ich möchte Sie bitten, einen Blick auf die Seite 23 des Sozialberichts der Bundesregierung vom 23. September 1966 zu werfen. Dort finden Sie unter der Überschrift „Ausblick auf 1966 und 1967" die beachtliche Aussage der Bundesregierung:
Das Wachstum des Staatsverbrauchs wird stark zurückgehen.... Hierbei dürfte sich 'der Verteidigungsaufwand absolut verringern, .. .
Insgesamt verhalten sich die öffentlichen Haushalte erheblich konjunkturgemäßer als im Vorjahr, insbesondere wegen der vom Bund beschlossenen Haushaltskürzungen und der Zurückstellung geplanter Ausgabevorhaben.
Hier wird zu prüfen sein, ob diese schon ein bißchen fragwürdig gewordenen Feststellungen einen Monat später vielleicht noch mehr in Zweifel zu ziehen sind.



Spitzmüller
Der Ausblick schließt mit dem Satz:
Die für die Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik maßgebenden Stellen (Bundesregierung und Deutsche Bundesbank) halten an ihrer restriktiven Politik fest, weil angesichts der herrschenden Gegebenheiten erneuter Anlaß für Preisüberwälzungsversuche und die Gefahr einer Expansion fremdfinanzierter öffentlicher Ausgaben bestehen würden.
Es kann sein, daß ich falsch unterrichtet bin, aber ich habe immer gelernt, daß Steuererhöhungen in einer solchen Situation, in der wir uns jetzt befinden, expansiven Charakter haben, wenn man sie nicht irgendwo konjunkturneutral einfriert.
Wir werden also Gelegenheit nehmen, auf diese Seite 23 des Berichts der Bundesregierung vom 23. September 1966, unter Umständen bei der zweiten oder dritten Beratung, noch einmal zurückzukommen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506921100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506921200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem die Debatte für die CDU/CSU von Herrn Kollegen Stingl mit schwungvollen Worten zur Rentenanpassung eingeleitet wurde und Herr Kollege Spitzmüller für die FDP sich in gedämpften Worten davon abgrenzte und nachdem hier in manchem die erste Lesung des 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes fortgesetzt wurde, wobei die Aussprache sehr ins fachliche Detail überging, ist es erforderlich, eine allgemeine sozialpolitische Bemerkung zu machen. Die erste politische Debatte in der neuen Situation kann doch wohl nicht zu Ende gehen, ohne ein kurzes sozialpolitisches Resümee gezogen wird.
Die Einbringung des Neunten Rentenanpassungsgesetzes und des Sozialberichts erfolgt in einem Zeitpunkt, in dem die bisherige Koalition zerbrochen ist. Die Zerstrittenheit zwischen CDU/CSU und FDP gerade auf dem Gebiete der Sozialpolitik hat eine lange Tradition.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Schon bei den Beratungen über das Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetz — Herr Kollege Spitzmüller hat darauf hingewiesen — waren CDU/CSU und FDP völlig uneinig. Dann gab es im Zusammenhang mit der Krankenversicherungsreform das beschämende Beispiel wöchentlicher Koalitionskrisen. Beim Kindergeld fanden dann zwischen CDU/CSU und FDP regelmäßig die heftigsten Auseinandersetzungen statt. Die zweite Koalition unter Professor Erhard raufte sich monatelang über die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung. Sie zerfiel u. a. doch auch wegen der Sozialausgaben im Bundeshaushalt.
Am Ende dieser Koalition sind wichtige Grundlagen der sozialen Sicherung bedroht.
Herr Kollege Stingl, Sie haben in wundervollen Worten

(Abg. Stingl: Oh, danke!)

über Sozialpolitik, über Familienpolitik, über Gesellschaftspolitik gesprochen. Aber das, was Sie gesagt haben, steht erheblich im Gegensatz zu den Gesetzesvorlagen, die die jetzt von Ihrer Fraktion allein getragene Regierung dem Hause vorgelegt hat. Zu diesen Widersprüchen haben Sie kein Wort gesagt, sondern sind über die Sorgen hinweggegangen, die unser Volk in bezug auf die weitere Gestaltung der sozialen Sicherung bewegen.
Nach diesen Vorlagen der von Ihrer Fraktion getragenen Regierung werden Mittel, die eindeutig für Aufgaben der sozialen Sicherung bestimmt sind, durch gesetzgeberische Eilmaßnahmen zu Sondersteuern gemacht. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen nach einer Regierungsvorlage für staatliche Verpflichtungen zur Mutterschaftshilfe verwandt werden. Beiträge zur Unfallversicherung sollen Bundessubventionen für die Landwirtschaft ersetzen.
Meine Damen und Herren, besonders schwerwiegend ist der Tatbestand, daß die Rechtssicherheit des Bürgers in bezug auf die sozialen Leistungen gefährdet ist. Was ist denn das anders, wenn durch eine Regierungsvorlage Wohngelder erheblich verschlechtert und Ausbildungsbeihilfen — nach der Vorlage dieser Restregierung — entzogen werden sollen!

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Nach dem Regierungsvorschlag sollen die Beiträge zur Rentenversicherung erhöht werden. Gleichzeitig sind aber bedenkliche Manipulationen — Herr Kollege Glombig hat es anklingen lassen — mit den Finanzen der Rentenversicherung beabsichtigt. Teile der Bundeszuschüsse werden gestrichen. Herr Kollege Stingl, Sie haben dies sehr gewagt begründet. Die Konsequenz Ihrer Darlegungen hätte sein müssen, daß eben der Fortfall der Bundesmittel für den Sonderzuschuß zu einer entsprechenden Erhöhung des allgemeinen Bundeszuschusses führt. Aber diese Konsequenz haben Sie nicht gezogen.
Weiter sollen andere, der Rentenversicherung seit 75 Jahren zustehende Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden DM nach Umwandlung in Schuldbuchforderungen in den allgemeinen Haushalt übergehen.
Schließlich soll die Rentenversicherung — jedenfalls nach den Bemühungen des Herrn Bundesarbeitsministers — 700 Millionen DM in Mobilisierungspapieren der Bundesbank anlegen. Hinter dem Rücken des angeblich völlig ahnungslosen Bundesarbeitsministers verhandelte der Finanzminister der gleichen Regierung mit der Bundesbank darüber, wie diese 700 Millionen DM für den Devisenausgleich für die Stationierung ausländischer Streitkräfte nutzbar gemacht werden können.
Heute wurde wiederholt, auch vom Herrn Bundesarbeitsminister, auf die Debatte vom 7. Oktober Bezug genommen. Auf Fragen der Opposition nach diesen Vorgängen wegen der Mobilisierungspapiere hat der Herr Bundesarbeitsminister Auskünfte gegeben, die nicht richtig sind. Der Herr Bundes-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966 3257
Dr. Schellenberg
arbeitsminister hat nämlich am 7. Oktober hier vor dem Plenum erklärt, er habe auf Wunsch der Bundesbank die Rentenversicherungsträger aufgefordert, diese Mobilisierungspapiere zu übernehmen. Der Bundesarbeitsminister bezeichnete — offenbar ohne Bedenken — gegenteilige Behauptungen vor dem Bundestag als nicht richtig. Inzwischen hat ein Schreiben der Bundesbank geklärt, daß die Aufforderung, diese Mobilisierungspapiere zu übernehmen, ohne Mitwirkung der Bundesbank zustande gekommen ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, es wäre doch wohl die Pflicht des Ministers gewesen, diese Dinge heute im Zusammenhang mit dem Sozialbericht und heute, da er auf die Debatte vom 7. Oktober Bezug genommen hat, hier vor dem Parlament klarzustellen und seine unrichtige Erklärung zurückzunehmen.

(Beifall bei der SPD.)

Daß der Herr Bundesarbeitsminister dies unterlassen hat, ist — ich drücke mich sehr vorsichtig aus, Herr Bundesarbeitsminister — außerordentlich bedauerlich.

(Bundesminister Katzer: Sehr vorsichtig!)

— Jawohl, sehr vorsichtig! Es ist nämlich, um es deutlicher zu sagen, ein sehr schlechtes Zeichen für den Stil der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, für die Sozialdemokraten war und ist es eine besondere Aufgabe, Eingriffe in den sozialen Besitzstand zu verhindern, soziale Stabilität zu gewährleisten und die soziale Sicherung in unserem Lande voranzubringen.
Die Regierungskrise und die Krise in und zwischen den anderen Fraktionen des Hauses legt uns Sozialdemokraten erhöhte Verantwortung für unser Bemühen auf, den sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506921300
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506921400
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, Sie haben versucht, eine sozialpolitische Bilanz zu ziehen, und haben u. a. die Rentenversicherung angesprochen, haben von monatelangem Ringen der Koalition um den Bundeszuschuß gesprochen und haben dabei ganz offensichtlich vergessen, daß die Länderfinanzminister den gleichen Vorschlag gemacht haben, den der Koalitionspartner zeitweise gemacht hat, nämlich eben diesen Bundeszuschuß zu kürzen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es waren die Länderfinanzminister, denen die sozialdemokratischen Länderfinanzminister angehören.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, es ist nicht statthaft, hier den Eindruck
zu erwecken, als wenn das ein Problem wäre, das
nur auf der Regierungsseite zur Erörterung steht. In Ihrem eigenen Bereich steht das zur Erörterung. Ich bin stolz darauf, daß es mir gelungen ist, den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung zu erhalten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506921500
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0506921600
Herr Minister Katzer, wissen Sie, daß der Bundesrat sich heute morgen in seiner Sitzung mit diesen Fragen nicht einmal befassen konnte, weil er der Auffassung ist, daß der ganze Haushalt nicht ausgeglichen ist? Deshalb kann er auch auf solche Fragen gar nicht eingehen.

(Zuruf von der Mitte: Das ist doch keine Frage!)


Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506921700
Aber, Herr Kollege Schäfer! Ich habe gesprochen von dem Beschluß der Länderfinanzminister. Die Länderfinanzminister haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht

(Zuruf von der SPD: Das waren doch Vorschläge!)

- natürlich —, u. a. den Vorschlag gemacht, der Rentenversicherung 500 Millionen DM Bundeszuschuß zu kürzen.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht richtig!)

Diesen Vorschlag haben die Länderfinanzminister gemacht, wenn ich richtig unterrichtet bin.

(Abg. Dr. Schellenberg: Unter Vorsitz eines CDU-Ministers!)

— Verzeihung, Herr Kollege Schellenberg, ich verstehe ja, daß Sie darüber aufgeregt sind.

(Abg. Dr. Schellenberg: Ich bin über etwas ganz anderes aufgeregt! — Bitte, geben Sie darauf eine Antwort!)

— Ich habe mir sagen lassen, Herr Kollege Schellenberg, daß dieser Beschluß nur gegen die Stimme des Landes Hessen zustande gekommen ist, daß alle anderen Finanzminister, also auch die sozialdemokratischen, dieser Vorstellung zugestimmt haben.

(Abg. Killat: Der Bundesrat hat nicht zugestimmt!)

— Nein, ich spreche von den Länderfinanzministern und den Vorschlägen der Länderfinanzminister.

(Zurufe von der SPD.)

Nun möchte ich ein Zweites ansprechen, von dem ich bedauere, daß es der Herr Kollege Schellenberg hier nicht dargestellt hat: daß beabsichtigt war, gestern den Ausschuß für Sozialpolitik über den Dissens zu unterrichten, der hier entstanden ist. Herr Kollege Schellenberg, ich habe vorgestern abend das Protokoll des Ausschusses bekommen. Das Protokoll gibt in einigen Punkten nicht den Sachverhalt so wieder, wie ich ihn im Ausschuß dargestellt habe.

(Hört! Hört! bei der SPD.)




Bundesminister Katzer
Ich hatte gestern die Absicht, das dem Ausschuß darzulegen. Die gestrige Ausschußsitzung wurde aus den bekannten Gründen abgesagt.
Herr Kollege Schellenberg, die Deutsche Bundesbank hat klipp und klar geschrieben: erstens, daß meine Bemühung darauf gerichtet war, die Stabilität zu erhalten. Ich habe im Ausschuß erklärt — und das steht im ersten Teil des Protokolls richtig; ich habe es jetzt nicht hier, ich kann es nur sinngemäß zitieren -, daß die Bundesregierung natürlich nicht der Erfüllungsgehilfe der Bundesbank ist und daß das auf Antrag der Bundesregierung geschehen ist, daß das aber den Intentionen des Präsidenten der Bundesbank entspricht, und das ist genau in diesem Briefe hier dargestellt worden.

(Abg. Biermann: Wo steht das denn in dem Brief?)

— Der Brief ist allen Abgeordneten zugestellt worden.

(Abg. Killat: Wir lesen genau das Gegenteil heraus!)

— Hier steht klipp und klar, Herr Kollege Killat:
Die Deutsche Bundesbank hat sich, wie Ihnen bekannt ist, seit langem dafür eingesetzt, daß die öffentlichen Haushalte eine konjunkturgerechte und der Stabilität dienende Haushaltspolitik führen sollten. Sie ist in diesem Sinne insbesondere dafür eingetreten, daß in der gegenwärtigen Lage der Bundeshaushalt und die anderen öffentlichen Haushalte eine restriktive Linie einhalten sollten.

(Zuruf von der SPD: Der nächste Satz!) - Der nächste Satz heißt:

Der Vorschlag der Bundesregierung, wonach die Rentenversicherungsträger im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt einen Betrag von 700 Millionen DM in Mobilisierungspapieren anlegen sollten, kam ohne Mitwirkung der Bundesbank zustande,

(Abg. Killat: Das war der Punkt!)

- Entschuldigen Sie, das war gar nicht der Punkt.

(Widerspruch bei der SPD.)

- Lassen Sie mich ruhig weiterlesen, ich bin sehr gerne dazu bereit.

(Abg. Killat: Nicht überlesen! Der Punkt war es!)

— Entschuldigen Sie, der Satz ist ja gar nicht zu Ende. Man kann nicht am Komma Schluß machen. Sie müssen schon gestatten, daß ich zumindest bis zum Punkt lese:
und zwar aus Überlegungen, die Ihnen, sehr verehrter Herr Bundesminister, als Teilnehmer an diesem Beschluß des Bundeskabinetts vom 26. August 1966 bekannt sind und die im Vorgriff auf das in Vorbereitung befindliche Stabilitätsgesetz angestellt wurden.
Exakt das habe ich dargestellt, meine Damen und Herren. Was heißt nun: „Ihnen als Teilnehmer an diesem Beschluß des Bundeskabinetts bekannt sind"?
Das war in der Tat die Frage, ob man den Staatszuschuß kürzen sollte oder nicht. Ich habe mich mit Leidenschaft gegen jede solche Bemühung zur Wehr gesetzt, und ich sage noch einmal: Ich bin sehr stolz und sehr glücklich darüber, daß das gelungen ist.
Meine Damen und Herren, es kommt mir etwas gespenstisch vor, daß Sie heute in der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs, mit dem wir den Rentnern zum 1. Januar 1967 8 % mehr Renten in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten und 9 % mehr Renten in der Unfallversicherung gewähren, den Eindruck erwecken wollen — ausgerechnet an einem Tag, an dem wir jetzt im Anschluß daran ein Drittes Kriegsopfer-Neuordnungsgesetz beraten werden —, daß wir sozialpolitisch in diesem Jahr nichts erreicht hätten. Das kommt mir merkwürdig vor.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506921800
Das Wort hat Herr Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506921900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe hier nichts von Ausschußverhandlungen gesagt. Über all die Dinge, die im Ausschuß behandelt wurden, werden wir im Ausschuß sprechen. Ich habe hier erklärt, daß der Bundesarbeitsminister vor dem Hause gesagt hat: Jene Verhandlungen mit den Rentenversicherungsträgern über 700 Millionen DM Mobilisierungspapiere wurden auf Veranlassung der Bundesbank geführt. Die Bundesbank hat schriftlich mitgeteilt, daß das ohne Mitwirkung der Bundesbank zustande gekommen ist. Das ist der Punkt, in dem Sie, Herr Minister, dem Hause eine unrichtige Darstellung gegeben haben. Ich bedaure nochmals, daß Sie sich nicht zu Beginn der heutigen Debatte in diesem politisch wichtigen Punkte berichtigt haben, sondern die Debatte auf andere Fragen, die nichts mit dieser konkreten Auseinandersetzung und mit Ihrer unrichtigen Mitteilung an das Parlament zu tun haben, abgelenkt haben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506922000
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506922100
Ich bitte Herrn Professor Schellenberg, jetzt einmal auf Grund des Protokolls dieser Sitzung darzustellen, welchen Punkt dieses Protokolls er meint.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506922200
Herr Professor Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506922300
Ich meine das Protokoll der Sitzung vom 7. Oktober, Seite 3041. Da ging es um die 700 Millionen DM Mobilisierungspapiere. Wir hatten schon vorher in der Debatte erklärt, daß nach Pressemitteilungen diese 700 Millionen DM für den Devisenausgleich ausländischer Stationierungskräfte verwendet werden sollten, und



Dr. Schellenberg
hatten die Bundesregierung und den Bundesarbeitsminister gebeten, dazu eine präzise Erklärung abzugeben. Dann hat der Herr Bundesarbeitsminister allgemein erklärt, die 700 Millionen DM würden aus dem wirtschaftlichen Kreislauf gezogen werden usw.

(Abg. Killat: Geschwafelt!)

Das geschehe im Einvernehmen mit der Bundesbank. Dann habe ich einen Zwischenruf gemacht. Ich zitiere jetzt aus dem Protokoll:
Zuruf Dr. Schellenberg:
Die Bundesbank hatte nicht darum gebeten!
Das wurde uns nämlich von Vertretern der Bundesbank im Ausschuß mitgeteilt. Der Arbeitsminister fährt fort:
Das ist nicht richtig. Ich habe gehört, daß gestern der Vertreter ,der Bundesbank im Ausschuß ähnliche Ausführungen gemacht haben soll.
Darauf ein Zuruf des Abgeordneten Dr. Schellenberg:
Und einige Male wiederholt hat! Der Bundesarbeitsminister fährt fort:
Es ist ein Dissens zwischen dem Präsidenten der Bundesbank und dieser Aussage; das werde ich klären.
Zuruf Dr. Schellenberg:
Und einem Mitglied ,des Direktoriums! Der Bundesarbeitsminister fährt fort:
Ich habe es gehört. Ich kann nur sagen, daß in den Beratungen, die wir gepflogen haben, der Präsident der Bundesbank sehr nachdrücklich diesen Standpunkt vertreten hat.
Soweit der Bundesarbeitsminister. Diese Aussage entsprach nicht den Erklärungen, die die Bundesbank schriftlich vorgelegt hat.

(Abg. Stingl: Hier geht es um die Gesamtpolitik der Stabilität, nicht um Detailfragen!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506922400
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506922500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden verstehen, daß ich es nicht hinnehmen kann, wenn der Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses hier den Eindruck erweckt, als hätte ich in der Plenarsitzung nicht wahrheitsgemäß Wort für Wort geschildert, wie der Ablauf tatsächlich gewesen ist. Ich darf deshalb noch einmal zitieren. Ich habe dargestellt: „Der finanzpolitische Sinn ist" — Zitat nach dem Protokoll, Seite 3041 —, „daß wir diese 700 Millionen DM dem wirtschaftlichen Kreislauf entziehen, also eine Frage der Konjunkturpolitik". Darum geht es. Frage: Ist das konjunkturpolitisch erwünscht? Ja oder Nein?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist die Frage.

(Wortmeldung zu einer Zwischenfrage.)

— Entschuldigen Sie, ich möchte jetzt den Ablauf darstellen.

(Zuruf von der SPD: Herr Minister, Sie sind doch nach der Verwendung der Beträge gefragt worden!)

— Ich zitiere hier das Protokoll, weil Sie behauptet haben, ich hätte hier etwas anderes dargestellt als den tatsächlichen Ablauf.

(Zuruf von der SPD.)

— Würden Sie die Güte haben, mich das jetzt einmal darstellen zu lassen.
„Abg. Dr. Schellenberg: ,Ist das bei der Austrocknung des Kapitalmarktes angebracht?' " Woraus also ganz deutlich wiederum sichtbar wird: es geht um eine Frage der Konjunkturpolitik.

(Abg. Stingl: Und zwar der Gesamtkonjunkturpolitik!)

Ich habe dazu gesagt: „Das ist eine wirtschaftspolitische Entscheidung." Abg. Dr. Schellenberg: „Die Bundesbank hatte nicht darum gebeten!" Nämlich um diese wirtschaftspolitische Entscheidung. Meine Antwort: „Das ist nicht richtig. Ich habe gehört, daß gestern der Vertreter der Bundesbank im Ausschuß ähnliche Ausführungen gemacht haben soll." Professor Schellenberg: „Und einige Male wiederholt hat." Meine Antwort war: „Es ist ein Dissens zwischen dem Präsidenten der Bundesbank und dieser Aussage; das werde ich klären." „Ich kann nur sagen, daß in den Beratungen, die wir gepflogen haben" — wörtliches Zitat —, „der Präsident der Bundesbank sehr nachdrücklich diesen Standpunkt vertreten hat." Welchen Standpunkt? Den Standpunkt, daß es konjunkturpolitisch erwünscht ist, 700 Millionen dem Kreislauf der Wirtschaft zu entziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darum ging es, und das ist genau die Antwort, die ich gegeben habe. Ich weise mit Nachdruck Ihre Behauptung zurück, Herr Kollege Schellenberg.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506922600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kühn.

Friedrich Kühn (CDU):
Rede ID: ID0506922700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedaure die Diskussion, die wir in der letzten Viertelstunde hier geführt haben; denn es ist ein etwas ungewöhnliches Verfahren, Herr Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses, eine Angelegenheit, die der Sozialpolitische Ausschuß aufgegriffen hat, die er behandelt hat, aber noch nicht zu Ende beraten hat, hier zum Gegenstand einer Diskussion zu machen und zudem den Versuch zu unternehmen, die Basis der Diskussion zu verschieben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Kühn (Hildesheim)

Das ist, glaube ich, sehr ungewöhnlich. Ich wäre Ihnen dankbar, meine Damen und Herren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, wenn wir so verfahren könnten, wie wir das bisher geübt haben, und diese Dinge zunächst in dem Ausschuß, wo sie angesprochen sind, zu Ende diskutierten. Dazu sind alle Bemühungen seitens des Bundesarbeitsministers angestellt, dazu ist die Klarstellung der Bundesbank vorgelegt worden; wir alle haben sie in Händen. Niemand von den Kollegen, die nicht dem Sozialpolitischen Ausschuß angehören, kann die Dinge so detailliert verfolgen, wie wir sie verfolgen können. Deswegen wäre es besser gewesen, wir hätten zunächst die Diskussion im Ausschuß zu Ende gebracht und dann dem Hause berichtet. Das ist sonst die Übung, und wir hätten es auch in diesem Falle besser dabei belassen. Ich kann also nur noch einmal sagen: ich bedaure diesen Zwischenfall.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506922800
Herr Professor Schellenberg noch einmal.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da können wir eine Ausschußsitzung hier abhalten!)


Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506922900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe kein Wort über die Verhandlungen im Ausschuß gesagt. Ich habe mich auf die Beratungen des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes hier im Plenum bezogen. Es ist im Plenum wiederholt von meinen Kollegen und mir die Frage gestellt worden, ob diese Mobilisierungspapiere für die Ausgleichszahlungen der Devisenhilfe verwandt werden sollen. Diese Frage haben wir sehr nachdrücklich gestellt. In diesem Zusammenhang hat der Herr Bundesarbeitsminister erklärt, auf Veranlassung der Bundesbank habe er mit den Rentenversicherungträgern verhandelt. Das war nicht der Fall, und das war und ist das politisch Entscheidende in der Auseinandersetzung.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506923000
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.

Josef Stingl (CDU):
Rede ID: ID0506923100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, Herr Minister Katzer hat Ihnen jetzt eindeutig dargelegt, wie die Verhandlung im Plenum hier gewesen ist. Seine Antwort bezog sich auf die allgemeine Konjunkturpolitik, die die Bundesregierung mit dem Präsidium der Bundesbank beraten hat. In diesen Rahmen gehören diese Fragen.
Aber Sie haben Herrn Kollegen Kühn zurückgewiesen, das seien Ausschußberatungen gewesen. Herr Kollege Schellenberg, um des guten Klimas willen, das wir immer bei unseren Beratungen haben: auch diese Bemerkungen im Plenum sind Gegenstand der Diskussion im Ausschuß geworden. Ich würde es für zweckmäßig halten, wenn wir jetzt
wirklich abbrechen, weil die erste Kontroverse meiner Meinung nach durch den Herrn Arbeitsminister abgeschlossen ist. Die Einzelheiten werden wir im Ausschuß noch entsprechend klären können. Der Brief ist uns hilfreich, und die Protokolle sind uns dafür hilfreich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506923200
Herr Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0506923300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stingl, ich stimme Ihnen völlig zu, daß wir all diese Dinge noch weiter im Ausschuß klären sollten. Aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich frage Sie: wäre es nicht vom Herrn Bundesarbeitsminister richtig gewesen, da er selbst heute in seiner Rede die Debatte vom 7. Oktober erwähnt, da Sie selbst heute vom Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetz sprechen, da die Frage der Mobilisierungspapiere und des Devisenausgleichs inzwischen zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen überall in unserem Lande geworden ist, wenn der Minister von sich aus hierzu eine Erklärung abgegeben hätte, die die Dinge richtigstellt, in Zusammenhang mit den Ausführungen, die er am 7. Oktober hier gemacht hat? Herr Kollege Stingl, wir werden auch darüber im Ausschuß weiter verhandeln und behalten uns dafür alle weiteren Maßnahmen vor.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506923400
Meine Damen und Herren, ich sehe jetzt wirklich keine Wortmeldungen mehr. Ich schließe damit-die Beratungen.
Wir kommen zur Ausschußüberweisung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Neunte Rentenanpassungsgesetz — Drucksache V/1001, Tagesordnungspunkt 6 a — und den Sozialbericht 1966 sowie das Gutachten des Sozialbeirats über die Rentenanpassung — Drucksache V/940, Tagesordnungspunkt 6 b — an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 7:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Drittes Neuordnungsgesetz — KOV — 3. NOG — KOV)

— Drucksache V/1012 —
Das Wort zur Begründung hat Herr Bundesarbeitsminister Katzer.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0506923500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache V/1012 legt die Bundesregierung dem Hohen Hause den Entwurf eines



Bundesminister Katzer
Dritten Neuordnungsgesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vor, Dieser Entwurf setzt die mit dem Ersten und Zweiten Neuordnungsgesetz eingeleitete Reform des Kriegsopferrechts fort und sieht gleichzeitig eine Angleichung der Versorgungsbezüge an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre vor.
Dieser Entwurf hat drei Schwerpunkte. Der erste ist die Verbesserung der Witwenversorgung.
Die Vollrente einer Kriegerwitwe — das sind Grundrente und Ausgleichsrente — soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung — von 240 DM auf 300 DM angehoben werden.
Das bedeutet eine Verbesserung um 25 %. Zweiter Schwerpunkt ist die Neugestaltung der Anrechnungsbestimmungen. Dabei werden weitgehend die ständigen Kürzungen der Ausgleichs- und Elternrenten im Gefolge von Erhöhungen von Sozialrenten beseitigt. Drittens soll in Zukunft periodisch überprüft werden, wieweit die Leistungen der Kriegsopferversorgung der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden sollen. Die Leistungsverbesserungen dieses Entwurfs machen im Haushaltsjahr 1967 Mehraufwendungen von 880 Millionen DM erforderlich. Davon entfallen allein 511,3 Millionen DM auf Verbesserungen für die Kriegerwitwen, das sind fast 60 %.
Lassen Sie mich dazu zwei Feststellungen treffen:
1. Bis zur Stunde wird noch die Frage diskutiert, ob nicht ein Widerspruch darin besteht, daß auf der einen Seite zum Ausgleich des Bundeshaushaltes eine ganze Reihe von Gesetzen geändert werden müssen, daß auf der anderen Seite der Bund 880 Millionen DM für die Versorgung der Kriegsopfer zusätzlich einsetzt. Das ist kein Widerspruch, sondern die logische Konsequenz einer Politik, die weder auf Stabilität noch auf sozialen Fortschritt verzichten will.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn man sich zu einer solchen Politik bekennt, dann müssen die Aufgaben nach einer bestimmten Rangfolge und nach Prioritäten geordnet gelöst werden. Für das kommende Jahr liegt ein solcher Schwerpunkt in der Kriegsopferversorgung. Dabei ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß hier in der Tat eine vorrangige soziale Aufgabe gelöst werden muß.
Es ist selbstverständlich, daß in der gegenwärtigen Finanzlage Aufwendungen von einer solchen Größenordnung auf ihre Notwendigkeit und Vordringlichkeit einer strengen sachlichen und gerechten Prüfung unterzogen werden. Dabei dürfen wir aus den Erfahrungen der vergangenen Diskussion davon ausgehen, daß es trotz der heftigen Meinungsverschiedenheiten in Grund- und Einzelfragen wohl keinen gibt, der den Kriegsopfern das Recht auf eine würdige und gerechte Versorgung absprechen wollte.
So spielt bei diesen Diskussionen immer wieder die Frage der Erhöhung der Grundrente eine erhebliche Rolle, also jener Leistung, die ohne Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse des einzelnen Versorgungsberechtigten gewährt wird. Diese Frage hat
in der Diskussion nicht zuletzt deshalb immer wieder einen sehr breiten Raum eingenommen, weil sie unter den Versorgungsleistungen den höchsten Aufwand erforderlich macht. Ich glaube, es ist nicht notwendig, über die Bedeutung der Grundrente hier noch einmal eine ausführliche Diskussion zu führen. Ich darf feststellen, daß bei den Beratungen über die Gestaltung des Kriegsopferrechts, insbesondere bei den Beratungen zum Ersten und Zweiten Neuordnungsgesetz, nicht nur dieses Hohe Haus, sondern auch der Bundesrat die große Bedeutung der Grundrente für eine gerechte Versorgung der Kriegsopfer herausgestellt hat.
2. So sorgfältig wir auch immer die finanzielle Seite der Kriegsopferversorgung und die Frage der Vorrangigkeit prüfen müssen, eines möchte ich nachdrücklich feststellen: ich glaube, wir haben einfach kein Recht, 20 Jahre nach Kriegsende so zu tun, als gingen uns die Folgen dieses Krieges heute nichts mehr an. Wir alle haben diesen Krieg verloren, und wir alle haben gemeinsam für die Folgen einzustehen, die heute noch nicht aus der Welt geschafft sind.

(Beifall.)

Ich glaube, es würde trotz der vorgerückten Stunde der Bedeutung dieses Gesetzgebungswerkes angemessen sein, wenn auf allen Seiten dieses Hauses die Präsenz etwas größer wäre, zumal nach den langen Diskussionen in der Öffentlichkeit in den voraufgegangenen Monaten.

(Zustimmung.)

Aber auch das sollten wir nicht vergessen: Gewiß hatte unser ganzes Volk schwere Jahre zu bestehen, und es hat eine bewundernswerte Wiederaufbauleistung vollbracht. Aber um wieviel schwerer hatten es diejenigen, die ihre Gesundheit eingebüßt, ihren Mann oder ihren Ernährer verloren haben. Sicher, wir dürfen mit großer Genugtuung feststellen, daß der größte Teil unserer Kriegsopfer wieder in das Erwerbsleben eingegliedert ist. Wir dürfen uns darüber freuen, daß aus den meisten Kriegerwaisen tüchtige Menschen geworden sind. Wir sollten aber auch wissen und anerkennen, unter welchen schweren Bedingungen die einzelnen dies geschafft haben.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Wir sollten weiter anerkennen, daß die Kriegsopfer mit dieser Selbsthilfe gleichzeitig einen hervorragenden Anteil an der Schaffung des Sozialprodukts hatten und damit auch einen hervorragenden Anteil an diesem unserem wirtschaftlichen Wiederaufstieg. Wenn die Kriegsopfer deshalb soziale Gerechtigkeit fordern, so fordern sie keine Almosen, sondern sie erheben Anspruch auf eine Leistung, den sie durch ihr Opfer für das ganze Volk erworben haben.
Deshalb möchte ich nachdrücklich feststellen: Ohne die starke Leistung, ohne den ausgeprägten Arbeitswillen der Kriegsopfer wäre das schwierige Problem ihrer Versorgung auch nicht annähernd zu lösen gewesen.

(Zustimmung in der Mitte.)

3262 Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1966
Bundesminister Katzer
Und vergessen wir nicht die menschliche Seite dieses Problems! Der Wohlstand mag vieles vergessen lassen, was einen einmal als Schicksalsschlag getroffen hat: er vermag jedoch letztlich weder die Gesundheit noch den verlorenen Ernährer zu ersetzen. So werden mangelnde Gesundheit und fehlende Lebenshilfe immer wieder neue Schwierigkeiten schaffen, und sicherlich führen diese besonderen Vorbelastungen auch zu nicht unbeachtlichen Mehraufwendungen, für die ein finanzieller Ausgleich auch im Rahmen der Grundrente gerechtfertigt erscheint.
Dies gilt um so mehr, als der größte Teil der Versorgungsberechtigten nur die Grundrente als Versorgungsleistung bezieht. Ich bin der Meinung, daß alle Kriegsopfer einen Entschädigungsanspruch haben, auch diejenigen, die ein Arbeitseinkommen beziehen, oder diejenigen, die, wie man hin und wieder etwas voreilig und leichtfertig sagt, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von „nur" 30 oder 40 % haben. Ich glaube, es wäre gut zu wissen, daß es sich auch bei den zuletzt genannten Beschädigten nicht um Menschen mit „Bagatellschäden" handelt, sondern daß auch hier Gesundheitsstörungen vorliegen, deren Schwere eine Entschädigung rechtfertigt.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Der Verlust eines Auges wird als 30prozentige Minderung der Erwerbsfähigkeit bewertet.
Ich habe den Kriegsopferverbänden in langen Diskussionen oft und immer wieder gesagt, sie sollten die deutsche Öffentlichkeit doch etwas mehr aufklären. Dann würden sie auch mit mehr Verständnis für ihre Belange rechnen können; so glaube ich es wenigstens.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Glombig: Das haben die Kriegsopferverbände 15 oder 20 Jahre gemacht! Das ist doch nichts Neues!)

— Nein, das ist nichts Neues. Ich habe nur gesagt, ich würde es für gut halten, wenn diese Bemühungen verstärkt würden.

(Abg. Glombig: Die Aufklärung war in diesem Hause notwendig, nicht in der Öffentlichkeit!)

— Wie kann man diese Aufklärung in diesem Hause geben, wenn die Bänke so wenig dicht geschlossen sind! Ich kann die Rede nur vor denen halten, die da sind. Aber es ist gar kein Dissens bezüglich der Kriegsopferverbände. Sie haben selbst gesagt, es wäre richtig und nötig, daß man diese Arbeit noch weiter vertieft. Das halte ich für absolut sinnvoll und vernünftig.
Ich darf in den Beispielen fortfahren. Der Verlust eines Fußes gilt in der Regel als eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 %. Versehrte mit solchen Schädigungen haben aber nur Anspruch auf eine Grundrente. Ich glaube, daß man auch diesen Versehrten einen Entschädigungsanspruch nicht streitig machen sollte, dies auch dann nicht, wenn sich, wie man in der Öffentlichkeit oft hört, unter den Betroffenen ein Minister, ein Staatssekretär oder ein Generaldirektor befindet. Der weitaus überwiegende Teil dieser Versehrten hat sicher nicht solche oder ähnliche Funktionen.

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Anspruch auf Ausgleichsrente haben nur Schwerbeschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 und mehr Prozent.
Die Ausgleichsrente wird nur gewährt, soweit ein Beschädigter keine anderen Einkünfte hat oder diese eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Nach geltendem Recht wird einem Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 % z. B. keine Ausgleichsrente mehr gezahlt, wenn sein Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit 320 DM im Monat erreicht.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

Zum Kreis der Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 % gehört beispielsweise ein Unterschenkel-Amputierter. Ein OberschenkelAmputierter — es handelt sich dabei um eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 % — hat keinen Anspruch auf Ausgleichsrente mehr, wenn er ein Erwerbs-Nettoeinkommen von 380 DM monatlich hat. Bei dem Bezug von Sozialrenten endet der Anspruch auf Ausgleichsrente noch früher.
Diese Beispiele mögen zeigen, daß auch bei Schwerbeschädigten mit sonstigen Einkünften der Anspruch auf Ausgleichsrenten verhältnismäßig früh endet. Es handelt sich zum größten Teil um Schwerbeschädigte und das muß besonders betont werden —, die einen Beruf ausüben und am Arbeitsplatz täglich ihren Mann stehen. Soweit ihr Einkommen die Grenzen überschreitet, erhalten auch sie nur eine Grundrente. Ein Verzicht auf eine Erhöhung der Grundrente — das möchte ich all jenen sagen, die dafür plädieren — würde praktisch für diese Versehrten eine Strafe darstellen. Er könnte außerdem -- auch das sollte beachtet werden — verständlicherweise den Willen zur Arbeit und zur Mehrleistung beeinträchtigen. Das aber kann niemand von uns wollen.
Lassen Sie mich nunmehr die Schwerpunkte des Entwurfs kurz darstellen.
Die Grundrente, auf die jeder Beschädigte einen Rechtsanspruch hat, wird, gestaffelt nach der Schwere der Erwerbsminderung, um 8 bis 30 DM monatlich angehoben. An Stelle von 240 DM erhält ein erwerbsunfähiger Schwerbeschädigter künftig eine monatliche Grundrente von 270 DM. Die Ausgleichsrente, die nur Schwerbeschädigten mit sonst nicht für den Lebensunterhalt ausreichenden Einkünften gewährt wird, wird im gleichen Verhältnis angehoben. Die Vollrente, d. h. die Grundrente und die Ausgleichsrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten, beläuft sich daher künftig auf 540 DM, bisher 480 DM.
Die Grund- und Ausgleichsrente der Kriegerwitwe werden um je 30 DM monatlich auf je 150 DM erhöht. Somit beträgt die Vollrente der Kriegerwitwe künftig 300 DM monatlich. Damit steigt die Witwenversorgung von bisher 50 % auf 55 % der Vollrente des erwerbsunfähigen Beschädigten.



Bundesminister Katzer
Die Grundrente der Halbwaisen wird um 10 DM auf 45 DM monatlich, die Grundrente der Vollwaisen um 15 DM auf 85 DM monatlich erhöht. Die Ausgleichsrente bei Halbwaisen wird um 10 DM auf 80 DM, bei Vollwaisen um 10 DM auf 110 DM monatlich erhöht.
Bei einem Elternpaar wird die Elternrente von 170 DM auf 200 DM erhöht, bei einem Elternteil von 115 DM auf 135 DM.
Die Schwerstbeschädigtenzulage, die denen gewährt wird, die gesundheitlich außergewöhnlich betroffen sind, wird um 10 DM bis 50 DM monatlich erhöht. Insgesamt beträgt damit in Zukunft die Schwerstbeschädigtenzulage zwischen 30 DM und 150 DM monatlich.
Die Pflegezulage wird um 15 DM bis 60 DM monatlich auf 115 DM bis 460 DM im Monat angehoben. Diese Pflegezulage erhalten diejenigen, die auf fremde Hilfe angewiesen sind.
Als einen besonderen Schwerpunkt schließlich möchte ich die Neuregelung der Anrechnungsvorschriften herausheben. Hier lag in der Vergangenheit ein außerordentlich großes Ärgernis, das in Zukunft weitgehend aus der Welt geschafft sein wird.
Die Höhe der Ausgleichs- und Elternrente ist von den übrigen Einkünften abhängig. Das wirkte sich bisher so aus, daß vor allem bei Erhöhungen der Renten aus ,der Rentenversicherung kurze Zeit später wieder — zumindest zum Teil — das abgezogen wurde, was wenige Monate vorher gewährt worden war; denn die Ausgleichs- und Elternrenten wurden zum größten Teil um den Erhöhungsbetrag der Sozialrenten gekürzt. Ähnlich war es 'bei den Versorgungsberechtigten mit Einkünften aus einer gegenwärtigen Erwerbstätigkeit.
Auch bei dem neuen Anrechnungssystem wird natürlich die Höhe der Ausgleichs- und Elternrenten vom Einkommen beeinflußt sein. Mit Hilfe eines tabellarisch aufgebauten Anrechnungssystems soll jedoch erreicht werden, daß laufende Einkommenserhöhungen wie die Anpassung der Sozialversicherungsrenten im allgemeinen nicht zu Kürzungen der Ausgleichs- und Elternrenten führen, soweit die Einkommenserhöhungen der Entwicklung der allgemeinen Bemessungsgrundlage entsprechen, die für die gesetzlichen Rentenversicherungen maßgebend sind. Sobald diese Richtgröße festgelegt ist, soll jeweils eine Tabelle durch Verordnung neu bekanntgegeben werden.
Einen Musterentwurf einer solchen Verordnung sowie eine Tabelle über das anzurechnende Einkommen und die zustehenden Ausgleichs- und Elternrenten sind der vorliegenden Bundestagsdrucksache als Anlage angeheftet. Sie sind abgestellt auf das Kalenderjahr 1967. Gleichzeitig läßt das neue System auch eine zügigere Berechnung der Ausgleichs- und Elternrenten zu und versetzt leichter als bisher die Versorgungsberechtigten in die Lage, die ihnen zustehenden Versorgungsleistungen selbst zu ermitteln. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir mit diesem neuen Vorschlag ein großes Ärgernis beseitigen können.
Schließlich sieht das Dritte Neuordnungsgesetz als weitere wesentliche Neuerung vor, daß die Bundesregierung in zweijährigem Abstand, erstmals im Jahre 1969, zu berichten hat, inwieweit es unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft möglich ist, die Leistungen dieses Gesetzes zu ändern.

(Abg. Glombig: Ist das eine Dynamisierungsklausel?)

Ich bekenne offen, daß meine Vorlage an das Kabinett einen früheren Zeitpunkt für die erstmalige Berichterstattung vorsah. Angesichts der großen finanziellen und haushaltsmäßigen Schwierigkeiten, die auch in den nächsten Jahren bestimmt nicht geringer sein werden, hat sich das Kabinett jedoch im Hinblick auf die zukünftigen erheblichen finanziellen Auswirkungen dieser neuen Anrechnungsvorschriften entschlossen, den Entwurf in der vorliegenden Fassung zu verabschieden.
Wie Sie aus der Zusammenstellung des finanziellen Aufwandes in der Begründung des Entwurfs ersehen können, erwachsen dem Bundeshaushalt durch Verzicht auf Einsparungen in den nächsten Jahren infolge des neuen Anrechnungssystems sehr erhebliche Belastungen. Diese werden bis zum Jahre 1971 938 Millionen DM betragen. Die Bundesregierung war nach sehr reiflicher Überlegung der Überzeugung, daß man dieser bedeutenden strukturellen Veränderung, um die 15 Jahre lang gerungen worden ist, gegenüber einer früheren Vorlage des nächsten Angleichungsgesetzes den Vorzug geben müsse.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Wir sind uns selbstverständlich klar darüber, daß dieser Entwurf nicht allen Wünschen und Hoffnungen gerecht zu werden vermag. Wir glauben jedoch, daß wir unter den gegenwärtigen Verhältnissen das Bestmöglichste getan haben, um den Erfordernissen einer Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts gerecht zu werden. Wir haben damit für das kommende Jahr sozialpolitisch einen Schwerpunkt gesetzt. Dieser Schwerpunkt heißt Kriegsopferversorgung. Wir werden im Verlaufe der mittelfristigen Finanzplanung weitere Schwerpunkte in weiteren Jahren zu setzen haben, damit sichtbar wird, daß unserer Sozialpolitik ein klares und geschlossene Konzept zugrunde liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506923600
Meine Damen und Herren, der Herr Bundsarbeitsminister hat soeben die nicht volle Besetzung des Hauses auf allen Seiten beanstandet. Ich stelle fest, daß darin nicht mangelndes Interesse für das Recht der deutschen Kriegsopfer zum Ausdruck kommt, sondern die oft sehr schwierige Kollision der Pflichten der Mitglieder dieses Hauses. Ich erinnere nur an diejenigen, die zugleich in europäischen Gremien tätig sind, und ich erinnere an die zum Wochenende großen Verpflichtungen in den Wahlkreisen. Ich darf mir aber mit dem Blick auf die Regierungsbank



Vizepräsident Frau Dr. Probst
erlauben, darauf hinzuweisen, daß auch die Regierungsvertreter zahlreicher anwesend sein könnten.

(Beifall.)

Ich unterstelle jedoch auch hier nicht ein mangelndes Interesse.
Ich gebe das Wort Herrn Abgeordneten Mick.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0506923700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Anfang betonen, daß ich es nicht als eine Selbstverständlichkeit ansehe — und das sollten wir alle nicht —, daß die Bundesregierung in der gegenwärtigen Lage einen Gesetzentwurf vorlegt, der immerhin ad hoc 880 Millionen DM kostet und, wie Sie soeben vom Herrn Bundesarbeitsminister vernehmen konnten, im Endeffekt sogar eine runde Milliarde kosten wird.
Ich sage das deshalb, weil man von gewissen Seiten her versucht hat, hier vermeintliche Unstimmigkeiten hochzureden, daß etwa der Herr Bundesarbeitsminister sich mit Brachialgewalt im Kabinett habe durchsetzen müssen, um diese Vorlage machen zu können. Ich halte es für eine bare Selbstverständlichkeit, daß, wenn ein Ressortminister mit einer Vorlage kommt, die eine solche Kostenlage verursacht, seine Vorlage im Kabinett wirklich auf Herz und Nieren und mit aller Härte darauf geprüft wird, ob sie notwendig ist. Jede Regierung, die anders handelte, würde nach meiner Meinung nicht pflichtgemäß handeln. Ich darf annehmen, daß dies dem gesamten Kabinett, vor allen Dingen dem Bundeskanzler, aber auch den Mitgliedern der FDP-Fraktion, die nun diesem Kabinett nicht mehr angehören, bewußt war. Ich meine, daß sie sich die Entscheidung nicht leicht, sondern sehr schwer gemacht haben.
Der Kernpunkt des Gesetzes scheint mir zu sein, daß mehr als die Hälfte des ausgeworfenen Betrages für die sogenannten Kriegerwitwen — ich finde das Wort „Kriegerwitwen" nicht schön; deshalb sage ich „sogenannte Kriegerwitwen" — aufgewandt wird. In der deutschen Öffentlichkeit sind — auch mit einem gewissen Recht — Stimmen der Kritik laut geworden. Man hat gesagt, daß man gerade an die Frauen, die wohl — ich möchte sagen — das größte Opfer des Krieges bringen mußten, zu spät gedacht habe. Ich weise diesen Vorwurf nicht einfach zurück, sondern mache mir darüber meine Gedanken und versuche, zumindest das nachzuholen, was zu einem früheren Zeitpunkt nicht erfolgen konnte.
Wer Sozialpolitik betreibt, weiß, wie sehr und wie oft sich, auch wenn man mit heißem Herzen bei der Sache ist, Realitäten und Notwendigkeiten hart im Raume stoßen und wie das Gesetz der großen Zahl manches heiße Herz notgedrungen langsamer schlagen läßt. Es ist nicht zu spät. Aber ich glaube, es ist der Zeitpunkt, nachdem in der deutschen Öffentlichkeit doch immer wieder eine negative Bilanz hinsichtlich der vaterlosen Familien und vaterlosen Kinder aufgemacht wird, hier einmal die Leistungen der deutschen Frauen herauszustellen, die ihren Gatten und Vater im Kriege verloren und aus ihren Kindern trotz dieses Handikaps Staatsbürger gemacht haben, auf die wir allesamt stolz sein können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

Meine Damen und Herren, wenn ich das hier ausspreche, so ist dies auch der Dank an meine eigene Mutter, die Kriegerwitwe mit zwei Kindern war. Wenn wir diesen Kriegerwitwen nun zu einem großen Teil den Status geben, den sie nach unseren Vorstellungen bekommen sollen — durch dieses Gesetz wird der Endeffekt noch nicht erreicht; das wollen wir von vornherein sagen —, so tun wir das auch aus Dankbarkeit für eine Leistung sowie deshalb, weil wir der Meinung sind, daß nach der erlittenen Not zumindest im späteren Lebensabschnitt keine materielle Not mehr herrschen sollte.

(Abg. Glombig: Auf diesen Tag haben die Kriegsopfer ja sehr lange warten müssen!)

— Herr Kollege, das habe ich hier in Offenheit bekannt; denn ich bin der Meinung, daß dieses Gesetz kein Gesetz ist, mit dem man politische Geschäfte machen kann, sondern ein Gesetz, zu dem wir uns aus Gründen einer christlichen oder humanitären Grundhaltung einfach verpflichtet fühlen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe nicht angenommen, daß mit der Einbringung dieses Gesetzes die Diskussion um die Grundrente verstummen wird. Ich persönlich meine allerdings, daß in der vergangenen Legislaturperiode die Entscheidung in dieser Frage gefallen ist, und ich sage Ihnen ganz offen, daß ich von mir aus — ich kann da auch für meine Fraktion sprechen — nicht bereit bin, diese Frage nun alle Jahre wieder neu aufzugreifen. Wenn man sozialpolitisch etwas will, wird die berühmte arme alte Witwe vorgeschoben, und wenn man politisch etwas nicht will, muß halt der Generaldirektor herhalten.

(Abg. Dr. Rutschke: Sehr richtig!)

Wir sind uns wohl darüber einig, daß es immerhin mehr arme alte Witwen gibt als Generaldirektoren und daß diesen Witwen die sozialpolitischen Gesetze zugute kommen. Ich halte diese Argumentation für einen unguten Stil, der leider auch in diesem Hause üblich geworden ist oder zumindest keine Ausnahme mehr darstellt.
Dem Herrn Bundesarbeitsminister bin ich dafür dankbar, daß er energisch gegen das Schlagwort „Bagatellschäden" Stellung genommen hat. Ich möchte einmal wissen, welche Ansprüche all diese Leute, die das Wort „Bagatellschäden" so einfach im Munde führen, etwa an eine Versicherung stellen würden, wenn ihnen ein solcher „Bagatellschaden" bei einem Arbeits- oder einem Verkehrsunfall erwüchse.

(Zustimmung in der Mitte.)

Die Knochentaxe oder die Gliedertaxe belehrt jeden eines besseren, der hier von „Bagatellschäden" redet. Ich glaube, wir alle miteinander sollten dieses Wort aus unserem Sprachgebrauch streichen und jedem entgegentreten, der meint, mit diesem Wort



Mick
„Bagatellschäden" einen Beitrag zu einer sachlichen Diskussion leisten zu müssen.
Es ist mir ein Bedürfnis, von diesem Platz aus und zu dieser Stunde den Organisationen der Kriegsopfer ein Wort des Dankes zu sagen für eine Arbeit, die sich heute selbstverständlicher ansieht als etwa im Jahre 1945, wo es nicht nur für die Kriegsopfer verhältnismäßig uninteressant war, einer geregelten Arbeit nachzugehen, aber am alleruninteressantesten für die Kriegsopfer — das dürfen wir wohl unterstellen —, weil sie sich auf den Standpunkt stellen konnten, daß sie ihre Gesundheit für den Staat geopfert hätten und dieser Staat nun auch für sie sorgen solle. Es ist das unbestreitbare Verdienst der Kriegsopferverbände, daß sie in diesem Fall nicht von vornherein einer Regelung entgegenarbeiteten, die die verbliebene Leistungskraft der deutschen Kriegsopfer in den allgemeinen Aufbau unserer Wirtschaft einbezog, sondern diese Einbeziehung förderten. Ich glaube, daß es uns Verpflichtung sein muß, diese Leistung, die oft unter schwereren Umständen erbracht wird, als sie für die Arbeit eines Gesunden bestehen, hier besonders zu würdigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

Daß dabei die Politik der Kriegsopferverbände keine Politik der leisen Sohlen — ich könnte auch sagen: der leisen Lobby — sein kann, die man nach Möglichkeit nicht merken soll, ich glaube, das ist klar. Auch hat eine Versammlung etwa in der Dortmunder Westfalenhalle halt einen anderen Stil als die Unterredung unter vier Augen in irgendeinem Büro. — Allerdings — das sage ich in demselben Freimut — sollte man auch da Einsichten haben — und ich bin überzeugt, daß man Einsichten haben wird —, wo, zumindest augenblicklich, Grenzen gezogen sind.
Lassen Sie mich, ebenfalls mit allem Freimut, hier eine Sache ansprechen, die mir kein Zeichen für einen guten Stil zu sein scheint. Wir haben dem Bundesrat für die Mitarbeit an diesem Gesetz und für die Verbesserungsvorschläge zu danken, die er gemacht hat und die zum Teil auch von der Bundesregierung akzeptiert worden sind. Ich habe allerdings kein Verständnis dafür und betrachte es als einen schlechten Stil, wenn die sogenannte Konferenz der Landesfinanzminister im Gegensatz zum Bundesrat einer staunenden Öffentlichkeit dann Dinge bekanntgibt, die im Bundesrat selbst nicht vertreten worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

Ich bin auch seitens des Arbeits- und Sozialministers von Nordrhein-Westfalen ausdrücklich legitimiert, hier zu erklären, daß er mit einem solchen Stil nicht einverstanden ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es kann einfach nicht so sein, daß derjenige, der in seinem Kabinett und im Bundesrat selbst unterlegen ist, nun mit seiner Ansicht an die Öffentlichkeit tritt und so tut, als sei er eine Institution innerhalb unseres demokratischen Gefüges. Für uns ist der Partner der Bundesrat und nicht eine Institution, die nun glaubt, das, was sie in ihren Kabinetten nicht hat durchsetzen können, durch Bearbeitung der öffentlichen Meinung durchsetzen zu sollen, ganz abgesehen davon, daß die öffentliche Meinung nach meiner Ansicht grob irregeführt wird. Hiermit erkläre ich mir auch die zum Teil heftige Reaktion der Kriegsopferverbände. Sie scheint klarzumachen, welche Verwirrung solche Stellungnahmen auslösen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will hier jetzt nichts sagen — der Herr Minister hat es schon getan — über Grundrenten, Halbwaisen- und Elternrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulage usw. Aber es scheint mir doch richtig zu sein, daß ich hier der Genugtuung darüber Ausdruck gebe, daß in der Frage der Anrechnungsvorschriften ein großer Schritt, ich möchte sagen: der entscheidende Schritt nach vorne getan ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir wissen doch alle aus den Versammlungen, die wir bestritten haben, ganz gleich, welcher Fraktion des Hauses wir angehören mögen, daß man einfach kein Verständnis dafür hatte — und ich gestehe freimütig: auch nicht haben konnte —, wenn die eine öffentliche Hand das nahm, was die andere öffentliche Hand gegeben hatte, und insbesondere der Personenkreis der Rentner, die gewiß nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, darunter zu leiden hatte.
Wir wissen, daß es einige strittige Punkte gibt; ich will hier gar nicht vom materiellen Umfang des Gesetzes reden. Es wird im Ausschuß einer lebhaften und sachlichen Beratung bedürfen, wo der Termin der ersten Überprüfung des Gesetzes liegen soll. Es wird sachlicher Beratung bedürfen, nach welcher Bemessungsgrundlage weiter verfahren werden soll. Wir werden uns in aller Sachlichkeit darüber unterhalten, wir sind für jeden sachlichen Vorschlag offen. Ich gestehe ganz offen, daß die bisherige Arbeit im Ausschuß die Gewähr dafür gibt, daß wir in der Beratung auch zu sachlichen Ergebnissen kommen. Ich glaube sagen zu können, daß dieses Gesetz kein Schritt nach vorn, sondern ein Sprung nach vorn ist, und ich hoffe, daß wir hier nicht zum letztenmal über diese Frage sprechen. Es wurde ja schon gesagt, daß das Gesetz einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden soll.
Lassen Sie mich schließen mit der Feststellung, daß meine Freunde und ich dieses Gesetz als einen Beitrag zur Vervollkommnung des sozialen Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland betrachten.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506923800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille.

Helmut Bazille (SPD):
Rede ID: ID0506923900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kriegsopferversorgung, deren Drittes Neuordnungsgesetz in erster Lesung zur Beratung ansteht, sollte ursprünglich nach den im Mai vergangenen Jahres verkündeten Zielvorstellungen der Bundesregierung würdig und



Bazille
gerecht weiterentwickelt werden. Ich bedauere, daß ich mit der Feststellung beginnen muß, daß die Bundesregierung mit der Gesetzesvorlage nicht das erreicht, was sie sich selbst vorgenommen hatte. Ich darf dabei dem Haus in Erinnerung bringen, daß die Bundesregierung der Öffentlichkeit angekündigt hatte, dieses Gesetz den gesetzgebenden Körperschaften mit dem Haushaltsplan 1966 vorzulegen. Es sollte die Grundlage bilden für eine laufende Angleichung der Rentenleistungen in zweijährigem Abstand, erstmals im Jahre 1968. Die Maßstäbe, welche die Regierung dem Gesetz zugrunde legen wollte, sollten folgende sein: zum ersten eine Angleichung der Renten unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft und zum zweiten ein fortschrittlicher und zeitgemäßer Ausbau des Kriegsopferrechts unter Wahrung der Währungsstabilität. — Eine kritische Würdigung der Vorlage führt zu dem Ergebnis, daß die Regierung ihren Zeitplan nicht einhalten konnte und daß auch das materielle Recht in einem Teil seiner Bestimmungen hinter dem zurückbleibt, was versprochen worden war. Nachdem die Bundesregierung schon auf anderen Gebieten gegebene Zusagen nicht einhalten konnte, ist sie nun auch in bezug auf das Kriegsopferrecht in jene von ihr selbst verschuldete Misere geraten, vor den Wahlen mehr versprochen zu haben, als sie hinterher halten konnte. Daß das bei den Kriegsopfern mit Enttäuschung aufgenommen wurde, versteht sich von selbst.
Nun hat Herr Minister Katzer im Zusammenhang mit dieser Vorlage und ihren Schwerpunkten besonders über die Bedeutung der Grundrenten sehr eingehend gesprochen. Ich hatte dabei manchmal den Eindruck, als ob der Minister ein Bedürfnis fühle, dieses Haus überzeugen zu müssen. In Wahrheit liegen die Dinge doch so — ich darf das in Erinnerung rufen, ja ich muß es nach den Worten des Herrn Bundesarbeitsministers in Erinnerung rufen —, daß der Kampf um eine gerechte Gestaltung der Grundrente, und zwar um eine schadensgerechte Gestaltung der Grundrente, vom Parlament her gegen frühere Regierungen geführt werden mußte. Die Argumente — angefangen von den Bagatellrenten bis zu den Renten der Generaldirektoren, die im Krieg ein Bein verloren haben, usw.; ich will das gar nicht alles wiederholen — waren doch nicht aus der Öffentlichkeit selber erwachsen, sondern es waren frühere Bundesregierungen, die diese Argumente erst in das Bewußtsein der Öffentlichkeit eingeführt haben.

(Abg. Dr. Rutschke: Sehr richtig!)

Die Kriegsopferverbände mußten schließlich viel Geld für eine öffentliche Aufklärung ausgeben, um diesen Argumenten entgegenzutreten, Geld, das sie meiner Überzeugung nach besser im Rahmen ihrer praktischen Sozialarbeit hätten verwenden können. Und zwar mußten sie es deswegen ausgeben, weil es Bundesregierungen waren, die mit einer ganz andersgearteten Zielsetzung, und zwar aus fiskalischen Gründen, in jenem Bereich der Grundrenten nicht nur eine der Sache nicht angemessene Zurückhaltung übten, sondern geradezu bestritten, daß eine Notwendigkeit bestand, im Bereich der Grundrenten
immer wieder neue Aufwendungen zu machen. Es gab sogar ein Ministerwort, das die Aufwendungen in diesem Bereich als eine Verschwendung öffentlicher Mittel bezeichnete.
Ich glaube, in diesem Hause ist es deshalb nicht notwendig, über die Funktion der Grundrente noch etwas zu sagen. Denn das Parlament hat in den Auseinandersetzungen, die über die Gestaltung des Kriegsopferrechts in der Vergangenheit geführt werden mußten, den Grundrenten die Bedeutung gegeben, die sie heute besitzen, und es hat ein Verhältnis paritätischer Art zwischen den Grundrenten und den Ausgleichsrenten in den Neuordnungsgesetzen gegen frühere Regierungen durchgesetzt. Insofern ist es nur konsequent, wenn die Regierungsvorlage dieser Tendenz der beiden ersten Neuordnungsgesetze folgt und auch mit dem Dritten Neuordnungsgesetz die Grundrenten als notwendige Äquivalente für schwere und schwerste Gesundheitseinbußen in den Prozeß der Anpassung an die volkswirtschaftlichen Veränderungen einbezieht, darüber hinaus aber den Versuch macht, in bezug auf die Witwenversorgung einen besonderen Schwerpunkt zu setzen.
Dieser Schwerpunkt in der Witwenversorgung muß gesetzt werden, Herr Minister — das ist nicht zu bestreiten —, nicht aus Gründen eines sozialen Bedürfnisses heraus, sondern einfach um dem Recht Genüge zu tun, wie es in unserer Verfassung verankert ist. Denn die Schlechterstellung der Kriegerwitwen gegenüber allen anderen Rentenberechtigten des öffentlichen Leistungsrechtes läßt sich aus der Rechtsnatur der Sache nicht begründen. Sie ließ sich in der Vergangenheit nur immer wieder auf das berühmte Gesetz der großen Zahl zurückführen, von dem auch der Herr Kollege Mick hier gesprochen hat, das aber, wenn man es als Maßstab der Kriegsopferversorgung allein gelten lassen wollte, letztlich jeder Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit und jeder Erfüllung des Verfassungsauftrages im Wege stehen müßte, wenn man nur von dort her, d. h. nur unter Anwendung fiskalischer Maßstäbe, das Recht finden wollte.
Wir müssen also stets abwägen, was unter den jeweiligen Bedingungen, unter denen wir einen Gesetzgebungsakt vollziehen, möglich und notwendig ist, um der Forderung des Grundgesetzes zu entsprechen. Hier, meine ich, müßte man bei den Beratungen im Ausschuß doch noch einmal in eine Prüfung eintreten, ob man nicht bei diesem Dritten Neuordnungsgesetz jetzt den Zeitpunkt für gekommen hält, endlich die Kriegerwitwen aus dieser Position der Schlechterstellung herauszulösen und auch für ihre Versorgung das sonst übliche Ableitungsverhältnis von 60 v. H., gemessen am Anspruch des Versorgungsberechtigten, anzuwenden. Denn bei einem Ableitungsverhältnis von 55 % ist immer noch dieser dominierende fiskalische Einfluß wirksam, den die Neuordnungsgesetze — das ist ihr Ziel — irgendwann einmal überwinden müssen, wenn wir die Kriegsopferversorgung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen wollen zwischen den Vorleistungen, die die Kriegsopfer für die Allgemeinheit gebracht haben, und den Verpflichtungen,



Bazille
die der Allgemeinheit daraus erwachsen, diese Schicksale auf die breiten Schultern des ganzen Volkes zu verteilen und sie nicht allein von denen tragen zu lassen, die vom Kriege besonders hart betroffen wurden.
Ich kann es mir versagen, hier weitere Einzelheiten anzuführen, nachdem der Herr Bundesminister für Arbeit und der Herr Kollege Mick die Probleme, so wie sie sich darstellen, gerade sehr detailliert aufgezeichnet haben. Andererseits muß ich aber doch darauf hinweisen, daß in den parlamentarischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre bis hin zum Zweiten Neuordnungsgesetz um das, was heute gewissermaßen als Selbstverständlichkeit von der Regierungsseite einerseits und von der Mehrheitsseite andererseits dargestellt wird, gerungen werden mußte und daß es nicht zuletzt sozialdemokratische Sprecher waren, die in den vergangenen Jahren diese Dinge gegen eine fiskalische Betrachtungsweise in den Vordergrund gerückt haben.
Um einmal darzutun, zu welchen Haushaltseinsparungen das seitherige Recht geführt hat und zu welcher Entlastung des Staatshaushalts die Kriegsopfer in der Vergangenheit beigetragen haben, will ich nur ein einziges Beispiel herausgreifen, nämlich einen Bericht des Bundesfinanzministers über die Einsparungen aus der Verrechnung der gesetzlichen Rentenversicherungsansprüche von Kriegsopfern mit Ansprüchen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Es wurden allein im Rechnungsjahr 1965 bei 144 000 Beschädigten, 593 000 Witwen, 48 000 Waisen und 110 Eltern eine Milliarde 167 Millionen 822 000 Deutsche Mark eingespart.
Wir Sozialdemokraten haben deshalb in .den vergangenen Jahren sehr erbittert darum gekämpft, daß .die Anrechnungsvorschriften im Bundesversorgungsgesetz geändert und verbessert werden. Wir haben dabei leider die Erfolge, die wir um der Sache willen angestrebt haben, nie erzielen können. Aber es versteht sich, daß wir es deshalb nur begrüßen können, wenn die Bundesregierung nach langen Jahren und nach harten parlamentarischen Kämpfen, die vorausgegangen sind, jetzt selber in diesem Gesetz bei ,den Anrechnungsvorschriften einen Schwerpunkt setzt, der zu beachtlichen Verbesserungen führt, Verbesserungen, von denen ich allerdings sagen muß, Herr Minister, daß sie die Probleme noch nicht erschöpfend und noch nicht in allen Detailbereichen zufriedenstellend regeln. — Sie nicken mit dem Kopf; es besteht also Übereinstimmung darüber, daß auch auf diesem Gebiet in Fortführung der Neuordnungsgesetze noch manches zu tun bleibt. Es wird in ,den Ausschußberatungen darüber zu sprechen sein, was ich hier wegen der vorgerückten Stunde und im Hinblick darauf, daß wir in der ersten Lesung sind, jetzt nicht tun will.
Ich komme nun zu jenem Teil des Gesetzes, von dem ich glaube, daß er eigentlich sein Kernstück hätte sein sollen, nämlich jenem Teil, in dem den Kriegsopfern nicht mehr und nicht weniger versprochen war als eine gesetzliche Regelung der laufenden Anpassung etwa analog der in den gesetzlichen Rentenversicherungen und der gesetzlichen Unfallversicherung, einer Anpassung, durch die die Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes in zweijährigem Abstand dynamisiert, d. h. an die Veränderungen der Volkswirtschaft, an das steigende Sozialprodukt immer wieder herangeführt werden sollen.
Zwischen dem, was von der Bundesregierung angekündigt, und dem, was nun ins Gesetz hineingeschrieben worden ist, besteht, glaube ich, Herr Bundesarbeitsminister, mehr als ein Dissens; das ist ein unüberbrückbarer Widerspruch. Das mußte von den Kriegsopfern als ein Wortbruch empfunden werden, als eine Enttäuschung mit dem Charakter
— ich spreche das offen aus, so schwer mir das fällt
— einer Täuschung. Denn was hier im Gesetz steht, ist lediglich eine Verpflichtung der Bundesregierung, in zweijährigem Abstand, erstmals nicht 1968, sondern 1969, zu prüfen, inwieweit die Veränderungen im volkswirtschaftlichen Bereich eine Anpassung der gesetzlichen Leistung ermöglichen, und über das Ergebnis dieser Prüfung dem Bundestag, den gesetzgebenden Körperschaften zu berichten.
Meine Damen und Herren, das kann beim besten Willen nicht in der Richtung einer Dynamisierungsklausel gedeutet werden. Denn eine Pflicht zur Überprüfung des Bundesversorgungsgesetzes besteht angesichts der Bedeutung des Kriegsopferrechts für die Bundesregierung eo ipso. Dazu bedarf es nicht eines besonderen gesetzlichen Auftrages. Die Verfassung qualifiziert unseren Staat als einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Das verpflichtet die an der Gesetzgebung Beteiligten, im Bereich der Kriegsopferversorgung immer danach zu trachten, daß den Kriegsopfern in ihrer Versorgung ein angemessener Anteil von dem, was das Volk, ausgedrückt im Sozialprodukt, insgesamt leistet, gegeben wird, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
Es kann sich also bei einer solchen Bestimmung nicht um einen Auftrag zur Prüfung und eine Pflicht zum Bericht über das Ergebnis dieser Prüfung handeln. In einer solchen Klausel muß eine Verpflichtung enthalten sein, den Zuwachs des Sozialprodukts sich anteilig in der Kriegsopferversorgung, in zeitlichem Abstand von zwei Jahren, auswirken zu lassen. Ich habe den Worten des Kollegen Mick entnommen, daß die Anregungen, die der Bundesrat auf diesem Gebiet gegeben hat, bei Ihnen auf fruchtbaren Boden fallen. Man darf daher die Hoffnung haben, daß es über diesen Punkt im Ausschuß, wie in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet des Kriegsopferrechts, vielleicht doch eine Verständigung geben wird, die wahrmacht, was die Regierung versprochen hatte, ohne es in der Vorlage, die jetzt dem Hause zur Beratung übergeben werde, dann zu halten.
Lassen Sie mich noch ein abschließendes Wort sagen. Selbst wenn es in der Beratung des Ausschusses gelingt, die eine oder andere Frage befriedigender zu lösen, als es im Regierungsentwurf gelungen ist, bleibt der Tatbestand, daß der Gesamtkomplex der Neuordnung des Kriegsopferrechts mit diesem Gesetz nicht abschließend geregelt wird. Es ist zwar



Bazille
eine Tatsache, daß mit dem zeitlichen Abstand vom Kriege und mit jeder Verbesserung, die die gesetzgebenden Körperschaften am Recht der Versorgung der Kriegsopfer vornehmen, dieses Problem an öffentlichem Interesse verliert. Der Wille des Gesetzgebers aber, es endlich gerecht zu lösen, darf nicht erlahmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506924000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0506924100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die kritischen Anmerkungen, die der Herr Kollege Bazille zu dem jetzigen Gesetzentwurf vorgebracht hat, mögen im Grundsatz richtig sein. Aber ich glaube, verehrter Herr Kollege Bazille, wir können jetzt nicht von diesem Arbeitsminister, der sich ohnehin Mühe gibt, verlangen, daß er alle Fehler der Vergangenheit auf einmal ausräumt. Das wird sehr schwierig sein. In einer Zeit, in der die Schwierigkeiten des Bundeshaushalts offensichtlich sind, gehörte Mut dazu, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Mehraufwendungen von 880 Millionen DM bringt. Das wollen wir anerkennen. Wir hoffen, daß es möglich sein wird, die Verbesserungen in dem vorgesehenen Umfange durchzubringen.
Als ich Herrn Bundesarbeitsminister Katzer bei der Begründung des Gesetzentwurfs sprechen hörte, dachte ich an die Einbringung des Ersten Neuordnungsgesetzes im Jahre 1959 und die Einbringung des Zweiten Neuordungsgesetzes im Jahre 1963. Ich freue mich, daß Sie, Herr Bundesarbeitsminister, fast die gleichen Beispiele gebracht haben, die ich in den Jahren 1959 und 1963 nicht nur im Hinblick auf die Grundrente, sondern auch auf andere Kriegsopferleistungen angeführt habe.

(Abg. Glombig: So neu ist es gar nicht!)

Nein, Herr Kollege Glombig. Ich würde aber sagen: ich freue mich sehr darüber, daß man das im Bundesarbeitsministerium nun endlich begriffen hat. Die Argumente, Herr Bundesarbeitsminister, gegen die Sie mit Recht zu Felde gezogen sind, wurden uns von Ihrem Amtsvorgänger entgegengehalten. Ich bin deshalb sehr dankbar, daß Sie einen klaren Blick für diese Fragen bekommen haben. Ich hoffe, daß die Versäumnisse, die in zehn Jahren auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung eingetreten sind, so bald wie möglich abgebaut werden. Einen ersten, sehr weitgehenden Schritt auch das unterliegt keinem Zweifel — unternehmen wir jetzt mit dem Dritten Neuordnungsgesetz.
In der Vergangenheit war die Kriegsopferversorgung ein Stiefkind im Rahmen der Sozialpolitik, im Rahmen der Entschädigungspolitik. Wir haben vor einigen Jahren die Unfallrenten dynamisiert. Wir haben im Bereich der Entschädigungspolitik ein Bundesentschädigungsgesetz, das weit über das hinausgeht, was die Kriegsopferversorgung bei gleichen Tatbeständen vorsieht. Wir haben auch ein Unterhaltssicherungsgesetz für die Angehörigen der Bundeswehr. Ich erinnere Sie hier an ein Beispiel, das ich bei der Beratung des Zweiten Neuordnungsgesetzes angeführt habe. Die Frau eines Wehrpflichtigen, die auf Grund der Einkommensverhältnisse eine Unterhaltssicherung von 400 DM bekommt, erhält in dem Moment eine Witwenrente von 120 DM, wenn der wehrpflichtige Ehemann bei einem Manöver tödlich verunglückt. Also 400 DM für den Lebenden, und wenn er im Dienste der Allgemeinheit gestorben ist, waren es 120 DM.
Ich möchte noch ein Weiteres zu der Entwicklung der Gesamtsozialpolitik sagen, um nachzuweisen, daß die Kriegsopferversorgung wirklich das Stiefkind geblieben ist. Wir haben vor zwei Stunden über die Rentenneuregelung — wozu auch die Unfallrenten gehören — gesprochen. Hier ist schon vor Jahren eine Dynamisierung vorgenommen worden. Wir werden die Unfallrenten im Jahre 1967 um 9 % anheben. Im Jahre 1964 haben wir sie um 8,7 %, im Jahre 1965 um 6,1 % und im Jahre 1966 um 8,9 % erhöht. In dem Zeitraum von 1964 bis 1967 ist eine Gesamtanhebung um 32,7 % erfolgt.
Für einen Tatbestand, der bei einem um 30 % Beschädigten eine Unfallrente von 141 DM zur Folge hat, werden aus der Kriegsopferversorgung nur 45 DM gezahlt. Während ein um 40 % Beschädigter in der Kriegsopferversorgung beispielsweise 60 DM Grundrente erhält, bekommt er in der Unfallversicherung bei dem gleichen Tatbestand 188 DM. Dazu ist doch feststellen, daß in unserem Sozialsystem etwas nicht stimmen kann. Sie können nicht bei gleichen Tatbeständen eine unterschiedliche Regelung gesetzlicher Art für Renten und ähnliches treffen.
Meine Damen und Herren, bei den Altersrenten werden wir auf Grund des Rentenreformgesetzes von 1964 bis 1967, also einschließlich der Erhöhung auf Grund des Gesetzentwurfs, den wir vorhin beraten haben, eine Steigerung von 33,9 % haben. In der Kriegsopferversorgung liegen die Verbesserungen, zumindest der Grundrenten, zwischen 15 und 20 %. Es ist also so, daß sich der Abstand zwischen den anderen Sozialleistungen und der Kriegsopferversorgung wieder erweitert, die Schere wieder größer wird. Hier muß man sich einmal zu einem Entschluß durchringen. Man kann diese Disparitäten in der Zukunft nicht weiter aufrechterhalten. Es ist natürlich eine Frage des Haushalts, wieweit wir sie beseitigen können. Ich glaube, seinerzeit konsequent geblieben zu sein, als ich mich bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Erhöhung der Unfallrenten vor zwei oder drei Jahren hier auf das Podium gestellt und dagegen gesprochen habe. Ich sagte: wir können die Disparität zwischen Unfall- und Kriegsopferrenten nicht noch größer machen.

(Abg. Glombig: Das ist kein Grund, gegen die Erhöhung der Unfallrenten zu sprechen!)

— Da unterscheiden wir uns ganz gewaltig, Herr Kollege Glombig. Es spielt im Grundsatz gar keine Rolle, wer es bezahlt; das kann nicht entscheidend sein.

(Abg. Glombig: Ja sicher!)

— Wenn Sie der Meinung sind, daß man dort, wo
der Privatmann oder die Wirtschaft zahlt, unbesehen



Dr. Rutschke
erhöhen kann, aber da, wo der Staat zahlt, knauserig sein muß, dann handelt es sich um eine Sozialpolitik, die ich jedenfalls nicht mehr mitmachen kann. Denn wir müssen gleiche Tatbestände gleich behandeln, wenn wir Gesetze machen. Wir können nicht die zahlenden Stellen verpflichten, einen gleichen Tatbestand einmal so und einmal so zu behandeln.

(Abg. Glombig: Dann ziehen Sie doch jetzt in der Kriegsopferversorgung nach! Dann ist doch alles klar!)

— Nun, verehrter Herr Kollege Glombig, das ware natürlich die ideale Lösung. Auf diese Lösung hätte man schon vor zehn Jahren kommen müssen, als wir genügend Geld hatten. Da hatte man im Bundesarbeitsministerium hierfür aber leider recht wenig Verständnis. Man kann das jetzt, nachdem wir in einer außerordentlich prekären Haushaltssituation sind, einfach nicht verkraften; das läßt sich einfach nicht machen. Deshalb müssen wir versuchen, hier schrittweise ein Ziel zu erreichen.
Meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Dienstpflichtigen unserer Bundeswehr bei Schäden nach dem Bundesversorgungsgesetz genauso versorgt werden wie die Soldaten des ersten und des zweiten Weltkrieges. Man sollte sich sehr gut überlegen, ob man die Disparität weiter in der Form belassen kann. Wir müssen vielmehr zu anderen Ergebnissen kommen.
Ein Vergleich mit dem Ausland zeigt, daß wir auf diesem Gebiet absolut rückständig sind. Ich will Ihnen nur ein Beispiel geben. Bei Verlust eines Armes und Beines werden einem NATO-Soldaten deutscher Nation nach dem Bundesversorgungsgesetz 240 DM gezahlt, dem holländischen NATO-Soldaten 960 DM,

(Abg. Glombig: Da ist ein Bein mehr wert!)

dem französischen Soldaten, soweit er noch zur NATO gehört, 1114 DM. Der deutsche Soldat erhält 240 DM! Das sollte uns zu denken geben.

(Zuruf des Abg. Stingl.)

— Herr Stingl, winken Sie nicht ab. Das sind einfach Tatsachen, an denen Sie nicht vorbeigehen können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch falsch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU!)

— Ich bedauere, daß Sie das offensichtlich nicht wahrhaben wollen. Es ist aber so. Sie können daran nicht vorbeigehen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Nun lassen Sie mich noch ein Problem behandeln, das Herr Bundesminister Katzer schon ausführlich besprochen hat. Ich kann mich deshalb etwas kürzer fassen. Es geht um das Problem der Grundrenten. Ich will gar nicht Zitate des früheren Arbeitsministers bringen, weil sie so wenig erfreulich sind, daß man sie besser nicht im Parlament ausspricht. Er vertrat genau den gegenteiligen Standpunkt von dem, was der jetzige Arbeitminister vorgetragen hat. Man verlangt also von dem sozial Bessergestellten Verzicht auf eine Grundrente ohne Rücksicht darauf, welchen Schaden er erlitten hat. Wir haben ohnehin bei den Beschädigten ab 50 % Minderung der Erwerbsfähigkeit den Verzicht des sozial Bessergestellten dadurch, daß Grundrente und Ausgleichsrente getrennt worden sind. Die Ausgleichsrente wird ja nur dann gezahlt, wenn die Bedürftigkeitsprüfung die Berechtigung dazu ergeben hat. Der Herr Bundesminister hatte Zahlen von 320 DM, von 380 DM genannt. Wenn das eigene Arbeitseinkommen größter ist, wird Grundrente nicht mehr gewährt. Insofern wird die Versorgung hier schon um die Hälfte verringert.
Wenn man diesem Prinzip folgen und konsequent bleiben will, dann müssen genauso die Entschädigungsgrundlagen, die z. B. im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert sind, geändert werden. Dann müßten Sie auch sagen: Wenn ein Lastwagenchauffeur einen Generaldirektor überfährt, dann bekommt der Generaldirektor keinen Pfennig Entschädigung; denn er hat genug Geld, er braucht nichts. Das ist die Konsequenz daraus. Bei der Enteignung eines Großgrundbesitzers, der ein Stück Land für den Bau einer Straße im öffentlichen Interesse hergeben muß, könnten Sie sagen: Der hat so viel Grund und Boden, da kommt es auf ein paar Hektar nicht an, also bekommt er keinen Pfennig Entschädigung. — Die Grundlagen unserer Rechtsordnung gehen aber andere Wege. Deshalb müssen wir konsequent bleiben und können mit der Bedürftigkeitsprüfung bei der Enteignung der Gesundheit
— und darum handelt es sich bei den Kriegsopfern oder bei den Wehrdienstbeschädigten — keinen anderen Weg gehen.

(Abg. Glombig: Das kann man nur unterstreichen!)

Ich habe bei der Beratung des Ersten und Zweiten Neuordnungsgesetzes vorgetragen - der Herr Bundesminister hat es heute gleichfalls getan —, daß die Grundrente zum Ausgleich der Mehraufwendungen des Beschädigten dient. Ich brauche das nicht alles zu wiederholen. Ich habe hier einen Aufsatz von Lothar Franke, einem Experten auf dem Gebiet. Ich möchte Ihnen den Inhalt dieses Aufsatzes nicht vorlesen. Ich bitte die Frau Präsidentin, zu gestatten, daß ich ihn im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit zu Protokoll gebe *).

(Abg. Glombig: Ich habe ihn schon gelesen!)

— Gut, Herr Glombig, wenn Sie ihn gelesen haben, freut mich das. Mir liegt daran, daß ihn auch die anderen lesen, damit sie sehen, daß sie mit dieser Betrachtungsweise der Grundrente nicht recht haben.
Nun, meine Damen und Herren, zur Haushaltssituation! Ich will mich gar nicht um diese Frage drücken. Der Finanzausschuß des Bundesrates hat gerade im Hinblick auf die Kriegsopferrenten einen Vorschlag gemacht, den ich ablehne, weil es nicht Aufgabe des Finanzausschusses des Bundesrates sein kann, in dieser Form Sozialpolitik zu machen. Er könnte allenfalls sagen, daß im Hinblick auf die Notlage des Haushalts auf allen Gebieten einge-
*) Siehe Anlage 7



Dr. Rutschke
spart werden müßte, und den Gesamtaufwand kürzen.
Wir haben uns in der Fraktion mit dieser Frage befaßt. Eines ist natürlich sicher: Wenn wir jetzt im Haushalt ein Mehr von 880 Millionen DM für die Kriegsopferversorgung stehen haben, so ist das ein Brocken, den man einfach nicht übersehen kann. Man muß sich Gedanken darüber machen, ob das überhaupt durchgeführt werden kann und welche Mittel angewandt werden müßten, um diese 880 Millionen DM aufzubringen. Ich bin der Meinung — und das ist auch die Meinung meiner Fraktion —, daß es im Bundeshaushalt keine Tabus geben kann, sondern daß wir im Interesse der Stabilität unserer Währung zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen müssen. Daran sind die Kriegsopfer in erster Linie interessiert; denn auf ihrem Rücken wird die Geldwertverschlechterung am ehesten ausgetragen, weil ihre Lage jeweils nur durch Anpassungsgesetze verbessert werden kann, während alle anderen Verteuerungen auf die Preise abwälzen können usw.; ich brauche das nicht näher auszuführen.
Wir sind aber in unserer Fraktion zu dem Entschluß gekommen, mit allen Mitteln zu versuchen, die Gelder, die für die Anpassung notwendig sind, nötigenfalls auf anderen Gebieten frei zu machen. Lassen Sie mich hierzu einen Vergleich bringen, der vielleicht etwas banal sein mag. Stellen Sie sich einen Autobus vor, in dem lange Zeit Leute bequem sitzen. Dann kommt jemand, der schlecht zu Fuß ist, und hält sich noch auf dem Trittbrett fest. Nun merkt man, daß dieser Autobus, weil er überladen ist, den Berg nicht überwinden kann. Da wäre es ja wohl recht, wenn man zunächst einmal diejenigen, die bequem in dem Bus gesessen haben, vorübergehend aussteigen läßt und nicht denjenigen, der da auf dem Trittbrett steht. Das wäre hier das Kriegsopfer, das noch gar nicht so bequem sitzt wie alle anderen, weil die Kriegsopferversorgung immer noch hinterherhinkt. Wenn man dieses Kriegsopfer wieder „vom Trittbrett herunterjagte", hielten wir das für sozial nicht gerechtfertigt. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir uns von seiten der FDP-Fraktion alle Mühe geben, dieses Gesetz in vollem Umfang durchzuführen, auch auf die Gefahr hin, daß wir andere Leistungen innerhalb des Bundesetats zugunsten der Durchführung dieses Gesetzes kürzen müssen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506924200
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Rednerliste. Ich schließe damit die Beratung.
Wir kommen zur Ausschußüberweisung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Drittes Neuordnungsgesetz) Drucksache V/1012 an den Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung — zu überweisen.
Bevor ich zur Abstimmung schreite, darf ich noch sagen, daß sich Herr Abgeordneter Jungmann zu
Wort gemeldet hatte, seine Wortmeldung aber zurückgezogen hat. Er gibt seine Rede zu Protokoll. — Damit besteht Einverständnis *).
Ich komme nun zur Abstimmung. Wer für den Vorschlag des Ältestenrates ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? Es ist einstimmig so beschlossen.
Bevor wir noch die Tagesordnungspunkte 23 und 26 erledigen, gebe ich außerhalb der Tagesordnung das Wort zu einer Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Schmitt-Vokkenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0506924300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 26. Oktober 1966 ist im Hause eine Erklärung der Bundesregierung zu der Übung Fallex 66 abgegeben worden, zu der die Fraktionen des Deutschen Bundestages anschließend Stellung genommen haben. Ich bedauere sehr, wenn der Herr Kollege Dorn nachträglich in der Presse den Eindruck zu erwecken sucht, als sei die FDP bei der Abstimmung über eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen überstimmt worden.
Diese Erklärung des Herrn Kollegen Dorn trifft in dieser Form nicht zu und entspricht nicht den Tatsachen. Leider ist es nicht möglich, hier die Einzelheiten vorzutragen. Erforderlichenfalls müssen aber Wege gesucht und gefunden werden, der Öffentlichkeit die Ergebnisse der Abstimmungen richtig wiederzugeben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506924400
Ich gebe das Wort nunmehr nach § 36 außerhalb der Tagesordnung Herrn Abgeordneten Even.

Dr. Bert Even (CDU):
Rede ID: ID0506924500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Obmann der Teilnehmer der CDU/CSU-Fraktion an der NATO-Fallex-Übung 1966 im Ahrbunker weise ich ebenfalls die in der Presse veröffentlichte Äußerung des Kollegen Dorn über Abstimmungsergebnisse des Notparlaments zurück. Diese Äußerung ist unwahr, befremdlich und schadet der von allen Fraktionen dieses Hauses im Grundsatz bejahten gemeinsamen Notstandsvorsorge.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506924600
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe den Punkt 23 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses (6. Ausschuß) über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 36 - Zivile Verteidigung — Drucksache V/994, Umdruck 46 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Even
Das Wort hat der Herr Berichterstatter. Ich darf aber auf unsere leider sehr bedrängte Zeitlage hinweisen.
*) Siehe Anlage 8




Dr. Bert Even (CDU):
Rede ID: ID0506924700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 — Umdruck 46, Drucksachen V/250 (Anlagen), V/599 ist am 27. Mai 1966 dem Innenausschuß überwiesen worden. Der Haushaltsausschuß wurde mitberatend beteiligt. Der Innenausschuß hat den Antrag in zwei Sitzungen beraten und am 13. Oktober 1966 den aus der Drucksache V/994 ersichtlichen Beschluß gefaßt.
Der Antrag des Innenausschusses zielt darauf ab, die Bundesregierung zu veranlassen, dem Deutschen Bundestag ihre Gesamtkonzeption der zivilen Verteidigung mit einem finanziell tragbaren Mindestprogramm bekanntzugeben. Der Innenausschuß vertritt die Auffassung, daß die militärische Verteidigung ohne einen wirksamen Ausbau der zivilen Verteidigung ihre Aufgabe nicht erfüllen kann. Die Fallex-Übung 1966 hat das erneut eindringlich bestätigt. Der Innenausschuß geht dabei von folgenden Überlegungen aus:
1. Unsere ganze Politik dient allein dem Ziel, den Frieden unter Wahrung der Freiheit und des Lebens der Menschen zu sichern. Wir würden aber unsere dem ganzen Volke gegenüber bestehenden Pflichten verletzen, wenn wir nicht Vorsorge treffen würden für den Fall einer dennoch möglichen feindlichen Aggression. Diese Vorsorge darf sich jedoch nicht nur auf den militärischen Bereich erstrecken. Eine militärisch erfolgreiche Abwehr müßte als sinnlos erscheinen, wenn die Zivilbevölkerung schutzlos feindlichen Einwirkungen ausgeliefert wäre. Das Gebot der Menschlichkeit fordert daher, das Mögliche zum Schutz der Bürger zu tun.
2. Eine wirksame Zivilverteidigung stärkt die Abschreckungswirkung der militärischen Verteidigungskraft. Sie macht dem potentiellen Feind klar, daß wir im Ernstfall fest entschlossen sind, unsere elementarsten Lebensrechte zu verteidigen. Diese Abschreckungswirkung des rein defensiven nordatlantischen Bündnisses sichert den Frieden.
Der Innenausschuß übersieht dabei nicht, daß der Ausbau der bisher zu kurz gekommenen zivilen Verteidigung im Zusammenhang mit der angespannten Haushaltslage betrachtet werden muß. Im Antrag wird daher ein mittelfristiges Mindestprogramm gewünscht, aus dem sich, aufgeschlüsselt nach Haushaltsjahren und Trägern der Belastungen, der Finanzbedarf bis 1971 ergibt.
Der Innenausschuß hat seinen Beschluß einstimmig bei einer Enthaltung gefaßt. Der mitberatende
Haushaltsausschuß hat den Antrag in seiner gestrigen Sitzung ebenfalls gebilligt.
Ich bitte das Hohe Haus, gleichfalls dem Antrag zuzustimmen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0506924800
Ich eröffne die Beratung. — Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Sie haben den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört. Der Antrag liegt Ihnen mit Drucksache V/994 vor. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Punkt 25 der Tagesordnung ist abgesetzt. Ich rufe nunmehr Punkt 26 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen (23. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Standortübungsplatzes TübingenWaldhausen an das Land Baden-Württemberg und an die Stadt Tübingen
— Drucksachen V/669, V/985 —
Berichterstatter: Abgeordneter Graaff
Ich danke dem Abgeordneten Graaff für seinen Schriftlichen Bericht. Wünscht der Herr Berichterstatter diesen Bericht mündlich zu ergänzen? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Beratung. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen mit Drucksache V/985 vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, auch nicht, wie ich ausdrücklich feststellen möchte, nach § 36 der Geschäftsordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 8. November 1966, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.