Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich meine und des Hauses Glückwünsche aussprechen dem Herrn Abgeordneten Bauknecht zur Vollendung des 65. Lebensjahres am 31. März
und dem Herrn Kollegen Storch zur Vollendung des 73. Lebensjahres heute.
In der 158. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. Januar 1965 ist der Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der deutschen Filmwirtschaft - Drucksache IV/1172 -, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik - Drucksache IV/2324 -, zu Beginn der zweiten Beratung an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung zurückverwiesen worden. Der Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik hat mit Schreiben vom 26. März 1965 darum gebeten, die Vorlage auch an den Finanzausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 25. März 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Effertz, Spitzmüller, Weber , Deneke, Ertl, Schmidt (Kempten) und Genossen betr. Betriebswirtschaftlicher Dienst für die deutsche Landwirtschaft - Drucksache IV/3120 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/3255 verteilt.Der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat unter dem 26. März 1965 die Nr. 4 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Frau Funcke , Dr. Imle und Genossen betr. Wohnungen für Alleinstehende - Drucksache IV/3020 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache zu IV/3106 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 25. März 1965 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundestages vom 19. Juni 1963 über die Erfahrungen mit dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1962 berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3260 verteilt.Der Präsident der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin hat am 19. Februar 1965 gemäß §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin sowie die Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1963/64 vorgelegt. Der Bericht ist als Drucksache IV/3138 verteilt.Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat am 26. Februar 1965 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1963/64 vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache IV/3154 verteilt.Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 30. März 1965 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Struve, Bauknecht, Ehnes, Dr. Pflaumbaum, Ruf und Genossen betr. Absatz ausländischer Gemüsekonserven - Drucksache IV/3201 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3259 verteilt.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Verordnung des Rats zur Änderung des Zeitpunktes für den Beginn des Milchwirtschaftsjahres 1965/1966 - Drucksache IV/3232 -an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Verordnung des Rats zur Verlängerung der in der Verordnung Nr. 156 getroffenen Regelung für Mehl und Stärke von Manihot und anderen Wurzeln und Knollen, die aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar stammen - Drucksache IV/3236 -an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend -Verordnung des Rats über die Einfuhren von Fetten aus Griechenland - Drucksache IV/3247 -an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1965.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Sechste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung - Drucksache IV/3174 -an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965.Dreizehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 - Drucksache IV/3228 -an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965.Zu den in der Fragestunde der 173. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. März 1965 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Schneider Nr. II und VIII/1 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 25. März 1965 eingegangen. Sie lautet:Zu Frage II:Das nach Artikel 59 GG vorgeschriebene Verfahren war im Falle der Lieferungen an Israel nicht anzuwenden. Die in Frage stehende Abmachung ist kein Vertrag im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, welcher die politischen Beziehungen des Bundes regelt oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht. Bei einem solchen Vertrag muß nämlich Inhalt und Zweck auf die Regelung der politischen Beziehungen zu auswärtigen Staaten gerichtet sein und „nicht nur eine sekundäre, vielleicht sogar ungewollte oder unerwartete Auswirkung auf diese Beziehungen haben" .Auch der Deutsche Bundestag steht offensichtlich auf dem Standpunkt, daß Verträge über Ausrüstungshilfe nicht unter die Verfahrensvorschrift des Artikels 59 des Grundgesetzes fallen .
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8838 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Vizepräsident Dr. JaegerZu Frage VIII/1:Eine Verletzung der §§ 45 b und 47 der Reichshaushaltsordnung liegt nicht vor, weil im Rahmen des Gesamtplanes die Mittel im Haushaltsplan im Titel 964 des Kapitels 1402 ausgebracht waren und weil der Haushaltsplan mit diesem Titel die unentgeltliche Abgabe von militärischem Material an andere Länder ausdrücklich gestattet.Dabei sind die für die einzelnen Länder vorgesehenen Beträge in den Geheimerläuterungen zu diesem Titel nicht verbindlich festgelegt. Verschiebungen zugunsten des einen oder anderen Landes sind entsprechend den jeweiligen Erfordernissen im Rahmen des Gesamtansatzes dieses Titels möglich.Aus Geheimhaltungsgründen ist im Einvernehmen mit den Herren Fraktionsvorsitzenden lediglich ein bestimmter, kleiner Kreis von Abgeordneten aller Fraktionen über die Einzelpositionen des Ansatzes bei Kap. 1402/964 näher unterrichtet worden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8839
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8840 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8841
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8842 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8843
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8844 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
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8846 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
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8848 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8849
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8850 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8851
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen IV/ 3233, zu IV/3233).
Ich frage zunächst den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. Götz, ob er das Wort wünscht. — Er verzichtet. Berichterstatter des Ausschusses für Sozialpolitik ist Herr Abgeordneter Ollesch. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Ollesch das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften vor, der im sozialpolitischen Ausschuß eingehend beraten wurde. Mit dem Entwurf werden die im Jahre 1957 neu gestalteten Grundsätze unserer sozialen Rentenversicherungen nicht verändert. Wie der Name sagt, sollen durch diesen Entwurf die Härten beseitigt werden, die sich bei der Durchführung des Reformgesetzes vom Jahre 1957 gezeigt haben. Darüber hinaus bringt die Novelle zahlreiche wesentliche Verbesserungen, die im einzelnen im Bericht niedergelegt sind.Von der Vielzahl der Verbesserungen möchte ich besonders erwähnen:1. Durch die Erhöhung der Renten bei Sachbezugsentlohnungen werden sich fühlbare Verbesserungen für die betroffenen Personen zeigen.2. Bei der Verbesserung der Witwenrenten ist sichergestellt, daß nunmehr jede Witwe eine Rente in Höhe von sechs Zehnteln der Mannesrente erhält.3. Die Bewertung der beitragslosen Zeiten wird sich insbesondere für die weiterarbeitenden berufsunfähigen Rentner, für Frühinvalide, für Teilzeit- und Halbtagsbeschäftigte günstig auswirken.4. Die Voraussetzungen für die Anrechnung von Ausfall- und Zurechnungszeiten sowie die freiwillige Weiterversicherung sind erleichtert worden.5. Bemerkenswerte Verbesserungen wurden bei der Anrechnung von Ersatzzeiten und Ausfallzeiten vorgenommen.6. Die Änderung der pauschalen Ausfallzeit wird für viele ältere Versicherte wesentliche Vorteile bringen.7. Erweitert ist ferner der Schutz für Deutsche im Ausland durch die Rentenversicherung. Insbesondere kommt diese Ergänzung den von der deutschen Industrie ins Ausland entstandten jungen Fachkräften wie auch den Entwicklungshelfern zugute.8. Erwähnenswerte Verbesserungen sind für Vertriebene und Flüchtlinge vorgesehen.9. Beschlossen wurde ferner im Ausschuß, den Arbeitgeberbeitrag bei weiterbeschäftigten Rentnern zu streichen.10. Die Pflichtversicherungsgrenze in der Angestelltenversicherung wurde von 15 000 DM jährlich auf 21 600 DM jährlich erhöht.11. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Pflichtversicherungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter wurde im Ausschuß gestrichen.Die übrigen Einzelheiten bitte ich dem Bericht zu entnehmen.Ich darf Sie sodann bitten, dem Bericht des Abgeordneten Ollesch — zu Drucksache IV/3233 — folgenden Teil, der die finanziellen Auswirkungen betrifft, anzufügen:III. Finanzieller TeilAus dem Gesetzentwurf ergeben sich für die gesetzliche Rentenversicherung in der Fassung der Beschlüsse des Sozialpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages jährliche Mehrausgaben von 599,5 Millionen DM. Davon entfallen 29 Millionen DM auf die knappschaftliche Rentenversicherung.Außerdem sind infolge des Wegfalls der Arbeitgeberbeiträge für beschäftigte Rentner usw. Mindereinnahmen in Höhe von 200 Millionen DM zu erwarten.Der gesamte Mehraufwand beläuft sich somit auf rund 800 Millionen DM. Das sind 300 Millionen DM mehr, als in der finanziellen Begründung der Regierungsvorlage — Bundestagsdrucksache IV/2572 — ausgewiesen wurden. Von dem Mehraufwand von 500 Millionen DM in der Regierungsvorlage entfielen 15 Millionen DM auf die knappschaftliche Rentenversicherung.Die Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Pflichtversicherungsgrenze betragen 640 Millionen DM im Jahr.Ich bitte, Herr Präsident, diese Ergänzung in das Protokoll aufzunehmen.Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, noch folgende Änderungen in der Drucksache zu Drucksache IV/3233. vorzunehmen.. Die Änderungen sind notwendig, weil es bei der Drucklegung Übertragungsfehler gegeben hat.Auf dem Deckblatt zum Schriftlichen Bericht muß in Zeile 5 der Überschrift statt der Worte „über die" eingesetzt werden „zur" ; es muß also heißen: „Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen".
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8852 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
OlleschFerner bitte ich Sie, auf Seite 8 des Berichts — zu Drucksache IV/3233 — unter der Überschrift „Zu § 22" in der siebenten Zeile von unten die Worte „an der Spitze eines Unternehmens" zu streichen. Durch diese Worte könnte eine Sinnentstellung der Auffassung des Ausschusses entstehen. Denn der Ausschuß war der Meinung, daß leitende Angestellte in die Leistungsgruppe 1 einbezogen werden sollten, auch wenn sie nicht an der Spitze eines Unternehmens stehen.Sodann ist eine Änderung auf der Seite 74 der Drucksache IV/3233 vorzunehmen. Dort muß es unter den Beschlüssen des 20. Ausschusses zu § 8 in c 1) heißen „Artikel 4 § 1 b" an Stelle von „Artikel 4 § 2", und zwar entsprechend der Einteilung in §§ 1 a, 1 b, 1 c auf der Seite 72.Weiterhin ist auf der Seite 75 unter Buchstabe c 2) gegen Schluß der Zusammenstellung an Stelle von „Artikel 3 a Nr. 2" zu schreiben „Artikel 3 a Nr. 1 b" und an Stelle von „Artikel 4 § 1" „Artikel 4 § 1 a".Das sind keine materiellen Änderungen; sie sind vielmehr notwendig geworden, weil die Durchnumerierung der Artikel auf dieser Seite übersehen wurde. Ich darf Sie bitten, diese Änderungen vorzunehmen.Damit bin ich mit meinem Bericht am Ende. Ich bitte Sie, das Gesetz zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen in der vom Ausschuß für Sozialpolitik vorgelegten Fassung anzunehmen.
Meine Damen und Herren, das Kapitel III wird dem Bericht angefügt; es erscheint im Protokoll. Das andere sind, wenn ich recht verstanden habe, redaktionelle Änderungen.
Zweite Lesung! Abgestimmt wird nicht über die einzelnen Artikel, sondern über die mit einem schwarzen Rhombus versehenen Nummern. Dazu sind dann auch die Änderungsanträge eingebracht. Es liegen hier fünf Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag vor.
Ich rufe jetzt Art. 1 § 1 auf. Jetzt kommt es auf die Nummern an: 01,— 02,— 03,— 04,— 05,— 1,— 2,-
3 a,— 3 b,— 3 c,— 4. Soweit liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird dazu das Wort gewünscht?
— Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.
Jetzt Nr. 5 auf Seite 7 links unten. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 612 *) Ziffer 1 vor. Wird dazu das Wort gewünscht?
— Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 612 legen wir Ihnen einen Änderungsantrag zu § 1233 vor, der zum Ziele hat, die gesetzliche Rentenversicherung zu öffnen,
*) Siehe Anlage 2 ohne daß dabei die Voraussetzung erfüllt sein muß, daß der zu Versichernde eine Pflichtbeitragszeit von 60 Monaten innerhalb von zehn Jahren nachweisen kann. Mit diesem Antrag wollen wir zwei Gesichtspunkten Rechnung tragen.
1. Es wird für die höher verdienenden Angestellten immer schwieriger, die Voraussetzung unserer gesetzlichen Rentenversicherung für die freiwillige Weiterversicherung zu erfüllen. 60 Monate innerhalb von zehn Jahren stellen einen zu langen Zeitraum dar. Die Angestellten wachsen zu schnell aus der Versicherungspflicht heraus. Die Versicherungspflichtgrenze soll zwar jetzt wesentlich angehoben werden, und zwar von 1250 DM im Monat auf 1800 DM im Monat. Bei den fortschreitenden Gehalts- und Lohnerhöhungen wird sich das Problem der freiwilligen Weiterversicherung für die Angestellten aber in ganz kurzer Zeit erneut stellen.
2. Wir haben darüber hinaus einen Weg gesucht, auch anderen Personengruppen die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung zu eröffnen. Ich könnte mir vorstellen, daß gerade innerhalb der CDU diesen Gedankengängen nicht unbedingt entgegengewirkt wird. Erst kürzlich hat ja der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung auf dem Bundesparteitag der CDU in Düsseldorf die Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung auch für Selbständige gefordert. Herr Minister Blank hat dabei allerdings einschränkend erwähnt, daß noch Erhebungen über den Weg angestellt werden müßten. Wir zeigen ihm diesen Weg auf.
Falls Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, einwenden sollten, daß durch Manipulationen an der Beitragshöhe Mißbrauch mit der gesetzlichen Rentenversicherung getrieben werden könnte, halten wir Ihnen entgegen, daß wir versucht haben, mit der 1/12-Bestimmung nach § 1256 Abs. 1 c des Angestelltenversicherungsgesetzes diesen Versuchen einen Riegel vorzuschieben. Der Hinweis auf § 1256 beinhaltet, daß ein gewisser Mindestbeitrag, der sich nach den Bestimmungen des Handwerkerversicherungsgesetzes regelt, für einen Zeitraum von 60 Monaten entrichtet werden muß.
Ich glaube, daß Sie mit der Annahme dieses Antrags ein ständiges Petitum der betroffenen Angestellten und weiterer Bevölkerungskreise in unserem Lande erfüllen. Ich darf Sie also bitten, dem Änderungsantrag Umdruck 612 Ziffer 1 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, dem Antrag der Freien Demokratischen Partei nicht zustimmen zu können.
Wir sind zwar mit Ihnen der Meinung, daß diesesThema zur Erörterung ansteht; aber hier und heute
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8853
Hornsind wir nicht in der Lage, einer Entscheidung vorzugreifen, die demnächst einmal zu treffen sein wird.Gestatten Sie mir einen Rückblick auf die Rentenreform von 1956. Damals haben wir bewußt aus der Invaliden- und der Angestelltenversicherung wiederum saubere Arbeitnehmerversicherungen machen wollen, Wir haben das dadurch getan, daß wir die bis dahin möglich gewesene Selbstversicherung beseitigt und für die neue Rentengesetzgebung nicht mehr zugelassen haben.Wenn wir heute dem Antrag der FDP unsere Zustimmung geben wollten, würden wir von diesem Prinzip, das wir damals neu verankert haben, wieder abweichen.
Ich wiederhole: die Angelegenheit steht in der öffentlichen Diskussion; aber solange das Ergebnis der Arbeiten der Sozialenquete nicht vorliegt, solange die Ergebnisse der versicherungsmathematischen Bilanz, die wir demnächst zu erwarten haben, nicht vorliegen und wir infolgedessen noch kein klares Bild von der Rentenversicherung haben, so lange können wir keine Folgerungen ziehen, die Tür und Tor öffnen. Wir meinen, daß über den breiten Rahmen, den die Freien Demokraten heute schon abstecken wollen, noch sehr ernsthaft diskutiert werden muß. Da gibt es viele Fragen zu erörtern, die zur Zeit nicht zur Entscheidung reif sind. Da werden wir uns nach gründlichem, genauem Studium der Sozialenquete an der versicherungsmathematischen Bilanz demnächst — und sicherlich nicht mehr in diesem Bundestag, sondern im nächsten Parlament — mit diesen Dingen sehr eingehend beschäftigen müssen. Nach diesen neuen Erkenntnissen aus den eben erwähnten beiden Vorlagen, die auf das Parlament zukommen, wird der Bundestag die Folgerungen zu ziehen haben, und die Christlich-Demokratische und die Christlich-Soziale Union werden nicht zögern, diese Folgerungen dann auch nach gewissenhafter Erkenntnis zu ziehen.Ich muß das Hohe Haus bitten, die Anträge der FDP abzulehnen, weil nach unserer Überzeugung heute die Voraussetzungen für die Annahme dieser Anträge noch nicht gegeben sind.
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 612 Ziffer 1. Ich lasse abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag Umdruck 612 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über die Nr. 5 auf Seite 7. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Dann, meine Damen und Herren, geht die Sache weiter mit der Nr. 6. Kein Änderungsantrag. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Jetzt kommt Nr. 7. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 606 *) Ziffer 1 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe für die Fraktion der SPD einen Teil der Anträge auf Umdruck 606 zu begründen. Zu Ziffer 1: § 1249 erhält folgende Fassung: „Auf die Wartezeit werden alle Versicherungszeiten angerechnet." Den gleichen Inhalt haben die Anträge in Ziffer 6, die sich auf das Angestelltenversicherungsgesetz beziehen, und in Ziffer 9, die sich auf das Reichsknappschaftsgesetz beziehen. Es handelt sich also um Anträge gleichen Inhalts, die ich zusammen begründen möchte.
Der § 1249 der Reichsversicherungsordnung hat zum Inhalt, daß die vor dem 1. 1. 1924 entrichteten Beiträge angerechnet werden können, wenn für die Zeit nach dem 31. 12. 1923 ein Beitrag bis zum 30. 11. 1948 entrichtet ist. Wir wollen heute über ein Gesetz zur Beseitigung von Härten in der gesetzlichen Rentenversicherung entscheiden. Das hätte in diesem Gesetz eigentlich der § 1 sein müssen. Viele ältere Menschen, die bis zur Inflation versicherungspflichtig tätig gewesen sind und Beiträge entrichtet haben und dann oft aus nicht in der Person liegenden Gründen die versicherungspflichtige Tätigkeit aufgegeben haben und deshalb nicht in der Lage waren, Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten, gehen ihrer Ansprüche aus den bis zum 31. 12. 1923 entrichteten Beiträgen verlustig. Es handelt sich nicht um allzuviele Fältle, aber die Fälle, die uns bekanntgeworden sind, stellen Härten in einem besonderen Ausmaß dar, so daß wir hier und heute diesen Notstand beseitigen müssen.
Ältere Menschen haben Beiträge gezahlt, ja, oft die Wartezeit zur Rentenversicherung erfüllt, ohne daß sie jetzt einen Anspruch geltend machen können, weil sie eben die Voraussetzung, bis zum Stichtag am 30. November 1948 einen Beitrag nach der Inflation entrichtet zu haben, nicht erfüllt haben. Das ist eine Härte. Dieses alte Recht gilt es zu beseitigen.
Deshalb bitte ich Sie recht herzlich, unserem Antrag zuzustimmen und sich darüber hinaus dafür einzusetzen, daß die geänderte Bestimmung — wie es aus den Ziffern 12 und 15 unseres Antrags Umdruck 606 hervorgeht — auch für die laufenden Fälle angewendet wird. Das heißt, wenn rechtskräftig abgelehnt worden ist, dann sollen die Leute doch in den Genuß von Leistungen aus Beiträgen kommen können, ,die sie bis zum 31. Dezember 1923 entrichtet haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Exner.*) Siehe Anlage 3
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8854 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der CDU/ CSU-Fraktion können diesem Antrag der SPD auf Umdruck 606 aus folgenden Gründen nicht zustimmen. Wie Sie alle wissen, beruht unsere gesetzliche Rentenversicherung auf zwei grundsätzlichen Elementen, einmal auf dem Sozialversicherungsprinzip und zum anderen auf der Solidargemeinschaft aller Versicherten.
Der Herr Vorredner hat soeben ausgeführt, es sei eine Härte, wenn der Versicherte, der in dem Zeitraum von 1923 bis 30. November 1948 keinen Beitrag entrichtet hat, den Anspruch verliere, den er aus Beiträgen erwirkt hat, die er in der Zeit vor 1924 an die Rentenversicherung gezahlt hat. Dem muß man entgegenhalten, daß das insofern keine Härte ist und auch keine Härte sein kann, als der Betreffende über 20 Jahre keine Beziehung und keinen Kontakt mit seiner Versicherung gehabt hat. Wenn jemand über 24 Jahre lang nicht einen einzigen Beitrag an seine Versicherung gezahlt hat, dann kommt darin zum Ausdruck, daß es mit seinem Willen zu Solidarhaftung, mit seinem Solidarbewußtsein gegenüber der Versicherungsgemeinschaft nicht allzu gut bestellt ist. Von daher gesehen kann man nicht mit guten Gründen sagen, daß es für den Betreffenden eine Härte bedeute, wenn er diesen Anspruch heute nicht haben soll.
Hinzu kommt etwas anderes, meine Damen und Herren. Wenn wir dem Antrag der SPD stattgäben, so würde es im Endeffekt doch bedeuten, daß einem Personenkreis Ansprüche gegenüber den Rentenversicherungsträgern zugebilligt würden, der dann zwar eine Leistung bekäme, aber, weil diese Leistungen wiederum sogenannte Mindestrenten sein würden, sehr wahrscheinlich sagen würde: Nun haben wir eine so kleine Rente, daß sie nicht dazu ausreicht, unser Existenzminimum zu bestreiten.
Ich glaube also, wenn wir dem Antrag der SPD zustimmten, würde auf lange Sicht mehr Unrecht und aufs neue wieder eine Härte mehr geschaffen werden. Ich darf darauf verweisen, daß der vorige Bundestag auf Veranlassung der Bundesregierung für diese Fälle das sogenannte Sozialhilfegesetz verabschiedet hat.
Das Sozialhilfegesetz ist gerade für diesen Personenkreis gedacht. Personen also, die keine Aufnahme in die Solidargemeinschaft unserer Sozialversicherung finden können, weil sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen, haben einen Anspruch darauf, sich auf dem Wege der Sozialhilfe jene Leistungen zu verschaffen, die sie für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts benötigen.
Der Personenkreis, der, wenn wir dem Antrag der SPD zustimmten, in die Leistungsberechtigung gegenüber der Rentenversicherung einbezogen würde, ist nicht gerade ein typischer Personenkreis für die Rentenversicherung überhaupt. Auch von daher gesehen kann man dem Antrag nicht stattgeben.
Mein Herr Vorredner hat gesagt, daß der Personenkreis, der dafür in Betracht käme, nicht allzu groß sei. Meine Damen und Herren, wenn Sie genau hinschauen, werden Sie feststellen, daß den Rentenversicherungsträgern durch die Gewährung dieser Ansprüche doch ganz beträchtliche Belastungen aufgebürdet würden. Wir müssen uns daher eigentlich darüber wundern, daß Sie diesen Antrag überhaupt eingebracht haben.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß die Regelung, wie sie jetzt verankert ist, schon sehr großzügig ist.
Auf der anderen Seite würde die Regelung, die Sie beantragen, eine beträchtliche Aushöhlung des Gedankens der Solidarhaftung in der Rentenversicherung darstellen.
Die CDU/CSU ist daher nicht gewillt, Ihrem Antrag zuzustimmen, und ich bitte das Hohe Haus, sich dieser Auffassung anzuschließen. Im übrigen gilt das, was ich hier vorgetragen habe, für alle Anträge zu den entsprechenden Bestimmungen in den übrigen Zweigen der Rentenversicherung.
Herr Abgeordneter Exner, haben Sie gerade Ihre Jungfernrede gehalten?
Das wollen wir doch festhalten!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Feststellung des Herrn Kollegen Exner, daß die jetzige Regelung sehr großzügig ist, kann ich für die Freie Demokratische Partei nur zustimmen. Aber gerade deshalb, meine sehr verehrten Damen und meine Herren von der CDU/CSU, kann man die Kleinlichkeit, mit der Sie an dieser Bestimmung festhalten, nicht ganz verstehen.
Wie ist es denn in der Praxis? Wer bis 1920, 21, 22 oder 23 unselbständig war und sich trotz der schwierigen Situation damals selbständig machen konnte und damit die Verbindung zur Versicherung verloren hat, dann die ganze Zeit über selbständig war, schließlich seine Selbständigkeit wieder verloren hat, aber nicht vor 1948 — auf Grund der ganzen damaligen Situation — wieder in die Situation des Unselbständigen zurückkehren konnte, dem sind, wenn er zwischen 1923 und 1948 keine Beiträge geleistet hat, alle Beiträge, die er vorher gezahlt hat, verloren. Hat er aber aus einem irgendwie gearteten Zufall einmal in diesem Zeitraum von 25 Jahren einen Beitrag von 40 Pfennig gezahlt, dann sind diese alten Beiträge wieder aufgelebt.Es ist nicht ganz verständlich, daß wegen des Fehlens dieser 40-Pfennig-Beitragsmarke viele alte
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8855
SpitzmüllerLeute — es handelt sich um viele alte Leute - zum Teil um 70-, 75jährige, insgesamt aber doch nur um einen ganz kleinen Kreis — keinen Rentenanspruch haben sollen.Der Hinweis auf das Bundessozialhilfegesetz zieht ebenfalls nicht. Diese Menschen sind ja nicht absolut auf die Rente angewiesen, die dann auflebt. Es ist für sie bedrückend, daß sie wegen des einen fehlenden Beitrages überhaupt keine Rente bekommen, während ihr Alterskollege in einer ähnlichen Situation durch ein, zwei oder drei Zufallsbeiträge eine Rente hat und trotzdem noch für ihn eine zusätzliche Leistung aus dem Bundessozialhilfegesetz entsteht.Wir sind überzeugt, daß es bei Annahme dieses Antrages nicht zu einer großen Entlastung der Gemeinden und damit zu einer großen Belastung der Versicherungsanstalten kommt. Auch wir sind der Meinung, daß dieses kleine Unrecht, das durch die großzügige Ausdehnung und Handhabung des Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes im Jahre 1957 entstand und als solches empfunden wird, beseitigt werden sollte. Es handelt sich, wie gesagt, um einen kleinen Kreis alter Menschen, denen es wirklich eine Beruhigung und eine Befriedigung ist, wenn sie nun tatsächlich wie ihre Kollegen, die in der Zeit von 1923 bis 1948 den Zufallsbeitrag geleistet haben, auch etwas aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen. Wir Freien Demokraten werden diesem Antrag die Zustimmung geben.
Herr Abgeordneter Ruf!
Einen Augenblick, Herr Kollege Ruf, sprechen Sie kürzer oder länger?
— Das hat einen technischen Grund. Ich muß nämlich rechtzeitig die Abstimmung, die jetzt fällig wird, ausläuten, sonst gibt es einen Hammelsprung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Unrecht kann hier überhaupt nicht die Rede sein.
Ich darf daran erinnern, daß wir bis zur Rentenreform des Jahres 1957 eine Bestimmung hatten, wonach die Versicherten gehalten waren, Jahr für Jahr für die Erhaltung ihrer Anwartschaft zu sorgen, und zwar 26 Wochenbeiträge oder 6 Monatsbeiträge zu zahlen. Wenn sie das nicht getan haben, sind sie bis zum Jahre 1957 jeder Anwartschaft verlustig gegangen.
Wir haben diese Bestimmung bezüglich der Erhaltung der Anwartschaft im Jahre 1957 beseitigt und haben lediglich zu den Anwartschaften aus der Zeit vor 1924 gesagt: Wenn diese Anwartschaften wiederaufleben sollen — sie waren ja schon längst verfallen —, dann soll der Betreffende in der Zeit von 1924 bis November 1948 mindestens einen einzigen Beitrag gezahlt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war wahrhaftig eine sehr großzügige Regelung, die wir damals getroffen haben.
Es gibt Grenzen der Großzügigkeit. Der Personenkreis, der hiervon betroffen ist, hat doch seit dem Jahre 1923 im Traum nicht mehr daran gedacht, daß er jemals aus den Beiträgen aus der Vorkriegszeit, aus der Kriegszeit, aus der Vorinflationszeit eine Rente erhalten würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie dringend, diesen Antrag der SPD abzulehnen.
Keine weitere Wortmeldung.Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 606 Ziffer 1 zu Nr. 7. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
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8856 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
noch weiter können wir nicht gut unterteilen.
Nr. 12! Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP — Umdruck 610 *) Ziffer 1 — vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Ollesch!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Umdruck 610 haben wir Ihnen unter Ziffer 1 einen Änderungsantrag zu Art. 1 § 1 Nr. 12 vorgelegt, der sich mit der Frage der Rentenkappung, also der Höchstrentenbegrenzung, beschäftigt. Sie kennen alle das Problem und wissen, daß es besonders in der Angestelltenversicherung für die Angestellten, die sich freiwillig versichert haben, schmerzlich ist. Die Höchstrente, die erreicht werden kann, beträgt 200 % der in dem Versicherungsjahr geltenden allgemeinen Bemessungsgrundlage und entspricht der Beitragsbemessungsgrenze, die ebenfalls das Doppelte der allgemeinen Bemessungsgrundlage ausmacht.
Wenn man die Rentengewährung von der Höhe der gezahlten Beiträge und von der Beitragsdauer abhängig macht — und nach den Bestimmungen unseres Rentensystems errechnet sich die Rente nach diesen beiden Kriterien —, dann vermag ich nicht einzusehen, daß einem bestimmten Personenkreis die so errechnete Rente nicht in voller Höhe gewährt wird, sondern daß sie nur 200 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage erreichen kann und die darüber hinaus erworbenen Ansprüche gestrichen werden. Wir kennen keine Mindestgrenze und zahlen auch kleine Renten nach diesen beiden Kriterien, nach der Höhe der Beiträge und der Beitragsdauer, obschon durch die Härtenovelle eine Milderung auf dem Gebiet der Kleinst- und Kleinrenten durch die Bestimmungen erreicht wird, die wir im Laufe des heutigen Tages sicherlich noch annehmen werden. Wenn ich aber den Begriff der Mindestrente nicht kenne, dann ist es unlogisch, wenn ich den der Höchstrente aufrechterhalte.
Nun wird uns dieses Problem nicht bis in alle Zeiten beschäftigen. Der Personenkreis wird kleiner. Es wird in der nächsten Zukunft auch in der Angestelltenversicherung — vornehmlich dort tritt das Problem auf — keine persönlichen Bemessungsgrundlagen über 200 % geben, so daß die finanziellen Bedenken, die der Abschaffung der Höchstrentenbestimmung entgegenstehen, nicht so schwerwiegend sein können. Ich sehe einen Antrag vor uns auf den Tischen liegen, der von 'den Fraktionen der
*) Siehe Anlage 4 CDU/CSU und 'der SPD gestellt wird. Auch dieser Antrag nimmt sich dieser Frage an, führt allerdings nicht in vollem Umfang zu einer Befriedigung der Beteiligten, sondern ist als eine Art Trostpflaster gedacht, da man den vollen Schritt zur Beseitigung der Höchstrentenbestimmung anscheinend nicht gehen will.
Ich darf Sie also im Interesse der Ehrlichkeit unserer Rentengesetzgebung nach allen Seiten hin bitten, diese draußen schwer verständliche Höchstrentenbestimmung durch Zustimmung zu unserem Antrag zu streichen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kühn.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU bitte ich, den Antrag der FDP abzulehnen. Ich nehme an, daß ich in diesem Fall auch für die SPD sprechen kann; denn die SPD trägt ja diesen Antrag, der in der Sache von unseren beiden Fraktionen gestellt ist, mit.Es ist richtig, es handelt sich hier um ein Problem, das uns seit 1957, seit dem Inkrafttreten der Rentenneuregelungsgesetze, immer wieder beschäftigt hat. Es ist gar keine Frage, daß sich der betroffene Personenkreis — wenn er auch nicht sehr zahlreich ist — immer wieder mit Eingaben an jeden einzelnen von uns und 'an die Fraktionen gewendet hat. Es ist gar keine Frage, daß insbesondere .aus den Reihen meiner Fraktion — seitens der Fraktion selber, seitens des damaligen Vorsitzenden unseres Arbeitskreises, des Kollegen Horn, aber auch von Frau Kalinke und von anderen — immer wieder darauf hingewiesen worden ist, daß dieses Problem noch einmal besprochen werden müßte.Das ist richtig. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen davon ausgehen - und das bitte ich, Herr Kollege Ollesch, doch auch zu berücksichtigen —, daß, wenn wir hier eine Regelung versuchen, diese Regelung selbstverständlich im Rahmen des Systems der Rentenneuregelungsgesetze bleiben muß.Hier ist, wenn ich es richtig sehe, zweierlei zu beachten. Einmal können nach den Rentenneuregelungsgesetzen in der Zukunft — Sie haben selber darauf hingewiesen — .solche höheren Renten nicht mehr entstehen. Es wird in Zukunft bei den 200 % der Beitragsbemessungsgrenze sein Bewenden haben. Aus der Vergangenheit heraus würden wir hier also etwas honorieren, was den jetzigen Versicherten, die ja nach dem modifizierten Umlagesystem, das wir hier haben, die Leistungen tragen, der Sache nach selber nicht mehr zukommt.Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, daß man hier in der Breite und in der Weite, wie Sie es vorschlagen, Leistungen auf Kosten derjenigen zubilliegt, die diese Leistungen selber nicht mehr erreichen können. Dies ist, glaube ich, nicht sehr sinnvoll und kann wohl nicht gut zugemutet werden. Ja, man kann sogar fragen, ob hier nicht unter Umständen
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Kühn
eine ungerechtfertigte Bevorzugung dieses Personenkreises eintritt.Es kommt folgende Überlegung hinzu. Durch die Dynamisierung, die die Rentenneuregelungsgesetze gebracht haben, haben sich alle diese Renten — in aller Regel jedenfalls — so entwickelt, daß sie bei weitem das überholt haben, was die gleichen Rentenbezieher hätten, wenn wir beim alten System geblieben wären. Das alte System aber haben wir abgelehnt, und daraus muß man die Konsequenz ziehen.Wir haben daher einen anderen Weg beschritten. Herr Präsident, wenn Sie gestatten, möchte ich nun gleich den Antrag unserer Fraktion mit begründen. Das ist, glaube ich, sinnvoller, als wenn wir das nachher noch einmal tun.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Bitte!
Wir sind hier einen anderen Weg gegangen. Wir haben gesagt: Jawohl, wir wollen deutlich machen, daß wir den Vorwurf nicht leicht nehmen, hier würde etwas abgeschnitten, für das man in der Vergangenheit Leistungen über das hinaus erbracht hat, was auf Grund der prozentualen Beitragsbemessung zu zahlen war. Das ist sicher richtig. Aber wir haben geglaubt, daß wir dabei einen Weg finden müssen, der innerhalb des Systems .bleibt, das wir hier für unsere Renten gewählt haben und der auch hinsichtlich der Größenordnung so gestaltet wird, daß den berechtigten Ansprüchen entsprochen wird.
Wie sehen diese berechtigten Ansprüche aus? Man muß, glaube ich, von der Rentenerwartung dieses Personenkreises im Jahre 1957 ausgehen. Wenn man dann von 1957 an die Zeit berücksichtigt, in der überhaupt die Möglichkeit einer solchen Höherversicherung gegeben war, nämlich von 1951 bis 1957, gewinnt man dadurch die Zeitspanne, in der überhaupt nur Ansprüche für eine solche Leistung erworben werden konnten. Daher haben wir Ihnen unseren Vorschlag unterbreitet. Er trägt dem Rechnung. Wir wollen damit deutlich machen, daß auch wir der Meinung sind, daß derjenige belohnt werden muß, der eine Sonderleistung von sich aus über das, was ihm auferlegt ist, hinaus für sein Alter erbracht hat. Aber so, wie die FPD es vorschlägt, können wir es nicht machen. Lassen Sie es mich — vielleicht etwas überspitzt — so sagen: Wir geben damit denjenigen, die finanziell in der Lage waren, eine solche Sonderleistung für sich zu finanzieren, .heute die Leistungen auf Kosten derjenigen, die zu der Zeit gar nicht die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Das wäre sicherlich nicht im Sinne einer guten Sozialgesetzgebung.
Aus diesem Grunde, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitten wir Sie, den Antrag der FDP abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kühn, Sie haben sicherlich recht, wenn Sie sagen, daß der Kreis der Betroffenen die Renten von denen erhält, die heute nicht mehr in den Genuß dieser hohen Renten kommen können. Das liegt an unserem Finanzierungssystem der Rentenversicherung. Deswegen kann man aber doch diesen betroffenen Kreis nicht benachteiligen, weil unser Rentensystem so konstruiert ist, daß eine nachfolgende Generation die Leistungen für die vorhergehende aufzubringen hat.
Dieser Personenkreis hat die Höherversicherung zum Teil auf Anraten ihrer Versicherungsanstalten und in der Erwartung betrieben, mit dieser Höherversicherung eine besonders hohe Rente zu erhalten.
— Herr Kollege Kühn, daran trägt der einzelne Versicherte- keine Schuld; das ist eine Folge des Systems, und diese Folge hätte bei der Neuregelung der Rentengesetzgebung im Jahre 1957 ja auch überdacht werden sollen. Ich meine, wenn man schon Mindestrenten nicht gelten läßt, weil man auf Beitragsleistung und Versicherungsjahre abstellt, kann man andererseits auch keine Höchstrenten, also keine Begrenzung der Renten, einführen. Das ist doch unlogisch und wird von dem Kreis der Betroffenen, der — wie ich Ihnen schon sagte — immer kleiner wird, im vorgerückten Alter steht und diese Unlogik einfach nicht versteht, als sehr schmerzlich empfunden. Es geht gar nicht um Renten in Höhe von 1500 DM. Darunter fallen ja auch die Renten für die Witwen, die auch heute noch so gering sind, daß sie gerade für ein normales Leben ausreichen oder sogar kurz darunter liegen.- Auch dort wirkt sich die Rentenkappung aus.Meine Damen und Herren, im Interesse der Ehrlichkeit unserer Argumente in der Rentenversicherung bitte ich Sie nochmals — da Sie ja den kleinen Schritt schon gehen wollen, weil Sie das Unrecht oder das Quälende doch einsehen — —
— Sie gehen ja den Schritt. In allen Briefen, die einzelne Abgeordnete aus diesem Hause geschrieben haben, aber auch in allen Briefen, die nicht nur von den Abgeordneten, auch im Auftrag der Fraktionen geschrieben wurden, ist diesen Petenten immer wieder versprochen worden, daß — weil dieses Unrecht gesehen werde — versucht werde, es bei einer Novellierung aus der Welt zu schaffen. Hier und heute haben Sie dazu Gelegenheit.
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8858 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
OlleschIch darf Sie nochmals bitten, unserem Antrag, der den vollen Schritt geht, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte auch namens meiner Fraktion, den FDP-Antrag abzulehnen und den gemeinsamen Antrag auf Umdruck 607 *) anzunehmen.
Herr Kollege Ollesch, die Ablehnung Ihres Vorschlages hat zwei bedeutsame Gründe. Erstens haben die Versicherten bis zur Rentenreform einen wesentlich geringeren Beitrag gezahlt, als es nach der Rentenreform mit 14 % der Lohnsumme der Fall ist. Sie wissen, daß die Beiträge früher im Schnitt 5,6 % der Lohnsumme betragen haben. Das heißt, die neuen, höheren Renten können überhaupt nur dadurch finanziert werden, daß die Versicherten heute bereit sind, einen Beitrag bis zum Zweieinhalbfachen dessen zu leisten, was früher einmal gezahlt worden ist.
Sodann muß ich Sie von dem Irrtum befreien, daß die neuen Rentner mit ihren Beiträgen nach 1957 überhaupt noch auf eine Rente kommen, die 200 % des Durchschnittseinkommens erreicht. Nach den vorliegenden Werteinheitstabellen kann ein Versicherter mit einem Höchstbeitrag 1962 beispielsweise nur noch eine Steigerung bis zu 155 % des Durchschnittseinkommens erreichen. Es wäre also gegenüber den heutigen Beitragszahlern, aber auch den möglichen Leistungsansprüchen mehr als ungerecht, hier nun etwa eine Rente zu gewähren, die bei 300 % oder darüber liegt.
Ich will Ihnen noch einen weiteren Hinweis geben. Sie sagten in Ihrer Begründung, für einmal gezahlte Beiträge müsse doch das zustehende Äquivalent gezahlt werden. Ihr Irrtum beruht darauf, daß Sie der Auffassung sind, daß alle Beiträge zu gleichen Wertmaßstäben in Ansatz gekommen sind, wie es heute der Fall ist. Bis zur Rentenreform sind die höheren freiwilligen Beitragsklassen in der Angestelltenversicherung prozentual gesehen erheblich günstiger bewertet worden als die Pflichtbeiträge. Während die Pflichtbeiträge im Schnitt mit 12,5 % Steigerungsbetrag bewertet worden sind, sind die darüberliegenden freiwilligen Beiträge mit 14 bis 16 % des Steigerungsbetrags in Rechnung gestellt worden. Das ist doch eine Überbewertung, die wir heute, auf der jetzigen Basis nicht mehr beibehalten können.
Deshalb bitten wir um Ablehnung des Antrags der FDP und Zustimmung zu dem Antrag Umdruck 607.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
*) Siehe Anlage 5
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur wenige Worte sagen. Herr Kollege Ollesch, man kann sicherlich in einer Materie dieser oder jener Auffassung sein. Aber daß dies ein Unrecht ist, kann sicherlich nicht gesagt werden.Wir haben 1957 bei der Neuordnung der Rentenversicherung in einer sehr großzügigen Weise die früheren Einkommensverhältnisse zugrunde gelegt. Der Beitrag ist nicht mehr in derselben Funktion erhalten geblieben, die er in der früheren Rentenversicherung hatte, sondern der Beitrag ist heute ein Gradmesser dafür, welcher Lebensstandard gewissermaßen in die Versicherung eingegangen ist. Nun legen wir heute in der Rentenversicherung einen Lebensstandard zugrunde, der bis zum Doppelten des Einkommens aller Versicherten reicht. Wir verlangen heute von den Versicherten 14 % Beitrag. Das hat es in der Geschichte der Rentenversicherung nie gegeben.
Diesen Beitrag von 14 % des Einkommens hat überhaupt zu keinem Zeitpunkt jemand gezahlt, auch der nicht, der die meiste Überversicherung in seinem Leben bezahlt hat. Das ist die prozentuale Rechnung. Das gilt aber auch nominell. Es gibt niemanden in der ganzen Zeit der Rentenversicherung, der einen so hohen Beitrag — nämlich 168 DM — bezahlt hat, wie wir ihn heute den Versicherten abnehmen. Für einen Versicherten, der heute für ein Einkommen von 1000 DM einen Beitrag von 140 DM zu bezahlen hat, ist es schlechterdings unvorstellbar, daß er Renten von Leuten finanzieren soll, die aus einem viel niedrigeren Einkommen zu einem viel geringeren Prozentsatz und damit mit einem viel geringeren Beitrag versichert waren. Das ist schlechterdings unzumutbar.Was dabei berücksichtigt werden muß, ist in dem Antrag der CDU/CSU und der SPD enthalten. Es geht darum, daß der Betreffende damals mehr als seine Pflicht getan hat, daß er mehr gezahlt hat, als er zu bezahlen verpflichtet war. Da müßte man das, was er mehr bezahlt hat, von den Beiträgen derer decken lassen, die heute mehr bezahlen, als es ihre Pflicht ist, nämlich aus den Beiträgen der Höherversicherung von heute. Deshalb haben wir Ihnen vorgeschlagen, daß wir rückwirkend — natürlich mit gewissen Pauschalierungen — diese Überversicherung in ein der heutigen Höherversicherung gleichwertiges Institut verwandeln.Dabei vergessen Sie bitte eines nicht, meine Herren Kollegen von der FDP. Die Versicherten von damals haben gegenüber den heutigen Versicherten noch den großen Vorteil, daß wir bei ihnen die 200 % ausdehnen auf die Lehrzeit und auf alle Zeiten, in denen sie weniger als 200 % verdienten, was einem heutigen Versicherten nicht passiert, obwohl er höhere Beiträge bezahlt. Wir bitten Sie also, hier das Maß zu halten, das auch in der Rentenversicherung notwendig ist. Unrecht ist keinem geschehen; denn er ist von seinem damaligen Lebensstandard auf den heutigen in der Versicherung gehoben. Wir
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Stinglbeseitigen nicht ein Unrecht, sondern wir tun etwas zusätzlich Gutes.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 610 Ziffer 1. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über die Nr. 12 ab.
— Jawohl, wir stimmen nach den Buchstaben ab. Nr. 12 Buchstabe a entfällt.
Nr. 12 Buchstabe b! Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist einstimmig beschlossen.
Nr. 12 Buchstabe c! Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Nr. 12 Buchstabe c ist angenommen.
Nr. 12 Buchstabe d! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen; einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf die Nr. 12 a. Wird dazu das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sehen uns leider außerstande, dem § 1255 a unsere Zustimmung zu geben. Ich möchte im Auftrag meiner Fraktion unsere ablehnende Haltung begründen.
Der § 1255 a regelt die Neubewertung der beitragslosen Zeiten. So ist z. B. für Zeiten der Krankheit, der Arbeitslosigkeit und des Rentenbezuges eine individuelle Bewertung entsprechend den bisher zurückgelegten Versicherungs- und Ausfallzeiten vorgesehen. Für die Schul-, Fachschul- und Hochschulzeiten richtet sich die Bewertung nach Tabellenwerten bzw. nach Leistungsgruppen; diese Leistungsgruppen sind in der Anlage 2 zu § 1255 a festgelegt. Bedauerlicherweise ergibt sich bei diesen Leistungsgruppen trotz unseres Einspruchs bei den Ausschußberatungen eine unterschiedliche Höhe bei den männlichen und bei den weiblichen Versicherten, die eindeutig — eindeutig! — zuungunsten der weiblichen Versicherten geht, und zwar zum Teil bis zu 30 %.
Zur Begründung dieser Unterschiedlichkeit in den Tabellenwerten wurde von den Vertretern einer solchen Regelung darauf hingewiesen, daß die Frauen laut Statistik weniger verdienten als die Männer und daß deshalb diese unterschiedlichen Tabellenwerte nicht nur berechtigt, sondern durchaus auch notwendig seien.
Wir meinen, daß diese Begründung ein Scheinargument in sich birgt. Denken Sie bitte daran: es handelt sich bei diesen beitragslosen Zeiten um die Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung, also um eine qualifizierte Ausbildung, die auch eine qualifizierte berufliche Tätigkeit nach sich zieht, die vor ,allem dann auch eine gleiche Entlohnung wie bei den Männern erfordert und in den meisten Fällen wohl auch zur Folge hat.
Man kann auch nicht argumentieren, daß die Löhne und Gehälter der Frauen in der Vergangenheit niedriger lagen und man deshalb an der schlechteren Bewertung der Frauenarbeit durch diese Leistungsgruppen festhalten muß, weil das Gesetz schließlich auch in die Zukunft wirkt. Wir können die Lohnunterschiede der Vergangenheit mit diesem Gesetz nicht in die Zukunft hineintragen. Wir versuchen z. B. in diesem Gesetz ganz bewußt Korrekturen für die Empfänger von Sachbezügen vorzunehmen, wollen also bestehendes Unrecht für diese Gruppen beseitigen. Das ist gut und begrüßenswert. Für die Frauen aber, die schon immer unter dem Unrecht gelitten haben, daß ihre Arbeit schlechter bewertet, schlechter entlohnt wurde als die der Männer, wollen Sie dieses Unrecht durch die Unterschiedlichkeit in den Leistungsgruppen gesetzlich verankern und damit die Alterssicherung der Frauen negativ beeinflussen.
Im Grunde legen die Verfechter einer solchen Regelung damit fest, daß die Ausbildung eines jungen Mädchens geringer bewertet wird als die Ausbildung eines jungen Mannes, und wir meinen: damit kann man sich nicht einverstanden erklären.
Sie selbst, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, haben während der Beratungen im Ausschuß zugeben müssen, daß ein entscheidender Fehler der vorgesehenen Regelung darin liegt, daß hierbei Durchschnittsverdienste genommen, daß diese Durchschnittsverdienste auf alle Frauen übertragen wurden und daß dadurch die Frauen, die das gleiche verdienen wie die Männer, eindeutig benachteiligt werden. Das können wir nicht tun. Wir können nicht in einem Gesetz, das Härten beseitigen soll, nun für die Frauen in die Zukunft hinein neue Härten verankern. Darüber hinaus befürchten wir — auch das ist ein schwerwiegendes Argument, und ich bitte .Sie, es sich zu Herzen zu nehmen —, daß eine solche Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, weil diese unterschiedliche Behandlung die Verfassung verletzt.
Aus diesen Gründen sehen wir uns veranlaßt, gegen den § 1255 a zu stimmen, und wir wären sehr froh, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, wenn Sie unseren Argumenten folgen und ebenfalls diesen Paragraphen ablehnen würden.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
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8860 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dem letzten Ratschlag von Frau Korspeter leider nicht folgen, sondern muß ihr sagen, daß wir dem § 1255 a zustimmen werden.
Frau Kollegin Korspeter, Sie haben eine besondere Nuance dieses Paragraphen behandelt. Darauf wird Frau Kalinke noch eingehen. Aber da der § 1255 a nun einmal zur Diskussion steht, ist es vielleicht zweckmäßig, zu seiner Konstruktion überhaupt ein paar Worte zu sagen.
Wir sind in der Situation, daß wir etwas regeln müssen, was an sich keine festen Werte für die Rentenberechnung hat. Wie soll denn die Schulzeit des einzelnen bewertet werden? Wie werden seine Krankheit und ähnliches bewertet? Wie werden Ersatzzeiten in der Rentenversicherung bewertet? Das heutige Recht ist nach unser aller Auffassung zwar gut, aber dennoch gibt es Fälle, in denen dieses heutige Recht zu Unrecht werden kann, nämlich dann, wenn jemand in einem längeren Versicherungsverlauf sehr viele solcher Zeiten und am Ende seines Lebens nur Teilzeitbeschäftigung hat oder sehr geringe freiwillige Beiträge gezahlt hat. In Parenthese gesagt: Bei den freiwilligen Beiträgen kann er sich danach richten, aber 'bei Teilzeitbeschäftigung und ähnlichem kann er es nicht. Bei der Härtenovelle waren wir gezwungen, eine neue Regelung zu finden. Die Bundesregierung hat uns damals vorgeschlagen, alle diese Zeiten mit dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten zu bewerten. Dagegen erhob sich in der Diskussion ein großer Sturm, und wir alle miteinander waren bei den Beratungen durchaus der Meinung, daß das zwar eine einfache, aber dafür auch ungerechte Regelung sei. Nach langen Überlegungen haben wir jetzt die vorliegende Regelung gefunden, die für die Vergangenheit den Durchschnitt bringt, den man sich bis zum 31. 12. 1964 erdient hat. Aber für die Zukunft werden diese Ausfall- und Ersatzzeiten so gewertet, daß man den im Zeitpunkt der Ausfallzeiten errungenen Lebensstandard für diese Zeiten bekommt, also den vom 31. 12. des Vorjahres. Das heißt, es kann nicht mehr vorkommen, daß jemandem für eine Zeit der Krankheit im Jahre 1965 mehr angerechnet wird, als wenn er nicht krank geworden wäre und weiter seine Beiträge in einem vielleicht niedrigeren Einkommensniveau gezahlt hätte.
— Herr Kollege Schellenberg, in diesem Falle stimmen wir ja gemeinsam. Es handelt sich im Augenblick noch nicht um die von Frau Kollegin Korspeter aufgeworfene Frage.
Herr Heubeck sagt, daß das in der Tat die möglichst individuelle und gerechte Regelung sei, und auch die Sachverständigen, die wir noch einmal gehört haben, haben uns bestätigt, daß, wenn man individuell sein wolle, das die denkbar 'beste Lösung sei.
Nun geht der Angriff der Frau Kollegin Korspeter gegen etwas anderes, nämlich gegen die Bewertung der Schulzeiten. Meine Damen und Herren, Sie werden unschwer erkennen, daß wir für die Schulzeit eben noch keinen Beziehungspunkt haben, weil ja jemand, der eine Schulzeit durchmacht, erst hinterher ins Arbeitsleben eintritt. Jetzt können wir natürlich nur folgendes tun. Wir könnten die Schulzeiten mit einem für alle gleichen Wert versehen. Das ist ungerecht. Was wir vorschlagen, ist dies: Die Schulzeiten werden mit dem Wert versehen, der sich als Durchschnitt aus der Lebenserwartung der aus diesen Schulzeiten kommenden Versicherten ergibt. Da kommt natürlich das Problem der Durchschnittswerte und der Statistiken. Aber der Gesetzgeber ist in der Versicherung gehalten, wenn er nicht alles nivellieren will, die bestehenden Verhältnisse anzuerkennen. Wenn das Gefälle zwischen den Verdienstmöglichkeiten von Mann und Frau verschwindet, wird man natürlich auch hier die Konsequenzen zu ziehen haben. Solange uns keine anderen Größen zur Verfügung stehen, müssen wir bei diesem System bleiben. Ich bitte Sie also, auch für diesen § 1255 a, der neu eingeführt werden soll, zu stimmen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte der Kollegin Korspeter hier so antworten, wie wir es bereits im Ausschuß getan haben. Ich bedauere mit Ihren Kolleginnen und den unseren, daß in einer Bezugnahme auf Durchschnitts-Werte die Frauen immer zu kurz kommen, weil die Bruttoarbeitsverdienste der weiblichen Versicherten leider niedriger sind als die Durchschnittsverdienste der männlichen Versicherten. Ich glaube aber, daß Sie Unrecht haben, wenn Sie meinen, daß hier der Gleichheitsgrundsatz in irgendeiner Weise angetastet werde. Sie würden mit einer Klage unter Bezugnahme auf den Gleichheitsgrundsatz deshalb nicht durchkommen, weil es sich hier ja nicht darum handelt, daß individuelle Leistungen in Beiträgen durch individuelle Leistungen in der Rente ausgeglichen werden; es geht also nicht um das Prinzip von Leistung und Gegenleistung, auf individueller Versicherungsbasis, sondern es geht hier um eine Berücksichtigung von Durchschnitts- und Bruttoarbeitsverdiensten. Weil die Durchschnittsverdienste der Frauen bekanntlich leider, so sehr wir das bedauern, niedrig liegen — Sie und ich kennen die Gründe — und weil es bei der Berücksichtigung von Durchschnittswerten in keiner Tabelle die Möglichkeit individueller Gerechtigkeit gibt, ist diese Formulierung des Gesetzestextes, wie uns auch die Sachverständigen bestätigt haben, leider der einzig mögliche Weg.Ich bedauere nur, daß Sie nicht einen Änderungsantrag eingebracht haben, in dem Sie darlegen, wie wir bei der gegebenen Rentenformel und der Gesetzeslage gerechter verfahren könnten. Ich bekenne ehrlich, daß ich von einem solchen Änderungsantrag
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8861
Frau Kalinkevon Ihnen nichts weiß. Sie sollten sagen, wie wir es anders regeln könnten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Bestimmungen der §§ 1255 und 1255 a über die neue Bewertung der beitragslosen Zeiten werden uns noch außerordentlich zu schaffen machen. Es stimmt zwar, daß gewisse Härten beseitigt werden. Auf der anderen Seite werden aber neue Härten geschaffen.
Auf den Punkt der ungleichen Bewertung der Einkommen bei Männern und Frauen 'will ich nicht mehr eingehen. Aber Herr Kollege Stingl hat auf die unterschiedliche Bewertung von Hochschul-, Fachschul- und sonstiger Schulausbildung und Lehrzeit Bezug genommen. Hier, so müssen wir schon sagen, haben wir größte Bedenken, eine Berufsoder Schulausbildung unterschiedlich in Ansatz zu bringen, ohne daß man weiß, wie sich bei dem einzelnen Versicherten in .dem 'späteren Arbeitsleben das Einkommen auf Grund dieser Ausbildung tatsächlich gestalten wird. Hier wird einfach die bessere oder die mögliche bessere Berufsausbildung wesentlich höher bewertet, ohne daß damit- die Garantie gegeben ist, daß im späteren Arbeitsleben diese bessere Ausbildung auch zu Buche schlägt.
Die andere Frage ist: Wie steht es mit der Bewertung der Ausfall- und Ersatzzeiten bei Krankheit, Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit usw. Auch hier wird eine grundsätzliche Änderung in der Weise vorgenommen, daß nicht mehr wie bisher das erarbeitete Durchschnittseinkommen ,des Arbeitslebens zugrunde gelegt wird, sondern daß für jedes Kalenderjahr ein besonderer Ansatz vorgenommen wird, so daß es bei Saisonarbeitern mit sehr viel Ausfallzeit vorkommen könnte, daß 20, 30 oder 40 Jahresberechnungen notwendig sind, um zu ermitteln, mit welchen Werten jeweils eine beitragslose Zeit anzusetzen ist.
Alle Berufe, die eine aufsteigende Linie haben, werden durch diese neue Art der Berechnung der beitragslosen Zeiten benachteiligt, insbesondere die Angestellten, weil nicht mehr ihr höheres Lebensdurchschnittseinkommen, sondern die jeweils in jedem Jahr anfallenden beitragslosen Zeiten zu den bis dahin erreichten Einkommen in Ansatz gebracht werden. Das ist gegenüber der bisherigen Regelung ein erheblicher Nachteil. Wir befürchten für große Teile der Angestelltenschaft, aber auch der Facharbeiterschaft, Nachteile.
Nun, Frau Kollegin Kalinke, ein Wort dazu, warum wir im Augenblick keinen Antrag gestellt haben. Die Regierung hat Vorschläge unterbreitet, die in dieser Form nicht zu akzeptieren waren. Sie haben im weiteren Verlauf der Beratungen erneute Vorschläge in einer Vielfalt und einem Ausmaß gebracht, daß selbst die Fachleute der Sozialversicherungsträger, hier also der Rentenversicherungsträger, erklärt haben, daß sie größte Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser neuen Berechnungsmethoden sähen; sie haben darauf aufmerksam gemacht, daß insbesondere durch das, was vielleicht noch maschinell zu bewältigen ist, eine — von den Versicherten her gesehen — große Rechtsunsicherheit eintreten wird. Dann wäre nämlich niemand mehr in der Lage — das werden Sie selbst zugeben; ich für meine Person jedenfalls gebe das zu —, einen Rentenbescheid mit solchen Zahlenwerten, die man zwar 'elektronisch noch ermitteln kann, zu prüfen. Das hätte zur Folge, daß die Versicherten nicht mehr feststellen könnten, ob ihr Rentenbescheid stimmt oder nicht.
Wir alle sind gemeinsam daran interessiert, daß die Härtenovelle noch von diesem Bundestag verabschiedet wird. Wegen dieses Zeitdrucks waren wir bei den Mitteln, die uns zur Verfügung standen, nicht in der Lage, einen anderen Vorschlag zu unterbreiten. Die Rentenversicherungsträger haben bestimmte Vorschläge gemacht, doch wurden diese nicht aufgegriffen.
Gestatten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Kalinke?
Bitte!
Sind Sie der Meinung, Herr Kollege Killat, daß man bei einer Formel oder Tabelle, die sich auf Durchschnittswerte bezieht, einmal von Durchschnitten und ein andermal von individuellen Merkmalen ausgehen kann? Halten Sie das überhaupt für möglich? Stimmen Sie mir darin zu, daß auch die Versicherungsträger — mit denen Sie doch sicher genauso gesprochen haben, wie ich das getan habe — keinen Vorschlag für ein gerechteres Verfahren machen können, es sei denn, man nähme eine völlig individuelle Berechnung vor? Das letztere würde bedeuten, daß wir das ganze Gesetz von Grund auf ändern müßten. Bitte, sagen Sie zu diesem Punkt etwas!
Sehr geehrte Frau Kollegin, die Beantwortung fällt mir leicht. Wir hatten bisher eine individuelle Bewertung. Dort, wo Schwierigkeiten aufgetreten waren, beruhten sie im wesentlichen darauf, daß beispielsweise bei den freiwillig Versicherten mit einer Manipulation der Beitragsleistung gearbeitet wurde und so die Möglichkeit bestand, daß sich geringere Leistungen ergaben. W enn Sie entsprechend unseren Vorschlägen einer absoluten Versicherungspflicht für alle Arbeitnehmer, auch für die Angestellten, zugestimmt hätten, dann wäre ein großer Teil der Härten beseitigt. Die Härten, die dann noch verblieben wären, könnten mit Verhältnismäßig einfachen Mitteln beseitigt werden.
Gestatten Sie eine weitere Frage der Abgeordneten Frau Kalinke?
Bitte!
Sind Sie der Auffassung, daß wir an der alten Regelung hätten fest-
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8862 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Frau Kalinkehalten müssen? Dann hätten Sie doch eigentlich den Antrag stellen müssen, diese alte Regelung wiederherzustellen!
Nein, Frau Kollegin. Wenn Sie unseren Vorschlägen gefolgt wären, die Angestellten ebenso wie die Arbeiter ausnahmslos in die Solidargemeinschaft einzubeziehen, dann wäre ein großer Teil der Schwierigkeiten, die im Bereich der freiwilligen Versicherung aufgetreten sind, beseitigt worden. Die dann verbleibenden Schwierigkeiten hätten in anderer Form beseitigt werden können, z. B. bei den Berufsunfähigen durch einen Zuschlag, wie das ja in diesem Gesetz vorgesehen ist.
Sie aber sind nicht bereit, die Konsequenzen zu ziehen, sondern suchen nur nach Möglichkeiten — wie das auch bei dem heute von der FDP gestellten Antrag der Fall ist —, eine negative Regelung Platz greifen zu lassen, die es gestattet, jeweils das geringste Risiko zu übernehmen. Einem solchen Vorschlag können wir nicht zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, es bei der Ausschußfassung zu belassen. Die bisherige Regelung der Bewertung beitragsloser Zeiten ist in der Vergangenheit stets kritisiert und beanstandet worden. Sie hat nämlich bei langen beitragslosen Zeiten und anschließender Teilzeitbeschäftigung oder Beschäftigung mit geringerem Entgelt dazu geführt, daß die Höhe der erworbenen Rentenanwartschaften absank.
Dieser Übelstand mußte auf alle Fälle beseitigt werden. Die Bundesregierung hat zunächst in der Regierungsvorlage einen Vorschlag vorgelegt. Auch er ist, wie Sie alle wissen, auf Kritik gestoßen. Wir haben dann im Laufe der Ausschußberatungen die Einfügung des § 1255 a beantragt. Darauf hat die SPD die Anhörung von Sachverständigen verlangt. Wir haben uns mit der Anhörung von Sachverständigen der Rentenversicherungsträger einverstanden erklärt. Diese haben uns — speziell zu diesem Paragraphen — gesagt, das sei von den denkbaren Lösungen die beste. Das ist die Aussage der Sachverständigen! Wir haben deswegen keinen Anlaß, von unserem Antrag abzugehen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über Nr. 12 a. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Nr. 12 a ist angenommen.
Ich rufe Nr. 12 b auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab. Wer Nr. 12 b zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; Nr. 12 b ist angenommen.
Ich rufe Nr. 13 auf. Dazu liegen Änderungsanträge vor. Zunächst der Antrag der Fraktion der
SPD auf Umdruck 606 unter Ziffer 2! Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Abgeordneter Biermann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag meiner Fraktion auf Umdruck 606 Ziffer 2 und gleichlautend die Ziffern 7 und 10 begründen, jeweils die Zahl 16 durch die Zahl 15 zu ersetzen, damit also — wie im derzeitigen Recht — die nach Vollendung des 15. Lebensjahres liegenden, nicht versicherungspflichtigen Ausbildungszeiten wie Ausfallzeiten bewertet werden.Gegen die vom Ausschuß mit Mehrheit beschlossene und Ihnen vorliegende Fassung, wonach Ausbildungszeiten künftig erst vom 16. Lebensjahr an gerechnet werden sollen, bestehen in meiner Fraktion nicht nur erhebliche Bedenken, wir finden das vielmehr unverständlich. Zweifellos stellt das geltende Recht, daß nur Schulzeiten vom 15. Lebensjahr an, nicht aber nicht versicherungspflichtige Lehrzeiten anerkannt und angerechnet werden können, eine unvertretbare Härte dar. Mit Recht soll und muß daher eine Änderung, d. h. die Einbeziehung der nicht versicherungspflichtigen Lehrzeiten, also eine Anrechnung, vorgenommen werden. Wir sind aber der Meinung, daß dies nicht im Sinne der Ausschußmehrheit geschehen darf. Wir sind der Auffassung, daß es notwendig ist, das 15. Lebensjahr bestehen zu lassen.Wenn es nicht beim 15. Lebensjahr bleibt, beseitigen Sie nicht eine vorhandene Härte, sondern Sie schaffen für eine Vielzahl Versicherter eine neue Härte, die meines Erachtens nicht das Ziel des uns zur Verabschiedung vorliegenden „Gesetzes zur Beseitigung von Härten in der gesetzlichen Rentenversicherung" sein kann und sein darf. Im übrigen werden von den Betroffenen auch hierdurch keine fünfzig Versicherungsjahre mehr erreicht werden können.Die Begründung der Bundesregierung für die Notwendigkeit ihres Vorschlages scheint uns übrigens wenig überzeugend. Sie bezieht sich darauf, daß in früheren Jahrzehnten die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres begonnen und die derzeitig gültigen Regelungen somit zu einer Begünstigung derjenigen Personen geführt habe, die eine Schulausbildung zurückgelegt hätten.Hierzu muß gesagt werden, daß die Vorschriften, die eine Versicherungspflicht erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres begründen konnten, bereits am 1. November 1922 bzw. am 1. Januar 1923 weggefallen sind. Fest steht, daß durch die vorgesehene Neufassuung eine Härte für alle Versicherten eintritt, die nach dem 31. Dezember 1906 geboren sind und eine über das 15. Lebensjahr hinausgehende Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung erfahren haben.Wir meinen also, wir müssen heute dafür Sorge tragen, daß das geltende Recht nicht verschlechtert wird, daß durch ein Gesetz, das Härten beseitigen will, nicht offensichtliche neue Härten geschaffen werden. Darum geht uns bei unserem Antrag
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BiermannIch darf Sie bitten, meine Damen und Herren, unserem Antrage zu entsprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Becker .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich dem Antrag, den der Kollege Biermann im Namen seiner Fraktion gestellt hat, nicht zustimmen kann. Ich muß Sie namens meiner Freunde bitten, diesen Antrag abzulehnen.
— Herr Kollege Schellenberg, wenn ich hier nur nach meinem Gefühl entscheiden könnte, würde ich gern Ihrem Antrag zustimmen. Aber Sie werden gleich hören, warum ich es leider nicht kann. Wir haben uns ja im Ausschuß lange über dieses Problem unterhalten.
Bei der Rentenreform 1957 haben wir die Schulzeiten vom 15. Lebensjahr an, ich darf sagen, gut honoriert, während wir die Lehrlingszeiten, die nach damaligem Recht versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig waren, berücksichtigt haben. Ich bin Ihnen, meine Damen und Herren, auch von der SPD, dankbar, daß Sie mir im Ausschuß für Sozialpolitik geholfen haben, die Lehrlingszeiten überhaupt in unsere Härtenovelle einzubeziehen. Auch die Kollegen von der FDP halben hierbei mitgestimmt.
Nun fragen wir: Warum erst vom 16. Lebensjahr an, wie es jetzt die Ausschußvorlage vorsieht? Meine sehr verehrten Damen und Herren, überwiegend aus finanziellen Gründen, aber auch aus Gleichheitsgründen sind wir auf das Lebensalter von 16 Jahren gekommen. Sie wissen— der Kollege Biermann sagte es eben schon —, bis Ende 1923 begann die Versicherungspflicht generell erst mit dem 16. Lebensjahr. Als wir 1957 die Schulzeit vom 15. Lebensjahr an honorierten, haben wir also die Schüler bessergestellt als die Arbeitnehmer, die 1923/24 schon im Beruf standen, aber bis dahin keine Versicherungszeiten hatten. Deshalb sind wir auch für Schulzeiten generell vom 15. auf das 16. Lebensjahr zurückgegangen.
Würden wir -Ihrem Antrag entsprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren, würde das eine Mehrbelastung von 700 Millionen DM ausmachen.
— Es würde 700 Millionen DM ausmachen! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Gegenrechnung aufstellten.
— Diese Mehrbelastung, Herr Kollege Schellenberg, wollen wir der Versichertengemeinschaft nicht zumuten. Das sagen wir in aller Offenheit.
Es kommt noch hinzu — auch das muß hier gesagt werden, Sie haben es soeben angeschnitten —, daß die pauschale Ausfallzeit nach dem Recht, das wir heute setzen wollen, wesentlich verbessert wird und ebenfalls vom 16. Lebensjahr an Geltung haben soll.
Noch eines müssen wir vom Gleichheitsgrundsatz her sagen. Selbst im Fremdrentengesetz gilt die Berechnungszeit vom 16. Lebensjahr an. Würde dem Antrag der SPD, auf 15 Jahre zurückzugehen, entsprochen, so müßten ja logischerweise auch die pauschale Ausfallzeit und das Fremdrentengesetz auf 15 Jahre zurückgehen; und das wäre eine finanzielle Belastung, die wir der Versichertengemeinschaft heute einfach noch nicht zumuten können.
Deshalb muß ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitten, sowohl aus finanziellen Gründen wie aus Gründen des Gleichheitsprinzips den Antrag der SPD abzulehnen.
Mein Ablehnungsantrag gilt gleichzeitig für die Ziffern 7 und 10 des Antrags auf Umdruck 606.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Wollen Sie vielleicht dadurch zur Finanzierung beitragen, daß Sie § 1386 bestehen lassen? Das wäre eine wesentliche Hilfe zur Finanzierung von Leistungsverbesserungen.
Zu § 1386 wird ein anderer Kollege nachher Stellung nehmen. Zu diesem Paragraphen werden Sie ja noch etwas Besonderes sagen wollen, und mein Kollege — ich glaube, der Kollege Gassmann — wird dazu etwas sagen. Ich will ihm seine Argumente nicht vorwegnehmen.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 606 Ziffer 2. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag auf Umdruck 608 *) Ziffer 1, ebenfalls zu § 1 Nr. 13 Buchstabe b. Soll dieser Antrag begründet werden?
— Herr Abgeordneter Becker, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem gemeinsamen Antrag der CDU/CSU, SPD und FDP ist wenig zu sagen. Er dient lediglich der Klarstellung.Ich darf Sie aber bitten, unter Ziffer 1 eine Berichtigung vorzunehmen. Dort sind die Worte „nicht*) Siehe Anlage 6
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8864 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Becker
versicherungspflichtigen oder" zweimal enthalten; sie müssen selbstverständlich einmal gestrichen werden.Zur Klarstellung kurz folgendes. Wir hatten bisher zwei Begriffe: „nicht versicherungspflichtig" und „versicherungsfrei". Nicht versicherungspflichtig war, wer überhaupt kein Entgelt bezog. Das war öfters bei Lehrverhältnissen der Fall, bei denen überhaupt kein Entgelt gezahlt wurde, ja, bei denen sogar noch Lehrgeld gezahlt werden mußte. Versicherungsfrei war ein Lehrverhältnis, bei dem der Lehrling kein Bargeld, sondern Kost und Logis bezog. Dieses Verhältnis war nach dem Gesetz versicherungsfrei, und das soll nach diesem Antrag auf Umdruck 608 klargestellt werden.Ich darf um Annahme bitten.Diese Begründung gilt für die Ziffern 1, 2 und 3 auf diesem Umdruck.
Da der Änderungsantrag auf Umdruck 608 interfraktionell ist, ist wohl anzunehmen, daß alle Ziffern dieses Antrages akzeptiert werden, so daß ich über den Antrag insgesamt abstimmen lassen kann.
Wer dem Antrag Umdruck 608 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Dann lasse ich jetzt, damit ich das nicht übersehe, über Nr. 13 Buchstabe a und die folgenden Buchstaben bis b abstimmen, die wir eben bereinigt haben. Muß ich einzeln abstimmen lassen?
— Ja, zu b kommen wir noch. Ich will jetzt durch diese Abstimmung nur die Abstimmungen vorher bereinigen.
Buchstabe a. Wer stimmt dem zu? — Danke. Die Gegenprobe! — Einstimmig beschlossen.
Buchstabe Wer stimmt dem zu? Ich bitte um
ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Einstimmig beschlossen.
Buchstabe a2. Wer stimmt zu? — Danke. Gegenprobe! — Einstimmig beschlossen.
Nun kommt Buchstabe b. Dazu haben wir noch einen Änderungsantrag, den Antrag Umdruck 610 Ziffer 2a. Wird dieser Antrag begründet? — Bitte, Herr Abgeordneter Deneke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei diesem Antrag, das Wort „fünf" durch das Wort „sechs" zu ersetzen, darum, daß wir die Dauer des Hochschulstudiums mit sechs Jahren statt mit fünf Jahren anerkennen möchten. Wir möchten damit der Entwicklung Rechnung tragen. Ganz allgemein hat sich die Studiendauer verlängert. Es gibt gewisse Studien mit einer längeren Mindestdauer als fünf Jahren; ich darf an das Chemiestudium und an das Medizinstudium erinnern. Es ist also notwendig, die Vorschriften anzupassen. Nachdem Sie die anderen Ausbildungs- und Studienzeiten angepaßt haben, sollte auch diese Zeit wenigstens um ein Jahr verlängert werden. Ich bitte Sie um die Zustimmung zu diesem unserem Antrag.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider kann ich namens der CDU/CSU-Fraktion dem Antrag der FDP nicht \\zustimmen. Ich bitte Sie, diesen Antrag zu § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO abzulehnen.
Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat in einer
Auskunft darauf verwiesen, daß innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren in aller Regel die an das Hochschulstudium sich anschließende weitere wissenschaftliche Ausbildung beendet ist. Wir kommen mit einer Entscheidung, die wirklich als großzügig bezeichnet werden kann, den Wünschen des betroffenen Personenkreises weitgehend entgegen, zumal nach meiner Meinung auch durch den Änderungsantrag der FDP die wirklich vorhandenen Ausnahmefälle nicht alle erfaßt würden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Zweijahresfrist, innerhalb deren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen sein muß, beginnt im Falle einer Hochschulausbildung nicht schon mit der Exmatrikulation, sondern frühestens mit der Abschlußprüfung . Sie beginnt jedoch mit der Promotion,a) wenn als Abschluß der Hochschulausbildung eine andere Prüfung gar nicht vorgesehen ist oderb) wenn zwar eine andere Prüfung möglich ist, der Student sich jedoch nur für die Promotion als Abschluß seiner Hochschulausbildung entschließt (was in allen Studienfächern zulässig ist) oderc) wenn sich die Promotion an das Staatsexamen oder die Diplomprüfung anschließt.Die Neufassung, meine Damen und Herren, des von mir genannten Erlasses müßte von der jetzt vorgesehenen Fünfjahresfrist ausgehen und eben besonders auf diesen Personenkreis, der hier angesprochen worden ist, Rücksicht nehmen. Es handelt sich hierbei meistens um ehemalige Hochschulassistenten, die um das Jahr 1945 ihre Diplomhauptprüfung abgelegt und später promoviert haben und Anfang der fünfziger Jahre erstmals eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen konnten. Wenn
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8865
Weigl,die Fünfjahresfrist in diesen Fällen erst mit der Promotion beginnt, ist dem Anliegen — das möchte ich wenigstens meinen, Herr Kollege Deneke — der FDP weitestgehend entsprochen.Aus grundsätzlichen Erwägungen bitte ich Sie also, diesen anderen Vorstellungen nicht zu folgen, und ersuche namens meiner Fraktion um Ablehnung des Antrages.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 610 Ziffer 2 a. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich abstimmen über die so geänderte Fassung des Buchstaben b der Nr. 13. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Buchstabe b ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Buchstabe c entfällt.
Buchstabe d! — Wer stimmt dem Buchstaben d zu? — Danke. Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Einstimmig beschlossen.
Ich rufe Buchstabe di auf. Wer stimmt diesem Buchstaben zu? — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Buchstaben e auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 610 Ziffer 2 b vor. Soll der Antrag begründet werden? — Bitte, Herr Abgeordneter Deneke!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Heren! Es handelt sich um die Materie, die in den Ziffern 3, 8 b usw. des gleichen Änderungsantrages noch einmal berührt wird. Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, daß die jetzt bestehende Benachteiligung der freiwillig weiterversicherten Selbständigen gegenüber den freiwillig weiterversicherten Abhängigen beseitigt wird. Unserer Meinung nach bedeutet die geltende Fassung eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil die freiwillig Weiterversicherten durch sie in zwei Gruppen geteilt werden: die freiwillig weiterversicherten Selbständigen und die freiwillig weiterversicherten Angestellten bzw. Arbeiter. Ich bin der Meinung, es ist auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, die freiwillig weiterversicherten Selbständigen gleich zu behandeln.
Aus den Protokollen der Beratungen der Jahre 1956 und 1957 geht hervor, daß diese Ungleichbehandlung damals ausschließlich aus finanziellen Erwägungen beschlossen worden ist. Ich glaube, es ist an der Zeit, dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung hier jetzt Geltung zu verschaffen.
Ich möchte Sie daher bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe wirklich nicht gern hier hinauf, um zu sagen, man solle einen solchen Antrag ablehnen. Dennoch bitte ich Sie, meine Damen und Herren, den Antrag abzulehnen.Ohne weiteres muß zugestanden werden, daß Herr Kollege Deneke recht hat, wenn er sagt, daß die freiwilligen Beiträge der freiwillig weiterversicherten Angestellten anders behandelt werden müssen als die freiwilligen Beiträge der freiwillig weiterversicherten Selbständigen. Das hängt aber damit zusammen, daß wir das ganze Problem der Öffnung der Rentenversicherung zu einem gegebenen Zeitpunkt und unter anderen Umständen einmal regeln müßten.Daß wir im Jahre 1957 bei der Rentenreform — übrigens in Abänderung der damaligen Regierungsvorlage — diese Bestimmung verabschiedet haben, hatte folgenden Grund: Wir wollten die Zeiten, die ja Ausfallzeiten sind, nämlich Zeiten, in denen jemand nicht zur Arbeit gegangen ist — etwa wegen Krankheit oder wegen Arbeitslosigkeit —, in einem geschlossenen Versicherungsleben anrechnen. Solche Zeiten der Krankheit und der Arbeitslosigkeit gibt es in gleicher Weise in einem Selbständigenschicksal gemeinhin nicht. Es gibt sie jedoch im Schicksal eines freiwillig versicherten Selbständigen. Denn, Herr Kollege Deneke, wenn der Inhaber eines Betriebes krank wird, wird seine finanzielle Basis aus dem Betrieb heraus dennoch nicht verändert. Dagegen erhält der Arbeiter, der nicht arbeiten geht, keinen Lohn.
— Ja, Herr Kollege Deneke, das ist durchaus zuzugeben. Bei einem freien Beruf ist es wieder anders. Die ganze Anlegenheit ist also hier so differenziert, daß man die Frage der Öffnung der Rentenversicherung wirklich nicht übers Knie brechen kann.
— Oder bei den Hausfrauen, die freiwillig Beiträge gezahlt haben, was wollen Sie da als Ausfallzeit— z. B. bei Krankheit usw. — berücksichtigen? Sie müßten dann verlangen, daß eine Hausfrau, wenn sie krank wird, eine Bescheinigung des Arztes darüber beibringt, daß sie zu der Zeit krank gewesen ist.Wesentlich ist dabei aber auch noch folgendes, meine Damen und Herren, und das bitte ich nicht zu übersehen: Nach den heutigen Bestimmungen kann der freiwillig Versicherte soviel Beiträge leisten und so hohe Beiträge zahlen, wie er will; d. h. er kann zwölf Beiträge im Jahr oder gar keine zahlen. Er kann sich nach dem Höchstbeitrag oder nach dem niedrigsten Beitrag leisten; anders ausgedrückt: er ist in dieser Solidargemeinschaft, die ja auch diese Ausfallzeiten deckt, viel selbständiger, viel freier in
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8866 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Stinglseinem Ermessen als der Versicherungspflichtige und auch der Angestellte, der über die Versicherungspflichtgrenze hinaus sich weiter freiwillig versichert hat, weil die Situation gleich geblieben ist, nämlich das Gehalt als Lebensbasis zu haben und in abhängiger Stellung zu sein.Meine Damen und Herren, ich bekenne sehr offen,— und unser Parteitag in den letzten Tagen hat das deutlich gemacht —, daß unsere Fraktion und unsere Partei der Meinung sind, daß das Recht, wie es jetzt für die freiwillige Weiterversicherung besteht, verbessert werden muß. Wir sind der Auffassung, daß in Zukunft in die Rentenversicherung auch andere Kreise eintreten können. Man muß dann aber verlangen, daß den gleichen Rechten, die man aus einer solchen Versicherung bekommt — z. B. bei den Ausfallzeiten oder bei der Rentenerhöhung — gleiche Pflichten gegenüberstehen. Niemand wird behaupten können, daß dieses Statuieren gleicher Pflichten und gleicher Rechte sehr schnell und Hals über Kopf erfolgen könnte. Auch das bedarf einer langen Zeit der Reifung. Da hinein fällt eben dann auch noch das Problem der von Ihnen vorhin genannten sechs Jahre. Auch das wird man dann prüfen müssen. Man wird verlangen müssen, daß die Studienzeit entweder gekürzt oder in einem höheren Maße in der Rentenversicherung berücksichtigt wird. Man wird verlangen müssen, daß der Selbständige für die freiwillige Weiterversicherung einkommensgerechte, ständige Beiträge bezahlt, aber auch der freiwillig weiterversicherte Angestellte; ich gebe Ihnen zu, daß also insofern heute eine Diskrepanz besteht.Wir sehen uns in der heutigen Situation und angesichts der heutigen Bestimmungen der freiwilligen Weiterversicherung nicht in der Lage, hier eine Änderung eintreten zu lassen, und bitten Sie, den Antrag abzulehnen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. —
— Ich hatte zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP aufgerufen. Aber die Antragsteller — —
— Die Gegenprobe! — Danke. Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann stimmen wir über Nr. 13 in der neuen Fassung im ganzen ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist die Nr. 13 angenommen.Ich rufe Nr. 14 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 610 Ziffer 3 vor. Soll der Antrag begründet werden?
— Nein. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Antrag auf Umdruck 610 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir stimmen über Nr. 14 ab. Wer der Nr. 14 zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe!— Ohne Gegenstimmen angenommen.
— Ach so, entschuldigen Sie. Ich muß mich doch etwas daran gewöhnen, Kommandos zu geben. Aber der Präsident wird auch einmal müde. Also gut: bei Enthaltungen ist Nr. 14 angenommen.Ich rufe Nr. 14 a auf. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wir stimmen ab. Wer Nr. 14 a zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen, keine Nein-Stimmen; einstimmig angenommen.Auf Umdruck 607 Ziffer 1 liegt ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor, eine Nr. 14 ai einzufügen. Soll dieser Antrag begründet werden? —
— Er wurde schon begründet. Wortmeldungen dazu erfolgen nicht. Dann können wir gleich abstimmen. Wer stimmt dem Änderungsantrag Umdruck 607 Ziffer 1 zu? — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen ist der Antrag angenommen.Nr. 14 b! Wer Nr. 14 b zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Einstimmig angenommen.Nr. 14 c! Wir stimmen ab. Ich bitte diejenigen um ein Handzeichen, die Nr. 14 c zustimmen wollen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.Nr. 14 d! Wer Nr. 14 d zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.Nr. 15! Änderungsanträge liegen dazu nicht vor. Wer zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.Auch zu Nr. 15 a liegt kein Änderungsantrag vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt Nr. 15 a zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.Nr. 15 b! Wir stimmen ab. Wer stimmt zu? — Danke, das scheint einstimmig zu sein.Nr. 15 c! Wer stimmt zu? — Danke. Das war einstimmig.Nr. 16 ist unverändert. Wer stimmt Nr. 16 zu? — Danke. Einstimmig.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8867
Vizepräsident SchoettleNr. 17! Wer stimmt ihr zu? — Danke? Es ist so beschlossen.Ich sehe gerade, ich kann Ihnen einige „Freiübungen" ersparen, wenn ich die nächsten Nummern gemeinsam aufrufe.
Ich nehme an, die Damen und Herren sind einverstanden, wenn ich die nächsten Ziffern gemeinsam aufrufe. — Ich rufe auf: Nr. 16, — Nr. 17, — Nr. 17a, — Nr. 18, — Nr. 19, — Nr. 20, — Nr. 21. — Bei Nr. 21 a kommt ein Änderungsantrag. Die zuvor aufgerufenen Nummern stehen zur Abstimmung. Wer stimmt ihnen zu? — Danke. Das war einstimmig.Ich rufe Nr. 21 a auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 606 Ziffer 3 vor. Soll der Antrag begründet werden? — Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich wohl, wenn man nach der Finanzsumme geht, die von diesem Antrag bewegt wird, um einen der wichtigsten Anträge zur Härtenovelle. Nach dem Vorschlag der Antragsteller soll der § 1386 ersatzlos gestrichen werden. Ich verbinde mit der Begründung des Antrags Umdruck 606 Ziffer 3 gleichzeitig die Begründung des Antrags unter Ziffer 8 desselben Umdrucks, der sich auf die Angestelltenversicherung bezieht.Nach § 1386 haben die Arbeitgeber ihren Beitragsanteil zur Rentenversicherung auch für solche Beschäftigte an die Versicherungsträger zu entrichten, die entweder versicherungsfrei sind oder von der Versicherungspflicht entbunden sind. Es handelt sich dabei im wesentlichen um Rentenempfänger oder um Pensionäre aus dem öffentlichen Dienst, um Beamte, Polizeibeamte, Soldaten auf Zeit oder auch Offiziere, die schon zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt — beispielsweise bei der Polizei oder bei der Wehrmacht ab 52 bis 55 Jahre — Ruhegeld empfangen.Zur Begründung für die Streichung des § 1386 ist gesagt worden, daß der Wegfall arbeitsmarktpolitische Bedeutung habe. Bei der gegebenen arbeitsmarktpolitischen Situation sei eine solche Beitragsleistung der Arbeitgeber nicht mehr notwendig. Ich glaube, man würde die arbeitsmarktpolitische Situation falsch einschätzen, wenn man nur davon ausginge, wieviel Arbeitsplätze und wieviel Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Wir meinen, daß mit dieser Bestimmung auch das Aufkommen einer möglichen Schmutzkonkurrenz verhindert werden soll. Ich will das im einzelnen begründen.Die Einsparung eines Beitrags in Höhe von 7 % der Lohnsumme macht heute bei allen Arbeitgebern etwa 200 Millionen DM aus. Bei einem Gehalt von monatlich 600 DM bedeutet das, daß der Arbeitgeber monatlich 42 DM Beitrag weniger zu leisten hat; oder anders ausgedrückt: die Kosten für diesen Arbeitnehmer sind um 42 DM niedriger anzusetzen.Wir meinen, daß so etwas berufspolitisch außerordentlich unangenehme Konsequenzen haben kann, wenn z. B. der Arbeitgeber die Wahl zwischen einem älteren Angestellten und einem gleichaltrigen pensionierten Beamten oder Offizier von 50 oder 55 Jahren hätte. Es könnten hier sehr unangenehme Nebenwirkungen auftreten, die wir aus berufspolitischen Gründen ablehnen müssen, wenn die Lohnsumme für solche Arbeitskräfte um 7 % niedriger läge.
Aber es geht nicht nur um ein berufspolitisches Problem, sondern auch um ein Problem, ich möchte sagen, der Wettbewerbslage bei den Unternehmern. Wenn nämlich einzelne Unternehmer dazu übergingen, in stärkerem Maße solche billigen Arbeitskräfte anderen vorzuziehen — ich könnte Ihnen Branchen nennen, in denen so etwas möglich wäre —, dann würde auch für sie die Kostenlage günstiger, und wir hätten eine negative Auslese im allgemeinen Wettbewerb.Uns scheint aber — und das ist die größte Sorge, die wir bei diesem Streichungsantrag haben —, daß für die älteren Angestellten Schwierigkeiten auftreten, die nicht etwa von einer Arbeitslosigkeit her zu sehen sind. Auch heute haben die älteren Angestellten von einem bestimmten Lebensalter an Schwierigkeiten im Wettbewerb um den Arbeitsplatz. Hier sehen wir berufs-, sozial- und auch gesellschaftspolitisch große Gefahren heraufziehen, wenn man durch eine solche wesentliche Änderung der Gehaltskosten einen Personenkreis eindeutig bevorzugt.Vom Herrn Kollegen Ollesch ist in seinem Finanzbericht gesagt worden, daß sich aus dem Gesetz eine Mehrausgabe von 599 Millionen DM für alle Rentenversicherungsträger ergibt, daß wir aber durch eine Mindereinnahme von über 200 Millionen DM, die mit dieser gesetzlichen Regelung auftreten würde, praktisch schon eine Mehrausgabe von 800 Millionen DM haben würden, obwohl die Regierung in ihrer seinerzeitigen Vorlage mit einer Mehrausgabe von nur 500 Millionen DM gerechnet hat.
Diese finanzielle Situation muß man mit in Rechnung stellen. Bedenken Sie bitte, daß die Mindereinnahme von 200 Millionen DM, die für dieses oder für das nächste Jahr angesetzt ist, jährlich ständig steigen wird. In den Beratungen ist schon zum Ausdruck gekommen, daß wir auf Grund der Alterspyramide, der Verluste an Geburten und der Ausfälle durch die beiden Weltkriege für die nächsten zwei Deckungsperioden erhebliche finanzielle Schwierigkeiten haben werden. Es ist eine Milchmädchenrechnung, wenn die Wirtschaft meint, diese 200 Millionen DM Einsparungen gegen andere Ausgaben aufrechnen zu können; denn diese 200 Millionen DM eingesparter Beiträge treffen nicht alle Arbeitgeber gleichmäßig, sondern nur solche, die in der Lage sind, einen so ausgelesenen Personenkreis wie von mir dargestellt zu beschäftigen. Wenn etwa im Zuge der weiteren Entwicklung die finanzielle Schwierigkeit durch neue Beitragserhöhungen aufgefangen werden müßte, dann werden alle Arbeitgeber von solchen Beitragserhöhungen betroffen, aber aus der Einsparung von jetzt 200 Millionen
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Killatund vielleicht 250 bis 300 Millionen DM in den nächsten Jahren wird nur ein ganz bestimmter kleiner Prozentsatz der Unternehmer den Nutzen ziehen.Die Vernunft und die Gerechtigkeit gebieten, daß wir zur Verhinderung einer einseitigen Beschäftigungsauslese, aber auch zur Sicherung der Deckung des Finanzbedarfs unserer Rentenversicherung alle Arbeitgeber wie bisher durch Entrichtung gleich hoher Arbeitgeberanteile an der positiven Gestaltung unserer gesetzlichen Rentenversicherung mitwirken lassen.Ich möchte ferner hinzufügen: kein Rentner, kein Pensionär wird durch Streichung dieser Gesetzesbestimmung mehr in Arbeit gebracht werden, weil etwa der Arbeitgeber Beiträge einspart.
— Herr Kollege Porten, die Rentner und Pensionäre waren und bleiben von ihrer Beitragsleistung befreit; nur die Arbeitgeber sollten aus den von mir genannten berufspolitischen, aber auch sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen weiter an der Beitragszahlung beteiligt werden.
Die Bundesregierung hat selbst auch gar nicht den Mut gehabt, eine solche Vorlage mit dem Gesetz einzubringen, sondern erst im Zuge der Beratung innerhalb der Fraktionen, ist ein solcher Antrag gestellt worden.
Ich glaube, wenn wir die Situation einmal genau bezeichnen wollten, müßten wir sagen: es handelt sich hier um ein sehr zweifelhaftes Objekt der Kompensation, das ich von meiner Seite aus im Hinblick auf die kommenden Wahlen praktisch als ein Wahlgeschenk bezeichnen möchte.
Dazu möchten wir uns nicht hergeben! Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Gaßmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Killat hat seine Begründung überwiegend auf das finanzielle Problem —
— ich komme auch darauf noch zurück —, überwiegend auf das finanzielle Problem abgestellt. Ich muß Ihnen, Herr Kollege Killat sagen, daß Sie an der Grundsatzfrage, um die es hier geht, völlig vorbeigegangen sind.
Ich kann mich Ihrer Argumentation wirklich nicht anschließen. Ich halte es deshalb für notwendig, auf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts doch noch einmal kurz einzugehen.
— Das hat gerade noch gefehlt!
Der SPD-Antrag in Ziffer 3 und Ziffer 8 des Umdrucks 606 bezieht sich auf § 1386 der Reichsversicherungsordnung und analog dazu auf § 113 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes. Der Sozialpolitische Ausschuß hat beschlossen, diese Bestimmung ersatzlos zu streichen. Sie wollen, daß diese Vorschrift bestehen bleibe.Dieser § 1386 befaßt sich mit Personen, die ein Altersruhegeld aus einer der Rentenversicherungen beziehen, oder die als ehemalige 'Beamte Versorgungsbezüge nach 'beamtenrechtlichen Vorschriften oder beamtenrechtlichen Grundsätzen erhalten und die deshalb versicherungsfrei sind. Der § 1386 bestimmt weiter, daß für diese Personen, wenn sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, dann der Arbeitgeber den Beitragsanteil zu entrichten hat, den er entrichten müßte, wenn der Beschäftigte versicherungspflichtig wäre. Dieser § 1386 begründete also eine Beitragsschuld nur des Arbeitgebers, und er bestimmte gleichzeitig dessen Höhe.Eine solche Bestimmung haben die früheren Rentenversicherungsgesetze nicht gekannt, weil sie früher einfach für unmöglich, ja, ich möchte sagen, für verfassungswidrig gehalten wurde. Diese Bestimmung wurde erstmals im Jahre 1945 in der ehemaligen 'britischen Besatzungszone durch die Sozialversicherungsdirektive Nummer 3 vom 14. Oktober 1945 eingeführt, die revidiert wurde durch die Sozialversicherungsdirektive Nummer 20 vom 1. Oktober 1946, also zu einem Zeitpunkt, als wir völlig andere Arbeitsmarktverhältnisse hatten als heute.Eine der Regelung von 1945/46 analoge Bestimmun wurde am 1. Januar 1957, praktisch aber mit Wirkung vom 1. März 1957 an, in die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze übernommen. Dieser Vorschrift lagen damals fast ausschließlich arbeitsmarktpolitische Überlegungen zugrunde, wenn auch gewisse wirtschaftspolitische Erwägungen hinsichtlich der Wettbewerbsgleichheit bei den Arbeitgebern damals noch mit berücksichtigt worden sein mögen.Man wollte, solange noch in mehr oder weniger großem Umfang Arbeitslose vorhanden waren, zuerst einmal diese wieder in Beschäftigung bringen, und man wollte verhindern, daß Bezieher von Altersruhegeld oder von Pensionen, die versicherungsfrei waren, bevorzugt eingestellt würden. 'Das hatte damals seinen recht guten Sinn. Deshalb die einseitige Beitragsbelastung von Arbeitgebern, die solche Rentner oder Pensionäre beschäftigen wollten.Der von den Arbeitgebern zu entrichtende Beitragsanteil ist nie ein Beitrag im Sinne der Vorschriften über die Leistungsgewährung aus der ge-
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Gaßmannsetzlichen Rentenversicherung gewesen. Den Personen, für welche diese Beitragsanteile entrichtet wurden, erwächst nämlich kein zusätzlicher Vorteil oder höherer Leistungsanspruch. Es handelte sich bei § 1386 RVO also um eine ausgesprochen sozialversicherungsfremde Bestimmung. Im Sozialpolitischen Ausschuß wurde deshalb auch mit Recht festgestellt, daß die Zahlung eines solchen Sonderbeitrags ohne Honorierung bei dem Arbeitnehmer systemwidrig sei.Im Gegensatz zu den Verhältnissen im Jahre 1946 wollen wir heute bei dem bestehenden Arbeitskräftemangel genau das Gegenteil von dem erreichen, was man 1945/46 wollte. Wir wollen nämlich, daß möglichst viele Rentenbezieher, die noch voll arbeitsfähig und arbeitsfreudig sind, eine zusätzliche Beschäftigung aufnehmen können, ohne daß ihr Arbeitgeber durch die Auferlegung eines Sonderbeitrags bestraft wird.Wir von der CDU/CSU sind deshalb der Meinung, daß zu einer weiteren Aufrechterhaltung der Bestimmung des § 1386 RVO kein Grund mehr besteht. Dasselbe gilt auch für die analoge Bestimmung in § 113 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und den Änderungsantrag der SPD Umdruck 606 Ziffer 8.Es stimmt, Herr Kollege Killat, daß sich durch die Streichung dieser Vorschrift eine Beitragsminderung in Höhe von rund 200 Millionen DM ergeben kann. Eine positive Auswirkung dieses verhältnismäßig hohen Betrages mag darin liegen — und darüber sollten wir uns freuen --, daß eine verhältnismäßig große Anzahl von Rentnern und Pensionären eine zusätzliche Arbeit übernehmen und sich einen zusätzlichen Nebenverdienst erwerben konnte. Ich bin gar nicht der Meinung des Herrn Kollegen Killat, daß das eine einseitige Bevorzugung gewisser Arbeitgeber sei. Diese beschäftigten Rentner sind ja über das gesamte Bundesgebiet verstreut, das ergibt sich gerade aus dem Betrag von 200 Millionen DM.Auch die Frage des Beitragsausfalls wurde im Ausschuß eingehend erörtert.
— Alle fallen darunter, vor allem die kleineren und mittleren Betriebe auf dem Lande, die in erheblichem Umfang solche arbeitsfreudigen Rentner beschäftigen können.
In diesen Klein- und Mittelbetrieben auf dem Lande kann man viel leichter Halbtagsarbeit oder stundenweise Beschäftigung durchführen, was in den Großbetrieben mit Fließarbeit und ähnlicher Betriebs-Organisation nicht möglich ist.Bei der Erörterung dieser Frage im Sozialpolitischen Ausschuß wurde ausdrücklich festgestellt, daß die Erwägungen, die Sie, Herr Kollege Killat, angestellt haben, für die Beurteilung dieser Frage nicht ausschlaggebend seien.Der Sonderbeitrag hätte meines Erachtens, da er bei der jetzigen Arbeitsmarktlage nicht mehr notwendig war, nicht erst jetzt, sondern schon früher aufgehoben werden müssen.Der Beitragsentlastung für die Arbeitgeber ist aber, wenn Sie schon so argumentieren, wie Sie es tun, Herr Kollege Killat, gegenüberzustellen die zusätzliche Belastung, die den Arbeitgebern durch die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 1800 DM entsteht.
— Nein, das ist kein Koppelungsgeschäft und hat auch nichts mit Wahlgeschenken zu tun, sondern ist eine ganz logische Konsequenz, die sich daraus ergibt, daß die Verhältnisse, die einmal für die Schaffung des § 1386 maßgebend waren, heute nicht mehr bestehen. Und wenn etwa 430 000 Angestellte wieder versicherungspflichtig werden, dann entsteht nun einmal für die Arbeitgeber eine zusätzliche Belastung von 450 Millionen DM.
— Beim Kindergeld kommt noch eine andere Aufrechnung.
— Das gehört jetzt nicht hierher, Herr Kollege Schellenberg.Außer diesen ca. 450 Millionen DM als Folge der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze entstehen den Arbeitgebern noch weitere zusätzliche Belastungen, die sich aus einer Reihe anderer Vorschriften der Härtenovelle ergeben, es sei hier nur an die Weiterzahlung des Verdienstes und der Versicherungsbeiträge bei kurzfristigen Wehrübungen erinnert.
— Diese Firma spielt bei der Beschäftigung von Rentnern sowieso keine Rolle.Lassen Sie mich zum Schluß feststellen, daß diesen hohen zusätzlichen Belastungen mit gutem Gewissen jene Kostenentlastung gegenübergestellt werden kann. Deshalb bitte ich namens der CDU/ CSU-Fraktion, den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 606 unter Ziffer 3 und Ziffer 8 abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Ich komme zur Abstimmung über Nr. 21 a. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
— Entschuldigen Sie, ich lasse positiv über die Nr. 21 a abstimmen! Wer also zustimmen will, den
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Vizepräsident Schoettlebitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Nr. 21 a ist angenommen.Ich rufe nun auf: die Nrn. 22, — 22 a, — 22 b, -23, — 24, — 24 a, — 24 b, — 24 c und 25. — Wer den aufgerufenen Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Nummern sind einstimmig angenommen.Ich lasse nunmehr über § 1 im ganzen abstimmen. Wer § 1 in der Fassung zustimmt, die er durch die angenommenen Änderungsanträge erhalten hat, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 1 ist einstimmig angenommen.Nun ist zur Vereinfachung der Geschäftslage vorgeschlagen worden, die zu § 1 angenommenen Anträge sollten auf § 2 und § 3 sinngemäß angewandt werden, so daß wir darüber keine Abstimmung vorzunehmen hätten. — Darüber besteht Einverständnis. Ich brauche also nur noch über diejenigen Änderungsanträge abstimmen zu lassen, die durch diese Vereinbarung nicht berührt worden sind.
Ich rufe also § 1 Nr. 1 auf.
— Meine Damen und Herren Sozialpolitiker, nehmen Sie mir's nicht übel: es ist für den Laien auf diesem Gebiet wirklich nicht ganz einfach, sich durchzufinden. Sie werden mir das konzedieren.
— Gut, wenigstens dieses eine Mal!Also § 2 Nr. 1, — 1 a! Ich lasse zunächst über diese beiden Nummern abstimmen. Wer stimmt ihnen zu? — Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!Nun Nr. 2. Hier liegt ein Antrag auf Umdruck 606 unter Ziffer 4 vor. Soll dieser Antrag begründet werden? — Herr Abgeordneter Killat hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe unsere Anträge unter Ziffer 4 und Ziffer 5 zusammen; denn die in Ziffer 5 geforderte Streichung von § 5 ist eine Folge aus dem Antrag unter Ziffer 4. Es handelt sich dabei um die Einbeziehung aller Arbeitnehmer, d. h. jetzt aller Angestellten, in die Versicherungspflicht.Die Bundesregierung hat seinerzeit bei der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf darauf hingewiesen, daß wir nur Härten beseitigen wollten und daß nicht die Absicht besteht, Grundsätze der Neuordnung der Rentenversicherung, die sich seit 1957 bewährt haben, zu beseitigen. Trotzdem hat die Bundesregierung mit ihrem Vorschlag noch einen Versuch unternommen, die Arbeiter ebenso wie bisher die Angestellten nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze pflichtzuversichern. Dieser Vorschlag der Regierung ist durch uns und nach meinerMeinung auch durch den Druck der Öffentlichkeit im Ausschuß zu Fall gebracht worden.Zur Änderung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte hat die Bundesregierung in ihrer Vorlage auf Seite 23 eine sehr interessante Begründung gegeben. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:Die Versicherungspflichtgrenze hat nicht nur die Funktion, den schutzbedürftigen Personenkreis zu bestimmen; ihre nicht minder wichtige Funktion ist zugleich, den Kreis der Beitragszahler abzugrenzen, auf dessen laufender Beitragszahlung das finanzielle Gleichgewicht der Versicherung auf lange Sicht beruht.Weiter hat man festgestellt:Da in vielen Fällen die Versicherung nicht freiwillig fortgesetzt wird, entsteht eine Finanzierungslücke, die entweder durch eine Erhöhung der Beiträge oder eine Erhöhung der Bundeszuschüsse oder durch eine Herabsetzung der Leistung ausgeglichen werden müßte.Ich meine, diese Begründung rechtfertigt schon unseren Antrag, alle Angestellten unabhängig von der Höhe ihres Einkommens in die Versicherungspflicht einzubeziehen. Wir sind der Ansicht, daß alle Angestellten auf Grund ihrer Stellung im Produktionsprozeß an der Solidarhaftung ihrer Berufskollegen zu beteiligen sind und daß sie auch durch stetige Beitragszahlung dazu beitragen sollen, daß die Solidarhaftung auch der Generationen untereinander funktioniert.Nun wird darauf abgehoben, daß 1957 mit der Einführung der Grenze von 1250 DM ein Teil der Angestellten noch außerhalb der Versicherungspflicht blieb. Genau genommen waren es nur noch 2,97 % der Angestellten, die nach 1957 versicherungsfrei blieben. Die Bundesregierung ist, wie es auch in ihrer Begründung zum Ausdruck kommt, der Auffassung, daß man diesen Prozentsatz in etwa weiter in die Versicherungspflicht einbeziehen sollte. Das kann in keiner Weise mit einer Versicherungspflichtgrenze von 1800 DM Monatseinkommen geschehen. Bei einer solchen starren Grenze, wie Sie sie vorschlagen, würden wir sofort nach Verabschiedung des Gesetzes von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr wieder Tausende und zum Schluß Zehntausende und Hunderttausende Angestellte aus der Versicherungspflicht verlieren, und es würde das eintreten, was die Bundesregierung zu Recht befürchtet: daß der Bestand an Beitragszahlern nicht mehr gesichert ist und damit die Funktionsfähigkeit der Rentenversicherung in finanzieller Hinsicht nicht mehr aufrechterhalten bleibt.Viele gehobene und leitende Angestellte sehen ihren Ausschluß aus der Versicherungspflicht als eine große Härte an, weil sie durch diese Bestimmung kein Recht auf den Arbeitgeberbeitrag haben, d. h. die Hälfte des gesamten Beitrags, und weil 'sie auch den unabdingbaren Schutz der sozialen Rentenversicherung verlieren.Meine Damen und Herren, es gibt keine Begründung — und Sie haben auch im Ausschuß, als wir
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Killatdiesen Antrag stellten, kein stichhaltiges Argument vorgebracht —, einen bestimmten Kreis von Angestellten aus der Solidarhaftung nur wegen eines höheren Einkommens herauszunehmen. Ich meine sogar, das Gegenteil sei richtiger. Je günstiger die Einkommensentwicklung ist, um so eher ist ein solcher Personenkreis in der Lage, sich ,an der Solidarhaftung zu beteiligen.Bei den Beratungen wurde uns weiter entgegengehalten, daß von diesen Angestellten etwa 80 % sowieso den Arbeitgeberanteil erhalten. Nun, wenn die Arbeitgeber sowieso schon für 80 % der Angestellten diesen Beitragsanteil freiwillig weiterentrichten und an die Angestellten für eine andere Form von Versicherung zahlen, dann ist auch der finanzielle Grund, einen solchen Vorschlag von seiten der Arbeitgeber abzulehnen, nicht mehr gegeben.Ich glaube auch darauf hinweisen zu müssen, daß ein Ausschluß von bestimmten Angestelltengruppen aus dem unabdingbaren Rentenversicherungsschutz auch im Hinblick darauf ungerecht ist, daß ganze Gruppen von Angestellten schon heute von Gesetzes wegen unabhängig von der Höhe des Einkommens in die absolute Versicherungspflicht einbezogen sind. Ich will sie hier nennen: nach unserem Gesetz alle Schiffsoffiziere, alle Ingenieure, Ärzte, Beamten oder leitenden Angestellten der Binnen- und Seeschiffahrt. Sie gehören als Versicherungspflichtige der Rentenversicherung an. Dazu kommt nach dem neuen Vorschlag das gesamte Bordpersonal derzivilen Luftfahrt. Ebenso sollen nach einem neuen Vorschlag alle Entwicklungshelfer, alle Angestellten, die besondere Funktionen im Ausland ausüben oder im Vorbereitungsdienst dafür stehen, für die Gesamtdauer dieser Beschäftigung und Vorbereitungszeit unabhängig von der Höhe des Einkommens versicherungspflichtig sein.Aber, meine Damen und Herren, auch die Angestellten des öffentlichen Dienstes sind doch, unabhängig von der Höhe ihres Einkommens, in die Neuordnung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung für den öffentlichen Dienst einbezogen und genießen dort einen Versicherungsschutz, wonach sie nach 35 Jahren Dienstzeit Anspruch auf 75 % der Bezüge der letzten drei Dienstjahre haben.Auch in der Knappschaft sind alle Angestellten unabhängig von der Höhe ihres Einkommens in die Rentenversicherungspflicht einbezogen.Wir haben die Selbständigen oder auch Freischaffenden in die Versicherungspflicht einbezogen. Beispielsweise sind alle Handwerker unabhängig von der Höhe ihres Einkommens, unabhängig von der Größe ihres Besitztums in der Handwerkerversicherung pflichtversichert. Desgleichen haben wir gesetzlich alle Landwirte unabhängig von der Größe ihres Besitzes oder der Höhe ihres Einkommens in die allgemeine Altershilfe für Landwirte einbezogen. Meine Damen und Herren, das kann ich Ihnen nicht ersparen, diesen Widersinn aufzuzeigen, der in der Behandlung eines begrenzten Personenkreises von gehobenen und leitenden Angestellten liegt.Ich weise weiter darauf hin, daß wir Zusatzversorgungseinrichtungen für Ärzte und für Zahnärzte haben, die alle auf landesgesetzlicher Grundlage unabhängig von der Höhe ihres Einkommens pflichtversichert sind. Und nun, möchte ich meinen, sollten Sie uns noch Argumente vortragen, warum wir nicht die gesamte deutsche Angestelltenschaft in die Versicherungspflicht einbeziehen sollen, wie es bei den übrigen hier genannten Personenkreisen der Fall ist.Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß in allen modernen Industriestaaten, bei unseren Nachbarn in Frankreich, in Italien oder in Osterreich, darüber hinaus in Form einer Staatsbürgerversorgung in den skandinavischen Ländern, in Großbritannien und auch in den Vereinigten Staaten fast alle Erwerbspersonen pflichtversichert sind. Nur wir leisten uns noch ein Rudiment von Bestimmungen, wonach wir einen bestimmten Personenkreis von Gesetzes wegen ausschließen, der genauso Anspruch auf den Versicherungsschutz hat wie jeder andere in abhängiger Arbeit Stehende oder Freischaffende oder Selbständige nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.Nachdem auch Kollege Mischnick von der FDP mit seinem Plan die Einbeziehung aller Angestellten in die Versicherungspflicht gefordert hat, nachdem nach einer dpa-Meldung auch der Kollege Stingl zu Jahresbeginn in Berlin erklärt hat, daß er die Pflichtversicherung für einen bestimmten Personenkreis der leitenden Angestellten zumindest in einer dynamischen Versicherungsform fordert, sind wir der Meinung, daß in diesem Hause eine breite Mehrheit für unseren Antrag zu finden sein müßte. Wir bitten Sie, Ihr Herz in die Hand zu nehmen und den letzten Sprung zu tun, eine Modernisierung unserer Rentenversicherung und die Pflichtversicherung aller Angestellten jetzt zu beschließen.
Herr Abgeordneter Dr. Franz hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt gar keinen Zweifel, daß die Frage der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte, die der Gegenstand des Antrages meines Kollegen Killat ist, einen sozialpolitischen Schwerpunkt in der Härtenovelle darstellt. Es hat zuerst Erörterungen darüber gegeben, ob die Versicherungspflichtgrenze überhaupt unter den Begriff der Härtenovelle zu subsumieren sei. Aber Herr Kollege Killat hat ja schon gesagt, daß im Laufe der Jahre seit 1957 14 % Angestellte
zu den 2,9 % von damals aus der Versicherung herausgewachsen sind, von denen uns ein ganzer Teil nahegebracht hat, daß sie sehr gern weiterhin den Schutz der Rentenversicherung genießen möchten. Auf der anderen Seite wissen wir, daß die Gefahr besteht, daß bei Nichteingreifen des Gesetzgebers in absehbarer Zeit die Beitragsbemessungsgrenze über die Versicherungspflichtgrenze hinauswachsen
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Dr. Franzwürde. Diese beiden Anlässe haben uns bewogen, in der Härtenovelle die Frage der Versicherungspflichtgrenze anzusprechen.Ich glaube aber, es wäre trotzdem falsch, wenn wir den ganzen Vorgang, den wir jetzt erörtern, überwiegend unter negativen Vorzeichen sähen. Denn diese Notwendigkeit, die ich aufgezeigt habe, ist in Wirklichkeit eine Folge unserer unerhört erfolgreichen Wirtschaftspolitik, die eine großzügige Lohnpolitik und großzügige soziale Leistungen möglich gemacht hat.
Ich hatte schon einmal Gelegenheit, hier an dieser Stelle auszudrücken, daß die Versicherungspflichtgrenze gewissermaßen willkürlich festgelegt werden muß, daß sie nicht an der Lohnpolitik, an Preissteigerungen usw. gemessen werden kann, sondern daß sie wirklich pragmatisch festgesetzt werden muß, wobei allerdings wirtschaftliche, soziologische und psychologische Zusammenhänge -betrachtet werden müssen.Herr Kollege Killat hat schon angesprochen, daß sich im Laufe der letzten Zeit die Frage in der öffentlichen politischen Diskussion und auch in der Fachpresse auf die Frage nach einem optimalen Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Versicherten zugespitzt hat. Ich glaube, daß dieses Argument, die finanzielle Grundlage der Rentenversicherung zu sichern, aller Ehre wert ist, daß aber darin ein Kardinalfehler steckt. Nur auf die Finanzierung bezogen ist das Problem nämlich viel zu isoliert gesehen. Ich halte es für durchaus möglich, daß es geradezu als unpopulär angesehen wird, wenn ich sage, daß auch heute noch jedenfalls für mich und meine Freunde der Grundsatz gilt, daß der Gesetzgeber Versicherungspflicht nur dort setzen muß und setzen darf, wo er berechtigte Zweifel am Willen und an der Fähigkeit der Versicherten hat, selbstverantwortlich für sich selber und ihre Familie zu sorgen.
Herr Kollege Killat, bitte!
Herr Kollege Dr. Franz, wenn Sie so argumentieren, wollen Sie damit unterstellen, daß beispielsweise die gesamte deutsche Ärzteschaft und Zahnärzteschaft, die in einem öffentlichen Institut pflichtversichert ist, nicht in der Lage ist, aus eigener Verantwortung und freier Entscheidung für sich zu sorgen?
Ganz und gar nicht, Herr Kollege Killat. Diese selbständige Einrichtung ist in besonderer Weise auf die Notwendigkeiten und auf die Möglichkeiten dieses Standes zugeschnitten und funktioniert.
Nun möchte ich meinerseits natürlich nicht den Fehler machen, die Frage der Finanzierung der Rentenversicherung ,bei meinen Betrachtungen völlig außer acht zu lassen.
1957 waren 2,9 % der Angestellten versicherungsfrei. Heute sind es bereits 16,6 %. Trotzdem — und das wird für viele überraschend sein — ist die Zahl der pflichtversicherten Angestellten von 1957 bis heute noch gewachsen.
— Der pflichtversicherten Angestellten. — Das ist für mich der Beweis dafür, daß die soziale Rentenversicherung ihre Blutzufuhr nicht von oben, sondern gewissermaßen von unten durch das dauernde Nachwachsen neuer Angestellten und das Herüberwechseln von Arbeitern in Angestelltenberufe erhält.
Es gibt nun gewisse Erwartungen, daß die Finanzierung der Rentenversicherung durch die Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze oder ihre drastische Heraufsetzung auf die Dauer gebessert werden könnte. Eines steht fest: daß bei einem verhältnismäßig bescheidenen Beitragszuwachs schon in naher Zukunft beträchtliche Leistungen an diese Pflichtversicherten gewährt werden müßten.
Nun hat das Problem natürlich noch eine andere Seite. Es kommen, wenn wir dem Antrag des Kollegen Killat stattgeben, nicht nur die berühmten jungen Akademiker, die nach einem langen Studium beispielsweise in der Chemie innerhalb ganz weniger Jahre über die jetzt geltende Pflichtversicherungsgrenze von 1250 DM hinauswachsen, durch ein solches Gesetz wieder in die Versicherungspflicht hinein. Es kommen auch eine ganze Reihe von Angestellten hinein, von denen man nicht sagen kann, daß sie einen persönlichen Karrieretrend haben, sondern die nur durch das stetige Anwachsen des Gehaltsniveaus in den Bereich der Versicherungspflicht geraten.
— O nein!
Nehmen Sie den Fall, daß ein Fünfzigjähriger durch dieses Gesetz wieder in die Versicherungspflicht einbezogen wird. Es steht fest, daß dieser Mann, wenn er in der Privatversicherung die Leistungen finanzieren müßte, die er in der Rentenversicherung auf Kosten der Versichertengemeinschaft zu erwarten hat, nicht mit 14, sondern mit 19 % Beitrag herangezogen werden müßte. Und wenn man den Grundsatz der Sozialversicherung, ohne Verzinsung zu rechnen, gelten läßt, wäre für diesen Mann sogar ein Beitrag von 32 % seines verdienten Einkommens notwendig. — Bitte, Herr Kollege Killat!
Herr Kollege Dr. Franz, wissen Sie nicht, daß das, was Sie soeben als Grund angegeben haben, auch jetzt bei der Erhöhung der Grenze auf 1800 DM zutrifft und daß Sie dafür entsprechende Befreiungsvorschriften für diesen Personenkreis in dem Gesetzentwurf haben?
Sicherlich! Das Problem als solches gilt für die jetzige Grenze, gilt für die
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Dr. Franz1800-DM-Grenze und gilt auch für andere Grenzen, die, wie Sie genau wissen, in unserer Fraktion und draußen erörtert worden sind.Nun stellen Sie mir wahrscheinlich die Frage nach der Schutzbedürftigkeit oder der Schutzwürdigkeit dieser leitenden Angestellten. Wenn Sie mich so fragen, möchte ich Ihnen sagen, daß diese Angestellten in meinen Augen auf jeden Fall schutzbedürftig bzw. schutzwürdig sind.Es hat allerdings im Laufe der letzten Jahrzehnte einige gravierende Änderungen gegeben. Beispielsweise ist der einzelne Mensch heute im Vergleich zu früher, was die Sicherung seiner Existenz angeht, viel mehr auf ein hohes, regelmäßiges, laufendes Einkommen angewiesen als auf Eigentum. Diese Tendenz ist, glaube ich, etwas ganz Typisches für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der letzten Jahre.Aber ein optimaler sozialer Schutz wird durch diese Einrichtung nicht gegeben. Ich meine nämlich, daß es auch gewichtige Interessen der Betroffenen gibt, die dagegen sprechen.
— Nun, welchen Nachteil, Herr Kollege Killat, hat ein leitender Angestellter, wenn er nach unserem Gesetz nicht mehr pflichtversichert ist? Er hat erstens den psychologischen Nachteil, daß es ihm der Gesetzgeber unmöglich macht, daß er sich auf die allgemein-menschliche Bequemlichkeit zurückzieht, darauf zu warten, daß ihm irgendeine Verantwortung abgenommen und irgendeine Verhaltensweise vorgeschrieben wird.
Zweitens hat er den großen Nachteil, daß der Arbeitgeberbeitrag entfällt. Darauf hat der Kollege Killat auch hingewiesen.Nun war es bisher die Regel, daß bei den Angestellten, die nicht mehr versicherungspflichtig sind, entweder in die kollektiven Tarifverträge — soweit sie ihrem Einkommen nach solchen unterliegen — oder in die individuellen Abmachungen — es gibt eine Reihe von leitenden Angestellten, deren Gehalt durch individulle Abmachungen bestimmt wird — beim Wegfall des Arbeitgeberanteils eine entsprechende Regelung Eingang fand. Also auf gut deutsch gesagt: ich würde es als leitender Angestellter ohne weiteres fertigbringen, daß diese Regelung in meine individuelle Abmachung mit meinem Arbeitgeber in irgendeiner Form mit eingeht.
— Ich habe ja jetzt von den Nachteilen gesprochen. Und jetzt sehe ich einen Vorteil. Der Vorteil ist, daß der Angestellte — in aller Regel wird er sich ja freiwillig weiterversichern — den Rest oder die zweite Hälfte
oder das Ganze auf dem Weg der Privatversicherung sichern wird.
Diese Leistungen sind zwar — das geben wir gern zu — im Laufe der letzten 15 Jahre vom Staate her sehr stiefmütterlich behandelt worden. Aber diese Leistungen haben das ganz große Prä gegenüber den Leistungen der Sozialversicherung, daß sie einen stärkeren Eigentumscharakter haben, vor allem durch das Merkmal der Vererbbarkeit.
Herr Kollege Dr. Franz, wollen Sie sich mit Ihren Ausführungen von den Gedankengängen auf dem Parteitag der CDU unter dem 'Stichwort „Rentenversicherung für alle" distanzieren?
Dazu, Herr Professor Schellenberg, möchte ich nur sagen, daß es natürlich das selbstverständliche Recht eines jeden einzelnen Kollegen von Ihnen oder von uns ist, auch eine — sagen wir einmal — persönlich getönte Meinung hier vorzutragen. Sie müssen sich schon die Mühe machen, nachzulesen, was ich vor 14 Tagen auf dem Sozialkongreß der CSU in Nürnberg zu dieser Frage gesagt habe.
Ich möchte nochmals wiederholen, was ich vor der Frage von Herrn Professor Schellenberg ausgeführt hatte, weil es mir sehr wichtig erscheint. Ich gebe durchaus zu, daß dem Angestellten, auch dem, der nicht zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt ist, einige Nachteile — und wenn es nur scheinbare Nachteile sind — erwachsen. Ich möchte aber nochmals den positiven Aspekt herausstellen. Denn ich meine, wenn er nun vom Gesetzgeber dahin gestoßen wird, daß er gezwungen ist, sich seine Alterssicherung anderswo zu 'beschaffen, so hat dies den Vorteil, daß sie einen weitaus stärkeren Eigentumscharakter hat, — vor allem durch den Gedanken der Vererbbarkeit —, als die Leistung der Sozialversicherung, die bei einem ungünstigen Ablauf des Lebens eines Tages Null auf Null aufgehen könnte.
— Weil ich bei denen der Meinung bin, daß der Staat die Verpflichtung hat, hier einen versicherungsmathematisch gedeckten Versicherungsablauf sicherzustellen.Ich glaube, daß es einer der faszinierendsten Aspekte der modernen Sozialpolitik ist, daß sich das sehr verständliche Streben nach sozialer Sicherheit und der andere Aspekt, nämlich eine positive Antwort auf die soziale Frage durch persönliches Eigentum zu finden, hier in gewisser Weise widersprechen.Ich habe mir einmal ausrechnen lassen, Herr Kollege Killat, was denn ein Mann, der 700 DM verdient, im Laufe eines 40- oder 45jährigen Arbeitslebens in die Sozialversicherung einzahlt. Es sind bei einem 40jährigen Arbeitsleben und bei einer
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8874 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Dr. Franz6%igen Verzinsung, die bei festverzinslichen Wertpapieren selbstverständlich ist, ungefähr 300 000 DM. Bei einem 45jährigen Arbeitsleben — auch bei 6%ger Verzinsung — ist es eine Summe, die sogar beträchtlich über 400 000 DM hinausgeht. Ich glaube, das sind schon sehr beträchtliche Größenordnungen, die wir nicht ohne weiteres vom Tisch wischen sollten. Ich behaupte, daß vier Fünftel der Sparfähigkeit des Durchschnittsarbeitnehmers im Laufe seines Arbeitslebens durch die Sozialversicherung absorbiert werden.Nun wissen wir alle, daß wir im zweiten Dekkungsabschnitt der Rentengesetze vor ganz neuen und schwerwiegenden Überlegungen stehen werden. Ich glaube, wir alle haben uns schon langsam von der Illusion befreit, daß mit den Mitteln der sozialen Rentenversicherung in ihren verschiedenen Zweigen einmal jene 70 bis 75 % des letzten Einkommens — das sind also die Vergleichszahlen zur Beamtenversorgung — jemals erreicht werden könnten. Ich bin der Auffassung, daß wir alle miteinander einsehen müssen — und die Anhänger der Rentenformel des Jahres 1957 sitzen ja längst in einem Boot; darüber gibt es für mich keinen Zweifel —, daß wir alle miteinander vielleicht zu ambitioniert gewesen sind und daß wir uns vielleicht in absehbarer Zeit darauf zurückziehen müssen, mit begrenzten Mitteln begrenzte Ziele zu erreichen. Ich gebe allerdings zu, daß niemand anders als der Staat das Vorurteil geschaffen hat, wonach das einzige, das in diesem Lande wirklich währungsbeständig sei, die Sozialversicherung sei. Das war eine ganz typische pragmatische Entscheidung des Jahres 1949, für die sehr, sehr viele Vernunftgründe sprechen. Aber kein einziger vernünftiger Grund spricht dafür, daß die Sozialversicherung das einzige wirklich Währungsbeständige in unserem Lande ist. Ich glaube nicht, daß es mit der Sozialversicherung irgend einem Arbeitnehmer möglich sein wird, sei es ein Hilfsarbeiter oder ein hochqualifizierter leitender Angestellter, auf die Dauer den erworbenen Lebensstandard fortzusetzen; denn dazu ist die Sozialversicherung viel zu breit solidarisch angelegt.
Ich bin der Meinung, daß wir wahrscheinlich bald durch die harte Welt der Tatsachen auf diesen Weg gestoßen werden, daß die künftige soziale Sicherung sowohl des einfachen Arbeiters wie des hockqualifizierten Angestellten in einer Art Mischsystem angelegt werden wird, daß die Sozialversicherung in ihrer breit gelagerten Solidarität eine beitragsgerechte Grundsicherung geben wird und daß darüber hinaus der einzelne seinen Lebensstandard durch private Abschlüsse, die den Charakter der Vererbbarkeit und des Eigentums haben, sichern wird. 60 % der deutschen Arbeitnehmer haben diesen Weg schon eingeschlagen.
— Herr Professor, ich wüßte wohl, was ich sagen müßte, um Beifall zu kriegen; aber darauf kommt es mir im Augenblick nicht an.Noch ein Wort zur Dynamisierung. Es ist kein Zweifel, daß der Gedanke der Dynamisierung einer Versicherungspflichtgrenze in fast allen Fraktionen dieses Hauses Anhänger hat. Ein Argument, das ich nicht von der Hand weisen möchte, ist das, daß unsere Entscheidung vom Jahre 1957 gewissermaßen als innere Logik ,die Dynamisierung zur Folge hätte.Nun hat aber im Laufe der Beratungen dieses Gesetzentwurfs der Bundesrat einen sehr interessanten Vorschlag gemacht. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, daß die Grenze auf das Dreieinhalbfache der allgemeinen Bemessungsgrundlage mit fortlaufender Dynamisierung angehoben wird. Ich möchte hierzu nur ein einziges Argument sagen. Im Jahre 1975 werden sich diejenigen, die sich dann hier mit der Rentenversicherung befassen müssen, bestimmt noch mehr die Köpfe zerbrechen, als wir es heute zu tun haben. Nach diesem Vorschlag des Bundesrates würde 1975 das versicherungspflichtige Einkommen auf 52 560 DM im Jahr angewachsen sein. Damit wären wir endgültig beim perfekten Versorgungsstaat angelangt, den wir nicht wollen, den wir auch weiterhin ablehnen und von dem ich sagen möchte, ,daß ich im perfekten Versorgungsstaat ein gefährliches Symptom der Erschlaffung der Spannkraft unserer Kultur sehen würde. — Bitte, Herr Schellenberg!
Herr Franz, sehen Sie, daß die Kollegen der CDU/CSU teilweise den Raum verlassen, um sich von Ihren Ausführungen zu distanzieren?
Herr Professor Schellenberg, ich halte das nicht für eine korrekte Frage. Ich weise sie zurück.
Ich nehme es auch wirklich nicht tragisch.Nachdem ich eingangs erwähnt habe, daß es bei der Frage der Versicherungspflichtgrenze ökonomische, soziologische und psychologische Momente gibt, ein Wort zum ökonomischen Aspekt. Es ist gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, daß die gesamten Vorgänge in der Sozialversicherung geldpolitisch expansiv und damit in irgendeiner Weise inflatorisch gewirkt haben. Ich möchte allerdings hinzusetzen, .daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer in vielen Bereichen mit der Politik des sogenannten billigen Geldes allzu gern und allzu leicht einverstanden gewesen sind. Einig sind wir uns darin, daß die sozialpolitische Forderung Nr. 1 die Währungsstabiltät ist. Denn ein Abweichen von der Währungsstabilität würde vor allem 'sozialpolitisch sehr zuungunsten der kleinen Leute zu Buche schlagen. — Bitte?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8875
Herr Abgeordneter Killat zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Dr. Franz, sind Sie der Auffassung, daß das sogenannte billige Geld, von dem Sie eben sprachen, von seiten der Rentenversicherungsträger beispielsweise für den sozialen Wohnungsbau oder andere sozial bestimmte Objekte falsch angelegt war?
Herr Kollege Killat, das ist ein Mißverständnis. Ich habe den speziellen Vorgang der Anlagepolitik der Rentenversicherungsträger, die durch das Gesetz vorgeschrieben ist, natürlich nicht gemeint.
Ich möchte nur folgendes sagen. Ich sehe in der Dynamisierung der Versicherungspflichtgrenze kein Mittel zur Stärkung der Stabilisierung, sondern gewissermaßen einen Vorgang, der 01 ins Feuer der Inflation gießt.
Es ist ein offenes Geheimnis, daß in unserer Fraktion Leute waren, die mit guten Gründen der Kabinettsvorlage von 1500 D-Mark zugestimmt hätten, aber auch andere, die sich ernsthaft auch mit guten Gründen — wie der Kollege Stingl — mit der Dynamisierung der Grenze beschäftigt haben. Ich glaube, wir haben mit der Grenze von 1800 DM einen guten und fairen Kompromiß gefunden. Sein Kernstück ist, daß wir eine ganze Reihe von Jahren Ruhe haben werden, daß wir ganz nüchtern und sachlich die Probleme erörtern können, die im nächsten Deckungsabschnitt auf uns zukommen.
Deshalb bitte ich das Hohe Haus, den Antrag des Kollegen Killat und der SPD abzulehnen und die Ausschußvorlage anzunehmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte nur einige Fragen, die in der Hitze des Gefechtes nicht ganz klar beantwortet sind, dem Kollegen Schellenberg aus Loyalität — angesichts der Zusammenarbeit im Ausschuß — eindeutig beantworten. Ich war Zeuge, als unser Kollege Stingl im Arbeitskreis unseres Parteitages seine Meinung gesagt hat. Ich habe auch seine Veröffentlichung sicher so gut gelesen wie Sie. Er sprach nicht, wie Herr Killat, von der Einbeziehung des ganzen Volkes oder aller Angestellten in eine Zwangsversicherung, sondern er sprach von der Öffnung der Rentenversicherung, und zwar von einer möglichen Öffnung, die wir gründlich prüfen und überlegen wollen, für alle diejenigen, die den Wunsch haben, sich selber zu versichern.Ich stelle hier fest, daß ein Unterschied besteht zwischen einer Versicherung, zu der man gezwungen oder verpflichtet ist, und einer, in der man wählen kann, ob man in der staatlichen Rentenversicherung, in einer individuellen Versicherung, durch Eigentumserwerb oder durch welche individuellen Sicherungsmaßnahmen auch immer Vorsorge betreibt.
Ich glaube, daß man das klarstellen muß. Wir sind— ich habe mich gefreut, daß wir das noch an einer anderen Stelle in einem gemeinsamen Antrag ausdrücken werden — für die Erhaltung dieser Wahlfreiheit.Daß die Höhe der Grenze ein heißes Eisen der Sozialpolitik ist — wer wollte das verschweigen! Wir haben den Mut, zu sagen, daß es auch bei uns darüber unterschiedliche Auffassungen gibt.
— Sie haben das ja auch im Ausschuß gemerkt.Wir sind uns aber darüber einig, daß die Frage, von der der Herr Kollege Killat ausgegangen ist, hier und heute nicht gelöst werden muß. Eine Lösung des Finanzproblems der Rentenversicherung durch Einbeziehung irgendwelcher Personenkreise— etwa der noch fehlenden 5 °/o Angestellten — wäre völlig falsch angelegt. Mein Kollege Franz hat dazu schon einiges gesagt. Ich will nichts wiederholen, sondern nur feststellen: es trifft schlicht nicht zu, daß die Zahl der Beitragszahler abgesunken ist. Sie ist dank der Überbeschäftigung und dank des Einsatzes der Gastarbeiter und dank des großen Frauenarbeitseinsatzes laufend gestiegen. Wir hoffen, daß unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik dazu beitragen wird, daß das auch in Zukunft — im Interesse der Finanzierung der Renten von morgen — so bleiben wird.Herr Kollege Killat, Sie haben in Ihren Ausführungen weiter behauptet, Angestellte würden den Schutz der Sozialversicherung verlieren. Ich muß diese falsche Formulierung leider oft lesen und hören. Niemand verliert den Schutz der Sozialversicherung, wenn er die Pflichtversicherungsgrenze überschreitet. Wenn er sie überschreitet, war er ja vorher drin. Er hat, wie wir alle wissen, das Recht auf freiwillige Weiterversicherung.Lassen Sie mich jetzt noch ein politisches Wort zu Ihrer Begründung und zu dem sagen, was Sie hinsichtlich der Einbeziehung aller ausgeführt haben, sowie zu den Vergleichen, die Sie hier aufgestellt haben. Wenn Berufsstände über Kammern und Berufsverbände in der Regie ihrer eigenen Berufsorganisation, ihres Verbandes oder ihres Kammerbezirkes, eine eigene selbstverantwortliche Versicherung eingerichtet haben, dann beruht diese auf dem Prinzip der Selbstverantwortung und der eigenen Entscheidung.
Ich stelle weiter fest, Ihre Behauptung, daß wir die gesamte Landwirtschaft in die Sozialversicherung — Sie haben gesagt: ohne Rücksicht auf Besitz und Größe des Eigentums — einbezogen haben, ist schlicht falsch. Die Altershilfe der Landwirtschaft wird nicht im Rahmen der Rentenversicherung der Arbeitnehmer vollzogen. Sie ist eine im Rahmen
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8876 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Frau Kalinkedes Strukturprogramms der Landwirtschaft gegebene Hilfe für Altenteiler gekoppelt an die Hofabgabe. Das ist etwas völlig anderes als das, was in sozialistischen oder halbsozialistischen Ländern geschieht.
Ich will mich sehr beeilen und deshalb nur auf die Punkte eingehen, zu denen der Kollege Franz nicht mehr gekommen ist, obwohl es noch mancher Klarstellung bedürfte.Sie haben gesagt, es sei dringend notwendig, nachzuweisen, daß die Finanzierung der Rentenversicherungen entscheidend davon abhänge, daß alle Angestellten zur Solidarhaftung hinzugezogen würden. Ich erkläre Ihnen — und Sie werden keinen Versicherungsmathematiker, auch keinen Mathematiker der Rentenversicherungsträger finden, der da widersprechen kann —, daß selbst bei Einbeziehung aller Angestellten in die Rentenversicherung die Finanzprobleme der Rentenversicherung von morgen — nicht von heute, erfreulicherweise erst von morgen — nicht gelöst werden können. Da stimme ich dem Kollegen Franz zu: notwendige Sanierungsmaßnahmen können immer nur begrenzt durch Einbeziehung weiterer Personenkreise erfolgen, weil die Belastung durch Leistungen folgt.Der Herr Bundesarbeitsminister hat das ausdrücklich erklärt. Er hat, ich glaube, sogar vor diesem Hause, festgestellt, daß die Finanzierung der Rentenversicherung bis zum Ende des ersten Deckungsabschnitts gesichert ist. Wir haben das bei der Beratung der versicherungstechnischen Bilanz ebenso festgestellt.Es ist weiter nachgewiesen, daß die Vermögensbildung bei den Rentenversicherungsträgern durch den starken Anstieg der Löhne und Gehälter dank einer positiven Tarifpolitik, aber zuletzt auf der Grundlage einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik möglich war. Was mit Beginn des zweiten Deckungsabschnitts geschieht, das wird, hoffe ich, unsere gemeinsame Sorge sein.Lassen Sie mich bei vollem Verständnis für Ihre Sorgen, meine Herren und Damen von der SPD — Sie werden uns ja hoffentlich bald sagen, wie Sie die Volksversicherung, die Sie planen, finanzieren wollen —, erklären, daß ich über das, was Sie im „Vorwärts" am 4. November veröffentlicht haben, im Prinzip gar nicht so böse bin. Sie haben geschrieben: „Die Sozialpolitik hat wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sich der einzelne in der Gesellschaft frei entfalten und sein Leben in eigener Verantwortung gestalten kann." Diese modernen liberalen Grundsätze, die im „Vorwärts" zu lesen sind, könnten wir bejahen. Aber zu dieser freien Gestaltung des Lebens gehört auch die Entscheidung des Personenkreises, der sich unterschiedliche Vorstellungen von der Höhe und der Form seiner Sicherung macht.
Ich möchte Ihnen entgegenstellen, was Herr Professor Erhard hier in der Regierungserklärung gesagt hat, nämlich daß soziale Sicherheit auch in Zukunft eine Notwendigkeit ist. Selbstverständlich haben auch leitende Angestellte und Angehörige freier Berufe ein Sicherungsbedürfnis. Aber wie sie dieses Sicherungsbedürfnis befriedigen und wo die Grenze des staatlichen Zwangs ist, — da scheiden sich die Geister, da scheiden sich diejenigen, die an den kollektiven Zwang glauben, von denjenigen, die das individuelle Sicherungsbedürfnis und die selbstverantwortliche Entscheidung immer noch höher schätzen. Darüber sollten wir in aller Ruhe sprechen, meine Herren und Damen von der Opposition, sowohl über die Volks-Zwangsversicherung wie über die Schwedenplatte, über die englische Krankheit
oder über sonstige Ideen, die Sie auf diesem Gebiet in Zukunft mit uns diskutieren werden.
— Das ist nicht unerhört, sondern eine sachliche Darstellung der heißen, Eisen, über die wir im Wahlkampf sprechen werden.
— Regen Sie sich doch nicht so auf! Ich tue Ihnen ja gar nichts. Wenn Ihr Kollege Herr Generaldirektor Alex Möller jetzt hier wäre, der etwas von Versicherungsmathematik versteht, würde ich ihn hier an dieser Stelle fragen, was die Chose kosten soll, und ich hoffe, er würde dann mehr antworten, als Herr Schellenberg bis jetzt geantwortet bzw. bekanntgegeben hat.
Ich schließe mit einem Satz, den Bundesminister Blank in einer seiner letzten Reden im Zusammenhang mit dieser Entscheidung für den totalen Versorgungsstaat gesprochen hat. Er hat das selbstverständlich für die Bundesregierung gesagt und er hat es auch für unsere Bundestagsfraktion gesagt, die mit dieser Grundauffassung der Bundesregierung übereinstimmt. Ich zitiere — ich darf das, Herr Präsident.
Bitte schön! Frau Kalinke :
Wir wollen diesen Weg nicht gehen. Wir brauchen diesen Weg auch nicht zu gehen, weil der gestiegene und immer weiter steigende Massenwohlstand der modernen Sozialpolitik die Möglichkeit gibt, der ständigen Ausweitung der sozialpolitischen Aktivität des Staates das Gegengewicht einer personalen Verantwortung entgegenzusetzen.
Um diese personale Verantwortung geht es uns in der Sozialpolitik!
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8877
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die Versicherungspflicht und die Versicherungsfreiheit in der Angestelltenversicherung war immer eine bewegte Diskussion, und ich stelle mir vor, wie es heute hier zugegangen wäre, wenn der Ausschuß dem Regierungsentwurf gefolgt wäre und auch die Arbeiter von einem bestimmten Einkommen an versicherungsfrei gestellt hätte.
Dann würden wir wahrscheinlich heute noch um 1/29 über diesen Punkt sprechen und wären noch nicht so weit wie jetzt.
Nun, meine Damen und Herren, wir haben aus ganz
bestimmten Gründen der Einführung einer Versicherungspflichtgrenze für Arbeiter widersprochen, nicht, weil wir der Meinung sind, es gebe keine Arbeiter, die nicht schutzbedürftig wären, sondern wegen der Praktikabilität dieses Gesetzes, weil das Arbeitseinkommen des Arbeiters im Gegensatz zu dem des Angestellten in der Regel nicht konstant ist, sondern Schwankungen unterworfen ist. Im Zuge der modernen Arbeitsplatzbewertung und Arbeitslohnfindung sind Erschwerniszulagen und Zuschläge vom Arbeitslohn auch gar nicht zu trennen. Wir hatten also gute Gründe — alle insgesamt —, die Versicherungspflichtgrenze in der Arbeiterrentenversicherung abzulehnen.
Meine Damen und Herren, das sollte uns aber nicht dazu bewegen, die bewährten Grundlagen in der Angestelltenversicherung restlos zu verlassen und auch hier die Unterscheidung zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit aufzuheben. Wenn wir von dem Grundsatz der Schutzbedürftigkeit ausgehen und danach unser soziales Rentenrecht aufbauen und die Schutzbedürftigkeit an der Höhe des Einkommens festsetzen, werden wir bei irgendeinem Einkommen die Versicherungsfreiheit einführen müssen, und die Grenze, die zur Zeit 1250 DM beträgt — das war die Grenze, bei der die Schutzbedürftigkeit nicht mehr gegeben scheint —, ist recht beachtlich angehoben worden.
Wir verschweigen nicht, daß wir uns sehr schwer getan haben, dieser kräftigen Anhebung zuzustimmen, weil wir der Meinung sind, daß derjenige, der vom Einkommen her in der Lage ist, seine Alterssicherung — gleichviel, in welcher Form — selbst zu betreiben, nicht zu einer bestimmten Form der Alterssicherung gezwungen werden sollte.
Wir haben uns von Ihnen unterschieden in der Höhe der Einkommen, nach der wir die Schutzbedürftigkeit messen.
Aber, meine Damen und Herren, nicht unerwähnt darf dabei bleiben, daß das Heraufheben der Einkommensgrenzen für die Wirtschaft auch noch einen Kostenfaktor bedeutet, der hier in der Diskussion ganz untergeht; denn die Fixierung einer Einkommensgrenze oder die Fixierung der Versicherungspflicht bedeutet ja immer noch den Zwang des
Arbeitgebers, zur Hälfte zur sozialen Sicherung des Arbeitnehmers beizutragen. Das geht heute in der Diskussion ganz unter. Dabei ist es doch ein beachtlicher Gesichtspunkt bei der Festsetzung der Höhe der Einkommensgrenze.
Nun, meine Damen und Herren, Ihrem Anliegen, weitere Kreise der Angestellten in die Rentenversicherung einzubeziehen, könnte Rechnung getragen werden, wenn Sie unseren hier schon gestellten Anträgen zugestimmt hätten, wonach den höherverdienenden Angestellten die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich freiwillig weiterzuversichern. Auf dieses „freiwillig" legen gerade wir besonderen Wert. Wir wollen nicht wie Sie alle zu ihrem Glück zwingen, auch die, die nicht dazu gezwungen werden wollen und die nicht gezwungen zu werden brauchen. Wir wollen vielmehr dem einzelnen die freie Entscheidung lassen, wie er seine Sicherheit aufbauen will.
Wir wollten dem höherverdienenden Angestellten, der meint, seinen Altersschutz 'in der gesetzlichen Rentenversicherung zu finden, die Möglichkeit geben, durch seine eigenen Beiträge später des Schutzes teilhaftig zu werden. Sie sind uns auf diesem Wege nicht gefolgt. Sie haben zusammen mit der CDU unsere diesbezüglichen Anträge abgelehnt. Es geht um die Ermöglichung der freien Entscheidung, welchen Schutz man will. Das meinen wir mit der Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für weitere Kreise. Wir wollen aber nicht den Weg gehen, den Sie gehen wollen, nämlich jemand hineinzwingen, ob er des Schutzes bedarf oder nicht, ob er ihn will oder nicht will.
Deswegen meinen wir, Ihr Änderungsantrag sollte abgelehnt werden und die Ausschußvorlage erhalten bleiben. Wir bitten Sie, so zu stimmen.
Wir können nun abstimmen. Kann über die Ziffern 4 und 5 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 606 zusammen abgestimmt werden?
— Wer dem Antrag Ziffern 4 und 5 des Umdruckes 606 zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir können dann über Nrn. 2, 3 und 3 a abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen.
— Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Nr. 3 b auf. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 610 Ziffer 4 der Fraktion der FDP vor. Er wird begründet durch Herrn Abgeordneten Deneke. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich in meiner Be-
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Denekegründung die Anträge Umdruck 610 Ziffern 4, 5 und 11 zusammenfasse; sie gehören inhaltlich zusammen.Ich darf die Begründung ganz kurz geben. Es handelt sich, wie die Herren aus dem Sozialpolitischen Ausschuß wissen, um das Problem derjenigen, die in eigenen berufsständischen Einrichtungen versichert sind. Wir glauben, daß die von uns vorgeschlagenen Bestimmungen notwendig sind, um die Freizügigkeit im Bundesgebiet für diejenigen zu gewährleisten, die als Angestellte in solchen berufsständischen Einrichtungen sind und dann als Angestellte in ein anderes Bundesland gehen, in dem diese auf die Landesgrenzen beschränkte Versicherungseinrichtung nicht gilt. Es ist notwendig, die Freizügigkeit auch für diesen Personenkreis voll herzustellen.Ich darf außerdem daran erinnern, daß es 'bereits eine Entscheidung des Bundessozialgerichts gibt, die wir hier mit unseren Änderungsanträgen respektieren möchten. Wir glauben, es wäre schlecht, die Betroffenen dadurch auf den Rechtsweg zu drängen, daß wir diese Bestimmungen nicht einfügen. Ich möchte Sie daher bitten, unseren Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Weigl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP zu Art. 1 § 2 Nr. 3 und zu den weiteren Anträgen, die der Herr Kollege Deneke bereits begründet hat, möchte ich für meine Fraktion darauf hinweisen, daß das Bundessozialgericht durch ein Urteil aus dem vergangenen Jahr den Inhalt des Änderungsantrags zu Art. 1 § 2 Nr. 3 bereits vorweggenommen und damit geltendes Recht geschaffen hat. Wir brauchen uns also damit nicht mehr zu befassen.
Die weiteren Änderungsanträge der FDP erscheinen im Hinblick auf einzelne Versorgungswerke, z. B. auf die Bayerische Ärzteversorgung in der Bayerischen Versicherungskammer, durchaus gerechtfertigt. Leider aber, Herr Kollege Deneke, gilt das nicht für alle 40 Einrichtungen, die auf diesem Gebiet bestehen. Die Vorschriften über die Beiträge und Leistungen der einzelnen Versorgungswerke weisen große Unterschiede auf, so daß man weder von Gleichwertigkeit noch von Freizügigkeit sprechen kann. Z. B. sind, von Ausnahmen abgesehen, die Leistungen der Hinterbliebenenversorgung sehr unterschiedlich. Bei Annahme des FDP-Antrags würden die Betroffenen in der Hinterbliebenenversorgung bei weitem nicht die Leistungen erhalten, die in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehen sind. Weitere gravierende Unterschiede bestehen bei den Beiträgen, die zwischen 6 und 14 % liegen und zum Teil nach dem Lebensalter abgestuft sind.
Aus all diesen Gründen ist meine Fraktion der Auffassung, daß die Regelung der hier aufgeworfenen Fragen, die sicherlich für die Selbständigen von großer Bedeutung sind, bis zur nächsten Legislaturperiode des Bundestages zurückgestellt werden sollte. In dieser nächsten Legislaturperiode des Bundestages wollen wir uns mit dem Problem der Altersversorgung für die freien Berufe insgesamt befassen und eine für alle Teile befriedigende Lösung suchen.
Ich darf ausdrücklich sagen, daß ich es für die wenigen Versorgungswerke, für die der Antrag der FDP gerechtfertigt ist, bedaure, daß ihnen nicht geholfen werden kann. Aber die Lücken in der Altersund Hinterbliebenenversorgung und andere ungünstige Regelungen bei den 40 Trägern zwingen uns dazu, all diese Fragen nochmals genau zu überdenken. Insbesondere aber sollte die Regelung dieser Frage im Hinblick auf die von uns beabsichtigte Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für alle Selbständigen zurückgestellt werden.
— Herr Kollege Schellenberg, darüber kann man in einem anderen Zusammenhang reden. Immerhin ist es so, wie Frau Kollegin Kalinke sagte, daß heute jeder Angestellte, der die Versicherungsfreigrenze von 1800 DM erreicht, die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung hat.
— Wir kennen hier auch kein Dogma, Herr Professor!
Ich darf Sie also bitten, die Anträge abzulehnen.
Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 610 Ziffer 4. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.Herr Kollege Deneke, wird der Antrag Umdruck 610 Ziffer 5 aufrechterhalten?
— Der Antrag unter Ziffer 5 ist erledigt. Wir können also über die Nummern 3 b, 3 c und 4 abstimmen.
— Nach der Ausschußvorlage, natürlich! Wer zustimmt, gebe Zeichen! — Das war die Mehrheit; angenommen.Ich rufe Nr. 5 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 610 unter Ziffer 6 vor.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965 8879
Vizepräsident Dr. DehlerDann rufe ich die Nrn. 6 und 7 auf.
— Nr. 7 wird also in die sich aus der vorausgegangenen Abstimmung ergebende Fassung geändert. Ich rufe weiter auf Nr. 8, — 9, — ,10 und 11. — Wer den aufgerufenen Nummern zustimmt, gebe bitte Handzeichen! — Einstimmige Annahme!Ich rufe dann Nr. 12 auf. Hierzu liegt auf Umdruck 610 unter Ziffer 7 der Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor.
— Dann Nr. 112 in der Fassung der Ausschußvorlage, Nr. 12 a, — Nr. 12 b. Kann ich auch Nr. 13 aufrufen? Sind die Änderungsanträge dazu auch erledigt?
Also Nr. 13!
Ich rufe weiter auf Nr. 14 und Nr. 14 a. Ich lasse zunächst über die aufgerufenen Nrn. 12 bis 14 a abstimmen. Wer zustimmt, gebe Zeichen! — Einstimmige Annahme!Dann rufe ich den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 607 unter Ziffer 2 auf Einfügung einer Nr. 14 a1 auf.
— Nr. 14 a1 wird also, wie es in dem Antrag vorgesehen ist, eingefügt.Dann Nr. 14 b, — 14 c, — 14 d, — 15, — 15 a,— 15 b, — 15 c, — 16, —17, — 17 a, — 18, — 19,— 20. — Wer zustimmt, gebe Zeichen! — Einstimmige Annahme!Dann Nr. 20 a. — Da liegt zunächst der Antrag der FDP auf Umdruck 610 unter Ziffer 10 vor. Herr Abgeordneter Ollesch begründet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung von 1250 DM im Monat auf 1800 DM im Monat wird eine ganze Reihe von Angestellten, die bisher versicherungsfrei waren, wieder versicherungspflichtig. Viele dieser Angestellten haben inzwischen bei einer Privatversicherung Lebensversicherungsverträge mit einer Laufzeit bis zum 65. Lebensjahr in recht beachtlicher Höhe abgeschlossen. Für diese Angestellten sieht unsere Vorlage eine Befreiungsmöglichkeit vor. Sie können sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen, weil sie schon über eine Sicherung verfügen.
Nun wind aber die Entscheidung für diese Angestellten recht schwer. Die Angestellten, die zum Teil hohe Versicherungsprämien zahlen müssen, verlieren, wenn sie sich von der Versicherungspflicht befreien lassen, den Arbeitgeberzuschuß in Höhe der Hälfte der Beiträge, die zu zahlen wäre, wenn sie in die gesetzliche Rentenversicherung gingen. Oder sie müssen sich von ihrer einmal eingegangenen Lebensversicherung trennen, unter Verlust trennen, wenn sie sich des Vorteils nicht selbst berauben wollen.
Unser Antrag sieht deshalb vor, daß diese Angestellten, die für sich die Befreiung in Anspruch nehmen, weil sie über eine entsprechende Alterssicherung in Gestalt eines Vertrages mit einer privaten Lebensversicherung verfügen, den Arbeitgeberanteil ausgezahlt erhalten, auf den 'sie Anspruch hätten, wenn sie der allgemeinen Rentenversicherung beiträten.
Mit diesem Antrag vollziehen wir nur einen Akt der Gerechtigkeit; denn diesen Angestellten ist es sicherlich nicht selbst zuzuschreiben, daß sie in diese für 'sie ungünstige Lage gekommen sind. Wir haben sie mit der drastischen Heraufsetzung der Pflichtversicherungsgrenze erst in diese Lage gebracht.
Ich bitte Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, in dem es heißt, daß Angestellte, die auf Antrag nach Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-
Neuregelungsgesetzes von der Versicherungspflicht befreit worden sind, gegenüber dem Arbeitgeber während der Dauer der Prämienzahlung für eine Lebensversicherung Anspruch auf die Hälfte der Beiträge bis zur Höhe des Beitragsanteils, den der Arbeitgeber entrichten müßte, haben.
Ich und sicherlich viele von Ihnen haben in der letzten Zeit eine Reihe von Briefen von Angestellten bekommen, die gerade von diesem Problem betroffen sind. Ich meine, daß es keine unbillige Zumutung ist, wenn wir Sie bitten, diesen 'berechtigten Wünschen durch Annahme unseres Antrags nachzukommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Teriete.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion möchte ich Sie bitten, den Antrag der FDP, der soeben von Kollegen Ollesch begründet worden ist, abzulehnen. Der Regierungsentwurf — und daran hat auch die Ausschußberatung nichts geändert — sieht vor, daß Angestellte, die wegen der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 1800 DM monatlich wieder versicherungspflichtig werden, unter bestimmten Voraussetzungen auf ihren Antrag hin von der Versicherungspflicht befreit werden können. Auf Antrag der FDP hin sollen nun die Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet werden, in solchen Fällen den halben Beitrag zu zahlen bzw. zu vergüten.Das Anliegen selbst erscheint uns keineswegs unbegründet und wird Lauch von uns vertreten.
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8880 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
TerieteWir sind jedoch der Meinung, daß es hierzu keiner gesetzlichen Regelung bedarf. Diese Angelegenheit sollte, wie es in der Vergangenheit fast immer in solchen Fällen geschah, im freien Vertragsrecht zwischen Angestellten und Arbeitgebern oder zwischen den Sozialpartnern geregelt werden. Wir würden es begrüßen, wenn man hiervon weitgehend Gebrauch machte.Daher nochmals meine Bitte, den Antrag der FDP abzulehnen.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 610 Ziffer 10. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Dann liegt noch der Streichungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 606 Ziffer 8 vor, der sich erledigt, wenn positiv abgestimmt wird.
Wer der Nr. 20 a zu § 113 zustimmt, gebe Zeichen.
— Das ist die Mehrheit; Nr. 20 a ist in der Vorlage des Ausschusses angenommen. Ich rufe auf die Ziffern 21, — 21 a). Wer zustimmt, gebe das Zeichen.
— Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Dann Ziffer 21 ai). Das ist der von Herrn Abgeordneten Ollesch bereits begründete Antrag.
— Ist erledigt, entfällt also.
Ziffern 21 b, 22, 23 a), 23 b), 23 c) und 24. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe dann den § 2 insgesamt in der jetzt beschlossenen Fassung auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Kann ich ihn insgesamt aufrufen?
Änderungsantrag der FDP Umdruck 610 Ziffer 12!
— Ich rufe auf den § 3 mit der soeben von Herrn Kollegen Stingl erwähnten Einfügung nach 11 a). Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 4 auf. Sind hier noch Änderungsanträge zu bedenken?
— Sie begründen Umdruck 610 Ziffer 16?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Problem, zu dem wir den vorliegenden Antrag gestellt haben, ist allgemein unter dem Stichwort „Danziger" bekanntgeworden. Die Danziger Versicherten waren durch eine Verordnung vom 22. Januar 1940 in das Reichsversicherungsrecht so eingegliedert worden, als ob sie stets im Reich gelebt hätten. Die Danziger Rentenversicherung wurde nach der Abtrennung der Freien Stadt Danzig vom Deutschen Reich so weitergeführt, als wenn dieser Freistaat Danzig noch zum Deutschen Reich gehört hätte. Alle Unterlagen der Danziger Versicherten sind durch die Verordnung vom 22. Januar 1940 der BfA in Berlin zugewiesen worden, und die Danziger sind als reichsdeutsche Versicherte behandelt worden. Durch das Fremd-
und Auslandsrentengesetz vom 25. Februar 1960 hat dieses Haus die Rechtsstellung der Danziger rückwirkend wiederaufgehoben, und die Danziger sind den anderen Versicherten im Fremd- und Auslandsrentengesetz gleichgestellt worden. Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, daß die nachgewiesenen Beitragszeiten, die den reichsdeutschen Beitragszeiten gleichgestellt waren, auch weiterhin als Versicherungszeiten im Sinne des § 27 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes gelten.
Ich darf Sie bitten, diesen Antrag anzunehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen. Es ist ein grundsätzlicher Eingriff in das Recht der Fremdrentner, wenn wir diesen Antrag annehmen. Das Fremdrentenrecht stellt die Vertriebenen so, als ob sie in einem gleichen Beruf im heutigen Bundesgebiet tätig gewesen wären. Das gilt für alle Vertriebenen. Die Annahme des Antrags würde bedeuten, daß es für die Danziger nicht mehr gilt, sondern daß für die Danziger eine Einführungsverordnung von 1941 gilt. Im übrigen würde diese Einführungsverordnung auch für die Sudetendeutschen gelten und dort eine Währungsumrechnung und Ähnliches zur Folge haben. Hier würde man zwar die Danziger einheitlich mit den Reichsdeutschen behandeln, aber dafür die Vertriebenen untereinander wieder unterschiedlich behandeln.
Das können wir einfach nicht machen. Das verbietet uns die Gerechtigkeit.Nun kann ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, was der Grund für diesen Antrag ist. Die Danziger haben uns immer wieder bestürmt. Sie haben Sorge, daß die Einreihung in die höchste Gruppe der Angestellten immer wieder nicht ganz so erfolgt, wie sie es wollen. Herr Kollege Ollesch, das wissen wir. Das kann man aber nicht damit lösen, daß man die Gruppen gelten läßt. Die Beitragsgruppen in Danzig waren in Wirklichkeit anders als bei uns. Aber ich wäre dankbar, wenn ich hier das, was Sie im Bericht schon festgestellt haben, Herr Kollege Ollesch, und was Sie vorhin durch eine Verbesserung noch deutlicher gemacht haben, noch einmal als Meinung des ganzen Hauses feststellen könnte: daß die Versicherungsträger nämlich in die Gruppe 1 bei den Angestellten nicht nur ehemalige Generaldirektoren einreihen sollen, son-
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Stingldern daß in diese Gruppe 1 Angestellte hineingehören, die eine eingeschränkte Dispositionsbefugnis haben, aber nach heutigen Begriffen zu den Persönlichkeiten in den Betrieben gehören, die mehr als nur eine nach Anordnung durchzuführende Tätigkeit ausüben. Ich glaube, das ganze Haus könnte damit einverstanden sein, wenn wir an die Versicherungsträger appellieren, die Gruppe 1 so anzuwenden, wie wir es verstehen, und im übrigen die Tabellen im Fremdrentenrecht und auch im anderen Recht, wo wir sie jetzt bei den Sachbezügen neu einführen, als das zu nehmen, was sie sind, nämlich als Anhaltspunkte für die individuelle Einreihung. Die Aufzählung der Berufsgruppen muß auch noch unter dem individuellen Lebensschicksal des einzelnen betrachtet werden und darf nicht nur schematisch nach den Worten verstanden werden, die darin stehen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir hierin zustimmten und im übrigen den Antrag der FDP ablehnten.
Wir stimmen ab über den Antrag der FDP Umdruck 610 Nr. 16. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Nr. 02 ist schon geändert. Der Änderungsantrag auf Umdruck 608 ist angenommen.
Dann rufe ich auf die Nrn. 1, — 2 und 3. — Wer ihnen zustimmt — und damit dem ganzen § 4 —, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 5 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen.
— Angenommen.
Art. 2, § 1 Nrn. 1, 1 a. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Nr. 2! Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 606 Nr. 12 vor.
— Der Abgeordnete Ruf hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mehrheit dieses Hauses, eine knappe Mehrheit, hat heute abend den Brückenbeitrag in § 1249 beseitigt. Dadurch entstehen den Rentenversicherungen nach Schätzung der Versicherungsmathematiker des Bundesarbeitsministeriums Mehraufwendungen von zirka 200 Millionen DM.
Durch diesen Beschluß, den die knappe Mehrheit heute abend gefaßt hat, werden Anwartschaften von Versicherten und deren Hinterbliebenen wieder aufleben, die nie daran gedacht haben, daß sie in ihrem Leben jemals wieder aus diesen Anwartschaften eine Rente erhalten würden.
— Ja, natürlich, über Taschengeld freut man sich immer, Herr Kollege Schellenberg.
Diese Rentner haben es offensichtlich gar nicht für notwendig erachtet, sich weiterhin in der Rentenversicherung zu versichern und dafür Beiträge zu zahlen. Sie waren darauf gar nicht angewiesen. Sie haben anderweitig für ihre Alterssicherung gesorgt.
Und noch eines, Herr Kollege Professor Schellenberg! Sie sind doch sonst ein sehr einsichtiger und korrekter und loyaler Mann.
— Ja, natürlich, das will ich dem Vorsitzenden unseres Ausschusses sehr gern einmal bescheinigen.
Wir haben bei den gesamten Beratungen gemeinsam, Herr Kollege Schellenberg, darauf geachtet, daß wir den Bestand der am 1. Januar 1957 umgestellten Renten nicht antasten. Das geschieht aber, wenn wir es bei dem Beschluß, der vorhin gefaßt worden ist, belassen. Das sollten wir nicht tun.
Deswegen machen wir Ihnen den Vorschlag, in Art. 2 § 1 Nr. 2 das Datum 31. März 1945 durch das Datum 31. Dezember 1956 zu ersetzen, damit wir uns auf Versicherungsfälle nach Inkrafttreten der Rentenreform beschränken. Ich halte das für sehr vernünftig. Das wäre tragbar. Wir würden die Belastungen dann auf ein vertretbares Maß zurückdrängen.
Wenn wir es bei dem Beschluß, der vorhin gefaßt worden ist, beließen, würden wir die Zahl der kleinen und kleinsten Renten erhöhen. Wenn wir uns aber auf Versicherungsfälle ab 1957 beschränken, stocken wir Renten von Versicherten, die 1948, 1949, 1950 oder später aus irgendeinem Grund wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen mußten und dadurch neue Antwartschaften erworben haben, auf. Das ist doch sehr vernünftig.
Ich bitte Sie, diesem meinem Vorschlag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin in interfraktionellen Besprechungen versucht, zu einer Einigung zu kommen. Wie die Bundesregierung uns erklärte, würde die Fassung, die Herr Kollege Ruf jetzt vorgeschlagen hat, dazu führen, daß alle Menschen, die heute 72 Jahre alt und älter sind und die Beiträge gezahlt haben, nicht in den Genuß von Leistungen kommen würden. Das kann sozialpolitisch nicht verantwortet werden. Deshalb müssen wir darauf bestehen, es bei dem Grundsatzbeschluß, der zu § 1 gefaßt wurde, zu belassen.
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8882 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Kollege Schellenberg, Ihr Antrag ist damit zurückgezogen?
— Nein? Der bleibt bestehen?! Ihr Antrag hat wiederum zur Folge, daß einer, der 1925 berufsunfähig geworden ist und heute noch lebt, obwohl er seither nie eine Rente bekommen, nie einen Beitrag gezahlt hat, jetzt nachträglich eine Rente von vielleicht 2 DM bekommt.
Bitte, Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Kollege Stingl, es handelt sich um sehr alte Menschen. Sie können nachher unserem Antrag auf Gewährung von Mindestrenten zustimmen. Dann wird auch diesen alten Menschen eine Mindestrente gesichert.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 606 Ziffer 12. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
— Liegt der Antrag schriftlich vor?
— Doch, doch!
— Das Ergebnis war klar. Dem Antrag haben, wenn ich das noch sagen darf, SPD und FDP zugestimmt. Die CDU/CSU hat, wie die Besetzung jetzt war, den Antrag mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt. Das Präsidium war sich auf jeden Fall über die Situation klar.
Bitte, Herr Abgeordneter Ruf.
Ich darf den Antrag wiederholen. Auf Seite 50 soll unter Nr. 2 das Datum „31. März 1945" durch „31. Dezember 1956" ersetzt werden.
Wir stimmen über den Antrag ab, in Nr. 2 das Datum „31. März 1945" durch „31. Dezember 1956" zu ersetzen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Nr. 2 ist also in dieser Fassung angenommen.
Ich rufe dann die Nrn. 3, 4 und 5 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Dann rufe ich den Änderungsantrag der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 607 Ziffer 4 auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmige Annahme. Damit ist also die Nr. 5 1 eingefügt.
Ich rufe dann die Nrn. 5 a, 6 und 7 auf. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe dann Nr. 8 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge auf Umdruck 606 Ziffern 13 und 14 vor.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe jetzt die Ziffern 13 und 16 zu Art. 2 § 1 Nr. 8 und § 2 Nr. 8 des Ausschußberichts. Diese Anträge betreffen den § 55 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und den § 54 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes. In der Sache betreffen sie die Neubewertung der Sachbezüge, die vor dem 31. Dezember 1956 stark unterbewertet waren. Diese Unterbewertung ging häufig über 50 % hinaus.Bei der Rentenreform haben wir versucht, das Problem für die vor dem 31. Dezember 1956 liegende Zeit dadurch zu regeln, daß wir den Altrentnern einen pauschalen Zuschlag von 10 % zu ihrer persönlichen Rentenbemessungsgrundlage gewährt haben. Das regelt der Absatz 1 der beiden genannten Paragraphen. Bei den Neurentnern haben wir das Problem dadurch zu lösen versucht, daß wir ihnen zu ihrer persönlichen Bemessungsgrundlage für die Zeiten, in denen sie auch mit Sachbezügen entlohnt worden sind, einen Zuschlag von 20 % gewährt haben.Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß die Zuschläge unzureichend waren. Deswegen haben wir diese Vorschläge gemacht, um die Sache neu zu regeln. Sie haben ein ganz beträchtliches Gewicht. Darf ich Sie auf folgendes aufmerksam machen. § 55 erfordert etwa die Hälfte des Gesamtbetrages, der für diese Härtenovelle aufgewendet wird.
Insgesamt sind es, wie wir von Herrn Ollesch gehört haben, etwa 600 Millionen DM. Das hier kostet etwas über 290 Millionen DM.Meine Damen und Herren, für einen Teil der Betroffenen — das sind Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, in der Hauswirtschaft, im Gesundheitsdienst und darüber hinaus noch einige andere Arbeitnehmer, die nicht diesen drei Wirtschaftsgruppen angehören und trotzdem teilweise mit Sachbezügen entlohnt wurden — bringt die Härtenovelle Verbesserungen, insbesondere für die, die unterdurchschnittlich verdient haben. Davon gibt es zweifellos viele in der Landwirtschaft. Darüber hinaus bringt sie Verbesserungen für die, die unterversichert waren. Berechnungen der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft haben ergeben, daß diese Verbesserungen etwa 64 % der überprüften Fälle betreffen. 36 % der von der Gewerkschaft überprüften Fälle bringen Verschlechterungen ge-
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Frehseegenüber der bisherigen Regelung in § 55 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes, wonach 20 % Zuschlag zur persönlichen Bemessungsgrundlage für die Zeiten der teilweisen Entlohnung mit Sachbezügen gewährt worden sind.Aber zu diesem Problem im ganzen will ich mich nicht äußern, sondern zu einem Teilproblem. Der Ausschuß schlägt nämlich vor — bitte schlagen Sie auf: Seite 52 des Ausschußberichts, § 55 Abs. 2, rechte Spalte —:Wird glaubhaft gemacht, daß der Versicherte während mindestens fünf Jahren für eine versicherungspflichtige Beschäftigung neben Barbezügen in wesentlichem Umfang Sachbezüge erhalten hat, so sind bei Renten . . .die dann folgenden Tabellen anzuwenden. Das ist eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand. Sie entspricht natürlich nicht dem Ziel der Härtenovelle, die doch Verschlechterungen ausgleichen soll. Die Regelung entspricht auch nicht dem erklärten Ziel der gesamten Reform der Rentenversicherung, das doch war, die Rente nach der Lebensarbeitsleistung des Versicherten zu bestimmen. Deswegen also diese Bestimmungen in § 55 und § 54.Bisher gab es in Abs. 2 diese Festlegung auf eine bestimmte Zeitspanne nicht. Die fünfjährige Begrenzung ist neu hineingekommen. Auch in der Regierungsvorlage hat sie nicht gestanden. Die Regierungsvorlage hat aus dem geltenden Recht die Klausel übernommen, in der es heißt: „für die Zeiten vor dem 1. Januar 1957, in denen die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind".Es hat einen langen Streit darüber gegeben, wie dieser Abs. 2 auszulegen war. Die Versicherungsträger haben im Interesse ihrer Finanzen diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß auch für den Abs. 2, d. h. für die Neurentner, eine Zeitspanne von 10 Jahren zugrunde zu legen sei. Es hat einen Streit vor den Sozialgerichten gegeben, der am 25. Februar dieses Jahres durch Urteil des Bundesozialgerichts entschieden worden ist. Das Urteil besagt: die Bezugnahme auf Abs. 1 bedeutet nicht, daß für Neurentner auch diese Bedingung der zehnjährigen teilweisen Entlohnung mit Sachbezügen zu erfüllen ist. Das ist also nun geltendes Recht. Dieses geltende Recht wird durch die Bestimmung in Abs. 2, die der Ausschuß vorschlägt, verschlechtert.Der Antrag, den wir Ihnen für die beiden Gesetze vorlegen, läuft darauf hinaus, die Regelung wiederherzustellen. Wir verzichten darauf, eine zeitliche Begrenzung völlig herauszulassen. Wir meinen, daß aus Gründen der verwaltungsmäßigen Durchführbarkeit eine Begrenzung auf ein Jahr angebracht ist. Der Antrag bezweckt also, die Bestimmung „mindestens fünf Jahren" in Abs. 2 zu ersetzen durch „mindestens einem Jahr". Damit würden wir dem Urteil des Bundessozialgerichts gerecht. Mit der Bestimmung, die der Ausschuß vorschlägt, würden das Ziel der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze und dieser Härtenovelle nicht erreicht. Mit dem Ziel, das, wie ich sagte, doch darin zu sehen ist, daß die Renten nach der wirklichen Lebensarbeitsleistung der Versicherten bemessen werden sollen, wäre es unvereinbar, beispielsweise einen Arbeiter, der 5 Jahre bei unterbewerteten Sachbezügen gearbeitet hat, von der vorgesehenen Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen.Ich bitte Sie sehr, im Interesse der Wirksamkeit dessen, was heute insgesamt beschlossen wird, auch im Bereich der Landwirtschaft und der Hauswirtschaft und des Gesundheitsdienstes, diesem Antrag zuzustimmen.Im zweiten Teil der Ziffern 13 und 16 machen wir Ihnen den Vorschlag, diese Bestimmung nur für diejenigen vorzusehen, die tatsächlich voll beschäftigt waren. Ich sagte schon zu Beginn meiner Ausführungen, daß durch die Neuregelung der §§ 54 und 55 diejenigen sehr viele Vergünstigungen erhalten, die unterdurchschnittlich verdient haben oder unterversichert waren, vermutlich auch sehr viele, die nicht voll beschäftigt waren. Wir muten Ihnen nicht zu, für diejenigen, die nicht voll beschäftigt waren, jetzt auch die Bestimmung in Abs. 2 entsprechend unserem Antrag zu ändern. Deswegen haben wir hinzugefügt, daß diese Vorschrift nur für Versicherte gelten soll, die mindestens zwei Drittel der üblichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten erreichen. Wir glauben, daß wir damit allen Gesichtspunkten Rechnung getragen haben, und bitten Sie, diesem sicherlich sehr begründeten Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns über diese Frage schon im Ausschuß sehr eingehend unterhalten. Die Veranlassung war das vom Kollegen Frehsee zitierte Urteil des Bundessozialgerichtes vom 25. Februar 1965. Dieses Urteil des Bundessozialgerichtes wird aber auch durch Ihren Antrag nicht in vollem Umfange erfüllt. Wenn Sie sich nämlich nach ihm richten würden, müßten Sie die Frist überhaupt fallen lassen.
— Ich denke nicht daran, Herr Professor; das wäre sehr schön. Ich will ja gerade deutlich machen, warum wir das nicht tun und warum wir Ihrem Antrag nicht folgen.Ich sagte schon, daß das, was in dem Urteil des Bundessozialgerichtes ausgesprochen wird, auch durch diesen Antrag nicht in vollem Umfange erreicht wird. Wir glauben aber — hier darf ich mich auf das beziehen, was wir im Ausschuß miteinander diskutiert haben —, daß eine ganze Reihe von Schwierigkeiten — auch Nachweisschwierigkeiten — ausgelöst werden, wenn man auf eine Frist von einem Jahr heruntergeht. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn man das aus verwaltungsmäßigen Gründen tun will. Das kommt ja auch in dem zweiten Teil Ihres Antrages zum Ausdruck. Herr Kollege Frehsee, ich sehe hier wirklich
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8884 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Kühn
schwarz. Ich kann mir vorstellen, welche Verwaltungsschwierigkeiten auftreten, wenn im einzelnen geprüft werden soll, db wirklich zwei Drittel der üblichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit erreicht sind.
Ich bitte im Namen meiner 'Fraktion, es bei der Ausschußvorlage zu belassen, die eine Frist von fünf Jahren vorsieht, und den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kühn meint, wir hätten mit unserem Antrag dem Urteil des Bundessozialgerichtes nicht voll entsprochen, weil wir die Frist von fünf Jahren in eine Frist von einem Jahr umwandeln wollen. Das ist doch der Fall. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich ganz kurz eine Stelle aus der Begründung des Urteils des Bundessozialgerichtes 'verlesen:
Der Senat hat auch erwogen, ob gegen die von ihm gegebene Auslegung des Absatzes 2 etwa spreche, daß sie die Rentenversicherungsträger mit einer Verwaltungsarbeit belaste, die in keinem angemessenen Verhältnis zu den durch die Anwendung des Absatzes 2 im Sinne dieser Auslegung sich ergebenden Aufbesserungen der Renten stehe. Hiervon kann jedoch einmal deswegen nicht gesprochen werden, weil Absatz 2 einen besonderen Antrag des Versicherten voraussetzt und sodann vor allem deswegen, weil die Vorschrift dem Versicherten nicht nur die Beweislast, sondern auch die Beweisführungslast auferlegt. Zwar wird es Fälle geben, in denen Anträge nach Absatz 2 schon bei Unterversicherungszeiten von geringer, vielleicht nicht einmal ein Jahr erreichender Dauer gestellt werden. In solchen Fällen besteht in der Tat ein Mißverhältnis zwischen der erforderlichen Verwaltungsarbeit und der geringen Rentenerhöhung, die sich aus ihr ergibt....
Diesem Teil der Begründung des Urteils des Bundessozialgerichts haben wir Rechnung getragen, indem wir auf die zeitliche Begrenzung nicht insgesamt verzichtet haben, sondern statt fünf Jahre Begrenzung gesagt haben: ein Jahr. Es bedeutet keine Rückgängigmachung der Verbesserung, die Sie mit den §§ 55 und 54 bezwecken, wenn Sie jetzt diese Fünfjahresgrenze einführen wollen.
Ich bitte Sie nochmals dringend, im Interesse der Sache, im Interesse der Betroffenen und im Interesse der Zielsetzung dieser Härtenovelle dem sozialdemokratischen Antrag zuzustimmen.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der SPD Umdruck 606 Ziffer 13. Wer zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Antrag Umdruck 606 Ziffer 14. — Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben durch unseren Beschluß die Renten, deren Verdienstgrundlage zu einem großen Teil aus Sachwerten besteht, im Rahmen der Härtenovelle etwas besser gestellt. Leider haben Sie unserem weitergehenden Antrag nicht stattgegeben. Trotzdem erfolgt eine Verbesserung für diejenigen Beschäftigten, deren Einkommen — ich will es noch einmal betonen — zu einem großen Teil aus Sachwerten bestanden hat. Diese Korrektur ist notwendig, weil eine falsche Bewertung einmal der Sachwerte, zum anderen aber auch der Leistung dieser Menschen die Grundlage für ihre Entlohnung war.Das, was für die Sachwerte gilt, wollen wir Sozialdemokraten auch für denjenigen Beschäftigtenkreis anerkannt haben, der zwar keine Entlohnung in Sachwerten erhalten hat, der aber infolge seiner Beschäftigung in vielerlei Industriezweigen ein Einkommen erreicht hat, das gleich niedrig oder in vielen Fällen sogar noch geringer war als das Einkommen derjenigen, die ihre Entlohnungen in Sachwerten erhalten haben.Dabei handelt es sich um ein großes Problem. Ich muß wieder einmal darauf hinweisen, daß heute immer noch 8,4 % der Männer und 55,6 % der Frauen in der Invalidenversicherung eine Rente unter 100 DM erhalten.
44,3 % der Männer und 96,3 % der Frauen erhalten eine Rente unter 200 DM. Alle diese Renten sind nicht etwa nur wegen eines nur teilweise erfüllten Versicherungsverhältnisses so niedrig geworden, sondern der größte Teil dieser Renten ist deshalb so niedrig, weil die Arbeitsleistung dieser Menschen in einem Industriezweig, beispielsweise in der Tabakindustrie, der Textilindustrie oder der Holzindustrie, ebenso falsch bewertet worden ist, wie das bei den Sachwertbeziehern auch der Fall war.Es ist interessant, in einem solchen Zusammenhang wieder einmal in alten Tarifordnungen zu stöbern. Dort kann man feststellen, daß im Jahre 1939 in der Textilindustrie Löhne von 24 Pf gar keine Seltenheit waren und 25jährige gelernte Textilarbeiter damals 52 Pf pro Stunde erhalten haben. Beispiele aus der Holzindustrie und der Spielwarenindustrie will ich gar nicht bringen. Aber Sie können schon aus diesen Zahlen deutlich sehen, daß daraus
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Geigereben die von mir genannten niedrigen Renten entstanden sind.Es ist deshalb ein Akt der Billigkeit, auch für diesen Personenkreis eine Mindestrente einzuführen,
die zumindest so hoch ist wie die in der Tabelle genannten Werte für die Sachwertbezieher. Wir meinen, daß das ein billiges Verlangen ist, das auch entsprechend in die Tat umgesetzt werden sollte. Die Jahresarbeitsverdienste, die sich aus solchen niedrigen Verdiensten ergeben, reichen nicht aus, das gleiche Ziel zu erreichen, das wir berechtigterweise für die Sachwertbezieher als notwendig und richtig herausgestellt haben. Hier handelt es sich um eine wirkliche Härte, und wir sollten im Rahmen der Härtenovelle alles tun, um diese größte Härte zu beseitigen. Übrigens muß diese Härte von den Beteiligten ein ganzes Leben lang getragen werden, zunächst einmal durch das Mindereinkommen für die gleiche Arbeitsleistung und dann noch durch die daraus resultiernde mindere Rente, die in diesem Fall noch niedriger ist als die Rente für die Sachwertbezieher. Wir sollten deshalb wenigstens eine Mindestrente ermöglichen, die der Höhe nach mindestens der Rente entspricht, die sich aus der Tabelle für die Bezieher von Sachwerten ergibt.Herr Kollege Ollesch, Sie haben so beredt davon gesprochen, daß es nicht logisch sei, wenn die Höchstrenten begrenzt würden und keine Mindestrente eingeführt worden sei. Das Haus ist Ihnen nicht ganz gefolgt, aber sie könnten jetzt unter Be- weis stellen, daß die FDP logisch denkt und dieser notwendigen Korrektur zustimmt.
Ich meine, wir sollten das tun. Es gibt keine Begründung dafür, nur den einen besserzustellen, der zufälligerweise zum Teil Sachwerte in der Entlohnung gehabt hat, und den anderen, der nur Barbezüge gehabt hat, schlechterzustellen. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine materielle Frage, obwohl gerade das Materielle und die materielle Grundlage von besonderer Bedeutung sind. Ich meine, das ist auch eine Frage der Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Ich will nicht gerade das Grundgesetz strapazieren, aber wir sollten uns anstrengen, gleiche Tatbestände auch gleich zu behandeln, und sollten diese Entscheidung treffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich auf dem Wege hierher die Bemerkung vom Kollegen Schmidt gehört habe: „Das begreife ich sogar!" Denn wir sind ja hier immer so ein bißchen in der Gefahr, sozialchinesisch zu sprechen, Herr Kollege Schmidt. Aber offenbar ist das keine Sache, die man nicht verstehen kann. Es handelt sich einfach um folgendes. Wir korrigieren diejenigen Renten, bei denen das frühere Einkommen bestimmt war vom Barbezug und vom Sachbezug — Essen, Kost insgesamt, Wohnung, das war die Lebensgrundlage —; neben 'dem Barbezug stand noch etwas anderes.
Jetzt wollen Sie aber auch dem, der nur Barbezüge hat, weil er vielleicht sein ganzes Leben lang nur halbtags. beschäftigt war — so etwas kann es auch geben — —
— Doch, doch! Herr Kollege Schellenberg, es heißt:
. . ., die vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben.
Das kann eine Halbtagsbeschäftigung gewesen sein, das kann — —
— Aber natürlich. Ja, Sie verlangen nur, •daß mindestens die Hälfte der Zeit, also wenn es insgesamt 20 Jahre sind, daß 10 Jahre und 1 Tag versicherungspflichtige Beschäftigung war. Diese versicherungspflichtige Beschäftigung kann sogar eine Halbtagsarbeit gewesen sein, oder wie Sie es meinen: Es war eine Tätigkeit, die sehr gering bezahlt wurde.
Meine Damen und Herren, die Rentenversicherung ist nicht dazu da, die damaligen Lebensverhältnisse zu ändern, .auf die heutige Zeit umzumodeln, sondern sie ist dazu da — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, Herr Kollege Schellenberg.
Haben Sie übersehen, daß es in § 55 Abs. 2 ausdrücklich heißt:
. . . oder für Zeiten, in denen der Versicherte nicht mindestens 2/3 'der üblichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit als Pflichtversicherter beschäftigt war. . . .
Wir wollten die Regelung nur auf überwiegend Beschäftigte anwenden.
Gut, Herr Kollege Schellenberg, ich gebe zu, daß das nicht zutrifft. Aber erst einmal zu ermitteln, was damals die Normalbeschäftigung war, und zu ermitteln, was die 2/3 sind, das macht das so kompliziert wie nur irgend etwas. Wir können nicht in die Vergangenheit hinein die unterschiedlichen Lebensverhältnisse heute korrigieren. Ich bitte Sie, abzulehnen.
Wir stimmen ab über die Ziffer 14 des Antrags der SPD auf Umdruck 606. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
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8886 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. April 1965
Vizepräsident Dr. DehlerWir stimmen ab über Nr. 8 der Ausschußvorlage. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf § 2. Nr. 1 ist schon durch den angenommenen Antrag Umdruck 608 Ziffer 5 geändert. Wer der Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 2 a zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. — Einstimmige Annahme.Dann Nr. 3. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 606 Ziffer 15 der Fraktion der SPD vor. Ich glaube, er ist schon begründet.
— Schon erledigt.Dann kann ich Nrn. 3, 4 und 5 aufrufen. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Einstimmige Annahme.Dann kommen wir zu dem Antrag Umdruck 607 Ziffer 5. Begründung ist nicht erforderlich. Wer dem Antrag Umdruck 607 Ziffer 5 der Fraktionen der CDU/CSU, SPD zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmige Annahme.Dann zu Nr. 5 a, 6 und 7. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.Ich rufe Nr. 8 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge Umdruck 606 Ziffern 16 und 17 der Fraktion der SPD vor. Beide Änderungsanträge sind schon erledigt. Wer Nr. 8 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Einstimmige Annahme.Dann rufe ich § 3 auf. Nr. 1 ist durch den angenommenen Antrag Umdruck 608 Ziffer 6 geändert.
— Dann kann ich über den gesamten § 3 abstimmen lassen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Angenommen.Dann kann ich Art. 3 aufrufen. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Einstimmig angenommen.Dann Art. 3 a. Ebenfalls keine Änderungsanträge. Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Einstimmig angenommen.Dann Art. 4! Ich rufe auf §§ 1 a, — 1 b und 1 c. — Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Einstimmig angenommen.Zu § 2 liegt der Änderungsantrag der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 607 unter Ziffer 6 vor. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Einstimmig angenommen.Ich rufe auf § 2 in der geänderten Fassung sowie die §§ 3, — 4, — 5, — 6 und 7. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.Zu § 8 liegt der Änderungsantrag der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 607 unter Ziffer 7 vor. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen. Ich darf feststellen, daß § 8 mit dieser Änderung angenommen ist.Wir haben dann noch abzustimmen über Einleitung und Überschrift.
— Sie gelten als angenommen; sie sind ja aufgerufen worden.Wir kommen also zur Abstimmung über Einleitung und Überschrift.
— Ja, mit der schon erwähnten Änderung, daß die Worte „über die" zu ersetzen sind durch „zur". — Ich stelle fest, daß Sie der so geänderten Überschrift und der Einleitung zustimmen.Ich rufe den gesamten Gesetzentwurf mit den vorgenommenen Änderungen in zweiter Beratung auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe!— In zweiter Beratung einstimmig angenommen.Die dritte Beratung erfolgt morgen.Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 2. April 1965, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.