Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zunächst die Freude, einigen Kollegen die Glückwünsche des Hauses zu ihrem Geburtstag aussprechen zu können: Herr Abgeordneter Höhne ist am 13. Juni 60 Jahre alt geworden,
Kollege Dr. von Brentano am 20. Juni ebenfalls 60 Jahre.
Zu den 60jährigen gehört jetzt auch der Abgeordnete Dr. Menne , der am 20. Juni dieses Alter erreicht hat.
Der Kollege Eichelbaum hat am 23. Juni seinen 71. Geburtstag gefeiert.
Als Nachfolger für die verstorbene Abgeordnete Frau Dr. Rehling ist mit Wirkung vom 11. Juni der Abgeordnete Dr. Becker in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn und wünsche ihm gute Zusammenarbeit im Hause.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Das Bundesversicherungsamt hat unter dem 8. Juni 1964 die Abrechnung über die Rentenzahlungen, Beitragserstattungen und Beitragszahlungen für die Krankenversicherung der Rentner in der Rentenversicherung der Arbeiter für das Kalenderjahr 1963 übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 15. Juni 1964 die Verordnung Z Nr. 1/64 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1964 und die Verordnung Z Nr. 2/64 zur Änderung der Verordnung Z Nr. 3/58 über Preise für Zucker zur Kenntnisnahme übersandt. Die Verordnungen liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 19. Juni 1964 unter Bezugnahme auf § 50 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957 den Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1963 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet und die Stellungnahme der Bundesregierung hierzu übersandt. Der Bericht wird als Drucksache IV/2370 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 12. April 1962 unter dem 23. Juni 1964 den Bericht der Bundesregierung über die Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können, übersandt. Der Bericht wird 'als Drucksache IV/2412 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat gemäß § 76 Abs. 2 GO den Jahresbericht 1963 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksache IV/2305 — dem Ausschuß für Verteidigung überwiesen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 22. Juni .1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beamtenbesoldung — Drucksache IV/2277 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2409 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 22. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. ausstehende Berichte der Bundesregierung — Drucksache IV/2299 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2411 verteilt.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Punkte 30 und 31 der Tagesordnung — Schriftliche Berichte des Außenhandelsausschusses über die Neunundsechzigste und Zweiundsiebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963, Drucksachen IV/2313, IV/2362, IV/2314, IV/2360 — an den Außenhandelsausschuß zurückzuverweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Der Außenhandelsausschuß ist berechtigt, während des Plenums zu tagen.
Das Wort zur Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle den Antrag, die heutige Tagesordnung zu erweitern um den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Art. 118 des Grundgesetzes, über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebiets gemäß Art. 29 Abs. 1 bis 6 des Grundgesetzes und über den von einer Anzahl von Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung des Gebietsteils Baden des Bundeslandes Baden-Württemberg nach Art. 29 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes.Der Rechtsausschuß hat diese Materie abschließend beraten, der Bericht liegt dem Hause vor, und wir fügen hinzu: diese Sache ist jetzt entscheidungsreif. Die Bevölkerung in Baden-Württemberg hat ein Anrecht darauf, daß diese Angelegenheit zu Ende gebracht wird, und deswegen möchten wir, daß dieser Punkt heute behandelt wird.Herr Präsident, falls meinem Wunsch stattgegeben wird, sollte dieser Punkt — nach einer Vereinbarung im Ältestenrat — heute um 15 Uhr nach der Mittagspause aufgerufen werden.Ich weiß, daß gegen meinen Antrag eingewandt wird, man solle diesen Bericht des Rechtsausschusses erst behandeln, wenn dem Hause auch der Bericht des Rechtsausschusses über den Antrag der SPD ge-
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6414 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Rasnermäß Art. 29 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes vorliegt. Diese Materie hingegen ist nun ganz klar nicht entscheidungsreif. Sie wissen, daß der Entwurf der SPD potentiell die Grenzen aller Bundesländer zur Diskussion stellen kann. Daß dabei spezielle Wünsche, sagen wir einmal, des Herzogs von Hessen gegen den Pfalzgrafen bei Rhein vorliegen können,
ist uns allen bekannt.
Wir sind der Meinung, daß bei dieser Materie die Bundesregierung und auch die Bundesländer gehört werden müssen, wie das im Rechtsausschuß vorgesehen ist. Wir sind nicht der Meinung, daß dieses Haus darüber Beschluß fassen kann, ehe sich nicht im Rechtsausschuß die Länder dazu geäußert haben. Deswegen ist dieser Punkt nicht entscheidungsreif.Wir sind nicht bereit, das taktische Manöver mitzumachen, die „Lokomotive Baden-Württemberg" so lange zu stoppen, bis auch andere Wünsche erfüllt sind. Deshalb bitten wir Sie, hier und heute unserem Antrag stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. Februar hat das Haus einen Antrag der SPD-Bundestagsfraktion über eine Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes beraten. Am Vormittag des 21. Februar hat die CDU/CSU-Fraktion den Entwurf eines Gesetzes über eine Neufassung des Art. 118 des Grundgesetzes eingebracht. Beide Gesetzentwürfe sind dem Rechtsausschuß und dem Innenausschuß überwiesen worden.
Der Innenausschuß hat in durchaus richtiger Erkenntnis des Zusammenhangs der Dinge beide Anträge zusammen behandelt und sein Votum dem Rechtsausschuß zugeleitet. Im Rechtsausschuß aber, meine Damen und Herren, hat man abweichend von aller sonstigen Übung den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion, obwohl er der weitergehende und der ältere ist, abgetrennt und nur die anderen Anträge behandelt.
Das ist ein so ungewöhnliches Vorgehen, daß es um so erstaunlicher ist, wenn Herr Rasner hier nun selbst vorträgt, daß die Sache ja nicht entscheidungsreif ist; denn das ist in der Tat doch der Fall.
Herr Rasner, Sie haben gesagt, daß der Antrag der SPD-Fraktion nicht entscheidungsreif ist. Das heißt — darin sind wir mit Ihnen einig —, daß die Sache nicht vorberaten und daher nicht entscheidungsreif ist. Wir sind der Auffassung, daß gleiches Recht für alle gelten muß. Nach unserer Auffassung muß in dem Landesteil Baden in Baden-Württemberg tatsächlich die Möglichkeit geschaffen werden, einen Volksentscheid durchzuführen. Es dürfen nicht nur, wie es die CDU/CSU-Fraktion seit nun genau einem halben Jahr tut, taktische Manöver gemacht werden.
Sie haben im Rechtsausschuß einen sehr sonderbaren, von der Stuttgarter Regierung lancierten Entwurf eingebracht. Nachher haben Sie ihn selbst fallenlassen. Sie haben innerhalb Stunden einen neuen Entwurf nachgeschoben, den Sie nun offensichtlich selber nicht mehr wahrhaben wollen; denn sonst würden Sie die Gesamtberatung abwarten, um mit uns zusammen zu erreichen, daß eine Gesamtlösung möglich ist. Aber da Sie das ja nur ,als taktisches Spiel wollten, nur so tun wollten, als ob Sie einer solchen Regelung zustimmten, war es Ihnen sehr unangenehm — —
— Wenn Sie es noch nicht verstehen, ,dann befassen Sie sich einmal damit!
— Herr Hilbert, Sie verstehen ja etwas davon und wissen ganz genau, daß Sie nur so tun wollten, als ob Sie einer Regelung zustimmten.
Sie wissen ganz genau, daß, da es um eine Verfassungsänderung geht, gegen oder ohne die Stimmen der SPD nichts zu machen ist. Daher müssen Sie doch wissen, daß der Vorschlag, den wir im Ältestenrat gemacht haben, der einzig richtige ist, nämlich erst die Beratung der gesamten Materie durchzuführen.
Deshalb sind wir der Auffassung, daß es unsachlich ist, diesen Entwurf auf die heutige Tagesordnung zu setzen
— denn die Sache selbst, Herr Hauser, ist noch nicht beraten —, weil Sie es abgelehnt haben, sie im Rechtsausschuß auf die Tagesordnung zu setzen.
Wir stimmen dann über den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner ab, diese drei Vorlagen — die Schriftlichen Berichte des Rechtsausschusses über die Neugliederungsgesetzentwürfe — auf die Tagesordnung zu setzen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Das ist die Mehrheit. Dieser Tagesordnungspunkt wird also heute nachmittag um 15 Uhr aufgerufen.Wir kommen dann zu derFragestunde .Es ist vereinbart, daß zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern aufgerufen werden.Ich rufe aus der Drucksache IV/2386 die Frage IV/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann — auf :Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Genehmigung von Einreisevisen für Ante aus Polen und anderen Ostblockstaaten, die Ärztekongresse oder wissenschaftliche Forschungsstätten in der Bundesrepublik aufsuchen wollen, eine Bearbeitungszeit von 4 bis 6 Wochen benötigt?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6415
Die Sichtvermerkanträge von Ärzten und anderen Wissenschaftlern aus den Ostblockstaaten werden zur Zeit im Durchschnitt innerhalb von drei bis vier Wochen bearbeitet, also nicht, wie behauptet wird, innerhalb von vier bis sechs Wochen. Die Länge der Bearbeitungszeit hängt naturgemäß von einer Reihe von Umständen ab, vor allem von der Zahl der Anträge, die erfreulicherweise außerordentlich im Wachsen begriffen ist, und davon, wie schnell andere Behörden, die gefragt werden müssen, ihre Auskünfte geben. Ich darf auf die unerhört gewachsene Zahl von Anträgen hinweisen. Wir hatten z. B. im Jahre 1961 3410 und haben im Jahre 1964 bereits jetzt nach wenigen Monaten 15 250 Anträge zu bearbeiten. Die Personallage erlaubt es nicht — trotz äußerster Rationalisierung —, die Erledigung noch schneller vorzunehmen.
Herr Abgeordneter Dr. Jungmann, eine Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage IV/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann — auf, die den gleichen Komplex berührt:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um solche in Frage IV/1 genannten Einreisevisen in Zukunft schneller zu bearbeiten?
Ich habe schon erklärt, Herr Kollege Jungmann, daß alles getan wird, was an Rationalisierung möglich ist. Ich bin aber darauf angewiesen, zusätzliches Personal zu bekommen, um die riesige Flut von Anträgen zu bearbeiten. Anträge dazu werden dem Hohen Hause im Haushaltsausschuß vorgelegt werden.
Keine weitere Frage.
Frage IV/3 — des Herrn Abgeordneten Sänger —:
Seit wann und aus welchem Anlaß wird beim Bundesinnenministerium die Deutsche Reichspartei nicht mehr als „rechtsradikal" angesehen?
Ist der Kollege Sänger anwesend? — Wird die Frage aufgenommen?
Ich bitte mir zu gestatten, daß ich die beiden Fragen zusammenfassend beantworte.
Einverstanden.
Die Parteileitung der Deutschen Reichspartei hat in ihrem Einladungsschreiben an die Presse zu ihrem Parteitag am 20. und 21. Juni behauptet, sie könne dokumentarisch belegen, daß die Partei im Bundesinnenministerium nicht mehr als rechtsradikal angesehen werde. Diesen Beweis glaubt die Parteileitung aus dem Erfahrungsbericht über den Rechtsradikalismus ableiten zu können, den mein Haus im März letzten Jahres veröffentlicht hat und der Angaben über die Höhe des Beitragsaufkommens rechtsradikaler Parteien enthält. Diese Angaben waren nicht ganz vollständig, so daß die Deutsche Reichspartei zu Unrecht
einen derartigen Schluß gezogen und publiziert hat.
Keine Zusatzfrage. Frage IV/4 — Abgeordneter Sänger —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Reichspartei in ihrer Einladung zu dem am 20. Juni 1964 stattfindenden Parteitag in Bonn wörtlich erklärt hat: Die DRP rubriziert im Bundesinnenministerium nicht mehr als „rechtsradikal", was im übrigen bei unserem Bonner Parteitag dokumentarisch belegt werden wird?
Die Frage wird ebenfalls von dem Abgeordneten Dr. Heinemann übernommen.
Ich habe schon im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Frage erklärt, Herr Kollege Heinemann, daß diese Schlußfolgerung der Deutschen Reichspartei nicht zutrifft.
Frage IV/5 — des Herrn Abgeordneten Strohmayr —:
Ist der Bundesregierung bekannt, was die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn veranlaßt haben kann, laut Verfügung vom 4. April 1964 einen „Hilfsarbeiter" der Hauptverwaltung zum Bundesbahnrat, also zu einem Beamten des höheren Dienstes zu ernennen?
Ich bitte mir zu gestatten, daß ich die drei Fragen des Abgeordneten Strohmayr zusammenfassend beantworte.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Fragen IV/6 und IV/7 — des Herrn Abgeordneten Strohmayr — auf:
Werden auch in anderen Ministerien und Verwaltungen „Hilfsarbeiter" im höheren Dienst beschäftigt?
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß der Aufgabenbereich der „Hilfsarbeiter" des höheren Dienstes besser umrissen wäre, wenn sie als Mitarbeiter oder Sachbearbeiter bezeichnet würden?
Zu der ersten Frage möchte ich sagen, daß die Vorbildung und die Leistungen des betreffenden Beamten für die Bundesbahnverwaltung maßgeblich waren für die Beförderung.
In den anderen Ministerien und Verwaltungen gibt es ebenfalls Hilfsarbeiter dieser Art, die aber nicht als Hilfsarbeiter, sondern als wissenschaftliche Hilfsarbeiter bezeichnet werden oder die ähnliche Bezeichnungen tragen. Ich bin der Meinung, daß der Begriff Hilfsarbeiter, wenn man ihn isoliert verwendet, zwar zu Mißdeutungen Anlaß gibt; ich bin jedoch im übrigen der Auffassung, daß eine sehr beachtliche Tätigkeit durchaus mit einer sehr einfachen Bezeichnung zu vereinbaren ist. Das entspricht einer guten traditionellen Bescheidenheit.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Minister, finden Sie es nicht etwas diskriminierend, wenn ein Mann im gehobenen oder höheren Dienst als „Hilfsarbeiter" bezeichnet wird?
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Nein, als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter" nicht. Man könnte dies noch verdeutlichen. Aber ich finde auch das andere nicht diskriminierend, weil alles, was mit Arbeit zusammenhängt, eine sehr ehrenvolle Bezeichnung ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Brück!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß man in Berufskreisen dieses Standes nicht nur vom „Hilfsarbeiter" spricht — was dort keinesfalls als Diskriminierung empfunden wird —, sondern sogar von „Hilfsbremsern"? Auch das ist eine ehrenvolle Bezeichnung.
Die Fragen 6 und 7 sind damit erledigt.
Ich rufe auf die Frage IV/8 — der Abgeordneten Frau Freyh —:
Welche Stellung nimmt die Bundesregierung zu Zeitungsmeldungen ein, nach denen die Zahl der Kindesmißhandlungen ansteigt?
Wir haben bei den einzelnen Ländern Erhebungen angestellt und bisher von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein Antworten erhalten, nach denen die Kindesmißhandlungen in diesen Ländern erfreulicherweise nicht angestiegen sind. Nur in Hamburg ist ein leichtes Ansteigen dieser Fälle zu verzeichnen. Die übrigen Länder haben auf meine Anfrage wegen des Ansteigens der Zahl der Kindesmißhandlungen bisher noch nicht geantwortet. Ich werde diese Antworten später schriftlich nachreichen.
Auch nach Auffassung des Deutschen Kinderschutzbundes ist die Zahl der Kindesmißhandlungen erfreulicherweise nicht angestiegen. Lediglich in einer medizinischen Fachzeitschrift wird ein Ansteigen behauptet, und auf diesen Artikel dürften sich wohl die Zeitungsmeldungen stützen, die vielleicht auch für Sie maßgeblich waren, die Frage zu stellen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage IV/9 — der Abgeordneten Frau Freyh —:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Kindesmißhandlungen zu begegnen, indem sie beispielsweise die Bevölkerung darauf hinweist, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten?
Die Bundesregierung sieht solche Möglichkeiten vor allem darin, den Ländern und dem Deutschen Kinderschutzbund zu empfehlen, die Bevölkerung in geeigneter Weise auf die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung bei Kindesmißhandlungen hinzuweisen. Das ist das einzige Mittel, über das der Bund verfügt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, haben Sie die Absicht, darauf hinzuweisen, oder sehen Sie dazu nur eine Möglichkeit?
Nein, ich habe die Absicht.
Ich rufe auf die Frage IV/10 — des Herrn Abgeordneten Börner —:
Wann ist mit dem Baubeginn des Lehrsaalgebäudes der Grenzschutz-Unterkunft Ihringshausen bei Kassel zu rechnen?
Der Baubeginn für das Lehrsaalgebäude in der Grenzschutzunterkunft Ihringshausen bei Kassel ist für den Anfang des Rechnungsjahres 1965 vorgesehen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, sehen Sie keine Möglichkeit, noch in diesem Jahr mit gewissen Vorarbeiten zu beginnen? Die jetzigen Unterrichtsräume sind alles andere als zufriedenstellend.
Ich teile Ihre Meinung, daß wir das so schnell wie möglich machen sollten, bin aber an die finanziellen Vorschriften gebunden, die hier von diesem Hause beschlossen werden.
Eine weitere Zusatzfrage!
Wäre es nicht möglich, bei Durchsicht aller Haushaltstitel noch gewisse Restmittel des Jahres 1964 für die ersten Arbeiten heranzuziehen?
Es ist so, daß wir den Unterkünften den Vorrang geben vor zusätzlichen Bauten.
Ich rufe auf die Frage IV/11 — der Abgeordneten Frau Dr. DiemerNicolaus —:
Worauf ist die unterschiedliche Aufklärungsquote von Verbrechen und Vergehen in den einzelnen Bundesländern zurückzuführen?
Eine befriedigende Analyse der Gesamtaufklärungsquote, bezogen auf die einzelnen Bundesländer, ist den Fachleuten bisher nicht gelungen. Die Kriminalstatistik ist im wesentlichen nicht eine qualitative, sondern eine quantitative Analyse mit nur wenigen Erkenntnissen qualitativer Art.Es gibt leicht aufzuklärende und schwer aufzuklärende Delikte. Die Aufklärungsquote in den einzelnen Deliktsgruppen schwankt zwischen 10,5 und 99,7 %. Die Häufigkeit der leicht oder schwer aufklärbaren Kriminalität beeinflußt die Gesamtaufklärungsquote in einem Land. Insbesondere die Sammelgruppen in der Kriminalstatistik „Alle sonstigen Verbrechen und Vergehen gemäß Strafge-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6417
Bundesminister Höcherlsetzbuch" sowie „ Verbrechen und Vergehen gegen strafrechtliche Neben- und Landesgesetze", deren Großteil verhältnismäßig leicht aufzuklären ist, erschweren einen Vergleich ganz außerordentlich. Es wäre nicht korrekt, wenn man aus den unterschiedlichen Zahlen der einzelnen Länder auf die bessere oder geringere Qualität der Polizei schließen wollte, sondern das hängt mehr mit der ungenügenden und differenzierten Form der Statistik zusammen, die schwer zu fassen ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Diemer Nicolaus.
Herr Minister, meine Frage wurde durch die Veröffentlichung im Bulletin vom 12. Juni 1964 veranlaßt. Ist die Gesamtaufklärungsquote — die Zahlen stammen ja von Ihrem Ministerium: in Bayern 70,6 % und in Nordrhein-Westfalen 46,3 %, nicht doch so stark unterschiedlich, daß man hier sehr ernsthaft überlegen müßte, was die Ursachen sind und wie hier eine Besserung erreicht werden kann?
Ganz abgesehen davon, daß es sich um eine Frage handelt, für die die Länder zuständig sind, in die wir nicht unmittelbar eingreifen können und sollten, ist es doch so, daß die quantitative Analyse eben zuwenig über die qualitativen Fragen aussagt, die Sie gestellt haben. Man könnte überlegen, eine noch differenziertere Statistik zu versuchen. Vielleicht würde dann das Bild günstiger werden. Ich habe schon einige Umstände genannt, die die Aussagekraft etwas verfälschen oder zumindest nicht so eindeutig machen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Diemer-Nicolaus.
Sie weisen auf die Zuständigkeit der Länder hin. Haben Sie als Bundesminister aber nicht die Möglichkeit, durch Gespräche mit den Ländern darauf hinzuwirken, daß da, wo die Aufklärungsquoten so gering sind, die Dinge sich wandeln?
Frau Kollegin, ich nehme an, daß der zuständige Innenminister von Nordrhein-Westfalen diese Unterschiede selbst bemerkt und daß er selber in erster Linie daran interessiert sein wird, Abhilfe zu schaffen. Es wäre unangemessen, wenn ich von mir aus auf solche Pflichten aufmerksam machen müßte. Nachdem er außerdem noch Ihrer Partei angehört, habe ich gar keinen Zweifel, daß das Äußerste geschieht, was überhaupt möglich ist.
Wir kommen zur Frage IV/12 — der Frau Abgeordneten Funcke —:
Trifft es zu, daß trotz Ableistung des Wehrdienstes ein 25-
bzw. 26jähriger Student das Waisengeld nach dem G 131 deshalb nicht erhält, weil er als Schüler einmal sitzengeblieben ist?
Da keine näheren Angaben vorliegen, gehe ich davon aus, daß der Wehrdienst vor Vollendung ides 25. Lebensjahres geleistet worden ist. In diesem Falle wird das Waisengeld wahrend der Berufsausbildung über das 25. Lebensjahr hinaus für einen Zeitraum gezahlt, der .der Wehrdienstzeit entspricht. Das einmalige Sitzenbleiben in der Schule hat also auf diese Zahlung keinen nachteiligen Einfluß. Das ist die Rechtslage. Es kann aber durchaus sein, daß einmal auch eine eindeutige Rechtslage eine nicht genügende Auslegung erfahren hat. Das könnte auch in diesem Falle sein, dessen Einzelheiten mir nicht bekannt sind.
Eine Zusatzfrage, Frau Funcke.
Herr Minister, wären Sie bereit, Ihre Antwort auch den zuständigen Stellen durchzugeben?
Ich nehme an, Frau Kollegin, daß das, was wir jetzt in aller Öffentlichkeit besprechen, publiziert wird und vielleicht eine Überprüfung der Entscheidung ohne besonderen Hinweis veranlassen könnte.
Eine weitere Frage, Frau Funcke.
Herr Minister, dürfte ich Sie, da diese Fälle nicht einmalig sind, dennoch bitten, Ihre Auffassung auch den nachgeordneten Stellen als Anweisung bekanntzumachen?
Ich kann einer solchen Bitte nicht widerstehen.
Ich rufe die Fragen IV/13 und IV/14 — der Abgeordneten Frau Dr. Hubert — auf:Welche Erkenntnisse hat der 6tägige Bunkertest mit einer ausgewählten Personengruppe gegenüber den im letzten Weltkrieg gemachten Erfahrungen an Gesunden und Kranken, die zum Teil weit länger in Bunkern zugebracht haben, ergeben?In welcher Weise hat die Bundesregierung sich bisher die im letzten Weltkrieg gemachten Erfahrungen über die Verhaltensweise und die körperlichen Reaktionen der Menschen auf den langen Bunker-Aufenthalt zunutze gemacht?Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Ich rufe aus der Drucksache IV/2399 die Frage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf:Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Schriftleitung der Wochenzeitschrift „Das Parlament'', daß der Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 429 zur zweiten und dritten Lesung des Haushalts 1964 nebst Begründung und die Stellungnahmen des Bundesverteidigungsministers sowie der Sprecher der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU nach dem 8. Juni nicht mehr aktuell seien und deshalb für eine Veröffentlichung kein Bedürfnis mehr vorliege?
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Es wird mir hier die Stellung eines Zensors zugemutet. Das Innenministerium übt keine Zensur über das „Parlament" aus. Das „Parlament" ist eine parteipolitisch neutrale Aufklärungseinrichtung. Im übrigen hätte man, wenn man diesen zweifellos sehr bedeutungsvollen Umdruck der FDP Nr. 429 hätte veröffentlichen wollen, eine Doppelnummer herausgeben. müssen. Das wäre zweifellos als einseitige Begünstigung ausgelegt worden. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir mehr Mittel bekommen hätten, um all das, was hier in diesem Hohen Hause geschieht, drucken und der Öffentlichkeit bekanntgeben zu können.
Eine Zusatzfrage, Herr Kreitmeyer.
Herr Bundesinnenminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Zeitschrift „Das Parlament" das einzige Informationsmittel ist, welches die Truppe sich beschaffen kann, um im staatsbürgerlichen Unterricht darüber berichten zu können, was hier im Bundestag vor sich geht, und daß es deshalb von besonderer Bedeutung ist, daß Tatsachen, die hier vorgebracht werden, wenigstens auf diese Art und Weise allen Einheiten der Truppe zur Kenntnis gelangen?
Das ist mir sehr wohl bekannt. Ich werde nicht anstehen, bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen eine kräftige Anhebung der Mittel zu beantragen. Ich hoffe sehr, daß Sie mich dabei unterstützen, damit es möglich wird, alles wiederzugeben und eine vollständige Aufklärung zu betreiben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Kreitmeyer.
Herr Minister, darf ich Ihren Worten auch entnehmen, daß Sie bereit sind, die Schriftleitung des „Parlaments" auf die Bedeutung der Ausführungen hinzuweisen, die wir in dem Antrag Umdruck 429 und die alle Parteien in diesem Hause in ihrer Stellungnahme gemacht haben?
Ich habe von dem Pflichtbewußtsein der Redaktion eine so hohe Meinung, daß ich überzeugt bin, daß diese Aussprache dazu führen wird, daß das nachgeholt wird, was notwendig ist.
Eine Zusatzfrage.
Ist dem Herrn Antragsteller mitgeteilt worden, daß der umgekehrte Weg gegangen werden muß? Die Redaktion des „Parlaments" ist zu jeder Zeit bereit, auf Wünsche, die Fraktionen hinsichtlich ihrer Veröffentlichungen haben, einzugehen. Es ist in den zwölf Jahren, in denen das „Parlament" nun erscheint — ich glaube, das wird mir auch der Herr Kollege von der Opposition bescheinigen —, noch keine Beschwerde von den einzelnen
Fraktionen gekommen. Ich möchte also die Herren bitten, wenn sie Wünsche haben, sich an die Redaktion zu wenden. Sie werden berücksichtigt.
Herr Abgeordneter, das ist an sich keine Frage, sondern eine — —
Ich kann dem Plädoyer nur beitreten.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unter Nr. VII der Drucksache IV/2386. Ich rufe auf Frage VII/1 — des Herrn Abgeordneten Wächter —:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um ein Übergreifen der afrikanischen Schweinepest auf die Bundesrepublik zu verhindern?
Bitte, Herr Minister.
Ich antworte wie folgt.
Gestatten Sie, daß ich zunächst auf meine Ausführungen hinweise, die ich am 26. Juni 1963 in Beantwortung der mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Vogel gegeben habe. Die Antwort findet sich als Anlage 14 des Protokolls über die 83. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963.
Mitte April dieses Jahres hat das Internationale Tierseuchenamt in Paris mitgeteilt, daß erste Fälle der afrikanischen Schweinepest in Südfrankreich ermittelt worden sind. Inzwischen wurden zwei Seuchenfälle auch in der Bretagne festgestellt. Die Bundesregierung hat daraufhin zur Vermeidung einer Einschleppung der Seuche aus Frankreich die Bundesländer sofort veranlaßt, keine veterinärbehördlichen Ausnahmegenehmigungen zur Einfuhr von lebenden Schweinen, von Schweinefleisch sowie von Schweinen stammenden Erzeugnissen — Borsten, Knochen usw. — mehr zu erteilen; erteilte Ausnahmegenehmigungen wurden sofort widerrufen. Auch die Oberkommandos der in Deutschland stationierten NATO-Truppen wurden unverzüglich unter Bezugnahme auf Art. 54 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut gebeten, bei der Versorgung ihrer Truppenteile die deutschen tierseuchenpolizeilichen Maßnahmen zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die niederländische Regierung erst kürzlich eine Verordnung erlassen hat, die wegen der afrikanischen Schweinepest eine erhebliche Verstärkung der gesundheitspolizeilichen Vorschriften für die Einfuhr sogar von Rindfleisch vorsieht?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6419
Herr Kollege Wächter, mir ist diese Verordnung der Niederländer im Augenblick nicht bekannt. Ich darf aber darauf hinweisen, daß wir selbst vor wenigen Tagen im Bundesrat eine Verordnung eingebracht haben, die ebenfalls eine wesentliche Verschärfung der bestehenden Maßnahmen vorsieht.
Frage VII/2 — des Herrn Abgeordneten Rehs —:
Trifft es zu, daß in stiller Weiterverfolgung der Absicht, die Deutsche Siedlungsbank und die Deutsche Landesrentenbank zu fusionieren, bereits ein Grundstück für einen neu zu errichtenden Verwaltungsbau beschafft oder vorgesehen worden ist?
Bitte, Herr Minister.
Die Frage des Herrn Kollegen kann ich mit einem eindeutigen Nein beantworten. Bei den Bemühungen der Deutschen Siedlungsbank um den Erwerb eines Baugrundstücks handelt es sich um eine vorsorgliche Maßnahme, die ihren Grund ausschließlich in der besonderen Interessenlage der Deutschen Siedlungsbank hat.
Darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Präsident? — Darf ich aus dieser Antwort schließen, Herr Minister, daß das Vorhaben einer Fusion der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank inzwischen fallengelassen worden ist?
Herr Kollege, insofern haben Sie recht: das Vorhaben des Grundstücksankaufs seitens der Deutschen Siedlungsbank hat nichts mit einer zukünftigen Fusion zu tun. Über eine Fusion wird der Deutsche Bundestag zu gegebener Zeit durch eine Gesetzesvorlage in Kenntnis gesetzt werden.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Minister: Warum wird eigentlich das Gutachten, das Sie in einer Fragestunde vor drei Jahren hier angekündigt haben und das ja inzwischen fertiggestellt ist — das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften über diese Fusion der beiden Banken —, selbst vor den Verwaltungsräten und den Instituten geheimgehalten?
Das Gutachten ist keineswegs in dem Maße geheimgehalten worden, wie Sie es im Augenblick offenbar annehmen. Das Gutachten ist auch jenen zur Verfügung gestellt worden, die hier aus bestimmten Gründen ein besonderes Interesse wahrzunehmen hatten. Ich darf hier auch den Namen des Herrn Kollegen Rehs nennen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt .
Herr Minister, können Sie uns mitteilen, ob die beabsichtigte Fusion wirkliche Vorteile auch im Siedlungsverfahren und andererseits auch Vorteile für den einzelnen Siedler bringt? Denn darauf käme es ja schließlich an.
Es ist mir im Augenblick nicht möglich, darüber ein endgültiges Urteil zu fällen, weil die Verhandlungen innerhalb der Ressorts noch nicht abgeschlossen sind. Das Gutachten spricht von Ersparnissen. Zweifellos können solche in Erscheinung treten. Es sieht aber nicht so aus, als ob diese Ersparnisse besonders groß wären.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt .
Herr Minister, wären Sie bereit, diese Frage im Herbst dieses Jahres einmal mit uns im Ernährungsausschuß zu erörtern?
Selbstverständlich gern, Herr Kollege.
Ich rufe auf die Frage VII/3 — des Abgeordneten Logemann —:
Entspricht der niederländische Angebotspreis für Importeier in die Bundesrepublik den Regelungen der EWG-Marktordnung Nr. 21?
Die Marktpreise für innergemeinschaftliche Erzeugnisse bilden sich nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Da ein innergemeinschaftlicher Einschleusungspreis in der EWG-Verordnung Nr. 21 nicht vorgesehen ist, ist es möglich, daß vor allem bei Angebotsdruck Lieferungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu nicht kostendeckenden Preisen erfolgen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Logemann? — Nein.
Dann rufe ich auf die Frage VII/4 — des Herrn Abgeordneten Logemann —:
ist die Bundesregierung bereit, die niederländischen Angebotspreise daraufhin zu überprüfen und insbesondere feststellen zu lassen, ob die niederländischen Eierpreise durch staatliche Einwirkungen auf dem Wege vom Erzeuger bis zur Ausfuhr im Preise gesenkt werden?
Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, jedem Hinweis nachzugehen. Die Prüfung dieses Problems hat jedoch bisher keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die niederländischen Eierpreise durch staatliche oder sonstige Einwirkungen, die nicht im Einklang mit dem Vertrag oder der EWG-Verordnung Nr. 21 stehen, beeinflußt werden.
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6420 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Ich rufe auf die Frage VII/5 — des Herrn Abgeordneten Logemann —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die deutschen Erzeuger vor einem ruinösen Wettbewerb durch Importeier zu Preisen zu schützen, die auch in Partnerländern die Erzeugungskosten nicht decken?
Die derzeit den Erzeugern gezahlten Eierpreise decken weder in der Bundesrepublik noch in anderen Mitgliedstaaten die Erzeugungskosten. Die Ursache hierfür ist jedoch nicht ein ruinöser Kampf um Marktpositionen, sondern die Tatsache, daß das den Preis bestimmende Angebot größer ist als die Nachfrage. Die Bundesregierung hat deshalb bereits Besprechungen mit der Kommission und den Mitgliedstaaten aufgenommen, um durch gemeinsame Maßnahmen eine Verbesserung .der Situation zu erreichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Logemann.
Herr Minister, sind Sie bereit, Vorkehrungen zur Abwendung einer weiteren Ausdehnung der Eiererzeugung durch sogenannte Großhalter von Legehennen zu treffen?
Zweifellos spielt die Zunahme der Großhaltungen von Legehennen eine gewisse Rolle bei der Frage der Produktionssteigerung.
Ich rufe auf die Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Ertl —:
Trifft es zu, daß bei der Förderung von Nebenerwerbssiedlungen aus Mitteln des „Grünen Plans" jeweils die Mittel nur nach dem Verhältnis von 3 : 1 zwischen Heimatvertriebenen und Einheimischen vergeben werden?
Aus Mitteln des Grünen Planes zur Verbesserung der Agrarstruktur — Tit. 965 — werden zur Errichtung von Nebenerwerbsstellen und zugleich zur Schaffung von Eigenheimen für Landarbeiter Eigenkapitalbeihilfen und Zinszuschüsse gewährt. Die Einhaltung einer Relation zwischen Vertriebenen und Einheimischen ist hier nicht vorgeschrieben. Bis zum 31. Dezember 1963 wurden mit diesen Mitteln insgesamt rund 16 000 derartige Stellen gefördert, von denen rund 72 v. H. auf Einheimische und rund 28 v. H. auf Heimatvertriebene entfallen.
Unabhängig davon wurden schon seither neben den Mitteln der Länder Bundeshaushaltsmittel zur Errichtung von Voll- und Nebenerwerbsstellen im Wege der Siedlung — Tit. 571 — zur Verfügung gestellt. Die Vergabe dieser Haushaltsmittel ist durch das Bundesvertriebenengesetz und das Siedlungsförderungsgesetz im Verhältnis von zwei zu eins für Vertriebene und Einheimische gebunden. Dieses Verhältnis ist auch im jeweiligen Bundeshaushaltsplan bei Tit. 571 festgelegt. Bei den bestehenden agrarstrukturellen Gegebenheiten führt die gesetzlich vorgesehene Relation dazu, daß auf den vom Bund mitfinanzierten Nebenerwerbsstellen überwiegend Vertriebene angesetzt werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ertl.
Herr Minister, wären Sie bereit, zusammen mit dem Bundesministerium für Vertriebene diesen Schlüssel zu überprüfen, und zwar insbesondere hinsichtlich der Verhältnisse im Zonenrandgebiet, wo sich offensichtlich Heimatvertriebene nicht um solche Siedlungsmittel bewerben, wodurch die Einheimischen total ausgeschaltet wenden, weil der nötige Anteil der Heimatvertriebenen fehlt?
Es bestehen ganz bestimmt keine Einwendungen dagegen, über diesen Punkt einmal ein Gespräch mit dem zuständigen Ressort zu führen, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leukert.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der Schlüssel nur innerhalb des. Landes und nicht für bestimmte „Zonen oder Regierungsbezirke" abzustimmen ist, und ist es da nicht möglich, daß die Länder dieser Forderung entsprechen?
Das ist mir bekannt, Herr Kollege. Wir sehen selbstverständlich darauf, daß der Sinn, den der Gesetzgeber in das Gesetz gelegt hat, gewahrt wird.
Frage VII/7 — des Abgeordneten Dr. Schmidt —:
Welche Aufgaben erfüllt zur Zeit die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft in Frankfurt ?
Das Aufgabengebiet der Außenhandelsstelle umfaßt zur Zeit folgende Aufgaben: 1. Erteilung von Einfuhrgenehmigungen, Ausfuhrgenehmigungen, Transithandelsgenehmigungen und Saareinfuhrscheinen, 2. Vorbereitung und Bekanntgabe von Einfuhrausschreibungen, 3. Kontrolle der Ausnutzung der Wertgrenzen aller Ausschreibungen und 4. Zusammenstellung und Aufbereitung von Zahlenmaterial für handelspolitische Zwecke.Ferner ist die Außenhandelsstelle zuständig für die Durchführung von Aufgaben auf Grund der Verordnungen des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die gemeinsamen Marktorganisationen für Eier, für Geflügelfleisch sowie für Obst und Gemüse einschließlich der entsprechenden Durchführungsverordnungen. Hierbei handelt es sich insbesondere um: 1. die Marktbeobachtung und Preisberichterstattung für Eier und Geflügel, 2. die Durchführung von Qualitätskontrollen bei der
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Bundesminister SchwarzEinfuhr und Ausfuhr sowie die Markt- und Preisbeobachtung und Berichterstattung für Obst und Gemüse, 3. Erstattungen bei der Ausfuhr von Eiern und Geflügelfleisch.Weiterhin wirkt die Außenhandelsstelle im Interzonenhandel bei Bezügen und Lieferungen von Erzeugnissen der Ernährung, Land- und Forstwirtschaft mit.Die Außenhandelsstelle hat ferner die Pflicht zur Erhebung der Beiträge zur Fischabsatzförderung, soweit diese für einzuführende Waren zu entrichten sind, sowie zur Einrichtung einer fischwirtschaftlichen Marktberichterstattung.Außerdem ist die Außenhandelsstelle mit der Abwicklung aus der Tätigkeit der Vorgängerorganisation, der Abrechnung der Globaleinfuhren aus der Zeit der Importe durch die Militärregierung und die JEIA, des Importausgleichs und von Gebührenangelegenheiten, Zahlung der Bundesbeihilfen zur Herrichtung von Kartoffeln für die Ausfuhr, Erteilung von .Ausnahmegenehmigungen für die Ausfuhr von Schlachtpferden auf Grund des Tierschutzgesetzes befaßt.Schließlich sind der Außenhandelsstelle Aufgaben auf dem Messegebiet wie Prüfung der Verwendungsnachweise bei Messen und Ausstellungen einschließlich Kongressen sowie Ausarbeitung von Werbematerial für Messen im In- und Ausland übertragen worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt.
Herr Minister, trifft es zu, daß trotz dieser sehr, sehr langen Liste die Beamten und Angestellten dieser Außenhandelsstelle überhaupt nicht ausgelastet sind?
Ich möchte diese Frage verneinen. Herr Kollege Dr. Schmidt, die dort tätigen rund 300 Bediensteten haben nicht nur mit diesen Aufgaben zu tun; sie sind auch mit Aufgaben der Ernährungssicherung beschäftigt, die einmal endgültig von einem Bundesamt wahrzunehmen sein werden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt!
Herr Bundesminister, hat sich der Bundesrechnungshof schon einmal mit diesen Aufgaben befaßt?
Mir ist jedenfalls von einem Monitum in dieser Richtung nichts bekannt.
Frage VII/8 — des Herrn Abgeordneten Blumenfeld —:
Weiß der Herr Bundesernährungsminister, daß die besorgniserregende Lage deutscher Reismühlen weder dem Europäischen Parlament noch der Kommission in Brüssel bekannt ist, geschweige denn die Interventionen und Gegenvorschläge, die der Bundesregierung seit langem von den deutschen Reismühlen vorgelegt worden sind, an zuständiger Stelle in Brüssel vorgebracht worden sind?
Die nach sehr schwierigen Verhandlungen im Dezember vom Ministerrat verabschiedete Verordnung Nr. 16 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Reis stellt einen Kompromiß dar zwischen den Interessen der reiserzeugenden Länder Italien und Frankreich und der nicht-erzeugenden Länder der Gemeinschaft. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die Verordnung 16 des Rates einige Regelungen enthält, die sich für die deutschen Reismühlen erschwerend auswirken können. Die vollen Auswirkungen der EWG-Reismarktordnung können zur Zeit aber noch nicht übersehen werden, weil die entscheidenden Folgeverordnungen der Verordnung 16 noch nicht verabschiedet sind. Die Bundesregierung ist bei den laufenden Verhandlungen über die Folgeverordnungen bemüht, Regelungen zu erzielen, die die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Reismühlen erhalten.
Die Lage der deutschen Reismühlen und ihre Entwicklungsaussichten sind — soweit man dies bisher beurteilen kann — der Kommission durch die Beratungen im Ministerrat und die Verhandlungen auf Sachverständigenebene bekannt; dem Europäischen Parlament kann sie nach den eingehenden Erörterungen der Verordnung 16 nicht unbekannt geblieben sein.
Was die Vorschläge der deutschen Reismühlen zur Gründung einer gemeinsamen Marktorganisation für Reis anbetrifft, so sind diese in den Brüsseler Verhandlungen von der deutschen Delegation berücksichtigt worden. Sie sind der Kommission aber auch — teils durch direkte Fühlungnahme mit europäischen Berufsverbänden, teils durch die Arbeit im Wirtschafts- und Sozialausschuß oder andere direkte Fühlungnahmen — bekannt.
Eine Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Blumenfeld.
Herr Minister, wie erklären Sie sich dann, daß das Kommissionsmitglied, Herr Minister a. D. Rey, vor kurzem in einer durchaus öffentlichen Sitzung des Außenhandelsausschusses des Europäischen Parlaments mit den interessierten Wirtschaftskreisen Norddeutschlands zu dieser Frage erklärte, daß er nicht verstünde, weshalb in dieser die deutsche Wirtschaft in diesem Bereich so schwer schädigenden Materie von deutscher offizieller Seite weder Proteste noch Bitten noch Gegenvorschläge gekommen seien.
Herr Kollege Blumenfeld, alle Eingaben, die zu diesem Thema gemacht werden und gemacht wurden, sind Gegenstand einer eingehenden Erörterung und wiederholter Besprechungen im Sonderausschuß gewesen. Diese Fragen. sind auch eingehend im Ministerrat besprochen worden. Es ist die Frage, ob die Herren Kommissare im einzelnen über die Dinge so ins Bild gesetzt wurden, wie es vielleicht in diesem Fall zweckmäßig gewesen wäre. Ich kann mir also nur erklären,
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Bundesminister Schwarzdaß die einzelnen Ausführungen innerhalb der Gremien nicht zu Ohren des Herrn Rey gekommen sind.
Eine Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Blumenfeld!
Herr Minister, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, die Sie liebenswürdigerweise in Beantwortung meiner Frage gegeben haben, daß Sie persönlich und Ihr Ministerium im Hinblick auf die sich immer weiter verschlechternde Lage der deutschen und überhaupt der nordeuropäischen Reismühlen, aber insbesondere der deutschen, sich weiterhin dafür einsetzen werden, daß eine Existenzvernichtung ,auf gar keinen Fall in Frage kommt?
Das deckt sich nicht allein mit dem Standpunkt meines Hauses, sondern auch mit dem der Bundesregierung. Wir sind also durchaus gewillt, auch gerade bei den Folgeverordnungen darauf zu achten, daß irgendwelches Unheil von den Reismühlen ferngehalten wird.
Frage VII/9 — des Abgeordneten Dr. Reinhard —:
Inwieweit ist nach Auffassung der Bundesregierung die fur den Erzeuger katastrophale Lage auf dem Eiermarkt durch Unzulänglichkeiten der EWG-Eiermarktordnung hervorgerufen oder mitbedingt?
Bitte, Herr Minister.
Das System der EWG-Marktordnung für Eier ist in erster Linie darauf abgestellt, den Gemeinsamen Markt vor Störungen von außen zu schützen. Die in der EWG-Verordnung Nr. 21 hierfür vorgesehenen Maßnahmen sind, wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, ausreichend. Die derzeitige Situation ,auf idem Eiermarkt ist jedoch ein Problem des inneren Marktes der Gemeinschaft, weil ein Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei Eiern aus innergemeinschaftlicher Erzeugung besteht. Hierfür sieht die EWG-Marktordnung, wenn man von der stark begrenzten Anwendungsmöglichkeit der Schutzklausel absieht, keine Maßnahmen vor.
Ich rufe auf die Frage VII/10 — des Abgeordneten Dr. Reinhard —:
Welche Möglichkeiten der Abänderung der in Frage VII/9 geschilderten Lage sieht die Bundesregierung?
Eine Möglichkeit zur Verhinderung von Marktstörungen, die innergemeinschaftliche Ursachen haben, könnten innergemeinschaftliche Einschleusungspreise, jedoch nur während der Übergangszeit bis 1970, bieten. Die Einführung dieser innergemeinschaftlichen Einschleusungspreise ist von der Bundesregierung mehrfach bei den Verhandlungen in Brüssel igefordert worden. Es war jedoch gegen den Widerstand aller anderen Mitgliedstaaten und der Kommission nicht möglich, diese Forderung durchzusetzen. Nach den bisherigen Erfahrungen dürfte dafür auch in Zukunft wenig Aussicht auf Erfolg bestehen. Weitere Möglichkeiten im Rahmen der beschlossenen Marktregelung sieht die Bundesregierung zur Zeit nicht.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage VII/11 - des Abgeordneten Dr. Reinhard auf :
Ist die Bundesregierung bereit, auch unabhängig von einer evtl. Abänderung der EWG-Eiermarktordnung, Verhandlungen mit den Partnerländern und mit der Kommission aufzunehmen, um Wege zu finden, die die derzeitigen unerträglichen Zustände auf dem Eiermarkt beenden und die Wiederholung solcher Zustände für die Zukunft unterbinden?
Die Bundesregierung ist dazu nicht nur bereit, sondern hat bereits, wie schon auf die Frage des Kollegen Logemann dargelegt wurde, erste Kontakte mit der Kommission und den Mitgliedstaaten aufgenommen, um im Rahmen der Gemeinschaft eine Lösung zur Beseitigung der vorhandenen und zur Verhütung neuer Marktstörungen zu finden. Anläßlich der nächsten Ratstagung werde ich Gelegenheit suchen, diese Gespräche fortzusetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Reinhard!
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, eine Aufklärungsaktion zur Förderung des Eierverbrauchs, gegebenenfalls zusammen mit anderen Partnerländern, durchzuführen?
Auch in dieser Frage hat die Bundesregierung bereits Kontakte zur Kommission und zu den Mitgliedstaaten aufgenommen. Außerdem werden bereits seit einiger Zeit Besprechungen mit den Verbänden der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft in dieser Angelegenheit geführt. Die Bundesregierung ist auch bereit, zur Finanzierung einer Werbeaktion beizutragen. Voraussetzung ist jedoch, daß sich die interessierten Wirtschaftskreise, auch die Landwirtschaft, an einer derartigen Aktion beteiligen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Ist die Bundesregierung bereit, die Eiproduktenherstellung, die einer Entlastung des Marktes dienen könnte, zu fördern?
Herr Kollege Dr. Reinhard, wir sind in einer der letzten Fragestunden bereits darauf eingegangen und haben von diesem Platze aus erklärt, daß wir eine Minderung der Abschöpfung für die Eiprodukte in Zukunft nicht mehr durchführen möchten. Wir sind also der Auffassung, daß das ein Punkt ist, in dem die Angelegenheit in
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Bundesminister Schwarzdem von Ihnen gewünschten Sinne gefördert werden kann.Zum andern steht noch ein Problem offen, das mit dem Kollegen Finanzminister zu besprechen ist. Das ist die Frage der Umsatzsteuer und der Umsatzausgleichsteuerbelastung, die auch noch im Interesse einer Förderung der deutschen Eiproduktenherstellung eine Änderung erfahren müßte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher!
Glauben Sie, Herr Minister, daß die Eiproduktenherstellung insofern eine Entlastung bringen wird, als der dabei erzielbare Preis zu einer echten Entlastung des Marktes führen wird?
Ganz zweifellos drücken gerade Eier minderwertiger Qualität — Kleineier und selbstverständlich auch Brucheier — auf den Markt. Wir sind der Auffassung, daß die derzeitige Situation auf .dem Eiermarkt, d. h. anomal niedrige Preise, ein gutes Sprungbrett sein würde, um die Anpassung an die Eiproduktenherstellung zu vollziehen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bauer !
Herr Minister, zeigt sich hier nicht, daß 'wir zwar bei Eiern und Geflügel eine Marktordnung haben, daß aber die notwendige Harmonisierung der Agrar- und Wirtschaftspolitik einfach nicht vorhanden ist, und haben Sie Sorge, daß das auf anderen Gebieten, wo wir noch vor solchen Marktordnungen stehen, ähnlich gehen könnte?
Herr Kollege Bauer, ich fürchte, daß keine Marktordnung imstande ist, einer eigenen und aus dem Inneren des Bereiches kommenden Überproduktion irgendwie Halt zu gebieten. Wir stehen hier vor der Tatsache, daß wir mehr erzeugen als verbrauchen. Dagegen ist dann kein Kraut gewachsen.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe 'die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung unter VIII in Drucksache IV/2386 auf, zuerst die Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten
Dröscher —:
Hat .die Bundesregierung bestimmte Vorstellungen, wann ,und wie die durch die neue Kindergeldgesetzgebung entstandene relative Schlechterstellung kinderreicher Sozialrentner-, Soldaten- und Beamtenfamilien beseitigt werden kann?
Bitte, Herr Minister.
Die Frage beantworte ich im Einverständnis mit dem Herrn Bundesminister des Innern wie folgt.
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die Erhöhung des Kindergeldes für kinderreiche Familien durch das Bundeskindergeldgesetz eine relative Schlechterstellung der kinderreichen Sozialrentner, Soldaten und Beamten bedeutet. Sowohl die Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen als auch die Kinderzuschläge der Soldaten und Beamten werden im Unterschied zum Kindergeld bereits für das erste Kind gewährt und sind für das zweite Kind erheblich höher als das zudem noch an eine Einkommensgrenze gebundene Zweitkindergeld. Bei den Beamten und Soldaten ist außerdem der Ortszuschlag nach der Kinderzahl gestuft. Auch bei kinderreichen Beamten und Soldaten dürfte es daher kaum vorkommen, daß sie an Zuschlägen für die Kinder — Kinderzuschlag und erhöhung beim Ortszuschlag — geringere Beträge erhalten als das gesetzliche Kindergeld, das nach der Zahl ihrer Kinder für sie in Betracht kommt. Sowohl der Kinderzuschlag als auch der Kinderanteil im Ortszuschlag sollen durch das 4. Besoldungserhöhungsgesetz mit Wirkung vom 1. Oktober 1964 weiter verbessert werden
Die Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bleiben erst bei einer außerordentlich großen Kinderzahl — sie müßte schon über zehn hinausgehen — geringfügig hinter dem gesetzlichen Kindergeld zurück. Der Kinderzuschuß ist, wie ich eben sagte, noch bei sieben Kindern höher als das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz und bei Versicherungsfällen, die im Jahre 1964 eintreten, wie eben gesagt, noch bei zehn Kindern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesminister, haben Sie bei Ihrer Antwort berücksichtigt, daß das Kindergeld infolge der Kindergeldgesetzgebung steuerfrei ist, während die Kindergelder im öffentlichen Dienst steuerpflichtig sind?
Das habe ich berücksichtigt. Dafür gibt es da ja auch Kindergeld vom ersten Kind an, während nach dem Kindergeldgesetz erst vom dritten Kind an und nur, wenn das Einkommen unter 600 DM liegt, wie Sie wissen, vom zweiten Kind an Kindergeld gezahlt wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Darf man aus der Tatsache, daß jetzt auch seitens der Regierung die Erhöhung der Kindergelder in der öffentlichen Besoldung vorgeschlagen wird, schließen, daß im Grunde doch die Besserstellung notwendig ist, auch angesichts der Tatsache, daß für die öffentliche Besoldung ganz andere Prinzipien für die Zusammensetzung des Gehalts maßgebend waren, wobei das Fürsorgeprinzip eine Rolle gespielt hat?
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6424 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Ich bedauere, ich habe den Sinn der Frage nicht erfaßt. Ihre Frage ging doch ursprünglich dahin, ob eine relative Schlechterstellung erfolgt sei und wie man diese beseitigen könne. Ich glaube, in meiner Antwort dargetan zu haben, daß eine relative Schlechterstellung nicht erfolgt ist, daß im übrigen aber bei der neuen Besoldungsnovelle vom 1. Oktober 1964 an noch eine weitere Verbesserung eintreten soll. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind, von der Bundesregierung jedenfalls, nicht geplant.
Frage VIII/2 — des Herrn Abgeordneten Wolf —:
Ist nach Ansicht der Bundesregierung gewährleistet, daß bei den vorgesehenen Erdölbohrungen am Festlandsockel die Arbeitsschutzbestimmungen der dort zum Einsatz kommenden Arbeitnehmer im vollen Umfange gesichert sind?
Bitte, Herr Minister.
Im Deutschen Bundestag wird zur Zeit der Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel beraten — Drucksache IV/2341 —. Nach §§ 1 und 2 des Entwurfs soll bestimmt werden, daß es nur mit Genehmigung der zuständigen Behörden gestattet ist, Bodenschätze des deutschen Festlandsockels aufzusuchen oder zu gewinnen oder Forschungshandlungen in bezug auf den deutschen Festlandsockel vorzunehmen.
In § 2 Abs. 3 ist vorgesehen, daß die Genehmigungen mit Auflagen verbunden und daß auch noch nachträglich erforderliche Auflagen festgesetzt werden können. Die zuständigen Behörden können mit Hilfe dieser Auflagen dem Genehmigungsinhaber die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen vorschreiben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolf!
Herr Bundesminister, sind Sie der Auffassung, daß das genügt, daß also in diesem Falle das Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld Anweisungen gibt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen?
Ich bin der Meinung, daß das genügt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage VIII/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert — auf:
Wann wird die Bundesregierung von der in § 2 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964 enthaltenen Ermächtigung Gebrauch machen, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß Kinder, die außerhalb des Gebietes des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 wohnen oder ihren gewohnlichen Aufenthalt haben, unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in den Genuß von Kindergeld kommen?
Herr Minister!
Die von Ihnen genannte Ermächtigung ist aus dem geltenden Recht in das Bundeskindergeldgesetz übernommen worden. Die zum geltenden Recht auf Grund dieser Ermächtigung ergangenen Regelungen werden durch § 31 des Bundeskindergeldgesetzes aufrechterhalten. Wenn das Bundeskindergeldgesetz am 1. Juli 1964 in Kraft tritt, entsteht daher keine rechtliche Lücke. Es liegt deshalb auch kein Bedürfnis dafür vor, von der Ermächtigung des § 2 Abs. 3 des Gesetzes bereits unmittelbar nach seinem Inkrafttreten Gebrauch zu machen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Müller-Emmert?
Herr Minister, ist es nach dem derzeitigen Rechtszustand nicht so, daß beispielsweise ein in der Bundesrepublik wohnhafter deutscher Staatsangehöriger für seine Kinder, die im Ausland, sagen wir beispielsweise in der Tschechoslowakei oder in Polen, leben, kein Kindergeld bekommt, während die Kinder von Gastarbeitern, die in der Bundesrepublik arbeiten, in den Genuß von Kindergeld gelangen?
Die Kindergeldgewährung für im Ausland lebende Kinder läßt sich im allgemeinen nicht ohne zwischenstaatliche Vereinbarung befriedigend regeln. Eine Verordnung, nach der für die im Ausland lebenden Kinder der in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer in jedem Fall Kindergeld gezahlt wird, dürfte auch in Zukunft nicht zu erwarten sein; denn solche zwischenstaatliche Regelungen können doch nur im Wege der Gegenseitigkeit getroffen werden.
Eine weitere Frage, Herr Dr. Müller-Emmert!
Herr Minister, ist es nicht unbillig, daß in diesem Falle nicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit abgestellt wird, so daß also eheliche Kinder von deutschen Staatsangehörigen auf diese Weise kein Kindergeld bekommen, ganz gleich, wo sie wohnen, wenn die Eltern sich in der Bundesrepublik aufhalten?
Die Fälle, an die Sie denken, würden sich doch sicher dadurch von selbst erledigen, daß es gar nicht möglich ist, die Kindergelder für den Unterhalt der Kinder dorthin zu transferieren. Darum sage ich noch einmal: wir können nicht von der Staatsangehörigkeit ausgehen, sondern wir müssen versuchen, zwischenstaatliche Regelungen zu schaffen. Nur so lassen sich Leistungen aus dem Sozialsystem von einem Lande auf ein anderes übertragen.
Herr Minister, darf ich Ihnen solche Fälle übermitteln?
Gern.
Ich danke Ihnen.
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Ich rufe die Frage VIII/5 — des Abgeordneten Cramer — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt und billigt sie, daß die Versorgungsämter der Länder den Antragstellern auf Elternrente nach § 50 des Zweiten Neuregelungsgesetzes vom 21. Februar 1964 zum Bundesversorgungsgesetz so komplizierte Fragebogen vorlegen, daß ältere Antragsteller davor zurückschrecken, ihre Ansprüche geltend zu machen?
Herr Minister!
Die Länder führen nach Art. 83 des Grundgesetzes das Bundesversorgungsgesetz in eigener Zuständigkeit durch. Sie haben daher zu entscheiden, welche organisatorischen Maßnahmen und Hilfsmittel hierzu erforderlich sind. Auch die Fragebogen, die zu der Feststellung benötigt werden, ob die vom Gesetz für den Anspruch geforderten Voraussetzungen vorhanden sind, werden von jedem Land für sich entwickelt. Sie sind der Bundesregierung im einzelnen nicht bekannt. Nach meiner Kenntnis sind sowohl die mit der Kriegsopferversorgung befaßten Dienststellen der Länder als auch die Fürsorgestellen immer wieder darauf hingewiesen worden, besonders den älteren Antragstellern bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche behilflich zu sein. Das Gesetz selbst schreibt dies in § 7 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung allgemein vor. Sollte es an dieser Bereitschaft gefehlt haben, was ich nicht glaube, so bin ich gern bereit, mich bei den Ländern dafür einzusetzen, daß allen Dienststellen die Beachtung ihrer Betreuungspflicht in Erinnerung gerufen wird.
Im übrigen aber, Herr Kollege, muß ich Ihnen empfehlen, sich wegen näherer Auskunft über die Gestaltung des Elternrentenfragebogens an die zuständige oberste Landesbehörde zu wenden. Ich habe keine unmittelbare Einflußmöglichkeit.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in den sogenannten ,Belehrungsbogen, die auch mit verschickt werden, die Eltern darauf hingewiesen werden, daß sie ihre Kinder auf Unterhaltsansprüche aufmerksam machen sollen und daß diese Ansprüche unter Umständen erhöht werden? Sind Sie bereit, Herr Minister, auch darauf hinzuwirken, daß solche inquisitorischen Fragen und Belehrungen in einer Formgegeben werden, daß die alten Leute sich nicht daran stoßen und deswegen eventuell auf die Beantragung ihrer Elternrente einfach verzichten?
Ich sagte eben schon, das ist Sache der Lander. Sie führen die Gesetze aus, und sie haben daher zu entscheiden, nicht ich, welche organisatorischen Maßnahmen und Hilfsmittel, beispielsweise in bezug auf die Fragebogen, erforderlich sind. Wenn Ihrer Auffassung nach in den Fragebogen Fragen gestellt werden, die rechtlich nicht zulässig sind, müßte man dagegen einschreiten. Wenn aber in den Fragebogen auf das nun einmal geltende Recht hingewiesen wird — darauf, was im einzelnen bei der Stellung eines Antrags zu beachten ist —, dann findet das seine Rechtfertigung im Gesetz, und ich kann das nicht bemängeln.
Ich rufe die ebenfalls von dem Abgeordneten Cramer gestellte Frage VIII/4 auf:
Ist die Bundesnegierung bereit, in die „Härtenovelle" zum Rentenreformgesetz von 1957 eine Bestimmung aufzunehmen, wonach der Kinderzuschuß auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt wird, wenn das betreffende Kind durch körperliche oder geistige Gebrechen einem Erwerb nicht nachgehen kann?
Die von der Bundesregierung verabschiedete Novelle zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen enthält keine Bestimmung, daß der Kinderzuschuß auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt wird, wenn das Kind durch körperliche oder geistige Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, wenn in der Härtenovelle eine solche Bestimmung nicht enthalten ist, welche Möglichkeiten sehen Sie dann, daß man eine solche Bestimmung wenigstens in der Zukunft schafft? Denn die Eltern können ja von ihrer geringen Rente solche Kinder nicht mit unterhalten.
Das ist gar nicht das Problem. Daß diese Eltern für die Kinder etwas erhalten müssen, ist selbstverständlich, und das ist auch hinreichend 'gesetzlich geregelt. Es handelt sich doch dabei um Fälle von Menschen, die vom Schicksal hart betroffen sind, und da ist die einzige Frage die: Ist die Lösung dieses Problems Aufgabe einer Versichertengemeinschaft oder Aufgabe der großen Solidargemeinschaft des Volksganzen? Bei allen Beratungen über diees Problem, auch im Deutschen Bundestag, ist man immer der Auffassung gewesen, daß es nicht Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung ist, solche Einzelfälle zu regeln, sondern daß die gesetzliche Rentenversicherung ganz typische Notstände zu regeln hat. Da es sich bei der Unterhaltspflicht der Eltern von Kindern, die über das 25. Lebensjahr hinaus der Hilfe bedürfen, um Individualfälle, um außergewöhnliche Tatbestände handelt, kann man die Belastung dafür nicht der Versichertengemeinschaft zumuten, sondern muß sie, wie ich sagte, auf die Gesamtgemeinschaft übertragen. Darum sieht auch unser Sozialhilfegesetz hierfür Möglichkeiten vor.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, es ist Ihnen sicher auch bekannt, daß im Sozialhilfegesetz Bedürftigkeitsgrenzen festgesetzt sind und daß diese sich nach den öffentlichen Fürsorgesätzen richten. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß diese Sätze für
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6426 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Cramersolche Fälle zu gering sind, und gibt es die Möglichkeit, auf die Länder einzuwirken, daß diese Richtsätze erhöht werden?
Herr Kollege, da bin ich überfragt, denn das gehört zur Zuständigkeit meines Kollegen, des Herrn Innenministers.
Ich rufe dann noch aus der Drucksache IV/2399 die unter V aufgeführten Fragen des Herrn Abgeordneten Matthöfer, die sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beziehen, auf.
Darauf bin ich nicht vorbereitet. Das sind zusätzliche Fragen, die bestenfalls am Freitag beantwortet werden können.
Einverstanden! Die Beantwortung ist an sich auch erst für Freitag vorgesehen.
Ich komme dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die von dem Abgeordneten Kreitmeyer gestellte Frage III/1 auf:
Ist von der Bundesregierung eine eingehende Untersuchung darüber angestellt worden, warum die Schutzmächte am 13. August 1961 die Annektierung Ost-Berlins durch eine bewaffnete Aggression, die Beseitigung der Freizügigkeit sowie der freien Arbeitsplatzwahl in Groß-Berlin widerstandslos hingenommen haben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ohne daß ich mir das in Ihrer Frage ausgesprochene Urteil zu eigen mache, möchte ich folgendes antworten: Eine besondere Untersuchung der Bundesregierung über das Verhalten der Schutzmächte am 13. August 1961 hat sich erübrigt, weil die Bundesregierung in jenen Tagen in stetigem Gedankenaustausch und enger Konsultation mit den drei Mächten gestanden hat. Über die Gründe für das alliierte Verhalten können daher auf seiten der Bundesregierung keine Zweifel entstehen.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt? — Dann rufe ich die von dem Abgeordneten Dr. Schmidt gestellte Frage III/2 auf:
Trifft es zu, daß Deutschland durch die Artikel 53 und 107 der UN-Charta als ehemaliger „Feindstaat" der Signatarmächte der UN-Charta von den in Artikel 2 niedergelegten Grundsätzen, die u. a. den Schutz der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit ,der einzelnen Staaten vorsehen, noch heute, fast 20 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, ausgenommen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Ihre Frage bezieht sich auf Art. 107, Art. 53 und Art. 2 Abs. 4 der Charta
der Vereinten Nationen.
Art. 107 hat folgenden Wortlaut:
Maßnahmen, welche die hierfür verantwortlichen Regierungen infolge des zweiten Weltkrieges in bezug auf einen Staal ergreifen oder genehmigen, der während dieses Krieges Feind eines Unterzeichnerstaates dieser Charta war, werden durch diese Charta weder außer Kraft gesetzt noch untersagt.
Bei Art. 53 handelt es sich um eine ergänzende Vorschrift zu Art. 107.
Art. 2 Abs. 4 der VN-Charta lautet wie folgt:
Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.
Ich darf nunmehr Ihre Fragen beantworten. Ich möchte um Ihre Zustimmung bitten, Herr Präsident, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte.
Bitte. Ich rufe also auch die Frage III/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt — auf:
Was hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit der moralischen und finanziellen Unterstützung, die sie der UN zur Verwirklichung der unter anderem in Artikel 2 niedergelegten Gundsätze gewährt, unternommen, um die Deutschland diskriminierenden Bestimmungen in Artikel 53 und 107 der UN-Charta zu beseitigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Art. 107 und 53 der VN-Charta nehmen einige als ehemalige „Feindstaaten" bezeichnete Staaten insoweit von den Charta-Bestimmungen aus, als die Siegermächte bei einer gemeinsamen Kriegsfolgeregelung von den Bindungen an die VN-Charta vorübergehend befreit werden. Mit dieser Bestimmung beabsichtigten die Verfasser der VN-Charta in erster Linie, die Vereinten Nationen nicht mit der Friedensregelung nach dem zweiten Weltkrieg zu belasten, sondern die Errichtung der Weltorganisation von der Friedensregelung zu trennen.Vor Unterzeichnung der Charta auf der Konferenz von San Francisco war der Begriff „Feindstaaten" definiert worden als „Staaten, die sich am Tage der Unterzeichnung der Charta noch mit irgendeiner der Vereinten Nationen im Kriegszustand befinden".Inzwischen haben alle Mitglieder der Vereinten Nationen den Kriegszustand mit Deutschland förmlich oder tatsächlich beendet, darunter Großbritannien, Frankreich und die USA im Jahre 1951 und die Sowjetunion im Jahre 1955.Ferner haben die drei westlichen Alliierten in der Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 ausdrücklich erklärt, daß sie sich bei ihren Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland an die in Art. 2 der Satzung der Vereinten Nationen enthaltenen Grundsätze halten werden.Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß auch andere Staaten, die von diesen Artikeln betroffen wurden und die inzwischen sogar Mitglieder der Vereinten Nationen geworden sind — wie Japan und Italien —, keine Veranlassung sehen, auf der formellen Beseitigung dieser Bestimmungen zu be-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6427
Staatssekretär Dr. Carstensstehen. Die tatsächliche Entwicklung ist über die genannten Artikel hinweggegangen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schmidt.
Besteht nicht die Gefahr, Herr Staatssekretär, daß diese diskriminierenden Bestimmungen unter jetzt noch nicht vorauszusehenden, aber völlig veränderten Umständen eines Tages einmal ausgegraben und gegen uns mißbraucht werden könnten, zumal wir der einzige sogenannte „Feindstaat" sind, der nicht Mitglied der UNO ist, während alle übrigen inzwischen Mitglied geworden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man könnte, was den letzten Teil Ihrer Frage betrifft, Herr Abgeordneter, vielleicht umgekehrt argumentieren und sagen: Gerade die ehemaligen „Feindstaaten", die inzwischen Mitglied der VN geworden sind und noch nicht mit ihren sämtlichen früheren Gegnern einen Friedensvertrag abgeschlossen haben, haben ein noch größeres Interesse daran, diese Artikel zu beseitigen. Aber ich würde dieses Argument nur zur Klärung des von Ihnen zuletzt genannten Punktes verwenden wollen.
Ihre Frage möchte ich dahin gehend beantworten, daß ich mir davon, daß man diesen Punkt jetzt aufgreift, keinerlei Nutzen verspreche und daß ich die von Ihnen befürchtete Gefahr für nicht erheblich halte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Ihre Antwort dahin auslegen, daß in all den letzten Jahren von deutscher Seite unmittelbar nichts geschehen ist, um diese diskriminierenden Artikel zu beseitigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es bestand von deutscher Seite keine Veranlassung dazu, etwas Derartiges zu unternehmen. Denn in der Praxis der Vereinten Nationen sind diese Artikel bisher nicht ein einziges Mal angewandt worden, und, wie ich am Schluß meiner ersten Antwort gesagt habe: die Entwicklung ist über sie hinweggegangen; es sind Artikel, die keine akute Bedeutung haben.
— Die Entwicklung ist über sie hinweggegangen, Herr Abgeordneter.
Ich danke Ihnen, Herr Staatsekretär.
Ich stelle dann noch fest, daß die Fragen I/1 und I/2 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung — des Herrn Abgeordneten Kempfler —:
Hält der Herr Bundesinnenminister das Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 , das keinerlei Voraussetzungen statuiert, unter denen die Genehmigung zur Führung eines akademischen Grades einer ausländischen Hochschule erteilt werden muß, noch für vereinbar mit dem Grundgesetz oder hält er eine baldige Novellierung für angebracht?
Hält es der Herr Bundesinnenminister angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtung auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet nicht für zweckmäßig, in Anwendung von § 2 Abs. 2 des in Frage I/1 genannten Gesetzes wenigstens für bestimmte ausländische Hochschulen eine Genehmigung hinsichtlich der akademischen Grade allgemein zu erteilen?
ferner aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Frage II
— des Herrn Abgeordneten Bühler —:
Hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit den Versuch unternommen, im Kabinett eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, daß begründete Forderungen von deutschen Bundesbürgern gegenüber ausländischen diplomatischen Vertretungen bei Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit berücksichtigt werden, nachdem er vor einem Jahr an Hand des Falles Kolbach/Korea die Notwendigkeit einer derartigen Regelung erkannt und bejaht hatte?
im Einverständnis mit den Fragestellern schriftlich beantwortet werden. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt. Damit schließe ich die Fragestunde.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes ;
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/2364)
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (Drucksache IV/2327).
Ich danke den Herren Berichterstattern, dem Herrn Abgeordneten Windelen und dem Herrn Abgeordneten Hirsch.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dieser Vorlage — Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes — warten wir auf die Änderungsanträge, die gestern zwischen den Fraktionen noch vereinbart worden sind.
— Bei uns liegen sie noch nicht vor.
Sie liegen vor auf Umdruck 502.
Es sind also die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 490, 491 und 492 zurückgezogen. Der Antrag auf Umdruck 493 *) ist aufrechterhalten. Ferner liegt der Änderungsantrag aller*) Siehe Anlage 2
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Vizepräsident Dr. DehlerFraktionen auf Umdruck 502 *) vor. Wir treten in die zweite Beratung ein.Ich rufe auf Art. I Nrn. 01, — 1, — 2, — 3, — 4, — 5 — Nr. 6 entfällt — und Nr. 6 a. —Wer den aufgerufenen Bestimmungen zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Einstimmige Annahme.Dann rufe ich Nr. 6 b auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 502 Ziffer 1 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Böhm hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der interfraktionelle Änderungsantrag Umdruck 502 betrifft den Artikel I der Regierungsvorlage, und zwar die §§ 29 b und 44 a. Die entscheidende Änderung ist die des § 44 a; die redaktionelle Ergänzung des § 29 b ist nur die logische Konsequenz.Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, Ihnen die Änderung des § 44 a kurz zu erläutern. Dieser Paragraph sah die Behandlung derjenigen rückerstattungsrechtlichen Anträge vor, die verspätet eingereicht worden sind, wobei die Verspätung aber entschuldigt werden muß, weil die Schlußfrist, die das Gesetz für bestimmte Anträge gestellt hat, in einen Zeitpunkt fiel, in dem durch Aktenfunde den Antragsberechtigten unvermutet der Beweis für ihre Ansprüche möglich geworden wäre. Die Frist endete in dem Augenblick, in dem das Beweismaterial bekannt wurde und die Entschädigungsbehörden darauf in der Weise reagierten, daß sie den betreffenden Antragstellern Vergleichsangebote machten.Die Verfolgtenverbände forderten eine Wiedereröffnung der Frist. Die Regierungsvorlage sah statt dessen die Möglichkeit einer Härteleistung vor. Nach den Beschlüssen .des Ausschusses sollte zunächst einmal eine Vorauszahlung in Höhe von 4000 DM bei der Entziehung von Hausrat in den ehemals besetzten Westgebieten und in Höhe von 1000 DM bei der Entziehung von Schmuck- und Edelmetall in den ehemals besetzten oder eingegliederten Gebieten geleistet werden. Die endgültige Höhe des Härteausgleichs sollte durch ein bis zum 1. Juli 1967 zu verkündendes neues Gesetz festgesetzt werden. Der Gesetzgeber hätte also zur Abwicklung dieser Härteleistung noch einmal, und zwar spätestens im Jahre 1967, in Funktion treten müssen. Das Gesetz, das ursprünglich als eines der Schlußgesetze beabsichtigt war, wäre dann kein Schlußgesetz, sondern hätte durch ein späteres Gesetz ergänzt werden müssen.Der Änderungsantrag Umdruck 502 sieht nun vor, daß der letzte Absatz des § 44 a durch folgende Fassung ersetzt wird:Für die Durchführung der Bestimmungen der Absätze 1 bis 10 — also für dieses Härteausgleichsverfahren —werden im Rahmen der im jeweiligen Haushaltsplan ausgebrachten Mittel bis zu 800 Mil-*) Siehe Anlage 3lionen DM zur Verfügung gestellt. Die endgültige Höhe des im Einzelfall zu gewährenden Härteausgleichs— für die entzogenen Güter —ist durch eine bis zum 1. Juli 1967 zu erlassende Rechtsverordnung der Bundesregierung festzusetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.Neu darin ist, daß der Betrag von 800 Millionen DM genannt wird. Im ersten Gesetz war über die Härteleistung und auch über den Höchstbetrag der Härteleistung nichts gesagt; das wurde alles einem künftigen Gesetzgeber vorbehalten. Der jetzt vorgelegte Antrag beruht auf der Erwägung, daß sich bei den Berechnungen zur Fassung der Regierungsvorlage schon die Möglichkeit abzeichnete, daß für die Härteleistungen im ganzen 800 Millionen DM aufzubringen sein würden. Es wäre also ein Schönheitsfehler gewesen, wenn man über diese wichtige Frage die Antragsberechtigten und die Geschädigten noch drei Jahre bis zu einem späteren Gesetz im unklaren gelassen hätte.Dafür ist dann bei der Vorauszahlung nichts geändert worden. Die erste Vorauszahlung bleibt so, wie sie vorgesehen gewesen ist, mit einer Modifikation, auf die ich noch kurz eingehen darf. Für die Entziehung von Hausrat in den ehemals besetzten Westgebieten ist ein Härteausgleich von 4000 DM und für die Entziehung von Schmuck- und Edelmetallgegenständen in den ehemals besetzten oder eingegliederten Gebieten ein Härteausgleich von 1000 DM vorgesehen. Es ist jetzt aber noch viel deutlicher als in der Regierungsvorlage präzisiert, daß das eine Vorauszahlung ist, die durch weitere Zahlungen noch zu ergänzen sein wird, sobald einmal die Zahl der Anmeldungen festgestellt ist.Ich komme jetzt zu der weiteren Änderung, die auch im § 29 a zum Ausdruck gekommen ist. Die Regierungsvorlage spricht nur von einer Vorauszahlung für die Entziehung von Hausrat in den Westgebieten und von Schmuck- und Edelmetallgegenständen in den ehemals besetzten und eingegliederten Gebieten. Es ist aber zu erwarten — teilweise ist es auch schon erfolgt —, daß die Beweise, die Aktenfunde, von denen ich gesprochen habe, auch noch für weitere geraubte und entzogene Güter globale Verbringungsnachweise möglich machen. Bei Pelzen ist das schon der Fall. Das wird auch bei dem einen oder anderen Gut noch möglich sein, und das wird auch erwartet.Dem wird dadurch Rechnung getragen, daß die Bundesregierung ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß ein Härteausgleich auch wegen der Entziehung von anderen als den in Abs. 1 genannten Gegenständen gewährt werden kann, wenn solche Gegenstände auf Grund allgemeiner Maßnahmen ganz oder überwiegend in den Geltungsbereich des Gesetzes gelangt sind. Diese Rechtsverordnungen können nur bis zum 31. Dezember 1965 erlassen werden. Es entspricht der übereinstimmenden Meinung im Wiedergutmachungsausschuß, daß eine zeitliche Grenze gesetzt werden muß, daß also Aktenfunde und historische
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Dr. Böhm
Globalbeweise in der Zukunft nicht unbegrenzt geltend gemacht werden können. Mit dem Stand vom 31. Dezember 1965 wird dann endgültiges und abschließendes Recht gesetzt sein. Neue historische Beweise, die nach diesem Zeitpunkt gefunden werden, können dann nicht mehr geltend gemacht werden.Das ist der Sinn dieses interfraktionellen Antrages. Seine Hauptbedeutung scheint mir darin zu liegen, daß nun dieses Gesetz die Rückerstattung tatsächlich abschließend regelt. Ich bitte um Annahme des Antrags.
Herr Professor Böhm hat damit auch schon die Ziffer 2 des Antrags Umdruck 502 zu Nr. 18 betreffend Änderung des § 44 a begründet.
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat sich nur sehr schweren Herzens entschließen können, diesem interfraktionellen Antrag zuzustimmen. Wir sind der Meinung, daß das Problem der Fristversäumer nur dadurch ganz richtig gelöst werden kann, daß man die Fristen neu eröffnet.Wir sind auf dem Gebiet der Rückerstattung wie auf dem Gebiet der Entschädigung überhaupt 'in der zunächst sehr günstig erscheinenden Lage, daß wir in eigener Sache darüber zu entscheiden haben, wie hoch unsere Schulden sind, die wir für die Raubzüge des „Dritten Reichs" in dieser Welt zu bezahlen haben. Diese „glückliche" Lage ist in Wirklichkeit eine schwierige Lage. Denn wenn man als anständiger Mensch in eigener Sache zu entscheiden hat, dann kommt man in die Verlegenheit, daß man vielleicht objektiver sein muß, als wenn man über eine fremde Sache entscheidet, oder daß man, mit anderen Worten, in Zweifel zu seinen Ungunsten entscheiden sollte.Wir sind der Meinung, die Fristen müßten wieder eröffnet werden, ganz einfach deswegen, weil § 5 unseres Bundesrückerstattungsgesetzes so unklar formuliert war, daß keineswegs jeder Betroffene daraus ohne weiteres entnehmen konnte, was für Rechte er hatte. Insbesondere konnte er nicht wissen, wo seine Sachen, die man ihm gestohlen hatte, hingekommen waren. Viele Leute haben von Anmeldungen abgesehen, nicht, weil sie bummelig waren oder weil sie nicht aufgepaßt halben, sondern aus Anstand, weil sie meinten, sie sollten die deutschen Behörden mit diesen Dingen nicht belästigen, wenn der Antrag in Ermangelung des Verbringungsnachweises aussichtslos war.
Aus Gründen, die ich hier nicht näher erörtern möchte, muten wir dem Betroffenen immerhin zu, Verständnis dafür zu haben, daß er nach dem § 5 beweisen soll, wo der Dieb das geraubte Gut hingebracht hat. Das ist eine sehr außergewöhnliche Bestimmung, die es sicherlich sonst auf keinem Rechtsgebiet gibt. Wir werden diese Bestimmung nicht ändern können. Aber wir muten den Betroffenen sehr viel zu, wenn wir verlangen, daß sie das verstehen.Wenn nun die Betreffenden, 'beraten durch ihre Organisationen und ihre Anwälte — und zwar gerade durch die korrekten Organisationen und die korrekten Anwälte —, vielfach ihre Ansprüche nicht angemeldet haben, weil sie meinten, sie könnten diesen Verbringungsnachweis nicht erbringen, so sollte man ihnen das nicht zum Nachteil werden lassen, sondern man sollte eigentlich dafür sorgen, daß die Frist wieder eröffnet wird. Denn finanziell gesehen hat die Bundesrepublik einen erheblichen Vorteil dadurch, daß diese Leute ihre Ansprüche — Hunderttausende von Ansprüchen — nicht angemeldet haben und wir das Geld sparen.Ich fühle mich also nicht ganz wohl, wenn ich als Schuldner und Richter in eigener Sache nun sage: Ja, da habt ihr Pech gehabt; ich denke nicht daran, euch eine neue Chance zu geben. Aber immerhin — und darum haben wir dem interfraktionellen Änderungsantrag, wenn auch, wie gesagt, schweren Herzens, zugestimmt —, wenn diese neue Fondsregelung so praktiziert wird, wie wir uns das vorstellen — und ich habe das Vertrauen in das Bundesfinanzministerium, daß das geschieht —, dann werden die zu erlassenden Rechtsverordnungen sehr schnell ergehen; dann werden sie sinnvoll ergehen, und dann wird die Praxis dafür sorgen, daß diese Leute, um die es hier im wesentlichen geht, sehr schnell zu ihrem Geld kommen.Meine Damen und Herren, durch diese Fristversäumung sind ja im wesentlichen nicht diejenigen betroffen, die sehr hohe Forderungen haben. Betroffen sind alte Leute, praktisch Menschen, denen man ihre letzte Habe, ihren Trauring etwa, bei der Einlieferung ins KZ gestohlen hat, ihren letzten Schmuck, den sie irgendwo versteckt hatten. Es sind vielfach Menschen, die nach unseren Entschädigungsgesetzen nichts bekommen, weil sie wegen irgendwelcher Fristen oder Stichtage nicht in den Rahmen fallen. Es sind alte Menschen, und wir müssen dafür sorgen, daß sie so schnell wie möglich zu dem bißchen Geld kommen, das dieser Fonds ihnen gewährt. Wir hoffen, daß die Höhe des Fonds von jetzt 800 Millionen DM ausreichen wird, den Betroffenen im Endergebnis wirklich angemessene Zahlungen zukommen zu lassen.
Wir hätten es lieber gesehen, wenn schon die Vorauszahlungen höher gewesen wären. Wir haben es, um den Kompromiß nicht zu gefährden, auch geschluckt, daß diese Vorauszahlungen so niedrig —1000 und 4000 DM — geblieben sind. Wichtig wird jetzt sein, Herr Finanzminister, daß Sie alles tun, daß diese Vorauszahlungen so schnell wie möglich geleistet werden können, damit nicht noch mehr sterben. Uns kann nicht daran gelegen sein, daß die Erben das Geld bekommen, sondern die Gequälten sollen das Geld bekommen. Sie sollten ferner dafür sorgen, Herr Minister, daß die endgültige Verteilung des Fonds dann in jeder Hinsicht so fair und so anständig wie nur irgend möglich erfolgt. Wenn das geschieht, hat der Fonds vielleicht sogar einen
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Hirschguten Sinn. Er hat dann den Sinn, daß die Dinge in der Verwaltung etwas lockerer und praktikabler gestaltet werden können. Wie gesagt: in der Hoffnung, daß das tatsächlich geschieht, haben wir uns entschlossen, diesem Änderungsantrag zuzustimmen, und ich bitte Sie alle, das gleiche zu tun.
Wir stimmen ab über den interfraktionellen Änderungsantrag auf Umdruck 502 Ziffer 1, nach dem dem § 29 b zwei neue Absätze angefügt werden sollen. Wer zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme!
Nunmehr stimmen wir ab über die Nr. 6 b der Vorlage mit den soeben vorgenommenen Änderungen. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme!
Ich rufe die Nr. 6 c betreffend den § 30 auf. — Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nr. 6 c des Gesetzentwurfs betrifft die leidige Frage des § 30 des geltenden Bundesrückerstattungsgesetzes. Die Bundesregierung hatte in ihrer ursprünglichen Vorlage keine Änderung dieses § 30 vorgesehen. Die Änderung ist erst durch einen knappen Mehrheitsbeschluß des Wiedergutmachungsausschusses in den Entwurf aufgenommen worden. Nach diesem Beschluß soll der § 30 dahin gehend geändert werden, daß Anmeldungen von Rückerstattungsansprüchen, die nicht formell richtig bei den nach dem Bundesrückerstattungsgesetz zuständigen Stellen erfolgt sind, dennoch gelten sollen, wenn es sich um Anmeldungen handelt, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz getätigt wurden. Es war richtig, daß der Gesetzgeber diese Bestimmung des § 30 schuf, weil bei der Unklarheit und dem Wirrwarr in unserem Entschädigungsrecht ein Nichtfachmann wahrlich manchmal nicht erkennen konnte: Ist das nun eine Entschädigungsforderung nach dem Bundesentschädigungsgesetz oder eine Forderung nach dem Bundesrückerstattungsgesetz?Die Bestimmung des § 30 ist in der letzten Zeit in unserer Rechtsprechung sehr umstritten gewesen. Das Bundesfinanzministerium hat die Auffassung vertreten, der § 30 sei so auszulegen, daß nur bezifferte Anmeldungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz in Ansprüche nach dem Bundesrückerstattungsgesetz übergeleitet werden könnten, mit anderen Worten, daß bei Anmeldungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz mindestens hätte gesagt werden müssen, was der Betreffende an Vermögen verloren habe.Die Rechtsprechung, und zwar die Rechtsprechung der obersten Rückerstattungsgerichte in der Bundesrepublik — dabei handelt es sich um internationale Gerichte, die auf den Bestimmungen des Überleitungsvertrages beruhen und die zum Teil auch mit Ausländern besetzt sind — hat sich dieser Auffassung des Bundesfinanzministeriums nicht angeschlossen. Nach der feststehenden Rechtsprechung aller Senate der obersten Rückerstattungsgerichte ist im Laufe des vergangenen Jahres entschieden worden, daß ein einfaches Kreuz unter der Rubrik „Vermögenschaden" auf dem BEG-Fragebogen genüge, um eine Anmeldung nach dem Bundesrückerstattungsgesetz wirksam zu machen. Man kann über diese Rechtsprechung streiten, meine Damen und Herren, wie manchmal auch sonst über höchstrichterliche Urteile. Aber wir stehen vor der Situation, daß die Senate — ich wiederhole es — aller obersten Rückerstattungsgerichte, die besetzt sind mit alliierten Richtern, besetzt mit Ausländern, mit hochqualifizierten Richtern, die aus dem Ausland, aus Schweden z. B. und aus anderen Ländern, zu uns in die Bundesrepublik geschickt worden sind, den Standpunkt vertreten haben, daß ein Kreuz auf dem BEG-Fragebogen genüge.Wenn nun der Gesetzgeber — wie das gemäß den Anregungen des Bundesfinanzministeriums und durch die Beschlüsse des Wiedergutmachungsausschusses beabsichtigt ist — die festgefugte, einhellige Rechtsprechung dieser höchsten Gerichte auf dem Gebiet der Rückerstattung zunichte machen will, indem er einfach das Gesetz ändert, so hält meine Fraktion das rechtsstaatlich für so bedenklich, daß sie nicht in der Lage ist, einem solchen Beschluß zuzustimmen. Es geht bei dieser Sache nicht um Billigkeitserwägungen, es geht nicht um Dinge, bei denen man einen Kompromiß schließen kann. So gern wir es gesehen hätten, daß alle Bestimmungen des Bundesrückerstattungsgesetzes einstimmig hätten verabschiedet werden können, so sind wir doch in diesem Punkt nicht in der Lage, unsere Rechtsauffassung aufzugeben.Sehen Sie, meine Damen und Herren, in der alten preußischen Zeit vor 1914 hat 'angeblich einmal ein preußischer Staatsanwalt gesagt: Durch einen Beschluß des Gesetzgebers könnten ganze Berge von juristischen Büchern zu Makulatur werden. Nun, es mag sein, daß das damals richtig gewesen ist, und ich will gar nicht bestreiten, daß auch der Gesetzgeber heute vielleicht manchmal juristische Bücher zu Makulatur werden lassen könnte. Aber er sollte es jedenfalls dann nicht tun, wenn er durch eine solche Änderung des Gesetzes Menschen, die Ansprüche erworben haben, diese Ansprüche nachträglich entzieht. Darauf läuft nämlich diese Änderung des § 30 hinaus. Würde die Änderung des § 30 — wie jetzt vorgesehen — Gesetz, so würde eine erhebliche Zahl von Menschen, die ihre Ansprüche nach dem Bundesrückerstattungsgesetz gemäß der Rechtsprechung rechtswirksam und rechtzeitig angemeldet haben, von einem Tag zum anderen, nämlich mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, um ihren Rechtsanspruch, den sie fristgerecht angemeldet haben, gebracht. Das bedeutet praktisch eine Enteignung dieser Menschen, es bedeutet unter Umständen eine Verletzung unserer Verfassung und bedeutet vielleicht sogar eine Verletzung der Konvention der Menschenrechte.Wir müssen daran denken, daß es sich hier im wesentlichen nicht um deutsche Staatsbürger handelt, denen man vielleicht gelegentlich einmal etwas Der-
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Hirschartiges zumuten könnte, sondern es handelt sich hier im wesentlichen um Menschen, die im Ausland leben. Ich meine, es wäre sehr bedenklich, wenn der deutsche Gesetzgeber ausgerechnet gegenüber diesem Personenkreis, der durch rechtswidrige und den Grundsätzen des Rechtsstaates widersprechende Handlungen des früheren „Dritten Reiches" um Vermögen und viele andere Dinge gebracht worden ist, eine solche rückwirkende Änderung des Gesetzes und damit eine rückwirkende Entziehung von Rechten praktizierte.Richter können irren; auch höchste Gerichte können irren; aber wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, daß eine durch die höchsten Gerichte entschiedene Sache normalerweise so bleiben sollte, wie sie entschieden worden ist. Wir sollten uns daran gewöhnen, nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen im Einzelfall zu versuchen, über den Gesetzgeber das umzudrehen, was die Gerichte entschieden haben.
— Sicherlich spielen dabei fiskalische Gründe eine Rolle. Ich will aber offen zugeben, daß die Rechtsprechung, von der Sache her gesehen, zu einer gewissen Ungerechtigkeit führen könnte, weil viele Leute durch das Mauseloch des BEG-Fragebogens nun plötzlich auch noch Rückerstattungsansprüche geltend machen können, während die Fristversäumer jetzt auf den Fonds angewiesen sind. Aber, meine Damen und Herren, ich nehme lieber das in Kauf, als daß ich Menschen in einem Rechtsstaat, den wir haben, Rechte entziehe, die ihnen einmal zugebilligt worden sind. Ich bin persönlich der Meinung, daß diejenigen, welche sagen, diese Maßnahme sei verfassungswidrig, recht haben. Ich darf auf das Gutachten des Herrn Professors Zweigert verweisen, das sich nicht speziell auf diese Dinge bezieht, aber darauf hinausläuft, daß überhaupt die Fristsetzung hier verfassungswidrig sei. Ich möchte persönlich meinen, daß das Gutachten, das uns das Finanzministerium vorgelegt hat und das zu dem Ergebnis kommt, man könne hier rückwirkend Rechte entziehen, keineswegs so überzeugend ist, daß das Finanzministerium oder die Bundesregierung auf diese schwache Brücke treten sollte.
Was in dem Gutachten steht, meine Damen und Herren, läuft darauf hinaus, daß man dem Bundesverfassungsgericht zumutet, zu entscheiden, alle Senate aller obersten Rückerstattungsgerichte hätten konstant falsche Urteile gefällt. Erst wenn das Bundesverfassungsgericht das täte, könnte es sagen: es gibt hier keine materiellen Ansprüche, es ist nichts enteignet worden, der Gesetzgeber war befugt, hier rückwirkend das Gesetz zu ändern. Stellen Sie sich vor, in welche Situation wir das Bundesverfassungsgericht brächten! Entweder muß es also seine Kollegen von dem obersten Rückerstattungsgericht desvourieren und muß ihnen sagen: Ihr habt konstant falsche Urteile gemacht, oder aber es muß in diesem Fall wieder einmal der Bundesregierung sagen: Ihr habt euch ohne genügend sorgfältige Prüfung auf eine Gesetzesänderung eingelassen, die verfassungswidrig ist. Beides ist eine unangenehme Situation.Weil wir also meinen, daß man, ganz gleichgültig, wie der verfassungsrechtliche Streit ausgeht, das Verfassungsgericht gar nicht vor diese unangenehme Situation stellen sollte, und weil wir darüber hinaus meinen, daß im Ausland — und zwar nicht nur bei den Betroffenen, sondern bei allen, die sich für die Verfolgten und für das Recht interessieren — eine solche rückwirkende Änderung des § 30 einen unendlich schlechten Eindruck machen würde, können wir uns nicht entschließen, dieser Änderung zuzustimmen, und bitten Sie, mit uns diesen Änderungsantrag des Wiedergutmachungsausschusses abzulehnen, mit anderen Worten, die Ziffer 6 c) der vorliegenden Drucksache zu streichen.
Es folgt der Herr Abgeordnete Böhme .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich namens der Koalitionsparteien zu dem Vorbringen des verehrten Herrn Vorredners Stellung nehme! § 30 des Rückerstattungsgesetzes läßt unter bestimmten Voraussetzungen die Anmeldung eines Anspruchs rückerstattungsrechtlicher Natur im Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz für die Wahrung der Ausschlußfrist nach §§ 27 und 29 des Rückerstattungsgesetzes genügen. Eindeutiger Sinn dieser Vorschrift ist es, den Geschädigten nicht darunter leiden zu lassen, daß er seinen Rückerstattungsanspruch zwar rechtzeitig, aber infolge eines rechtlichen Subsumtionsirrtums versehentlich nicht im Verfahren nach dem Bundesrückerstattungsgesetz, sondern im Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz, d. h. bei den Entschädigungsbehörden, angemeldet hat.Die Rückerstattungsorgane haben — nach Auffassung der Bundesregierung im Einklang mit der Konzeption des Gesetzgebers — zunächst überwiegend die Auffassung vertreten, daß sich der Geschädigte auf einen Subsumtionsirrtum im Sinne des § 30 des Bundesrückerstattungsgesetzes nur dann berufen könne, wenn dieser Irrtum auch in seiner formell unrichtigen Anspruchsanmeldung bei den Entschädigungsbehörden erkennbar in Erscheinung getreten ist, wenn also die Anmeldung zum mindesten erkennen ließ, daß sie auf bestimmte entzogene, feststellbare Vermögensgegenstände hinwies. Diese Rechtsauflassung ist neuerdings durch mehrere Entscheidungen der Obersten Rückerstattungsgerichte, auf die der Herr Vorredner schon hingewiesen hat, in Fragegestellt worden. Nach diesen Entscheidungen tritt die fristwahrende Wirkung schon dann ein, wenn im Entschädigungsantrag die Worte „Schäden an Eigentum und Vermögen" angekreuzt sind.Wie man auch zu diesen Entscheidungen stehen mag, jedenfalls sieht sich der Bundesgesetzgeber durch sie in die Lage versetzt, daß eine Angelegenheit, die er in einem bestimmten Sinne geregelt zu haben glaubte, nach den Feststellungen des hierfür zuständigen obersten Gerichts tatsächlich anders geregelt war.
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Böhme
In Fällen dieser Art kann es dem Bundesgesetzgeber auch nach der Rechtsprechung ides Bundesverfassungsgerichts nicht verwehrt sein, die offensichtlich unklare Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit in seinem Sinne zu klären. Das gilt um so mehr, wenn nur durch eine solche Klärung die Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle im Einklang mit dem Grundgesetz sichergestellt werden kann. Das ist hier der Fall; denn ohne die vom zuständigen Fachausschuß auf Anregung der Bundesregierung mit Mehrheit vorgeschlagene Fassungsänderung ides § 30 des Bundesrückerstattungsgesetzes würde diese Vorschrift in ihrer am Wortlaut haftenden Auslegung durch das Oberste Rückerstattungsgericht zu dem verfassungsrechtlich kaum vertretbaren Ergebnis führen, daß ein urisubstantiierter Entschädigungsantrag im Rückerstattungsverfahren zum Ausschluß der Ansprüche führt, während ein gleichartiger Antrag im Entschädigungsverfahren dem Anmelder die Möglichkeit gibt, die bisher unterlassene Substantiierung auch nach Ablauf der Ausschlußfrist noch rechtswirksam nachzuholen.Im Wiedergutmachungsausschuß hat Übereinstimmung darüber bestanden, daß diejenigen, die nur ein Kreuz in der Spalte „Schäden an Eigentum und Vermögen" in den Fragebogen nach dem Bundesentschädigungsgesetz gemacht haben, nicht besser behandelt werden dürften als diejenigen, die aus wohlerwogenen Gründen von der Anmeldung abgesehen haben, etwa weil sie glaubten, den nach § 5 des Bundesrückerstattungsgesetzes erforderlichen Verbringungsnachweis nicht führen zu können.Aus diesen Gründen darf ich Sie bitten, dem hier vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung, wie ihn der Wiedergutmachungsausschuß vorgeschlagen hat, zuzustimmen.
Wer der Ziffer 6 c in der Ausschußfassung zustimmt, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Fraktion der SPD angenommen. — Bei der Besetzung des Hauses werden noch Zweifel geäußert. Wir wollen die Abstimmung vorsorglich wiederholen. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die der Ziffer 6 c zustimmen, sich 2u erheben. — Gegenprobe! — Ziffer 6 c ist in der Fassung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 7, — 8, — 9, — 10, —11, — 12 in der Fassung des Ausschusses. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Zu Ziffer 13 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 493 vor. Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Hirsch zur Begründung dieses Antrags!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie namens der SPD-Fraktion, diesem Änderungsantrag zuzustimmen. Es geht bei dem Antrag darum, daß die anerkannten Forderungen nach dem Bundesrückerstattungsgesetz bereits ab 1. Januar 1965 und nicht erst, wie es die Regierungsvorlage und der letzte Beschluß des Wiedergutmachungsausschusses vorsehen, ab 1968 verzinst werden sollen. Die Dinge sind, wie sich auch aus dem gedruckten Bericht ergibt, so gelaufen, daß der Wiedergutmachungsausschuß dem Antrag auf Vorverlegung des Zinstermins zunächst mit Mehrheit zugestimmt hatte, und zwar nach einer Erörterung mit dem Bundesfinanzministerium, das uns gesagt hatte, das werde ungefähr 25 Millionen DM Mehraufwand ausmachen, und das diesem Beschluß im Gegensatz zu anderen Änderungen, die im Ausschuß angeregt worden waren, auch keinen sonderlichen Widerstand entgegengesetzt hatte. Die Mehrheit des Wiedergutmachungsausschusses war zunächst der Meinung, daß man den Verzinsungstermin ganz einfach deshalb vorverlegen müsse, weil beim Bundesrückerstattungsgesetz die besondere Situation besteht, daß seit Jahren Forderungen derch Bescheide und Vergleiche festgestellt oder anerkannt worden sind, daß aber dennoch der Schuldner, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, diese anerkannten Forderungen nicht oder nur zum Teil gezahlt hat, nämlich äußerstenfalls zu 50 % oder in der letzten Zeit bei älteren Leuten auf Grund einer besonderen Regelung zu 75% bis zu 100 000 DM.Bedenken Sie einmal, wie lange es her ist, daß diese Raubzüge stattgefunden haben, die uns jetzt zu der Rückerstattung zwingen! Man kommt dann bereits auf Jahrzehnte. Die Raubzüge fingen 1933 an, manche sind also vor 30 Jahren beraubt worden, bei den letzten war das 1944/45 der Fall. Bei denen ist es also auch schon 20 Jahre her. Wir haben in der Schule gelernt, daß sich bei einer normalen Verzinsung ein Kapital in ungefähr 15 Jahren verdoppelt. Wenn wir also bisher im Gesetz nur einen sehr spät angesetzten Versinsungstermin hatten, so war das bereits ungerecht; denn wir haben den Betroffenen nicht nur zugemutet, sehr lange auf ihr Kapital zu warten, sondern haben ihnen jegliche Verzinsung verwehrt.Wir sind der Meinung, man muß mindestens eine Verzinsung ab 1965 vorsehen, ganz einfach deswegen, weil durch die neue Zahlungsregelung, die dank der jetzigen Novelle eine erhebliche Verbesserung der Rechte der Betroffenen bringt, sichergestellt werden muß, daß die Betreffenden alle praktisch sofort mit ihrem Geld arbeiten können. Ein Teil der Betroffenen — es sind natürlich diejenigen mit den höchsten Forderungen — kommt erst im Jahre 1967 zu seinem Geld. Gibt man ihm jetzt von Staats wegen eine Verzinsung, so hat er die Möglichkeit, diese seine Forderung durch Banken usw. vorzufinanzieren, und bekommt also praktisch gleich sein Geld. Ich meine, wenn wir aus fiskalischen, aus finanziellen Gründen, was ich verstehe und was selbstverständlich ist, nicht in der Lage sind, unsere Schulden sofort zu bezahlen, sondern unsere Gläubiger um Stundung bitten, dann müssen wir mindestens wie jeder andere Schuldner Zinsen zahlen, damit der Gläubiger gleich etwas mit seinem Geld anfangen kann.
Der Haushaltsausschuß hat nun gemeint, man müsse diese Verzinsungsbestimmung wieder streichen. Er ist dazu dadurch bewogen worden, daß das
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HirschFinanzministerium plötzlich erklärt hat, in Wirklichkeit würde die Vorverlegung des Zinstermins viel mehr kosten. Das Finanzministerium hat plötzlich erklärt, man müsse dann wohl nicht aus rechtlichen, aber aus politischen Gründen eine entsprechende Verzinsungsbestimmung auch für das Bundesentschädigungsgesetz einführen. Meine Damen und Herren, ich möchte hier erklären, daß das einfach nicht stimmt und daß bisher niemand daran gedacht hat, eine entsprechende Verzinsungsbestimmung beim BEG zu schaffen, und zwar einfach deswegen, weil die Situation beim BEG ganz anders ist als beim Rückerstattungsgesetz. Zunächst ist die Natur der Ansprüche anders. Aber rein technisch gesehen ist es beim BEG so, daß jede Forderung, wenn sie einmal anerkannt ist, unverzüglich voll bezahlt wird. Es gibt beim BEG keine Zahlungsfristen mehr.Beim Bundesrückerstattungsgesetz aber gibt es die Zahlungsfristen. Wie gesagt: Viele Menschen haben ihre Forderungen schon 1958 voll bestätigt bekommen. Sie haben bisher erst die Hälfte ihres Geldes bekommen und werden den Rest erst 1968 erhalten. Sie warten also vom Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides bis zur Zahlung zehn Jahre. Das ist eine ganz andere Situation als beim BEG. Ich bin der Meinung, daß es für einen anständigen Schuldner korrekt ist, Zinsen zu zahlen, und daß es einfach billig ist, daß man diese Zinsbestimmung wieder so gestaltet, wie es unser Änderungsantrag vorsieht.Die finanziellen Konsequenzen können in Wirklichkeit — ich habe versucht, das mit meinen schwachen rechnerischen Kräften noch einmal nachzurechnen — nicht viel mehr als 25 Millionen DM betragen. Konsequenzen für das BEG ergeben sich in Wirklichkeit nicht. Ich meine, für einen ehrenvollen Schuldner — und das wollen wir doch sein — müßte es doch zu schaffen sein, daß wir im Laufe von vier Jahren 25 Millionen DM zusätzlich aufbringen, um wenigstens deutlich zu machen, daß wir genau wissen, daß wir Schulden, die wir schon sehr lange hätten bezahlen sollen, bisher noch nicht bezahlt haben und finanziell wohl auch nicht gleich bezahlen konnten.Ich habe Sie bei der ersten Lesung dieses Gesetzes auf den Brief einer Dame aus Chikago hingewiesen, die mir geschrieben hat: „Ich warte jetzt schon 25 Jahre auf die Erledigung meiner Ansprüche nach dem Bundesrückerstattungsgesetz. Ich bin bereit, auf das Kapital zu verzichten, wenn Sie mir wenigstens die Zinsen geben." Ich habe damals schon gemeint, Sie sollten mir eigentlich beipflichten, daß sie da recht hatte, und wenn wir jetzt sagen: Verzinst wenigstens ab 1. Januar 1965 die dann noch offenstehenden Forderungen!, dann ist das, wie ich meine, keine Zumutung, sondern eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ich bitte Sie daher, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Wenn Sie die Bundestagsdrucksache 2337 vornehmen, dann stellenSie fest, daß in ihr jeweils auf der rechten Seite sehr viele Änderungen in Fettdruck enthalten sind. Daraus können Sie entnehmen, wie sehr sich der Wiedergutmachungsausschuß bemüht hat, alle vorgetragenen Wünsche und Anregungen zu erörtern und, soweit das irgendwie möglich ist, zu berücksichtigen.Ich darf mich an ein Wort, das Kollege Hirsch soeben ausgesprochen hat, anhängen. Er meinte: Wir wollen doch ordentliche Schuldner sein und wollen deshalb diese Schulden auch verzinsen.
— Bitte schön: ehrenhafte Schuldner, und wir wollen diese Schulden auch verzinsen. Ich meine, wenn wir ehrenhafte und ordentliche Schuldner sind, müßten wir uns auch einmal vergegenwärtigen, in welcher rechtlichen Situation wir uns befinden. Wir befinden uns in einer rechtlichen Situation, die geschaffen wurde durch Verhandlungen im Überleitungsabkommen zum Deutschland-Vertrag und in den Haager Abmachungen mit der Claims Conference. Danach besteht nämlich eine Verpflichtung zur Verzinsung nur dann, wenn nach voller Befriedigung der Kapitalansprüche aus dem Gesamtbetrag von 1,5 Milliarden DM noch Mittel für die Verzinsung zur Verfügung stehen. Gezahlt sind aber nicht 1,5 Mililarden DM, sondern bereits 1,9 Milliarden DM, und noch zu zahlen sind mit Sicherheit weitere 2 bis 2,2 Milliarden DM. Ich glaube also, wir sind schon mit diesen Zahlungen weit über das hinausgegangen, was im Überleitungsvertrag und was in den Haager Abmachungen mit der Claims Conference zum Ausdruck gekommen ist. Ich möchte meinen, wenn der Regierungsentwurf trotzdem eine Verzinsung all der Beträge vorsieht, die bis zum 31. Dezember 1967 noch nicht bezahlt sind, dann hat das seine Ursache darin, daß der Entwurf eine Befriedigung aller Ansprüche bis zum Ablauf des Jahres 1967 erreichen will.Es soll also ein Schlußgesetz sein, und wenn das Schlußgesetz nicht so abgewickelt werden kann, daß es ab 31. Dezember 1967 erledigt ist, dann sollen alle diejenigen, die, aus welchen Gründen immer, noch Ansprüche haben, auch eine Verzinsung bekommen. Sie sollten durch die Verzinsung wirtschaftlich so gestellt werden, als ob ihre Ansprüche bis zu diesem Termin befriedigt worden wären.Nun hat Herr Kollege Hirsch gesagt, die Möglichkeit, daß dadurch ein Präzedenzfall für das Bundesentschädigungsgesetz geschaffen werde, sei nicht sehr groß. Ich bin auch der Meinung, Herr Kollege Hirsch, daß das nicht unbedingt schlüssig zu sein braucht. Aber wir erleben doch gerade bei Ihrem Antrag, daß die Bundesregierung mit der Claims Conference, also mit den Betroffenen, in der Frage der Verzinsung eine Regelung getroffen hatte, die besagte: Verzinsung ja, wenn von den 1,5 Milliarden DM noch etwas übrig ist. Jetzt gehen wir von 1,5 Milliarden auf über 4 Milliarden DM hinauf, und nun verlangen Sie auch noch die Verzinsung vor dem Termin, den die Bundesregierung freiwillig hineingesetzt hat. Ich glaube, es ist wohl nicht von
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6434 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Spitzmüllerder Hand zu weisen, daß bei der Beratung des Bundesentschädigungsgesetzes eben eine gewisse Präjudizierung, eine gewisse Anlehnung an die Regelung im Bundesrückerstattungsgesetz immerhin möglich und denkbar ist.Wenn das aber geschähe, so würde die Verzinsung ab 1. Januar 1965 nicht nur Mehrkosten in Höhe von 50- bis 60 Millionen DM nach dem Bundesrückerstattungsgesetz bedeuten, vielmehr würden noch ungefähr 300- bis 400 Millionen DM für die Verzinsung nach dem Bundesentschädigungsgesetz hinzukommen. Wir wollen nicht vergessen, daß wir, als wir am Anfang in diesem Hause zum erstenmal über Wiedergutmachung und Rückerstattung berieten, von Zahlungen in Höhe von 6, 8, 9 Milliarden DM sprachen. Heute wissen wir, daß die Wiedergutmachung die 40-Milliarden-Grenze überschreiten wird.Wenn wir nun im Bundesrückerstattungsgesetz bezüglich der Verzinsung den Weg gehen, den Sie uns vorschlagen, besteht durchaus die Möglichkeit, daß wir auch im Bundesentschädigungsgesetz entsprechende weitere Schritte folgen lassen, durch die sich die Kosten der Vorlage, die insgesamt einen Aufwand von 4- bis 5 Milliarden DM beinhalten sollte, allein bei diesen Zinsbeiträgen um rund eine halbe Milliarde DM erhöhen würden. Ich bitte deshalb im Namen der Koalitionsparteien, den Antrag der SPD abzulehnen.
Wir stimmen dann ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 493. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen dann ab über Nr. 13 in der Ausschußfassung sowie über die Nummern 14, — 15, —16, — 17 und 17 a. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Zu Nr. 18 liegt der interfraktionelle Antrag Umdruck 502 Ziffer 2 vor. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist Nr. 18 in dieser Fassung angenommen.
Ich rufe dann noch auf Art. II, — III, — IV, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heute in zweiter und dritter Lesung zu beratenden Novelle zum Bundesrückerstattungsgesetz soll ein außerordentlich wichtiges Teilgebiet der Wiedergutmachung zum Abschluß gebracht werden. Wer die Materie näher kennt, weiß, welche Fülle von Fragen sich mit dem Bundesrückerstattungsgesetz verbindet, weiß um die Schwierigkeiten mannigfaltigster Art, die bei der Vorbereitung und bei der Beratung der vorliegenden Novelle zu berücksichtigen waren. Das Ergebnis dieser Beratungen und das Ergebnis von eingehenden interfraktionellen Besprechungen noch am gestrigen Tage liegt Ihnen vor.Im einzelnen glaube ich nur noch zu wenigen Punkten etwas sagen zo sollen. Schon jetzt ist es mir aber ein aufrichtiges Bedürfnis, allen Beteiligten zu danken, insbesondere dem Wiedergutmachungsausschuß dafür, daß der Gesetzentwurf in einer nach den gegebenen Möglichkeiten außerordentlich kurzen Frist durchberaten werden konnte. Auf die schnelle Verabschiedung dieser Novelle legt auch die Bundesregierung, wie ich von Anfang an betont habe, größten Wert, gilt es doch Schäden auszugleichen, die überwiegend Menschen zugefügt worden sind, die heute schon im biblischen Alter stehen. Wir alle freuen uns, daß mit der nun zu erwartenden baldigen Verabschiedung dieses Gesetzes diesen Menschen noch die Verbesserungen, die die Schlußnovelle bringt, zugute kommen werden.Ich kann allerdings nicht verhehlen, daß in der öffentlichen Diskussion in der letzten Zeit Stimmen laut geworden sind, die recht bedenklich sind. Es ist der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesminister der Finanzen, ja sogar der ganzen deutschen Öffentlichkeit der Vorwurf gemacht worden, die Wiedergutmachung werde zu sehr unter rein fiskalischen, finanziellen Gesichtspunkten gesehen. Meine Damen und Herren, die Gesamtleistungen zur Wiedergutmachung werden, wenn alle Gesetze abgewickelt sind, einen Betrag von rund 36 Milliarden DM erreichen. Zu diesem Betrag kommen etwas über 4 Milliarden DM für die heute zur Beratung stehende Novelle und für die demnächst zu behandelnde Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz hinzu.Insgesamt wird im Laufe langer Jahre also ein Betrag von mindestens 40 Milliarden DM erreicht werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, allein die Höhe dieses Betrages sollte jedermann zum Nachdenken veranlassen, der leichthin von einer fiskalischen Behandlung der Wiedergutmachungsfrage spricht. Daß solche Gesichtspunkte gerade nicht das Leitbild für die Wiedergutmachungspolitik der Bundesrepublik abgeben, wird aber besonders deutlich, wenn man einmal vom Einzelfall her die Leistungen, die in der Wiedergutmachung gewährt werden, mit den Leistungen vergleicht, die in anderen Gesetzen für andere Geschädigtengruppen vorgesehen sind.Wir haben den Unterschied zwischen der Ehrenschuld der Wiedergutmachung einerseits und den Verpflichtungen bei Schicksalsschlägen der verschiedensten Art andererseits gewiß immer gesehen. Aber wir haben der Wiedergutmachung eben wegen dieses Unterschiedes auch eine Priorität eingeräumt wie keinem anderen Gebiet, das wir aus der traurigen Hinterlassenschaft des „Dritten Reiches" zu regeln hatten.Gerade die Behandlung der Ihnen heute vorliegenden Novelle zum Bundesrückerstattungsgesetz
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Bundesminister Dr. Dahlgrünunterstreicht, daß uns in unserer Wiedergutmachungspolitik nicht fiskalische Gesichtspunkte geleitet haben, daß wir vielmehr stets die menschlichen und moralischen Gesichtspunkte in den Vordergrund stellen. Wer die Entstehung der Novelle kennt, weiß, daß sich die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium der Finanzen, von allem Anfang an für eine hundertprozentige Befriedigung der rückerstattungsrechtlichen Ansprüche eingesetzt hat, und zwar trotz der Haushaltsschwierigkeiten, in denen wir uns befinden, und trotz der schweren Vorbelastungen für unsere zukünftigen Haushalte.Wir hätten, wären wir mit fiskalischen Augen an diese Materie herangegangen, viele Gesichtspunkte vorschützen können, um den Standpunkt zu verteidigen, daß wir mit der im jetzigen Gesetz vorgesehenen Erfüllungsquote von 50% den von uns eingegangenen Verpflichtungen voll und ganz Genüge tun. Wir haben — Herr Kollege Hirsch hat dies dankenswerterweise schon unterstrichen — nicht gezögert und eine hundertprozentige Befriedigung der in Frage stehenden Ansprüche vorgesehen. Ich meine, jeder, dem es hier um Objektivität geht, müßte anerkennen, daß bei einer solchen Haltung von fiskalischem Denken keine Rede sein kann.Neben der Frage, in welcher Höhe die rückerstattungsrechtlichen Ansprüche erfüllt werden sollen, haben, wie die Diskussion zu den beiden Änderungsanträgen gezeigt hat, zwei weitere Fragen im Rahmen der Beratungen der Novelle eine besondere Rolle gespielt: Sollen die Anmeldefristen neu eröffnet werden? Soll § 30 des Bundesrückerstattungsgesetzes im Wege einer authentischen Interpretation den Inhalt erhalten, den ihm der frühere Gesetzgeber geben wollte, oder soll es insofern bei der Auslegung der oberen Rückerstattungsgerichte bleiben?Herr Kollege Hirsch hat zu beiden Fragen verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen. Erlauben Sie mir, daß ich dazu doch ganz kurz etwas sage.Ich scheue mich gar nicht, dem Hohen Hause zu erklären, daß wir uns mit diesen verfassungsrechtlichen Bedenken auseinandergesetzt und sie wegen ihrer Bedeutung sehr genau geprüft haben. Nach einer sehr eingehenden Prüfung glauben wir aber, daß weder die rechtsstaatlichen Bedenken gegen die Nichteröffnung der Anmeldefristen noch die gegen die vorgesehene Änderung des § 30 vorgebrachten Gründe durchschlagen. Daß § 30 in der Auslegung, die ihm das Oberste Rückerstattungsgericht in mehreren Entscheidungen gegeben hat, nicht dem Willen des damaligen Gesetzgebers, des Bundestages, entsprach, ist meiner Ansicht nach völlig außer Zweifel. Der frühere Vorsitzende des Wiedergutmachungsausschusses, Herr Greve, hat dies ausdrücklich bestätigt.Nun will ich nicht darüber streiten, ob der damals gefundene Wortlaut dem damaligen Willen des Gesetzgebers entsprach oder nicht. Ich will einmal annehmen, daß damals irrtümlich ein Gesetzeswortlaut gefunden worden ist, der den oberen Rückerstattungsgerichten keine andere Möglichkeit gab, als so zu entscheiden, wie sie es getan haben. Ich glaube, daß es 'angesichts der Unzulänglichkeit allen Menschenwerkes — ich darf das vielleicht sagen — auch in den hohen Bereichen der Gesetzgebung eine in allen Rechtsstaaten vorkommende Erscheinung ist, daß dem Gesetzgeber einmal eine Formulierung mißglückt, daß Gerichte — bis zu den höchsten Gerichten hin — aus Formulierungen etwas anderes herauslesen, als der Gesetzgeber es gewollt hat. In allen Rechtsstaaten ist es, ich möchte geradezu sagen, eine Selbstverständlichkeit, daß es in solchen Fällen dem Gesetzgeber freisteht, seinen Fehler zu korrigieren und dem Gesetz den Wortlaut zu geben, der ihm ursprünglich gegeben werden mußte oder sollte. Ich glaube nicht, daß eine solche Berichtigung eines, wenn ich mal so sagen darf, verunglückten Gesetzestextes in irgendeinem Staat als eine Mißachtung der Rechtsprechung angesehen wird. In allen Ländern begegnet man gerichtlichen Entscheidungen, in denen sich der Richter gezwungen sieht, angesichts des gegebenen Wortlautes einem Gesetz eine bestimmte Auslegung zu geben, und in denen er es dem Gesetzgeber geradezu anheimstellt, den Wortlaut richtigzustellen, wenn der Gesetzgeber dies für erforderlich hält.Wenn ich also schon die grundsätzlichen rechtsstaatlichen Bedenken des Herrn Kollegen Hirsch zur Frage der Nichtwiedereröffnung der Fristen und der Änderung des § 30 nicht teilen kann, so glaube ich, daß dieses Hohe Haus der ihm vorgeschlagenen Konzeption in diesen beiden Punkten um so eher folgen kann, als durch die Einrichtung eines Härtefonds für diejenigen, die Ansprüche nicht oder nicht in rechter Form angemeldet haben, eine billige Abhilfe geschaffen werden soll.Wir haben um diesen Härtefonds und die sich darum herumrankenden Bestimmungen gerungen. Wie wohl inzwischen bekanntgeworden ist, habe ich gestern nach langen Mühen mit verschiedenen Kollegen aus dem Hause, auch aus den Reihen der Opposition, buchstäblich in letzter Minute eine Lösung gefunden, die den Schlußstein zum Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsrecht setzt, obwohl es im Laufe der Ausschußberatungen nicht mehr so aussah, als ob das erreicht werden könne. Außerdem ist gestern in dieser Besprechung erreicht worden — auch buchstäblich in letzter Minute —, daß die Möglichkeit geschaffen worden ist, dieses Gesetz ohne Auseinandersetzung zwischen den drei Fraktionen zu verabschieden und damit der Öffentlichkeit zu zeigen, daß die Wiedergutmachung, die Rückerstattung ein Anliegen der ganzen Volksvertretung ist. Jeder objektiv Denkende muß die gestern gefundene Lösung als angemessen und adäquat bezeichnen. Ich glaube auch sagen zu können, daß die jetzt gefundene Lösung praktisch von den großen Verfolgtenverbänden anerkannt werden wird. Damit ist aber meines Erachtens auch das rechtliche Problem, das sich mit der Nichteröffnung der Fristen und der Änderung des § 30 des Bundesrückerstattungsgesetzes verbindet, vollends entschärft worden.Herr Kollege Hirsch hat mich gebeten, den Sinn des im Rahmen unseres Kompromisses neu formu-
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Bundesminister Dr. Dahlgrünlierten Abs. 11 zu § 44 a zu präzisieren, um der Öffentlichkeit zu sagen, was beabsichtigt ist.
Ich will das gern tun. Wenn dort gesagt wird, daß für den Härteausgleich im Rahmen der jeweiligen Haushaltspläne Mittel bis zu einem Gesamtbetrag von 800 Millionen DM vorgesehen werden sollen, so steckt hinter dieser Formulierung nicht der Gedanke, daß es im Belieben der Bundesregierung oder gar des Finanzministeriums stehen soll, mit welchen Mitteln letztlich der Härteausgleich bedient werden soll. Wir haben einen endgültigen Festbetrag allesamt nicht einsetzen können, weil wir mit einer Reihe von Unbekannten zu rechnen haben, z. B. der Unbekannten: wieviel zum Erfolg führende Anträge sind zu erwarten? Würde außerdem das Bundesverfassungsgericht entgegen meiner Erwartung die vorgesehene Änderung des § 30 nicht anerkennen, würden alle nach § 30 getätigten Anmeldungen im normalen Verfahren abzuwickeln sein. Um diesen nun einmal gegebenen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, haben wir gestern die Ihnen vorliegende Fassung gewählt. Wenn ich Ihnen eingangs versichert habe, daß weder die Bundesregierung noch das Bundesfinanzministerium die Probleme der Wiedergutmachung allein unter fiskalischen Gesichtspunkten sehen, so können Sie gewiß sein, daß auch bei der endgültigen Formulierung des Härteausgleichs nicht allein finanzielle Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, sondern die Notwendigkeiten, die sich aus der Sache heraus ergeben. Wir sind — das sagt die Formulierung — gewillt und bereit, bei Vorliegen ordnungsgemäßer Anträge gegebenenfalls einen Gesamtbetrag bis zu 800 Millionen DM für die Durchführung dieser Aufgabe zur Verfügung au stellen.Ich möchte meine Ausführungen nicht beschließen, ohne vor dem Hohen Hause meiner Genugtuung und Freude darüber Ausdruck zu geben, daß es uns gelungen ist, auf diesem schwierigen Teilgebiet der Wiedergutmachung zu einem Abschluß zu kommen, dem wir letzten Endes — ich glaube das trotz der Bedenken des Herrn Kollegen Hirsch sagen zu können — alle zustimmen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal drei Kollegen namentlich erwähnen — ohne jemandem zu nahe treten zu wollen; denn viele Kollegen im Hause haben sehr fleißig und in mühevoller Arbeit an diesem Werk mitgewirkt —, die sich insbesondere gestern für die heutige Lösung eingesetzt haben. Es sind die Herren Kollegen Professor Böhm, Hirsch und Spitzmüller. Sie haben mir bei der Erreichung des Zieles außerordentlich geholfen.Wir wissen, daß auch mit diesem Schlußnovellenwerk nicht alle Schäden beseitigt sind, nicht alle Verluste abgegolten werden. Angesichts der furchtbaren Katastrophe, die uns das „Dritte Reich" hinterlassen hat, wird dies leider niemals in vollem Umfang möglich sein. Ich glaube aber feststellen zu dürfen, daß -mit der Novelle in der Ihnen jetzt vorliegenden Form auf dem Teilgebiet der Bundesrückerstattung ein würdiger Schlußstein zum Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsrecht gesetzt worden ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch der gemeinsame Änderungsantrag Umdruck 502 die Verabschiedung dieser schwierigen Materie sicher erleichtert hat, so ist durch diesen Antrag doch insofern eine Komplikation eingetreten, als der Haushaltsausschuß sich nun nach § 96 der Geschäftsordnung noch einmal mit der materiell geänderten Vorlage beschäftigen muß.
Ich bitte Sie deshalb, Herr Präsident, die dritte Lesung zu unterbrechen, um dem Haushaltsausschuß, der zur Zeit tagt, Gelegenheit zu geben, sich der Formvorschrift entsprechend noch einmal mit der geänderten Vorlage zu befassen. Ich gehe davon aus, daß, nachdem die Einigung interfraktionell zustande gekommen ist, auch die Beratung im Haushaltsausschuß keinerlei Schwierigkeiten machen und die Verabschiedung des Gesetzes heute nachmittag möglich sein wird.
Sie gehen davon aus, daß die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 502 möglicherweise Mehrausgaben verursacht.
Die Einfügung des Abs. 11 dürfte eine materielle Änderung des Entwurfs in der Fassung der Drucksache IV/1549 — zu der hat der Haushaltsausschuß Stellung genommen — bedeuten.
Materielle Änderung bedeutet nicht ohne weiteres Mehrausgaben.
— Wenn es Mehrausgaben sind, Herr Abgeordneter Hirsch, dann muß die Sache natürlich dem Sinn von § 96 folgend noch einmal an den Haushaltsausschuß zurück, denn ein Deckungsvorschlag dazu ist offenbar aus der Mitte des Hauses nicht gemacht worden, jedenfalls vom Hause nicht angenommen worden. Also zurück an den Haushaltsausschuß. Ich kann nicht beurteilen, wann der Haushaltsausschuß damit fertig ist, aber wir werden noch im Laufe dieser Woche, vielleicht noch im Laufe dieses Nachmittags die dritte Lesung noch einmal aufrufen. Ich setze die Schlußabstimmung aus. Die Vorlage ist an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen.Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf:Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (Drucksachen IV/178, IV/1020, IV/1171);Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/2378, zu IV/2378).
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6437
Präsident D. Dr. GerstenmaierIch frage den Herrn Berichterstatter Dr. Kanka, ob er das Wort wünscht.
— Der Herr Berichterstatter verzichtet; ich bedanke mich.Wir kommen zurdritten BeratungZur dritten Beratung liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Zu Art. 1 sind Änderungsanträge der Abgeordneten Dr. h. c. Güde usw. auf den Umdrucken 498 und 500 *) eingereicht worden. Ich frage die Herren Antragsteller, ob sie das Wort zur Begründung wünschen. — Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Änderungsantrag auf Umdruck 500 zu begründen und werde in diesem Zusammenhang wohl auch gleich Ausführungen zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 498 machen können. Es geht dabei um den § 112 der Strafprozeßordnung, um die Vorschrift, die sich mit den Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls befaßt.Zum rechten Verständnis dieser Vorschrift und unserer Änderungsanträge muß ich eine ganz kurze allgemeine Betrachtung vorausschicken. Alles materielle und formelle Strafrecht dient einer gerechten Friedensordnung, die bei uns eine freiheitliche Ordnung sein und bleiben soll. Soweit es um die Beschränkung der persönlichen Freiheit geht, heißt das z. B., daß Haftbefehle, die die Freiheit eines Beschuldigten beeinträchtigen, nur ergehen dürfen, wenn wirklich triftige Gründe für den beabsichtigten Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschuldigten, des dringend Verdächtigen, bestehen. Es ist aber auch an die zu denken, die in einer freiheitlichen Rechtsordnung leben wollen und in ihr durch Rechtsbrecher empfindlich verletzt werden. Anders ausgedrückt: Die Strafprozeßordnung darf nicht nur an den Schutz auch dringend Verdächtiger denken, die bis zum rechtskräftigen Schuldurteil als nicht schuldig zu behandeln sind, sondern sie muß auch an den Schutz der Allgemeinheit vor der wachsenden Kriminalität denken. Dem Schutz der Verdächtigen, die bis zum Schuldurteil als nicht schuldig gelten, dienen namentlich die Vorschriften des § 112 Abs. 1 und 2, des § 113, aber auch Vorschriften wie der § 116 der Strafprozeßordnung. Vor allem bei den Vorschriften des § 112 Abs. 1 und Abs. 2 haben wir uns im Rechtsausschuß allesamt redlich darum bemüht, die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls sehr eng zu umgrenzen, so daß dieser Eingriff in die persönliche Freiheit auch des dringend Verdächtigen nur beim Vorliegen eben dieser besonders engen Voraussetzungen vorgenommen werden darf.Wir müssen aber, wie ich gesagt habe, auch an den Schutz der Allgemeinheit vor wachsender Kriminalität denken. In einer kürzlichen Ausgabe des*) Siehe Anlagen 4 und 5 „Bulletins" hat der Herr Innenminister über diese wachsende Kriminalität, etwa auf dem Gebiet der Eigentumsdelikte, aber auch auf anderen Gebieten, sehr beachtliche Ausführungen gemacht. Dem dient nun unser Antrag, dem § 112 Abs. 3 die Sätze anzufügen, die in dem Umdruck 500 niedergelegt sind.Wir haben im Rechtsausschuß bei § 112 Abs. 3 den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zur Verhinderung des Rückfalls nur in Fällen schwerer Sittlichkeitsverbrechen vorgesehen. Das verlangt auch die Öffentlichkeit. Aber das Verlangen der Öffentlichkeit ist für sich allein noch kein Grund. Es ist der Schutz der Allgemeinheit und der allgemeinen Friedensordnung, um den es uns bei der Vorschrift des § 113 Abs. 3 geht. Diese Friedensordnung wird jedoch nicht nur durch die Hangtäter, die eines dei Sittlichkeitsverbrechen begangen zu haben dringend verdächtig sind, empfindlich gestört, sondern sie kann durch andere Täter ebenso empfindlich gestört werden.Wenn Sie die Sätze, die wir dem § 112 Abs. 3 angefügt haben wollen, genau durchlesen, dann werden Sie feststellen, daß wir äußerste Sorgfalt darauf gelegt haben, daß diese Sätze nicht zum leichtfertigen Erlaß von Haftbefehlen mißbraucht werden können. In welchen Fällen wollen wir dem Richter, der die Allgemeinheit vor gewohnheitsmäßigem, gewerbsmäßigem, bandenmäßigem Verbrechertum schützen soll, das Recht geben, den Haftbefehl zu erlassen? Die Antwort: Ein Haftgrund soll auch gegen den Beschuldigten bestehen, der dringend verdächtig ist — und zwar auf Grund von Tatsachen, die vorliegen müssen —, ein Verbrechen oder Vergehen begangen zu haben, das die öffentliche Sicherheit und Ordnung empfindlich beeinträchtigt. Das genügt aber noch nicht. Er muß weiter dringend verdächtig sein — wiederum auf Grund von Tatsachen, die festgestellt werden müssen —, dieses Verbrechen oder Vergehen gewerbsmäßig oder gewohnheitsmäßig oder als einer von mehreren zur fortgesetzten Begehung strafbarer Handlungen miteinander Verbundenen begangen zu haben. Und damit nicht trotz dieser Sicherungsmaßnahmen doch der Mißbrauch einreißen kann, daß der Haftbefehl bereits wegen geringfügiger Vergehen erlassen wird, haben wir noch den Satz angefügt, daß der in den genannten Umständen enthaltene Haftgrund nur gilt, wenn der Beschuldigte wegen des Verbrechens oder Vergehens, dessen er dringend verdächtig ist, voraussichtlich eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt hat. Also drei Sicherungsriegel gegen die Gefahr allzu leichten Anwendens dieser sehr vorsichtig formulierten Vorschrift über den erweiterten Haftgrund der Wiederholungsgefahr!Meine Damen und Herren, ich appelliere an das Hohe Haus, das nicht nur die Aufgabe hat, ein Gesetz zum Schutz auch dringend Verdächtiger, deren Schuld noch nicht bewiesen ist, zu beschließen, sondern das auch die Aufgabe hat, ein Gesetz zum Schutz der Friedfertigen, zum Schutz unserer freiheitlichen Ordnung zu erlassen, in der es leider in wachsender Zahl auch kriminelle Elemente gibt.
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6438 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Dr. KankaWer daran denkt, der sollte eigentlich zu einer Vorschrift von der Art, wie wir sie auf Umdruck 500 vorschlagen, nicht nein sagen. Ich bitte Sie, dieser Vorschrift zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst etwas zu dem Antrag auf Umdruck 500 sagen. Ich finde, daß dieser Antrag überhaupt nicht in die Tendenz der vorliegenden Novelle paßt.
Wir sagen, daß wir die Voraussetzungen der Untersuchungshaft enger fassen, genauer umschreiben wollen, und müssen nun feststellen, daß laufend neue Haftgründe geschaffen werden. Die Bundesregierung ist an den Absätzen 3 und 4 unschuldig. Wenn Sie die Seite 4 der Drucksache IV/2378 ansehen, so finden Sie in der Rubrik „Regierungsentwurf" an dieser Stelle einen weißen Fleck. Ich gebe ohne weiteres zu: wir waren uns im Rechtsausschuß darüber einig, daß der in Abs. 3 — ich gehe jetzt einmal von der zweiten Spalte auf der eben angegebenen Seite aus, in der die Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung aufgeführt sind — erwähnte Haftgrund der Wiederholungsgefahr in das Gesetz aufgenommen werden soll. Das ist zwar systematisch nicht in Ordnung, da es sich hier eigentlich nicht um eine Frage der Untersuchungshaft, sondern um eine Frage der Sicherungshaft handelt; wir haben aber davon abgesehen, hier perfektionistisch zu sein, es als Sicherungshaft zu bezeichnen und durch das ganze Gesetz hindurch entsprechende redaktionelle Änderungen vorzunehmen. Das soll also gar nicht bestritten werden.
Ich gebe auch den Antragstellern, die den Änderungsantrag auf Umdruck 498 eingebracht haben, darin recht, daß es nicht logisch und sinnvoll ist, die Tötungsdelikte in den Absatz hineinzubringen, der die Wiederholungsgefahr enthält. In diesen Absatz passen sehr gut die anderen Delikte, die Sittlichkeitsdelikte, hinein. Bei diesen besteht tatsächlich häufig Wiederholungsgefahr, nicht dagegen bei Tötungsdelikten. Hier kommen höchstens die Fälle der Massenmörder in Betracht, bei denen aber immer auch Fluchtgefahr vorliegt.
Ich sage offen, ich würde es lieber sehen, wenn der Abs. 4 überhaupt nicht da wäre; denn er erinnert doch etwas an den entsprechenden Absatz, den es während des Dritten Reiches in der Strafprozeßordnung gab, in ,dem allerdings etwas von der Erregung der Öffentlichkeit, der Schwere der Tat usw. stand. In den Ausführungen von Herrn Kanka ist ja auch etwas angeklungen, daß man hiermit Rücksicht auf Empfindungen der Öffentlichkeit nimmt. Dafür habe ich volles Verständnis. Aber wenn man dann formuliert, kommt man immer dazu, Generalklauseln zu wählen. Offenbar ist auch der Antrag auf Umdruck 500 so etwas ein Ersatz dafür. Da wimmelt es ja von Generalklauseln: „ ... ein ... Verbrechen oder Vergehen, das 'die öffentliche Sicherheit und Ordnung empfindlich beeinträchtigt, ...". Genau das Gegenteil von dem, was wir sonst in der Novelle wollen! Wir wollen doch dem Richter, der sich mit einem Haftbefehl zu befassen hat, eine klare Richtlinie geben. Wir haben uns sonst überall bemüht — der Rechtsausschuß hat das vor allem getan —, in das Gesetz hineinzuschreiben, daß bestimmte Tatsachen vorliegen müssen. Eine entsprechende Formulierung finden Sie auch in der Ausschußfassung des Abs. 3. Das finde ich in den Sätzen, die nach 'dem Änderungsantrag auf Umdruck 500 angefügt werden sollen, nicht.
Ich finde in den Sätzen auch nicht die Wiederholungsgefahr, obwohl die Sätze doch an den entsprechenden Absatz angehängt werden sollten.
Dazu eine Prognose, daß „voraussichtlich eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt" wird! Ich muß im ganzen sagen, daß dieser Absatz so unpraktikabel wäre und solche Schwierigkeiten und Fragwürdigkeiten in unser Verfahrensrecht hineinbrächte, daß ich darum bitten möchte, den Antrag mit diesen Zusätzen abzulehnen.
Gegen die Trennung von Abs. 3 und 4 ist von seiten der Bundesregierung nichts einzuwenden, obwohl — ich betone es nochmals — ich es für besser hielte, wenn es den Abs. 4 überhaupt nicht gäbe und man sich auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr beschränkte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.
— Gut, ich habe nichts dagegen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nun noch den Änderungsantrag auf Umdruck 498 begründen. Der Rechtsausschuß hatte zu den klassischen Haftgründen, die in § 112 Abs. 2 aufgezählt werden, und zu dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr, wie er in § 112 Abs. 3 enthalten ist, im Abs. 4 noch einen „Haftgrund des besonders schweren Verbrechens" vorgesehen. Es geht dabei um den Schutz eines sehr hohen Rechtsguts, nämlich des menschlichen Lebens:Gegen den Beschuldigten,— so sagt der Entwurf —der eines Verbrechens wider das Leben nach § 211,— also eines brutalen Mords —
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6439
Dr. Kanka§ 212— des Totschlags —order nach § 220 a Abs. 1 Nr. 1 ides Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf— das heißt noch nicht einmal: muß —die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn die in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen.Nach unserer Meinung ist es in einer Rechts- und Friedensordnung schlechterdings unerträglich, daß ein eines brutalen Mordes glaubhaft Geständiger oder einer, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits .als überführt anzusehen ist, bei dem aber mit dem besten Willen nicht gesagt werden kann, er wende fliehen oder seine Tat verdunkeln wollen, daß der his zur Verhandlung und — wenn er nach der Verurteilung zu lebenslangem Zuchthaus auch noch Revision einlegt — auch noch darüber hinaus sich der Freiheit soll erfreuen können. Solche Leute, meinen wir, sollen auch ohne einen der klassischen Haftgründe in Haft genommen werden können. Das erfordern wirklich die Gerechtigkeit, der Schutz unserer Friedensordnung und der Respekt vor idem hohen Rechtsgut, um dessen Schutz es bei den in Abs. 4 genannten Vorschriften geht.
Ich verstehe nicht, wie man diese Fälle — wie es durch einen Beschluß des Rechtsausschusses am 11. Juni geschehen ist — mit der Vorschrift des § 112 Abs. 3 in Verbindung bringen kann.
Ich verstehe nicht, wie man bei einem Mann, ,der einen Mord begangen hat, der auf Grund von Tatsachen eines Mordes dringend verdächtig, vielleicht sogar voll 'geständig ist, sagen kann: Aber in Haft nehmen wir ihn nicht; wir nehmen ihn erst dann fest, wenn auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß er noch weitere Monde begeht. Das scheint mir denn doch den Schutz dringend Verdächtiger vor unnötiger Verhaftung etwas zu weit zu treiben.
Infolgedessen meine ich, wer für diese Dinge noch einiges Gespür hat, der müßte dafür stimmen, daß dem Antrag auf Umdruck 498 entsprochen wird, das heißt also, daß die Fälle des Verbrechens nach den §§ 211, 212 und 220 a herausgenommen werden aus dem Absatz 3 und in einen besonderen Absatz 4 übergeführt werden. Das zu dem Antrag auf Umdruck 498.Und nun zu dem, was der Herr Minister der Justiz zu dem Antrag auf Umdruck 500 gesagt hat. Herr Minister, ich bin eigentlich erstaunt darüber,
daß der Vertreter der Justiz, die in unserem Staate geübt werden soll, mit so großem Gewicht davon spricht, daß mit dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr etwas systematisch Neues gebracht wird. Es ist an sich richtig: systematisch ist der Haftgrund der Wiederholungsgefahr in unserer Strafprozeßordnung etwas Neues. Er paßt nicht ganz in das System.Aber wir Deutschen und wir Juristen sollten es mit dem Systematisieren auch nicht übertreiben.
Wir machen die Gesetze nicht um eines Systems willen, sondern wir machen die Gesetze um der menschlichen Ordnung und hier um der sicheren Friedensordnung willen. Und da müssen wir natürlich den lebendigen Tatbestand als etwas Einheitliches nehmen.Wenn wir es mit Fällen zu tun haben, wie sie im § 112 Abs. 3 in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung oder in dem von uns auf Umdruck 500 vorgeschlagenen Zusatz stehen, dann sollte man wahrlich nicht sagen, sie paßten nicht ins System hinein, sondern da sollte man sagen: Hier muß zum Schutz der Allgemeinheit zugegriffen, ein Haftbefehl erlassen werden können, damit der nach seinem Hang, nach seiner Gewohnheit, nach seiner Gewerbsmäßigkeit, nach seiner bandenmäßigen Verbindung zur Wiederholung neigende, hindrängende Täter in Sicherheit gebracht und die Bevölkerung vor ihm geschützt werden kann.
Was Sie an der Formulierung der Zusätze, die wir zu § 112 Abs. 3 vorschlagen, bemängeln, ist meines Erachtens nicht stichhaltig. Sie sagen, da stehe nichts von Tatsachen und da stehe nichts von Wiederholungsgefahr. Das ist jedoch falsch. Da steht sehr wohl etwas von Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr ist nur eingeschlossen in den Voraussetzungen, die darin liegen, daß der Beschuldigte Bewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder als einer von mehreren, die sich zu fortgesetzter Begehung verbunden haben, gehandelt haben muß. In diesen Umständen steckt doch klar und deutlich die Wiederholungsgefahr.
Im übrigen sind wir allesamt darüber einig, daß die Annahme dringenden Tatverdachts nur auf Tatsachen gegründet werden kann, die dem über die Untersuchungshaft entscheidenden Richter vorgelegt werden müssen, damit er seine Entscheidung darauf stützen kann.Ich halte also Ihre Einwände auch gesetzestechnisch und rechtssystematisch für absolut unbegründet und bin der Meinung, das Justizministerium sollte sich ernsthaft überlegen, ob nicht aus den rechtspolitischen Erwägungen, auf die ich hipgewiesen habe, den Anträgen auf Umdruck Nr. 498 und 500 entsprochen werden sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der SPD-Fraktion möchte ich unsere Stellungnahme zu den Änderungsanträgen Umdrucke 498 und 500 begründen.Ich möchte zunächst einmal grundsätzlich auf folgendes hinweisen. Die Strafprozeßnovelle, die heute
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Dr. Müller-Emmertzu verabschieden ist, wurde in dem erklärten Willen im Bundestag eingebracht, daß insbesondere die Haftgründe in erheblicher Weise eingeengt und gestrafft werden sollen.
Von dieser Überlegung müssen wir auch heute grundsätzlich ausgehen. Das derzeit geltende Strafprozeßrecht kennt zwei Haftgründe: den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr und den Haftgrund der Fluchtgefahr oder des Fluchtverdachts. Bisher ist unsere Justiz verhältnismäßig ohne Schwierigkeiten mit diesen Haftgründen ausgekommen. Es kann deshalb überhaupt nicht eingesehen werden, daß weitere, neue Haftgründe in die Strafprozeßordnung aufgenommen werden sollen. Allein schon daraus erklärt sich grundsätzlich unsere ablehnende Stellungnahme zu den Änderungsanträgen Umdrucke 500 und 498.Bezüglich der Stellungnahme zu dem Antrag Umdruck 500 befinde ich mich in einer angenehmen Situation, indem ich als Vertreter der SPD-Fraktion auf eine Stellungnahme zurückgreifen kann, die der Herr Minister, der Vertreter der Regierung, eben abgegeben hat. Der Herr Minister hat sich gegen diesen Änderungsantrag Umdruck 500 gewendet. Ich glaube, daß ich gar nicht mehr im einzelnen die Gründe anzuführen brauche, die der Herr Minister von sich aus schon angeführt hat.Wichtig erscheint mir zu sagen und zu wiederholen, was der Herr Minister erklärt hat, daß es bei dem Änderungsantrag Umdruck 500 von Generalklauseln geradezu wimmle.
Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß die Haftrichter, sofern der Änderungsantrag angenommen würde, in der Praxis in erhebliche Schwierigkeiten kämen, weil eine starke Ausweitung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr die zwangsläufige Folge wäre und weil damit — sagen wir es ganz deutlich und offen — Mißbrauch Tür und Tor geöffnet würde.
Aus diesen Gründen wenden wir uns gegen den Antrag Umdruck 500.Der Änderungsantrag Umdruck 498 bezweckt die Einführung des Haftgrundes des besonders schweren Verbrechens. Ich darf darauf hinweisen, daß dieser Haftgrund auch bei uns eine gewisse Zeit gültig war, und zwar in der Zeit von 1935 bis 1946. Im Jahre 1935 wurde der Haftgrund des besonders schweren Verbrechens erstmals in unser Strafprozeßrecht übernommen. Allerdings sind die Formulierungen, die in dem Änderungsantrag Umdruck 498 zu finden sind, etwas präziser, was ich ohne weiteres einräume. Ich glaube, es ist ganz gut, an dieser Stelle daran zu erinnern, daß der Haftgrund des besonders schweren Verbrechens im Jahre 1935 eingeführt wurde und durch die Alliierten im Jahre 1946 abgeschafft werden mußte. Damals lautete diese Vorschrift, die ich aus bewußten Gründen verlesen möchte:Der Angeschuldigte darf nur dann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorhanden sind und wenn es mit Rücksicht auf die Schwere der Tat und die durch sie hervorgerufene Erregung der Öffentlichkeit
nicht erträglich wäre, den Angeschuldigten in Freiheit zu lassen.Nun, ich weiß, daß mir sofort entgegengehalten wird, daß dieser Begriff „Erregung der Öffentlichkeit" in der Formulierung auf Umdruck 498 nicht zu finden ist. Das ist fraglos richtig. Aber zwischen den Zeilen steht dieser Begriff ganz eindeutig, auch wenn er nicht in die Formulierung übernommen wurde. Wie wollen Sie denn überhaupt eine Inhaftierung in einem solchen Falle begründen, wenn Sie nicht den Richter dazu zwängen, in solchen Fällen auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen? Das kann nach unserer Auffassung nicht gut sein. Es kann nicht gut sein, daß Haftgründe, mit denen wir in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben, hier wieder auf Umwegen durch die Hintertür eingeführt werden.
Aus diesen Erwägungen wenden wir uns auch gegen den Änderungsantrag auf Umdruck 498 und sind der Auffassung, daß es nicht gut für unsere Strafrechtspflege wäre, wenn diese beiden Anträge von dem Hohen Hause angenommen werden würden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Namens der FDP-Fraktion bitte ich Sie, die von Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion auf den Umdrucken 498 und 500 gestellten Anträge abzulehnen. Die Beschlüsse des Rechtsausschusses, die Ihnen in Drucksache 2378 auf der rechten Seite vorliegen, insbesondere der Beschluß des Rechtsausschusses zu § 112 Abs. 3, sind auf Anträge zurückzuführen, die wir im Rechtsausschuß und bereits in der zweiten Lesung im Plenum gestellt haben. Daraus folgt eigentlich schon, daß wir auf Grund der gefaßten Beschlüsse die jetzt vorliegende Formulierung für richtig halten.In Anbetracht der Ausführungen, die der Herr Bundesminister der Justiz gemacht hat und die von seiten der SPD vorgetragen worden sind, kann ich mich heute auf einen Hinweis beschränken, den ich freilich noch einmal sehr nachdrücklich unterstreichen möchte.Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, gerade aus Ihren Reihen ist aus berufenem Munde bei sehr verschiedenen Diskussionen hier im Hause in diesem Saal in der Vergangenheit sehr betont hervorgehoben worden, daß der Angeklagte, der Angeschuldigte bis zur rechtskräftigen Verurteilung nicht als Verbrecher, sondern — ich wiederhole ein Wort des Herrn Kollegen Dr. Güde — als „an honorable
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Busseman" behandelt werden müsse und darauf Anspruch habe. Geht man von dieser Grundauffassung aus, so ist schon der Verhaftungsgrund der Wiederholungsgefahr, der jetzt eingefügt worden ist, mindestens mit gewissen Bedenken behaftet. Er geht tatsächlich über das Bisherige hinaus und bewirkt im Effekt, daß die Verhaftungsgründe nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden. Wenn man sich aber schon zu diesem Schritt bequemt und ihn für richtig hält, so muß man auch die in § 112 Abs. 3 gefundene Begrenzung vorgenommen werden, und es muß tatsächlich Wiederholungsgefahr begründet sein, ehe man zu dem sehr, sehr weitgehenden und schweren Eingriff kommen kann, einen noch nicht Verurteilten in Haft zu setzen.
— Herr Dr. Weber, das ist ja gerade die Frage, die jeweils zur Erörterung steht.
Der Schwerverbrecher wird seine Strafe bekommen. Wenn Sie es von der Schwere des Vorwurfs, der jeweils gemacht wird, abhängig machen wollen, ob bereits Untersuchungshaft angeordnet werden soll, dann wollen wir die anderen Untersuchungshaftgründe doch weitgehend eliminieren. Aber daraus, daß jemandem der Vorwurf .eines schweren Verbrechens gemacht wird, können Sie einen Haftanspruch nicht herleiten.
— Ich will nicht so weit gehen, Herr Kollege Jahn, und dais einfach unterstreichen. Natürlich sind die Probleme auch in der Öffentlichkeit erörtert worden. Aber ich glaube, wir sollten uns diesen Erörterungen der Öffentlichkeit aus den Erwägungen, die hier angeführt sind, nicht anschließen.Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will für .die Antragsteller der Anträge Umdruck 498 und 500 noch ein paar kurze Sätze sagen. Zunächst zu dem Vorwurf des Herrn Bundesministers der Justiz, daß unsere Anträge sozusagen systemwidrig seien; er sagte: gegen die Tendenz des Entwurfs verstießen. Nun, meine Damen und Herren, darüber muß man sich klar sein: doktrinär kann man .die Bekämpfung des Verbrechens nicht regeln.
Es stehen zwei Prinzipien im Raum. Einmal der Schutz des Unschuldigen, ja zweimal der Schutz des Unschuldigen, muß man sagen: nämlich den Unschludigen vor dem Verbrechen zu schützen, den Unschuldigen aber auch vor einer übereifrigen Justiz zu schützen. Das sind die zwei Prinzipien. Es gibt ein gescheites Wort noch aus dem 18. Jahrhundert, im Beginn des rechtsstaatlichen Denkens.
Da sagte ein Italiener, die Strafprozeßordnung sei „un codice dei galantuomini", ein „Gesetzbuch der Ehrenmänner", und erst das Strafgesetzbuch sei „un codice dei malfattori", der Übeltäter. Darin steckt der völlig richtige Gedanke, daß ein Angeschuldigter noch kein Verurteilter ist. Einverstanden, ganz klar. Aber man müßte doch blind sein, um nicht zu wissen, daß nicht alle „galantuomini" sind. Ein Berufsverbrecher — und auf die Berufskriminalität, auf den Berufskriminellen zielt doch unser Antrag Umdruck 500 —, ein Berufskrimineller ist kein „galantuomo". Sie sollten ihn nicht verwechseln mit dem ehrbaren Bürger, sonst tun Sie dem ehrbaren Bürger Unrecht und denen; die vom Berufsverbrecher bedroht sind.
Ich höre doktrinäre Einwände gegen den Haftgrund der Wiederholungsgefahr. Meine Damen und Herren, schauen Sie doch in die Menschenrechtskonvention! Dort ist der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ausdrücklich .gesehen und gerechtfertigt.
Nicht doktrinär können Sie dieses Gebiet behandeln. Vielmehr müssen Sie in Gottes Namen beide Prinzipien sehen, und Sie dürfen die Strafverfolgung nicht erschweren.
Es war davon die Rede, daß wir neue Haftgründe einführten. Auch das muß man doch ganz klar und realistisch sehen. Wir haben im bisherigen Haftrecht einen apokryphen Haftgrund gehabt. — Frau Diemer-Nicolaus möchte eine Frage stellen, Herr Präsident.
Zwischenfrage!
Herr Kollege Güde, ich hatte mich zu einer Frage gemeldet, als Sie sich auf die Menschenrechtskonvention bezogen. Sie kennen doch auch den Entwurf für eine Resolution der Vereinten Nationen zu Prinzipien über die Freiheit von willkürlicher Verhaftung. Teilen Sie nicht meine Auffassung, daß das, was wir hier machen, an diese Prinzipien noch nicht herankommt und daß gerade die Frage der Wiederholungsgefahr doch sehr schwerwiegend ist?
Ich kenne diesen Entwurf, Frau Kollegin. Es ist aber ein Entwurf, ein sehr lockerer Vorentwurf, der so, wie er jetzt aussieht, wahrscheinlich nicht angenommen werden wird.Meine Damen und Herren, seien wir uns doch darüber klar: Im bisherigen Prozeßrecht bestand ein apokrypher Haftgrund, nämlich der Haftgrund der vermuteten Fluchtgefahr bei Verbrechenstatbeständen. Wir sollten diesen apokryphen Haftgrund beseitigen. In diesem apokryphen Haftgrund haben sich verborgen sowohl die schweren Verbrechen — vielleicht im Übermaß — als auch die Wiederholungsgefahr. Nachdem wir diesen apokryphen Haftgrund — mit Recht — aus der Welt geschafft haben, ergab sich in Gottes Namen eine nicht zu leugnende Lücke, nämlich in bezug auf besonders
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Dr. h. c. Güdeschwere Verbrechen und die Wiederholungsgefahr. Wir haben versucht, diese Lücke zu schließen.Der Herr Bundesjustizminister hat von der „Generalklausel" gesprochen. Das ist ein unberechtigter Vorwurf, Herr Bundesjustizminister. Wenn Sie den Text unseres Antrags lesen, sehen Sie, daß hier nicht general, sondern sehr speziell klausuliert wird, so nämlich, daß jeder Mißbrauch ausgeschlossen ist. Die Vorschrift ist ganz klar auf den Berufskriminellen gezielt. Ich muß zugeben, daß die Formulierung mich nicht restlos beglückt, aber niemand hat recht, der hier von einer gefährlichen Generalklausel spricht.Es ist doch ein wenig blind von denen, die gegen uns argumentieren, nur an die Gefahr zu denken, daß der Richter hier eine Vollmacht mißbraucht, und gar nicht daran zu denken, daß der Verbrecher seine Freiheit mißbrauchen könnte.
Dies beides muß man doch real abschätzen und darf nicht nach einem monistischen System, darf nicht doktrinär nach einer Formel suchen, die zwar dem Rechtsschutzbedürfnis des braven Bürgers — mit Recht — Rechnung trägt, die dafür aber Lücken in der Verbrechensverfolgung läßt. Das müssen wir in bezug auf die ganze Prozeßnovelle ernst nehmen. Wir wissen alle noch nicht, wie sie sich auswirken wird. Wenn sie sich in der Richtung dessen auswirkt, was uns kürzlich der Herr Bundesinnenminister in Erläuterung der Bundeskriminalstatistik an die Wand gemalt hat, nämlich in einer Ausweitung der Kriminalität, dann wird das Volk mit Recht sagen: Was habt ihr da für ein Gesetz gemacht! Habt ihr an die Unschuldigen gedacht, die an Leib, Leben und Sittlichkeit bedroht sind? Das wird man mit Recht fragen, und es soll uns niemand den Vorwurf machen, daß wir diese Gefahren nicht gesehen haben. Wir haben sie gesehen, und deswegen haben wir unsere Anträge gestellt, denen zuzustimmen wir Sie bitten.
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident Meine Damen und Herren! Der Kollege Dr. Güde hat hier ein Wort gesagt, dem ich gern zustimmen möchte: Wir sollen an diese Dinge nicht doktrinär herangehen. Nur bin ich mir nicht ganz klar, ob das Wort von ihm und seinen Freunden auch wirklich befolgt wird. Denn so manches, was hier zur Begründung angeführt wird, klingt in meinen Ohren sehr doktrinär und leider auch — Sie nehmen es mir bitte nicht übel, wenn ich das ganz offen sage — teilweise sehr stark von Emotionen geprägt.Der Kollege Güde hat sich dagegen verwahrt, daß wir gegenüber der vorgeschlagenen Formulierung des § 112 Abs. 3 den „bösen" Vorwurf erhöben, hier handle es sich um eine gefährliche Generalklausel. Ich muß leider sagen: wenn überhaupt an irgendeiner Stelle, dann ist hier dieser Vorwurf gerechtfertigt. Herr Kollege Güde, wenn Sie hier von Verbrechen und Vergehen sprechen, die die öffentlicheSicherheit und Ordnung empfindlich beeinträchtigen— ein Begriff, der aus dem Polizeirecht kommt und den Sie hier plötzlich in die Strafprozeßordnung hineinbringen —, wenn Sie von sontigen Voraussetzungen, die im Strafgesetzbuch nur für ganz bestimmte Verbrechen oder Vergehen vorgesehen sind, in dieser allgemeinen Art reden, dann generalisieren Sie an einer Stelle, die dazu wirklich nicht geeignet ist.
Wir müssen uns doch eines noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen führen, und das hat mit engerem Systemdenken gar nichts zu tun: Grundsätzlich — das ist eines der ausdrücklich im Grundgesetz verbürgten Freiheitsrechte — hat jeder einzelne Bürger Anspruch auf seine Freiheit. Jede Freiheitsentziehung — ich sage es noch einmal: jede Freiheitsentziehung — ist zunächst einmal eine Beeinträchtigung dieses Grundrechts, und zu dieser Beeinträchtigung eines Grundrechts müssen Sie ganz besondere Gründe haben. Das ist nicht nur das System — dieses Wort wird hier ja ein bißchen abgewertet —, sondern es ist der eigentliche Zweck und damit die Rechtfertigung der Untersuchungshaft. Der einzige Grund, mit dem Sie sie rechtfertigen können, ist, den Gegensatz zwischen Individualinteresse und Interesse der Allgemeinheit, die einander widerstreiten, in einer guten Abwägung zu lösen und den Anspruch des Staates auf die Verfolgung von Straftätern zu sichern.
— Herr Kollege Weber, es wäre besser gewesen, Sie hätten 'diesen Zwischenruf nicht gemacht;
denn bei der Frage, über die wir uns auseinanderzusetzen haben, geht es doch gar nicht um die Unverletzlichkeit des Lebens — das wissen Sie so gut wie ich —, sondern es geht darum, in welchen Fällen der Staat das Recht hat, die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers einzuschränken. Mit dieser Überlegung setze ich mich hier auseinander.Wir haben in unserer Strafprozeßordnung aus wohlerwogenen Gründen die Regelung, daß die Untersuchungshaft nur zum Zwecke der Sicherstellung der Untersuchung, d. h. um die Untersuchung nicht unmöglich zu machen, verhängt werden kann. Nur von daher ist es doch zu verstehen, wenn wir— ich bekenne mich dazu — ganz undoktrinär gesagt haben: Es gibt darüber hinaus aber noch einen weiteren Grund, der es rechtfertigt, zu sagen, daß es notwendig ist, den vermeintlichen Täter — weiter kommt man in diesem Stadium ja nicht — einzusperren, nämlich dann, wenn eine ganz außergewöhnliche, eine ganz besonders schwere Straftat vorliegt und die Gefahr besteht, daß der Betreffende sie wiederholt.Weil es sich hier aber um einen Haftgrund handelt, der von der ursprünglichen Rechtfertigung des
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JahnHaftrechts her gar nicht vertreten werden kann, haben wir es für notwendig gehalten, diesen Haftgrund auf das äußerste Mindestmaß zu beschränken, nämlich auf die Fälle, bei denen ein Verbrechen gegen das Leben oder die Sittlichkeit vorliegt, und keinen Schritt darüber hinauszugehen. Denn wir meinen: Nur in diesen Fällen besteht in der Tat die Gefahr, daß im Wiederholungsfall nicht wiedergutzumachender Schaden eintritt. Darüber hinaus gibt es keine Rechtfertigung für eine Ausdehnung der Haftgründe.Eigentlich müßte man bei dieser Ihrer Argumentation für die Ausweitung des Begriffes der Wiederholungsgefahr allmählich überlegen, ob es dann nicht besser ist, es beim alten Zustand zu belassen. Ich hoffe, wir kommen in dieser Debatte nicht auch noch zu dieser Überlegung.Aber wenn man schon so weit geht, dann, muß ich sagen, gibt es überhaupt keine Rechtfertigung dafür, nun auch noch einen ausgesprochen automatischen Haftgrund einzuführen, nämlich den Haftgrund, den Sie in § 112 Abs. 4 bei Verbrechen gegen das Leben einführen wollen. Eine solche Vorschrift würde sich gegen jeden richten, der des Mordes verdächtig ist. Es ist einfach falsch, zu sagen, sie richte sich gegen den Mörder und gegen den Berufskriminellen. In diesem Stadium des Verfahrens hat niemand das Recht, so von dem Beschuldigten zu sprechen. Es handelt sich lediglich um einen Verdächtigen. Hier wollen Sie einen automatischen Haftgrund gegen einen bloß verdächtigen Bürger schaffen, der in gar keiner Weise an sonstige Voraussetzungen gebunden ist.Meine Damen und Herren, ich muß sagen, eine solche Ausweitung des Haftrechts verläßt nicht nur den sicherlich guten Boden unserer bisherigen Strafprozeßordnung, sondern ist eine gefährliche Entwicklung. Denn mit denselben Gründen, die Sie hier für diese Straftaten angeführt haben, können Sie morgen vor dieses Haus treten und sagen: „Da gibt es noch diese oder jene oder eine dritte Straftat, die ebenso aus den gleichen Gründen eine Art automatischer Haft notwendig macht." Hüten Sie sich vor diesem Wege, hüten Sie sich vor dem ersten Schritt auf diesem Wege! Sie wissen nicht, wo er einmal enden kann.Wir bitten also noch einmal, die Anträge auf den Umdrucken 498 und 500 abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Abgeordneten Dr. Kanka und Dr. Güde haben mir den Vorwurf gemacht, ich ginge hier nur nach der Systematik und nach doktrinären Gesichtspunkten vor. Ich habe die Bemerkung über die Systemwidrigkeit des Haftgrundes „Wiederholungsgefahr" durchaus nebenbei gemacht und anschließend erklärt, daß ich mit Ihnen allen darüber einig bin, daß trotz der Systemwidrigkeit der Haftgrund geschaffen werden soll. Und doktrinär? Ich habe vor einer Tendenz unserer Novelle gesprochen. Zwischen einer Tendenz und einer Doktrin ist doch ein ganz erheblicher Unterschied, — nachzuschlagen in jedem besseren Wörterbuch.
Nun hat Herr Kollege Güde noch ein kriminalpolitisches Argument gebracht: Bekämpfung der Berufsverbrecher. Ich war darüber sehr erstaunt, wie ich überhaupt erstaunt war, Ihren Namen unter diesem Antrag Umdruck 500 zu finden. Denn aus vielen persönlichen Unterhaltungen mit Ihnen, Herr Kollege Güde, hatte ich den Eindruck, daß Sie — sowohl in speziellen Fällen wie im allgemeinen — kein allzu großer Freund vom Verhaften seien. Ich schätze Sie deshalb sehr. Ich bedaure, daß dieser gute Eindruck nun etwas verwischt worden ist.
Sie sprechen von der Bekämpfung von Berufsverbrechern. Herr Kollege Jahn hat dazu schon einiges gesagt. Das ist doch der Standpunkt — ich bitte, das nicht als Kränkung aufzufassen —, auf dem der Referendar im Examen steht, wenn er die Aufgabe gestellt bekommt: A — schon mehrfach vorbestraft — ist zusammen mit B, C, D und E in ein Haus eingestiegen und hat das und das mitgenommen. Der Referendar kennt also den Sachverhalt und weiß, welche Tat dieser A begangen hat. Er muß darauf das Gesetz anwenden. — Die Aufgabe des Richters ist doch eine ganz andere. Wenn der A vor ihm steht, dann ist A — so, wie es in Ihrem Antrag heißt — verdächtig, die Tat „als einer von mehreren zur fortgesetzten Begehung strafbarer Handlungen miteinander Verbundenen begangen zu haben". Er kann noch nicht sagen: hier steht ein Berufsverbrecher vor mir. Er weiß ja gar nicht, ob der A tatsächlich dabei war oder ob es nur B, C, D und E waren. Das weiß er erst beim Urteil.
— Ja, wenn er das Urteil fällt, dann kann für ihn feststehen: es ist ein Berufsverbrecher und ein schwerer Junge, und auf den wollen wir die Schärfe des Gesetzes anwenden. Aber, Herr Kollege Weber, verdächtig kann man leicht werden, sowohl wegen eines kleinen Mundraubes wie auch wegen eines schweren Mordes. Die Gefahr, daß man unschuldig verdächtig ist, ist bei großen und kleinen Delikten dieselbe. Nur die Folgen sind bei den großen viel erheblicher.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers kann ich mich kurz fassen. Herr Kollege Güde und Herr Kollege Kanka, ich war doch etwas überrascht, als ich heute morgen — nicht gleich am Anfang der Sitzung, sondern jetzt erst — die völlig neue Formulierung vorfand, die Sie auf Umdruck 500 vorschlagen. Herr Kollege Kanka, Sie haben jetzt eigentlich Ihren Beruf geändert! Sonst kannte ich
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Frau Dr. Diemer-NicolausSie als Rechtsanwalt, als Verteidiger; aber heute waren Sie hier der Ankläger.
Insofern standen Sie natürlich in der gleichen Richtung mit Herrn Kollegen Güde. Das ist die gleiche Betrachtungsweise.Aber gerade weil Sie erfahrene Juristen sind, war ich um so überraschter, als ich diese Formulierung vorfand, die — darüber müssen wir uns doch ganz klar sein — Tür und Tor dafür öffnet, gegebenenfalls Sicherungshaft zu verhängen, die wir aus vergangenen Zeiten kennen und nicht haben wollen.
Ich möchte das hier mit aller Deutlichkeit sagen. Ich habe zwar das Zutrauen, daß unsere Staatsanwälte und Richter jetzt nicht in einem derartigen Sinn davon Gebrauch machen werden — aber wissen wir denn, was in 20, 30 oder 40 Jahren ist? Haben Sie denn bei den Gesetzen, die im Jahre 1920 geschaffen wurden, voraussehen können, daß nachher mit ihnen Mißbrauch getrieben wurde? Was ist daraus geschehen nach den Jahren 1930 und 1933?
Wir müssen doch aus diesen bitteren Erfahrungen die Folgerungen ziehen. Das war doch auch sonst unser Bestreben bei dieser kleinen Reform. Wir wollten doch — das hat der Herr Bundesjustizminister so eindringlich und richtig dargelegt — die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft klarer abgrenzen, damit in Zukunft nicht mehr der Vorwurf erhoben werden kann: Es wird zu viel, zu schnell und zu lange verhaftet. Und nun kommen Sie mit einer Formulierung, wie sie in dem Änderungsantrag Umdruck 500 enthalten ist! Sie ist in dieser Form in gar keiner Weise im Ausschuß vorberaten worden.Herr Kollege Güde, nehmen Sie mir ein offenes Wort nicht übel. Wir kennen uns alle aus den Beratungen des Rechtsausschusses zur Genüge, und wir sind uns doch alle, einerlei zu welcher Partei wir gehören, darüber einig, daß wir bei den Beratungen, die wir dort führen, die Gesetze so gestalten wollen, daß die Verbrechensaufklärung und Verbrechensbekämpfung im weitestgehenden Umfang erfolgen kann. Sie wissen, daß die Sittlichkeitsverbrechen, gar an Kindern, die große Sorge von uns allen sind. Sie haben das emotional angesprochen, worauf Herr Kollege Jahn hingewiesen hat. Aber ich bin der Überzeugung, daß — so wie es bis zum Jahre 1935 möglich war — auch ohne diesen Änderungsantrag Umdruck 500 in Zukunft gute Richter und gute Staatsanwälte mit den übrigen viel schärferen Präzisierungen für die Untersuchungshaft absolut in der Lage sein werden, die Mißstände zu vermeiden, von denen Sie glauben, daß sie nicht ausgeräumt würden.Ich wäre deshalb den Unterzeichnern des Antrags sehr dankbar, wenn sie nicht auf ihrem Antrag bestünden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesjustizminister war so liebenswürdig, mir zu konzedieren, daß ich, soweit er mich in meiner Berufstätigkeit noch gekannt und erlebt hat, nicht gerade zum Einsperren geneigt gewesen bin. Ich bekenne mich dazu. Ich habe vom ersten Tag an versucht, meine Praxis nach dem Prinzip „in dubio pro reo" zu gestalten. Aber daraus sollte man doch folgern, daß es mir um die Sache durchaus ernst ist. Man kann nicht bestreiten, daß die Reform, die wir hier vollziehen, gewisse Lücken aufreißt. Das muß man sehen. Ich sage noch einmal: ob die Formulierung unseres Antrags die glücklichste ist, die zu finden war, darüber läßt sich streiten; aber auf was sie zielt, ist ganz klar: auf die Berufs- und Bandenkriminalität. Ich muß gegenüber Ihrer Entrüstung wirklich sagen: selbst wenn der Beginn der Formulierung nach Generalklausel aussieht, so wird das dann doch abgesichert durch die Umschreibung der Berufs- und Bandenkriminalität und wird noch einmal abgesichert durch das Mindestmaß der zu erwartenden Strafe von mehr als einem Jahr.
— Schön; aber eines Ihnen, dem Herrn Bundesjustizminister und der Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus: die Berufs- und Bandenkriminalität haben wir nicht erfunden; sie ist eine Tatsache, mit der sich jeder in der Rechtspflege beschäftigen muß!
Im übrigen darf ich nur noch bemerken, daß es sich hier nicht um einen Fraktionsantrag der CDU handelt. Hinter ihm steht nicht die Meinung der Fraktion, und er ist auch nicht von der Fraktion unterschrieben. Es ist ein Antrag einer Gruppe von uns, die Ihnen ihr Anliegen vorgetragen hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Güde hat es mir abgenommen, für meine Person zu sagen, daß die Fraktion der CDU/CSU zwar hinter dem Antrag steht, der Ihnen in Umdruck 498 vorgelegt worden ist, jedoch nicht vollständig hinter dem, was im Umdruck 500 steht. Ich gehöre zu denjenigen Kollegen meiner Fraktion, die der Auffassung sind, daß. der Antrag auf Umdruck 500 nicht angenommen werden sollte.Ich möchte nichts von dem wiederholen, was hier bereits zum Grundsätzlichen gesagt worden ist. Ich halte insbesondere die Bedenken, die der Herr Bundesjustizminister hier geäußert hat, für zutreffend. Ich möchte noch ganz kurz einen Gedanken hinzufügen und auch den Antragstellern zu erwägen geben.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6445
BendaWenn Sie einen solchen neuen Haftgrund einführen, der, wie ganz richtig gesagt worden ist, eine Sicherungshaft wäre, dann dürfen Sie — wenn ich unterstelle, daß das ein berechtigtes Verlangen ist; ein Gedanke, den ich an Sie nicht teile — auf dem Wege, den Sie eingeschlagen haben, nicht stehenbleiben. Sie werden nämlich unkonsequent. Wir sehen in der weiteren Systematik der Strafprozeßordnung, wie sie uns vorliegt, vor, daß der Haftrichter innerhalb bestimmter Fristen — das steht alles in den §§ 177 ff. — zu prüfen hat, ob die Haftgründe noch fortbestehen. Wir sehen in § 121 vor, daß in der Regel eine Untersuchungshaft löher sechs Monate hinaus überhaupt nicht stattfinden darf. Wenn Sie meinen, daß aus bestimmten Gründen, die hier vorgetragen worden sind, denen ich mich weitgehend nicht anschließe — aber jedenfalls haben sie Ihren Ausführungen zugrunde gelegen —, eine Sicherungshaft eingeführt werden muß, dann kann es eine Haftprüfung eigentlich gar nicht geben. Denn das, was hier das Motiv ist, jemanden in Untersuchungshaft zu nehmen und zu halten, ist nicht die Untersuchung, sondern die Sicherung. Dann kann man gar nicht prüfen, ob eine Fluchtgefahr eine Untersuchung — —
— Herr Kollege Kanka, ich wäre dankbar, wenn Sie sich mit diesem Argument auseinandersetzten.
— Herr Kollege Kanka, Sie können doch nicht einen Menschen in Haft nehmen und sagen: Der Mann ist so gefährlich, daß wir ihn nicht herauslassen können, und gleichzeitig dem Haftrichter auferlegen, innerhalb bestimmter, sehr präzise und rechtsstaatlich geregelter Fristen nachzuprüfen, ob er vielleicht doch herausgelassen werden darf, und ihn nach sechs Monaten herauszulassen. Das paßt nicht zusammen. Das ist inkonsequent, ganz abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken.
— Nein, Herr Kollege Weber. Sie zwingen mich, darauf zu erwidern. Es heißt in § 117, daß das Gericht innerhalb bestimmter Fristen zu prüfen hat, ob der Haftbefehl aufrechtzuerhalten oder aufzuheben ist. Das Gericht muß sich also die Frage überlegen, die nach Ihrem Entwurf, wenn er Gesetz würde, a priori bereits entschieden wäre: Soll ich jemanden noch in Haft behalten oder nicht? Das ist eine Regelung, die nach meinem Geschmack, abgesehen von allen sonstigen Bedenken, einfach sinnlos und systemwidrig ist und der man auch aus den von mir genannten Gründen seine Zustimmung nicht geben sollte.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge auf Umdruck 498. Es kann über die Ziffern 1 und 2 des Antrags im ganzen abgestimmt werden. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Schriftführer sind sich nicht einig. Die Abstimmung muß durch Aufstehen wiederholt werden. Wer dafür ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Keine Einigung. Hammelsprung! —
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 149 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 143 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich 4. Der Änderungsantrag auf Umdruck 498 ist damit angenommen.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka, Dr. Weber und Genossen auf Umdruck 500. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Wiederholung durch Aufstehen! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Der Block ist nicht geschlossen. Ich glaube, ich kann es riskieren, zu sagen: Das zweite ist die Mehrheit. Einverstanden, meine Herren? — Der Änderungsantrag auf Umdruck 500 ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den so geänderten § 112 in dritter Lesung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 112 ist angenommen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 487*). Wird er begründet? — Herr Abgeordneter Hirsch!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat den Antrag betreffend den Ausschluß eines Verteidigers durch das erkennende Gericht, den sie schon in der zweiten Lesung gestellt hatte, nach reiflicher Überlegung in dritter Lesung wiederholt. Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag für die Rechtsstaatlichkeit unseres öffentlichen Lebens von so großer Bedeutung ist, daß er es verdient, doch noch einmal von Ihnen überlegt zu werden.Ich möchte nicht all das wiederholen, was ich bei der zweiten Lesung am 27. März dieses Jahres schon zu der in diesem Antrag angeschnittenen Frage gesagt habe. Aber ich möchte Ihnen kurz in Erinnerung rufen, worum es geht. Es geht nicht darum, daß ein Anwalt grundsätzlich nicht von der Verteidigung ausgeschlossen werden soll. Selbstverständlich gibt es Fälle, in denen ein bestimmter Anwalt in einer bestimmten Sache oder ein bestimmter Anwalt überhaupt nicht verteidigen sollte. Darüber sind wir uns sicher alle einig. Die Frage ist nur: Wer entscheidet, ob der betreffende Anwalt in dem bestimmten Verfahren verteidigen soll oder nicht oder ob er ausgeschlossen werden darf?*) Siehe Anlage 6
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6446 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
HirschWir halten es für eine höchst unglückliche Lösung, wenn das — nach der heutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts — aus dem Gesichtspunkt eines vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechtes — jedenfalls theoretisch — durch das erkennende Gericht geschehen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeiten eines solchen Ausschlusses des Verteidigers durch das erkennende Gericht in zunehmendem Maße beschränkt.Zuletzt erst, nämlich in dem Fall des Rechtsanwaits Schmidt-Leichner, den ich in der zweiten Lesung erwähnt habe, hat das Bundesverfassungsgericht wieder einmal den Ausschluß eines Verteidigers durch das erkennende Gericht nicht gebilligt und hat in dieser seiner Entscheidung die Grenzen für einen solchen Ausschluß noch enger gezogen. Es hat wiederum zu erkennen gegeben — ich habe es aus einer Entscheidung schon am 27. März 1963 zitiert —, daß es an sich bedauerlich sei, daß man hier mit solchem vorkonstitutionellen Gewohnheitsrecht arbeiten müsse; es sei an der Zeit, daß der Gesetzgeber diese Frage löse.Meine Damen und Herren, wir meinen, der Gesetzgeber kann sich einer Entscheidung in dieser Frage einfach nicht mehr entziehen. Es ist nach meiner Auffassung beschämend, wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber immer wieder sagt: Ihr bringt uns in eine schwierige Situation; warum klärt ihr die Frage, die wir hier wieder einmal entscheiden müssen, nicht kraft Gesetzes?Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU-Fraktion, darf ich in Erinnerung rufen, daß Sie bei der Verabschiedung der Rechtsanwaltsordnung ausdrücklich erklärt haben, Sie seien der Meinung, daß das Problem des Ausschlusses des Verteidigers gelöst werden müsse, Sie seien aber auch der Meinung, daß dies in der Anwaltsordnung nicht angehe. Sie haben damals ausdrücklich gesagt, bei der Beratung der Strafprozeßnovelle wären Sie bereit, eine Lösung zu suchen. Herr Kollege Weber, Sie haben sich mit dieser Frage bereits befaßt; ich weiß es. Ich sehe gar keine andere Möglichkeit, als an die Lösung dieser Frage über die Strafprozeßordnung heranzugehen. Die Anwaltsordnung wird im Moment nicht behandelt. Ich meine auch, die Strafprozeßordnung ist genau das richtige Gesetz, über das diese Frage zunächst gelöst werden muß.Wenn wir in unserem Antrag zunächst feststellen, daß 'der Verteidiger durch das Gericht, vor dem er verteidigt, nicht ausgeschlossen wenden darf, so wollen wir damit die Grenze ziehen für das, was nicht sein soll, um damit uns alle zu zwingen, uns nun endgültig an die Arbeit heranzumachen und zu entscheiden, wer die Stelle zu sein hat, die den Verteidiger ausschließen darf.Wir glauben, das erkennende Gericht sollte diese Stelle nicht sein. Damit folgen wir weitgehend der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts. Wir tragen mit diesem Antrag wohl dem allgemeinen Gedanken Rechnung, daß der Anwalt als Organ der Rechtspflege an dem Strafverfahren teilnimmt, und genau wie er nicht den Staatsanwalt und das Gericht ausschließen kann, darf umgekehrt das Gericht nicht den Staatsanwalt ausschließen und darf das Gericht auch nicht den Verteidiger ausschließen.Man trägt der Stellung eines Verteidigers in einem Strafverfahren nicht genügend Rechnung, wenn man überhaupt nur die Möglichkeit offenläßt, daß 'das Gericht, bei dem er amtiert, sagen kann: Du darfst in dieser Sache nicht verteidigen. Dieses Gericht wird naturnotwendig in manchen dieser Verfahren — ich möchte noch einmal an den Ausschluß des Rechtsanwalts Schmidt-Leichner in diesem bestimmten Verfahren erinnern; ich will damit dem Gericht nicht zu nahe treten, ich will niemandem zu nahe treten; es ist menschlich — durch sachfremde Erwägungen dazu gebracht, den Verteidiger auszuschließen; es gibt Erwägungen, daß man diesen Verteidiger nicht gern in dem Verfahren haben möchte, weil er aus irgendwelchen Gründen dem Staatsanwalt oder dem Gericht vielleicht nicht genehm ist. Das sind aber keine Erwägungen, die dazu führen können, einen Verteidiger auszuschließen.Wir müssen also eine neutrale Stelle finden. Ich sehe nach wie vor nur die Möglichkeit, das über das Ehrengericht der Anwaltskammer zu tun. Das ist die richtige Stelle, die sich mit der Frage zu beschäftigen hat, ob der Anwalt in Ordnung ist oder ob er nicht in Ordnung ist. Jedenfalls: das erkennende Gericht in dem Strafverfahren darf ihn nicht ausschließen. Wenn wir diese Möglichkeit weiterhin lassen, verletzen wir rechtsstaatliche Grundsätze und diskriminieren die Stellung ides Strafverteidigers. Der Strafverteidiger darf nicht von dem Gericht ausgeschlossen werden, sondern, wenn er nicht guttut, von einer anderen Stelle. Wir sollten erreichen, daß wir alle uns zwingen — ich habe es schongesagt —, so schnell wie möglich eine gesetzliche Lösung auf einem anderen Wege zu finden, um zu erreichen, daß der Ausschluß des Verteidigers sinnvoll und gerecht geregelt wird. Aber jetzt müssen wir uns zunächst dahin entscheiden, daß der Strafverteidiger nicht mehr durch das erkennende Gericht von seiner Tätigkeit ausgeschlossen werden kann. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Hirsch! Ich sehe bei Durchsicht der Änderungsanträge, daß zuerst der Antrag Umdruck 506 *) behandelt werden müßte.
— Genügt das?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten hier eine kleine Strafrechtsreform, die noch manche Wünsche, die unter den Gesichtspunkten der Rechtsstaatlichkeit und der Sicherung des Verfahrens zu stellen sind, offenläßt. Zu diesen offenen Problemen gehört auch die gerade behandelte Frage des Ausschlusses des Verteidigers durch das erkennende Gericht. Wir haben Ihnen zugesagt und stehen zu dem Wort nach wie vor, daß diese Frage geregelt werden soll und daß sie in die Strafprozeßordnung*) Siehe Anlage 7
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6447
Dr. Weber
hineingehört. Es ist ja auch nicht so, als ob diese Frage im Rechtsausschuß nicht eingehend behandelt worden wäre. Es ist uns nur nicht gelungen, eine Lösung zu finden, die nicht nur, wie Ihr Antrag es tut, den Ausschluß des Verteidigers durch das erkennende Gericht verbietet, sondern die andere Instanz schafft, die darüber zu befinden hat. Es ist doch nun so, daß selbst die Anwaltsorganisation, sowohl die Bundesrechtsanwaltskammer, der Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer wie auch der Deutsche Anwaltverein zu dieser Frage, an der sie natürlich sehr interessiert sind, eingehend Stellung genommen haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, daß diese Frage noch nicht zur Entscheidung reif ist. Es ist ferner so, daß das Bundesjustizministerium bereits einen Referentenentwurf erarbeitet hat, der auch im Ausschuß behandelt worden ist. Wir waren alle der Meinung, daß dieser nicht praktikabel sei, daß er das Problem nicht löse. Es genügt nicht, einfach zu sagen, der Strafverteidiger kann durch das erkennende Gericht nicht ausgeschlossen werden, sondern es muß gleichzeitig auch eine Ersatzlösung geschaffen werden. Daß es Fälle gibt, in denen der Ausschluß notwendig ist, wird auch von Ihnen nicht bestritten.Nun eine Bemerkung dazu, die ich zum Schluß noch machen will. Ich bin der Meinung, daß die Sache wirklich nicht von so entscheidender Bedeutung ist, wie Sie es hier darstellen.
Wenn Sie nämlich die Rechtsprechung betrachten, werden Sie feststellen, daß es von 1879 bis jetzt vielleicht sechs oder acht Fälle sind, in denen sich die Rechtsprechung mit diesem Problem hat befassen müssen. Wenn es in fast 100 Jahren so wenig Fälle sind, dann kann ich nicht anerkennen, daß im Rahmen einer kleinen Strafprozeßreform diese Frage bereits abschließend entschieden werden sollte.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Kollege Weber, sind Sie ernsthaft der Meinung, daß die Ehrengerichtsordnung für die Rechtsanwälte nicht die Möglichkeit gibt, solche Fälle zu klären?
Auch über diese Frage, Herr Kollege Jahn, haben wir ja im Ausschuß eingehend gesprochen. Es muß gewährleistet sein — darüber bestand eigentlich Einigkeit unter uns allen —, daß eine Entscheidung schnell gefällt werden kann. Deswegen ist es notwendig, daß zunächst noch das erkennende Gericht im Rahmen seines Verfahrens, in dem Termin, darüber befinden kann. Sonst wäre die Folge — das war ja eine der Überlegungen, die uns eine Lösung nicht finden ließen —, daß der Termin vertagt werden müßte. Sie wissen doch, wie schwierig es ist, ein Ehrengericht zusammenzubringen. Dann könnte sich erst nach Wochen das Ehrengericht mit dieser Frage befassen, und dann könnte erst wieder die Hauptverhandlung anberaumt werden. In den Fällen, in denen Untersuchungshaft besteht, würde die Untersuchungshaft fortdauern. Das scheint uns unerträglich zu sein. Es muß eben ein praktikabler Weg gefunden werden. Für einen praktikablen Weg sind wir zu haben. Er ist aber noch nicht gefunden, insbesondere nicht durch Ihren Antrag.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollagen! Namens der FDP-Fraktion kann ich erklären, ,daß wir dem Antrag der SPD in diesem Punkte nicht zustimmen. Ich kann auf das Bezug nehmen, was Herr Kollege Weber hier ausgeführt hat. Daß die Frage geregelt werden muß, darüber besteht Einmütigkeit. Ebenso sollten wir aber einmütig sein, daß das, was Sie vorschlagen, keine Regelung ist, sondern das Problem völlig offenläßt. Das glauben wir in diesem Stadium nicht vertreten zu können.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Lauf Umdruck 487. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 506. Zur Begründung Herr Abgeordneter Busse!
Her Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollagen! Der Antrag Umdruck 506 bezweckt, das, was die Mehrheit dieses Hauses bereits in der zweiten Lesung beschlossen hatte, wiederherzustellen. Es dreht ,sich um die Frage des Verkehrs zwischen einem inhaftierten Beschuldigten und seinem Verteidiger. Ich habe damals bereits hervorgehoben, daß die Bestimmung, wie sie jetzt im Rechtsausschuß wieder gefaßt worden ist, eine Diskriminierung des Anwalts enthält. Das ist der eine Grund, und insofern kann ich auf das Bezug nehmen, was Herr Kollege Hirsch .gesagt hat. Nur besteht insofern ein Unterschied, als hier tatsächlich eine Regelung heute bereits getroffen werden kann.Daneben ist ein anderer Grund gerade für uns von entscheidender Bedeutung. Die Entziehung der Freiheit und die Überführung in Untersuchungshaft sind in sehr, sehr vielen Fällen so einschneidende Eingriffe, daß die Situation ,des Betroffenen es menschlich einfach erfordert, daß er die Möglichkeit hat, sich möglichst bald und möglichst ungehindert mit einem Mann seines Vertrauens auszusprechen, nicht unter der Kontrolle eines Dritten, und daß ihm so in der schwierigen ,Situation, in die er geraten ist, eine 'wirkungsvolle Hilfe zuteil werden kann. Dieses Anliegen ist das vordringlichste, wenn wir verlangen, daß der Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem in Haft befindlichen Angeklagten oder Beschuldigten uneingeschränkt, und zwar vom ersten Tage an, stattfinden muß. Wir fragen uns vergeblich,
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Bussewarum das erst nach einem Monat möglich sein soll, wie es der Fall wäre, wenn das Gesetz würde, was der Rechtsausschuß jetzt erneut beschlossen hat. Wir fragen uns deshalb vergeblich, weil wir gerade die ersten Tage, die ersten Wochen für diejenigen halten, in denen ein ungehinderter Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten gewährleistet sein muß. Wir bitten daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Güde!
Herr Präsident! Meine Freunde werden dem Antrag nicht zustimmen und bitten das Haus, diesem Antrag nicht zuzustimmen.
Jedermann sieht, daß die Fassung des Ausschußentwurfs schon ein Kompromiß darstellt, für das wir in der Praxis wahrscheinlich gescholten werden. Ich kann nicht zugeben, daß das eine Diskriminierung des Anwalts bedeutet.
Ich komme aus einem Bereich unseres Vaterlandes, in dem zwischen Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt immer ein völlig offenes Verhältnis geherrscht hat. Ich habe es, solange ich in der Praxis war, nur ungern getan; ich kann mich aus den Jahren meiner erstinstanzlichen Praxis vor meiner Tätigkeit als Generalanwalt nur an einen einzigen Fall erinnern, in dem ich die unbeschränkte Besuchs- und Verkehrserlaubnis verweigert habe.
Aber man soll doch nicht sagen, daß das eine Diskriminierung des Anwalts bedeute. Es gibt Fälle, in denen es das erste Stadium des Verfahrens auch im Interesse eines Anwalts notwendig macht. Gerade in dem einen Fall, an den ich mich aus meiner Erfahrung erinnere, war es im Interesse des Anwalts. Auch ein Anwalt, selbst ein gutwilliger Anwalt, kann mißbraucht werden. Der Anwalt ist ein Organ der Rechtspflege. Aber das ist eine idealtypische Umschreibung, die der Wirklichkeit nicht unbedingt und immer entsprechen muß. Der Bereich der Anwaltschaft reicht auch bis zu dem, was man heute ganz offen Anwaltsproletariat nennt; leider Gottes, jeder von uns beklagt das.
Ich bin vorhin von Frau Diemer-Nicolaus einmal wieder als alter Staatsanwalt apostrophiert worden. Lassen Sie mich ganz offen sagen: Lassen Sie doch der Strafverfolgungsbehörde, der Sie ja eine Aufgabe stellen, im ersten Zugriff noch einen kleinen Vorsprung. Der Gedanke des Prozesses, der Gleichberechtigung der Parteien im Prozeß hat dann bald seine Gültigkeit. Niemand von uns widerspricht dem. Aber im ersten Zugriff muß es der Verfolgungsbehörde möglich sein, die Beweise noch in der eigenen Hand zu sammeln und noch nicht zu prozedieren, weil es eben die Phase des ersten Zugriffs ist.
Ich sage noch einmal: die Ausschußfassung ist ein Kompromiß, für den uns die Praxis tadeln wird. Aber wir stehen auf dem Boden dieses Kompromisses und bitten, die Änderung, die sicher zu Mißständen führen wird, abzulehnen.
Herr Abgeordneter Hirsch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Änderungsantrag wie schon in der zweiten Lesung zustimmen. Ich möchte nicht wiederholen, was von dem Kollegen Busse zur Begründung des Antrages schon völlig richtig gesagt worden ist, sondern nur in zwei Punkten dem sehr verehrten Herrn Kollegen Güde widersprechen.Er hat wiederum das Argument gebracht, auch ein anständiger Verteidiger könne mißbraucht werden. Damit hat er sicher recht. Ich frage aber sofort zurück: Was ist eigentlich mit dem gutwilligen und anständigen Staatsanwalt oder Richter? Kann der denn nicht genauso mißbraucht werden? Auch dem kann man einen Zettel in seine Rocktasche stecken. Auch dem kann man ein Kennwort mitgeben, das es nichtsahnend weitergibt. Das gilt also genauso für den Richter wie für den Staatsanwalt wie für den Anwalt und auch den Gefängniswachtmeister. Sie alle können mißbraucht werden. Das kann man mit allen möglichen Maßnahmen zu verhindern suchen, aber endgültig verhindern kann man es nicht. Dieses Argument ist kein Argument dafür, daß man ausgerechnet den Verteidiger in der Ausübung seines Berufes und seiner Pflicht und in der Hilfe für den armseligen Menschen beschränken will, der in diesem Stadium seiner Freiheit beraubt ist und einen Beistand braucht.Ihr zweites Argument lautet: Gebt doch der Strafverfolgungsbehörde wenigstens einen kleinen Vorsprung! Sehen Sie, genau diesen kleinen Vorsprung möchte ich ihr nicht geben.Man muß abwägen zwischen dem Interesse daran, daß eine Straftat aufgedeckt und ein Täter zur Verantwortung gezogen wird, und der Menschenwürde und der Freiheit des Menschen. Ich bin nicht bereit, Ihnen zu konzedieren, daß das Interesse an der Strafverfolgung auch nur den kleinsten Vorsprung haben darf vor der Menschenwürde und der Freiheit des Einzelmenschen. Die Freiheit des Einzelmenschen und die Würde des Menschen sind aber nur gewahrt, wenn der seiner Freiheit beraubte Mensch wenigstens einen hat, der ihm hilft, diesen Zustand zu ertragen, zumal — daran möchte ich noch einmal erinnern — der Umstand, daß jemand in Untersuchungshaft ist, keineswegs beweist, daß er wirklich schuldig ist. Es geht unter anderem auch um den unschuldig Inhaftierten, aber es geht im wesentlichen darum, daß jeder Mensch — und mag er ein noch so grausiger und schlechter Verbrecher sein — Anspruch darauf hat, vom ersten Stadium an, wo der Staat auf ihn zukommt und ihm Vorwürfe macht, einen Beistand zu haben, und unser Recht sieht vor, daß das der Strafverteidiger ist. Dieser kann aber seines Amtes nicht walten, wenn er im schriftlichen oder mündlichen Verkehr mit seinem Mandanten auch nur im geringsten beschränkt ist. Daher stimmen wir dem Antrag der FDP zu.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 506. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag der FDP ist angenommen.
Ich lasse nunmehr über den so geänderten § 148 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der geänderte § 148 ist angenommen.
Ich rufe 'den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Art. 4 auf Umdruck 488 *) auf. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Antrags kann ich an das 'anknüpfen, was Herr Kollege Hirsch soeben im Grundsätzlichen gesagt hat. Worum geht es? Um die Frage, ob der Beschuldigte bei der Vernehmung durch die Polizei darauf hingewiesen werden muß, daß er das Recht in Anspruch nehmen kann, sich zunächst, bevor er etwas sagt, mit seinem Verteidiger zu beraten und diesen zu befragen.
Die Behandlung dieser Frage im Rechtsausschuß war wechselhaft. Sie war auch hier im Plenum wechselhaft. Wir möchten mit diesem Antrag zurückkehren zu jenen Entscheidungen, in denen in aller Deutlichkeit und Klarheit gesagt worden ist, daß dem Beschuldigten auch bei der ersten Vernehmung durch die Polizei dieses Recht zusteht. Ich sage in aller Klarheit: Wir möchten unter keinen Umständen, daß die Polizei nur in der Situation tätig werden soll, daß sie sozusagen — um es mit den Worten des Herrn Kollegen Gilde wiederzugeben — einen kleinen Vorsprung hat oder — um es etwas deutlicher zu sagen — daß sie den Beschuldigten oder Verdächtigen zunächst einmalüberfahren kann. Denn darauf läuft es doch letzten Endes hinaus. Sie hat eine bestimmte Vorstellung bei der Führung ihrer Ermittlungen, und der Beschuldigte soll, wenn er nicht die Möglichkeit hat, sich vorher die Dinge in aller Gründlichkeit zu überlegen und mit seinem Verteidiger zu beraten, ganz überraschend in dieser Situation Fragen beantworten, bei denen die Art der Beantwortung unter Umständen zu seinem Nachteil ausfallen kann. Und genau das möchten wir nicht.
Genauso wie er beim Richter das Recht darauf hat, belehrt zu werden, daß er die Möglichkeit hat, zunächst einmal seinen Verteidiger zu fragen, soll er auch bei der ersten polizeilichen Vernehmung schon das Recht haben, zunächst seinen Verteidiger zu befragen, und Anspruch darauf haben, daß ihm gesagt wird, daß er dieses Recht hat.
Wenn hier der Einwand gemacht wird, dadurch werde die Arbeit der Polizei erschwert, dann muß ich sagen: ich möchte mir dieses Argument gegen unsere Polizei gar nicht zu eigen machen. Ich bin überzeugt davon, daß sie solcher Kunstgriffe gar nicht bedarf, um ihre gewiß oft nicht leichte und
*) Siehe Anlage 8 verantwortungsvolle Arbeit leisten zu können. Wir sollten ihr durchaus auch die Pflicht auferlegen, dem Beschuldigten in aller Offenheit zu sagen, welche Rechte er hat, bevor sie sich mit ihm auseinandersetzt. Das durchzusetzen, bezweckt unser Antrag. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, nicht zu sehr an den Bedürfnissen der Praxis vorbeizugehen. Die Stellungnahme in dieser Sache war, wie Herr Jahn gesagt hat, wechselhaft. In einer früheren Abstimmung hat sich das Haus dafür entschieden, daß der Verdächtige schon vor der ersten Vernehmung durch einen Polizeibeamten, ebenso wie bei der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft und bei der Vernehmung durch den Richter, auf sein Recht hingewiesen werden soll, sich durch einen Verteidiger vertreten, bzw. unterstützen und beraten zu lassen. Der Rechtsausschuß hat dieses ganze Problem noch einmal überlegt und die heute vorliegende Fassung beschlossen, die dahin lautet, daß für die erste Vernehmung des Verdächtigen ein solcher Hinweis auf das Recht, einen Verteidiger beizuziehen, nicht angeordnet wird.
Ich bitte Sie, folgendes zu bedenken. Bei der ersten Vernehmung des Verdächtigen durch die Polizei stehen die Ermittlungen im Vordergrund; es steht nicht die Verteidigung des Angeklagten im Vordergrund, die ihr Schwergewicht in der Hauptverhandlung hat. Hier handelt es sich darum, daß die Organe, die in unserem Staat für die Sicherheit der Bürger sorgen sollen, erst einmal den Sachverhalt erforschen können. Welche Folgen würden eintreten, wenn der Verdächtige zunächst einmal in jedem Falle die erste Vernehmung ablehnen könnte mit der Begründung, er wolle erst einmal einen Verteidiger beiziehen?! Diese Unterbrechung des Ermittlungsverfahrens würde dazu führen, daß Zeugen beeinflußt, daß Beweismittel beseitigt werden können.
Eine solche Regelung würde vor allem dazu führen, daß der wirklich unschuldige, harmlose, gesetzestreue Bürger, der einmal in Verdacht gerät, von dem Recht, einen Verteidiger beizuziehen, nicht Gebrauch macht, während sich der erfahrene Kriminelle in jedem Fall darauf beruft und dadurch eine Verzögerung und Erschwerung der Ermittlungen, eine Verdunkelung herbeiführt. Darum ist damals beantragt worden — und es ist ein Bedürfnis der Praxis —, daß man bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten, wo in erster Linie die Ermittlung des Sachverhalts im Vordergrund steht, den Staatsorganen diesen kleinen Vorsprung zubilligt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
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6450 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schlee, als Richter wissen Sie, daß gerade diejenigen, die sehr oft mit den Strafgesetzen in Konflikt kommen, eingehende Kenntnisse über die Rechte haben, die ihnen nach der Strafprozeßordnung zustehen. Sie wissen also auch ganz genau darüber Bescheid, daß sie — was schon jetzt in unserer Strafprozeßordnung steht — auch bei der ersten Vernehmung keine Angaben zu machen brauchen und daß sie das Recht haben, sich zunächst mit einem Verteidiger in Verbindung zu setzen. Dieser braucht sie gar nicht mehr zu belehren, sondern sie sind auf Grund ihrer früheren praktischen Erfahrungen schon belehrt. Deswegen ist dieses Argument, das Sie zur Ablehnung des Antrags vorgebracht haben, nichtig.
Worum geht es? Sie können nicht um die Tatsache herum, daß derjenige, der das Gesetz nicht kennt, wenn er über seine Rechte nicht entsprechend belehrt wird, benachteiligt ist gegenüber dem Rechtskundigen. Da ist es nicht mehr als recht und billig — das entspricht der Gleichbehandlung aller, denen wir die gleichen Rechte zuteil werden lassen —, daß wir hier den Rechtsunkundigen nicht gegenüber dem Rechtskundigen und gegenüber dem, der aus einer uns nicht sehr sympathischen Praxis mit den Verbrechenstatbeständen in Rechtsfragen erfahren ist, benachteiligen.
Ich darf noch auf etwas anderes hinweisen. Wir stehen bei dieser Bestimmung nicht vor einem Novum. Die Franzosen sind ausgezeichnete Juristen. Es war eine der wenigen guten Taten, daß das Saarland nach 1945, als es sehr stark von französischem Recht beeinflußt wurde, eine entsprechende Bestimmung aufgenommen hat. Meine Damen und Herren, sie hat sich dort durchaus bewährt. Sie hat in gar keiner Weise dazu geführt, daß Dinge hätten verheimlicht werden können usw., was Sie befürchten. Das ist einfach nicht der Fall.
Es gehört zu der Grundtendenz, die unserem neuen Verfahrensrecht, auch in dieser kleinen Novelle, zugrunde liegt, daß wir gleiches Recht für alle schaffen wollen und den Beschuldigten, gegen den vielleicht nur ein ganz vager Verdacht vorliegt, bei der ersten Vernehmung nicht in seinen Rechten beeinträchtigen.
Wir Freien Demokraten werden deshalb diesem Antrag genauso zustimmen, wie wir uns schon im Rechtsausschuß mit aller Entschiedenheit für diese Regelung eingesetzt haben.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 488! Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Wieder keine Einigkeit. Wir wiederholen die Abstimmung durch Aufstehen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 488 ist angenommen.
Damit stelle ich den so geänderten § 163 a zur Abstimmung. Wer diesem Paragraphen in der geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, unterbreche ich die Sitzung. Wir treten in die Mittagspause ein. Wir beginnen heute nachmittag um 15 Uhr mit dem Tagesordnungspunkt betreffend die Verfassungsänderung in Sachen Baden-Württemberg. Anschließend soll der Gesetzentwurf „Festlandsockel" beraten werden. An ihn anschließend oder — um im Bilde zu bleiben — auf ihm stehend kommt dann die Schlußabstimmung über das Bundesrückerstattungsgesetz; der Haushaltsausschuß hat inzwischen berichtet.
Ich unterbreche bis um 15 Uhr.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung wird der heute morgen zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzte Punkt — zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines 13. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes — jetzt aufgerufen.Weiter wurde im Ältestenrat vereinbart, nach Erledigung dieses Gegenstandes den Tagesordnungspunkt 16 — zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel — vorzuziehen und im Anschluß an den vorerwähnten Tagesordnungspunkt zu behandeln.Ich darf darauf aufmerksam machen, daß für die Annahme beider Gesetze qualifizierte Mehrheiten gemäß Art. 79 bzw. Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes erforderlich sind, im ersten Falle eine Zweidrittelmehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Hauses, im zweiten Falle die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Hauses. Die Schlußabstimmung muß im Wege der Auszählung durchgeführt werden, wenn nicht namentliche Abstimmung beantragt wird.Dann soll die dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes folgen; das ist Punkt 2 der Tagesordnung.Anschließend wird mit der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes fortgefahren; Punkt 3 der Tagesordnung.Ich rufe jetzt also auf:Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Artikels 118 des Grundgesetzes — jetzt: Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes — (Druck-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6451
Vizepräsident Schoettlesache IV/1965); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses -Zweite und dritte Beratung —Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung des Gebietsteiles Baden des Bundeslandes Baden-Württemberg nach Artikel 29 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (Drucksache IV/846)Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Artikel 29 Abs. 1 bis 6 des Grundgesetzes (Drucksache IV/834).Ein Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Seidl liegt vor. Wünscht der Herr Berichterstatter noch das Wort? — Der Herr Berichterstatter verzichtet.Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Kopf!
Meine Damen und meine Herren! Der erste, der zweite, der dritte und der vierte Deutsche Bundestag haben sich immer wieder erneut mit der Frage befaßt, in welcher Weise eine nochmalige Abstimmung, ein Volksentscheid über die Neugliederung im früheren Land Baden stattfinden kann. Für einen Vertreter der badischen Heimat, der Gelegenheit gehabt hat, an diesen immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen teilzunehmen, ist zunächst einmal die erfreuliche Tatsache festzustellen, daß der Gesetzentwurf, der von der CDU/CSU- Fraktion einstimmig eingereicht und nunmehr vom Rechtsausschuß in der Drucksache IV/2176 dem Hohen Hause zur Beschlußfassung vorgelegt worden ist, den Wünschen des badischen Volkes gerecht wird.
Dieser Gesetzentwurf bringt eine, wenn auch späte Regelung der längst fälligen Abstimmung in Baden. Diese Abstimmung muß stattfinden. Denn unser Grundgesetz bestimmt, daß in jedem Falle, in dem ein Volksbegehren in einem Landesteil erfolgreich durchgeführt worden ist, auch ein Volksentscheid stattzufinden hat.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt auch gewisse Forderungen und Wünsche, die in den vergangenen Bundestagen immer wieder geltend gemacht worden sind. Insbesondere sieht er von vornherein von einer sachlichen, materiellen Lösung der Frage der Landeszugehörigkeit des Gebietsteils Baden des Landes Baden-Württemberg ab. Er gewährt eine alternative Fragestellung und legt dadurch die Entscheidung über das staatsrechtliche Schicksal des früheren Landes Baden in die Hände des badischen Volkes. Diese alternative Fragestellung ist bei den früheren Gesetzentwürfen, die Gegenstand der Erörterungen dieses Hauses gewesen sind, immer wieder verlangt worden. Wenn sie nicht schon früher erreicht werden konnte, so lag das daran, daß die maßgebenden Instanzen der Meinung gewesen sind, es sei hierfür eine Grundgesetzänderung notwendig.
Die Fraktion der SPD sieht in ihrem Antrag Drucksache IV/1896 eine generelle Regelung der Neugliederung in Form einer Neufassung des Artikels 29 des Grundgesetzes vor. Es kann nicht meine
Aufgabe sein, im jetzigen Augenblick auf diese vorgeschlagene Änderung ides Artikels 29 einzugehen. Hier muß abgewartet werden, in welcher Weise der Rechtsausschuß dazu Stellung nehmen wird.
Der Fall der Neugliederung im früheren Lande Baden bedarf aus verschiedenen Gründen einer besonderen Berücksichtigung und ist als ein Sonderfall zu betrachten. Schon der Parlamentarische Rat, aber später auch der Deutsche Bundestag haben die Neugliederung dm Südwestraum als ein besonders dringliches Anliegen betrachtet. Der Parlamentarische Rat hat zu diesem Zweck einen eigenen Artikel, den Art. 118, in das Grundgesetz eingefügt. In zwei Prozessen vor dem Bundesverfassungsgericht ist die Frage der Neugliederung in Baden eingehend behandelt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dahin ausgesprochen, daß die Neugliederung auch in Phasen, durch mehrere Gesetze durchgeführt werden kann. Es besteht wohl auch zwischen den Fraktionen dieses Hauses eine Übereinstimmung darüber, daß der Fall der Abstimmung im Lande Baden als besonders vordringlich behandelt werden soll. Man kann daher in Anknüpfung an die Beratungen des Parlamentarischen Rats bei der Schaffung des Art. 118 sagen, daß hier ein Sonderfall und eine Sonderlage gegeben sind und daß dieser Umstand es rechtfertigt, daß zur Ermöglichung des Volksentscheids im früheren Lande Baden eine Grundgesetzänderung vorgenommen wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Unterbrechung. — Meine Damen und Herren, ich halte es für unmöglich, daß die Unterhaltungen im Saale in dieser Weise fortgehen. Es ist auch dem Redner gegenüber nicht fair. Ich bitte doch, wenn Unterhaltungen stattfinden sollen, sie außerhalb des Saales zu führen.
Der Parlamentarische Rat, der Deutsche Bundestag und das Bundesverfassungsgericht haben diese Frage der Neugliederung im Gebiete des früheren Landes Baden stets als einen besonders vordringlichen Sonderfall betrachtet. Dies rechtfertigt es, daß auch die Frage des Volksentscheids in Baden durch Einfügung eines besonderen Art. 118 in das Grundgesetz geregelt wird. Dieser Fall ist zur gesetzlichen und grundgesetzlichen Regelung reif und überreif.Diese Erwägungen waren es, die die CDU/CSU- Fraktion, aber auch die Mehrheit ides Rechtsausschusses veranlaßt haben, zur Ermöglichung der längst fälligen Abstimmung im früheren Lande Baden die Einfügung einer eigenen Bestimmung durch Neufassung des Art. 118 des Grundgesetzes dem Hohen Hause vorzuschlagen, und hierüber hat das Hohe Haus heute zu entscheiden. Ich möchte daher heute meine Ausführungen nicht auf die Frage ausdehnen, ob und inwieweit der jetzige Art. 29 des Grundgesetzes reformbedürftig ist. Ich gebe zu, daß die Erfahrungen der letzten Jahre manche Unzulänglichkeiten dieses Artikels haben in
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Dr. KopfErscheinung treten lassen; aber es kann nicht unsere heutige Aufgabe sein, uns über dieses Thema zu verbreiten. Der von der SPD-Fraktion eingereichte Antrag, der eine Neufassung des Art. 29, also des allgemeinen Neugliederungsartikels, vorsieht, liegt dem Rechtsausschuß vor, und der Rechtsausschuß wird nach den Ferien Gelegenheit nehmen, in eine Prüfung dieses Artikels einzutreten.Mein Appell richtet sich aber in diesem Augenblick an alle Mitglieder dieses Hohen Hauses. Die Beratungen, die im Innenausschuß und im Rechtsausschuß geführt worden sind, haben auch bei Wahrung der unterschiedlichen Stellungnahmen eine Übereinstimmung in dem Punkte ergeben, daß der baldige Vollzug eines Volksentscheids im Gebiete des früheren Landes Baden als vordringlich anerkannt wird. Auch diejenigen Mitglieder des Hohen Hauses, die abweichend von der Stellungnahme der CDU/CSU eine allgemeine Neufassung des Neugliederungsartikels 29 des Grundgesetzes wünschen, haben zugegeben, daß auch nach ihrer Auffassung die baldige Abwicklung des Volksentscheids im früheren Lande Baden als vordringlich anzusehen ist.Bei der heutigen Abstimmung sollte daher versucht werden, diese Einsicht in die Notwendigkeit einer baldigen und endgültigen Regelung im Gebiet des früheren Landes Baden auch in die Praxis umzusetzen und ihr dadurch Geltung zu verschaffen, daß dieser Grundgesetzänderung zugestimmt wird. Es ist erfreulich, daß gerade in den letzten Monaten Kreise, die früher dem badischen Neugliederungsbegehren fremd, ja sogar ablehnend gegenüberstanden, sich in immer stärkerem Maße für die Probleme der Neugliederung überhaupt, insbesondere aber auch der Neugliederung im badischen Raum interessiert haben. Ich hoffe sehr, daß dieses verstärkte Interesse es ermöglichen wird, heute für diese Grundgesetzänderung die im Grundgesetz vorgesehene Mehrheit sicherzustellen.Ich beantrage schon jetzt im Namen der CDU/ CSU-Fraktion eine namentliche Abstimmung.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache in der zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist das Gesetz in der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. Februar wurden dem Rechtsausschuß zwei Gesetzentwürfe übergeben. Nur ein Gesetzentwurf ist vom Ausschuß beraten worden.In dem Ausschußbericht ist das Schicksal des zweiten Entwurfs offengelassen worden. Dieser zweite Entwurf, der Gesetzentwurf der SPD, befaßt sich mit einer allgemeinen Regelung.Die verfassungsrechtliche Lage ist folgende: Im Jahre 1955 wurden auf Grund von Art. 29 Abs. 2 des Grundgesetzes in fünf Gebietsteilen Volksbegehren erfolgreich durchgeführt. Der Heimatbund Badener Land hat dann vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Feststellung geklagt, daß ihm ebenfalls das Recht zustehe, ein Volksbegehren durchzuführen. Durch Urteil vom 30. Mai 1956 wurde diesem Begehren stattgegeben, und 1956 wurde das Volksbegehren durchgeführt. Das heißt, es liegen im ganzen Bundesgebiet sechs erfolgreiche Volksbegehren vor, die auf Grund von Art. 29 Abs. 2 durchgeführt wurden.Wer nun das Recht des Art. 29 Abs. 2 in Anspruch nimmt, muß sich im Fortgang des Verfahrens nach den Bestimmungen des Art. 29 richten. Um diese Frage handelt es sich hier. Das Bundesverfassungsgericht hat gleichzeitig ausgesprochen, daß die stufenweise Regelung möglich ist, aber eine stufenweise Regelung im Rahmen des Art.29. Der Art.118, der durch die Gesetzesinitiative der CDU/CSU neu geschaffen werden soll, ist verbraucht. Darüber besteht auch Einverständnis mit der Landesregierung Baden-Württemberg.Ich darf Sie, Herr Kollege Dr. Kopf, weil Sie den Parlamentarischen Rat zitiert haben, daran erinnern, wie dieser Art. 118 entstanden ist. Als das Grundgesetz beraten wurde, war bereits bekannt, daß die drei Besatzungsmächte gegen die Inkraftsetzung des Art. 29 Bedenken erheben würden. Es war aber auch bekannt, daß die Verhandlungen über den Südwestraum fortgeschritten waren und die Interessen der Alliierten dabei nicht berührt wurden. So hat man einen Sonderartikel 118 geschaffen, der zur Folge hatte, daß im Südwestraum vor der Gültigkeit des Art. 29 das Land Baden-Württemberg geschaffen werden konnte.Jetzt im Zuge der Durchführung des Art. 29 eine Sonderverfassungsbestimmung, einen neuen Art. 118, zu schaffen, ist unseres Erachtens gegen alle verfassungsrechtlichen Grundsätze unseres Grundgesetzes. Wir sind deshalb der Auffassung und haben diese Auffassung schon immer vertreten, daß nur eine einheitliche Regelung für alle sechs Gebietsteile möglich ist.Ich muß dazu auch sagen, es ist etwas erstaunlich, wenn Sie, Herr Dr. Kopf, seit mehr als einem Jahrzehnt für das Recht kämpfen, den Kampf für das Recht aber offensichtlich nicht so auffassen, daß das Recht, das unteilbar ist, meine Damen und Herren, für alle gelten soll.
Denn das Bundesverfassungsgericht hat am 11. Juli 1961 entschieden, daß die Bevölkerung in all diesen sechs Gebietsteilen einen Anspruch darauf habe, durch Volksentscheid über die zukünftige Landeszugehörigkeit zu entscheiden. Das ist die Rechtsgrundlage. Weil Sie mit Ihrem Gesetzentwurf diese Rechtsgrundlage verletzen und es bei einer mög-
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Dr. Schäferlichen Annahme zweifellos zu einem Verfassungsgerichtsstreit kommen würde, kann man bei gewissenhafter Anwendung der Grundsätze des Grundgesetzes Ihrem Gesetzentwurf in der Fassung der Vorlage des Ausschusses nicht zustimmen.Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf einige Gedanken aus unserem Gesetzentwurf übernommen. Das freut uns. Sie haben die Bestimmung übernommen, daß die Volksabstimmung konstitutive Bedeutung haben soll, und Sie haben auch entgegen Ihrer früheren Auffassung die Quorums-Bestimmung fallenlassen, eine Übereinstimmung, die wir immerhin registrieren und die uns eigentlich — uns allen — Vertrauen geben sollte, daß man eine Gesamtregelung finden könnte, wenn man sie möchte, meine Damen und Herren.
Aber lesen Sie einmal Ihren eigenen Pressedienst von Oktober/November letzten Jahres bis jetzt! Wenn Sie die Artikel aufmerksam lesen, stellen Sie fest, daß es der CDU/CSU nicht in erster Linie darum geht, einen Volksentscheid in Baden-Württemberg zu ermöglichen, sondern darum, das Land Rheinland-Pfalz nicht irgendwie tangiert zu sehen. Sie sagen sogar in einem Artikel Ihres Pressedienstes — und das ist außerordentlich bedenklich —: „Was sagen schon Volksbegehren, die acht Jahre alt sind? In der Zwischenzeit hat sich vieles geändert." Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß das nur eine einzelne Stimme und nicht die Meinung einer großen Fraktion ist. Denn wenn die Verfassung festlegt, daß auf ein erfolgreiches Volksbegehren ein Volksentscheid zu folgen hat, kann man das nicht wegmanipulieren, und zwar auch dann nicht, wenn darüber 8 oder 10 oder 15 Jahre vergangen sind.
Es geht Ihnen — lassen Sie mich das offen aussprechen; diesen Eindruck habe ich — offensichtlich darum, daß Sie meinen — meinen! —, die vier Stimmen des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesrat seien Ihnen auf diese Weise sicherer. Meine Damen und Herren, daß Sie sich nur nicht täuschen, wo diese vier Stimmen vielleicht eines Tages sein werden!
Wir meinen, daß solche spekulativen Überlegungen, wie sie hier offensichtlich eine Rolle spielen — bitte lesen Sie Ihre Artikel nach ! —, beim Vollzug der Verfassung untunlich sind. Deshalb sind wir der Meinung, daß man diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann.Ich darf Sie von der CDU/CSU noch auf etwas weiteres aufmerksam machen. In wenigen Tagen wird in Stuttgart Ministerpräsident Kiesinger eine Regierungserklärung abgeben. Was soll er denn dem Landtag in Stuttgart sagen, wenn Sie sich hier dagegen wehren, daß eine Gesamtregelung zustande kommt, wenn Sie es durch Ihre Manipulationen unmöglich machen, daß das Land Baden-Württemberg befriedet wird?!
— Herr Seidl, ich habe es vorhin gesagt, ich mußes anscheinend wiederholen: das Recht ist unteilbar.
Und weil es unteilbar ist, stimmen wir diesem Gesetzentwurf nicht zu, sondern enthalten uns der Stimme.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Erklärungen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion stechen wir jetzt vor folgender betrüblicher Lage. Die SPD wird sich bei der Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU auf Änderung von Art. 118 des Grundgesetzes der Stimme enthalten. Dadurch wird der CDU-Antrag nicht die für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittelmehrheit finden; über diesen Antrag wird es also nicht zu einer baldigen Volksabstimmung in Baden kommen.
Im Herbst werden wir über den Antrag !der SPD zu Art. 29 des Grundgesetzes zu entscheiden haben. Die CDU hat deutlich wissen lassen, daß sie diesen Antrag ablehnen will. Es wird also auch durch den SPD-Antrag nicht zu einer baldigen Volksabstimmung in Baden kommen.Wenn beide Vorschläge für Verfassungsänderungen abgelehnt sind, bleibt lediglich der sogenannte Höcherl-Entwurf übrig. Dieser Entwurf sieht ein einfaches Gesetz vor, keine Verfassungsänderung. Er wird aber von allen Beteiligten für wenig praktikabel gehalten, weil im ganzen Gebiet der Bundesrepublik eine Volksabstimmung über die zukünftige Gestalt des Gebietsteils Baden abgehalten werden müßte.Uns Freien Demokraten geht es darum, daß möglichst bald Klarheit darüber geschaffen wird, ob das Land Baden-Württemberg bestehen bleibt oder ob das alte Land Baden wiederhergestellt werden soll. Mit anderen Worten: Die Volksabstimmung im Gebietsteil Baden muß bald stattfinden. Um dies zu erreichen, muß eine Lösung gefunden werden, die für beide Fraktionen, die Antrage zur Änderung des Grundgesetzes gestellt haben, akzeptabel ist. Wie eine solche akzeptable Lösung aussehen muß, haben unsere Vertreter im Rechtsausschuß und im Innenausschuß deutlich genug betont.Wir haben in der Bundesrepublik sechs Gebiete, in denen erfolgreiche Volksbegehren stattgefunden haben. Die Bevölkerung dieser Gebiete hat ein Recht darauf, daß die zukünftige Gliederung in absehbarer Zeit geklärt wird. Es ist aber andererseits klar, daß die Probleme in einigen Volksbegehrensgebieten noch nicht so durchdacht und deshalb noch nicht so entscheidungsreif sind wie im Gebiet Baden. Daraus ergibt sich folgendes. Wenn die SPD zustimmte, daß die Volksabstimmung in Baden zuerst stattfindet, und andererseits die CDU konzendierte,
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Dürrdaß die Verhältnisse nicht nur im Land Baden-Württemberg, sondern auch in den anderen Volksbegehrensgebieten ,geklärt werden müssen, dann wäre eine Lösung in der Baden-Frage möglich, die eine einstimmige Billigung in diesem Hohen Hause finden würde.Einigen sich die antragstellenden Fraktionen nicht auf diesen Vorschlag, dann ist die Folge, daß in absehbarer Zeit keine Volksabstimmung in Baden stattfindet. Das Ergebnis wäre viel zu blamabel, und die Schuldfrage wäre dann lediglich Gegenstand parteipolitischer Propaganda.Wir sind der Meinung, daß die beiden antragstellenden Fraktionen je einen Schritt aufeinander zu machen sollten. Dazu ist es nach unserer Meinung noch nicht zu spät. Um diese Einigung in letzter Minute zu ermöglichen, beantragen wir, die Schlußabstimmung jetzt nicht durchzuführen, sondern den Entwurf an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen.Wir bitten dringend darum, diesem Antrag stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die weisen Worte des Herrn Kollegen Dürr, der uns streitende Parteien zum Frieden mahnt, tragen, glaube ich, keine Lösung in sich.Sie sind, meine Damen und Herren von der SPD- Fraktion, erstaunlicherweise in Ihrem Standpunkt festgelegt in diese Debatte gekommen. Ich wundere mich darüber; denn Sie, Herr Kollege Dr. Schäfer, haben selbst gesagt, wir hätten uns durch Wochen und Monate hindurch in der Sache aufeinander zu bewegt.Der Inhalt unseres Antrages entspricht materiell dem, was Ihr Antrag in der Regelung für Art. 29 bezweckt. Es kommt nur darauf an, ob nun die Sache Baden-Württemberg für sich entschieden wird und ob sie nicht entschieden werden muß. Sie bestreiten den Sonderfall Baden-Württemberg. Aber es ist ein Sonderfall, und es ist ein Sonderfall für dieses Haus. In keiner anderen Sache hat der Bundesgesetzgeber sich schon an der Regelung der Neugliederung versucht, und in keinem anderen Fall ist ihm selbst die Neugliederung mißglückt. Ein mißglücktes Gesetzgebungswerk liegt im Falle Baden-Württemberg vor, und es ist die Schuld des Bundesgesetzgebers, die er hier abzutragen hat. Das allein macht schon den Sonderfall und die Sonderrechtslage aus. Niemand wird Ihnen die Behauptung abnehmen, daß eine Sonderregelung dieses Sonderfalles verfassungswidrig wäre. Es gibt das Gutachten Klein — Sie kennen dieses Gutachten —, das gerade diese Frage sehr eingehend geprüft und die Verfassungsmäßigkeit ganz klar bejaht hat.Natürlich kann ich mit Ihnen davon ausgehen, daß der Art. 118 verbraucht ist, obwohl das meiner persönlichen Überzeugung noch nicht einmal so sicher entspricht. Aber ich gehe mit Ihnen davon aus, und wir gehen mit unserem Entwurf davon aus, daß Art. 118 verbraucht ist. Wir schaffen eine Sonderregelung, die wir an den alten Art. 118 anhängen. Wenn Sie sich an das Gutachten Klein erinnern, Herr Dr. Schäfer, dann werden Sie sich auch daran erinnern, daß eine Regelung nach Art. 29 auch bei ihm als Ersatzregelung für den alten Art. 118 bezeichnet ist.Dieses Gesetz ist nicht verfassungswidrig, dieses Gesetz ist entscheidungsreif. Der Fall Baden-Württemberg ist allein entscheidungsreif, wie seit dem Luther-Gutachten für uns alle feststeht, was wir auch ohne das Luther-Gutachten wissen könnten: Beide Lösungen sind im Rahmen der Gesamtkonzeption des Art. 29 tragbar. Wenn Sie eine entscheidungsreife Sache einer nicht entscheidungsreifen mit ganz anderen und weittragenden Konsequenzen auf den Buckel hängen, dann verweigern Sie im Grund die Entscheidung.
Im Grunde ist das, was Sie als Ihren Standpunkt jetzt vortragen, eine Rechtsverweigerung des Bundesgesetzgebers,
der durch sein mißglücktes Gesetzgebungswerk in die Schuld gekommen ist. Ich erinnere Sie daran, meine Herren: ich habe vor einem Dreivierteljahr mit der Unterschrift auch von Freunden Ihres Lagers, mit Unterschriften von Kollegen der SPD und der FDP, von Persönlichkeiten aus dem Lande BadenWürttemberg einen Aufruf vorgelegt, in dem alle an den Bundesgesetzgeber das Verlangen gerichtet haben: Nun gebt uns endlich unsere Entscheidung, die Sache ist dafür reif, gebt uns die Entscheidung für unseren Fall, der für sich entscheidungsreif ist!Ich sage zweierlei, Herr Dr. Schäfer: erstens, Sie haben nicht recht, wenn Sie vorhin behauptet haben, die CDU/CSU habe Ihren Antrag zu Art. 29 abgelehnt. Ich kenne diese Ablehnung nicht,
sondern ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß im weiteren Verfolg der Angelegenheit Ihr Antrag zu behandeln ist.
— Das haben Sie vorhin gesagt; ich habe es mir notiert. Sie haben es vorhin gesagt, Herr Dr. Schäfer! — Ich stehe auf dem Standpunkt und ich glaube, das ist auch der Standpunkt meiner Fraktion, daß nachher über Ihren Antrag entschieden werden muß, im Rechtsausschuß und hier im Plenum. Und ich glaube, die Entscheidung dieses Falles Baden-Württemberg wäre ein gutes Präjudiz auch für die Weiterbehandlung der Sache. Daß eine gewisse Gleichbehandlung in der Sache geboten ist, räume ich als meinen Standpunkt ohne weiteres ein. Auf jeden Fall, meine Damen und Herren, wenn Sie bei Ihrer Stimmenthaltung oder Ablehnung bleiben, dann bleibt festzustellen, daß es Ihre Entscheidung ist, die dem Lande Baden-Württemberg und den Bade-
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Dr. h. c. Güdenern die längst fällige Entscheidung des Bundesgesetzgebers versagt und verweigert, obwohl die Sache entscheidungsreif ist, Ihre Taktik allein!
Natürlich haben wir alle in der Vergangenheit mit der Sache ein wenig Taktik getrieben. Wer wird das nicht zugeben?
— Ich freue mich, daß Sie meine Heimatpresse so aufmerksam lesen, Herr Dr. Schäfer. Ich werde sie also mit Freude wieder lesen. Ich sage es noch einmal: Nachdem die Stunde der Taktik, nämlich der Landtagswahl, vorbei ist — —
— Ihre Taktik, meine Herren! Ich wundere mich, daß Herr Dr. Schäfer den Mut hat, nach den mißglückten Prophezeiungen für Baden-Württemberg neue Prophezeiungen für Rheinland-Pfalz in die Welt zu setzen.
Die Landtagswahl in Baden-Württemberg war doch der Gegenstand Ihrer Taktik, und sie ist vorbei, so daß man in der Sache ganz gelassen reden könnte und ganz gelassen sagen könnte: Nun entscheiden wir, was entscheidungsreif ist, und binden uns an die Grundsätze, mit denen dieser Fall entschieden worden ist, auch für das andere, was dann noch zu entscheiden bleibt.Deshalb sage ich für meine Fraktion: Wir werden bei unserem Antrag bleiben. Den Antrag der FDP, der keine Lösung bringen kann und auch nicht sagt, worin der Schritt bestehen soll, den wir auf Sie zu und Sie auf uns zu machen sollen, werden wir ablehnen.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Vortrag des Herrn Kollegen Dr. Güde kann man nur sagen: Er versucht, Taktik fortzuführen, und er decouvriert, was man vorher gemacht hat. Es scheint mir aber sinnvoll, was die FDP beantragt, und das deckt sich auch mit dem, was wir im Ältestenrat in einer Vereinbarung zu erreichen versucht haben. Das, was Sie wollen, und das, was wir wollen, ist stufenweise durchführbar. Da wir der Auffassung sind, daß sowohl in BadenWürttemberg als auch in den anderen Gebietsteilen der Volksentscheid durchgeführt werden muß, können wir einer Sache zustimmen, die auch Sie wollen. Unverständlich, Herr Dr. Güde, ist aber jedem, daß Sie nicht einer Sache zustimmen können, die auch wir wollen, weil wir gleiches Recht wollen.
So bleibt doch nur übrig, zu sagen: Laßt uns keine Entscheidung treffen, die Sie möglicherweise hindern könnte, nachher dem weitergehenden Vorschlag zuzustimmen, und laßt uns deshalb eine einheitliche Regelung finden!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz offen sagen: Man ist mit Vorschlägen an uns herangekommen, im Wege der Entschließung zu fordern, daß das auch in Zukunft geschehe. Ich darf Sie daran erinnern, daß der Innenausschuß einstimmig — mit den Stimmen der CDU/CSU-Mitglieder — den SPD-Antrag und Ihren Antrag zusammengefaßt hat und einstimmig zu der Auffassung gekommen ist, daß eine einheitliche Regelung erreichbar und durchführbar ist.
— Herr Seidl, warum sind Sie denn im Rechtsausschuß so dagegen, daß man es versucht? Warum schließen Sie es dort aus?
— Herr Seidl, ich glaube Ihnen doch nicht mehr in dieser Sache.
Es glaubt Ihnen doch keiner mehr in dieser Sache. Deshalb habe ich vorher gesagt: Lesen Sie die Tagespresse!
— Herr Barzel, ich habe doch nicht zu Unrecht gesagt: Lesen Sie die Heimatpresse! Lesen Sie doch, was man darüber in Baden schreibt, daß man Ihnen nicht mehr glaubt! Das ist eine schlimme Sache, Herr Barzel, wenn man dort schreibt, daß man Ihnen nicht mehr glaubt, daß Sie das, was Sie zusagen, auch halten.
Mir würde ein Entschließungsantrag nicht reichen. Warum wollen Sie sich nicht mit uns zusammen bemühen, bis Weihnachten einen sinnvollen Gesamtvorschlag auszuarbeiten? Sie wollen nicht einmal mit der Beratung dieser Dinge anfangen. Das ist doch sehr deutlich. So scheint mir sinnvoll, was die FDP beantragt, daß man sich tatsächlich noch einmal Mühe gibt, eine einheitliche Regelung zu erreichen. Das ist der Auftrag, den wir als Gesetzgeber haben. Wenn es sich um eine so wichtige Frage wie eine Grundgesetzänderung handelt, dann sollte man sich wirklich Mühe geben, auch noch die letzte Möglichkeit auszuschöpfen. Wir werden dem Antrag der FDP zustimmen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Frage, wie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch eine faire Abstimmung Rechnung getragen werden kann, ob das Land Baden-Württemberg erhalten werden soll, haben wir uns im Rechts-
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6456 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Frau Dr. Diemer-Nicolausausschuß eingehend befaßt. Herr Kollege Schäfer, ich habe Ihren Ausführungen sehr aufmerksam zugehört. Sie haben sich für den Antrag meines Kollegen Dürr ausgesprochen. Was ich aber aus Ihren Ausführungen nicht habe entnehmen können, war, was Sie unter einer „sinnvollen einheitlichen Regelung" verstehen. Wenn Sie nämlich unter einer sinnvollen Regelung nur eine im Rahmen Ihres Antrages zu Art. 29 des Grundgesetzes verstehen und damit auch — das war ja Ihr Anliegen im Rechtsausschuß — die Abstimmung im Lande BadenWürttemberg regeln wollen, dann kann ich Ihnen allerdings nicht zustimmen. Hierüber ist eingehend im Rechtsausschuß beraten worden.Es wurde nach meiner Auffassung richtig vorgeschlagen, daß zuerst mit der auch von uns, von den Vertretern der FDP im Rechtsausschuß, mitgetragenen Änderung bzw. Neufassung des Artikels 118 des Grundgesetzes die vordringliche Frage der Abstimmung im Lande Baden geregelt wird. Anschließend kann im Rahmen des Neugliederungsgesetzes den übrigen Volksbegehren Rechnung getragen werden. Sollte deshalb heute tatsächlich eine Entscheidung getroffen werden, dann sage ich mit aller Eindeutigkeit, daß ich wie im Rechtsausschuß der Änderung des Artikels 118 des Grundgesetzes zustimmen werde. Es freut mich, daß es nach den jahrelangen schwierigen Auseinandersetzungen gelungen ist, eine Formulierung zu finden, die auch von den Altbadenern akzeptiert wurde. Ich, die ich so lange auch im Landtage des Landes Baden-Württemberg war, spreche aber auch weiter mit aller Deutlichkeit die Hoffnung aus, daß das Land BadenWürttemberg als Ganzes zum Wohle des ganzen deutschen Vaterlandes erhalten bleibt.
Das Wort hat der Abgeordnete Seidl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, als Berichterstatter muß ich ein paar Worte zu dem sagen, was Sie vorgetragen haben. Ich habe schon Ihren ersten Ausführungen entnommen, Sie seien der Meinung — ich hoffe, Sie sind nicht dieser Meinung —, daß über das Schicksal des SPD-Antrages nichts aus dem Bericht hervorgehe. Sie sagten, darüber lasse sich dem Bericht überhaupt nichts entnehmen. Im Bericht steht genau, daß die beiden Vorlagen dem Rechtsausschuß überwiesen wurden, daß aber der Ausschuß mit Mehrheit ,den Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Behandlung und dann auch zur Abstimmung gestellt habe, weil die Mehrheit der Meinung gewesen sei, daß die Baden-Frage eine sofortige und nur über den Weg des Art. 118 lösbare Regelung erfordere.
Zum zweiten steht im letzten Absatz meines Berichts — und das ist im Rechtsausschuß ganz klar zum Ausdruck gekommen —, daß ihr Entwurf im Rechtsausschuß anhängig bleiben soll. Wann er beraten werden kann, hängt von der Lage und der Dringlichkeit der Vorlagen im Rechtsausschuß ab.
Aber, Herr Kollege Schäfer, so, als ob Ihr Antrag überhaupt verschwunden wäre, ist es doch nicht.
— Aber, meine Herren, jetzt darf ich doch außerhalb der Berichterstattung eines sagen. Sie wissen selbst ganz genau, daß die Behandlung Ihres Antrags auf Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes nicht nur die betroffenen Länder, sondern wahrscheinlich alle Länder berühren wird und daß eine derart schwierige Regelung nicht in den nächsten 14 Tagen erfolgen kann.
Da brauchen wir uns doch nichts vorzumachen, und ich glaube, Sie machen sich deshalb auch nichts vor. Wenn aber dieser Entwurf abhängig bleibt, kann er im Rechtsausschuß auch behandelt werden. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, er sei dann einfach erledigt. Dais geht aus dem Bericht nicht hervor, und dazu wollte ich vor allem Stellung nehmen. Zum Sachlichen wäre auch noch einiges zu sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Wenn man als Nichtjurist und als Badener heute zum Podium her-aufgeht, wird einem schummerig. Schummerig aus dem einfachen Grunde, weil man sich in dem juristischen Dickicht, das sich in den letzten 16 Jahren um diese Frage aufgebaut hat, fast nicht mehr auskennt, und schummerig als Badener, weil man bei der Abstimmung zur zweiten Lesung bemerkt hat, daß hier und heute keine Lösung zu finden ist, 'die den Badenern nun endlich das Recht gibt, abzustimmen.Ich möchte meinen, wenn hier schon das Wort „taktieren" gefallen ist, so sollten wir das ernst nehmen und sagen: Gut, bisher ist taktiert worden. Aber wäre es nicht möglich, über den Entwurf jetzt in dritter Lesung nicht abzustimmen, damit nämlich nicht durch die Abstimmung Fronten aufgebaut sind, die kaum mehr einzureißen sein werden? Ich meine, wenn wir gut erholt aus der Sommerpause zurück sind, könnten wir einen Weg finden, dem das Haus zustimmen kann.Ich erkläre ihnen klipp und klar, meine Damen und Herren: ich bin für eine schnelle Abstimmung in Baden-Württemberg. Diese schnelle Abstimmung bekommen Sie nicht, wenn die SPD heute zu diesem Entwurf endgültig nein sagt. Daß ich für eine schnelle Abstimmung bin, habe ich durch meine Zustimmung in der zweiten Lesung kundgetan: Aber ich will Ihnen auch klipp und klar erklären, daß ich, der ich mich in dieser Frage engagiert habe, der ich mich auch als Anhänger des Südweststaates engagiert habe, mich nicht in der Lage sehe, dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zuzustimmen. Warum nicht? — Weil es auch sehr überschlaue Menschen gibt, die versuchen, einem aus dieser Zustimmung zu einem Gesetz, dessen Hoffnungslosigkeit durch das Ergebnis der zweiten Lesung bereits
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6457
Spitzmüllerunter Beweis gestellt ist, .zu unterstellen, ,daß man nun in einer ganz bestimmten Richtung festgelegt sei und nicht mehr nach Kompromissen suchen könne. Ich will aber in der Entscheidung für eine Abstimmung in Baden, die endlich einmal fallen wird, frei sein. Ich kann daher die Kollegen, die wünschen, daß in Baden bald abgestimmt wird, und die einsehen, daß heute nichts zu erreichen ist, nur bitten, wenn es zu einer Schlußabstimmung kommt, genauso zu verfahren wie ich.
Meine Damen und Herren! Der Präsident ist in der schwierigen Lage, eine Frage entscheiden zu müssen, die durch den Antrag auf Zurückverweisung an den Rechtsausschuß aufgeworfen worden list. Nach meiner Interpretation der Geschäftsordnung ist in diesem Stadium der Beratung eine Rückverweisung an einen Ausschuß nicht mehr möglich. Ich verlese § 82 der Geschäftsordnung:
Zurückverweisung ,an einen Ausschuß
Solange nicht die letzte Einzelabstimmung erledigt ist,
— ich betone: die letzte Einzelabstimmung —
kann die ganze oder teilweise Zurückverweisung an einen Ausschuß erfolgen. Die Zurückverweisung kann auch an einen anderen Ausschuß erfolgen. Ebenso können bereits erledigte Teile überwiesen werden.
Ich stelle fest, daß die letzte Einzelabstimmung bereits stattgefunden hat. Die war nämlich nur in der zweiten Beratung möglich. Zu der dritten Beratung sind keine Abstimmungen notwendig. Es gibt also keinen Anhaltspunkt dafür, die Vorlage an einen Ausschuß zurückzuverweisen. — Herr Abgeordneter Dürr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auslegung, idle soeben dem § 82 der Geschäftsordnung gegeben wurde, entspricht ohne jeden Zweifel dem Wortlaut dieser Bestimmung. Allerdings gibt es, wie ich mir von sachkundiger Seite habe sagen lassen, schon seit den Zeiten des Reichstages eine sehr extensive Praxis bei der Auslegung. Danach wurden auch schon im Reichstag bis zu dem Zeitpunkt, in dem zur Schlußabstimmung aufgerufen wurde, Gesetzentwürfe an die Ausschüsse zurückverwiesen. Ich beuge mich aber der vorher geäußerten Ansicht und beantrage namens der Fraktion der FDP die Aussetzung der Schlußabstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, niemand weiß, was Sie, Herr Kollege Dürr, im Augenblick beantragt haben: Aussetzung der Schlußabstimmung um eine Stunde, um drei Stunden, auf den nächsten Tag? Sie haben nicht die Absetzung von der Tagesordnung verlangt. Sie haben heute mit uns dem Antrag zugestimmt, die Sache auf die Tagesordnung zu setzen.
Sie haben auch nicht Zurückverweisung verlangt, weil das nach § 82 nicht möglich ist.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir bei Erklärungen zur Schlußabstimmung sind. Ich nehme an, daß der Herr Kollege Schäfer mir das bestätigt. Nach § 82 können Sie nicht vorgehen. Eine Aussetzung müssen Sie befristen. Die Absetzung haben Sie nicht verlangt. In dieser Form, wie Sie hier argumentiert haben, Herr Kollege Dürr, kann das Haus, glaube ich, mit Ihrem Antrag gar nichts anfangen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, helfend einzuspringen, und darf namens meiner Fraktion den Antrag von Herrn Dürr dahingehend ergänzen, die Beratung auf unbestimmte Zeit abzubrechen.
Dieser Antrag ist nach § 30 der Geschäftsordnung möglich. Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich der Meinung, daß die Bevölkerung von Baden-Württemberg über die Erledigung dieser Frage mit solchen Geschäftsordnungstricks sehr erstaunt sein wird.
Ich bin nicht der Ansicht, daß die Bevölkerung dieses Landes es verdient, daß diese Frage mit solchen Tricks hier manipuliert wird.
Herr Kollege Dürr und Herr Kollege Mommer, ich nehme an, Sie stützen sich auf § 30 der Geschäftsordnung.
— Schön, dann haben Sie ihn falsch interpretiert.
— § 30 der Geschäftsordnung, Herr Kollege Schäfer, heißt — wenn es ausgetragen werden muß, muß es ausgetragen werden —:Schluß der Beratung
Ist die Rednerliste erschöpft oder meldet sich niemand zum Wort, so erklärt der Präsident die Beratung für geschlossen.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit, nämlich Ab. 2:Der Bundestag kann die Beratung abbrechen oder schließen. Der Antrag auf Vertagung bedarf der Unterstützung ... Der Schlußantrag geht ... vor.
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6458 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
RasnerDieser Paragraph macht nichts weiter, als der Diskussion ein Ende zu setzen. Dem Ende der Diskussion hat die Abstimmung zu folgen. Deshalb heißt dieser Paragraph nicht „Vertagung auf St. Nimmerleinstag", sondern „Schluß der Beratung". Das ist die Überschrift dieses Paragraphen.Ihr Auftrag kann, wenn Sie sich auf § 30 unserer Geschäftsordnung stützen, nichts anderes tun, als die Abstimmung in diesem Hause beschleunigen, weil dann nämlich nicht wieder debattiert werden darf. Prima, meine Herren!
Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überschrift lautet wohl „Schluß der Beratung". Aber in Abs. 2 heißt es klipp und klar: „Der Bundestag kann die Beratung abbrechen oder schließen." Es gibt also zwei Möglichkeiten: abbrechen oder schließen. Wir wollen nicht schließen, sondern abbrechen. Das steht in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung, so wie sie der Präsident eben richtig interpretiert hat.
Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß wir diese Debatte hier führen müssen. Ich bin auch damit einverstanden, daß sie unterbrochen wird; jetzt muß es ja wohl sein. Nach dem Wortlaut erstreckt sich § 30 ganz eindeutig auf den Schluß der Beratung, und zwar sowohl in Abs. 1 wie in Abs. 2. Herr Kollege Mommer, Sie stützen sich auf Abs. 2: „Der Bundestag kann die Beratung abbrechen oder schließen." Es steht nichts davon drin, daß er die Abstimmung zu diesem Zeitpunkt aussetzen kann.
Können wir uns denn nicht darüber verständigen, Herr Kollege Mommer, daß — in einfachem Deutsch — Abbrechen oder Schließen der Beratung nichts mit Abstimmung und Vertagung zu tun hat? Das sind doch zwei grundverschiedene Dinge.
Vizepräsident- Schoettle: Das Wort hat der Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf feststellen, daß wir nicht in der Abstimmung, sondern in der dritten Beratung waren. Wir bitten um Unterbrechung der dritten Beratung.
Herr Abgeordneter Erler!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zur geschäftsordnungsmäßigen Lage. § 30 Abs. 2 Satz 1 lautet: „Der Bundestag kann die Beratung abbrechen oder schließen." Der nächste Satz heißt: „Der Antrag auf" — dann wird definiert — „Vertagung oder Schluß der Beratung bedarf der Unterstützung von 30 anwesenden Albgeordneten." Das heißt; der Antrag auf Vertagung ist hier identisch mit einer Beschlußfassung über den Abbruch der Beratung. Das ist zunächst einmal die geschäftsordnungsmäßige Lage. Ich glaube, sie ist eindeutig.
Zu den Ausführungen des Kollegen Rasner möchte ich nur noch sagen, daß ich, der ich selbst aus dem Land Baden-Württemberg hierher gewählt bin, weiß, daß man in jenem Land ein großes Interesse daran hat, daß das Problem der Befriedung des Landes durch eine Volksabstimmung so schnell wie möglich einer rechtlich einwandfreien, dauerhaften Lösung zugeführt wird.
Die ganze Differenz in diesem Haue besteht in der Frage, ob der Weg, den die CDU/CSU-Fraktion hier gegangen ist, rechtlich einwandfrei ist. Dem Land ist nicht damit gedient, daß es deshalb nicht zu einer Volksabstimmung kommt, weil eine verfassungsrechtlich angreifbare Vorlage zu einem Streit vor dem Bundesverfassungsgericht führt. Davor muß man das Land bewahren.
Unsere Kollegen von der FDP haben auf einen Weg aufmerksam gemacht, auf dem wir die verschiedenen Standpunkte vielleicht noch miteinander zur Deckung bringen können. Wer nicht bereit ist, diesen Weg zu gehen, müßte sich gefallen lassen, daß sich sein Kopf dann nicht durchsetzt. Er wird dann Gelegenheit haben, bei dem sozialdemokratischen Antrag zu Art. 29 des Grundgesetzes zu beweisen, ob er a) eine baldige Abstimmung in Baden-Württemberg und b) dann auch anschließend rechtlich gesicherte Abstimmungen dort will, wo gleichfalls Volksbegehren in einwandfreier Form durchgeführt worden sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte in der Erklärung namens der FDP-Fraktion gesagt, daß sich ein Ausweg aus dieser schwierigen Frage nur finden läßt, wenn sich beide Fraktionen, die Anträge auf Grundgesetzänderung gestellt haben, je einen Schritt aufeinander zu bewegen, die CDU/CSU- und die SPD-Fraktion. Da das Aufeinander-zu-Bewegen, das Sich-Einigen und das Zusammenraufen in parlamentarisch regierten Staaten bekanntlich nie im Plenum des Parlaments, sondern in Besprechungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit geschieht, ist die logische Folge, daß wir die Gelegenheit zu solchen Besprechungen geben wollten in der Hoffnung, daß beide Fraktionen, auf die es bei dieser Abstimmung ankommt, den Schritt aufeinander zu in der Besprechung im kleinen Kreis vornehmen, den sie hier im Plenum nicht vornehmen wollen. Das ist der Hintergrund des Antrages, der, wie die Kollegen Dr. Mommer
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6459
Dürrund Erler mit Recht interpretiert haben, durch § 30Abs. 2 der Geschäftsordnung genügend gestützt ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint zunächst einmal, daß über die Interpretation der Geschäftsordnung eine Grundsatzdifferenz besteht. Ich schlage vor, daß wir diese Grundsatzdifferenz nicht etwa, wie das die Geschäftsordnung in ganz schwierigen Fällen vorsieht, an den Geschäftsordnungsausschuß überweisen, sondern daß wir diese Grundsatzdifferenz im Ältestenrat klären. Diese Sache hat ja unabhängig von der Angelegenheit Baden-Württemberg eine präjudizielle Bedeutung für das Prozedieren hier im Haus. Wir schaden uns nicht — wir haben eine Reihe von anderen Punkten vor uns —, wenn wir unsere Tagesordnung an diesem Punkt — das ist sicher möglich — für eine halbe Stunde unterbrechen, in der Betrachtung anderer Punkte fortfahren und inzwischen im Ältestenrat über den § 30 diskutieren.
Das heißt also praktisch, Herr Abgeordneter Rasner, daß Sie eine Vertagung der Schlußabstimmung beantragen?!
— Ich wollte nur das interpretieren, was Herr Abgeordneter Rasner vorgeschlagen hat. Das ist, glaube ich, die einzige mögliche Interpretation: Antrag auf Vertagung der Schlußabstimmung.
— Natürlich, das ist eine Möglichkeit, daß der Ältestenrat darüber berät.
— Entschuldigen Sie, man sollte die Dinge nicht komplizieren und auch nicht lustig nehmen. Ich bin der Meinung, wir sollten so verfahren.
Wollten Sie noch etwas sagen, Herr Abgeordneter Erler?
Herr Präsident! Nur zur Feststellung, welcher Antrag der weitergehende ist. Es liegen jetzt zwei Anträge auf Vertagung vor. Der eine auf unbestimmte Zeit, der andere bis nach einer Sitzung des Ältestenrats. Der auf unbestimmte Zeit geht weiter, über den müßten wir zuerst abstimmen.
Ich bin bereit, so zu verfahren, ich mache nur darauf aufmerksam, daß dann die ganze Geschichte auf unabsehbare Zeit in der Schwebe bleibt.
Herr Abgeordneter Rasner?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bisher ist in diesem Hause bei Streitigkeiten über die Geschäftsordnung stets der Ältestenrat — Präsident, die Vizepräsidenten und die anderen Mitglieder — einberufen worden, und es ist bisher auch stets Übung gewesen, daß man zunächst einmal versucht, die Geschäftsordnung im Ältestenrat einvernehmlich auszulegen. Ich wundere mich darüber, Herr Kollege Erler, daß Sie diese Möglichkeit, die den Interessen aller Fraktionen dient, nicht einräumen wollen.
Meine Damen und Herren, ich muß sagen, ich halte die Abstimmung über eine Vertagung auf unbestimmte Zeit nicht für zweckmäßig. Ich bin der Meinung, wir sollten die Beratung dieses Gegenstandes jetzt unterbrechen und dem Ältestenrat Gelegenheit geben, über die Interpretation der Geschäftsordnung zu verhandeln.
Stimmt das Haus diesem Vorschlag zu? (Zustimmung. — Zurufe von der SPD: Nein!)
— Dann wird dieser Punkt jetzt ausgesetzt; der Ältestenrat tritt sofort zusammen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/2377).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Marquardt. Will der Herr Berichterstatter seinen Schriftlichen Bericht ergänzen? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. Wird das Wort gewünscht? —
Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung.Ich rufe auf §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, —7, — 8, — 9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14, —15, — 16 — sowie Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Paragraphen in der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Weder Nein-Stimmen noch Enthaltungen; in der zweiten Beratung ist das Gesetz angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
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6460 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Vizepräsident SchoettleWir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, die Einleitungsformel dieses Gesetzentwurfs lautet:Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates unter Einhaltung der Vorschrift des Artikels 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes das folgende Gesetz beschlossenArt. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes lautet:Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.Nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Präsident, „soweit nach dem Grundgesetz oder dieser Geschäftsordnung bei einem Beschluß oder einer Wahl von einer bestimmten Mitgliederzahl auszugehen ist", „durch ausdrückliche Erklärung festzustellen, daß die vorgeschriebene Mitgliederzahl anwesend ist und die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit vorliegt".Meine Damen und Herren, das bedeutet, daß wir die Entscheidung des Hauses durch Auszählen der Stimmen herbeiführen müssen. Auszählen der Stimmen heißt, daß die Mitglieder des Hauses den Saal verlassen und durch die von ihnen bevorzugte Tür in den Saal zurückkehren. Ich bitte die Damen und Herren, den Saal zu räumen. Wir müssen auszählen. —Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Abgestimmt haben 386 Abgeordnete, Berliner Abgeordnete waren nicht stimmberechtigt. Es sind 386 Ja-Stimmen abgegeben worden, keine Nein-Stimmen, keine Enthaltungen. Es hat sich also die erforderliche Anzahl Abgeordneter an der Abstimmung beteiligt. Ebenso ist die erforderliche, verfassungsmäßig vorgeschriebene qualifizierte Mehrheit erreicht worden. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.Wir müssen nun noch über den Entschließungsantrag des Ausschusses abstimmen, den Sie auf Seite 2 der Drucksache IV/2377, Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel, finden. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Dieser Entschließungsantrag ist angenommen.Meine Damen und Herren, wir setzen nun die dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes — Punkt 2 der Tagesordnung — fort. Wird das Wort begehrt? — Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle in diesem Hause sollten froh darüber sein, daß es gestern in wirklich allerletzter Minute durch den Kompromiß über die Begleichung unserer Schulden an die Fristversäumer doch noch möglich geworden ist, zu einer einstimmigen Verabschiedung dieses Gesetzes zu kommen. Das entspricht einer alten, guten und richtigen Tradition dieses Hauses. Bisher sind alle Gesetze zugunsten der Nazi-Opfer einstimmig verabschiedet worden, und es wäre ein schlechtes Zeichen gewesen, wen es in diesem Jahre bei dem Bundesrückerstattungsgesetz anders gewesen wäre. Ich möchte daher all denen, die im letzten Moment zum Zustandekommen dieses Kompromisses beigetragen haben, sehr Iherzlich danken. Sie haben damit dem Ansehen ides deutschen Volkes gedient. Ich möchte besonders dem Herrn Bundeskanzler danken, weil er durch die Einberufung der Sitzung gestern die Plattform für 'diese Einigung geschaffen hat, und ich danke auch Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie isich in letzter Minute bereit gefunden haben, diesem Kompromiß zuzustimmen.Ich möchte allerdings — und ich bitte das nicht als Polemik zu werten — mit Bedauern feststellen, daß wir uns viel hätten ersparen können, wenn dieser Kompromiß eher zustande gekommen wäre. Der Wiedergutmachungsausschuß hatte bereits im Januar oder im Februar ungefähr das als Kompromiß erarbeitet, was damals nicht ging und heute in letzter Stunde nun plötzlich doch geht. Ich glaube, wir sollten daraus eine Lehre für die künftigen Beratungen anderer Gesetze zugunsten der NaziOpfer ziehen, insbesondere auch ides jetzt in Beratung befindlichen Bundesentschädigungsgesetzes: wir sollten uns eher zusammenraufen, Herr Bundesfinanzminister, und nicht wieder in letzter Minute.
Wir können im großen und ganzen mit dem Ergebnis, mit der jetzt zustande kommenden Novelle zum Bundesrückerstattungsgesetz zufrieden sein. Man muß ganz eindeutig sagen, daß die Entschädigung für die Vermögensverluste, die die NaziOpfer erlitten haben, jetzt im Rahmen der allgemeinen Entschädigung recht großzügig gestaltet ist. Die anerkannten Gläubiger bekommen eine hundertprozentige Befriedigung ihrer Forderungen — vielleicht erst in einigen Jahren, aber sie werden hundertprozentig befriedigt.In den Ausschußberatungen ist es gelungen, die völlige Einbeziehung von Ostberlin als Gebiet der Inlandsentziehung zu erreichen. Das ist wiederum ein wichtiger Umstand, der mir auch aus anderen, allgemein nationalpolitischen Gründen sehr wichtig erscheint. Es ist gelungen, einige Bestimmungen hinsichtlich der Verschiedenheiten der einzelnen Zonengesetze, insbesondere der Gesetze in der amerikanischen und britischen Zone, einander anzupassen, was wiederum einen Rechtsfortschritt darstellt. Schließlich und endlich ist es — wenn auch, wie gesagt, in letzter Minute — gelungen, eine einigermaßen angemessene Befriedigung auch der Fristversäumer zu erreichen.Wenn ich sage: einigermaßen angemessene Befriedigung, so habe ich — das möchte ich ehrlich sagen — ,allerdings ein nicht ganz gutes Gefühl. Denn gerade wenn wir diejenigen, die ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet halben — dazu gehören sehr viele, denen Millionenvermögen erstattet werden —, hundertprozentig 'befriedigen, dann hätten wir eigentlich auch genauso großzügig gegenüber den ganz Kleinen — und die Fristversäumer haben meist nur kleine Forderungen — sein sollen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6461
HirschEs erscheint mir nicht so ganz gerecht, daß wir ohne Rücksicht auf die Höhe der Forderung einerseits die Ansprüche hundertprozentig erfüllen, andererseits uns auf einen Härtefonds bei vielleicht hunderttausend oder mehr Menschen beschränken, bei denen es um eine Forderung von vielleicht 2000, 3000 oder 4000 DM geht. Das stört mich im Endergebnis noch an dem Gesetz. Aber immerhin: Wenn der Härtefonds — ich sagte es heute morgen — richtig praktiziert wird, wenn er gerecht, anständig und großzügig praktiziert wird, kann man damit auch die Befriedigung dieser kleinen Leute erreichen.Ich hoffe sehr, daß im Laufe der Jahre, die für die Befriedigung der Ansprüche vorgesehen sind, dieses Kapitel unserer Geschichte so abgeschlossen wird, wie es sich gehört. Wir können also alle, glaube ich, diesem Gesetz mit gutem Gewissen zustimmen.Einige Bemerkungen, Herr Minister, die Sie in der Debatte heute vormittag gemacht haben, veranlassen mich aber doch noch zu einigen ganz kurzen, grundsätzlichen Feststellungen. Herr Minister, Sie haben sich darüber beklagt, in der letzten Zeit sei — insbesondere im Ausland — die Behauptung aufgestellt worden, daß die Bundesrepublik nicht mehr so wiedergutmachungsfreundlich wie früher sei oder daß man gar von einer „Wiedergutmachungskrise" gesprochen habe. Herr Minister. Sie dürfen sich darüber nicht wundern. Ich will nicht mit Ihnen polemisieren; bitte, glauben Sie mir das. Aber ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz eindeutig folgendes sagen und Ihnen gleichzeitig, wenn Sie mir das nicht übel nehmen, einen guten Rat geben.
— Er wird schon gelegentlich wieder zuhören.
Herr Minister, ich möchte Ihnen folgendes sagen. Diese Krise der Wiedergutmachung, die hoffentlich keine Krise war und sich nicht wiederholen wird, ist hervorgerufen worden einzig und allein dadurch, daß Sie so lange gezögert haben, diesem Kompromiß von gestern zuzustimmen.
Hätten Sie diese Zustimmung zu den Anregungen des Wiedergutmachungsausschusses, die mehr oder weniger einstimmig gewesen sind, schon im Januar oder Februar gegeben, dann hätte es diese Krise der Wiedergutmachung überhaupt nicht geben können.Darüber hinaus, Herr Minister, ist es nun einmal leider so, daß man den Verfolgten manche Dinge eben nicht so sagen darf, wie Sie das getan haben. Bitte, nehmen Sie auch das nicht als Polemik, sondern wiederum als einen guten Rat. Diese Opfer des Verbrechens und der Willkür und der Unmenschlichkeit sind nun einmal in mancher Hinsicht empfindlicher, als man das zu sein pflegt, wenn man nicht so behandelt worden ist. Bei diesen Naziopfern kommt verständlicherweise manches eben anders an, als Sie vielleicht erwarten. Ich sage das heute zum dritten Male, aber es ist, glaube ich, nötig: Wenn Sie damals in Ihrer Rede vom 14. 11. ausgerechnet den Naziopfern gesagt haben, sie sollten nicht vergessen, daß Herr Hitler gelebt habe, so haben Sie das wahrscheinlich ganz anders gemeint. Aber wie das bei den Naziopfern angekommen ist, das habe ich zur Genüge gehört und Sie wahrscheinlich auch. Man soll so etwas nicht sagen und soll sich reiflich überlegen, bevor man über diese Dinge spricht.Sie sollten auch nicht damit argumentieren, sozusagen mit Stolz: Was wollt ihr denn? Wir zahlen doch insgesamt 40 Milliarden DM! Meine Damen und Herren! 40 Milliarden sind weiß Gott viel Geld. Aber jede Zahl ist relativ. Und wenn Sie sich einmal erkundigen, wie hoch allein die Vermögensverluste der Naziopfer nach den vorliegenden Schätzungen gewesen sind, dann kommen Sie auf die Zahl von 50 Milliarden DM nur für Vermögensverluste. Wir bezahlen nach dem Bundesrückerstattungsgesetz 4,5 Milliarden DM, das heißt eine Konkursquote von 10 %. Damit ist eine Zahl in der Höhe, wie Sie sie genannt haben, eben keine große Zahl mehr, sondern relativ sehr gering. Oder wenn wir mit anderen Zahlen arbeiten — 40 Milliarden sagen Sie immer —: die Vermögensverluste und die wirtschaftlichen Verluste und überhaupt die materiellen Verluste der Naziopfer betragen nach den Schätzungen etwa 120 Milliarden DM, nicht gerechnet Gesundheitsschäden, nicht gerechnet die Millionen von Ermordeten, nicht gerechnet alle ideellen Werte. Wenn Sie diese Zahl wiederum vergleichen mit Ihren 40 Milliarden, dann müssen Sie bekennen, daß die 40 Milliarden, so anerkennenswert diese Leistung von 40 Milliarden ist, eben doch nur eine unverhältnismäßig kleine Konkursquote darstellen. Sie können die Dinge drehen, wie Sie wollen, es wird eben, wenn Sie von diesen 40 Milliarden so voll Stolz sprechen, immer klar sein müssen, daß die Höhe dieser Forderung bedeutet, daß im deutschen Namen und — auf unsere Rechnung heute — den Menschen ungeheuer viel Unrecht angetan worden ist. Die 40 Milliarden Entschädigungsforderung gleich 10 % Konkursquote bedeuten eben eine Schädigung von Menschen, willkürlich und verbrecherisch, die so gigantisch ist, daß sie sich der menschlichen Erkenntnisfähigkeit eigentlich entzieht. Auch im Rahmen Ihres sonstigen Haushalts und Ihrer sonstigen Aufwendungen, Herr Minister, sind die 40 Milliarden zwar sehr viel, aber sie sind immerhin gezahlt worden in einem Zeitraum von anderthalb Jahrzehnten. Das ist auch wiederum nicht so gigantisch. Außerdem, wenn Sie vergleichen mit den anderen Aufwendungen und Leistungen zur Tilgung der Hypothek des verlorenen Krieges und der NS-Gewaltherrschaft im Verhältnis zum öffentlichen Gesamthaushalt, wie es in der Statistik des verehrten Herrn Ministerialdirektors Dr. Féaux de la Croix heißt, dann stehen den bisher bezahlten 16,4 Milliarden Wiedergutmachung 269,6 Milliarden andere Kriegsfolgelasten gegenüber, und dann ist diese Zahl von bisher gezahlten 16 Milliarden ja auch nicht mehr überwältigend.
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6462 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
HirschIch möchte daher sehr bitten, daß wir, wenn wir von 40 Milliarden sprechen, in Zukunft gleichzeitig auch die Höhe des Schadens erwähnen, die wir mit 40 Milliarden begleichen wollen, und daß wir die Zahl in die richtige Relation zu den sonstigen Aufwendungen stellen.
Genauso ist es, Herr Minister, wenn Sie immer wieder hervorheben, wieviel höher die Wiedergutmachungsleistungen doch geworden seien gegenüber den ursprünglichen Schätzungen. Herr Minister, natürlich ist es viel mehr geworden. Aber es ist schandbarerweise mehr geworden, weil sehr viele von den Erkenntnissen, die man für die Regelung dieser Dinge braucht, jetzt erst hervorgetreten sind und weil wir alle sehr vieles nicht gewußt haben, weil sehr vieles erst durch die Prozesse, durch den Eichmann-Prozeß, die Eröffnung 'der Akten usw. bekannt geworden ist, und weil niemand am Anfang der deutschen Entschädigungsgesetzgebung wissen konnte, wie der Umfang dieser Dinge sein würde.Aber abgesehen davon, Herr Minister, als man mit diesen Überlegungen anfing, was man an Entschädigung geben kann — nehmen wir einmal das Jahr 1954 —, betrug das Haushaltsvolumen der Bundesrepublik 27,2 Milliarden DM. Das war unverhältnismäßig geringer als heute. Genauso wie damals niemand geglaubt hätte, daß das Haushaltsvolumen sich binnen zehn Jahren verdoppeln würde, konnte keiner wissen, daß innerhalb der zehn Jahre sich auch die Aufwendungen für die Naziopfer so erhöhen würden.Abschließend zu diesem Zahlenspiel noch ein Drittes, Herr Minister! Man muß bei der Erörterung dieser Dinge immer wieder klar und deutlich sagen — und auch Sie sollten das in der Öffentlichkeit etwas mehr tun als bisher —, daß es im Rahmen der Entwicklung der deutschen Entschädigungsgesetzgebung, insbesondere beim Bundesentschädigungsgesetz, eigentlich nie darum gegangen ist, die Leistungen für diejenigen zu erhöhen, die etwas zu bekommen haben, sondern daß es damals und insbesondere heute bei der Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz darum geht, insbesondere denen, die nichts bekommen haben, endlich auch etwas zu geben. Jammerbarerweise — ich möchte schon fast sagen: schandbarerweise — leben heute noch Hunderttausende von Naziopfern auf dieser Erde, die noch keinen Pfennig Entschädigungsleistung bekommen haben, obwohl man ihre Familie ermordet hat, obwohl man sie schändlich an ihrer Gesundheit beschädigt hat und obgleich man sie ihres Berufes und Vermögens beraubt hat. Es ist an der Zeit, dafür zu sorgen, daß auch diese letzten der Geschädigten endlich zu ihrem Recht kommen.Wir sollten uns bei der künftigen Erörterung dieser Dinge daran gewöhnen, daß es wenig Sinn hat, mit hohen Zahlen zu arbeiten, denen die Vergleichszahlen nicht gleich gegenübergestellt werden. Es dient auch nicht dem deutschen Ansehen, wenn man das tut. Es dient ihm einfach deswegen nicht, weil die Verfolgten sehr genau wissen, wie hoch die Schädigung, insgesamt gewertet, gewesen ist gegenüber dem, was man bekommt, weil man ihnen nichts vormachen kann und weil man in dem deutschen Volk, in dem es ja etliche gibt, die nach wie vor gar nicht bereit sind, Entschädigungen zu leisten, einen falschen Eindruck über das erwecken könnte, was hier geschieht.Fragen Sie in unserem Lande herum, dann werden Sie immer wieder feststellen, daß da die Vorstellung verbreitet ist, daß die Wiedergutmachungsleistung an die einzelnen Verfolgten ungeheuer groß sei und daß die Verfolgten mehr oder weniger alle in Glanz und Gloria lebten. Es gibt solche, es gibt Verfolgte, die sehr gut zu ihrem Recht gekommen sind. Sie haben dann auch meist sehr viel verloren. Aber es gibt viele Verfolgte, die in dieser Welt in Not und Elend leben, in New York, in Paris und an anderen Orten, auch in Deutschland.Wir können uns das nicht leisten, meine Damen und Herren. Wir können es uns auch nicht im Verhältnis zu unseren Kindern leisten. Ich glaube, wir, die wir diese Dinge noch selbst erlebt haben, haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie jetzt so in Ordnung zu bringen, daß unsere Kinder nicht mehr damit belastet sind; denn sie können mit Recht sagen: Wir haben keine Schuld daran. Wir können uns das mehr oder weniger alle nicht leisten; denn entweder haben wir mitgetan, oder wir haben zugeschaut, oder wir haben zuwenig dagegen getan. Wir alle haben das zu verantworten, und wir haben dafür zu bezahlen.Wir alle sind Steuerzahler, und kein Mensch zahlt gerne Geld für alte Schulden. Das ist menschlich. Aber es gibt Schulden, die Ehrenschulden sind. Wir sollten uns bei allen Überlegungen, die das Entschädigungsrecht betreffen, immer das in Erinnerung rufen, was hier im Hause zu diesem Kapitel immer wieder, zuletzt in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, gesagt worden ist. Wir haben eine Ehrenschuld zu bezahlen und Ehrenschulden sollte man eigentlich innerhalb von 24 Stunden und ganz bezahlen.
Bevor ich weiter das Wort erteile, möchte ich einen verehrten Gast begrüßen. Auf der Tribüne des Hauses befindet sich der Außenminister des mit uns befreundeten Nachbarlandes, der Bundesrepublik Österreich, Herr Dr. Bruno Kreisky. Ich begrüße ihn recht herzlich.
Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über die Novelle zum Bundesrückerstattungsgesetz beschließen, dann sollte meines Erachtens eine Frage in den Vordergrund gestellt und in der Bedeutung ermessen werden, die sie hat, eine Frage, die über die Erörterungen über § 5 und den Härtefonds etwas in den Hintergrund der Betrachtung geraten ist.Ich meine die außerordentlich weitreichende Entscheidung, in der Regierungsvorlage der Novelle
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6463
Dr. Böhm
auf die im Deutschland-Vertrag vereinbarte Beschränkung der Zahlungspflicht der Bundesrepublik für rückerstattungsrechtliche Geldverbindlichkeiten auf 1,5 Milliarden DM zu verzichten. Die Bundesrepublik hatte die rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des alten Deutschen Reiches, also des Hitler-Reiches, des Landes Preußen, der Reichsbahn, der Reichspost, der NSDAP und anderer Körperschaften, mit einer Beschränkung der Zahlungspflicht auf 1,5 Milliarden DM auf sich genommen. Die Bundesregierung hat auf diese Beschränkung verzichtet, was bedeutet, daß sie Zahlungen in viel höherem Umfang als von 1,5 Milliarden DM voll leisten wird. Es bedarf ferner der Hervorhebung, daß die Initiative für diese weitreichende Änderung von der Bundesregierung oder, genauer gesagt, vom Bundesfinanzministerium ausgegangen ist. Das ist eine weitreichende Verbesserung dieses Gesetzes.Um diesen Schritt würdigen zu können, muß man sich ins Gedächtnis rufen, daß, als wir das Rückerstattungsgesetz im Jahre 1957 schufen, die rückerstattungsrechtlichen Ansprüche nach damaligem Recht fast alle schon gerichtlich entschieden waren. Nach den seinerzeitigen Berechnungen wäre der Bund imstande gewesen, die damaligen Rückerstattungsgläubiger aus den 1,5 Milliarden DM beinahe voll, in jedem Fall aber zu 90% zu befriedigen.Damals aber, als das Bundesrückerstattungsgesetz beraten wurde, wurde ein § 5 eingefügt von ebenfalls unermeßlicher Tragweite. Einer großen Anzahl von Personen sind nachweisbar feststellbare Gegenstände entzogen worden, zwar jenseits der Grenzen, aber diese geraubten Gegenstände sind nachträglich in den Geltungsbereich unseres Gesetzes geraten, also in den Bereich der Bundesrepublik und des Landes Berlin. Das betrifft zahllose und fast durchweg kleine Leute.In der ersten Phase des Rückerstattungsgesetzes handelte es sich eigentlich um ein Gesetz für größere Objekte, für sehr individuelle, feststellbare Fälle. Ich denke aber an die unglückseligen Verfolgten wie z. B. die jüdischen Bevölkerungsteile in den von uns militärisch besetzten Ostgebieten, die damals fast alle ins Konzentrationslager kamen. Dann kamen die Einsatzkommandos und entzogen ihnen ihr Hab und Gut. Alle diese Leute, die nach den damaligen vier alliierten Rückerstattungsgesetzen Ansprüche hatten, konnten diese Ansprüche nicht geltend machen aus dem einfachen Grunde, weil wir nicht ein Rückerstattungsgesetz in der Bundesrepublik hatten, sondern vier: eines für die amerikanische Zone, eines für die britische Zone, eines für die französische Zone und eines für die Kommandantur Berlin. Viele dieser Leute konnten nachweisen, daß ihnen dann und dann das und das entzogen worden war. Sie konnten sogar nachweisen, daß die Gegenstände in das Gebiet der Bundesrepublik verbracht worden waren. Sie konnten aber nicht nachweisen, an welchen Ort. Deswegen konnten ihre Anträge überhaupt nicht behandelt werden, weil nicht feststand, nach welchem von den vier Gesetzen und vor welchem der vier alliierten Rückerstattungsgerichte und -apparate die Sache zu behandeln war. Deshalb haben wir einen § 5 eingefügt, der besagte, daß in den Fällen, in denen jemand beweisen kann, daß ihm die Sache entzogen worden ist, und beweisen kann, daß sie ins Bundesgebiet oder nach Berlin gelangt war, durch den Gesetzgeber fingiert wird, daß der Gegenstand in das Anwendungsgebiet der Verordnungen der alliierten Kommandantur von Berlin gelangt ist. Das war eine Fiktion.Nun konnten also die kleinen Leute, die in den Besatzungsgebieten beraubt worden waren, im Jahre 1957, nachdem es bereits neun oder zehn Jahre lang Rückerstattungsgesetze gab, endlich ihre Klagen einreichen. Für sie wurde auch eine neue Anmeldefrist geschaffen. Im allgemeinen waren die Anmeldefristen längst verstrichen, aber für diese Ansprüche wurden neue Anmeldefristen festgelegt, und zwar zunächst nur für ein Jahr, nämlich auf Ende 1958. Es hat sich denn auch gezeigt, daß tatsächlich außerordentliche Massen von neuen Anträgen gestellt worden sind, von denen eine erhebliche Anzahl auch begründet war. Dadurch stiegen nachträglich die rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten sehr an, mit der Wirkung, daß wir schon nach einem Jahr aus den 1,5 Milliarden DM die alten Forderungen nur noch etwa zu 50 oder 60% hätten befriedigen können. Hier war dann die Bundesregierung zu der Überzeugung gelangt, daß unter diesen Umständen ein Festhalten an dem Limit nicht gerechtfertigt sei.Das ist also die eine große Verbesserung. Es handelt sich hier um eine wirklich entscheidende Verbesserung, die dieses Gesetz erfahren hat. Sie stand schon in ,der ursprünglichen Regierungsvorlage. An dieser Bestimmung hat auch der Wiedergutmachungsausschuß nichts zu ändern gefunden; wir haben sie für richtig gehalten. Darüber gab es überhaupt nie einen Streit. Weil es über diese Sache keinen Streit gab, ist sie trotz ihrer Bedeutung etwas aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit und auch des Auslandes geraten. Tatsächlich ist das eine sehr entscheidende Verbesserung des Gesetzes gewesen.Nun noch .etwas zu der Frage des § 5. Es hat sich gezeigt, daß die Regelung des § 5 den Leuten gar nicht so viel nützt. Wir sollten sie den Nachweis erbringen, daß die ihnen geraubten Sachen in die Bundesrepublik gekommen sind? Damals, als diese Sachen geraubt wurden, saßen sie im KZ. Sie wußten nicht, wo die Dinge hingekommen sind. Es mußten also erst — dieser Aufgabe haben sich auch die großen Verbände unterzogen — geschichtliche Forschungen angestellt, Aktenforschungen durchgeführt werden, um festzustellen, ob es nicht während des Dritten Reiches Gesetze, Verordnungen oder Bestimmungen ,gegeben hat, die anordneten, wohin z. B. der Hausrat kam, der etwa in den besetzten Westgebieten in Städten an Tagen von Judenverfolgungen schlagartig beschlagnahmt worden war. Es hat sich herausgestellt, daß solche Gesetze und Verordnungen tatsächlich bestanden. Aus ihnen geht hervor, daß diese Gegenstände nach dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik oder nach Berlin zu verbringen waren. Ähnliche Verordnungen hat man für die Verbringung von Schmuck und Edelmetallen gefunden. Man weiß auch ganz genau, daß die in den
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6464 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Dr. Böhm
Konzentrationslagern von den Häftlingen abzugebenden Geld- und Wertsachen nach Berlin zur Reichsbank oder irgendwohin gebracht werden mußten. Das war eine Beweiserleichterung.Der einzelne Beraubte mußte aber noch angeben, was ihm geraubt worden war, welche Schmuckstücke, welche Möbel; er konnte nicht beweisen, ob seine Sachen unter den dorthin verbrachten sich wirklich befanden. Für diese Fälle haben dann wieder die Rückerstattungsbehörden und auch das Finanzministerium durch Rechtsverordnungen vorgesehen, daß den einzelnen Geschädigten Vergleichsangebote in Höhe von 80 % des Wertes gemacht werden sollten. Man nahm an, 80 % dieser Gegenstände sind damals tatsächlich hereingekommen. Jedem der damals Betroffenen wurden diese 80 % angeboten. Es war also schon vor der Einbringung der Novelle eine große Mühe aufgewendet worden, um das Rückerstattungsrecht auch für die kleinen Leute und für die kleinen Objekte anwendbar und praktikabel zu machen.Was man damals nicht vorausgesehen hat, das waren die große Zahl der Betroffenen wie überhaupt die Mehrausgabe, die in der Vergangenheit entstanden sind. Das ist, wie schon Herr Kollege Hirsch hier richtig gesagt hat, eine Folge der Riesenhaftigkeit der Verbrechen, die wir bei der Formulierung unserer Gesetze bei weitem nicht ermessen konnten und nicht richtig erkannt haben. Auch hier war es so, daß die Zahl derjenigen, denen diese Verbesserung des Gesetzes zugute kam, namentlich im Osten, außerordentlich groß war und daß die Anwendbarkeit des § 5 zu einem Massenproblem geworden war.Nun kam ein weiteres Ereignis dazu. Gerade in dem Augenblick — das habe ich heute früh schon ausgeführt —, in dem diese Akten gefunden waren und diese Beweiserleichterungen angeboten wurden, lief die Anmeldefrist aus. Hätten wir das gewußt, dann hätten wir die Anmeldefrist von vornherein länger gemacht. Sie lief also aus in dem Augenblick, in dem die kleineren Leute, die Verfolgten aus den Ostgebieten, eigentlich erst in den Genuß des Gesetzes kamen. Wir waren uns von allem Anfang an darüber einig, daß es bei diesem Fristablauf nicht sein Bewenden haben konnte, daß irgendwie geholfen werden sollte.Da boten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an. Die eine wäre gewesen, daß man die Fristen neu eröffnet und verlängert hätte; die andere wäre gewesen, irgendein Härteverfahren für die Fristversäumer anzubieten. Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsentwurf von vornherein dem Härteverfahren den Vorzug gegeben, und tatsächlich kommt, wie sich dann auch bei den Beratungen im Wiedergutmachungsausschuß gezeigt hat, dem Härteverfahren aus einer Reihe von sachlichen Gründen eine besondere Bedeutung zu. Ich würde für meine Person sagen, es kommt ihm der Vorzug vor der Wiedereröffnung der Fristen zu, und zwar gerade aus dem Gesichtspunkt, daß es sich bei der Abwicklung dieser Ansprüche um ein Massenproblem handelt, das bei der Durchschleusung durch einzelne Gerichte wie bisher angesichts der sehr fragwürdigen Beweisgrundlagen — die sind notwendig fragwürdig —I schlecht geregelt werden kann und auch zu Mehrausgaben, zu Belastungen des Haushalts führen würde, die ebenfalls ihren Grund vornehmlich in den Beweisschwierigkeiten haben.Nun waren wir im Wiedergutmachungsausschuß alle der Meinung, daß, wenn wir den Weg des Härteverfahrens statt des Weges der Wiedereröffnung der Fristen wählen, dann das, was wir den unschuldigen Fristversäumern an Stelle ihres vollen Anspruchs anbieten wollten, so beschaffen sein mußte, daß es doch dem vollen Anspruch nahekommt, ich würde sagen: mindestens zwei Drittel. Da waren also zunächst einmal die im Regierungsentwurf vorgesehenen Regelungen nach der Überzeugung der meisten Mitglieder des Wiedergutmachungsausschusses nicht weitgehend genug.Bei diesen Verhandlungen hat sich allerdings eine Schwierigkeit gezeigt. Ich möchte nicht sagen, daß hier ein Verschulden etwa der Bundesregierung vorliegt, sondern es ist eine objektive, sachliche Schwierigkeit. Normalerweise kommen bei uns die Gesetze in Gestalt eines Regierungsentwurfs zustande, auch sehr komplizierte Gesetze, die nur für Fachleute wirklich verständlich sind. Da ist es außerordentlich schwer, bei der Beratung dieser Gesetzentwürfe in den Ausschüssen mit den Regierungsvertretern zu einer Änderung zu gelangen, selbst wenn wichtige Gründe für eine Änderung vorliegen. Im Falle des Bundesrückerstattungsgesetzes handelt es sich zudem nicht um Ermessensfragen, sondern weitgehend um Rechtsfragen. Es handelt sich darum, ob Rechtspositionen nachträglich verschlechtert, ungünstiger gemacht werden. Das sind alles Dinge, die sehr sorgfältig zu erwägen sind.Da stehen wir ganz einfach vor einer technischen Schwierigkeit. Die Herren aus den Ministerien, die eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung vertreten, sind nicht berechtigt, von der Regierungsvorlage abzuweichen. Es ist beinahe unmöglich geworden, daß die Ausschüsse heute über die Ministerialdirektorenebene hinaus gelangen in Dingen, die von grundlegender Wichtigkeit sind, in denen die Ausschüsse darauf angewiesen sind, vielleicht auch in kleineren Gremien unmittelbar mit dem Minister zu verhandeln, so wie es gestern bei dem Herrn Bundeskanzler geschehen ist.Ich habe mich schon lange Zeit bemüht, das zu erreichen. Es ist eine objektive Schwierigkeit. Das ist in der Öffentlichkeit mit Verdruß erörtert worden — auch bei uns gelegentlich —, denn man hatte den Eindruck: die Dinge werden nicht mehr nach ihrem Gewicht beachtet. Das ist aber nach meiner Meinung falsch. Es ist eine objektive Schwierigkeit. Wir müssen auf dem Wege über die Geschäftsordnung dafür sorgen, daß in Zukunft — auch bei den BEG-Verhandlungen — die Verhandlungsart elastischer wird und daß den Ausschußmitgliedern die Möglichkeit, unmittelbar mit den entscheidenden Ministern die wichtigen Fragen durchzusprechen, besser geboten wird, als es in der Vergangenheit und diesmal der Fall war.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6465
Dr. Böhm
Aber wir 'haben alle daraus gelernt. Die Art und Weise, wie es diesmal gehandhabt worden ist und wie gestern die Konsequenzen gezogen worden sind, ist für uns alle ein Anlaß großer Freude gewesen. Auch ich möchte nicht verfehlen, Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, und auch dem Herrn Bundeskanzler für diese Erledigung der Angelegenheit zu danken, die wirklich mustergültig war und von der ich hoffe, daß sie Schule machen wird.Eine weitere Schwierigkeit für die gute Regelung, die wir jetzt gefunden zu haben glauben, bestand auch darin, daß es nicht nur Leute gab, die fristgerecht angemeldet hatten, und Leute, die die Frist versäumt hatten — wenn auch aus guten Gründen, weil sie nämlich, solange die Frist noch lief, keine Beweise hatten —, sondern daß es infolge der Rechtsprechung der Obersten Rückerstattungsgerichte von Berlin und Herford drei Kategorien von Leuten gibt. Zu der einen Kategorie gehören diejenigen, die die Frist versäumt haben. Vielleicht konnten sie sie auch nicht einhalten. Jedenfalls sind sie durch den Fristablauf gehindert worden, neue Beweismöglichkeiten wahrzunehmen. Das ist die eine Gruppe. Die andere Gruppe hat rechtzeitig angemeldet.Die dritte Gruppe hat überhaupt nichts zur Wahrnehmung ihrer Interessen unternommen und erfährt nun eines Tages von den Obersten Rückerstattungsgerichten, daß sie zu den Personen gehöre, die ich „Hans im Glück" nennen will. Diese Personen haben nicht mehr als ein Kreuzchen gemacht — ich möchte nicht sagen: sie haben keinen Finger gerührt, das ginge zu weit —. § 30 des alten Gesetzes bestimmt, daß derjenige, der einen rückerstattungsrechtlichen Anspruch im falschen Verfahren, nämlich im Entschädigungsverfahren, angemeldet hat, die Frist gewahrt hat, sofern der Anspruch nach idem Bundesentschädigungsgesetz fristgemäß angemeldet worden ist. Das ist eine sehr richtige Vorschrift. Sie gilt aber doch nur für diejenigen, die einen rückerstattungsrechtlichen Anspruch angemeldet haben, nicht aber für diejenigen, die in einer Rubrik des Vordrucks ein Kreuzchen gemacht haben, dem man nicht ansehen kann, ob es einen rückerstattungsrechtlichen Anspruch wiedergibt oder nicht. Diese Personen haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, in ihren Antrag hineinzuschreiben: Das und das ist mir dann und dann geraubt oder entzogen oder beschlagnahmt worden. Sie haben nichts anderes getan, als in der Rubrik „Eigentums- und Vermögensschäden" ein Kreuz zu machen.Die Rechtsprechung hat es dem Gesetzgeber außerordentlich erschwert, eine gerechte Lösung zu finden. Warum sollen die Personen, die „Hans im Glück" waren, ihre vollen Ansprüche geltend machen können und die anderen, die aus sehr wohlerwogenen Gründen und nach reiflicher Überlegung von einer Antragstellung abgesehen haben, auf den Härteausgleich verwiesen werden? Tatsächlich zwangen uns diese Entscheidungen der Obersten Rückerstattungsgerichte zu der Überlegung: Sollen wir allgemein die Fristen eröffnen? Aber da wir das Härteverfahren vorzogen, konnten wir uns dazu — übrigens aus sehr gewichtigen Gründen — nicht entschließen, und so blieb uns, um die Gerechtigkeit herzustellen, nichts anderes übrig, als den § 30 neu zu fassen und genau zu formulieren, daß nur solche Personen, die zwar im falschen Verfahren angemeldet, aber den Gegenstand, der ihnen entzogen worden ist, in der Anmeldung gekennzeichnet haben, berücksichtigt werden sollen. Nun befinden sich allerdings unter denjenigen, die bloß Formulare angekreuzt haben, einige Personen — es sind nicht sehr viele —, die infolge der Rechtsprechung ihre Ansprüche voll befriedigt bekommen haben. Dabei soll es auch bleiben. Für die anderen bringt allerdings die neue gesetzliche Regelung einen Nachteil. Aber der Unterschied, der sich ergeben würde, wenn wir diese „Hans im Glück"-Leute voll entschädigten und die anderen auf den Härteausgleich verwiesen, wäre im Hinblick auf das Prinzip der Gerechtigkeit viel weniger zu ertragen als die im Gesetzentwurf vorgesehene Lösung.Kollege Hirsch hat heute morgen gesagt, wir stellten das Verfassungsgericht durch die Änderung des § 30 vor eine schwierige Lage. Demgegenüber meine ich: wir als Gesetzgeber sind durch die Rechtsprechung der Obersten Rückerstattungsgerichte zu § 30 in eine außerordentlich schwierige Lage gebracht worden. Das ist auch wichtig für den Fall, daß die Sache, wie wir annehmen müssen, später vor das Verfassungsgericht kommt.Im großen und ganzen ist aber die Lösung, die wir jetzt gefunden haben, so, daß wir mit gutem Gewissen sagen können: das Härteausgleichsverfahren, das wir den Fristversäumern darbieten, ist fair. Es ist namentlich fair, wenn es so ausgelegt wird, wie es gedacht ist, und daß es so ausgelegt werden wird, hat Ihnen ja auch schon der Herr Bundesfinanzminister gesagt.So komme ich im großen und ganzen zu der Meinung, daß das Bundesrückerstattungsgesetz, das nun als erstes der Schlußgesetze über die Bühne geht, eine außerordentlich bemerkenswerte wiedergutmachungsgesetzgeberische und wiedergutmachungspolitische Leistung darstellt. Mein ganzes Hoffen und Trachten geht dahin, daß man von dem Bundesentschädigungsgesetz, das wir jetzt beraten, einmal etwas Ähnliches wird sagen können. Etwas Gleiches wird man sicher nicht sagen können. Dort wird aus gewissen Gründen sehr viel mehr Wasser in den Wein der Tugend fließen, schon wegen der Schwierigkeit der Materie. Aber mein Wunsch, mit dem ich schließen möchte, ist, daß wir uns den Ausgang unserer Arbeiten an der Novelle des Bundesrückerstattungsgesetzes als Maßstab für unsere künftigen Arbeiten an der Wiedergutmachungschlußgesetzgebung setzen mögen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Wer sich weder durch Beruf noch durch lange Parlamentstätigkeit intensiv mit der Wiedergutmachungsgesetzgebung beschäftigen mußte, der wird manchmal ein wenig
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Spitzmüllerkopfscheu, wenn er dann als Anfänger im Wiedergutmachungsausschuß tätig werden muß. Denn manchmal versucht er am Ende doch vergeblich, den roten Faden des Rechts in diesem Gesetz zu finden, und wenn er glaubt, ihn gefunden zu haben, dann steht er plötzlich wieder vor einer Wand. Das rührt einmal daher, daß das Wiedergutmachungs-und hier das Rückerstattungsrecht aus vier alliierten Gesetzen, die gewisse unterschiedliche Texte haben, in einem gemeinsamen deutschen Gesetz zusammengefaßt werden mußte, aber wegen bestimmter alliierter Vorrechte nicht in einem einheitlichen Guß gegossen werden konnte.Dieses Gesetz der Rückerstattung geht zum anderen vom Territorialprinzip aus, und da darf ich nur auf wenige Beispiele hinweisen, um Ihnen deutlich zu machen, weshalb manchmal diese große Klage geführt wird, daß die Wiedergutmachung und hier besonders die Rückerstattung eigentlich nicht gut oder nicht richtig oder so unterschiedlich sei.Ein erstes Beispiel: In Wien eine Razzia bei Verfolgten. Es werden Schmuckstücke beschlagnahmt. Diese Schmuckstücke werden in eine Scheideanstalt eingeliefert, werden dort eingeschmolzen und kommen so als kleines Teil eines Goldbarrens nach Frankfurt am Main. Der Verbringungsnachweis ist erbracht, daß diese Schmuckstücke in Form von eingeschmolzenem Gold nach Frankfurt gekommen ist, und damit besteht ein Rückerstattungsanspruch, aber eben nur in Höhe des Goldwertes. Ware dasselbe Schmuckstück an einem anderen Tage beschlagnahmt worden, an dem nachweislich die Schmuckstücke uneingeschmolzen nach Frankfurt abgeliefert werden mußten, dann wäre ein Anspruch auf volle Rückerstattung des wirklichen Wertes dieses Schmuckstückes gegeben. Das gibt dann natürlich große Schwierigkeiten und Unterschiede.Ein anderes, noch krasseres Beispiel: In Ungarn werden Schuhfabriken beschlagnahmt. Die dort vorgefundenen Schuhe werden an die dortige Bevölkerung verteilt, weil vielleicht der Verwalter kein so unabdingbarer Anhänger des Systems war und meinte, man sollte der dortigen Bevölkerung auch etwas zugute kommen lassen. Das Geld kommt nach Deutschland. Ergebnis: Geld ist überhaupt kein feststellbares Surrogat, es besteht überhaupt kein Anspruch auf Rückerstattung. Sind die Schuhe auf einem Donaudampfer nach Passau gelangt, dann besteht Anspruch auf den Wert dieser Schuhe, die in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik eingebracht worden sind, in voller Höhe. Sind die Schuhe aber nachweisbar im Eisenbahnwaggon nach Schlesien transportiert worden, dann ist wieder nichts zu machen, dann besteht kein Entschädigungsanspruch.Nun, ich glaube, Ihnen mit diesen wenigen Beispielen vor Augen geführt zu haben, daß es recht schwierig ist, sich als Neuling in diese Materie einzuarbeiten. Aber wir haben uns im Unterausschuß wie im Ausschuß, manchmal von unterschiedlichen Standorten ausgehend, bemüht, in einer guten Atmosphäre eine gute Abschlußnovelle zu schaffen. Ich bin sehr glücklich, daß nun wahrscheinlich doch noch eine einmütige Beschlußfassung des Deutschen Bundestages über diese Novelle erreicht wird — wir Freien Demokraten begrüßen das —, obwohl bis I gestern eigentlich große Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungsparteien und Opposition bestanden. Aber glücklicherweise ist es durch die Einberufung einer Sitzung durch den Herrn Bundeskanzler und durch die Bemühungen des Herrn Finanzministers Dr. Dahlgrün in letzter Minute gelungen — wie heute schon so oft angeführt worden ist —, einen Kompromiß zustande zu bringen. Er beinhaltet natürlich, was einem Krompromiß immer innewohnt, daß ihm die einen mehr, die anderen weniger beglückt ihre Zustimmung geben. Immerhin, wir sind glücklich, daß das möglich geworden ist und daß wir damit auf diesem wichtigen Teilgebiet der Wiedergutmachung des durch die Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes entstandenen Unrechts zu einer abschließenden Regelung kommen. Der jetzt erzielte Kompromiß wird nicht nur den Belangen der Geschädigten gerecht, sondern es wird auch Klarheit über die Leistungen und über die Beträge geschaffen, die der Bundesfinanzminister und damit der Haushaltsausschuß und das Parlament in den nächsten Jahren in den Haushalt einzubauen haben.Ich möchte noch auf etwas anderes eingehen, was in der Presse in den letzten Wochen gelegentlich hochgespielt wurde und was auch hier einmal anklang. Es sind Äußerungen zu hören und zu lesen, man müsse befürchten, daß die Bundesrepublik ihren Verpflichtungen zur Wiedergutmachung nicht mehr nachkommen wolle oder sich ihnen gar entziehen wolle. Ich glaube, man kann heute bei der Verabschiedung dieser Novelle feststellen, daß solche Befürchtungen nicht berechtigt gewesen sind. Durch diese Novelle wird eine wesentliche Verbesserung erreicht. Damit wird doch eigentlich das Gegenteil dieser geäußerten Befürchtungen bewiesen. Alle die Regelungen, die wir in dieser Novelle treffen, gehen weit über das hinaus, wozu wir rechtlich durch das Überleitungsabkommen zum Deutschland-Vertrag oder durch die Haager Abmachungen mit der Claims Conference verpflichtet wären. Wir gehen also auf Grund der Tatsache, daß wir leistungsfähiger geworden sind, über das hinaus, zu dem wir uns in Vereinbarungen mit einem Vertragspartner verpflichtet haben. Es wird durch diese Novelle eine Steigerung von 1,5 Milliarden DM, aus denen im letzten Bundesrückerstattungsgesetz effektiv 2,2 Milliarden DM geworden waren, auf 4 bis 4,2 Milliarden DM, also praktisch eine Verdoppelung erzielt. Da kann man doch nicht von Wiedergutmachungsunwilligkeit sprechen. Es findet eine hundertprozentige Befriedigung statt, obwohl nach dem letzten Gesetz, das der Bundestag verabschiedet hatte, durchaus auch eine Befriedigung zu nur 50, 60 oder 80% möglich gewesen wäre. Eine Erweiterung der Schadensersatzpflicht für die in OstBerlin entzogenen Gegenstände ist von der Regierung vorgesehen gewesen und durch den Ausschuß sogar noch im Sinne der Verfolgten verbessert worden. Ein beachtlicher Härtefonds für bekannte Tatbestände und für vielleicht noch bekanntwerdende Fälle ist geschaffen worden. Die Auszahlung wird wesentlich beschleunigt, so daß die über 65jährigen bereits Anfang 1965 in den Besitz des vollen Betra-
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Spitzmüllerges kommen, sofern sie bereits im Besitz eines Rechtstitels sind. Die Wohnsitzvoraussetzungen für die Entschädigung für eine Entziehung von Vermögensgegenständen im Ostsektor sind gegenüber dem Regierungsentwurf verbessert worden. In zwei Punkten ist eine Angleichung der Rechtslage vorgenommen worden; denn die Rechtsprechung der alliierten Gerichte der amerikanischen und der britischen Zone war auseinandergegangen. Auch das ist eine Lösung im Sinne der Verfolgten. In § 44 ist darüber hinaus ein zusätzlicher Härtefonds von 10 Millionen DM für juristische Personen, soweit sie gemeinnützigen Charakter haben, geschaffen worden.Letztendlich findet auch — zwar erst ab 1967 — eine Verzinsung statt, obwohl nach den Abmachungen mit der Claims Conference eine Verzinsung nur hätte stattfinden müssen, wenn die Leistungen unter 1,5 Milliarden DM geblieben wären.Also alles in allem gesehen kann man sagen: es sind viele, aber leider natürlich nicht alle Wünsche berücksichtigt worden, weil eben alle Wünsche aus den verschiedenartigsten rechtspolitischen und auch finanzpolitischen Gründen nicht erfüllbar gewesen sind, wenn wir die rechtlichen und sozialen Verpflichtungen auf anderen Sektoren in den Kreis unserer Betrachtungen einbeziehen.Wir Freien Demokraten werden dem Gesetz in der Überzeugung zustimmen, daß das Parlament die im vorliegenden Gesetz erreichten Verbesserungen im Interesse der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen begrüßen kann. Wir sind froh, daß diese vorzüglichen Leistungsverbesserungen möglich wurden dank der Kraft unserer Wirtschaft und des Könnens und des Fleißes sowie der Abgabebereitschaft unserer Bürger.
Dais Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein kurzes Schlußwort zu drei Punkten. Herr Professor Böhm hat beanstandet, daß es nicht möglich gewesen sei, die Spitze des Ministeriums in die Ausschußberatungen hineinzubekommen. Wir haben Ausschußwochen und Ausschußtage, wo mindestens alle wichtigen Ausschüsse des Hohen Hauses gleichzeitig tagen. Ich möchte Herrn Professor Böhm bitten, mir einmal vorzumachen, wie ich in 26 oder 25 oder 22 Ausschüssen gleichzeitig sein kann, ganz abgesehen davon, daß, soweit ich mich erinnere, in einem einzigen Falle eine Bitte des Wiedergutmachungsausschusses nicht erfüllt werden konnte, weil er in Berlin tagte und ich hier in Bonn bleiben mußte.
Punkt zwei: Bei allem Wohlwollen und allem Lob das mir Herr Kollege Hirsch gespendet hat, hat er doch recht scharfe Kritik geübt.
Er hat gesagt, wenn ich früher, nämlich im Januar, bereit gewesen wäre, das zuzugestehen, was gestern mittag verabredet worden ist, hätte die Sache im Januar erledigt sein können. Herr Kollege Hirsch, das ist maßlos billig, was Sie da gesagt haben. Denn wenn eine Vereinbarung zustande kommen soll, gehört es sich, daß beide Teile aufeinander zukommen, und das war im Januar sicher nicht möglich.
Drittens. Herr Kollege Hirsch hat kritisiert, daß ich voller Stolz die Leistungen der Wiedergutmachung in Zahlen ausgedrückt hätte. Meine Damen und Herren, ich bringe diese Zahlen nicht voller Stolz vor; denn ich weiß ganz genau, daß z. B. der Schaden, den die Toten und diejenigen erlitten haben, deren Gesundheit geschädigt worden ist, mit Geld überhaupt nicht gutgemacht werden kann.
Also kein Stolz, Herr Kollege Hirsch! Aber ich habe mich für diese Sache jetzt anderthalb Jahre bemüht. Ich bemühe mich aber auch, Herr Kollege Hirsch, die Leistungen adäquat und im Rahmen zu halten, damit sie auch im Laufe der weiteren Jahre noch erbracht werden können.
Damit erfülle ich eine Verpflichtung gegenüber allen, nicht zuletzt gegenüber denen, die wiedergutmachungsberechtigt sind.
Ich schließe die dritte Beratung.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Fassung der Vorlage zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich darf die einstimmige Annahme des Gesetzes feststellen.Wir haben dann noch über die Ziffer 2 des Antrages des Ausschusses abzustimmen, die eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ich nehme das Einverständnis des Hauses an.Ich komme dann auf den ausgesetzten Punkt—Neugliederung des Bundesgebietes, Drucksache IV/2176, Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses — zurück. Der Ältestenrat hat die Angelegenheit besprochen und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Antrag auf Vertagung nach § 30 der Geschäftsordnung zulässig ist.Es ist dann zwischen den Fraktionen eine Übereinstimmung darüber erzielt worden, daß die Angelegenheit heute abgesetzt, aber Anfang Oktober wieder aufgrufen werden soll und daß dann über die weitere Behandlung entschieden werden soll. Ich nehme das Einverständnis des Hauses an. — Ich Ich höre keinen Widerspruch.
Wir nehmen dann die unterbrochene Beratung des Tagesordnungspunktes 3 — Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgeset-
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Vizepräsident Dr. Dehlerzes — wieder auf. Wir stehen bei dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 507 *).Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der noch vor uns liegenden sehr umfangreichen Tagesordnung für heute und für die beiden nächsten Tage sowie angesichts der schon fortgeschrittenen Zeit will ich mich sehr kurz fassen.
Hier geht es um folgendes. Sie wissen aus der zweiten Lesung des Gesetzes und aus den Beratungen des Rechtsausschusses, daß ein großer Teil der Abgeordneten eine Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Richter im Gesetz vorzunehmen wünschte. Im Zusammenhang hiermit sollte statt des Schlußgehörs nur eine Schlußanhörung stattfinden, bevor der Staatsanwalt die Anklage erhebt.
Wir sind jetzt aus wohlerwogenen Gründen im Rechtsausschuß wieder zu der Regierungsvorlage zurückgekehrt und haben wieder das Schlußgehör geschaffen, während wir die nicht praktikable Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Richter wieder fallengelassen haben. Stehengeblieben ist jedoch § 202 a, der folgendes beinhaltet:
Das Gericht kann auf Antrag des Angeschuldigten oder der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen eine mündliche, nicht öffentliche Verhandlung anordnen. In der Verhandlung können einzelne Beweise erhoben werden.
Ich darf grundsätzlich zum Verfahrensrecht auf folgendes hinweisen. Es hat auf mich großen Eindruck gemacht, daß ein in der Wissenschaft so anerkannter Rechtslehrer wie Professor Eberhard Schmidt im Zusammenhang mit dieser kleinen Strafprozeßnovelle eindringlich darauf hingewiesen hat, wie notwendig es sei, daß ,gerade im Verfahrensrecht klare Regelungen getroffen werden und nach Möglichkeit nicht mit Kann-Vorschriften gearbeitet wird. Insofern hat er, glaube ich, Recht, und wir lassen grundsätzlich die Revision immer dann zu, wenn Verfahrensvorschriften nicht richtig angewandt worden sind. Nur klar formulierte Verfahrensvorschriften sind letzten Endes auch die Garanten für ein gerechtes Verfahren.
Hier finden wir nun eine neue Kann-Vorschrift. Wir haben im Schlußgehör für den Staatsanwalt, bevor er die Anklage erhebt, die Möglichkeit, mit dem Beschuldigten und mit dessen Verteidiger ein Gespräch zu führen, die Gründe anzuhören und dabei auch schon die Frage weiterer Beweise zu besprechen. Wenn jetzt hier noch eine weitere mündliche Verhandlung vor der Hauptverhandlung kommt, dann ist das ein Zuviel, da dem Angeschuldigten an einem schnellen Urteil gelegen ist. Aber es kommt noch etwas hinzu. Es wurde bei der Prüfung der Frage der Trennung des erkennenden von dem eröffnenden Richter geltend gemacht, daß ohne dies doch eine gewisse psychologische Vorbelastung bestände. Aber, meine Damen und Her-
*) Siehe Anlage 9 ren, die ist natürlich noch wesentlich stärker, wenn das Gericht, das nachher in der öffentlichen Hauptverhandlung über schuldig und nichtschuldig entscheiden soll, schon vorher in einem nichtöffentlichen Verfahren verhandelt. Das ist sehr gefährlich; denn da ist natürlich die Gefahr sehr groß, daß das Gericht bzw. der Richter schon ein Vor-Urteil im wahrsten Sinne des Wortes fällt und nachher in der Hauptverhandlung voreingenommen ist. Ich möchte insofern auch die Kollegen, die seinerzeit bei der Besprechung im Bundesjustizministerium mit den Wissenschaftlern, mit den Richtern, mit den Praktikern zusammen waren, doch daran erinnern, wie dort von allen Seiten ganz dringend vor einer derartigen Vorverhandlung gewarnt wurde. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag auf Streichung dieses § 202 e, der auch nicht in der Regierungsvorlage war, sondern im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Zwischenverfahrens hereingekommen ist, stattzugeben.
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen. Die Regelung, auf die wir uns schließlich im Rechtsausschuß geeinigt haben, ist ja keineswegs befriedigend, was dieses Thema anbetrifft. Die Wiederherstellung der Regelung des Schlußgehörs kann in der Tat kein wirksamer Ersatz sein. Das Schlußgehör ist und bleibt systemfremd. Daß dem Staatsanwalt am Ende seiner Ermittlungen noch einmal auferlegt wird, mit dem Beschuldigten ein Gespräch zu führen, ist sicherlich eine nützliche Sache. Ob es dazu einer gesetzlichen Regelung bedarf, will ich hier nicht weiter erörtern. Wer Idas als Staatsanwalt tun will, kann es auch heute schon tun.Das, worum es in § 202 a geht, ist etwas ganz anreres, nämlich bevor die unserer Meinung nach sehr wichtige und für den Angeschuldigten folgenreiche Entscheidung getroffen wird, ob eine Hauptverhandlung stattfindet, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist, ihm noch einmal Gelegenheit zu geben, da, wo es notwendig ist, vor dem Richter seine Einwendungen gegen die Beschuldigungen, die in der Anklage enthalten sind, vorzutragen, sich mit dem Richter darüber auseinanderzusetzen, ob dieser so weitgehende Schritt notwendig ist. Mit der eingefügten Bestimmung des § 202 a ist nichts anderes gemeint als eine notwendige Erweiterung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Dabei sollten wir es belassen.Der einzige Einwand, der von den vielen Gegenstimmen einiges Gewicht zu haben scheint, könnte der sein, daß man innerhalb der Verfahrensordnung möglichst klare und eindeutige Vorschriften haben soll. Das ist durchaus richtig. Aber, verehrte Frau Kollegin, diese Vorschrift ist klar. Sie besagt nämlich nichts anderes, als daß die Möglichkeit geschaffen wird, in einem bestimmten Verfahrensabschnitt auch noch einmal rechtliches Gehör zu gewähren. Da kann ich auch beim besten Willen keine Unklarheit und keine Belastung des Verfahrens herauslesen. Mich vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen.
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JahnWir sollten es deshalb bei der getroffenen Regelung belassen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus?
Herr Kollege Jahn, glauben Sie nicht, daß diese Vorschrift in der Handhabung doch zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem ob ein Richter eine derartige Verhandlung grundsätzlich bejaht oder nicht, so daß er einem Antrag stattgibt oder nicht stattgibt? Seine Entscheidung ist dann jedenfalls unanfechtbar. Es wird also jeweils von der subjektiven Einstellung des Richters abhängen, und das ist keine klare Regelung mehr. Ein Richter wird die Anträge ungleich behandeln.
Hier, meine ich, besteht gar kein Grund, so mißtrauisch gegenüber der Praxis zu sein; denn von einer solchen Regelung wird mit Sicherheit nur dann und nur dort Gebrauch gemacht, wo es von den Beteiligten, die ein Interesse an einer solchen Verhandlung haben, beantragt wird. Das wird nicht die Regel sein, sondern nur in den Fällen so sein, wo im Rahmen des Eröffnungsverfahrens ernsthaft Fragen zur Erörterung stehen. Ich meine, wir haben durchaus Grund, darauf zu vertrauen, daß von dieser Regelung in der Praxis vernünftiger Gebrauch gemacht wird. Ich bin nicht bereit, grundsätzlich davon auszugehen, daß das nicht geschehen kann. Auch das kann also kein Argument gegen diese Regelung sein.
Ich spreche mich noch einmal für ihre Beibehaltung und damit für die Ablehnung des Streichungsantrags aus.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, warum wir uns über die Existenz des § 202 a so lange und so eingehend unterhalten müssen. Der § 202 a sagt doch nichts anderes, als daß das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag eine öffentliche mündliche Verhandlung über eine sehr wichtige Frage, nämlich ob das Hauptverfahren zu eröffnen sei oder nicht, anordnen kann. Er sagt dann in dem zuletzt noch vom Rechtsausschuß hinzugefügten dritten Absatz, daß die Entscheidung, die das Gericht darüber fällt, ob im Zwischenverfahren mündlich verhandelt werden soll, nicht angefochten werden kann. Das ganze Verfahren ist also unschädlich und kann vor allen Dingen nicht zu irgendeiner Verzögerung oder Verschleppung führen.
Ich hätte eigentlich von Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, erwartet, daß Sie mit Ihrem in diesem Hause gewohnten Charme folgendes gesagt hätten: Wir von den Freien Demokraten sind der Meinung, daß das Eröffnungsgericht die Freiheit haben soll, eine mündliche Verhandlung über die Eröffnung des Hauptverfahrens anzuordnen oder nicht anzuordnen. Nichts anderes als diese Freiheit wollen wir den Richtern geben, und für Freiheit sind wir doch alle. Deshalb sollten wir alle für den § 202 a sein.
Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 507 vorbehaltlich der Entscheidung über den Antrag Umdruck 501 Ziffer 1, wonach § 202 b gestrichen werden soll. Wir können zunächst insgesamt abstimmen. Wer dem Antrag Umdruck 507 zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe dann auf den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka, Dr. Weber und Genossen auf Umdruck 501 *) Ziffer 1. Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Kanka!
Meine Damen und Herren! Der Antrag, den wir auf Umdruck 501 zu § 202 b gestellt haben und der darauf abzielt, daß dieser Paragraph mit leicht verändertem Inhalt in den § 209 übergeführt werden soll, hat etwas rein Redaktionelles zum Gegenstand. Er ist mit den Herren des Bundesjustizministeriums abgestimmt, die uns bei unserer Arbeit durch treuliche Entwurfshilfe sehr unterstützt haben und denen ich für diese unterstützende Arbeit an dieser Stelle danken möchte.
Der Zweck dieser Vorschrift ist es, die staatsanwaltschaftliche Entscheidung, wo die Anklage durchgeführt werden soll, in weitestem Umfange richterlicher Kontrolle zu unterwerfen, und zwar an der Stelle, an der es zu geschehen hat, nämlich in § 209. Das Hohe Haus möge diesem Antrag einstimmig zustimmen!
Können wir abstimmen? — Wir stimmen dann über den Antrag auf Umdruck 501 unter Ziffer 1 .ab.
— Besteht darüber Einverständnis? — Dann rufe
ich also den Umdruck 501 insgesamt auf. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Einstimmige Annahme. Damit ist also in Artikel 7 Nr. 7 a eingefügt.
Wir kommen nunmehr zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka, Dr. Weber und Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 499 *) betr. Änderung des § 354 Abs. 2. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei § 354 Abs. 2 geht es darum, wie zu verfahren ist, wenn das Revisionsgericht ein mit der Revision angefochtenes Urteil aufgehoben hat. Nach idem geltenden Recht wird dann in der Regel die Sache an dasselbe Gericht, an dieselben*) siehe Anlage 10*) Siehe Anlage 11
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6470 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Dr. KankaRichter zurückverwiesen — in der Regel! —, und nur ausnahmsweise, wenn das Revisionsgericht etwas anderes bestimmt, kann die Sache an ein anderes Gericht gleichen Ranges oder, wenn es ein solches Gericht nicht gibt, beispielsweise in den Stadtstaaten, an eine andere Kammer oder Abteilung des Gerichts, verwiesen werden.Der Zustand, daß die Sache, wenn die Revision erfolgreich war, in der Regel wieder an dieselben Richter zurückgeht, hat uns allen im Rechtsausschuß nicht gefallen. Wir waren der Meinung, er müsse geändert werden. Die Änderung des § 354 Abs. 2 in der Ihnen vorliegenden Fassung geht aber weit über das Ziel hinaus. Die Änderung lautet, daß in den Fällen, in denen das Urteil auf die Revision hin aufgehoben worden ist, die Sache immer an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung verwiesen werden muß und daß sie nur dann, wenn das nicht möglich ist, weil ein anderes Gericht gleicher Ordnung in dem betreffenden Lande oder in einem unserer Stadtstaaten nicht besteht, an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichts, dessen Urteil aufgehoben wird, verwiesen werden soll.Man geht, um es noch einmal zu sagen, damit doch zu weit. Wir meinen, daß mit der Regelung, die wir vorschlagen, das, was wir erreichen wollen, vollauf erreicht wird und daß diese Regelung besser ist. Unser Vorschlag geht dahin, daß in den Fällen, in denen die Revision von Erfolg ist und das Urteil aufgehoben wird, die Sache grundsätzlich an andere Richter gehen soll, und zwar nach der Bestimmung des Revisionsgerichts entweder an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichts, von dem die Sache gekommen ist, oder, wenn das Revisionsgericht der Meinung ist, hier solle die Sache an ein ganz anderes Gericht gehen, an ein zu demselben Land gehörendes .anderes Gericht gleicher Ordnung.Wohin kommen wir in der Praxis, wenn wir es bei § 354 Abs. 2 in 'der Ausschußfassung lassen? In irgendeiner Stadt, in Frankfurt am Main, begeht einer eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung. Er läßt es darüber zu einer mündlichen Verhandlung kommen, weil er der Meinung ist, daß er zu Unrecht mit einer Strafe belegt worden sei. Er wird verurteilt. Er kann gegen dieses Urteil Revision einlegen. Die Revision geht nach unserem geltenden Recht an das Oberlandesgericht Frankfurt, und nun soll, wenn das, was in der Ausschußfassung des § 354 Abs. 2 vorgesehen ist, Gesetz würde, das Oberlandesgericht Frankfurt die Sache absolut nach Offenbach, zu mir, verweisen oder nach Bad Vilbel oder nach Mainz. Das ist doch völlig überflüssig. Der Zweck, der erreicht werden soll, wird erreicht, wenn man anordnet, daß die Sache an eine andere Abteilung des Gerichts verwiesen wird.Ich glaube, daß zu diesem Punkt im Interesse unserer Rechtspflege auch der Herr Bundesjustizminister einmal das Wort ergreifen sollte. Das Haus aber bitte ich, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 499 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reischl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie namens meiner Fraktion bitten, den Änderungsantrag der Herren Kollegen Dr. Güde, Dr. Kanka, Dr. Weber sowie der CDU- Fraktion abzulehnen.Wir haben in der zweiten Lesung die jetzige Fassung, die auch vom Rechtsausschuß aufrechterhalten worden ist, hergestellt aus einer Reihe von recht guten und in der zweiten Lesung bereits vorgetragenen Gründen. Ich möchte sie mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit nicht alle wiederholen, aber ich möchte die neue Fassung zunächst einmal gegen den Vorwurf verteidigen, sie schieße über das Ziel hinaus.
Es ist letzten Endes doch so, daß es in einer guten Reihe von kleinen Landgerichten — und gerade in unserem Lande, in Bayern, gibt es eine ganze Menge davon — nur eine einzige Strafkammer gibt und daß infolgedessen dann an eine Ersatzbesetzung dieser Strafkammer verwiesen werden müßte, nämlich an die, die stellvertretend eintritt, wenn einmal die ganze Kammer ausgeschlossen wäre, was aber kaum je vorkommt, oder eben doch an ein anderes Gericht verwiesen werden muß. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es so große Schwierigkeiten machen würde, es grundsätzlich bei einer Verweisung an das andere Gericht zu belassen, wie wir es vorgeschlagen haben und wie es auch der Rechtsausschuß vorgeschlagen hat.Der schwerstwiegende Grund aber scheint mir folgender zu sein. Man kann es, wenn zunächst einmal grundsätzlich beide Möglichkeiten nebeneinander bestehen, machen, wie man will. Natürlich sind die Richter des Gerichts, dessen Urteil aufgehoben worden ist, nicht so überempfindlich, wie das manchmal dargestellt wird. Aber man sollte doch nicht vergessen, daß es für sie schon eine gewisse Beeinträchtigung bedeutet, wenn der Bundesgerichtshof, vor beide Möglichkeiten gestellt, nun hergeht und in diesem Fall ohne Begründung — das braucht er ja nicht — plötzlich an ein anderes Gericht verweist. Das war meines Erachtens der schwerstwiegende Grund, warum wir uns in zweiter Lesung entschlossen haben, diesen Antrag anzunehmen. Wenn die Entscheidung völlig in das freie Ermessen des oberen Gerichts gestellt ist und dieses Gericht nicht zu begründen braucht, warum es in dem einen Fall die Sache zurückverweist und in dem anderen Fall die Sache an das Nachbargericht verweist, dann bleibt immer ein Rest, ein Makel, der zwar keiner sein sollte, aber von den Richtern als solcher empfunden wird. Ich komme selber aus dem Richterstand und kann deswegen sehr wohl nachempfinden, wie es empfunden wird, wenn eine Sache an ein anderes Gericht verwiesen wird. Schon aus diesem Grunde möchte ich doch bitten, es bei der Lösung zu belassen, daß grundsätzlich an ein anderes Gericht verwiesen werden muß. Dann ist eben von vornherein klar, daß die Sache nicht mehr zurückkommt.Und glauben Sie mir: Psychologisch ist es für den Angeklagten und für seinen Verteidiger halt doch auch ein Vorteil. Der Angeklagte ist ein Laie, der
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6471
Dr. Reischlin der Regel und meines Erachtens aus seiner laienhaften Vorstellung heraus mit Recht meint: jetzt bin ich wieder vor denselben Richtern gelandet!
— Ja, wenn es möglich ist.
— Aber am kleinen Gericht ist es meistens nicht möglich.Wir sollten es also bei der Lösung der zweiten Lesung belassen, damit nicht in dem einen Falle an dasselbe Gericht verwiesen wird und in dem anderen Falle nicht.Ich darf Sie daher bitten, es bei der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zu belassen und den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Aus den sachlichen Gründen, die von Ihnen, Herr Kollege Dr. Reischl, vorgetragen worden sind, schließen wir uns Ihrer Auffassung an. Auch wir werden den Antrag der Kollegen Güde, Kanka und Fraktion der CDU/CSU ablehnen.
Um diese Frage hier nochmals ganz klarzustellen: Die gesamte Regelung erfolgt nicht so sehr aus einem Mißtrauen gegenüber den betroffenen Richtern, obgleich es durchaus in der menschlichen Natur liegt, daß die Entscheidungsfreudigkeit des Richters nicht gefördert ist, wenn er erneut über eine Sache entscheiden muß, die ihm von der höheren Instanz zurückverwiesen worden ist. Der entscheidende Grund ist vielmehr, daß in den Augen des Angeklagten nicht der Richter oder das Gericht, die bereits einmal über die Dinge entschieden haben, wiederum entscheiden. Das ist von Herrn Kollegen Dr. Reischl soeben eingehend begründet worden.
Im Rechtsausschuß ist ebenso entschieden worden, wie wir hier in der zweiten Lesung abgestimmt haben. Auch wir möchten es daher bei der getroffenen Regelung belassen, auch deshalb — um das noch einmal zu wiederholen —, weil wir das Revisionsgericht nicht vor das unlösbare Problem stellen wollen, in welchen Fällen es an ein anderes Gericht und in welchen Fällen es lediglich an eine andere Abteilung zurückverweist.
Aus diesem Grunde werden wir den Antrag ablehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kanka hat mich so freundlich aufgefordert, auch einmal etwas zu sagen. Nun habe ich heute schon zweimal etwas gegen ihn gesagt, Ich darf also auch einmal etwas für ihn sagen.
Zunächst muß ich allerdings einen Irrtum berichtigen. Der Herr Kollege Kanka hat in Vorwegnahme der Neugliederung des Bundesgebietes Mainz nach Hessen eingegliedert. Das sollte doch berichtigt werden.
Aber sonst halte ich seinen Antrag für richtig. Ich finde, der Vorschlag, der hier gemacht wird, gibt eine beweglichere Lösung, die allen Fällen gerecht werden kann. Der Herr Kollege Busse hat sicher mit Recht darauf hingewiesen: der Grund dafür, daß wir — darin sind wir uns ja alle einig — die Verhandlung nach Rückverweisung nicht mehr bei demselben Gericht haben wollen, liegt nicht darin, daß wir Mißtrauen gegen die Richter haben, sondern er liegt darin, daß wir von vornherein jeden Anschein nehmen möchten, der den rechtsuchenden Staatsbürgern zu einem Mißtrauen verleiten könnte.
Aber dieser Grund hat doch nur insoweit Berechtigung, als wir zugeben müssen: Es kann für den Beschuldigten wirklich eine unangenehme Situation sein und in ihm unangenehme Gefühle wecken, wenn er sich sagen muß: Ich stehe vor demselben Richter oder vor denselben Richtern, denselben Personen, die schon einmal in meiner Sache ,geurteilt haben, und ich soll denen zutrauen, daß sie nun über ihren eigenen Schatten springen und ein anderes Urteil fällen? Aber wir können doch nicht so weit geben, dem Beteiligten auch noch zuzubilligen, daß er sagt: Nun stehe ich in denselben Räumen desselben Gerichts, zwar vor anderen Richtern, aber ich habe die Befürchtung, daß die aus einer Art richterlicher Kameraderie nach dem Motto „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" oder ähnlichem nun an dem Urteil ihres Kollegen oder ihrer Kollegen, die das erste Mal daran mitgewirkt haben, nichts ändern wollen. So weit sollten wir nicht gehen.
Dann gibt es auch viele Fälle, in denen Urteile nur teilweise aufgehoben werden. Hier ist es unpraktikabel, sie an ein anderes Gericht zurückzuverweisen.
Schließlich — das darf ich mit aller Zurückhaltung andeuten — ist es einstimmige Auffassung der Landesjustizverwaltungen, daß man es machen soll, wie hier in dem Antrag der CDU-Fraktion vorgeschlagen. Ich weiß, es wird hier im Hause nicht gern gehört, wenn man den Teufel des Vermittlungsausschusses an die Wand malt. Ich betone deshalb nur, daß es die einstimmige Ansicht der Justizverwaltungen ist. Wir sind sowieso mit diesem Gesetz ziemlich weit in Verzug geraten, so daß es bei dieser nicht gerade hochbedeutenden Frage doch zweckmäßig wäre, dem Antrag Güde, Kanka und Genossen zuzustimmen.
Wir stimmen nunmehr ab über den Änderungsantrag Güde und Fraktion der CDU/CSU .auf Umdruck 499. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! Ich bitte, die Abstimmung durch Erheben zu wiederholen. Wer
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6472 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Vizepräsident Dr. Dehlerzustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Der Vorstand ist sich .nicht einig. Wir müssen auszählen.Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 165, mit Nein 153, Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag Umdruck 499 ist angenommen. Damit sind wir am Schluß der Einzelberatung.Nach der Geschäftsordnung geht der Einzelberatung .die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung an sich vor, das ist aber anscheinend heute nicht geschehen. Es bestehen keine Bedenken des Hauses, daß wir die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung noch durchführen? — Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Kanka das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute vormittag im Hammelsprung dem § 112 der Strafprozeßordnung wieder einen Abs. 4 hinzugefügt. Das hat zur Folge, daß wir nun in Art. 15 a, in dem es heißt:
Das Grundrecht der Freiheit ,der Person . . . wird nach Maßgabe des § 112 Abis. 3 . . . eingeschränkt.
hinzufügen müssen: „und 4", wie es in der früheren Fassung der Fall war.
Ich beantrage also nichts anderes, als die redaktionelle Konsequenz aus dem heute vormittag gefaßten Beschluß zu ziehen und hinter „§ 112 Abs. 3" noch hinzuzufügen „und 4".
Der Antrag geht also dahin, dem Beschluß des Bundestages zu § 112 Rechnung zu tragen und den Art. 15 a zu ergänzen. Dort muß es jetzt heißen: „§ 112 Abs. 3 und 4". — Ich stelle das Einverständnis fest.
Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Abschluß der Einzelberatung stehen wir am Ende eines sehr langen Leidensweges der Behandlung dieser Strafprozeßnovelle. Unsere Strafprozeßordnung hat ein ehrwürdiges Alter; sie stammt aus dem Jahre 1877. In den vergangenen Jahrzehnten ist sie recht häufig Gegenstand von Novellen gewesen. An ihr ist in einem besonders großen Maße herumgeflickt worden, und wir fügen ihr nun einen neuen Flicken an, einen großen und, so ist man versucht zu sagen, auch einen schönen Flicken. Aber das schließt nicht aus, daß dieser Flicken noch sehr viel schöner hätte sein können und nach den Vorstellungen meiner Fraktion auch hätte sein sollen. Daß wir im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage sind, unser Strafprozeßrecht überhaupt neu zu ordnen, liegt daran, daß die Lösung dieses Gesamtproblems lange Zeit in Anspruch nehmen wird.Daß es aber auf der anderen Seite dringend notwendig war, die geltende Strafprozeßordnung wenigstens in einem gewissen Mindestmaß den rechtsstaatlichen Vorstellungen des Grundgesetzes anzupassen, kann füglich nicht bestritten werden und hat deshalb diese Novelle notwendig gemacht, mit der nun der Versuch unternommen wird, besser als bisher den Anspruch des Staates auf Bestrafung desjenigen, der sich gegen die Gemeinschaft wendet, zu sichern und demgegenüber die Grundrechte der freiheitlichen Rechtsordnung unseres Grundgesetzes abzugrenzen. Es konnte nur eine Beschränkung auf die vordringlichsten Fragen sein, und dennoch mußten wir in einer Fülle von Einzelfragen immer wieder versuchen, an dem soeben genannten Grundsatz das Maß für die richtige Regelung zu finden.Die Novelle, wie sie jetzt vorliegt, ist sicherlich ein Fortschritt in unserem Strafprozeß. Sie stellt keineswegs eine abschließende und keineswegs eine befriedigende Regelung dar, das um so weniger, als einmal gesagt worden ist — und damit wird man wohl der Bedeutung dieses Teiles unserer Rechtsordnung gut gerecht —, daß die Strafprozeßordnung eigentlich eins der wichtigsten Ausführungsgesetze zum Grundgesetz sei. Eben deshalb, meine Damen und Herren, meinen wir, daß bei allen Fortschritten, die wir begrüßen und denen wir lebhaft zustimmen, dennoch manche erheblichen Mängel übriggeblieben sind. Lassen Sie mich aber zunächst sagen, weshalb und in welchem wesentlichen Umfange diese Novelle von uns als Fortschritt gewertet wird.Wir glauben, daß die jetzige Regelung der Untersuchungshaft im Kern ein großer Fortschritt ist. Wir bedauern allerdings sehr, daß infolge der Abstimmung heute vormittag dieser Fortschritt eine wesentliche Beeinträchtigung durch die Einführung des automatischen Haftgrundes im Falle des Mordverdachtes erfahren hat. Wir glauben, daß eine solche Regelung keineswegs ein Fortschritt, sondern ein gefährlicher Rückschritt ist und daß hier nicht nur, wie etwas abwertend gesagt worden ist, das System verletzt wird, sondern daß hier Grundsätze einer Auffassung vom freiheitlichen Rechtsstaat in einer Weise mißachtet werden, mit der wir nicht einig gehen können. Wenn keine Rechtfertigung dafür vorliegt, die Untersuchungshaft zu verhängen, wenn keine Rechtfertigung dafür vorliegt, die Ausnahmeregelung der Wiederholungsgefahr anzunehmen, dennoch jemand hinter Schloß und Riegel zu sperren, scheint uns keine gute Methode der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden unseres Landes zu sein, und es ist keine gute Methode, wenn man hier allzusehr gewissen Meinungen außerhalb dieses Hauses, gewissen emotionalen Vorstellungen nachgibt. Trotzdem meinen wir, daß das, was jetzt in die Novelle eingearbeitet worden ist, insgesamt unser Untersuchungshaftrecht verbessert. Wir glauben, daß insbesondere der ausgesprochene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ja vor allem ermöglicht, bei Bagatellsachen von der Untersuchungshaft völlig abzusehen, und die zeitliche Begrenzung der Untersuchungshaft Fortschritte sind, die ein Weg in die Zukunft sein könnten.Niemand wird sich ,der falschen Vorstellung hingeben, daß allein mit den Formulierungen dieses Gesetzes das Entscheidende geschehen sei. Wir wissen sehr wohl, daß es darauf ankommt, dieses Gesetz nun auch in der Praxis so anzuwenden, wie es gemeint ist. Bei aller Kritik, die wir gerade von richterlicher Seite erfahren haben, vertrauen wir darauf, daß unsere Richter mit diesem Gesetz so
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Jahnumgehen werden, wie wir es erwarten und wie es in den Beratungen des Hauses vielfältig zum Ausdruck gekommen ist. Wir glauben auch, daß die Vereinfachung des Haftprüfungsverfahrens eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Recht darstellt.In diesem Zusammenhang sei aber ein Hinweis gestattet, der mir wichtig und notwendig erscheint und der sich an die Adresse der Bundesländer richtet. Zu einem vernünftig gestalteten Haftrecht gehört auch eine vernünftige Gestaltung des Haftvollzugs. Wir wissen, daß es hier erhebliche Mängel gibt — gerade in den Unteruchungshaftanstalten, soweit sie überhaupt vorhanden sind —, die einer wesentlichen Besserung bedürfen. Es ist deshalb notwendig, von dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit 'die Erwartung auszusprechen, .daß von seiten der Länder diesem dringenden Bedürfnis möglichst bald und möglichst gut abgeholfen wird.Ein anderer positiver Schwerpunkt dieser Novelle besteht in der Verbesserung der Rechtsstellung des Verteidigers und auch des Beschuldigten. Es ist einfach eine Frage der Bewertung der Position des Beschuldigten, ob man ihm in vollem Umfang die Würde des Menschen zuerkennt, der sich mit einem unter Umständen sehr schwerwiegenden Vorwurf auseinanderzusetzen hat, daß ihm in vollem Umfang eine Belehrung über die Rechte zuteil wird, die er hat und die er in Anspruch nehmen kann, um sich wirksam zu verteidigen. Wir haben heute dazu noch einmal die Beschlüsse gefaßt, die eine Abrundung dieses im übrigen in diesem Hause unbestrittenen Grundsatzes darstellen.Wir glauben auch, daß die Verbesserung des Rechts der Akteneinsicht für den Verteidiger, die Verbesserung des Rechts des Verteidigers auf Anwesenheit bei den Vernehmungen des Beschuldigten und die wesentliche Erleichterung des freien Zugangs des Verteidigers zu dem in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten wesentliche Fortschritte darstellen.Daß die Ausgestaltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs eine Abrundung erfahren hat, war eigentlich nur eine selbstverständliche Konsequenz, die bei Gelegenheit dieser Novelle als überfällig nur nachzuholen war.Wir sind trotz mancher unerfüllter Erwartungen, trotz mancher Wünsche, deren Erfüllung in dieser Novelle wir gern gesehen hätten, und trotz eines gewissen Rückschritts, der sich gegenüber den Beschlüssen in der zweiten Lesung in diesem Hause nunmehr ergeben hat, dennoch der Auffassung, daß diese Novelle unsere Zustimmung erfahren kann, obwohl manche Konstruktion wie z. B. die des Schlußgehörs in hohem Maße problematisch ist. Es bleibt 'die Frage, ob der Staatsanwalt am Ende der Ermittlungen in der Tat der richtige Adressat ist, um mit dem Beschuldigten selber noch einmal darüber zu verhandeln, was von dem, was er an Stoff zusammengetragen hat, begründet ist und was nicht. Es hätte unseren Vorstellungen eher entsprochen, wenn diese Frage nicht an dieser Stelle, sondern im Zwischenverfahren oder doch zumindest in sonstiger Weise bei einem Richter geregelt worden wäre. Diese Lösung wäre besser gewesen. Aber es ist auf der anderen Seite sicherlich zuzugestehen, daß eine so weitgehende und einschneidende Änderung unseres geltenden und überkommenen Rechts mehr Zeit und mehr Ruhe zur Beratung erfordert, als jetzt zur Verfügung stand.Es muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß eine ganze Reihe dringender Fragen darüber hinaus offenbleiben. Jedermann weiß, daß z. B. die Frage des Instanzenzugs in unserer Strafprozeßordnung alles andere als befriedigend geregelt ist. Je leichter eine Straftat ist, deretwegen jemand angeklagt wird, desto mehr Möglichkeiten hat er, die Entscheidungen der Gerichte nachprüfen zu lassen. Je schwerer der Vorwurf ist, je schwerer die Straftat ist, deretwegen ein Angeklagter vor Gericht steht, desto weniger Möglichkeiten hat er, Berufung oder Revision einzulegen, desto weniger Möglichkeiten hat er, durch mehrere Instanzen die Begründetheit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nachprüfen zu lassen. Das ist eine nur historisch zu erklärende Situation; aber sie wird dadurch nicht besser erträglich, und hier bleibt eine Aufgabe, die wir so bald wie möglich gelöst sehen möchten.Wir glauben auch, daß so manche Frage, die schon in der Debatte über diese Novelle aufgetaucht ist und die wir in den Beratungen des Rechtsausschusses und dieses Hauses bewußt zurückgestellt haben, dennoch einer gründlichen Erörterung bedarf. Nicht zuletzt hat ja die Diskussion, die in den letzten Monaten, oder vielleicht sollte man richtiger sagen: im letzten Jahr geführt worden ist, seitdem wir die zweite Lesung des Gesetzes abgeschlossen haben, gezeigt, wie dringend erforderlich es ist, daß endlich einmal an eine gründliche Überprüfung, an eine gründliche Diskussion aller grundsätzlichen Probleme dieser Strafprozeßordnung gegangen wird.Wir haben deshalb in erfreulicher Übereinstimmung mit den beiden anderen Fraktionen dieses Hauses den Entschließungsantrag Umdruck 229 *) vorgelegt, in dem wir die Bundesregierung bitten, nunmehr endlich eine Große Strafverfahrenskommission einzuberufen. Ich darf übrigens an dieser Stelle bemerken: in diesem Entschließungsantrag ,ist wohl ein Lapsus linguae enthalten. Denn in ihm heißt es am Schluß, daß die Vorschläge „rechtzeitig" vorgelegt werden sollen. Das Wort „alsbald" wäre sicher richtiger. Denn was man sich hier unter „rechtzeitig" vorstellen soll, bleibt ein wenig dunkel. Das nur zur Berichtigung dieses Antrages, von dem wir aber meinen, daß er, wenn das Haus ihn annimmt, für die Bundesregierung, Herr Bundesjustizminister, nunmehr Anlaß sein sollte, diese Kommission ihre Arbeiten möglichst bald aufnehmen zu lassen. Erfahrungsgemäß wird deren Arbeit lange Jahre in Anspruch nehmen, und es wird dann auch einige Zeit dauern, bis dem Parlament entsprechende Vorstellungen unterbreitet werden können.Aber wir müssen wohl alle einräumen, daß die Fortschritte, die wir mit dieser Novelle zustande gebracht haben, daß die Weiterentwicklung unseres*) Siehe Anlage 12
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6474 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
JahnStrafprozeßrechts, die wir jetzt vorgenommen haben, weder der Weisheit letzter Schluß sind noch überhaupt die Feststellung rechtfertigen können, wir hätten nunmehr ein Strafverfahrensrecht, das den Bedürfnissen unserer Zeit entspreche, wir hätten ein Strafverfahrensrecht, das aus einem Guß sei, wir hätten ein Strafverfahrensrecht, das in befriedigender Weise das natürliche Spannungsverhältnis zwischen den Strafverfolgungsinteressen des Staates auf der einen und dem Freiheitsrecht des Bürgers auf der anderen Seite löse.Wir begrüßen den Fortschritt und werden dieser Novelle deshalb zustimmen. Aber wir erklären auch in aller Eindeutigkeit: niemand hat das Recht, sich damit aus der Aufgabe entlassen zu fühlen, endlich eine befriedigende Reform unseres gesamten Strafverfahrensrechts herbeizuführen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie vielleicht vorhin angesichts der nicht allzu zahlreichen, aber immerhin auch nicht allzu wenigen Änderungsanträge gedacht haben, die Juristen seien sich wieder einmal sehr uneinig, so werden Sie wahrscheinlich jetzt bei der allgemeinen Aussprache etwas anderes feststellen, nämlich, wie sehr wir uns in den Prinzipien doch einig sind. Das ist das Wesentliche, und das war auch das Gute in der Zusammenarbeit im Rechtsausschuß. Insofern habe ich mich über die Anerkennung gefreut, die auch Herr Kollege Jahn 'dieser Novelle gezollt hat. Ich weiß das um so mehr zu würdigen, als er in mancher Hinsicht Vorstellungen von der Ausgestaltung des Strafverfahrens gehabt hat, die im Augenblick noch nicht verwirklicht werden konnten. Andererseits ist es natürlich Herrn Kollegen Kanka mit der Trennung zwischen erkennendem und eröffnendem Richter ebenso ergangen, ein Problem, das er so gern jetzt schon ,gelöst haben wollte. So ist es immer. Wenn es verschiedene Parteien gibt, bleiben natürlich verschiedene Wünsche offen. Dennoch ist die Bedeutung dieser Novelle, auch wenn sie noch nicht die grundsätzlichen Fragen regelt, doch sehr groß.Man muß sich wieder einmal vor Augen führen, wie viele Menschen heute mit den Strafgesetzen in Konflikt kommen, und zwar einfach deshalb, weil es infolge der Verkehrsverhältnisse jetzt die vielen Verkehrsstraftaten gibt, weil infolge der technischen Entwicklung viel mehr Fahrlässigkeitsdelikte vorkommen, als das früher der Fall war. Insofern steht keine asoziale Gesinnung dahinter. Das kriminelle Unrecht hat sich geändert.Um so wichtiger ist es, daß wir ein Verfahren haben, das einen fairen Prozeß sichert. Ich unterstreiche durchaus das, was Herr Hollege Jahn gesagt hat, daß nämlich das Grundgesetz eine große Bedeutung für die Gestaltung des Strafverfahrens hat. Wir haben ein liberales Grundgesetz. Die Freiheit ist eines der wichtigsten Rechtsgüter. Gerät jemand in den Verdacht einer strafbaren Handlung, danndarf in seine persönliche Freiheit nur eingegriffenwerden, wenn das wirklich nicht zu umgehen ist.In der zweiten Lesung wurden sehr temperamentvolle Ausführungen zu den Vorwürfen gemacht, daß zu schnell zu viel verhaftet wird und daß die Untersuchungshaft zu lange dauert. Gerade in letzter Zeit sind einige aufsehenerregende Verhaftungen erfolgt. Es steht mir nicht zu, dazu jetzt irgendwie Stellung zu nehmen. Aber es war für mich doch der Anlaß, noch einmal zu überprüfen, ob wir in den Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft tatsächlich das erreicht haben, was wir erreichen wollten. Das wird sich zeigen, wenn diese Novelle in Kraft ist. Dann müssen nämlich schon vorliegende Haftbefehle auf Grund dieses Gesetzes überprüft werden, und dann hat — weil sie auch anders und ausführlicher begründet werden müssen als jetzt — sowohl der Beschuldigte als auch sein Verteidiger andere Möglichkeiten als bisher, das Haftprüfungsverfahren durchzuführen.Herr Jahn hat mit Recht auch auf den Vollzug der Untersuchungshaft hingewiesen. Ich betrachte es als einen Fortschritt, daß in dieser Novelle ganz klar zum Ausdruck gebracht wird, daß Untersuchungsgefangene keine Strafgefangenen sind. Das muß sich auch in ihrer Unterbringung zeigen. Wir waren uns dabei durchaus bewußt, daß wir damit den Ländern eine Aufgabe stellen, die gar nicht so einfach ist und die manchmal vielleicht nicht so schnell und so leicht zu erfüllen sein wird.Wir Freien Demokraten begrüßen es weiterhin, daß die Dauer der Untersuchungshaft grundsätzlich nur sechs Monate betragen darf. Ich verspreche mir davon auch eine Beschleunigung des Verfahrens. Weiterhin kann Unwesentliches ausgeschieden werden. Dadurch können Richter und Staatsanwalt zu einem schnelleren Abschluß des Ermittlungsverfahrens kommen.Meine Damen und Herren! Es wurde heute schon von Herrn Kollegen Güde auf die Konvention zum Schutz der Menschenrechte hingewiesen. In dieser Konvention zum Schutz der Menschenrechte ist ausdrücklich der Anspruch auf die Aburteilung in angemessener Frist oder Haftentlassung enthalten. Ich bin der Auffassung, daß wir uns bei der Reform, jetzt bei der kleinen und erst recht bei der großen, an der Konvention zum Schutz der Menschenrechte orientieren müssen. Und für die große Strafverfahrensreform möchte ich darauf hinweisen, daß wir nach meiner Auffassung nicht nur die bisherige Entwicklung in Deutschland sehen dürfen, auch die auf Grund der Novellierung, sondern daß wir auch die Strafverfahren in anderen Ländern vergleichen müssen. Insofern vertrete ich allerdings auch die Auffassung, daß wir die „Prinzipien der Vereinten Nationen über die Freiheit vor willkürlicher Verhaftung" doch sehr eingehend mit in unsere Erwägungen einbeziehen müssen. Hier muß ich allerdings in aller Offenheit bekennen: Als ich diese Prinzipien mit unserer Beratung verglichen habe, mußte ich feststellen, daß die jetzigen Verbesserungen noch nicht genügend den Prinzipien der Vereinten Nationen entsprechen. Es wird ein Anliegen der gro-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6475
Frau Dr. Diemer-Nicolausßen Strafverfahrenskommission sein, sich auch mit diesen Prinzipien zu befassen und für uns in Deutschland, das ein Rechtsstaat ist und sein will, die entsprechenden Folgerungen zu ziehen.Eine weitere Verbesserung ist die Verstärkung der Rechte des Beschuldigten, auch die Besserstellung des Verteidigers. Heute morgen wurde ein Wort gesprochen, das mich sehr betroffen hat. Als im letzten Bundestag die Rechtsanwaltsordnung verabschiedet und dort bestimmt wurde, daß der Anwalt ein Organ der Rechtspflege ist, da wurde das Lob auf die Anwaltschaft gesungen. Nun ist es in jedem Berufsstand so, daß nicht alle Engel sind, die Qualifikationen sind überall unterschiedlich. Das ist nicht nur bei den Anwälten der Fall, sondern genauso — das müssen Sie ganz offen zugeben — bei den Richtern, bei den Staatsanwälten, bei den Kaufleuten, bei den Chemikern, wo Sie auch hinsehen. Das liegt in der menschlichen Natur. Aber mich hat heute morgen etwas betroffen: daß heute, obwohl wir nicht mehr von einem Arbeiterproletariat sprechen, im Zusammenhang mit den Anwälten der Ausdruck vom „Anwaltsproletariat" gefallen ist. Ich glaube, hiervon sollten wir uns distanzieren. Ich will zugunsten desjenigen, der es gesagt hat, annehmen, daß es ein falscher Zungenschlag gewesen ist und daß er sich im Augenblick nicht bewußt war, daß das doch eine Abwertung der Anwaltschaft ist, die nicht sein sollte. Ich fühle mich verpflichtet, die Anwaltschaft in Schutz zu nehmen, weil nur verschwindend wenige sich als Verteidiger irgendwie nicht korrekt verhalten. Es könnte sonst ein falsches Bild von der Anwaltschaft, vor allen Dingen von den Strafverteidigern, entstehen.Sehr bedauern auch wir, daß in § 112 durch den Abs. 4 ein neuer Haftgrund eingefügt wurde. Auch insofern wird die Entwicklung des neuen Haftrechts sehr genau verfolgt werden müssen. Ich hoffe, daß der Geist, den wir bei Richtern und Staatsanwälten in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und mit der Achtung vor den Grundrechten wünschen und erwarten, dazu führt, daß von diesem Abs. 4 nur sehr wenig Gebrauch gemacht wird und daß die anderen Mittel ergriffen werden, die die Strafprozeßordnung bietet, um gegebenenfalls durch Auflagen oder durch Weisungen zu Haftverschonung zu kommen.In einem verstärkten Umfang soll der Beschuldigte einen Pflichtverteidiger erhalten. Dies ist eine wesentliche Verbesserung zugunsten vermögensloser Beschuldigter.Ein Grundproblem ist mit der letzten Abstimmung aufgegriffen worden. Es ist das Problem, daß der Beschuldigte, der Angeschuldigte und der Angeklagte — wir kennen ja diese Dreiteilung je nach dem Stand des Verfahrens — einen Richter erhält, von dem er der Aufassung ist, daß er wirklich unparteiisch ist. Dieses Problem wurde auch im Ausschuß nicht ausdiskutiert. Die Große Strafverfahrenskommission wird es wesentlich vertiefen müssen. Dabei geht es nicht nur um das Problem, das Herr Kollege Kanka aus einer inneren Verantwortung vorgetragen hatte: ob es richtig ist, daß der Richter, der das Hauptverfahren eröffnet, nachher auch der erkennende Richter ist, sondern es geht auch darum — eine Frage, die sehr problematisch ist —, ob der erkennende Richter gleichzeitig der Richter sein soll, der die ganze Verhandlung führt und sich gegebenenfalls durch die Akten und durch die polizeilichen Protokolle schon ein gewisses Urteil gebildet hat. Wäre es nicht besser, zu einer dem amerikanischen Verfahren angenäherten Aufteilung zu kommen, indem man zwischen einem verhandelnden und einem erkennenden Richter unterscheidet? Das sind schwerwiegende Fragen, die Grundfragen unseres Strafverfahrens berühren.Eine weitere Aufgabe der Großen Strafverfahrenskommission: Ist es richtig, daß das Verfahren vom Anfang bis zum Ende ohne eine Zwischenentscheidung, das sogenannte Beweisinterlokut, geführt wird? In dem anglikanischen Rechtssystem wird zuerst über schuldig oder nichtschuldig entschieden. Erst wenn auf schuldig erkannt ist, werden die persönlichen Umstände, Vorstrafen usw. erörtert, um die richtige Strafhöhe zu finden. Ich bin eine Anhängerin dieses Verfahrens, weil ich der Meinung bin, daß damit vor allem dann, wenn keine Geständnisse vorliegen, sondern wenn auf Grund von Indizien geurteilt wird, stärker gewährleistet ist, daß diese Indizien objektiv bewertet und gewürdigt werden, als wenn all die persönlichen Umstände, Vorstrafen usw. schon vorher bekannt sind. Eine weitere Verbesserung in dieser Novelle ist es allerdings schon, daß nicht mehr alle Vorstrafen erörtert werden, sondern nur noch diejenigen, die tatsächlich für das Verfahren von Bedeutung sind.Es ist im Augenblick nicht meine Aufgabe, alle noch offenen Probleme aufzuzählen. Wir geben uns Mühe, die Gesetze gut zu formulieren. Wir sind uns trotzdem bewußt, daß wir als unvollkommene Menschen nie die Vollkommenheit in der Gesetzgebung erreichen können. Was wir aber doch erreichen möchten, ist, daß die Gesetze in dem Geist gehandhabt werden, in dem sie von uns beschlossen werden, und das wieder bedeutet für uns als Freie Demokraten: in einem liberalen Geist, im Geiste der Freiheit und der Achtung vor der Menschenwürde.Ziel jedes Strafverfahrens ist, daß Straftaten schnell und gründlich aufgeklärt werden. Ich habe heute morgen in der Fragestunde auf Grund der Veröffentlichungen des Innenministeriums im Bulletin gefragt, worauf es zurückzuführen ist, daß die Aufklärung von Straftaten so außerordentlich unterschiedlich ist: in einem Land bis zu 70,8 %, in anderen Ländern noch keine 50 %. Das ist eine sehr große Gefahr. Die verbreitete Meinung, harte Strafandrohungen wirkten abschreckend, ist meistens nicht begründet. Die Tatsache, daß jemand damit rechnen muß, daß er, wenn er eine Straftat begeht, tatsächlich nachher auch die Folgen tragen muß, schreckt wesentlich mehr als eine hohe Strafe ab. Deswegen muß es auch uns im Bundestag, nicht nur den Ländern und den Landtagen, ein großes Anliegen sein, auf Grund der letzten Statistik und der Tatsache, daß die Aufklärungsquote zurückgeht, also die sogenannte Dunkelziffer steigt, sehr genau den Ursachen hierfür nachzugehen und zu überlegen, was getan werden kann, um die Aufklärung
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6476 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Frau Dr. Diemer-Nicolausvon Straftaten zu verbessern. Vielleicht kann das eine Land auch von dem anderen Land, wo die Aufklärungsquote besser ist, das eine oder andere Gute absehen. Man soll nie zu stolz sein, auch von anderen zu lernen. Es ist besonders wichtig, daß die Dunkelziffer nicht noch weiter steigt, sondern eine stärkere Aufklärung von Straftaten erfolgt.Wir Freien Demokraten, die wir uns immer ganz besonders stark zum Rechtsstaat und zum Grundgesetz bekannt haben, fühlen natürlich besonders die Verantwortung vor dem Grundgesetz, auch bei der Gestaltung dieses Gesetzes. Wir achten die Menschenwürde und fordern sie auch im Strafverfahren. Reformen müssen aber nicht so sein, daß auch das, was sich bewährt hat, über Bordgeworfen wird. Was sich bewährt hat, soll erhalten bleiben. Wir Freien Demokraten und Liberalen sind jedoch immer auch dem Fortschritt aufgeschlossen. Wir sind durchaus bereit, auch bei der großen Reform für das Strafverfahren die Folgerungen aus unseren so völlig veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüber der Zeit zu ziehen, als vor 100 Jahren — die Vorarbeiten gehen noch wesentlich weiter zurück — diese Strafprozeßordnung verabschiedet wurde. Mit den Verbesserungen in dieser Novelle wollen wir dem Recht und 'der Gerechtigkeit dienen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur einige abendliche Schlußbetrachtungen zu dem Vorspiel für die Strafverfahrensreform, 'das wir jetzt abzuschließen im Begriffe sind, noch beisteuern.
Bevor ich mich diesen abendlichen Schlußgedanken zuwende, aber noch ein Wort an Sie, verehrte Frau Kollegin Diemer-Nicolaus. Sie haben es so sehr beklagt, daß der von uns allen geschätzte Kollege Güde den Ausdruck „Anwaltsproletariat" gebraucht hat. Das ist ein rein 'soziologischer Terminus technicus, dem die Realität in nicht sehr großem, aber immerhin in einem gewissen Umfange entspricht. Wir kennen doch allesamt den Kollegen Güde so genau, daß wir wissen, daß er es nicht in einem anderen Sinn gebraucht haben kann. Er ist doch derjenige in diesem Hause, der für alle Zweige der Rechtsprechung das richtige Verständnis hat. Das zu diesem Wort.
Und nun abschließend noch einiges Grundsätzliche. Alle gesetzgeberische Arbeit ist nur ein Versuch, für unser Volk und seine Organe, hier seine Gerichte, eine brauchbare und gerechte Regelung aufzustellen. Es geht immer nur um Versuche, die von Menschen unternommen werden und aus denen Menschenwerk herauskommt. Ein Gesetz, das meistens ohnedies schon Sache eines Kompromisses ist, ist deshalb schon in dem Augenblick, in dem es in die Welt tritt, der Forderung nach Reform ausgesetzt. Was wir jetzt geliefert haben, ist eine ganz kleine Reform, eine ganz kleiner Versuch, dessen wir uns vorweg nicht allzu lautstark rühmen wollen.
Wir geben ihn als einen Versuch, um den wir uns allesamt redlich bemüht haben, nun in die Hand der Gerichte in der Erwartung, daß die Gerichte diese Regeln, wo sie noch unvollkommen sind, möglichst vollkommen und möglichst gut anwenden. Wir kennen alle die alte Erfahrung, daß das schlechteste und unzulänglichste Gesetz in der Hand guter Richter eine gute Wirkung hat, daß aber das beste Gesetz in der Hand unzureichender Richter auch unzureichend wirkt.
Und hier möchte ich zu den Regeln des Haftrechts etwas ganz Praktisches sagen. Wir haben uns redlich Mühe gegeben, sie wohl abgestimmt in das neue Gesetz aufzunehmen. Wir haben die inständige Bitte an die Richter, an die Justizverwaltung, an die Gerichtspräsidien, dafür zu sorgen, daß die Entscheidung über so einschneidende Maßnahmen wie die Verhaftung und die Aufrechterhaltung der Haft in die Hände der allererfahrensten und allerbesten Richter kommt. Dann wird auch das, was an diesem Gesetz noch unvollkommen ist, in dieser Unvollkommenheit nicht zur Wirkung kommen.
Was wir jetzt zu beschließen im Begriffe sind, ist eine kleine, eine sehr wortreiche, aber nicht sehr tiefgehende Strafverfahrensreform. Ob die große Strafverfahrensreform nötig ist und wie ,sie aussehen soll, das ist eine Frage, die zuerst einmal von der Großen Strafverfahrenskommission, um deren Einberufung die Regierung gebeten worden ist, vorgeprüft werden soll. Wir sollten uns aber darüber klar sein, daß die Einberufung dieser Großen Strafverfahrenskommission nicht die Funktion einer langen Bank haben kann, auf der zur Lösung drängende Probleme abgelagert werden.
Es gibt noch einige Probleme, die nicht erst mit großen Strafverfahrensreformen, wenn es dazu überhaupt kommt, gelöst werden können. Wir müssen vor allen Dingen — das sollten wir noch in dieser Legislaturperiode tun — das Problem des Schutzes des Redaktionsgeheimnisses lösen, vielleicht auch das Problem der Lockerung des Legalitätsprinzips, alles brennende Probleme. Sie sollen durch die Einberufung der Großen Strafverfahrenskommission nicht von unserer Verantwortlichkeit genommen werden.
Abschließend: wir hoffen, daß wir mit diesem Gesetzentwurf unserem Volke und seiner Rechtsprechung ein brauchbares Werkzeug in die Hand gegeben haben und daß wir, wenn wir in einem Jahr oder noch etwas später über die Auswirkungen dieses Gesetzes nachdenken, von uns sagen können: wir haben leidlich gute Arbeit geleistet.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Diemer-Nicolaus hat auf eine bemerkenswerte Tatsache hingewiesen. Während im allgemeinen das Verfahrensrecht den Staatsbürger, den Nichtjuristen wenig interessiert — er interessiert sich eher dafür,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6477
Bundesminister Dr. Bucherwelche materiellen Rechte und Ansprüche er nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat —, ist es jedenfalls heute im Strafrecht umgekehrt. Der normale Staatsbürger wird mit dem Strafgesetzbuch selten oder nie etwas zu tun haben. Aber auch dem honorigsten Menschen kann es passieren, daß er — Stichwort: Straßenverkehr — mit der Strafprozeßordnung zu tun hat.Deshalb freue ich mich sehr, daß es gelungen ist, in diesem Hohen Hause noch vor der Sommerpause diese Novelle zu verabschieden. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben, insbesondere den Damen und Herren des Rechtsausschusses. Ich danke auch den Mitgliedern des Rechtsausschusses, die zunächst noch etwas weitergehende Vorstellungen in Richtung auf eine Reform hatten, dafür, daß sie sich doch überwunden haben, diese Vorstellungen für den jetzigen Augenblick zurückzustellen und uns damit bei diesem Gesetzgebungsverfahren sehr viel Erleichterung gebracht haben. Ich meine damit die Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Richter. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, daß die Diskussion über dieses Thema keineswegs fruchtlos war, wenn sie uns auch etwas viel Zeit gekostet hat. Aber ich glaube, gerade, wenn man sich mit dem Gedanken beschäftigt, eine umfassende Reform des Strafverfahrensrechts anzustreben, sind alle die Überlegungen, die wir zu diesem Thema pro und kontra angestellt haben, für unsere weitere Arbeit sehr wertvoll.Ich darf auch noch einiges zu der Frage einer Strafverfahrensreform und zu dem dazu vorliegenden interfraktionellen Entschließungsantrag sagen. Ich stimme dem Herrn Kollegen Kanka darin zu, daß das sicher nicht bedeuten kann, daß wir damit alle strafprozessualen Fragen auf die Seite schieben. Sicher wäre es sogar zu begrüßen gewesen, wenn noch in dieser Novelle die dringliche Frage des Zeugnisverweigerungsrechtes hätte behandelt werden können, die jetzt allmählich in die Ländergesetzgebung abgleitet, wo sie nach meiner festen Überzeugung dem Grundgesetz nach nicht hingehört. Es wäre sicher auch zu begrüßen gewesen, wenn die sehr heikle und schwierige Frage, ob das Legalitätsprinzip eingeschränkt werden soll, auch jetzt schon hätte abschließend behandelt werden können. Aber ich glaube, im Ergebnis dürfen wir damit zufrieden sein, daß wir die Novelle jetzt einmal so fertig haben. Andernfalls hätten wir die ganze Novelle gefährdet.Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, eine solche Reform in Angriff zu nehmen und zu ihrer Vorbereitung eine Sachverständigenkommission einzuberufen. Ich erinnere daran, daß die Bundesregierung schon in der Begründung der Regierungsvorlage für die heute zu verabschiedende Strafprozeßnovelle die Reform des Strafverfahrensrechts als eine der wichtigsten rechtspolitischen Aufgaben bezeichnet, zugleich aber darauf hingewiesen hat, daß eine umfassendere Reform die Aufstellung eines Gesamtentwurfs für eine Strafgerichtsverfassung und eine Strafverfahrensordnung voraussetzt, die die verschiedenen widerstreitenden Interessen ausgleichen.Ein vorbildliches Strafverfahrensrecht kann nur wachsen, wenn dabei die Tradition berücksichtigt, eine langjährige Rechtsprechung ausgewertet und umfangreiche rechtsvergleichende Vorarbeiten geprüft werden. Deshalb hat die Bundesregierung schon bei der Einbringung dieser Novelle erklärt, die Aufgabe einer solchen Gesamtlösung müsse bald in Angriff genommen werden, setze aber voraus, daß wenigstens die Grundsätze für die Neugestaltung des materiellen Strafrechts durch die Beschlüsse der Gesetzgebungsorgane festgelegt seien.Die Schwierigkeit dieser Aufgabe sollte niemand unterschätzen; sie wird deutlich, wenn man sich das Schicksal früherer sehr nachdrücklich betriebener Strafprozeßreformen vergegenwärtigt. Bereits in der Zeit von Februar 1903 bis April 1905 wurde an einer solchen Reform gearbeitet mit einem großen Aufwand an Zeit und Mühe. Aber die Reform scheiterte dann 1911 an der Frage der Beteiligung der Laienrichter. Ich führe das ganz bewußt an, denn ich bin der Meinung, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt eine umfassende Reform des Strafverfahrensrechts sinnvollerweise nur dann in Angriff genommen werden kann, wenn von vornherein alle denkbaren Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß ihr ein ähnliches Schicksal wie dem Entwurf von 1908 erspart bleibt.Eine große Reform des Strafverfahrensrechts muß, wie ich schon sagte, erheblich beeinflußt werden von der Reform des materiellen Rechts, wie sie ja im „Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962" zur Zeit im Sonderausschuß beraten wird. Auch die in Aussicht genommene Reform des Strafvollstreckungs- und Strafvollzugsrechts, für die bereits die Einberufung einer Kommission vorbereitet wird, kann Auswirkungen auf die inhaltliche Gestaltung der Strafprozeßordnung haben. Deshalb ist eine Koordinierung dieser Reformen unerläßlich.Ich glaube, man muß an dieser Stelle noch ein offenes Wort zu den Reformen sagen. Einmal — ich sage das ohne jeden Vorwurf als eine objektive Feststellung — ist die Neigung des modernen Gesetzgebers, große Reformwerke in Angriff zu nehmen oder gar abzuschließen, nicht sehr groß. Das ist eine Tatsache, die wir feststellen müssen. Zum anderen sind ja nun gerade gegen die Strafrechtsreform, nachdem jahrelang in der Kommission gearbeitet wurde, und gegen den Entwurf der Bundesregierung, der ja fast ganz — mit unwesentlichen Abweichungen — auf den Ergebnissen dieser Kommission basiert, erhebliche Vorwürfe erhoben worden. Es ist gesagt worden, das sei ja keine revolutionäre neue Tat, sondern das sei das Alte wie bisher, und es ist gesagt worden, es wäre an sich viel besser, auf dem bisherigen Weg der Novellengesetzgebung von Fall zu Fall weiterzumachen. Ein sehr moderner Strafrechtswissenschaftler hat mir sogar in einer Diskussion das Beispiel entgegengehalten: Wenn ich an meinem Hause feststelle, daß die Dachrinne und ein Laden schadhaft sind, dann reiße ich auch nicht das ganze Haus ab und stelle es ganz wie vorher, nur mit diesen neuen Einzelstücken, wieder hin. Das Beispiel ist natürlich falsch. Wenn ich feststelle, daß
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6478 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Bundesminister Dr. Buchermeine Dachrinne 67 mal geflickt ist, werde ich mich wohl entschließen, sie nicht ein 68. Mal zu flicken, sondern eine zwar nicht revolutionär neue, aber einfach neue Dachrinne anzubringen.Ich will damit sagen, wir können, wenn wir uns an eine Reform machen, nicht von vornherein davon ausgehen, daß das nun zu einer großen revolutionären Tat führen wird, zu einem Jahrhundertgesetz, zu einer Sache, mit der man in die Geschichte eingeht, sondern wir müssen es eben der Entwicklung dieser Arbeiten an der Reform überlassen, was daraus wird.Ich mache diese etwas skeptisch klingenden Äußerungen nur deshalb, um von vornherein Angriffen entgegenzuwirken, die nachher kommen könnten, wenn ein solches Reformwerk vorliegt. Ich darf auch noch bemerken, daß zur gleichzeitigen Bewältigung der genannten Reformaufgaben, also immer noch Fortführung der Strafrechtsreform, der Strafvollzugsreform und dann noch der Strafprozeßreform, die personellen und sachlichen Mittel des Bundesjustizministeriums nicht ausreichen. Die Justiz ist ja dafür bekannt, daß sie — soweit es sich um die Verwaltung dreht und auch um die Rechtsprechung— der sparsamste Zweig unseres Staatswesens ist.
— Nein, ich möchte auch gerade betonen, daß das kein Grundsatz sein soll. Aber leider hat man sich bei uns schon so daran gewöhnt, daß wir von der Justiz so bescheiden sind. Es darf an dieser Stelle einmal gesagt werden: wenn Leistungen erwartet werden — in diesem Fall von der Gesetzgebung —, dann müssen auch die personellen und sachlichen Mittel dazu bewilligt werden.
Ich schließe die dritte Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz mit den beschlossenen Änderungen zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Einstimmige Annahme des Gesetzes.
Wir haben ferner über den Antrag des Ausschusses unter Ziff. 2 abzustimmen, den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes für erledigt zu erklären. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Sodann liegt der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 229 vor, — wobei Herr Kollege Jahn vorgeschlagen hat, das Wort „rechtzeitig" mit „ alsbald" zu interpretieren. Besteht Einverständnis? —Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag in dieser Form angenommen ist.
Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Wertgrenzen und Kostenvorschriften in der Zivilgerichtsbarkeit ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
(Drucksache IV/2394).
Der Schriftliche Bericht des Herrn Kollegen Benda liegt vor. Herr Kollege Benda ergänzt seinen Bericht, ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte es sehr gern bei dem Verweisen auf den Ihnen vorgelegten Schriftlichen Bericht belassen, muß aber bitten, eine Berichtigung vorzunehmen. Auf Seite 5 der Zusammenstellung der Beschlüsse des Rechtsausschusses in Art. 1 Nr. 1, die jetzt lautet,
In § 14 Nr. 2 wird in Satz 1 das Wort „einhundert" durch das Wort „zweihundert" ersetzt
bitte ich das Wort „zweihundert" durch das Wort „dreihundert" zu ersetzen. Nur so ist der Beschluß des Rechtsausschusses richtig wiedergegeben. Ich bitte, diesen Fehler in der Zusammenstellung zu berichtigen.
Wo ist das genau, welcher Paragraph?
Art. 1 Nr. 1:
In § 14 Nr. 2 wird in Satz 1 das Wort „einhundert" durch das Wort „zweihundert" ersetzt.
Das ist nicht richtig. Es muß heißen: „dreihundert".
Ich rufe dann in zweiter Beratung auf Art. 1, — Art. 2 Nr. 1 und Nr. 1 a. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmig angenommen.
Ich darf das wohl auch für Nr. 2 feststellen.
Auf Umdruck 485 *) Ziffer 1 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Er wird begründet durch Herrn Kollegen Reischl. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst vorausschicken, daß der Antrag, den zu begründen ich die Ehre habe, ein Ganzes ist, so daß bei der Abstimmung, Herr Präsident, über den ganzen Antrag abgestimmt werden kann.Der zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf hat zum Ziel, den Bundesgerichtshof durch eine Änderung der Wertgrenzen für die Einlegung der Revision zu entlasten, und zwar soll die Wertgrenze von 6000 DM auf 12 000 DM erhöht werden.Gegen diese Erhöhung der Revisionssumme gibt es eine ganze Reihe von schwerwiegenden Gründen, die auch von einigen beachtlichen Juristengremien in der Öffentlichkeit vertreten worden sind, so daß ich mich bei ihrer Zusammenfassung kurz fassen kann.Einmal sind diese Gründe, die gegen eine Streitwertrevision und für die Einführung einer Grund-*) Siehe Anlage 13
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Dr. Reischlsatzrevision sprechen, eingehend in dem Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit aufgeführt, der vom Bundesjustizministerium im Jahre 1961 herausgegeben worden ist. Weiter ist ein ähnlicher Vorschlag in den Leitsätzen für die Gestaltung der großen Justizreform in einem Bericht der Kommission des Deutschen Richterbundes aus dem Jahre 1961 enthalten, und zwar wohlgemerkt nicht nur in dem Gesamtbericht über die große Justizreform, sondern auch unter den sogenannten Vorwegmaßnahmen, also unter den Maßnahmen, die die Kommission des Deutschen Richterbundes als sofort realisierbar angesehen hat.Ich darf noch einmal kurz die Gründe zusammenfassen, die meines Erachtens gegen eine Erhöhung der Revisionssumme, die überhaupt gegen die Streitwertrevision und für die Einführung der Grundsatzrevision mit Nichtzulassungsbeschwerde sprechen, wie wir sie mit unserem Antrag anstreben.1. Die Erhöhung der Revisionssumme ist nicht geeignet, eine dauerhafte Entlastung des Bundesgerichtshofs herbeizuführen. Sie ist bisher das wichtigste Instrument gewesen, das der Gesetzgeber benutzt hat, um schon früher dem Reichsgericht Entlastung zu gewähren. Dies hat aber immer dazu geführt, daß schon nach wenigen Jahren der Streitwert erneut geändert werden mußte. Betrachten Sie sich nur einmal die Zahlen! Nachher wird noch der Antrag des Herrn Kollegen Hoogen und seiner Freunde zur Beratung kommen, den Betrag von 12 000 DM auf 15 000 DM zu erhöhen. In vielen Stellungnahmen und auch im Regierungsentwurf sind 20 000 DM verlangt worden. In einem Aufsatz hat der Herr Präsident des Bundesgerichtshofes meines Erachtens ganz mit Recht gesagt, wenn man wirklich eine dauerhafte Entlastung wolle, müsse man wahrscheinlich noch höher gehen als auf 20 000 DM. Das zeigt schon die Problematik des Versuchs, mit diesen halben Maßnahmen eine Entlastung des Bundesgerichtshofs auf längere Zeit herbeizuführen. Wenn wir diesen Weg beschreiten, werden wir sehr bald wieder vor dem gleichen Engpaß stehen, und der Bundestag wird wieder zu überlegen haben, ob er die Streitwertgrenze erhöhen soll.2. Die geforderte sehr starke Erhöhung — der Entwurf ging auf 20 000 DM, die Vorschläge des Bundesgerichtshofs auf 15 000 DM, der Ausschuß auf 12 000 DM - läßt sich meines Erachtens mit den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates nur schwer vereinen. Wer Recht sucht, wird dann auf den Gedanken kommen: Aha, nur derjenige, der einen entsprechend hohen Streitwert im Prozeß hat, darf drei Instanzen in Anspruch nehmen, und der andere nicht! Nun muß ohne weiteres zugegeben werden: das wäre insofern nicht richtig, als ja in diesen Fällen die Revision zugelassen werden könnte. Doch in sehr vielen Fällen wird das eben nicht geschehen, und dann entsteht mit Recht der Eindruck, daß nur derjenige drei Instanzen in Anspruch nehmen kann, der eben über das erforderliche Geld verfügt und entsprechende Prozesse führt.
3. Die Streitwertrevision und vor allem die Erhöhung der Revisionssumme sind kein Auswahlprinzip, nach dem dem Bundesgerichtshof in erster Linie die Sachen zugeführt würden, deren Entscheidung der Einheit und Fortentwicklung des Rechts dienen könnte. Dies ist jedoch der erste Zweck der Revision. Der Bundesgerichtshof soll in erster Linie die Sachen bekommen, an Hand deren er die Rechtsordnung weiterentwickeln kann. Gerade diese Sachen bekommt er aber nicht bei einer Erhöhung der Revisionssumme. Vielmehr kann diese — und das möchte ich gerade auch aus der eigenen Erfahrung sagen — dazu führen, daß ganze Gebiete aus den revisiblen Sachen herausfallen und nur noch auf die Zulassungsrevision angewiesen sind, — eine Ungleichheit, die auf die Dauer auch schlecht erträglich wäre. Die Auswahl wird — und darüber sind sich die Experten, auch die Kommission des Justizministeriums, meines Erachtens zu Recht einig — in Wirklichkeit dazu führen, daß der Bundesgerichtshof auf wenigen Gebieten einen besonders tiefen Einblick bekommt, auf anderen wichtigen Gebieten aber nicht. Ich möchte hier zwei sehr wichtige Gebiete nennen, bei denen die Streitwertgrenze meistens nicht mehr erreicht wäre: das ist einmal das Urheberrecht und zum anderen das von der Rechtsprechung entwickelte Recht des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.4. Es wird gesagt, man müsse bei der Streitwertrevision bleiben, damit der Bundesgerichtshof einen möglichst breiten Einblick in die Praxis bekomme. Dagegen ist zunächst zu sagen, daß er dazu weder bestimmt noch wirklich in der Lage ist. Er ist ja gar nicht dazu da, eine umfassende Kontrolle der unteren Gerichte durchzuführen, sondern in erster Linie eben dazu, das Recht fortzuentwickeln. Vor allem aber würde, wie ich schon ausgeführt habe, eine solche Erhöhung der Streitwertgrenze auch gar nicht dazu führen, daß der Bundesgerichtshof einen möglichst breiten Einblick bekommt. Dieser wird im Gegenteil sehr viel mehr eingeschränkt. Ich möchte doch sagen, daß gerade eine gut gehandhabte Zulassungsrevision — und für eine gute Handhabung kann die Nichtzulassungsbeschwerde sorgen, bei der sich ja sehr bald eine Rechtsprechung herausbilden wird, wann eine grundsätzliche Frage vorliegt — dazu führen kann, daß der Bundesgerichtshof einen viel breiteren Einblick bekommt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, daß z. B. unser Senat in all den Fällen, in denen er Wert darauf legte, eine oberstrichterliche Entscheidung herbeizuführen — und das sind die für die Fortentwicklung der Rechtsprechung wichtigen Fälle —, niemals anstand, die Revision zuzulassen. Es ist also nicht so, daß die Richter danach streben, nach Möglichkeit die oberste Instanz auszuschalten; es ist vielmehr umgekehrt so, daß sie es sehr gern sehen, wenn eine grundsätzliche Entscheidung herbeigeführt wird.Ein letztes, sehr wichtiges Argument: Nur die Grundsatzrevision kann eine größtmögliche und auf die Dauer wirksame Entlastung des Bundesgerichtshofs herbeiführen. Wenn man sich die Statistik aus dem Jahre 1959 anschaut, die in dem Kommissionsbericht angeführt worden ist, dann stellt man fest, daß von 1022 Urteilen 123 in die amtliche Samm-
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Dr. Reischllung und 292 in das Nachschlagewerk aufgenommen worden sind, zusammen also 41 % von einer solchen Bedeutung gewesen sind, daß man annehmen, kann, das wären etwa die Fälle, für die eine Grundsatzrevision zugelassen würde. Man kann also im Schnitt sagen, daß die Entlastung wohl bis zu etwa 50 % gehen würde.Noch ein Wort zu einem Gegenargument, das gegen die Grundsatzrevision immer wieder gebraucht wird. Es wird gesagt, die Zeit sei noch nicht reif. Meine Damen und Herren, wenn man dieses Argument annehmen will, dann wird, glaube ich, die Zeit nie reif sein; dann werden wir in zehn Jahren immer noch hier stehen und über die Revisionssumme debattieren. Wenn sich zwei so wichtige Gremien wie einerseits die Kommission des Bundesjustizministeriums und andererseits die Kommission des Deutschen Richterbundes schon eindeutig für die Grundsatzrevision entschieden haben und wenn auf dem Anwalttag jedenfalls eine umfassende Diskussion der Frage stattgefunden hat, wenn auch dort mit einem anderen Ergebnis, — ja, meine Damen und Herren, dann ist die Frage doch ausdiskutiert. Man kann natürlich uferlos weiter über die Sache reden; aber das ist nicht der Sinn der Sache. Das Parlament sollte sich hier endlich zu einer Entscheidung durchringen und eine endgültige Entlastung schaffen.Wir sehen gerade an dem Antrag, der sicher anschließend vom Kollegen Hoogen begründet werden wird und auf den ich aus Gründen der Zeitersparnis jetzt gleich eingehen darf, am besten, wie sehr wir bei einer Erhöhung der Revisionssumme im Dunkeln tappen. Der Ausschuß hat sich für 12 000 DM entschieden, weil er Bedenken hatte, über das Doppelte der bisherigen Summe hinauszugehen. Jetzt kommt ein Antrag, auf 15 000 DM zu gehen. In allen Äußerungen in der Literatur und in den verschiedenen Kommissionsberichten und auch in den Äußerungen des Herrn Präsidenten des Bundesgerichtshofs zeigt sich immer wieder, daß eigentlich noch eine höhere Summe genommen werden müßte. Auch der Regierungsentwurf war davon ausgegangen. Wir kommen also aus dem Hin-und-Her-Experimentieren mit Summen nie heraus. Deswegen sollten wir uns dazu entschließen, hier eine endgültige Lösung zu treffen.Wenn nun gesagt wird, das könne man nicht schnell in der zweiten Lesung entscheiden, dann gibt es dagegen ein einfaches Mittel. Ich möchte deshalb hilfsweise namens meiner Fraktion den Antrag stellen, falls Sie sich nicht entschließen können, jetzt in der zweiten Lesung unserem Antrag zuzustimmen, den Gesetzentwurf mit unserem Antrag an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen. Ich gebe zu, daß damit die Verabschiedung auf den Herbst verschoben würde. Aber damit würde der Bundesgerichtshof ein Vierteljahr später eine endgültige und dauerhafte Entlastung bekommen. Eine Lösung, die Hand und Fuß hat und uns ein für allemal aus der ewigen Kalamität der Streitwerterhöhungen herausbringt, sollte uns, nachdem es bisher schon so lange gedauert hat, diese kurze Verzögerung wert sein. Ich darf Sie also bitten, wenn Sie schon dem Hauptantrag nicht sollten folgen können, wenigstens unserem Hilfsantrag zu folgen und die Zurückverweisung an den Ausschuß zu beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Reischl hat zu Beginn seiner Ausführungen gesagt, daß es sich bei den Anträgen, die Sie stellen, um ein Ganzes handelt. Das ist sicher richtig. Ich glaube, Herr Kollege, man muß noch ein bißchen weitergehen. Es handelt sich um ein ganzes Bündel, um einen ganz neuen Komplex, um ein ganz neues Gesetz, was Sie hier in der zweiten Lesung dem Plenum des Bundestages zur gefälligen Annahme anbieten wollen. Herr Kollege Reischl, ich muß Ihnen wirklich sagen, dieses Verfahren halte ich, um es schlicht und deutlich zu sagen, für unmöglich.Wir, Herr Kollege Jahn und ich, haben — wenn ich einmal die Historie dieses Gesetzes im Plenum und im Ausschuß in Ihre Erinnerung rufen darf — im Plenum für unsere Fraktionen die Grundsatzfragen durchdiskutiert. Ich will auf die Sachfragen jetzt nicht eingehen. Herr Kollege Jahn hat seinen Standpunkt hier dargelegt, und ich habe versucht, den Standpunkt meiner Freunde und meinen eigenen Standpunkt darzulegen. Dann sind wir in den Ausschuß gegangen. Dort haben wir die Grundsatzfragen natürlich weiter diskutiert. Aber nichts von dem, was nun auf fünf Seiten in Gesetzesantragsform vorgelegt wird, ist im Ausschuß auch nur als Antrag vorgelegt worden.
— Aber, Herr Kollege Jahn, an welcher Stelle ist er denn vorgelegt worden?
Das bitte ich mir doch wirklich einmal aus dem Protokoll nachzuweisen. Davon kann gar keine Rede sein. Es ist die Frage diskutiert worden, ob 20 000, 15 000 oder 12 000 DM oder überhaupt, und Sie haben, was ich gar nicht bestreite — ich habe es eben selber gesagt —, wieder Ihre grundsätzliche Auffassung gesagt. Das hier ist alles nicht durchberaten, nichts von dem.Ich halte es wirklich für ein nicht mögliches Verfahren, das das Plenum so schwerwiegende Dinge durchberät und beschließt, ohne daß der Rechtsausschuß sie im einzelnen hat überprüfen können. Insofern ist das, was Herr Kollege Reischl zum Schluß hilfsweise beantragt hat, nämlich Zurückverweisung an den Rechtsausschuß, das einzig mögliche, wenn man überhaupt dem Gedanken nähertreten wollte. Alles andere — ich sage das noch einmal — ist nach meiner Meinung unmöglich. Denn man kann solche Dinge nicht hier verabschieden, ohne sie im zuständigen Ausschuß beraten zu haben. Dafür haben wir die Ausschüsse. Die Geschäftsordnung sieht vor, daß
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Bendadie Ausschüsse die Dinge beraten. Herr Kollege Reischl und Herr Kollege Jahn, da kann ich nur sagen: Warum haben wir das nicht im Ausschuß getan? Warum verzögern wir die Annahme eines Gesetzes, das von uns allen als dringlich empfunden worden ist und von dem uns die Bundesregierung und der Bundesjustizminister gesagt haben, daß es zur Abhilfe einer beim Bundesgerichtshof infolge des erhöhten Geschäftsanfalls bestehenden Notlage wirklich dringend ist? Warum erschweren wir das dadurch, daß nunmehr wenige Tage vor Beginn der parlamentarischen Sommerferien der Antrag ;gestellt wird, den Gesetzentwurf in den Ausschuß zurückzuverweisen, wodurch die Annahme dieses Gesetzes in der vierten Wahlperiode überhaupt in Frage gestellt wird?Meine Damen und Herren, das ist wirklich nicht möglich. So können wir nicht verfahren. Ich will mich, wie gesagt, im Augenblick gar nicht einmal auf die Grundsatzerörterung einlassen. Ich meine den Standpunkt meiner Freunde und meinen eigenen Standpunkt hier in der ersten Lesung hinreichend dargelegt zu haben. Es ließe sich manches zu dem bemerken, was der Herr Kollege Reischl hier gesagt hat. Ich will mir das versagen und verweise auf die Ausführungen in der ersten Lesung. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, den Anträgen und Beschlüssen des Rechtsausschusses zuzustimmen. Anders können wir den Zweck dieses Gesetzes nicht erfüllen.
— Ja, bitte!
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Dr. Heinemann!
Herr Benda, in dem. von Ihnen unterschriebenen Bericht des Ausschusses steht zu Art. 2 Nr. 3:
Dabei hat die Minderheit ihre grundsätzliche Auffassung, daß anstelle der vorgeschlagenen Erhöhung der Revisionssumme bereits jetzt anstelle der Streitwertrevision die sogenannte Grundsatzrevision eingeführt werden sollte, aufrechterhalten.
Das ist doch ein klarer Beweis dafür, daß das im Ausschuß behandelt worden ist.
Herr Abgeordneter Dr. Heinemann, ich muß Sie bitten, Ihre Ausführungen in die Frageform zu kleiden.
Ich habe es durchaus als Frage empfunden, Herr Präsident, und will gern darauf antworten.
Herr Kollege Dr. Heinemann, Sie waren ja nicht dabei. Ich darf nebenbei bemerken: ich habe den Bericht nicht nur unterschrieben, ich habe ihn auch verfaßt, — um alle eventuellen Mißverständnisse klarzustellen, Herr Kollege. Es ist richtig — und das habe ich eben selber gesagt —: die Frage, die sich ohnehin aufdrängt — es ist gar nicht einmal so furchtbar originell —, ist von den Kollegen der SPD im Rechtsausschuß erörtert worden, und selbstverständlich haben wir uns dort über die Frage auseinandergesetzt.
— Aber, Herr Kollege Jahn, Sie werden doch nicht behaupten können, daß eine Beratung Ihrer Anträge im Ausschuß stattgefunden hat.
— Dann kommen Sie her und behaupten Sie das! Es hat eine Grundsatzaussprache stattgefunden, deren Ergebnis die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses war: Wir stimmen in den Grundsätzen, in der Tendenz nicht ,dem zu, was Sie wollen, sondern wir stimmen dem Regierungsentwurf zu. Dann ist über die Einzelheiten des Regierungsentwurfs gesprochen worden. Das können Sie doch gar nicht bestreiten.
Herr Abgeordneter Benda, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte schön!
Herr Kollege Jahn zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Benda, Sie waren zwar nicht dabei; dennoch muß ich jetzt fragen: Wissen Sie nicht, daß dieser ganze Antrag, der hier in zweiter Lesung vorliegt, von mir unter meinem Namen im Rechtsausschuß eingebracht und vorgelegt worden ist, daß lediglich nachdem die negative Grundsatzentscheidung gefallen ist, eine Einzelberatung dann natürlich nicht mehr stattgefunden hat, und wollen Sie mit dieser Art der Argumentation nun in Zukunft die Atmosphäre und die Arbeit im Rechtsausschuß dahin bringen, daß wir in bloßem Formalismus darauf bestehen, statt in vernünftiger Form zusammenzuarbeiten, auch über solche Anträge Punkt für Punkt abstimmen zu lassen?
Herr Kollege Jahn, ich möchte mich jetzt in diesem Stadium nicht über Fragen der Atmosphäre unterhalten. Aber Sie haben in der Sache doch genau das bestätigt, was ich gesagt habe. Im Ausschuß hat keine Einzelberatung stattgefunden, aus welchen Gründen auch immer.
— Herr Jahn, ich darf es noch einmal sagen: Ich verstehe nicht ganz, warum man sich darüber nicht verständigen kann. Ich halte es wirklich für unmöglich, im Plenum — zumal in einer derart wichtigen Sache — Anträge zu verabschieden, über die der Ausschuß nicht beraten hat. So geht das Verfahren nicht.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns darüber einig, daß der Bundesgerichtshof dringend einer Entlastung bedarf, und ich sehe dafür keinen anderen Weg als über den vorliegenden Entwurf. Dabei wird selbstverständlich über die Höhe der Revisionssumme zu sprechen sein.
Natürlich können Sie von der Fraktion der SPD der Bundesregierung einen Vorwurf machen und sie fragen, warum sie nicht schon endgültig ihre Entscheidung in der Frage „Grundsatzrevision oder nicht?" getroffen hat. Wir wollen dieser Entscheidung mit diesem Entwurf bewußt noch nicht vorgreifen. Aber ich darf darauf hinweisen, daß die vorbereitende Kommission, die hier von Herrn Kollegen Reischl genannt worden ist, immerhin auch nur mit Mehrheit zu ihrem Ergebnis gekommen ist, also zu dem Ergebnis, sich für die Grundsatzrevision auszusprechen
— ja, ja, natürlich, hoffentlich!—, und zwar für die Grundsatzrevision ohne die Nichtzulassungsbeschwerde. Für mich persönlich ist gerade diese Nichtzulassungsbeschwerde ein besonderer Pferdefuß, der den Entlastungseffekt in meinen Augen immer fragwürdig macht.
Hierin steckt also noch eine solche Menge grundsätzlicher Fragen, daß wir uns wirklich verpflichtet glaubten, mit einer derartigen grundsätzlichen Entscheidung nicht vorpreschen zu dürfen, zumal wir damit ja auch — international betrachtet, rechtsvergleichend betrachtet — ein völliges Novum schaffen würden. So etwas, eine solche reine Grundsatzrevision, gibt es sonst nirgends. Am 9. Juli nimmt die Zivilprozeßkommission, die die Aufgabe hat, die gesetzestechnisch bisher nicht formulierten Vorstellungen in die Fassung eines Gesetzentwurfs zu bringen, ihre Tätigkeit auf. Sie ersehen daraus, daß wir nicht nur von der Reform reden, sondern daß wir wirklich an sie herangehen wollen. Im Rahmen dieser Reform wird es dann allerdings notwendig sein, eine endgültige Entscheidung über die Frage: Grundsatzrevision allein oder Beibehaltung des bisherigen gemischten Systems, zu treffen.
Im Augenblick sehe ich aber keine andere Möglichkeit für uns, als daß wir diesen Entlastungsentwurf verabschieden. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der SPD abzulehnen und einer Rücküberweisung an den Ausschuß nicht zuzustimmen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der Rechtsausschuß geneigt wäre, diese grundsätzliche Frage nun in Angriff zu nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Zum Tatsächlichen: Was den Streit zwischen Herrn Jahn und Herrn Benda anbetrifft, muß ich gestehen, daß ich nur ,das unterstreichen kann, was Herr Benda gesagt hat. Wir haben die grundsätzliche Frage Streitwertrevision—Grundsatzrevision erörtert und sind dazu gekommen, daß wir es in diesem Stadium des Verfahrens bei der Streitwertrevision belassen wollen. Ich weiß nicht, Herr Kollege Jahn, ob Sie darüber hinaus konkretisierte Anträge eingereicht haben; ich kenne sie jedenfalls nicht, und sie sind auch im Rechtsausschuß nicht vorgelegt worden.
— Herr Kollege Jahn, .es tut mir leid. Das sage ich ja gar nicht. Ich sage nur: Ich kenne sie nicht, und sie sind uns nicht vorgelegt worden. Mehr kann ich hier nicht feststellen.
Aber dieser Streit scheint mir müßig zu sein, da im Rechtsausschuß eine Vorentscheidung über die Frage, die hier zur Erörterung steht, erfolgt ist. Diese Entscheidung geht dahin, daß wir es im derzeitigen Stadium jedenfalls bei der wertbegrenzten Revision belassen und an der Grundsatzrevision in der Form, wie sie bereits jetzt besteht, nichts ändern wollen. Der Grund dafür ist ebenfalls schon klar und deutlich genannt worden. Insbesondere beim Bundesgerichtshof liegen die Dinge so, daß hier eine baldige und nachhaltige Hilfe erforderlich ist. Unter diesem Gesichtspunkt — und nur diesen einen will ich jetzt erörtern; der Herr Minister hat ihn eben auch schon angedeutet — sind doch gerade Ihre heutigen Vorschläge wieder voller Problematik und bedürfen auch wegen der Fragen, ob sie wirklich eine Entlastung herbeiführen, einer sehr kritischen Beleuchtung.
Herr Kollege Dr. Reischl, Sie haben vorgetragen, daß die Grundsatzrevision so, wie Sie sie verstehen, zu einer grundsätzlichen und nachhaltigen Entlastung des Bundesgerichtshofs führen würde. Ich bewundere immer Menschen, die eine gute Prophetengabe haben. Ich könnte mir durchaus denken, daß eine Grundsatzrevision so, wie Sie sie hier mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgesehen haben, zunächst jedenfalls einen nicht unerheblichen, bisher völlig unbekannten Arbeitsanfall beim Bundesgerichtshof mit sich bringen würde. Ich maße mir keine Prognose an, daß dadurch tatsächlich eine Entlastung des Bundesgerichtshofs eintritt.
Ich will mich daher ,auf diese Gesichtspunkte beschränken. Wer wirklich zur Zeit eine 'Entlastung herbeiführen will, kann im jetzigen Zeitpunkt einer solchen Änderung, wie sie hier vorgeschlagen ist, nicht zustimmen. Diese Dinge bedürfen noch sehr eingehender Erörterung, einer Erörterung aller möglichen Fragen, die ich aber jetzt nicht aufführen will und die wir in dem Stadium, in dem wir uns befinden, und in der Situation, in der sich der Bundesgerichtshof befindet, nicht mehr behandeln können.
Meine Damen und Herren! Es liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Wenn ich recht verstanden habe, kann ich über
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Vizepräsident Dr. Jaegerden Umdruck 485 der Fraktion der SPD als Ganzes und muß nicht ziffernmäßig abstimmen lassen.
— Gut. Dann kommt jetzt die Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 485.Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Bitte die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das sind offensichtlich nur wenige Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.Zum gleichen Art. 2 ist der Änderungsantrag Umdruck 497 *) der Abgeordneten Hoogen, Dr. Weber und Genossen gestellt. Er wird von dem Abgeordneten Hoogen begründet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte mir zu gestatten, zu der eben aufgetretenen Kontroverse als Vorsitzender des Rechtsausschusses einige wenige Sätze, wie ich glaube, zur Aufklärung zu sagen.Herr Kollege Jahn, als die Frage von Ihnen — nicht zum erstenmal — im Rechtsausschuß aufgeworfen wurde, habe ich mir erlaubt, auf unsere Debatte zum gleichen Punkt bei der Beratung der Verwaltungsgerichtsordnung im Jahre 1959 zu verweisen. Ich habe aus den Protokollen des Rechtsausschusses aus der damaligen Zeit diese Stellen verlesen. Dann hat die Abstimmung stattgefunden, ob wir jetzt die Grundsatzfrage weiter verfolgen wollen oder nicht. Die Abstimmung ist negativ verlaufen, und dann war die Debatte darüber in verhältnismäßig kurzer Zeit zu Ende.Verzeihen Sie, Herr Kollege Jahn, Ihren mir soeben gezeigten formulierten konkretisierten Antrag habe ich persönlich heute — Sie werden mir das glauben — zum erstenmal gesehen. Ich vermute, daß es wie folgt verlaufen ist: daß Sie den Antrag dem Assistenten des Ausschusses in der notwendigen Zahl der Exemplare gegeben haben und daß Dr. Meyer, den ich leider im Augenblick nicht erreichen kann, weil er in Urlaub ist, diese mit Rücksicht auf den negativen Ausgang der Abstimmung nicht mehr verteilt hat.
— Das sagen Sie! Ich habe ihn aber nicht bekommen. Ich höre eben von Herrn Kollegen Busse und von Herrn Kollegen Dr. Weber, daß sie ihn auch nicht bekommen haben.
Dieser Fall wird sich ja aufklären lassen. Aber daraus auf Animositäten und zu erwartende Schwierigkeiten und formalistische Betrachtungsweise in der Arbeit des Rechtsausschusses zu schließen, das scheint mir doch zu weit zu gehen. Ich bin bereit, diese Mängel zu beheben, wenn aufgeklärt ist, wie es kommt, daß ich als Vorsitzender des Ausschusses während der Sitzung den Antrag nicht bekommen habe.Aber jetzt zu dem Antrag auf Umdruck 497. Im Wortlaut heißt es, daß in Artikel 2 Nr. 3 das Wort*) Siehe Anlage 14.„zwölftausend" durch das Wort „fünfzehntausend" ersetzt wird. Meine Damen und Herren! Das ist klar und prägnant ausgedrückt; darüber, was das heißen soll, sind keine Zweifel möglich. Aber ich glaube, aus Gründen der Höflichkeit schulde ich den Mitgliedern des Hohen Hauses, die in der Materie nicht so bewandert sind wie die Mitglieder des Rechtsausschusses, doch einige Worte der Aufklärung, was es mit diesem Antrag auf sich hat; denn ich gehöre zu denen, die es für notwendig halten, daß man sich im Plenum des Hohen Hauses einer Sprache bedient, die wir im Rechtsausschuß nicht zu führen brauchen, weil wir unter Kennern sitzen, und im Plenum des Hauses nicht die Beratungen des Rechtsausschusses fortsetzen.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dem Antrag darum — Herr Kollege Dr. Reischl hat es eben schon angeschnitten —, den Bundesgerichtshof zu entlasten und ihn in den Stand zu setzen, seine Arbeit zu beschleunigen. Die Bundesregierung geht — das wird der Herr Bundesminister der Justiz selbst vortragen — von der Vorstellung aus, daß die Revisionssumme von 6000 DM auf 20 000 DM erhöht werden soll. Das ist auch die Meinung des Präsidenten des Bundesgerichtshofs.Im Rechtsausschuß waren wir der Meinung, daß eine solche Erhöhung nicht vertretbar sei, und wir hatten uns — ich muß allerdings hinzufügen: ohne daß wir dafür statistisches Material zur Verfügung hatten — auf 12 000 DM verständigt. Das besagt also, daß alle Beteiligten — die Bundesregierung, der Bundesgerichtshof selbst und auch die Fraktionen dieses Hohen Hauses — im Rechtsausschuß jedenfalls der Meinung waren, daß eine Erhöhung vorgenommen werden müsse.Die Frage ist, welche Folgen eine solche Erhöhung auf 12 000 DM hat, wie sie der Rechtsausschuß Ihnen vorschlägt. Die Folge wäre, daß der Bundesgerichtshof in seiner Gesamtbelastung um rund 22 % entlastet würde, während er bei einer Heraufsetzung auf 15 000 DM um 31 %, also rund ein Drittel, entlastet würde.Ich persönlich habe mich davon überzeugen müssen— und deswegen habe ich meine Freunde in unserer Fraktion gebeten, meinen Antrag zu unterstützen —, daß eine solche Entlastung des Bundesgerichtshofes dringend notwendig ist, und zwar aus folgenden Erwägungen: In mehr als der Hälfte aller Fälle — so hat sich der Präsident des Bundesgerichtshofes in einem Vortrag vor den Justizministern der deutschen Länder im Dezember des vergangenen Jahres geäußert — dauern die Revisionsverfahren 18 Monate und teilweise noch länger. Wenn ich hinzunehme, daß die Verfahren in den beiden Instanzen, beim Landgericht und beim Oberlandesgericht, auch schon Jahre dauern, werden die Prozesse so in die Länge gezogen, daß diese Verzögerung einer Rechtsverweigerung im Ergebnis fast gleichkommt. Dem können wir hier im Hohen Hause nicht untätig zusehen.Es wird gesagt, die Erhöhung sei zwar notwendig, aber man müsse sich nach der Verminderung der
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HoogenKaufkraft unserer Währung richten. Diese spielt dabei eine Rolle; das ist sicherlich richtig, aber für mich persönlich jedenfalls nicht entscheidend. Als der Bundesgerichtshof auf Grund des Gesetzes dieses Hauses im Jahre 1950 seine Tätigkeit begann, wurde die Revisionsstumme auf 6000 DM festgesetzt. Meine Damen und Herren, mit zunehmendem Wohlstand und mit der Steigerung des Sozialprodukts ist auch die Zahl der jährlichen Rechtsgeschäfte und der unerlaubten Handlungen, z. B. der Verkehrsunfälle, um ein Vielfaches gestiegen. Das kann man nicht in Zahlen ausdrücken, aber jedermann weiß, daß es so ist. Das wirkt sich natürlich auch dahin aus, daß dieser zunehmende Wohlstand, vielleicht aber auch unser Steuersystem mit seinen Abschreibungsmöglichkeiten die Menschen geneigter machen, auch noch die Kosten für eine Revision zu wagen. Das alles sind Erwägungen, die man nicht einfach achtlos beiseite schieben kann, um bei der sprunghaften Zunahme der Revisionen und bei dem großen Rückstand, der zu dieser Verzögerung der Verfahren geführt hat, untätig zu bleiben.Hinzu kommt noch eines, und da sollte dieses Hohe Haus sich selbst ansprechen. Der Bundesgerichtshof hat in Zivilsachen neun Senate. Durch die Gesetzgebung dieses Hohen Hauses seit dem Jahre 1950 sind sechs Sondersenate beim Bundesgerichtshof notwendig geworden: das oberste Dienstgericht für alle Bundesrichter, der Kartellsenat mit seiner Tätigkeit in Zivil- und Strafsachen, der Anwaltssenat, der Notarsenat, der Senat für Wirtschaftsprüfer, der Senat für Steuerberater, und nach einer neuen Vorlage der Bundesregierung haben wir mit einem siebten Sondersenat zu rechnen, dem Senat für Patentanwaltssachen. Meine Damen und Herren, wenn dieses Hohe Haus dem Bundesgerichtshof die zusätzliche Arbeit von demnächst sieben Sondersenaten neben den neun Zivilsenaten aufbürdet, dann hat es auch die Pflicht, nicht untätig zu sein und dem Bundesgerichtshof zu helfen, diese Arbeiten in .angemessenerer Zeit erledigen zu können, als das üblich ist. Wir sehen im Augenblick keine andere Möglichkeit, als das durch die Erhöhung der Revisionssumme auf 15 000 DM zu bewerkstelligen.Herr Kollege Reischl, noch ein Wort zu Ihren Ausführungen in diesem Zusammenhang. Auch ich bin den Erwägungen, die Sie angestellt haben, keineswegs abgeneigt. Das haben Sie selbst dadurch anerkannt, daß Sie eine Rückverweisung beantragt haben. Aber ich meine, die Chance, Ihren Vorstellungen zu entsprechen, wäre größer, wenn wir diese Revisionssumme wählen. Ich könnte mir nämlich denken, daß bei der Festsetzung einer solchen,sicherlich hohen Revisionssumme die Zahl der Anhänger Ihrer Gedanken wächst. Deswegen bitte ich auch Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag der Abgeordneten Hoogen und Genossen aufs lebhafteste unterstützen. Das erklärt sich schon daraus, daß in der Regierungsvorlage eine Revisionssumme von 20 000 DM vorgesehen war. Manchem mag nun diese Summe ganz ungewöhnlich hoch erscheinen. Aber ich darf doch darauf hinweisen, daß die Revisionssumme von 6000 DM, die wir zur Zeit haben, aus dem Jahre 1929 stammt. Dann ist, jedenfalls heute, die hier beantragte Summe von 15 000 DM schon rein nach der Entwicklung der Preisverhältnisse gar nicht von der Hand zu weisen.Ich möchte Sie nicht mehr mit allzuviel Zahlen belästigen. Aber man muß sich ja bei dieser Frage tatsächlich die Belastung des Bundesgerichtshofes in Zahlen vorstellen. Bei einer Revisionssumme von 15 000 DM betrüge die Entlastung 31 %, bei 12 000 DM 22,4 %. Das macht also schon sehr viel aus. Ein Zahlenbeispiel für 1963: 1963 hatten wir beim Bundesgerichtshof 2058 Eingänge in Zivilsachen und 1762 Erledigungen. Sie sehen also daraus: Eine Differenz, ein Rückstand von 475 in einem Jahr. Hätten wir bereits 1963 die Revisionsgrenze von 15 000 DM gehabt, so hätten wir statt 2058 Eingänge nur 1287 gehabt, also weniger als die 1762 Erledigungen. Es wäre also möglich gewesen, zahlreiche Rückstände aufzuarbeiten. Man kann ausrechnen, daß bei dieser Revisionsgrenze von 15 000 DM die Rückstände etwa in sechs Jahren beseitigt wären.Wenn wir dagegen nur 12 000 DM nehmen, dann wären die Eingänge auf 1500 zu berechnen. Die Zahl der Erledigungen wäre mit 1762 also auch etwas höher gewesen. Aber bei der offenbar jedes Jahr festzustellenden Zunahme der Revisionen würde das bedeuten, daß bei einer Revisionsgrenze von 12 000 DM der Entlastungseffekt bereits nach wenigen Jahren wieder verschwunden wäre.Noch eine Zahl, nur um Ihnen die Rückstände zu vergegenwärtigen! Die Rückstände sind von 1951 bis 1962 von 973 auf 2186 gewachsen. Da ist es ja nicht verwunderlich, wenn wir hören, wie Herr Kollege Hoogen gesagt hat, daß die Erledigung in 50% der Fälle mehr als anderthalb Jahre dauert.Man könnte nun gegen diese Summe, je höher sie ist, einwenden, das sei eine unsoziale Maßnahme, weil eben nur derjenige, der um ein größeres Objekt prozessiere, die Möglichkeit habe, in die Revision zu gehen. Demgegenüber darf ich aber doch darauf hinweisen, daß wir nach wie vor ein gemischtes System haben, daß wir also immer noch neben der Streitwertrevision die Grundsatzrevision haben, allerdings ohne Nichtzulassungbeschwerde. Aber die Grundsatzrevision ermöglicht es ja, in allen Fällen, auch bei kleinsten Streitwerten, wenn es um grundsätzliche Fragen geht, die Revision zuzulassen. Man kann wirklich nicht sagen, wir wollten nur im Interesse des Bundesgerichtshofes etwas tun. Wir wollen es ja vielmehr im Interesse des Rechtsuchenden tun. Was ist dem Rechtsuchenden damit gedient, wenn er jahrelang auf die Entscheidungen warten muß, wie es sich — ich wiederhole es nochmals — aus der Zahl ergibt, daß 50 % der Fälle länger als 18 Monate liegen!
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Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Weber , Benda und Genossen auf Umdruck 497. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einige Enthaltungen. Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich habe nunmehr abstimmen zu lassen über den Antrag, den die Fraktion der SPD gestellt hat, den ganzen Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß zurückzuüberweisen. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Nein. Wer dem Rücküberweisungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Überweisungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über Art. 2 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf: Art. 3, — 4, — 5, — 6 — und 7 — sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit einigen Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? — Herr Abgeordneter Busse!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich der äußersten Kürze befleißigen. Aber einige Bemerkungen müssen, glaube ich, doch vor der Verabschiedung dieses Gesetzes noch gemacht werden. Wir sehen dieses Gesetz nicht als ein erfreuliches Gesetz an, und zwar insbesondere dehalb, weil es unter einem gewissen Zeitdruck verabschiedet werden muß und weil die Lösungen, die dieses Gesetz bietet, keine Lösungen, sondern Notlösungen sind und wir tatsächlich die Absicht haben — und wir würden uns freuen, wenn wir die Zustimmung der Regierung auch hierzu erhielten —, die Fragen, die auch durch Ihren Antrag angesprochen sind, nicht auf sich beruhen zu lassen. Wir meinen, daß unabhängig von einer allgemeinen Revision unseres Zivilprozeßrechts die Fragen, die das Revisionsrecht betreffen, gesondert geregelt und entschieden werden können.
Gerade die Tatsache, daß wir mit der Erhöhung des Streitwerts doch immer nur eine unbefriedigende Lösung erreichen werden, macht es unabweisbar notwendig, nunmehr im Interesse aller Beteiligten — der Gerichte und der Rechtsuchenden — im Zivilprozeß die Lösung zu finden, die der Situation des Bundesgerichtshofs, aber auch der Situation der Rechtsuchenden gerecht wird.
Diese Schlußbemerkung wollte ich doch vor Verabschiedung des Gesetzes noch machen.
Herr Abgeordneter Jahn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu der Kontroverse von vorhin zunächst noch eine Bemerkung machen. Hier liegt eine Drucksache des Ausschusses, überschrieben „Rechtsausschuß, Bonn, den 27. Mai", versehen mit der Registraturnummer der Druckerei dieses Hauses. Ich möchte eigentlich wissen, was die Einwendungen, das sei im Rechtsausschuß nicht vorgelegt worden, hier sollen, ganz abgesehen davon, Herr Kollege Benda, daß ich mich mit einigem Nachdruck gegen Ihre Argumentation verwahre. Sie wissen ganz genau: Wie sollen wir in der zweiten Lesung über eine solche Frage hier debattieren, wenn nicht ein formulierter Antrag vorliegt? Das ist ganz und gar unmöglich. Schon aus diesem Grunde ist die Art Ihrer Argumentation keine, mit der ich mich abzufinden bereit bin. Ich werde — darauf dürfen Sie sich verlassen — die Konsequenzen, die sich daraus für die Zusammenarbeit im Rechtsausschuß ergeben, ziehen müssen; denn so ist eine Zusammenarbeit, jedenfalls nach unseren Vorstellungen, nicht möglich.Nun noch einige Bemerkungen zu diesem Gesetzentwurf. Wir haben von der ersten Lesung an mit aller Deutlichkeit gesagt, daß uns der Weg, der hier beschritten worden ist, keinesfalls als sinnvoll erscheint, daß er auch keinesfalls eine wirksame Entlastung des Bundesgerichtshofes mit sich 'bringen kann. Seit 70 Jahren haben der Deutsche Reichstag bzw. der Bundestag mit Maßnahmengesetzen auf diesem Gebiet, mit der Höhe der Streitwertgrenze operiert, ohne daß man endlich einmal den Mut zu einer grundsätzlichen Lösung des Problems hatte. Es ist nahezu makaber, zu hören, wie hier mit Zahlen operiert und gesagt wird: Wenn man den Streitwert so hoch setzt, werden so und so viele Revisionen weniger eingehen. Nach dem rechtlichen Anliegen der Betroffenen, der Bürger dieses Staates, die um eine Klärung ihrer Rechte ringen, wird überhaupt nicht mehr gefragt. Ich meine, das ist eine schlechte Methode, eine so wichtige Materie zu behandeln.
Noch einmal das, was der Herr Kollege Reischl vorhin gesagt hat: die Zeit ist wirklich reif. Das gegenteilige Argument ist einfach eine Ausrede, eine Ausrede für mangelnden Mut zu einer Entscheidung, die überfällig ist. Wir könnten entscheiden, wenn wir wollten. Die Fragen sind hinreichend diskutiert. Es gibt nichts, was im Wege stünde, eine Entscheidung zu treffen, so oder so mit den Modifikationen, die gegeben worden sind.Wir haben darüber hinaus praktische Erfahrungen aus der Sozialgerichtsbarkeit, wir haben die prak-
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Jahntischen Erfahrungen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wir wissen, daß sich dieses Verfahren mit der Grundsatzrevision dort auf das beste bewährt hat, daß wir ausgezeichnete Erfahrungen damit gemacht haben. Dennoch glauben Sie, hier mit nicht einmal als halbe Maßnahmen zu bezeichnenden Schritten weiterkommen zu können.Einen solchen Weg können wir nicht mitgehen. Wir bekennen uns zu der Notwendigkeit, den Bundesgerichtshof zu entlasten. Wir glauben, daß dieser Weg dazu nicht geeignet ist. Wir werden diesem Gesetz aus den dargelegten Gründen nicht zustimmen können. Wir werden deswegen nicht dagegen stimmen, weil wir nur Ihren Weg für schlecht halten und weil darüber hinaus ein von meiner Fraktion gestellter Antrag in dieses Gesetz, so wie es zur Verabschiedung steht, positiven Eingang gefunden hat. Darum sind wir schlecht in der Lage, dagegen zu stimmen. Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten.
Wird noch das Wort gewünscht? — Jetzt scheinen wirklich keine Wortmeldungen mehr vorzuliegen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen
auf der linken Seite angenommen.
Wir haben noch über den zweiten Punkt des Ausschußantrages abzustimmen, den Gesetzentwurf auf Drucksache IV/1697 durch die soeben erfolgte Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Hierzu wird das Wort nicht mehr gewünscht. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung ;
Erster Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/2339). (Erste Beratung 116. Sitzung)
Ich danke dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Busse, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in der zweiten Beratung den § 1, § 2, § 3, die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nichtgewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig verabschiedet.
Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und Dritte Beratung ides von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen (Drucksache IV/2317) ;
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 9.6 der Geschäftsordnung (Drucksuche IV/2407)
b) Schriftlicher Bericht ides Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/2361).
Ich danke den Herren Berichterstattern, dem Abgeordneten Dr. Althammer und dem Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, für die vorgelegten Berichte.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Meine Damen und Herren! In der Drucksache IV/2361, die wir heute behandeln, ist auf Seite 4 in Anlage I ein Druckfehler der Druckerei zu berichtigen, wenn dieser Druckfehler auch nur die Zeit vom 1. Oktober 1964 bis zum 31. Dezember 1964 betrifft. Es muß zwischen den Besoldungsgruppen 6 und 7 ein Querstrich gezogen werden. Über den Querstrich ist die Ortszuschlag-Tarifklasse IV, unter den Strich die Ortszuschlag-Tarifklasse III zu setzen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und darf die Berichtigung zur Grundlage unserer Beschlüsse machen.
Ich komme zum § 1 und damit zu dem Umdruck 494 *) Ziff. 1, Änderungsantrag des Abgeordneten Brese. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat am 5. Juni dem Parlament den Entwurf eines Vierten Besoldungserhöhungsgesetzes zugeleitet. In diesem Gesetz war vorgesehen, daß die Beamtengehälter am 1. Oktober um 3% erhöht werden und daß das Kindergeld einheitlich mit 50 DM abgegolten wird. Weiterhin war in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß am 1. Januar 1965 eine weitere Erhöhung der Gehälter um 5%, also auf 8 %, die Beseitigung der Tarifklasse IV des Ortszuschlages und der Wegfall der Ortsklasse B erfolgen sollte. Für dieses Gesetz hatte die Regierungsvorlage einen Finanz-*) Siehe Anlage 15
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Brese bedarf von 93 Millionen veranschlagt, die in diesem Haushalt verkraftet werden sollten.Am 10. Juni hat in der 130. Sitzung dieses Hohen Hauses der Innenminister zu der Vorlage gesprochen und auf die Schwierigkeit hingewiesen, schon am 1. Oktober die 8 % zu bewilligen, denn die Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten laufen noch bis zum 31. Dezember. Weiter wies er auf die Gefahr hin, die dadurch entstehe, daß Länder und Gemeinden nachziehen müßten und daß dabei finanzschwache Länder und Gemeinden mit ihren Etats in große Gefahr kommen könnten.In der damaligen Sitzung haben sich schon alle Parteien für eine Erhöhung der Gehälter um 8% ausgesprochen. Das kam wohl vor allen Dingen dadurch zustande, daß das Land Nordrhein-Westfalen schon Ende Mai diese 8%ige Erhöhung von sich aus vorgenommen hatte. Meine Meinung dazu ist, daß es wirklich allerhöchste Zeit ist, daß sich Länder und Bund bei solchen Maßnahmen an einen Tisch setzen und sie vorher koordinieren. Denn dieses Verfahren, das wir in den Ländern in den letzten Jahren beobachten konnten, bei dem einige reiche Länder mit ihren Maßnahmen vorpreschen und der Bund dann gezwungen ist, nachzuziehen, kann ganz gewiß nicht zu einem ordnungsgemäßen Regieren beitragen.Nun hat sich der Innenausschuß — die Vorlage liegt Ihnen auch vor — mit diesem Gesetz befaßt und ist zu dem Beschluß gekommen, die gesamten Maßnahmen, die in zwei Stufen in der Vorlage vorgesehen waren, jetzt am 1. Oktober in Kraft treten zu lassen. Dadurch ergibt sich ein Mehraufwand von 178 Millionen — ich muß allerdings dabei sagen: für Bund, Post und Bahn —, so daß ein Gesamtfinanzbedarf von 271 Millionen in diesem Haushaltsjahr erforderlich ist; wohlgemerkt beim Bund, bei der Bahn und bei der Post. Die Auswirkungen in den Ländern und in den Gemeinden konnte ich nicht feststellen.Ich habe Ihnen heute einen Änderungsantrag vorgelegt — auf Umdruck 494 —, der den Zweck hat, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.Ich muß noch bemerken, daß sich auch der Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung mit dieser Vorlage beschäftigt hat. Auch diese Vorlage liegt Ihnen vor. Da heißt es im letzten Satz: Die Deckung wird gefunden werden, und zwar in einem Nachtragshaushalt. Ich hätte gesagt: die Deckung soll gefunden werden. Denn wie sie gefunden werden wird, ist nicht gesagt, ist uns auch im Haushaltsausschuß nicht gesagt worden.Ich habe also diesen Änderungsantrag eingebracht und habe mich dabei vor allem von zwei Dingen leiten lassen: von haushaltsrechtlichen Bedenken und von wirtschaftspolitischen Bedenken. Die haushaltsrechtlichen Bedenken bestehen darin, daß wir nach Art. 110 des Grundgesetzes in unserem Haushalt eine Haushaltswahrheit zeigen sollen, daß wir verpflichtet sind, jährlich einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Ich bin der Meinung: wenn wir so tiefgreifende Änderungen vornehmen und so hohe Ausgaben im Haushaltsjahr beschließen, hat das mit einer Haushaltswahrheit von vornherein nichts mehr zu tun.Dann muß ach auch folgendes sagen. Ich habe mit mehreren Beamten in meinem Wahlkreis gesprochen. Die größte Zahl der Beamten sieht durchaus ein, daß man mit derart tiefgreifenden Änderungen am Anfang des Haushaltsjahres beginnen sollte, um so mehr, als wir im vorigen Jahr durch das Dritte Besoldungserhöhungsgesetz eine Erhöhung der Bezüge um 7,5 % im Durchschnitt und bei den unteren Beamten um 16,7 % vorgenommen haben, den Ortszuschlag um 6 % erhöht haben und beispielsweise auch zu der Weihnachtsgratifikation gekommen sind. So habe ich bei meinen Gesprächen nur feststellen können, daß in der Beamtenschaft selber die Meinung vertreten ist: man sollte solche Maßnahmen in einem Zuge am Anfang eines Haushaltsjahres durchführen.Ich habe aber auch wirtschaftspolitische Bedenken.
— Ich wollte Sie gerade jetzt beim Namen nennen, Herr Miessner. Sie haben sich in der ersten Lesung am 10. Juni zu diesem Problem geäußert und haben von der weggelaufenen Einkommensentwicklung gesprochen. Ich gebe Ihnen völlig recht: es gibt große Teile der Bevölkerung in unserem Land, die sich mit den Ellenbogen Einkommensverhältnisse erkämpft haben, die in keiner Weise in den Rahmen einer geordneten Volkswirtschaft hineinpassen. Dazu gehören bestimmt nicht die Beamten. Aber ich brauche Ihnen keine Beispiele zu nennen. Es ist leider Gottes so, daß die am besten Besoldeten immer wieder die Antreiber sind und mit neuen Forderungen kommen. In diesen Betrieben ist durch die Rationalisierung und durch die Konsumnachfrage die Möglichkeit eingetreten, solche Tarife abzusprechen.
— Ist gestattet.
Eine Zwischenfrage, bitte!
Herr Kollege Brese, ist Ihnen denn nicht bekannt, daß mit der ,,weggelaufenen Einkommensentwicklung" das durchschnittliche Einkommen gemeint ist, nicht das Einkommen bestimmter Teile der Bevölkerung, die besonders viel verdient haben?
Das durchschnittliche Einkommen können Sie nicht errechnen. Ich gehöre z. B. einem Berufsstand an, der unter allen Umständen für sich in Anspruch nehmen kann, daß er am Ende dieser Entwicklung geblieben ist. Sie haben alle Gelegenheit, jetzt im Urlaub die Verhältnisse auf dem Lande kennenzulernen. Dann werden Sie mir recht geben: wir sind bei den Erzeugerpreisen von vor zehn Jahren stehengeblieben, und in der Zwischenzeit hat sich allerdings sehr, sehr viel ereignet. Wenn ich mir bei uns die Verhältnisse .ansehe, die durch die Landflucht und die dadurch notwendige
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BreseTechnisierung in weiten Bezirken des Landes entstanden sind, so muß ich Ihnen sagen: die Bauern stehen der ganzen Wohlstandsentwicklung allgemeinen sprachlos gegenüber; sie sind in allergrößter Sorge, wenn die Lohn- und Preisspirale wieder angedreht wind.
— Ach, mit dem Grünen Plan müssen Sie sich beschäftigen. Ich nehme Ihnen den Zuruf nicht übel. Aber wir debattieren jetzt nicht über den Grünen Plan. Ich könnte Ihnen sonst darüber einen Vortrag halten, und Sie würden staunen, was beim Grünen Plan endgültig bei der Landwirtschaft ankommt.
— Wir wollen uns jetzt nicht darüber unterhalten, wer alles daran beteiligt ist.
— Wo das Geld hinkommt? Das wird für alle möglichen Dinge verwandt, z. B. für Strukturverbesserung.
— Ja, ich kann auch meine Notizen herausgeben. Sicher habe ich mir einige Notizen gemacht, das muß ich schon.Also was die „weggelaufene Einkommensentwicklung" betrifft, muß ich sagen: der Schein trügt. Wir haben weite Bezirke, die sehr im Schatten des ganzen Wirtschaftswunders geblieben sind.
Ich sprach schon von .der Landwirtschaft. Wie ein Alpdruck ruht auf all diesen Menschen die Lohn- und Preisspirale. Nicht nur die Landwirte sind zurückgeblieben, sondern auch all diejenigen, die keine staatliche Altersversorgung haben, auch die Kleinrentner, auch die kleinen Pensionäre sehen dieser Geldentwertung — wenn ich mich einmal so ausdrücken darf — mit größter Sorge entgegen und bangen um ihre Zukunft.Ich muß sagen: ich verstehe die Gewerkschaften nicht. Weshalb pochen sie nicht auf Steuerermäßigung? Die Steuerermäßigung würde doch wirklich einen realen Wertzuwachs ergeben. Das würde doch ein realer Gewinn für die einzelnen Menschen sein, während Lohnerhöhungen stets wieder zu neuen Preiserhöhungen führen; denn in irgendeiner Sparte bleibt dieser höhere Lohn hängen.Wir haben uns neulich einmal in der Fragestunde darüber unterhalten, woher die hohen Preise für die Lebensmittel kommen. Ich sagte Ihnen schon: unsere Erzeugerpreise in der Landwirtschaft sind im Durchschnitt dieselben wie vor 10 Jahren. Aber die Spanne ist um vieles größer geworden. Das sehen Sie am besten beim Brot. Der Roggenpreis ist durch Feuchtigkeitsverordnungen und Gütevorschriften ermäßigt, aber der Brotpreis ist auf 140 bis 150 % angestiegen. In dieser Spanne sind sämtliche Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen enthalten. Natürlich ist auch das Gewinnstreben verschiedener Seiten, das durch diese Forderungen angeregt wird, mit schuld daran. Aber am Ende ist der Verbraucher, ist der kleine Mann der Dumme bei dieser ganzen Entwicklung mit der Lohn-Preis-Spirale.
Herr Abgeordneter Brese, im Hinblick auf 'die vorgeschrittene Zeit und die umfangreiche Tagesordnung möchte ich Sie doch bitten, nicht allzusehr vom Thema abzuschweifen.
Ich werde mich jetzt kurz fassen und will auch nicht mehr vom Thema abschweifen. Sie kennen ja meine Einstellung aus den bisherigen Ausführungen und auch aus dem, was ich früher hier im Bundestag oft gesagt habe. Ich stehe auf dem Standpunkt: wenn wir unser Leben etwas einfacher gestalteten und unsere Bedürfnisse nicht so wachsen ließen, könnten wir viele Fragen besser lösen. Ich mache mir oft große Sorgen, wenn ich daran denke, wie in der sowjetisch besetzten Zone unser Volk in Unfreiheit und in Not lebt, und wenn ich auf der anderen Seite sehe, wie wir hier in Westdeutschland in vielen Bereichen unsere Ansprüche übertreiben und dadurch andere Bereiche, die ich schon genannt habe, in einen schweren Daseinskampf bringen. Denn je mehr auf der einen Seite die Ansprüche übertrieben werden, desto mehr leiden andere, die diese Ansprüche nicht stellen konnten, Not.Die Parole unserer Regierung zum Maßhalten ist in weiten Kreisen unseres Volkes sehr günstig aufgenommen worden, und wenn ich an die Verhältnisse vor einem halben Jahr denke, dann muß ich sagen, es war wirklich in der gesamten Preissituation eine Beruhigung festzustellen.
Aber — nehmen Sie es mir nicht übel — wir sind selbst schuld daran, daß wir durch allerhand Maßnahmen, die hier getroffen worden sind, mit dem Maßhalten Schluß gemacht haben. Heute geht es uns wieder so, wie es Goethe im „Faust" ausgedrückt hat: „Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr." Wenn ich — und damit will ich zum Schluß kommen — an die Beratungen im Haushaltsausschuß und daran denke, welche Baupläne hier im Hause kursieren und daß wir beispielsweise für dieses Parlament in diesem Hause, wo wir von Raumnot sprechen, in diesem Jahr 44 neue Stellen bewilligt haben, mit denen wir jetzt auf 817 Bedienstete gekommen sind, dann weiß ich allerdings nicht, wie das mit dem Maßhalten aussehen soll. Ich denke oft an ein Gedicht des Dichters Karl Simrock, der hier in Bonn vor 150 Jahren geboren wurde und hier als Professor gewirkt hat. Es ist ein Gedicht, in dem er eine Warnung vor dem Rhein ausgesprochen hat. Es fiel mir neulich in die Hände, und ich möchte Ihnen den ersten Vers vortragen:
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BreseAn den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein, mein Sohn, ich rate dir gut.Da geht dir das Leben zu niedlich ein, da blüht dir zu freudig der Mut.Lassen wir uns diese Warnung zu Herzen gehen! Stimmen Sie für meine Anträge, die Regierungsvorlage wiederherzustellen! Sie sparen dadurch 178 Millionen. — Ich danke Ihnen.
Herr Abgeordneter Brese, Sie haben den gesamten Antrag Umdruck 494 begründet. Ich darf wohl davon ausgehen, daß wir über ihn auch gemeinsam abstimmen können.
Will zu diesem Antrag des Abgeordneten Brese jemand das Wort haben? — Herr Abgeordneter Brück!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es sehr kurz machen. Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Brese im einzelnen einzugehen, würde eine sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, angefangen von den Ausführungen, die er hier über Nordrhein-Westfalen gemacht hat und die nicht den Tatsachen entsprechen. Dann haben Sie, Herr Kollege Brese, von Ihrem Berufsstand gesprochen. Ich bin diesem Berufsstand gegenüber durchaus wohlwollend eingestellt; aber ich möchte Ihnen doch folgendes sagen, Herr Kollege Brese: wenn die Berufsstände, die es in unserem Volke gibt, einmal auf das Jahr 1945 zurückschauen, dann müssen alle, auch Ihr Berufsstand, glaube ich, zugeben, daß es heute Gott sei Dank allen Berufsständen im Volke besser geht.
Herr Kollege Brese, Sie haben als einziger den Antrag Umdruck 494 unterschrieben, ihn also als Einzelantrag gestellt. Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Ziffern 1 bis 7 dieses Antrages nicht zuzustimmen, sondern es bei der Beschlußfassung des Innenausschusses bzw. des Haushaltsausschusses zu belassen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich lasse über den gesamten Änderungsantrag des Abgeordneten Brese auf Umdruck 494 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Stimme des Abgeordneten Brese. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei mehreren Enthaltungen mit allen übrigen Stimmen gegen eine Stimme abgelehnt!
Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -
Es ist also so beschlossen.
Ich rufe auf § 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat Herr Abgeordneter Wagner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen zweiten und dritten Lesung verwirklicht der Bundestag die vom Bundesinnenminister und den Fraktionen dieses Hauses gegebene Zusage, die Beratung des Vierten Besoldungserhöhungsgesetzes noch vor der Sommerpause abzuschließen. Dies ist nicht nur den Beamten und den Versorgungsempfängern des Bundes gegenüber gerecht. Sie können überzeugt sein, daß es dem Gesetzgeber ernst ist mit dem Bemühen, auch diesen Personenkreis an die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Entwicklung heranzuführen.
Mit der heutigen Entscheidung gibt der Bundestag aber auch den Ländern und den Kommunen vor der Beratung entsprechender Gesetze in ihren Parlamenten eine klare Leitlinie für ihr besoldungspolitisches Verhalten. Diese frühzeitige Beschlußfassund wird dazu beitragen, die von uns allen gewünschte Besoldungseinheit im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden weiter zu sichern.
Nach den Beschlüssen des Innenausschusses und des Haushaltsausschusses werden nunmehr ab 1. Oktober 1964 die Grundgehälter und die Ortszuschläge um insgesamt 8 % angehoben. Der Kinderzuschlag wird zum gleichen Zeitpunkt auf 50 DM vereinheitlicht. Die Tarifklasse IV und die Ortsklasse B fallen am 1. Januar 1965 weg. Wir nehmen besonders mit diesem Termin Rücksicht auf die Haushalte der Länder, in deren Bereich sich diese Maßnahme stärker als beim Bund auswirkt.
Für den Bund entsteht durch diese Beschlüsse eine Mehrausgabe gegenüber dem Regierungsvorschlag für das Jahr 1964 in Höhe von 178 Millionen DM. Sie ist notwendig im Hinblick auf die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Entwicklung. Sie führt aber im Gefolge zu einer wesentlichen Arbeitsvereinfachung bei der Berechnung aller Gehaltskonten im Bund. Die Deckung hierfür wird im Nachtragshaushaltsgesetz für das Jahr 1964 im Rahmen des Volumens von 60,3 Milliarden DM gefunden werden.
Noch eine Bemerkung zum Schluß. Nach dem Willen des Bundestages soll das Gutachtergremium künftig auch die Einkommens- und Wirtschaftsverhältnisse dm öffentlichen Dienst in seinen Bericht mit aufnehmen. Wir ersuchen an dieser Stelle die Bundesregierung nochmals, diesen Auftrag sobald wie möglich zu erteilen. Gerade damit würde ein guter Beitrag zur Versachlichung aller künftigen Besoldungsverhandlungen geleistet.
Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dem Vierten Besoldungserhöhungsgesetz in der vom Innenausschuß vorgeschlagenen Fassung zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Lautenschlager.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt nicht häufig vor, daß sich schon in der ersten Lesung eine einheitliche Meinung über die wesentlichen Verbesserungen eines von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurfs abzeichnet, wie es bei dieser Vorlage, die wir
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6490 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Lautenschlagerabschließend behandeln, der Fall war. Um so mehr erfüllt es meine Freunde und mich mit Genugtuung, daß die Initiative, die von der SPD ausging, so gezündet hat, daß wir mit diesem verbesserten Gesetz innerhalb von 14 Tagen sämtliche Hürden des parlamentarischen Ablaufs nehmen konnten.Der Herr Bundesminister des Innern hat in seiner Begründung am 10. Juni 1964 versucht, die bittere Pille der Zwei-Stufen-Lösung mit der Zuckerhülle des Lobes für die Beamtenschaft zu versüßen. Gerade aber die Feststellung der enormen Leistungen der Beamtenschaft beim Wiederaufbau unseres Staates und bei den täglichen Auseinandersetzungen an der Front des Gesetzesvollzugs hätte bei der Bundesregierung eine Überprüfung ihres Standpunkts veranlassen müssen.
So hat sie vielmehr die bereits seit Jahren eingeführte ungute Übung fortgesetzt, dem Parlament die Schritte zu überlassen, die im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn bei der Angleichung der Beamtenbesoldung notwendig sind. Gerade diese Gelegenheit zeigt wieder, daß unsere Forderung nach Erstellung einer Beamtenrechts- und Besoldungsenquete durch eine unabhängige Sachverständigenkommission mehr als berechtigt ist. Wir freuen uns, daß eine ähnliche jahrelang vorgebrachte Forderung auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet nunmehr anerkannt wurde. Wir werden auch auf dem Gebiet des Beamten- und Besoldungsrechts nicht müde werden, diese Forderung so lange zu erheben, bis die bisherigen Bedenken der Bundesregierung der besseren Erkenntnis, die der Herr Bundeskanzler sich — wie seine Bereitwilligkeit, eine Sozialenquete erstellen zu lassen, zeigt — auf anderem Gebiet schon zu eigen gemacht hat, auch bei der Betrachtung der Beamtenrechts- und Besoldungsrechtsprobleme gewichen sind.Es wird auf die Dauer nicht möglich sein, die Entscheidung über die Höhe der Besoldungsanpassung an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung objektiv zu treffen, solange wir nicht wissen, ob die Relationen der Beamtenbezüge zum Stichmannverdienst in der Industrie überhaupt noch stimmen. Wir wissen alle, welchen Imponderabilien Fortschreibungen auf Zahlen, die vor längerer Zeit erhoben wurden, ausgesetzt sind. Aber eben nur diese ungewissen Zahlen können von uns mit Einschränkungen benützt werden, während die Zahlen, die .dem Innenministerium zur Verfügung stehen, nicht bekannt sind. Es darf erwartet werden, daß die statistischen Grundlagen für die gegenwärtige Besoldungserhöhung bald vorgelegt werden. Dabei halten wir eine zeitgerechte und ausreichende Einschaltung der Gewerkschaften und Beamtenverbände für unerläßlich.Die Monate nach den Parlamentsferien werden mit einer langdauernden Beratung verschiedener beamten- und besoldungsrechtlicher Vorlagen ausgefüllt sein. Wir werden immer wieder auf die Frage stoßen, ob die Zusammenhänge zwischen Besoldungsgrundlage und Dienstpostenbewertung einerseits sowie Stellenkegel, Stellenschlüssel und Dienstzeitbeförderung andererseits noch der jetzigen Situation im öffentlichen Dienst entsprechen. Auch hier wird sich wieder die Berechtigung der Frage nachder Beamtenrechts- und Besoldungsenquete ergeben.Die Vorlage einer Reihe von Kollegen aus der Koalition betreffend die Besteuerung der Versorgungsbezüge der Beamten und unsere eigene Kleine Anfrage betreffend die Besteuerung der Kinderzuschläge werden im Ausschuß genug Gelegenheit bieten, die bisherigen Erkenntnisse 'hinsichtlich der Verbesserungsbedürftigkeit der Besoldungsstruktur noch zu vertiefen.Für meine Fraktion darf ich jetzt schon erklären, daß wir dem Gesetzentwurf in der vom federführenden Ausschuß empfohlenen Form zustimmen werden. Diese Zustimmung besagt nicht, daß wir mit den vorgeschlagenen Verbesserungen und Änderungen zugunsten der Beamtenschaft völlig einverstanden sind. Wir bedauern z. B. sehr, daß der Wegfall der Ortsklasse B und der Tarifklasse IV nicht schon zum 1. Oktober 1964 erreicht werden konnte.'
Wir haben eine längere Debatte nur deshalb nicht hervorgerufen, weil wir eine rasche Verabschiedung des Gesetzes noch vor den Parlamentsferien nicht verhindern wollten.Unsere Wünsche an die Bundesregierung, die mein Kollege Gscheidle bei der ersten Lesung hier vorgetragen hat und die ich mit den Stichworten umreißen darf: Überprüfung der Besoldungsstruktur, steuerliche Behandlung der Sozialrenten und Beamtenpensionen, Technikerzulage, Vereinheitlichung der Beamtenbesoldung in Bund und Ländern, gerechte Behandlung des Doppelversorgungsproblems und nicht zuletzt eine ausreichende Anhebung der Bezüge auf die nach hieb- und stichfesten Zahlen ermittelte Höhe des zeitentsprechenden Lebensstandards, — .diese Forderungen bleiben weiter bestehen. Wir werden bei den Beratungen zum Haushaltsplan 1965 sicher wieder darauf zurückkommen, zumal die Forderungen der Beamtenschaft nicht zuletzt auch durch die mangelnde Konjunkturpolitik der Regierung und die damit zusammenhängenden Laufenden Preiserhöhungen bedingt werden.
Gerade auch den Beamten wären stabile Preise lieber als eine schleichende Geldentwertung.Die Reichhaltigkeit unserer Tagesordnung läßt es nicht zu, heute tiefergehende Ausführungen zu machen. Wir begrüßen es, daß das Parlament fast in seiner Gesamtheit der Bundesregierung zum wiederholten Male Lehren auf dem Gebiet der Fürsorgepflicht für ihre Bediensteten erteilt. Es bleibt zu wünschen, daß die Initiative zur Verbesserung des Besoldungsgefüges von der Bundesregierung künftig in einem Maße ausgeht, das dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 in vollem Maße entspricht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6491
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte sehr, zu entschuldigen, daß ich ihre Zeit noch etwas in Anspruch nehme. Aber der Herr Kollege Lautenschlager hat in sein Statement eine ganze Reihe von kritischen Bemerkungen eingeflochten, die nicht ganz unwidersprochen bleiben dürfen.
Zunächst einmal darf ich für die Bundesregierung in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß sie bereits am 13. Mai diese bedeutsame Vorlage verabschiedet und den beiden Häusern zugeleitet hat, also zu einer Zeit, die es durchaus möglich gemacht hat, eine ordnungsgemäße Beratung durchzuführen. In dieser frühzeitigen Vorlage und Verabschiedung des Gesetzentwurfs kommt zum Ausdruck, daß es der Bundesregierung mit ihrer Fürsorgepflicht durchaus ernst ist.
— Es war gar nicht so schlimm, und zwar deswegen nicht, weil ich schon am 22. Februar, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, eine Konferenz mit den für die Besoldung zuständigen Innenministern der Länder abgehalten habe. Wir waren uns damals schon darüber einig, in welcher Form, mit welchem Inhalt und mit welchen Absichten wir verfahren wollten. Da gab es noch gar kein In-Trab-Halten.
— Sie sind mit Ihrer Initiative erst gekommen, nachdem das andere schon längst erledigt und intern schon der Beschluß gefaßt war, die Anhebung der Gehälter durchzuführen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen?
Ja, bitte!
Herr Minister, erinnern Sie sich an das, was Sie dem Hohen Hause am 5. März in der Fragestunde gesagt haben, oder stimmt es nicht, was Sie gesagt haben?
Was meinen Sie denn hier?
Sie haben gesagt, Sie seien sich nicht darüber im klaren, was Sie uns im Jahre 1964 noch vorzulegen hätten. Haben Sie das erklärt oder haben Sie es nicht erklärt?
Ich war mir nicht schlüssig über die Einzelheiten. Diese mußten abgestimmt werden. Grundsätzlich waren wir uns darüber im klaren — darüber konnte es nie einen Zweifel geben —, daß wir rechtzeitig eineVorlage machen würden, die eine angemessene Verbesserung enthielt.
Nun hat der Herr Kollege Lautenschlager in seinem Vortrag für sich und seine Fraktion das Erstgeburtsrecht für die Verbesserungen in Anspruch genommen. Meine Damen und Herren, ich war der Meinung, die Verbesserung sei aus Koalitionskreisen gekommen; dort scheint mir das Urheberrecht zu liegen.
Im übrigen muß ich eine ganz entscheidende Feststellung treffen. Alles, was hier an Verbesserungen vorgesehen ist, was insgesamt gesehen weit über 1 Milliarde DM hinausgeht, ist eine Leistung, die nur möglich ist auf der Basis einer Wirtschaftspolitik, die es in keiner Weise verdient, daß Sie sich fortgesetzt negativ mit ihr befassen, aber den Rahm gleichzeitig abzuschöpfen versuchen.
Zu dem, was Sie im übrigen über die Preisentwicklung vorgetragen haben,
darf ich Sie in aller Höflichkeit darauf aufmerksam machen, daß gerade in den letzten Monaten eine Beruhigung im Preissektor eingetreten ist, die Ihnen kein Recht gibt, das Wort „Preise" fortgesetzt in demagogischer Form in der Öffentlichkeit zu gebrauchen.
— Ich stütze mich auf etwas ganz Einwandfreies, und zwar auf die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes, die Ihnen genauso zur Verfügung stehen wie mir. Es ist nicht richtig, was Herr Lautenschlager gesagt hat, daß das nämlich geheimes Material für die Bundesregierung sei. Das gibt es auf dem freien Markt zu kaufen. Es wird Ihnen im übrigen, wenn Sie das wollen, von uns kostenlos ins Haus geschickt, je nach Bedarf; Sie können alle Zahlen haben, die wir haben, und wir werden im übrigen auch— das darf ich in diesem Zusammenhang sagen — das Gremium der Sachverständigen beauftragen, nun seinerseits an Hand des ganzen Materials und aller Quellen eine gutachtliche Stellungnahme zu erarbeiten, die es uns möglich macht, gemeinsam von einer Grundlage mit sachlichen Zahlen und sachlichen Unterlagen auszugehen.Sie haben mir eine Kleine Anfrage mit der netten Eingangsfloskel vorgelegt: „Ist der Herr Bundesminister gewillt oder nicht in der Lage ..." Ich bin sowohl gewillt wie in der Lage, Ihnen die Antwort
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6492 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Bundesminister Höcherlzu geben. Sie ist bereits erteilt. Sie ist gestern zugestellt worden und befindet sich zur Zeit im Umdruck. Dort wird das Urteil ausgelegt, wie sich nach dem Inhalt, der in dem Urteil steht, gehört. Übrigens ist die Entscheidung zu Art. 131 und nicht zu einer anderen Frage ergangen.Nun, meine Damen und Herren, darf ich vielleicht auf einige weitere Bemerkungen hinweisen, die zu machen Herr Kollege Lautenschlager die Liebenswürdigkeit hatte. Er meinte, ich hätte Lob gespendet, um Geld zu sparen. Meine Damen und Herren, ich habe mit guten Gründen einen Stufenplan vorgelegt, und zwar mit guten Gründen sowohl im Hinblick auf die Tarifsituation wie auf die Haushaltssituation. Mit der Vorlage an das Hohe Haus beginnt dessen souveräne Zuständigkeit. Ich habe gebeten, daß die Beratung sehr rasch stattfindet. Meine Geschwindigkeitserwartung wurde in jeder Form übertroffen; es war geradezu eine atomare Geschwindigkeit, die entwickelt wurde. Ich erkenne das an. Das tut uns allen gut.
— Es ist eine gemeinsame Leistung. Ich bin ja gar nicht so. Wenn Sie wirklich einen kleinen Beitrag leisten, will ich das ohne weiteres zugeben. Hier haben Sie tatsächlich ein ganz kleines bescheidenes Verdienst, und das wird von mir anerkannt.
— Nein. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir verpflichtet sind, den Personenkreis, der hier durch Gesetz seine Bezüge bekommen muß, nicht zurückstehen zu lassen gegenüber dem Kreis, der auf dem freien Markt im Wettbewerb, oder dem Kreis, der in Tarifauseinandersetzungen sich seine Entlohnung und seine Bezüge besorgt. Hier haben wir eine Verpflichtung, eine gemeinsam anerkannte Verpflichtung, der wir nachgekommen sind.Meine Damen und Herren, es darf der Zusammenhang mit dem großen volkswirtschaftlichen Bereich nicht vergessen werden, der hier von einem Einzelgänger dargestellt worden ist. Ich muß sagen, er hat die Kritik und das Gelächter, das ihm zuteil geworden ist, nicht verdient. Ich habe immer Respekt, wenn sich einer herstellt und ganz allein eine Position verteidigt, obwohl ich heute sagen muß, mir ist es angenehm, daß das Hohe Haus sich im Haushaltsausschuß in der Lage gesehen hat, die Vorlage der Regierung zu verbessern. Es hat das Recht und die Möglichkeit. Die Regierung hatte gar keine Möglichkeit, sondern der Haushaltsausschuß war der einzig Befugte; er mußte sprechen. Er hat in einer Art und Weise gesprochen, die die Regierung in vollem Umfang bejaht.
— Nein, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Ich habe den Zweistufenplan vorgelegt, Sie wissen das genau. Ich habe aber erklärt, das Hohe Haus wird vielleicht eine Haushaltsmöglichkeit finden, dieallein beim Hohen Haus liegt, Verbesserungen durchzuführen. Ich habe erklärt, jede Verbesserung wird von der Regierung dankbar begrüßt, wenn sie sich im Rahmen der haushaltswirtschaftlichen Ordnung hält. Das ist der Fall. Entscheidend war die Anregung und die Initiative der Regierung, die auf Grund ihrer Wirtschaftspolitik eine solche Verbesserung überhaupt möglich gemacht hat.Meine Damen und Herren, ich erkläre für die Bundesregierung die Zustimmung zu diesem Ergebnis. Ich bin dankbar, daß es gelungen ist, auf diese Weise der fürsorglichen Einstellung der Bundesregierung in so hervorragendem Maße gerecht zu werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich vorweg meiner Freude Ausdruck geben, daß der Innenminister für die Regierung die Zustimmung zu den Verbesserungen erklärt hat. Ich möchte aber auch den besonderen Dank an den Bundesfinanzminister anfügen, der dabei sicherlich ein gewichtiges Wort mitgeredet hat.Namens der FDP-Fraktion habe ich nun zu erklären, daß wir die rasche Verabschiedung des Vierten Besoldungserhöhungsgesetzes sehr begrüßen. Dies gilt insbesondere auch für die in den Ausschußberatungen vorgenommenen Verbesserungen, die unbedingt notwendig waren. Es sei aber heute — wie schon in der ersten Lesung — nochmals betont, daß es sich bei der Aufbesserung der Beamtenbesoldung zum 1. Oktober dieses Jahres lediglich um ein Nachziehen gegenüber der durchschnittlichen Einkommensentwicklung handelt. Hierdurch wird zugleich klargestellt, daß das Zusammentreffen mit den im Herbst dieses Jahres infolge Kündigung der Tarifverträge in der freien Wirtschaft sicherlich auf uns zukommenden neuen Lohnerhöhungen rein zufällig ist. Die heute beschlossenen Erhöhungen der Beamtenbezüge haben damit jedenfalls nichts zu tun.Gerade um künftig solch ein — insbesondere unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten — unglückliches Zusammenfallen von nachgeholten Besoldungsverbesserungen im öffentlichen Dienst einerseits und neuen Lohnforderungen in der freien Wirtschaft andererseits zu vermeiden, wird es erforderlich sein, daß man die Nachhinke-Zeiträume nicht allzu groß werden läßt. Es schien uns notwendig, diesen Gesichtspunkt einmal besonders zu betonen.Ich möchte persönlich noch hinzufügen, daß man auch gegenüber den Betroffenen, dem öffentlichen Dienst also, irgendwo eine Grenze des noch zumutbaren Nachhinkens zu beachten hat. Praktisch kann das nur dadurch geschehen, daß schon bei Aufstellung der Haushaltspläne mehr als bisher daran gedacht wird, inwieweit etwa eingetretene allgemeine Einkommensentwicklungen zu höheren Besoldungsansätzen im künftigen Haushalt führen müssen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6493
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zu dem Entschließungsantrag unter Nr. 2 mit dem Antrag Umdruck 496*). Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses — Drucksache IV/2361 —ist folgendes zu lesen: In der derzeitigen Besoldungsordnung A seien die besonderen Anforderungen an die Beamten in technischen und anderen Dienstzweigen hinsichtlich ihrer Vor- und Ausbildung, der Notwendigkeit einer ständigen Weiterbildung und gestiegenen Verantwortung nicht berücksichtigt. Auf der nächsten Seite stecht dann:Der Ausschuß hat deshalb mit Mehrheit eine Entschließung empfohlen, . . .Die Entschließung ist unter Nr. 2 des Ausschußantrags abgedruckt.Wir hatten in dieser Ausschußsitzung beantragt, daß dieser Entschließung ein weiterer Satz angefügt werde, der lauten solle:Gleichzeitig wird die Bundesregierung ersucht, die Auswirkungen eines solchen Vorschlags auf andere Beamtengruppen darzulegen.Dieser letzte von mir soeben zitierte Satz ist in der Ausschußberatung mit Stimmenmehrheit abgelehnt worden, und zwar sehr knapp mit einer Stimme Mehrheit.Wir haben im Ausschuß die Fragen diskutiert, und von der Minderheit ist nun dargelegt worden, daß diese Probleme insgesamt von der Bundesregierung überlegt und erörtert werden müßten. Ich hatte bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes hier ausgeführt, wenn Vorbildung, Ausbildung und Leistung u. a. die Merkmale der Beamtenbesoldung seien, gewesen seien und in Zukunft auch bleiben sollten, könne man nicht nur auf eine bestimmte Beamtengruppe abheben. Wir sind durchaus der Meinung, daß der technische Dienst in den Verwaltungen außerordentlich wichtig ist. Wir sind aber ebenso der Auffasssung, daß es auch andere Gruppen gibt, die genauso wichtig sind. Letzten Endes muß eine Verwaltung insgesamt einheitlich gut zusammenwirken, damit die ihr gestellten Aufgaben gerecht erfüllt werden.Wenn wir bei der Gestaltung der Besoldung darauf achten, die Angehörigen der verschiedensten Dienstzweige gerecht zu behandeln, in etwa den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Leistung" zu befolgen, dann muß auch, wenn für die Angehörigen technischer Dienstzweige in der Besoldungsordnung Stellenzulagen ausgebracht werden, darauf Bedacht*) Siehe Anlage 16 genommen werden, daß Beamte anderer Dienstzweige, für die vergleichbare Voraussetzungen wie bei den technischen Beamten vorliegen, diesen gegenüber nicht ungerechtfertigt zurückgesetzt werden. Diesem Anliegen dient unser Ergänzungsantrag. Damit soll sichergestellt werden, daß die Bundesregierung auch diesen weiteren Personenkreis von vornherein in ihre Überlegungen und Vorschläge mit einbezieht.Voraussetzung dafür muß sein, daß bei den in Betracht kommenden nichttechnischen Beamten hinsichtlich ihrer Ausbildung, Vorbildung, Leistung und Verantwortung gleiche oder ähnliche Verhältnisse vorliegen wie bei den technischen Beamten. Das aber ist, wie ich nur an einigen Beispielen darlegen darf, bei einer ganzen Reihe von Beamtengruppen der Fall. Sie haben vielleicht in diesen Tagen schon ein Schreiben von den Steuerbeamten bekommen, wo diese darauf abheben, indem sie sagen: wenn das bei den technischen Beamten geschieht, dann erheben wir auf Grund des Steuerausbildungsgesetzes den Anspruch, daß auch wir mit einer besonderen Zulage bedacht werden. Sie wissen, daß in diesem Gesetz bestimmte Voraussetzungen verlangt wenden, beispielsweise das Abitur. Im mittleren Dienst sind es andere Voraussetzungen. Hier bauen die Steuerbeamten also schon auf. Ich darf als weiteren Personenkreis z. B. die Rechtspfleger nennen.Ich darf Ihnen einen ganz speziellen Personenkreis nennen, wo sich die Dinge sehr hart im Raume stoßen. Das sind die Nautiker. Ebenso wie die Schiffsingenieure müssen die Nautiker die nach der Schiffsbesetzungsordnung für die jeweilige Tätigkeit vorgeschriebenen Befähigungszeugnisse besitzen. Der Erwerb dieser Befähigungszeugnisse setzt eine mehrjährige Seefahrtszeit und den erfolgreichen Besuch — mindestens fünf Semester — einer Seefahrt- oder Schiffsingenieurschule voraus. Die Nautiker und die Schiffsingenieure haben somit eine gleichwertige und ,gleich lange Ausbildung nachzuweisen. Im Hinblick darauf wäre ,es nicht 2u vertreten, z. B. die Nautiker besoldungsmäßig schlechter zu stellen als die Techniker, zumal der Kapitän als Nautiker die Gesamtverantwortung für die Schiffsführung hat.Sehen Sie weiter die Dinge im Betriebsdienst bei der großen Verwaltung der Bundesbahn. Es ist außerordentlich schwierig, dem Bahnhofsvorsteher, der eine hohe Verantwortung trägt, klarzumachen, daß er gegebenenfalls schlechter besoldet werden soll als sein technischer Kollege, der die Bahnmeisterei leitet. Auch das Personal im Flugsicherungsdienst wäre hier anzuführen. Es wären die Programmierer bei den elektronischen Großrechenanlagen zu nennen, die durchaus ganz bestimmte Voraussetzungen haben müssen. Diese sind sicherlich darauf bedacht — und werden das demnächst in einer Argumentation darlegen —, daß sie den anderen Gruppen gleichzustellen sind.Meine Damen und Herren, uns geht es nicht darum, hier jetzt irgendwie eine Bremse einzufügen. Uns kommt es ,ausschließlich darauf an, daß die Bundesregierung im Zusammenhang — —
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6494 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Meine Damen und Herren, ich darf um mehr Ruhe für den Redner bitten.
— Herr Dr. Schäfer, dann tun wir alle uns selbst auch für die Zukunft leinen Gefallen. Wenn nämlich diese Entschließung nur so angenommen wird, wie sie jetzt im Bericht ides Herrn Berichterstatters steht
— gut, vielen Dank, Herr Dr. Schäfer —, dann bekommen wir selbst nachher alle miteinander nur Schwierigkeiten. Ich bin, damit allen Gerechtigkeit widerfährt, dafür, daß die Bundesregierung tatsächlich auf breiter Basis Untersuchungen anstellt. Deshalb unser Antrag, der da lautet:
Ferner wird die Bundesregierung ersucht,
— ich muß es noch einmal vorlesen —bis zum gleichen Zeitpunkt
— es geht sehr schnell —
entsprechende Vorschläge auch für andere Beamtengruppen vorzulegen, bei denen hinsichtlich Ausbildung, Vorbildung und Leistung vergleichbare Voraussetzungen gegeben sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, im Interesse der Sache diesem unserem Ergänzungsantrag zuzustimmen, damit möglichst allen Gerechtigkeit widerfährt.
Das Wort hat der Abgeordnete Gscheidle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir dessen bewußt: hier könnte im Augenblick einer sagen, was er wollte, die Sympathie des Hauses hätte er nicht, wenn er die Debatte verlängert. Ich sage deshalb nur drei Sätze. Aber im Hinblick auf das Nachhutgefecht, das der Bundesinnenminister heute bei seiner Absetzbewegung geliefert hat, erscheint es uns doch wichtig, einen Satz dazu zu sagen. Wir haben im Ausschuß dieser Ergänzung nicht zugestimmt, weil wir den Eindruck hatten, damit solle die Initiative, die Anregung an die Bundesregierung, zu prüfen, ob dem technisch vorgebildeten Beamten mehr gegeben werden soll, gebremst werden. Inzwischen haben uns die Antragsteller glaubhaft versichert, das sei nicht ihre Absicht. Wir stimmen daher der Ergänzung zu.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Ergänzungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 496 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich lasse nun abstimmen über die Nummer 2 mit der soeben beschlossenen Ergänzung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen damit zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verordnung über die Höhe des Tage- und Übernachtungsgeldes und des Beschäftigungstagegeldes der Beamten (Drucksachen IV/1802, IV/ 2379) .
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Miessner, für seinen Schriftlichen Bericht. Zu einer Ergänzung dieses Berichts erteile ich ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vom Bundesministerium des Innern ist gestern mitgeteilt worden, daß die obersten Bundesbehörden inzwischen angewiesen sind, die höheren Sätze, wie in der Entschließung vorgesehen, vom 1. Juli 1964 ab zu zahlen. Ich gebe das als Berichterstatter dem Hohen Hause zusätzlich bekannt, empfehle aber dennoch Annahme der vom Innenausschuß und vom Haushaltsausschuß vorgelegten Entschließung, um damit der vorgezogenen Regelung zum 1. Juli 1964 die parlamentarische Rückendeckung zu geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Zivilprozeß würde man in einem solchen Fall sagen: die Hauptsache ist erledigt; die Kosten trägt die Bundeskasse. Am 19. Juni ist die Weisung an die obersten Bundesbehörden ergangen, und sie wird ausgeführt, so daß Ihr Petitum erledigt ist und zur Tagesordnung übergegangen werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Verordnung über die Höhe des Tage- und Übernachtungsgeldes und des Beschäftigungstagegeldes der Beamten, der am 2. Januar 1964 eingebracht wurde, ersucht die Bundesregierung, durch Verordnung ab 1. Januar 1964 die Höhe des Tage- und Übernachtungsgeldes und des Beschäftigungstagegeldes der Beamten um 20 % anzuheben und gleichzeitig die unterste Reisekostenstufe in Wegfall zu bringen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6495
WilhelmDieser Antrag der Fraktion der SPD war erforderlich, weil die Reisekostenvergütungen zum letztenmal am 1. Januar 1961 von der Bundesregierung festgelegt wurden und die Bundesregierung in der Zwischenzeit mehrmals die Vorlage eines Gesetzentwurfs ankündigte, diesen Worten aber erst vor einigen Wochen endlich Taten folgen ließ. Bereits im Jahre 1962, also vor über zwei Jahren, stellte Herr Minister Höcherl in Beantwortung einer Frage meiner politischen Freunde in der Fragestunde die baldige Einbringung eines Bundesreisekostengesetzentwurfs in Aussicht. Er hatte im Jahre 1962 nicht Wort gehalten. Das gleiche wiederholte sich bedauerlicherweisen 1963. Ich muß bei dieser Gelegenheit feststellen, Herr Bundesminister, daß diese Form der Versprechungen und des nicht gehaltenen Wortes einen recht schlechten Stil darstellt.Wie bereits festgestellt wurde, wurden die Reisekosten zum letztenmal am 1. Januar 1961, also vor rund dreieinhalb Jahren erhöht. Inzwischen sind die Hotel- und Gaststättenpreise recht erheblich gestiegen. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung wird besonders darauf hingewiesen, daß es sehr dringend sei, die Reisekostenvergütungssätze an die gegebenen Verhältnisse anzupassen. Damit wird dieser Tatbestand durch die Bundesregierung bestätigt.Die Beamten mußten wegen der Verzögerungen, die auf Grund der verspäteten Vorlage der Bundesregierung eingetreten sind, in der Zwischenzeit zum Teil erhebliche finanzielle Belastungen hinnehmen, soweit sie Dienstreisen durchführen mußten. Ich sehe darin einen unhaltbaren Zustand und auch eine gewisse Verletzung der Fürsorgepflicht.Ich kann heute mit Genugtuung feststellen, daß der Antrag der Fraktion der SPD inzwischen den erhofften Erfolg erzielt hat. Die Bundesregierung hat nämlich — auch auf Grund unseres Antrages — endlich mit großer Verspätung den versprochenen Gesetzentwurf eingebracht. Ferner ersucht der Antrag des Ausschusses für Inneres in dem Schriftlichen Bericht über die Beratung unseres Antrages — Drucksache IV/2379 — die Bundesregierung, sicherzustellen, daß ab 1. Juli 1964 im Vorgriff auf die beabsichtigte Neuregelung die im Entwurf eines Reisekostengesetzes vorgesehenen neuen Vergütungssätze angewendet werden. Es bedurfte also auch diesmal, wie so oft in der Vergangenheit, eines kräftigen Anstoßes der Fraktion der SPD.Ich möchte abschließend bei dieser Gelegenheit erneut sehr eindringlich an die Bundesregierung appellieren, in Zukunft einen besseren Stil zu entwickeln und dem Hohen Hause endlich einmal rechtzeitig die notwendigen Vorlagen zur Anpassung des Beamten- und Besoldungsrechtes an die allgemeine Entwicklung zuzuleiten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die sehr grobschlächtige Stilkritik des Herrn Kollegen Wilhelm muß ich doch einiges erwidern. Es kann gar nicht die Rede davon sein, daß wir irgendwie verzögerlich vorgegangen wären. Wir haben nicht die Möglichkeit, uns hinzusetzen, einen Antrag zu schreiben und zu unterschreiben und dem Hohen Hause vorzulegen. Wir müssen uns mit den Ländern abstimmen und müssen die Verbände anhören. Wir müssen gewissenhafte Vorbereitungen treffen. Es handelt sich hier also nicht um ein Verdienst Ihrer Initiative, wie Sie behaupten und damit den Wahlkampf schon reiflich vorverlegen, indem Sie fortgesetzt solche Behauptungen über das Urheberrecht aufstellen. Wir waren eifrig bemüht, in sachlicher, der Geschäftsordnung entsprechender Art und Weise die Vorlage auszuarbeiten und sie vorzulegen. Im übrigen haben wir gerade für das öffentliche Dienstrecht bereits eine ganze Serie von Vorlagen vorgelegt, die noch nicht erledigt und noch nicht beraten sind. Wir sind nicht im Verzuge. Wenn jemand im Verzuge ist, dann sind es andere.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Absetz- und Nachholbewegung des Herrn Bundesinnenministers, mit denen er versucht, seine unzureichenden Vorschläge abzudecken, kann man hier nicht so hinnehmen. Erwurde vorhin mit Herrn Brese, dem. er seine Sympathie noch einmal bezeugt hat, überrollt. Er hat sich noch einmal für den Zweistufenplan ausgesprochen. Herr Minister, ich weiß, daß es nicht einfach ist, solche Vorlagen vorzubereiten. Aber das können Sie doch nicht bestreiten: Sie haben falsche Auskünfte gegeben. Sie haben eine Pflicht: dem Parlament gewissenhafte und richtige Auskunft zu geben.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir können nun verschieden verfahren. Sie können den Ausschußantrag annehmen. Aber wenn ich der Diskussion genau gefolgt bin, ist er irgendwie überholt. In dem Fall müßte der Antrag gestellt werden, ihn für erledigt zu erklären. Ich kann es nicht machen, ohne daß ein solcher Antrag gestellt wird. Wie wollen Sie verfahren? Haben sich die Herren Fraktionsgeschäftsführer geeinigt?
— Ein anderer Antrag wird nicht gestellt, wie ich sehe. Da kein anderer Antrag gestellt wird, frage ich: Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
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6496 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Vizepräsident Dr. JaegerWir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung:Erste Beratung des von den Abgeordneten Folger, Dr. Kreyssig, Marx, Seuffert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes .Abgeordneter Folger, der den Antrag begründen wollte, hat im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit die Begründung schriftlich überreicht und bittet, sie ins Protokoll zu nehmen *).
Wir entprechen diesem Wunsch. Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht. Ich schlage vor, den Entwurf — federführend — an den Ausschuß für Inneres und — mitberatend — dem Haushaltsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (5. Ausschuß) (Drucksachen IV/2390, zu IV/2390).
Ich danke der Berichterstatterin Frau Abgeordnete Dr. Probst für ihren Schriftlichen Bericht und stelle fest: In dem Schriftlichen Bericht der Frau Abgeordneten Dr. Probst zu Drucksache IV/2390 muß es auf Seite 2, letzter Absatz, 2. Zeile nicht heißen „deutlich", sondern „dienstlich".Ich komme damit zur Einzelberatung der zweiten Lesung und rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift —. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Angenommen!Wir kommen damit zurdritten Beratung.Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit offensichtlich nicht der Fall. Ich komme damit zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platze zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Nun komme ich zu Ziff. 2 des Antrages des Ausschusses, ein Ersuchen an die Bundesregierung anzunehmen. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen! Einstimmig angenommen!*) Siehe Anlage 17 Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung:Erste Beratung des von 'der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verteidigung zu überweisen, sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
— Durch große Ruhe werden wir natürlich erreichen, daß es viel reibungsloser und rascher vonstatten geht. Ich bemühe mich gern darum, aber ich bitte Sie, mir dabei zu helfen.Wir kommen zu Punkt 12:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Mai 1964 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache IV/2381).
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Even für seinen Schriftlichen Bericht. Ich rufe in zweiter Beratung auf: Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6497
Vizepräsident Dr. JaegerWir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Punkt 13 ist nicht dabei, Herr Rasner?
Wir kommen zu Punkt 14:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt , Walter und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Abwicklung des Reichsnährstandes und seiner Zusammenschlüsse (Drucksache IV/1277) ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache IV/ 2357).
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Reinhard, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe die Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platze zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Der nächste Punkt, den wir noch beraten wollen, ist Punkt 19:Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1961 — Einzelplan 20 — .Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1964 hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Umdruck 424, Drucksache IV/2344).Berichterstatter ist der Abgeordnete Schröder , ich erteile ihm das Wort.
Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Ich nehme an, das Haus verzichtet auf den Bericht. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe nunmehr Punkt 21 der Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1964hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern .Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
— Sie können nicht verzichten; aber das Haus verzichtet auf Ihren Bericht.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 22 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Inneres ülber den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1964hier: Einzelplan 36 — Zivile Notstandsplanung .Ich nehme an, daß der Herr Berichterstatter wiederum Verzicht vorschlägt? — Bitte, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat nur die Ziffern 2 und 3 des Entschließungsantrags Umdruck 432 behandelt. Sie betreffen die Planung und die Kostenaufstellung.
Unter Ziffer 1 wird die Einsetzung einer Sachverständigenkommission empfohlen. Dazu wird der Ausschuß gegebenenfalls in einem zweiten Bericht nach Anhörung des Haushaltsausschusses Stellung nehmen. Der Haushaltsausschuß hat freundlicherweise seine Mitberatung auf diesen Punkt, der ja finanzielle Auswirkungen mit sich bringt, beschränkt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
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6498 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Vizepräsident Dr. JaegerWer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig beschlossen.Wir kommen zu Punkt 23 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamtes Glinde (Holstein) an die Firma Gebrüder Gies, Wachswarenfabrik, Hamburg Bergedorf (Drucksachen IV/2228, IV/2348).Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Mälzig. Ich nehme an, er schlägt vor, auf seinen Bericht zu verzichten. — Das Haus verzichtet auf diesen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht.Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung; Geheimschutzordnung (Drucksachen IV/ 1949, IV/2303).Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Benda, für seinen Schriftlichen Bericht.Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Änderung der Geschäftsordnung. Ich rufe auf Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.Nun zur Geheimschutzordnung selbst! Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der Geheimschutzordnung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Gesundheitsgefährdung durch Schädlingsbekämpfungsmittel (Drucksachen IV/1952, IV/ 2391).Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Jungmann, dem ich für seinen Schriftlichen Bericht danke.Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen vor. Er enthält drei Ziffern. Das Wort wird dazu nicht gewünscht.Ich lasse über den gesamten Antrag abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um dasHandzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Bei einer Gegenstimme angenommen.Der nächste Punkt, der in Frage käme, wäre Punkt 33. Ich werde aber darauf aufmerksam gemacht, daß der Schriftliche Bericht erst morgen verteilt werden wird. Ich schlage deshalb vor, diesen Punkt erst morgen zu behandeln. — Sie sind einverstanden.Wir kommen zu Punkt 35 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Mittelstandsfragen über den Bericht der Bundesregierung betr. Kreditversorgung der kleinen und mittleren Betriebe in der Wirtschaft (Drucksachen IV/1444, IV/2371).Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Riedel, für seinen Schriftlichen Bericht.Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen vor. Ich lasse über den gesamten Antrag abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Der nächste Punkt ist Punkt 36 der Tagesordnung:Erste Beratung des von den Abgeordneten Schulhoff und Genossen und Fraktion der CDU/CSU, Lange und Genossen und Fraktion der SPD, Opitz und Genossen und Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung (Drucksache IV/2335).Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Mittelstandsfragen — federführend — und dem Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen nunmehr zu Punkt 37 der Tagesordnung. Es handelt sich um einen sehr umfangreichen Punkt, nämlich um drei EWG-Durchführungsgesetze. Berichterstatter für den ersten Gesetzentwurf ist der Abgeordnete Wächter. Ist er im Saal?
— Es ist sehr schwierig, diesen sehr umfangreichen Punkt zu behandeln, wenn der Berichterstatter nicht anwesend ist. Denn es ist mir noch eine neue Berichtigung vorgelegt worden. Ich schlage daher vor, den Punkt auf morgen zu vertagen, wenn der Berichterstatter anwesend ist.Wir kommen zu Punkt 38 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abschöpfungserhebungsgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/2368).
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6499
Vizepräsident Dr. JaegerIch danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Stooß, für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Keine Enthaltungen! Einstimmig!Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Keine Enthaltungen! Einstimmig angenommen.Der nächste Punkt ist Punkt 40:Erste Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Süsterhenn, Dr. Zimmer, Josten, Gibbert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Gesundheitswesen — federführend — und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 41:Erste Beratung des von den Abgeordneten Meis, Dr. Stecker, Dr. Miessner, Katzer, Logemann, Dr.-Ing. Philipp, Eisenmann, Winkelheide und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß — federführend — und in den Ausschuß für Inneres zur Mitberatung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 42 der Tagesordnung:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.Ich schlage Ihnen Überweisung an den Finanzausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe zur Mitberatung sowie an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 43 der Tagesordnung:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr.Müller-Hermann, Drachsler, Dr. Artzinger undFraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Dr. Imle, Dr. Mälzig, Mauk und Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet.Ich schlage Ihnen vor, die Angelegenheit dem Finanzausschuß — federführend — und dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 44 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/2380).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Schulhoff, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art.1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht begehrt.Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Keine Enthaltungen! Einstimmig verabschiedet.Wir kommen zu Punkt 45 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Sechsundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für getrocknete Pflaumen) (Drucksachen IV/2311, IV/2376, zu IV/2376).Berichterstatter ist der Abgeordnete Burckardt. Ich danke ihm für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 46 der Tagesordnung:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Zweiundsechzigste, Dreiundsechzigste, Vierundsechzigste und Fünfundsechzigste Verordnung zur Änderung
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6500 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Vizepräsident Dr. Jaeger
Berichterstatter ist der Abgeordnete van Delden. Ich nehme an, daß das Haus auf einen Bericht verzichtet. Abstimmung ist nicht notwendig, nur Kenntnisnahme. Ein anderer Antrag liegt nicht vor. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.Wir kommen zu Punkt 47 der Tagesordnung:Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Dreiundsiebzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/2402).Hierzu wird das Wort nicht gewünscht. Ich schlage Überweisung an den Außenhandelsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Beratung der von der Bundesregierung vorgelegten Vierundsiebzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksache IV/2398).Ich schlage vor, die Angelegenheit an den Außenhandelsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Damit kommen wir zu Punkt 48 der Tagesordnung:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Vierzehnte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksachen IV/2306, IV/2374).Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Rinderspacher. Ich nehme an, daß auch er dem Hause vorschlägt, auf eine Berichterstattung zu verzichten. Eine Abstimmung ist nicht notwendig. Wortmeldungen erfolgen nicht. Die Angelegenheit ist damit erledigt.Wir kommen nunmehr zu Punkt 50 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. Dezember 1956 über die Gleichwertigkeit der Studienzeit an den Universitäten ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache IV/2385).
Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Brauksiepe, für ihren Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 51 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/2389).
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Ramminger, für seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Es ist noch abzustimmen über den Ausschußantrag Drucksache IV/2389 Ziffer. 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen.Ich rufe auf Punkt 52 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bildung und Verwaltung eines Sondervermögens für Ausbildungs- und Leistungsförderung (Drucksache IV/2388) .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf zu überweisen an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes als federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit, an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik und an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 53 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu derVereinbarung vom 20. Dezember 1963 zwi-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964 6501
Vizepräsident Dr. Jaegerscheu der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Soziale Sicherheit in bezug auf das Saarland und zu der Sechsten Zusatzvereinbarung vom 20. Dezember 1963 zum Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, die Angelegenheit dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Der nächste Punkt, den ich aufzurufen habe, ist der Punkt 56:Erste Beratung .des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. August 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Rechtsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 57 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 30. August 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen .Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Rechtsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Wir kommen zu Punkt 58 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht; Vorlagebeschluß des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. November 1963 betr. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der durch das Zustimmungsgesetz zu den EWG-Verträgen dem Rat der EWG erteilten Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen mit allgemeiner Verbindlichkeit für die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache IV/2397).Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Wahl. Ich erteile ihm das Wort.
— Verzichtet das Haus auf den mündlichen Bericht?
— Wenn Sie auf den Bericht nicht verzichten können, Herr Kollege Wehner, schlage ich vor, die Angelegenheit bis morgen zurückzustellen.
— Immerhin ist seine eigene Meinung ja auch von Bedeutung. — Meine Damen und Herren, es wird vorgeschlagen, auf den Bericht zu verzichten. Wer dieser Meinung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Haus verzichtet mit großer Mehrheit auf den Bericht.Wir kommen zum Antrag des Ausschusses. Oder wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig beschlossen!Ich rufe auf Punkt 59 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht; Antrag der Deutschen Reichspartei auf Feststellung, inwieweit das vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedete Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 gegen die Artikel 3 und 21 des Grundgesetzes verstößt und deshalb nichtig ist, als es die Antragstellerin von der Beteiligung an dem im Einzelplan 06 Kapital 02 Titel 612 ausgewiesenen Zuschuß an die politischen Parteien von 38 Millionen DM ausschließt (Drucksache IV/2392).Berichterstatter ist der Abgeordnete Benda. Ich erteile ihm das Wort.
— Der Abgeordnete Benda schlägt vor, auf den Bericht zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!Wir kommen nunmehr zu Punkt 60 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem BundesverfassungsgerichtAntrag der Deutschen Reichspartei auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat jede Auszahlung aus dem den politischen Parteien
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6502 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1964
Vizepräsident Dr. Jaegerim Bundeshaushaltsplan für 1964, Einzelplan 06 Kapitel 02 Titel 612, zur Verfügung gestellten Fonds von 38 Millionen DM ohne verhältnismäßige Beteiligung der Antragstellerin bis zur endgültigen Entscheidung über den Organstreit zu verbieten und die Bundesregierung anzuweisen, jede Auszahlung im Rahmen des Verbots zu unterlassen .Berichterstatter ist der Abgeordnete Benda. Ich nehme an, er wird wieder vorschlagen, auf seinen Bericht zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden. Das Wart wird nicht gewünscht.Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Ohne Enthaltungen gegen die Stimme des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, im übrigen einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 61 der Tagesordnung:Beratung der Übersicht 24 des Rechtsausschusses über die dem Deutsen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/2395).Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Wir kommen nun zu Punkt 64:Beratung des Antrags der Abgeordneten Bauer , Dr. Huys, Kubitza und Genossen betreffend Förderung der Binnen-, insbesondere der Flußfischerei (Drucksache IV/2356).Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — 2u überweisen. Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.Wir 'kommen jetzt zu Punkt 65 der Tagesordnung:Beratung des Antrags der Abgeordneten Wieninger, Burgemeister, Gewandt, Riedel , Dr. Imle, Opitz, Dr. Mälzig und Genossen betreffend Betriebsberatung, Gewerbeförderung (Drucksache IV/2363) .Auch hier wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag — federführend — dem Haushaltsausschuß und — mitberatend — dem Wirtschaftsausschuß und dem Ausschuß für Mittestandsfragen zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir haben noch eine ganze Menge Punkte erledigt und stehen nun am Ende der heutigen Sitzung.Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 25. Juni 1964, vormittags 9 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.