Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundestages hat am 14. April 1964 den von der Bundesregierung übersandten Zweiten Fünfjahresplan zur weiteren Eingliederung von Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen in die Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache IV/2132 — gemäß § 76 Abs. 2 GO dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — dem Ausschuß für Heimatvertriebene und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen.
Der Abgeordnete Dr. Vogel hat gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestages am 15. April 1964 auf seine Mitgliedschaft im Bundestag verzichtet.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats über die Bestimmung der zur Erzeugung von einem Kilogramm zum Verbrauch bestimmter Geflügeleier in der Schale und der zur Erzeugung von einem Kilogramm Bruteier von Hausgeflügel erforderlichen Futtergetreidemenge — Drucksache 1V/2148 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964
Verordnung des Rats zur Festsetzung des Betrages, der den Transport- und Grenzübergangskosten einiger Milcherzeugnisse entspricht — Drucksache IV/2149 —
an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe die von dem Abgeordneten Hammersen gestellte Frage V/1 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Ausfuhr der Hunderttausende von gegenwärtig auf zahllosen Abstellplätzen abgestellten Gebrauchtwagen in Länder außerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einschließlich der Entwicklungshilfeländer zu fördern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf die Frage ganz kurz beantworten: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Ausfuhr von Gebrauchtwagen durch besondere Maßnahmen zu fördern.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, daß gegenwärtig zwischen 600 000 und 700 000 Gebrauchtwagen mit einem Wert von immerhin 1,5 bis 2 Milliarden DM beim Kraftfahrzeughandel — also nicht gerechnet die Gebrauchtwagenangebote von Privaten und Nur-Gebrauchtwagenhändlern — zum Verkauf stehen, andererseits die gesamte Ausfuhr von Gebrauchtwagen aus der Bundesrepublik 1963 zirka 100 000 Wagen betragen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß die Pressemeldung im großen und ganzen richtig ist. Allerdings ist die Zahl von 6- bis 700 000 etwas zu hoch gegriffen. Es dürften 500 000 sein.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Arendt gestellte Frage V/2 auf:Zu welchem Ergebnis hat das von der Bundesregierung am 7. Oktober 1963 im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl eingebrachte sogenannte Übergangsprotokoll zur Änderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl geführt?Ist der Fragesteller anwesend? — Wird die Frage übernommen? — Die Antwort wird schriftlich erteilt. Das gleiche gilt für die ebenfalls von dem Abgeordneten Arendt gestellten Fragen V/3 und V/4:Beabsichtigt die Bundesregierung, die in dem in Frage V/2 genannten Übergangsprotokoll gemachten Änderungsvorschläge aufrechtzuerhalten und ihre diesbezüglichen Pläne weiterzuverfolgen?Welche Gründe waren für die Bundesregierung maßgebend, ein Übergangsprotokoll zur Änderung des Montanvertrages vorzulegen, anstatt das von der Hohen Behörde vorgelegte Protokoll zur Grundlage einer Diskussion im Ministerrat zu machen?Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Friedensburg gestellte Frage V/5 auf:Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen die neuerliche Verteuerung auf dem Baumarkt zu ergreifen, insbesondere gegen die Forderung der Bauhandwerker, die an Stelle des ausgehandelten Tariflohnes ein Vielfaches an Garantielöhnen verlangen und damit die Baupreise auf eine für viele wichtige und ernsthafte Vorhaben unerträgliche Höhe treiben?Ist der Fragesteller anwesend? — Wird die Frage übernommen? — Auch hier wird die Antwort schriftlich erteilt.
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5828 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Vizepräsident Dr. SchmidIch rufe die von dem Abgeordneten Dr. Jungmann gestellte Frage V/6 auf:In welcher Richtung gehen die vom Bundesgesundheitsministerium ausgegangenen Anregungen zur Änderung der Bundespflegesatz-Verordnung aus dem Jahre 1954 ?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf die Frage im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen beantworten.
Sobald die Ressortberatungen wieder aufgenommen werden, wird das Bundesministerium für Gesundheitswesen vorschlagen, auf eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der beteiligten Sozialversicherungsträger wie auf eine Stellungnahme der zuständigen Aufsichtsbehörde zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der hauptsächlich beteiligten Sozialversicherungsträger zu verzichten.
Weiter werden die Anregungen des Bundesministers für Gesundheitswesen in der Richtung liegen, das bisher durch die Pflegesatzverordnung vorgesehene Einigungsverfahren zwischen Krankenhäusern und Sozialversicherungsträgern nicht beizubehalten. Bei der Festsetzung der Pflegesätze sollten nur noch die berechtigten Selbstkosten der Krankenanstalten zugrunde gelegt werden. Es würde also, wenn dieser Vorschlag akzeptiert wird, nur noch der Grundsatz des § 6 Abs. 1 Satz 1 der Pflegesatzverordnung gelten. Nach diesem würden bei der Festsetzung der Pflegesätze die mit einer stationären Krankenhausbehandlung verbundenen Selbstkosten der Krankenhäuser bei sparsamer Wirtschaftsführung berücksichtigt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft erledigt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich rufe auf die Frage VI/1 — des Abgeordneten Riegel —:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, um die in verschiedenen Gebieten der Bundesrepublik sich ausweitende Tollwut wirksam einzudämmen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Staatssekretärs Hüttebräuker vom 6. April 1964 lautet:
Einleitend darf ich die epizootologische Entwicklung des derzeitigen Tollwut-Seuchenganges in der Bundesrepublik in kurzen Zügen darstellen.
Die Tollwut hat in den Ländern der Bundesrepublik — nachdem sie in den Jahren 1950/1951 vom Osten her eingeschleppt wurde — eine zunehmende Ausbreitung erfahren. Zunächst in nördlicher und westlicher Richtung vordringend, hat sich die Seuche dann auch nach Süden und Südwesten ausgedehnt. Es fällt auf, daß seit 1957 der Rhein die westliche Grenze des Befallsgebietes ist; ebenso zeigte die Saudis in Süddeutschland zunächst nur geringe Ausbreitungstendenzen nach Süden. Vereinzelte Seuchenfälle, die die westliche und südliche Begrenzung der Seuchenregion übersprungen haben, führten bisher nicht zu einer Ansiedlung des Erregers in diesen Gebieten.
Die von 1958 bis 1962 in der Bundesrepublik einschl. Berlin festgestellten Tollwutfälle sind in folgenden Zahlen
erfaßt.
1958 1746
1959 2366
1960 2991
1961 2102
1962 3186.
An den Seuchenfällen in diesen 5 Jahren ist der Hund mit 4,2 bis 5,5 %,
die Katze mit 5,8 bis 8,6 % und
das Rind mit 5,8 bis 8,9 % beteiligt; der Fuchs ist mit 59,7 bis 65,5 %, das Reh mit 11,5 bis 17,4 % und
das Wild insgesamt mit 76,9 bis 80,9 %
beteiligt. An dieser Verteilung der Seuchenfälle auf die verschiedenen Tierarten läßt sich erkennen, daß das Tollwutvirus sich bei dem derzeitigen Seuchenzug weitgehend an die Wildtiere adaptiert hat, eine Erscheinung, die in Deutschland in diesem Ausmaß zuletzt gegen Anfang des vorigen Jahrhunderts beobachtet worden ist.
Beim derzeitigen Tollwut-Seuchengang wird demnach zwischen dem sogenannten Wildtier- und Haustierkreislauf unterschieden.
Die Verbreitung der Tollwut geschieht fast ausschließlich durch fleischfressende Tiere, also durch Fuchs und Dachs bzw. Hund und Katze. Dadurch, daß tollwütige Füchse in Gehöfte und Siedlungen eindringen und dort Hunde beißen, oder daß streunende Hunde und Katzen in die Wildbahn eindringen und dort mit Füchsen in Berührung kommen, werden die Grenzen der beiden Seuchenkreise nach beiden Richtungen überschritten.
Die Bekämpfungsmaßnahmen sind diesem epizootologischen Geschehen entsprechend zu ergreifen. Vor allem gilt es, gegen alle in Jägerkreisen hier und da geäußerten ökologischen Bedenken Fuchs und Dachs als die entscheidenden Virusträger und -überträger durch schärfste Bejagung, gegebenenfalls durch Begasung der Baue zu kürzen. Zur Bekämpfung der bei Haustieren ermittelten Tollwutfälle haben sich die im Tierseuchengesetz vorgesehenen veterinärpolizeilichen Maßregeln als voll wirksam und ausreichend erwiesen.
Der Vollzug tierseuchengesetzlicher Maßnahmen ist nach dem Grundgesetz Angelegenheit der Länder. Es ist deshalb auch
Aufgabe der Bundesländer, die nach dem Gesetz möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Tollwut zu ergreifen. Die Bundesregierung kann hier nur koordinierend tätig werden. Dies ist in bezug auf die Bekämpfung des derzeitigen TollwutSeuchenganges in den letzten Jahren häufig geschehen, indem in diesbezüglichen Beratungen im Veterinärausschuß, dem die leitenden Veterinärbeamten der Bundesländer angehören, nach eingehender Analyse der jeweiligen Seuchensituation alle Möglichkeiten einer wirksamen Tollwutbekämpfung geprüft wurden.
Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in zahlreichen Einzelbesprechungen mit Vertretern des Deutschen Jagdschutz-Verbandes die zur Eindämmung des Tollwut-Seuchenganges unter den Wildtieren erforderlichen Anregungen und Empfehlungen erteilt. Ferner wurde veranlaßt, daß durch die zuständigen Landesbehörden die Bevölkerung ständig und nachdrücklich auf die Gefahren einer Tollwutinfektion von Haustier und Mensch durch infiziertes Wild aufgeklärt und zu entsprechenden Vorsichtsmaßregeln angehalten wurde.
Auch auf der nächsten Sitzung des Veterinärausschusses, die am 9. April stattfinden wird, ist die Erörterung der Tollwutbekämpfung auf der Tagesordnung vorgesehen.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Müller gestellte Frage VI/2 auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung ein Bundesgesetz zur Bekämpfung von Blenenkrankheiten plant?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung ein Bundesgesetz zur Bekämpfung von Bienenkrankheiten plant. Sie hat vielmehr Anfang Februar 1964 eine auf das Tierseuchengesetz gestützte Rechtsverordnung zur Bekämpfung der bösartigen Faulbrut und der Milbenseuche der Bienen beim Bundesrat eingebracht. Die Beratungen in den Ausschüssen des Bundesrats sind noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Staatssekretär, ist zu erwarten, daß auf die Bestimmungen, die in Bayern bereits bestehen, Rücksicht genommen wird?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5829
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die bayerische Verordnung über die Bekämpfung von Bienenseuchen vom 27. September 1950 in der letzten Fassung vom 4. April 1963 ist der Bundesregierung bekannt. Bei der Erstellung des zur Zeit im Bundesrat behandelten Verordnungsentwurfs sind die Stellungnahmen der für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden sowie der Imkerfachverbände weitgehend berücksichtigt worden.
Im übrigen haben die einzelnen Bundesländer die Möglichkeit, ihre besonderen Anliegen bei der Behandlung des Verordnungsentwurfs im Bundesrat zu vertreten.
Ich rufe die Frage
VI/3 — des Abgeordneten Reichmann — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Nichtanpassung der Richtlinien die Aussiedlung, Aufstockung und Althofsanierung im Jahre 1963 rückgängig waren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat seit Beginn des Jahres 1963 festgestellt, daß die Zahlen der aus Mitteln des Grünen Plans geförderten Ansiedlungen, baulichen Maßnahmen in Altgehöften und Aufstockungen rückläufig war. Die Bundesregierung hat anerkannt, daß dieser Rückgang zu einem wesentlichen Teil darauf zurückzuführen war, daß die geltenden Bestimmungen für die Vergabe der Förderungsmittel des Bundes den gestiegenen Kosten nicht mehr gerecht wurden.
Ich rufe die Frage
VI/4 — des Abgeordneten Reichmann — auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Richtlinien für die Aussiedlung, Aufstockung und Althofsanierung baldmöglichst zu erlassen, zu vereinfachen und der Entwicklung anzupassen, damit diese wichtigen Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen zügiger durchgeführt und fortentwickelt werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat sich bereits seit Beginn des Jahres 1963 bemüht, die geltenden Finanzierungsrichtlinien den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Die Neufassung der Richtlinien ist nach zeitraubenden Vorverhandlungen mit den Bundesressorts, insbesondere mit dem Bundesrechnungshof, mit den Bundesländern sowie den beteiligten Banken und Betreuungsorganisationen am 26. Juli 1963 bekanntgegeben worden und am 1. August 1963 in Kraft getreten.
Da zu dieser geänderten Fassung der Richtlinien noch Ausführungsbestimmungen meines Hauses, der Länder und der bewilligenden Kreditinstitute erlassen werden mußten, wurden erst gegen Ende des Jahres 1963 die ersten Vorhaben auf Grund der neuen Richtlinien bewilligt. Um diese Übergangszeit zu überbrücken, sind bereits am 10. Juni 1963 durch Übergangsbestimmungen die in den bisherigen Richtlinien enthaltenen Höchstsätze für Darlehen und Beihilfen bei Aussiedlungen der vorgesehenen Neuregelung angepaßt worden. Die Übergangszeit ist nunmehr offensichtlich beendet, da die Zahl der bewilligten Anträge seit Januar 1964 wieder ansteigt. Außerdem wird von den bewilligenden Kreditinstituten, den Länderverwaltungen und den Betreuern ein Ansteigen der Zahl der bearbeiteten Anträge gemeldet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bis zu welchem Zeitpunkt kann, nachdem diese Vorarbeit erfolgt ist, in diesem Jahr mit der Anwendbarkeit der Richtlinien und ihrer praktischen Durchführung gerechnet werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, daß das innerhalb der nächsten zwei Monate der Fall sein wird.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zuerst zu der Frage IX/1 — des Abgeordneten Varelmann —:
Darf man und in welchem Ausmaß von einer indirekten Subvention des Verkehrs von schweren Lastzügen sprechen, da nach wiederholten Angaben die steuerlichen Belastungen nicht im Einklang stehen mit den Straßenbau- und den Unterhaltungskosten und zusätzlich nicht in Übereinstimmung stehen mit der Belastung der Personenkraftwagen?
Herr Kollege Varelmann, der Bundesminister für Verkehr ist der Auffassung, daß diese Frage auch heute noch mit Ja beantwortet werden muß. Allerdings sind bekanntlich durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 und durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz von 1960 insbesondere die schweren Lastkraftfahrzeuge bei der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer steuerlich stärker belastet worden, so daß sich das Ausmaß der indirekten Subvention ganz wesentlich vermindert hat. In welchem Ausmaß die Verkehrsträger — und beim Straßenverkehr auch die Fahrzeugarten — die von ihnen verursachten Wegekosten bereits heute hinreichend tragen, kann erst abschließend beantwortet werden, wenn die im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft begonnenen Wegekostenrechnungen auf europäischer Grundlage durchgeführt worden sind.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, sind in Ihren Feststellungen auch folgende Auswirkungen der schweren Lastzüge berücksichtigt: erstens Schäden, die in Gemeinden an Bürgersteigen und Bordsteinen entstehen; zweitens Schäden durch die Erschütterungen an Gebäuden durch die Lastzüge und drittens Belastung der Sozialversicherung durch die schweren Unfälle und die hohe Zahl der Frühinvaliden beim Fahrpersonal der schweren Lastzüge?
Herr Kollege Varelmann, diese Antwort kann man im einzelnen auf diese drei Fragen hier nicht geben.
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5830 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmWir stehen auf dem Standpunkt, daß jeder Wegebenutzer, gleichgültig ob auf der Schiene, auf der Wasserstraße, auf der Straße die durch ihn anfallenden Wegekosten selbst zu tragen hat. Sie werden beim Kraftfahrzeug durch die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer, die den Ländern zufließt und durch die Erhebung der Mineralölsteuer, die dem Bund zufließt, sozusagen eingehoben und abgegolten.Im ersten Punkt Ihrer Zusatzfrage fragten Sie nach den Fußgängersteigen. Hierfür sind die Gemeinden zuständig. Nach den Straßengesetzen sind die Gemeinden für sie unterhaltspflichtig. Sie müßten also aus der Kraftfahrzeugsteuer, die den Ländern zukommt, einen entsprechenden Betrag erhalten, und sie bekommen ja einen anteiligen Betrag für die Unterhaltung ihrer Wege. Das ist in den einzelnen Ländern allerdings völlig verschieden.Anders ist es bei denjenigen Kosten, die durch die Erschütterungen insbesondere alter Häuser entstehen. Diese Erschütterungen werden ja nicht vom Wege her veranlaßt. Hier müssen vielmehr andere Stellen eingeschaltet werden und und tätig werden. Das fällt nicht unter die Mineralölsteuer und kann aus ihr auch nicht abgegolten sein.Endlich sind Unfallschäden auch nicht über die Wegekosten und durch die Mineralölsteuer abgeltbar. Hier geht es ja darum, ob in irgendeiner Weise eine Schuld des Fahrers des Fahrzeuges oder sonstiger Beteiligten vorliegt, wodurch der Unfall verursacht wird. Es dreht sich immer um die Frage, ob es den an einem Unfall Schuldigen gibt und ob man ihn heranziehen kann, z. B. über Versicherungen.
Noch eine Zusatzfrage, die letzte!
Während des Kaiserreiches und der Weimarer Zeit wurden 10 % der allgemeinen Reichsausgaben aus Überschüssen aus dem Verkehr gedeckt, insbesondere aus Überschüssen der Deutschen Reichsbahn. Das Verkehrsvolumen ist seit dieser Zeit erheblich gewachsen. Aber heute bringt der Verkehr nicht eine allgemeine Einnahme für den Bund mit sich, sondern eine Belastung, besonders wenn man die Zuschüsse berücksichtigt, die heute an die Bundesbahn gezahlt werden müssen. Wäre es nicht angebracht, auch dies in Zukunft zu überprüfen, wenn man die Belastung durch die Verkehrsmittel abwägt?
Herr Kollege Varelmann, diese Fragen sind sehr eingehend in dem großen Bericht über die Bundesbahn behandelt worden, der von einer Kommission unter Führung des Präsidenten Brand erstellt wurde und der dem Bundestag seit langem vorliegt. In den nächsten Tagen wird dem Bundestag der auf Grund der Entschließung von 1962 erstellte Bericht über die finanziellen Verhältnisse zwischen Bund und Bundesbahn von der Bundesregierung vorgelegt. Sie werden aus diesen Berichten eingehende Antworten auf die von Ihnen gestellten Fragen entnehmen können.
Die Entwicklung des Verkehrswesens ist heute, genau wie das auf allen anderen Gebieten des Lebens der Fall ist, ganz anders als seinerzeit. Betriebe, die früher Überschüsse brachten, wie z. B. die staatlichen Kohlengruben, sind heute auch nicht mehr in der Lage, dem Staat mit entsprechenden Mitteln für den Etat zu helfen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Kiep.
Herr Bundesminister, nachdem wir gelesen haben, daß über 40 % der Verunreinigungen der Luft von Kraftfahrzeugen stammen und diese Mißstände aus Mangel an Mitteln nicht gründlich bereinigt werden können, sehen Sie eine Möglichkeit oder ist jetzt schon vorgesehen, von den Verursachern die finanziellen Mittel aufbringen zu lassen, mit denen diese unheilvolle Folge behoben werden kann?
Gnädige Frau, die Frage ist hier im Hohen Hause schon wiederholt behandelt worden. Wir bemühen uns in der ganzen Welt, das. Problem der giftigen Abgase, die aus den Fahrzeugmotoren strömen, zu lösen. Es hat sich aber noch keine praktikable Lösung dafür gefunden. Nachdem diese Art von Fahrzeugen seit vielen Jahrzehnten so zugelassen sind, können wir sie jetzt andererseits natürlich nicht auf eine Anklagebank setzen, um etwa Fahrzeuge dieser Art zu verbieten; denn es läßt sich noch keine technische Einrichtung finden, die in der Lage ist — was wir anstreben —, die Kohlenoxydgase usw., die durch nicht vollständige Verbrennung in den Kraftfahrzeugmotoren entstehen, bis zum Austritt aus dem Auspuff bereits vollkommen umzuwandeln und unschädlich zu machen. Wir sind zwar nachdrücklich darum bemüht. Aber das ist ein Problem, dessen Lösung nicht nur uns, sondern der ganzen Welt aufgegeben ist.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist hier die nötige Übereinstimmung zwischen den beteiligten Ressorts, also hier in erster Linie mit dem Gesundheitsministerium, so weitgehend hergestellt, daß wir mit Fortschritten auf diesem Gebiet rechnen können?
Gnädige Frau, natürlich arbeiten wir aufs engste zusammen. Frau Schwarzhaupt hat ja selbst in ihr Auto eine, meiner Ansicht nach allerdings ungenügende, Einrichtung dieser Art eingebaut, um sie auszuprobieren. Ich bin der Meinung, daß man diese Frage sehr sorgfältig prüfen muß, und zwar von der technischen Seite her, weil wir nur bei einer vollkommenen Lösung dieses Problems in der Lage sind, den Automobilfabriken und den Autobenutzern die Auflage zu machen, entsprechend teure Einrichtungen einzubauen, um das Ergebnis, das Sie wünschen, zu erzielen. Das ist also eine Angelegenheit, die in enger Zusammenarbeit einvernehmlich zwi-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5831
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmschen den Ressorts behandelt wird. Es ist im wesentlichen in seiner Auswirkung ein gesundheitliches, zu seiner Verhinderung aber ein technisches Problem.
Frau Abgeordnete Haas zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine Differenzierung in der Besteuerung der Kraftwagen angestrebt werden sollte, nämlich eine Besteuerung der Pkw nach den PS, der Lkw nach dem Ladegewicht, um einen Ausgleich in der Besteuerung herbeizuführen, um der Abnutzung der Straße entgegenzuwirken, auch zugunsten der Bundesbahn, und vielleicht auch um die Unfallhäufigkeit herabzusetzen?
Gnädige Frau, das ist ein ganzer Komplex von Fragen, die Sie mir auf den Tisch legen. Über sie könnten wir uns eine Stunde lang unterhalten, um alle Einzelheiten aufzuklären. Ich will nur versuchen, Ihnen ganz kurz folgendes zu sagen. Heute ist schon eine Differenzierung in der Steuer gegeben, indem die Kraftfahrzeugsteuer bei den Lastkraftwagen je nach Größe erheblich höher ist als bei den Personenkraftwagen. Auch insofern ist eine Differenzierung in der Steuer gegeben, als derjenige, der mehr Mineralölprodukte verbraucht, natürlich auch eine höhere Steuersumme aufbringt. Der Personenkraftwagen fährt nach den letzten Feststellungen im Durchschnitt 18 000 km im Jahr, der Lastkraftwagen fährt im Durchschnitt zwischen 90 000 und 100 000 km im Jahr.
Es wird nun versucht, auf europäischer Ebene eine einheitliche Kraftfahrzeugbesteuerung durchzuführen. Wir müssen ja immer unterscheiden zwischen der Mineralölsteuer für den Bund und der Kraftfahrzeugsteuer für die Länder. Diese für Europa angestrebte einheitliche Methode soll nicht unserer bisherigen Methode, der Kubikzentimetersteuer oder Hubraumsteuer, die wir seit vielen Jahrzehnten in Deutschland haben und die sich sehr intensiv auf die technische Entwicklung unserer Fahrzeuge ausgewirkt hat, folgen; denn. die verschiedenen Länder stellen bei ihren Erhebungsmethoden teils auf das Gewicht, teils auf Brems-PS, teils auf andere Kriterien ab. Diese Fragen werden in Brüssel sehr eingehend behandelt. Es soll versucht werden und es wird hoffentlich erreicht, daß wir bezüglich der Kraftfahrzeugsteuererhebungsgrundlage zu übereinstimmenden Methoden kommen. Aber das ist heute nicht mehr nur eine deutsche Angelegenheit; es spielt sich das Problem bereits auf der europäischen Ebene im Hinblick auf eine einheitliche Verkehrspolitik ab, und es wird dort entschieden werden.
Herr Abgeordneter Maier, eine Zusatzfrage, aber eine Zusatzfrage zu der gestellten Frage.
Herr Minister, vor gar nicht langer Zeit ist in der Presse eine Nachricht erschienen, daß in Kalifornien eine Apparatur, von Staats wegen verlangt, in die Autos eingebaut worden sei, in welcher eine Verbrennung vorgenommen wird, durch die die Situation, die mit der Anfrage angeschnitten worden ist, erheblich verbessert wird. Welche Erfahrungen haben wir auf diesem Gebiete? Sind wir dabei, ähnliches zu tun?
Diese Einrichtung von Kalifornien ist bei uns sehr eingehend überprüft worden. Sie ist auch in Kalifornien nur versuchsweise eingeführt. Wir haben insbesondere Institute von Hochschulen mit der ständigen Untersuchung dieser Frage und mit Forschungsaufgaben beauftragt, die möglicherweise zur Erfindung entsprechender Methoden zur Lösung des Problems führen können. Nach den Feststellungen dieser Institute hat sich die kalifornische Methode — wenn ich sie mal so nennen darf — nicht bewährt. Sie bringt nicht in dem notwendigen Maße die hochprozentige Vernichtung dieser an sich nur in starker Konzentration gesundheitsschädlichen Stoffe.
Letzte Zusatzfrage!
Sind Sie aber nicht der Meinung, Herr Minister, daß schließlich etwas Besserung besser ist als gar nichts?
Herr Kollege, bedenken Sie bitte folgendes. Wenn das grundsätzlich vorgeschrieben werden soll, muß es gesetzlich geschehen. Es kann aber nur etwas vorgeschrieben werden, was wirklich zuverlässig und sachlich geprüft ist. Die Mehrausgaben, die auf die Kunden der Automobilindustrie und auch auf die Herstellung dadurch zukommen, sind sehr erheblich. Sie können nur auferlegt werden, wenn das Ergebnis, das damit erzielt wird, wirklich zuverlässig das Ziel erreicht, was wir anstreben. Dabei sind wir uns als Ingenieure darüber klar, daß das Anstreben eines Zieles nicht zu einem hundertprozentigen Erfolg führen kann; es muß aber doch ein guter Wirkungsgrad vorhanden sein.
Keine Zusatzfrage mehr. Frage IX/2 — des Herrn Abgeordneten Varelmann —:
Ist es zutreffend, daß die Verkehrsentwicklung sich nachteilig für zahlreiche Landgebiete auswirkt, besonders dort, wo der Verkehr der Eisenbahn, Bundesbahn, Privatbahn aufgegeben oder erheblich eingeschränkt wurde, weil hier von seiten der Wirtschaft die Voraussetzung fehlt, zu wählen zwischen dem Schienen- und Straßenverkehr, gerade im Vergleich zu Großstädten, wo diese Möglichkeit gegeben ist?
Herr Kollege Varelmann, die Verkehrsentwicklung brachte in den letzten Jahren einen Strukturwandel, der sich in einer zunehmenden Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße äußerte. Die Prozentzahlen sind durch die Veröffentlichungen in der Presse und im Bulletin bekannt. In den Randgebieten mit einer von jeher geringen Ver-
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5832 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmkehrsdichte ist dies oft augenfälliger in Erscheinung getreten als in .den Ballungsgebieten. Selbst Förderungsmaßnahmen des Bundes und ,der Länder haben sich in diesen Fällen leider nicht belebend auf den Eisenbahnverkehr auswirken können. Die Reisenden und insbesondere ,die verladende Wirtschaft haben damit praktisch ihre Wahl zugunsten der Straße getroffen. Dieser Entwicklung sich entgegenzustemmen, liegt nicht in der Macht der Bundesregierung, da sie auf die verladende Wirtschaft und natürlich auch auf den Benutzer der Verkehrsmittel, also auf die Menschen, in dieser frage weder unmittelbar noch mittelbar einen Druck ausüben kann.Angesichts der Notwendigkeit einer kaufmännischen Betriebsführung, die namentlich auch für die Deutsche Bundesbahn nach ,dem Gesetz vorgeschrieben ist, bestehen Tendenzen, das Nebenbahnnetz der Deutschen Bundesbahn erheblich einzuschränken. In der gestrigen Sitzung des Verwaltungsrates ist beschlossen worden, allein acht Nebenbahnstrecken einzustellen. Tatsächlich beschränkt sich aber die Deutsche Bundesbahn im wesentlichen darauf, besonders unrentable Personenverkehre ganz auf die .Straße zu verlegen, während der Güterverkehr möglichst auf der Schiene verbleibt. Eine gänzliche Stillegung von Nebenbahnen wurde nur in dem Umfange durchgeführt, wie sie wirtschaftlich unausweichlich war. Ich kann Ihnen dazu versichern, Herr Kollege, daß die Bundesregierung die 'gesamte Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Wenn ein solcher Antrag von der Bundesbahn gestellt wird, ist er ja gemeinsam mit den obersten Landesverkehrsbehörden zu prüfen, und nur bei Zustimmung durch die obersten Landesverkehrsbehörden bin ich im allgemeinen auch genötigt, meine Zustimmung zu geben. Natürlich muß auch der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn seine Zustimmung gegeben haben. Damit wird eine Würdigung aller die jeweilige Verkehrssituation beeinflussenden Umstände und ihrer Auswirkungen bestimmt gewährleistet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, bei zukünftigen Erörterungen von Raumordnungsproblemen dem Verkehrsproblem eine größere Bedeutung beizumessen und gerade auch diese Seite ausreichend in Erwägung zu stellen, damit die ungünstig gelegenen Gebiete besser zum Zuge kommen und an der Aufwärtsentwicklung unseres Wirtschaftslebens auch teilnehmen können.
Herr Kollege Varelmann, wenn Sie unsere Bemühungen in den letzten Jahren prüfen, werden Sie feststellen, daß die Bundesregierung sich um diese Sache sehr bemüht. Aber sie hat natürlich nicht überall die Möglichkeit, das zu tun, was Sie wünschen, weil das vielfach Zuständigkeit .der Landesregierungen ist. Die Bundesregierung ist ja nur für das Bundesfernstraßennetz verantwortlich. Sie ist auch nur verantwortlich für die Bundesbahn; sie ist nicht verantwortlich für die nicht bundeseigenen
Eisenbahnen, die nach dem Grundgesetz in der Zuständigkeit der Länder liegen, genau wie das große Netz der Landstraßen I. Ordnung und indirekt das Netz der Landstraßen II. Ordnung in die Zuständigkeit der Länder gehören. Gerade die Verästelung des Verkehrs im flachen Land und in den Randgebieten ist im wesentlichen eine Aufgabe, die in der Zuständigkeit der Länder liegt und auf die wir von unserer Seite nur — soweit das überhaupt möglich ist — über die Bundesfernstraßen und über die Bundesbahn einwirken können.
Frage IX/3 - des
Abgeordneten Varelmann —:
Ist in den nächsten Jahren eine weitere Einschränkung des Eisenbahnverkehrs auf Grund der Erweiterung des Verkehrs schwerer Lastzüge zu befürchten?
Herr Kollege Varelmann, infolge der Kontingenterhöhung für den gewerblichen Güterkraftverkehr, die vor allem einer Intensivierung des Flächenverkehrs auch in den Randgebieten und zugunsten des grenzüberschreitenden Verkehrs dienen soll, wird mit einer gewissen Verkehrsverlagerung von der Schiene auf die Straße zu rechnen sein. Dies entspricht der in den letzten Jahren festgestellten von mir soeben dargelegten Tendenz. Die Deutsche Bundesbahn wird nun durch geeignete Tarifmaßnahmen sich bemühen, alles zu tun, um Verkehrsverluste aufzufangen und damit Einschränkungen des Eisenbahnverkehrs zu vermeiden; der Erfolg dieser Maßnahmen aber wird weitgehend von den Dispositionen der verladenden Wirtschaft abhängen, die ja durch diese Maßnahmen in den Genuß billiger Frachten kommt.
Die Bundesregierung ist mit Rücksicht auf die reibungslose Durchführung und Sicherheit des Straßenverkehrs sehr daran interessiert, daß der Güterverkehr nur in dem notwendigen Umfang auf dem an sich überlasteten Straßennetz abgewickelt wird, also der Verkehr, der nach seiner Art für diesen Verkehrsträger besonders geeignet und daher volkswirtschaftlich notwendig wäre, auf der Straße abzuwickeln ist. Sie wird im Interesse der Randzonen und wirtschaftlich entwicklungsfähigen Gebiete bemüht bleiben, das volkswirtschaftlich erforderliche Eisenbahnnetz nicht in unangemessener Form schrumpfen zu lassen. Dabei muß sie allerdings den eigenwirtschaftlichen Interessen der Deutschen Bundesbahn Rechnung tragen.
Ich darf Sie, verehrter Herr Kollege, in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß das von mir seinerzeit — 1954 — vorgelegte Gesetz über die entsprechende Verlagerung der Massenguttransporte von der Straße auf die Eisenbahnen nicht die Zustimmung dieses Hohen Hauses gefunden hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wäre es nicht gut, den Fragesteller zur letzten Frage gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß die Ausweitung des Schwerlastverkehrs durch die Erhöhung der Kon-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5833
Rademachertingente in erster Linie auf einem Antrag der CDU/ CSU beruht?
Ich darf — obwohl das keine Frage ist, Herr Kollege Rademacher — darauf aufmerksam machen, daß aus allen Fraktionen eine Unterstützung dieses Antrages gekommen ist.
Frage IX/4 — des Abgeordneten Kreitmeyer —:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Bundesverkehrsministers, daß die Elbeschiffer genügend Möglichkeit haben, im Falle der Vereisung der Elbe Schutzhäfen bei Alt-Garge oder Bleckede aufzusuchen und deshalb der Ausbau des Alandhafens bei Schnackenburg nicht erforderlich ist?
Die Frage, ob bei Schnackenburg ein Schutz- und Sicherheitshafen erforderlich ist, hat der Interministerielle Ausschuß für Notstandsfragen, der sogenannte „IMNOS", dem Vertreter sämtlicher Ministerien angehören, bereits in seiner Sitzung am 19. Dezember 1962 behandelt. An dieser Sitzung haben, wie üblich, auch Vertreter des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr teilgenommen. Übereinstimmend wurde festgestellt, daß ein Bedürfnis für den Bau dieses Schutz- und Sicherheitshafens nur infolge der Auswirkungen der Zonengrenze gegeben sei. Die Auffassung des Interministeriellen Ausschusses deckt sich mit meiner Auffassung. Da der Bau dieses Schutzhafens, der voraussichtlich 1,65 Millionen DM kostet, ausschließlich durch die politischen Verhältnisse bedingt ist, sollte die Finanzierung des Hafens, den wir aus den politischen Gründen durchaus wünschen, aus dem Haushalt des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen erfolgen. Niedersachsen hat jetzt erneut einen Antrag bei ihm in dieser Richtung gestellt.
Aus dem Verkehrshaushalt ist diese Maßnahme leider nicht zu finanzieren, und der IMNOS, d. h. jener Ausschuß für die Zonengrenzförderungsmaßnahmen, hat auch erklärt, daß er für den Schutzhafen keine Mittel zur Verfügung stellen könne. Er hat aber Mittel zur Verfügung gestellt, um, wie Sie wahrscheinlich wissen, eine Kaje in Schnackenburg zu bauen, so daß die Schiffe dort anlegen und sich entsprechend versorgen können. Der Umschlag, die Versorgung der Schiffe und die wirtschaftliche Einschaltung Schnackenburgs sind also durch diese Kaje im wesentlichen schon gesichert.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß sich aus dem Bericht des niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministers, der etwa im März an Sie abgegangen ist, eindeutig ergibt, daß durch die Errichtung der Staustufe Geesthacht grundsätzliche Veränderungen eingetreten sind, daß die Vereisung infolge der geringeren Wasserfließgeschwindigkeit oberhalb der Staustufe länger anhält und die Schiffe damit dort nicht mehr weiterkommen?
Verzeihung, Herr Kollege Kreitmeyer, das halte ich für eine absolut falsche Betrachtung der Dinge. Außerdem ist mir von diesem Bericht nichts bekannt. Wenn die Behauptung wahr wäre, würde auf diese Weise sogar jenen sowjetzonalen Vorstellungen Vorschub geleistet, die wir immer abgelehnt haben. Angesichts der Entfernung zwischen Geesthacht und Schnackenburg kann die Staustufe bei Geesthacht auf die Eisverhältnisse bei Schnackenburg keinen Einfluß ausüben.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, würden Sie so liebenswürdig sein, Ihr soeben geäußertes sehr hartes Urteil Ihren mittleren und unteren Instanzen gegenüber noch einmal zu überprüfen? Denn diese haben sich der sachlichen Überprüfung auf Grund der Erfahrungen von nunmehr zwei Wintern in dieser Form angeschlossen.
Meine Behörden haben das sicher nicht getan. Ich kann Ihnen dazu nur das eine sagen: wenn Staustufen, die in einer solchen Entfernung, so weit flußabwärts errichtet wurden, auf den Eisstand im Oberlauf eines Flusses einen solchen Einfluß ausübten, könnte natürlich auch geltend gemacht werden, daß dieser Einfluß bei Wittenberge, bei Magdeburg und an anderen Stellen sich nachteilig bemerkbar macht, und es könnten entsprechende Ausgleichsforderungen gestellt werden. Aber wir können das schon deshalb nicht annehmen, weil wir ja das Eis oberhalb Geesthacht ständig brechen und das Eis einen glatten Abfluß im Raum unserer Elbstrecke hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Huys.
Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß durch die Staustufe Geesthacht doch eine Verlangsamung des Eises eintreten kann? Man hat das untersucht und glaubt es wirklich. Ich möchte Sie doch auch auffordern, das zu prüfen.
Eine zweite Frage: Will das Verkehrsministerium eventuell den Hafen Gorleben weiter ausbauen?
Herr Kollege Huys, es ist doch so: Wir haben an der Elbe eine Reihe von Schutzhäfen. Davon liegt der eine 70 km unterhalb von Schnackenburg, und der andere, Wittenberge, liegt 15 km oberhalb von Schnackenburg. Man kann also ohne weiteres erwarten, daß die Schutzhäfen rechtzeitig aufgesucht werden, weil ja die Eisbildung nicht so schlagartig eintritt, daß die Schiffe nicht in der Lage wären, die Schutzhäfen noch aufzusuchen. Nun ist es zweifellos nicht richtig, daß, wie von Interessentenseite immer wieder vorgetragen wird, die Eisbildung durch den Bau der Staustufe Geesthacht in diesem so weitab gelegenen Bereich an der Zonengrenze in verstärktem Maße eintritt, Ebenso abwegig könnte man
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Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmsagen, durch die Regulierung der Jeetzel-Niederung sei die Eisbildung in stärkerem Maße gegeben, weil dort nicht mehr die entsprechenden Überschwemmungsmöglichkeiten gegeben seien. Ich bin nicht der Auffassung, daß diese von Interessenten herangezogene zusätzliche Begründung Anlaß sein kann, diesen Hafen in Schnackenburg zu bauen und dafür 1,65 Millionen DM aufzuwenden.
— Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Huys: Selbstverständlich werde ich die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen noch einmal auffordern, sich zu dieser Sache zu äußern. Aber mir sind bisher seitens dieser Institutionen keine Nachrichten bekanntgeworden, die diese Behauptungen bestätigen. Außerdem ist es bekanntlich so, daß die Elbe an dieser Stelle mit ihrem östlichen Ufer leider schon zur Sowjetzone gehört.
Frage IX/5 — des Herrn Abgeordneten Haage —:
Ist die Bundesregierung bereit, zur leichteren Auffindung von Straßennamen durch Autofahrer und damit zur Erleichterung im Straßenverkehr der Städte auf eine europäische Konvention über Namensschilder von Straßen zu drängen, in der die Art, Größe, Farbe, Anbringungsstelle usw. der Straßennamensschilder einheitlith geregelt würden?
Herr Kollege, bisher ist es mir noch nicht einmal gelungen, die Straßennamensschilder in den deutschen Städten und Gemeinden zu vereinheitlichen; das ist auch nur mit Hilfe von gutem Zureden möglich. In einem zur Zeit mit den Ländern beratenen Vorentwurf für eine neue Straßenverkehrs-Ordnung habe ich diesen Vorschlag erneut vorgetragen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Vorschlag die Billigung der Länder fände und damit auch für die Gemeinden verpflichtend würde. Die Frage wird bei den Ländern jetzt geprüft. Ihre abschließende Stellungnahme dürfte im Herbst zu erwarten sein.
Erst wenn in Deutschland allgemein verbindliche Vorschriften über Ausgestaltung und Anbringung der Straßennamensschilder bestehen und wenn sich diese Vorschriften bewährt haben, kann ich auch im Rahmen der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister anregen, darüber eine internationale Vereinbarung zu treffen. Im Augenblick würde ich mich mit einer solchen Anregung wahrscheinlich blamieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Mommer.
Herr Minister, spricht nicht doch manches dafür, es umgekehrt zu machen, da eine Regelung, die bei uns einmal eingeführt wäre und dann von dem abwiche, worauf man sich in Europa einigen kann, nur schwer wieder geändert werden könnte, und würden Sie nicht, wenn man sich im europäischen Rahmen auf bestimmte Verfahrensweisen einigte, einen Trumpf in der Hand haben bei den, wie ich mir vorstelle, schwierigen Verhandlungen mit den deutschen Städten und Gemeinden?
Herr Kollege Mommer, wir haben auf der Ebene der europäischen Länder die Grundlagen für eine gemeinsame europäische Verkehrsordnung erarbeitet. Aber es ist hier zu unterscheiden zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister; letztere kann nur Empfehlungen aussprechen. Infolgedessen bleibt es, wenn die Europäische Konferenz der Verkehrsminister eine Empfehlung ausgesprochen hat, trotzdem den Ländern überlassen, ob und inwieweit sie dieser Empfehlung folgen. Aus diesem Grunde und auf Grund der Beratungen, die wir mit den Ministern der 18 Länder gepflogen haben, scheint es mir zweckmäßig zu sein, daß wir erst einmal versuchen, bei uns selbst zu einer gewissen Einheitlichkeit zu kommen, damit wir dann diesen Vorschlag auch dort unterbreiten können. Zur Zeit sind wir nicht in der Lage, in der Konferenz zu sagen, wie wir uns die Sache bei uns vorstellen. Ich bin im übrigen durchaus Ihrer Meinung, daß sich unsere Städte einer generellen Regelung leichter anschließen werden, wenn sie erfahren, daß diese Regelung auch für das ganze europäische Gebiet zwingend vorgeschrieben ist. Wir müssen also zweigleisig fahren. Wir müssen versuchen, einmal mit der Straßenverkehrs-Ordnung mit den Ländern klarzukommen und zum anderen, wenn wir das erreicht haben, die Sache in die Europäische Konferenz der Verkehrsminister hineinzutragen, um dort zu einer Abstimmung zu gelangen. Das wird sich, weil die Umgestaltung der Straßenbezeichnungen bei den Gemeinden eine lange Zeit erfordert, da wir nicht verlangen können, daß die Gemeinden sofort alle Schilder neu aufstellen, so auswirken, daß wir rechtzeitig einen gemeinsamen, einheitlichen Vorschlag erarbeiten.
Herr Minister, haben Sie sich bestimmte Verbände zu Verbündeten gemacht? Ich denke z. B. an die Automobilklubs?
In .diesem Fall können .die Automobilklubs wenig helfen, Herr Kollege. Die Frage hängt im wesentlichen davon ab, ob der 'Deutsche Städtetag und der Deutsche Städtebund bereit sind, eine solche Initiative aufzugreifen und durchzuführen. Sie kostet ja viel Geld. Ich hoffe, daß vielleicht auch Herr Bockelmann, wenn .er jetzt Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages wird, sein Interesse für diese Frage zeigt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haage.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß man eventuell über die Städte oder über den Städteverband einen gemeinschaftlichen Vorschlag erreichen könnte?
Ja, ich sagte das eben, Herr Kollege Haage. Es handelt sich um zwei Organisationen, den Städtetag
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Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmund 'den Städtebund. Die eine umfaßt die kreisfreien und die andere die kreisgebundenen Städte. In diesen beiden Organisationen muß die Sache natürlich behandelt werden. Aber es scheint mir wichtiger zu sein, daß wir erst einmal, nachdem das eingeleitet ist, mit den Ländern zu einer Übereinstimmung kommen. Dann können wir auch versuchen, über diese Organisationen weiterzukommen. Ich sagte schon — und ich wiederhole es, falls Sie es überhört haben —, daß gerade Herr Bockelmann, der jetzt Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages werden soll, auf Grund seiner Erfahrungen in Lüneburg, Ludwigshafen und Frankfurt durchaus Interesse an dieser Frage hat. Treten Sie bitte auch an ihn heran!
Herr Minister, haben vielleicht die Automobilklubs oder die Verbände bereits Vorschläge an das Ministerium herangetragen?
Es werden von Zeit zu Zeit immer wieder Vorschläge gemacht, doch endlich einmal dafür zu sorgen, daß sich der Autofahrer in den Städten durch eine einheitliche Bezeichnung der Straßen und auch der Häuserbesser orientieren kann. Diese Vorschläge werden aber meistens örtlich durch die Klubs vorgetragen und dann auch oftmals im örtlichen Rahmen behandelt. Daß aber auch ein genereller Wunsch besteht, ersehen Sie ja daraus, daß ich mich — natürlich von allen diesen Stellen angeregt — um eine Lösung bemühe.
Frage IX/6 — des Abgeordneten Lemmrich —:
Welche Eisenbahnstrecken in Bayern beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn in den nächsten Jahren zu elektrifizieren?
Herr Kollege Lemmrich, die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn teilt mir mit, daß sie zur Zeit mit .dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr Verhandlungen über die zukünftige Elektrifizierung der sogenannten Werntalbahn zwischen Gemünden und Schweinfurt führt, auf der zur Entlastung des Knotens Würzburg ein erheblicher Verkehr, insbesondere 'Güterverkehr, abgewickelt wird. Im Zusammenhang damit wird die Elektrifizierung der Strecke Würzburg—Schweinfurt—Bamberg geprüft, die eine Abrundung des elektrischen Betriebes zwischen den Städten Würzburg, Nürnberg, Bamberg darstellen würde und daher sehr zu begrüßen wäre.
Eine Ergänzungselektrifizierung der Strecken Neuoffingen—Donauwörth und Landshut—Plattling wird zur Zeit erwogen und .geprüft.
Geprüft werden auf Wunsch der Bayerischen Staatsregierung durch die Deutsche Bundesbahn auf die Elektrifizierungswürdigkeit ferner folgende Strecken: München-Pasing—Buchloe KemptenLindau, Augsburg—Buchloe—Memmingen, Immenstadt—Oberstdorf, Neu Ulm-Memmingen—Kempten.
Die Elektrifizierung aller genannten Strecken ist für die Deutsche Bundesbahn allerdings wie bisher nur bei Bereitstellung stark zinsverbilligter Kredite durch Bayern möglich. Endgültige Beschlüsse über die Reihenfolge der einzelnen Strecken und über die Durchführung der Maßnahmen sind noch nicht gefaßt. Entsprechende Genehmigungsanträge seitens der Deutschen Bundesbahn sind bei mir noch nicht gestellt; sie sind erst dann zu erwarten, wenn ein entsprechendes Abkommen zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der Deutschen Bundesbahn geschlossen sein wird.
Frage IX/7 — des Abgeordneten Dr. Mommer —:
Trifft es zu, daß bei der Planung des Autobahn-Teilstücks Heilbronn—Mannheim—Walldorf größere Verzögerungen eingetreten sind?
Herr Kollege Mommer, es trifft zu, daß bei der Planung der Autobahnstrecke Mannheim-WalldorfHeilbronn zu meinem großen Leidwesen Verzögerungen eingetreten sind. Diese Verzögerungen sind auf Schwierigkeiten zurückzuführen, wie sie bei Autobahntrassierungen in dichtbesiedelten Gebieten wie dem Rheintal im Raume Mannheim-Schwetzingen und dem Neckartal im Raum HeilbronnNeckarsulm leider immer wieder auftreten, ganz besonders dann, wenn Wassererfassungsgebiete berührt werden. Die Planung, in die ich mich wegen dieser Schwierigkeiten wiederholt persönlich eingeschaltet habe, ist aber in der Zwischenzeit so weit fortgeschritten, daß bereits im vergangenen Jahr zwischen Hockenheim und Walldorf — es gab dort auch Schwierigkeiten durch die Rennstrecke, den sogenannten Hockenheimer Ring, und durch die Ameisenzucht in den Wäldern um Hockenheim durch die Universität Freiburg — und auch zwischen Neckarsulm und Weinsberg mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. In den übrigen Teilabschnitten sind die Entwürfe aufgestellt, oder ihre Bearbeitung steht jetzt vor dem Abschluß. Die Planungen bedürfen allerdings noch der Planfeststellung. Diese wird sich leider wegen zahlreicher örtlicher Einsprüche wahrscheinlich länger hinziehen, als wir erwarten konnten. Der Bundesfernstraßenbau leidet weit mehr unter den Verzögerungen bei den Planfeststellungsverfahren als unter anderen Schwierigkeiten.
Ich bin morgen selber noch in dem Gebiet, um mich mit den Herren über die Problematik dieses Falles im Raume Wiesloch zu unterhalten.
Würden Sie eine Schätzung wagen, wann diese Verbindung fertiggestellt werden kann?
Herr Kollege Mommer, nach unseren Planungen sollte die Verbindung Ende 1966 fertiggestellt sein. Ich fürchte aber, daß hier mit gewissen Verzögerungen zu rechnen ist, da wir mit den Planungen nicht so vorangekommen sind, wie es ursprünglich erwartet und auch von den zuständigen Stellen zugesagt worden ist.
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Weitere Zusatzfrage.
Könnte es nützlich sein, wenn sich etwa meine Freunde im Landtag in Stuttgart einschalten und ein wenig drängen würden?
Ich glaube, Herr Kollege Mommer, es drängen alle Abgeordneten im Stuttgarter Landtag auf die Herstellung dieser Verbindung. Ich bin jedem dankbar, der das tut; aber das Drängen bei der Regierung hat in diesem Falle wenig Erfolg; denn es handelt sich ja bei dem Planfeststellungsverfahren darum, daß eine neutrale — auch der Landesregierung gegenüber neutral sich verhaltende — Behörde in bezug auf unsere Anträge, den Bau der Straße zu erlauben, die Rechte der Betroffenen vertreten muß; das sind also die Gemeinden, das sind die Grundeigentümer, und je nach den Schwierigkeiten, die sich dort ergeben, dauert die Geschichte um so länger.
Es ist leider Gottes so, daß ich sagen muß: unser Straßenbau beginnt immer mehr, an der Planfeststellungskrankheit zu leiden, die wir natürlich in einem sozialen Rechtsstaat keineswegs durch irgendwelche dirigistischen Maßnahmen oder Maßnahmen von hoher Hand beheben können, sondern bei der wir nur hoffen können, daß die Menschen mehr Verständnis dafür gewinnen, daß schließlich der einzelne — auch eine Gemeinde — ein Opfer bringen muß, damit für die Allgemeinheit die notwendigen Verkehrsmaßnahmen getroffen werden können.
Frage IX/8 — des Abgeordneten Unertl —:
Ist die Bundesregierung bereit, eine gesetzliche Regelung dahingehend zu treffen, daß im Interesse der Verkehrssicherheit alle Personenwagen in Zukunft an den beiden hinteren Kotflügeln sogenannte Schmutzfänger zu führen verpflichtet sind?
Herr Kollege Unertl, eine gesetzliche Vorschrift, an allen Personenkraftwagen an den beiden hinteren Kotflügeln noch zusätzliche Schmutzfänger anzubringen, würde im allgemeinen keine Verbesserung der bereits bestehenden Vorschriften bedeuten. Es hat sich nämlich in der Praxis gezeigt — und dies wurde auch durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt —, daß zusätzliche Schmutzfänger nicht in allen Fällen die notwendige Wirkung haben, weil ein großer Teil des Spritzgutes in einem sehr flachen Winkel und durch die Sogbildung unter dem Fahrzeug oft in der ganzen Fahrzeugbreite und seitlich dann nach hinten abgespritzt wird. Untersuchungen, in welchen Fällen zusätzliche Schmutzfänger unter Berücksichtigung der Gestaltung der Kotflügel angebracht werden müssen, werden jetzt durchgeführt, sind aber noch nicht abgeschlossen. Danach sollen die ab 24. Januar 1962 geltenden vorläufigen Richtlinien über die Anforderungen an Radabdeckungen überarbeitet und mit neuen Weisungen versehen werden.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, Sie sind doch selbst gezwungen, sehr viel auf den Straßen zu fahren. Haben Sie nicht selber erlebt, daß dann, wenn man als Autofahrer hinter einem Fahrzeug mit solchen Schmutzfängern herfährt, dies beim Überholen eine wesentliche Verbesserung gegenüber den Fällen ist, in denen solche Schmutzfänger nicht angebracht sind?
Herr Kollege, das richtet sich nach dem Straßenzustand sowie danach, wie sich das Wasser und der Schmutz auf der Straße befinden. In Wirklichkeit ist es eben so, daß bei größerer Feuchtigkeit natürlich das Ausspritzen nach der Seite stärker ist. Ich habe festgestellt, daß auch beim Fahren hinter Autos mit Schmutzfängern meine Scheibe vollständig berieselt worden ist. Wir bemühen uns ja darum, das Problem zu lösen; aber wir können es nicht lösen, solange wir nicht durch entsprechende Maßnahmen erst dazu kommen, daß wir wirklich gute Einrichtungen vorlegen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Eine andere Frage, Herr Bundesminister. Sind Vorbereitungen getroffen, um das Streusalz, das im Winter mit Recht verwendet wird, durch chemische Behandlung so zu gestalten, daß große Schäden an den Fahrzeugen vermieden werden?
Herr Kollege Unertl, wir haben auch als Straßenbauverwaltung schon deswegen ein großes Interesse daran, ein Mittel zu finden, das Glatteis und Schnee ohne unangenehmen Nebenwirkungsschaden beseitigt; denn die Nebenwirkungen erstrecken sich nicht so sehr nur auf die Autos, sondern auch auf die Fahrbahndecke und auf die beiden Randstreifen, insbesondere auch auf die Bepflanzung der Randstreifen.
Wir bemühen uns also darum, aber es hat sich bisher leider noch nichts gefunden, was das Viehsalz — auf gut deutsch gesagt — ersetzen und seine ungünstigen Auswirkungen beseitigen könnte. Die Versuche laufen; sie sind aber bisher leider noch nicht erfolgreich. Entscheidend bleibt naturgemäß, daß in erster Linie bei Schneeglätte und Glatteis die Rutschgefahr beseitigt werden muß und damit die größte Gefahr für die Fahrzeuge und ihre Insassen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, erinnern Sie sich daran, daß die Ausführungen, die Sie vorhin zu den Untersuchungen über die Schmutzfänger gemacht haben, in derselben Form mir gegenüber schon vor zwei Jahren in der Fragestunde gemacht wurden, und besteht nicht die Möglichkeit, das Verfahren der Untersuchung etwas abzukürzen?
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Herr Kollege, wenn Sie vor der Notwendigkeit stehen, etwas wirklich durchgreifend Gutes technisch zu erfinden, müssen Sie eben warten, bis die Erfindung gelingt. Sie können dahingehende Bemühungen anstellen; Sie können aber nicht befehlen, daß die Leute bis zu einem bestimmten Datum fertig werden.
Herr Abgeordneter Dröscher, eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, gibt es keine Unterlagen darüber, daß tatsächlich die große Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer insbesondere beim langsamen Fahren eine Erleichterung verspürt, wenn der Kraftfahrer vor ihm an seinem Wagen diese Schmutzfänger angebracht hat?
Herr Kollege, ganz zweifellos ist jede Einrichtung, die das Aufspritzen etwas vermindert, zum Vorteil des Nachfolgenden. Der Nachfolgende müßte natürlich ebenfalls eine solche Einrichtung beschaffen. Aber vorschreiben, gesetzlich vorschreiben und damit zwingen können Sie doch nur die Verkehrsteilnehmer bei Einrichtungen, von denen Sie beweisen können, daß sie vernünftig sind und ihren Zweck erreichen. Sonst bekommen Sie doch von den Leuten sofort die Einsprüche, daß hier etwas vorgeschrieben wird, was nicht vollkommen zweckmäßig oder sogar unzweckmäßig ist.
Herr Abgeordneter Hammersen, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, nachdem aus Ihrer Antwort und auch aus den Antworten, die Sie früher gegeben haben, gefolgert werden kann, daß die Anbringung von Schmutzfängern offenbar doch problematisch ist, möchte ich Sie fragen: Würden Sie es nicht auch für richtig halten, in die von Ihnen angekündigte Überprüfung die Frage einzubeziehen, ob es nicht zweckmäßig wäre, serienmäßig Scheibenwaschanlagen einzubauen und das der Kraftfahrzeugindustrie zur Auflage zu machen?
Sicher haben Sie recht, und bei einer großen Anzahl von Autos sind diese Anlagen ja eingebaut. Viele Fahrer lassen sie sich heute auch einbauen oder können sie gegen Aufzahlung mitgeliefert bekommen. Die Automobilindustrie ist natürlich nicht in jedem Fall geneigt, diese Anlagen kostenlos mitzuliefern. Wir haben denselben Ärger ja auch mit unserem Wunsch, daß Haltegurte mitgeliefert werden. Eine gesetzliche Auflage kann ich nach den gesetzlichen Vorschriften aber nicht machen.
Herr Abgeordneter Börner, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, werden die von Ihnen vorher zitierten Forschungen auf diesem Gebiet im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums und mit Mitteln Ihres Hauses gefördert, oder handelt es sich um Untersuchungen, die von bestimmten beteiligten Industrien vorgenommen werden, deren Objektivität nur in begrenztem Maße zugegeben werden kann?
Herr Kollege, wenn ich von Untersuchungen spreche, meine ich in diesem Zusammehang solche, die von uns aus durchgeführt und auch finanziert werden, wobei ich natürlich in dem Ausmaß der Untersuchungen an die mir bewilligten Mittel gebunden bin. Soweit die Industrie von sich aus solche Untersuchungen vornimmt, sind sie für uns natürlich keineswegs bindend. Sie werden dann durch die entsprechenden Stellen begutachtet, also insbesondere die entsprechenden Stellen des Kraftfahrt-Bundesamtes.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihren Antworten schließen, daß die Anbringung bzw. Einführung von Schmutzfängern nicht davon abhängig gemacht werden kann, daß sie auch als Kostenfaktor bei der Herstellung des Automobils eine Rolle spielen könnte?
Es ist doch so, Herr Kollege, daß sich jeder freiwillig diese Schmutzfänger anbringen lassen kann; aber wir sind zur Zeit natürlich nicht in der Lage, der Automobilindustrie das kostenlose Mitliefern zur Auflage zu machen. Ob das dann möglich ist, wenn wir von der Zweckmäßigkeit der Einrichtung voll überzeugt sind, bedarf sehr eingehender Prüfung, weil derartige Eingriffe in die Produktion nicht ohne weiteres angängig sind. Denken Sie bitte — ich wiederhole es — an die Gurte.
Herr Dr. Imle, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, indem ich davon ausgehe, daß Ihnen bekannt ist, daß in Dänemark eine Vorschrift besteht, wonach solche Schmutzfänger angebracht werden müssen, darf ich Sie fragen, ob Sie die dort angestellten Überlegungen auch in Ihre eigenen Erwägungen einbezogen haben und ob Ihnen die Gründe bekannt sind, warum man dort eine solche gesetzliche Regelung getroffen hat.
Es ist mir bekannt, daß sie in Dänemark eingeführt sind. Ich weiß aber auch, daß die dortigen Automobilfahrer von der Zweckmäßigkeit dieser Vorschrift nicht hundertprozentig überzeugt sind.
Aber sie haben sie!
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Sie haben sie natürlich; sie müssen sie anbringen, wenn das Gesetz es vorsieht. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß wir nicht jede Kleinigkeit am Auto durch eine gesetzliche Vorschrift festlegen sollten, sondern verlangen können, daß der Autofahrer, wenn solche Einrichtungen notwendig sind, in den eigenen Beutel greift und sich zum Schutze der hinter ihm fahrenden Fahrzeuge solche Schmutzfänger anschafft, auch ohne daß er durch Gesetz dazu gezwungen wird.
Herr Abgeordneter Wellmann!
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihrem Zögern hinsichtlich der Anbringung von Schmutzfängern schließen, daß Sie damals bei der Einführung von Lenkradschlössern der Auffassung waren, daß es sich dort um eine hundertprozentige Sicherung handele?
Jedenfalls um eine Sicherung mit einem sehr hohen Wirkungsgrad. Das hat sich auch hinterher erwiesen. Ich habe ja dem Hohen Hause auch berichtet, daß sie tatsächlich zum Schutz der Menschen notwendig war und sich bewährt hat. Sie werden zugeben, daß der Diebstahl von Fahrzeugen, insbesondere durch Leute, die nicht fahren können, Jugendliche usw., eine viel größere Gefahr bedeutet als die hier behandelte Frage.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ich glaube, daß der Effekt bei der Anbringung von Schmutzfängern auch in dem heutigen Stadium mindestens so wirkungsvoll
wäre zur Verhütung von Unfällen wie die Anbringung von Lenkradschlössern. Sind Sie nicht der gleichen Meinung?
Verzeihen Sie, ich bin der Meinung, daß das ein Unterschied ist.
Die Frage ist beantwortet.
Wir kommen zu Frage IX/9 — des Herrn Abgeordneten Rademacher —:
Ich frage den Herrn Bundesverkehrsminister, wann nach den Planungen der Deutschen Lufthansa AG endlich mit einer direkten Verbindung zwischen den beiden größten Städten der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg und München, zu rechnen ist.
Herr Kollege Rademacher, auf die Notwendigkeit der direkten Verbindung zwischen Hamburg und München habe ich die Deutsche Lufthansa wiederholt hingewiesen. Die Lufthansa beabsichtigt, nach Auslieferung der zweiten Rate der von ihr bestellten Düsenflugzeuge vom Muster Boeing 727 ab Sommer 1965 eine Non-Stop-Verbindung zwischen Hamburg und München einzurichten. Früher ist es ihr aus Mangel in Flugmaterial nach ihren Angaben leider nicht möglich, diese Linie zu erstellen.
Ich möchte mir jedoch, sehr verehrter Herr Kollege, erlauben, darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß die beiden größten Städte in der Bundesrepublik nicht Hamburg und München, sondern Berlin und Hamburg sind.
Zwischen diesen beiden größten deutschen Städten ist es der Deutschen Lufthansa leider noch immer verwehrt — und wir beide bedauern das —, zivilen Luftverkehr zu betreiben. Ich darf dazu auf eingehende Darlegungen verweisen, die schon früher zu diesem höchst bedauerlichen Thema hier von mir gemacht werden mußten.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ich danke zunächst für die Belehrung über die beiden größten Städte. Aber man versteht doch genau, was hier gemeint war, weil ja eben leider der Flugverkehr der Lufthansa von und nach Berlin nicht möglich ist. Ich darf Sie aber fragen: Wäre es nicht doch möglich, im Zuge der Lieferung der ersten sechs Boeing 727, die ja eine Reihe von Flugzeugen freistellen, schon vor Mitte des Jahres 1965 den direktene Verkehr einzuführen, und ist Ihnen nicht bekannt, daß man heute, wenn man von Hamburg nach München oder umgekehrt von München nach Hamburg fliegen will, entweder in Düsseldorf oder Frankfurt oder Stuttgart umsteigen muß und daß wir hinsichtlich der beiden Städte errechnet haben, daß damit wirtschaftliche Nachteile, und nicht nur diese, sondern auch etwa Schwierigkeiten verbunden sind, künstlerische Kräfte zwischen München und Hamburg auszutauschen?
Eine schnellere Verbindung zwischen den beiden Städten wäre sicher vorzuziehen, aber ein Einsatz des bisherigen Flugmaterials würde diese günstigere Verbindung eben nicht schaffen. Andererseits muß die Lufthansa natürlich in ihrem Bestreben, wirtschaftlich zu arbeiten, die neuen Boeing 727 zuerst dort einzusetzen, wo sie den größten wirtschaftlichen Effekt erbringen.
Herr Friedensburg, eine Zusatzfrage?
Meine Zusatzfrage betraf die Frage Berlin, die vom Herrn Minister dankenswerterweise bereits beantwortet ist.
Herr Abgeordneter Unertl zu einer Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, erlauben Sie mir bitte folgende Frage. Bei aller Anerkennung der Stellung Berlins ist doch die baye-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5839
Unertlrische Landeshauptstadt München als Umschlagplatz vom Norden zum Süden von größter Bedeutung, und ich möchte wirklich darum bitten, gerade das, was Sie für 1965 zugesagt haben, vorzuverlegen und die Verbesserung des Luftverkehrs zwischen Hamburg und München noch in diesem Jahre anzustreben.
Herr Kollege Unertl, anstreben kann ich das gerne, aber die Lufthansa ist eine Aktiengesellschaft eigenen Rechts und ist verpflichtet, so wirtschaftlich wie möglich zu verfahren. Ich kann ihr das empfehlen. Das habe ich ihr schon lange empfohlen. Aber die Geschichte ist doch so: Mit den Flugzeugen erfolgt doch der Umschlag von Menschen und nicht von Waren. Die Waren werden doch auf anderen Wegen verschickt. Auf der anderen Seite haben Sie zwischen Hamburg und München vorzügliche Nachtverbindungen, so daß Sie jederzeit in der Lage sind, auch mit der Bundesbahn diese notwendigen Reisen sehr gut durchzuführen. Natürlich kann man die Zeit abkürzen, wenn man ein Düsenflugzeug benutzen kann. Aber mit einem Propellerflugzeug erreichen Sie den Zweck deswegen nicht, weil Sie durch die Lage der Zonengrenze gezwungen sind, eine Strecke zu fliegen, die etwa über Frankfurt verläuft. Sie können nicht die direkte Strecke herunterfliegen, wie man das früher hätte tun können.
Keine Zusatzfrage mehr?
Dann komme ich zu den nächsten Fragen, und zwar rufe ich wegen der Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit — und mit Einverständnis des Fragestellers — die Fragen IX/10 bis IX/12 zusammen auf:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß das Diakonissenmutterhaus für Evangelische Kinderschwestern in Großheppach über Waiblingen sich -durch den zweibahnigen Ausbau der Bundesstraße 29 zwischen Waiblingen und Großheppach mit einer um zwei Meter erhöhten und deshalb noch mehr Verkehrslärm verbreitenden, unmittelbar am Mutterhaus vorbeiführenden Fahrbahn in seiner Existenz bedroht fühlt?
Weiß der Herr Bundesverkehrsminister, daß das Planfeststellungsverfahren für den zweibahnigen Ausbau der Bundesstraße 29 zwischen Waiblingen und Großheppach überhaupt noch nicht abgeschlossen ist, daß aber das Innenministerium BadenWürttemberg trotz der Geltendmachung schwerster Bedenken durch das Diakonissenmutterhaus für Evangelische Kinderschwestern in Großheppach wegen vermehrter Lärmbelästigung gleichwohl jetzt schon erklärt hat, daß nicht die Absicht bestehe, eine grundsätzliche Änderung der Planung vorzunehmen?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, dahin zu wirken, die Straßenführung der B 29 zwischen Waiblingen und Großheppach möglichst unter Anlehnung an einen Alternativvorschlag des Verkehrswissenschaftlers Professor Leibbrand — der nunmehr eine Trassenführung in Anlehnung an die Rems vorsieht —, in jedem Fall aber so zu gestalten, daß den berechtigten und bisher in keiner Weise ausgeräumten Bedenken des Diakonissenmutterhauses für Evangelische Kinderschwestern in Großheppach Rechnung getragen wird und die Existenz dieser seit 107 Jahren bestehenden wichtigen Anstalt der Inneren Mission der Evangelischen Landeskirche Württembergs erhalten bleibt?
Herr Abgeordneter Bausch, Großheppach und das dortige Diakonissen-Mutterhaus haben gegen die lange geplante Linienführung der neuen Bundesstraße 29 erst in dem zur Zeit laufenden Planfeststellungsverfahren schwerwiegende Einsprüche erhoben. Bei den jahrelangen Vorverhandlungen zur Aufstellung der Pläne sind Bedenken des Diakonissen-Mutterhauses durch die Gemeinde Großheppach der Auftragsverwaltung, also dem Innenministerium in Stuttgart, nicht vorgetragen worden. Die Befürchtungen, daß sich das Diakonissen-Mutterhaus bei einer Verwirklichung der jetzigen Planungen in seiner Existenz bedroht fühlt, sind auch mir erst jetzt bekanntgeworden. Ich habe die Auftragsverwaltung sofort veranlaßt, andere Lösungsmöglichkeiten zu prüfen. Ich habe mich auch an Ort und Stelle von der Lage überzeugt. Nach Mitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg sind seine Bemühungen um eine für das Mutterhaus günstigere Linienführung vor allem deshalb auf Schwierigkeiten gestoßen, weil die Nachbargemeinde Beutelsbach gegen eine weiter südlich gelegene Trasse Einwendungen erhoben hat. Das Planfeststellungsverfahren und die Bemühungen des Innenministeriums um eine befriedigende Lösung des dringend notwendigen Ausbaus der Bundesstraße 29 werden fortgesetzt.Dieses Planfeststellungsverfahren für die Verlegung der Bundesstraße 14/29 zwischen Fellbach und Großheppach ist noch nicht abgeschlossen. Diese Verfahren werden sehr sorgfältig von neutralen Behörden durchgeführt. Die Straßenbauverwaltung ist dabei Antragsteller und kann keine Entscheidung von sich aus treffen. Eine Erklärung der Auftragsverwaltung im Innenministerium Baden-Württemberg, die Planung könne nicht mehr geändert werden, ist mir nicht bekannt. Ich kann mir auch schwer vorstellen, daß die Auftragsverwaltung eine solche Erklärung verbindlich abgegeben hat, da sie sich auf unsere und auf eigene Veranlassung bemüht, eine südlicher gelegene Trasse zu finden, und darüber mit der Gemeinde Beutelsbach verhandelt. Diese Verhandlungen konnten allerdings noch nicht mit dem gewünschten Erfolg abgeschlossen werden.In formeller Hinsicht darf ich zu der Angelegenheit noch folgendes bemerken. Da gegen die Planung der neuen Bundesstraße 29 Einwendungen einer Behörde, in diesem Falle der Gemeinde Großheppach, erhoben worden sind, müssen mir die Aktenunterlagen über das Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe des § 18 Fernstraßengesetz zur Erteilung einer Weisung zugeleitet werden. Ohne eine solche Weisung kann das Innenministerium Baden-Württemberg als Planfeststellungsbehörde keine förmliche Entscheidung treffen.Vom Innenministerium Baden-Württemberg als der hierfür nach § 18 Fernstraßengesetz zuständigen obersten Landesstraßenbehörde werden gegenwärtig die im Planfeststellungsverfahren gegen die Vorschläge der Auftragsverwaltung erhobenen Einsprüche geprüft. In diesem Verfahren ist die Auftragsverwaltung, wie gesagt, Partei und vertritt ihren Standpunkt gegenüber der durch Gesetz festgesetzten Entscheidungsbehörde ebenso wie die Betroffenen, die gegen die Straßenbauplanung einsprechen. Ich muß zunächst den Abschluß des Planfeststellungsverfahrens abwarten. Sollte es den zuständigen Stellen in diesem Verfahren, auch nachdem ich vor einigen Tagen an Ort und Stelle mit ihnen gesprochen habe, nicht gelingen, eine für die Beteiligten annehmbare Lösung zu erreichen, so werde ich nochmals persönlich diese Fragen prüfen. Ich erwarte aber, daß eine Einigung über eine süd-
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Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmlicher gelegene Trasse in den Verhandlungen zustande kommt, da es möglich scheint und auch vom Innenministerium Stuttgart angestrebt wird, daß sich die Gemeinde Beutelsbach mit einer solchen Lösung doch noch einverstanden erklärt und daß bei dieser Trassierung trotz des störenden, hier bereits erstellten Gruppenklärwerkes sich eine für den starken Verkehr in jeder Weise, auch aus Verkehrssicherheitsgründen, brauchbare neue Straße erstellen lassen wird.Sie können überzeugt sein, Herr Kollege Bausch, daß alles geschehen wird, um die Interessen des Diakonissenmutterhauses zu wahren.
Wünschen Sie eine Zusatzfrage?
Nein.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Roesch, .aber bitte kurz.
Herr Minister, ist Ihnen auch bekannt, daß der Landwirtschaft durch den vorgesehenen Ausbau der B 29 Schaden droht, da durch diese Querverbindung, durch diese erhöhten Straßen Luftstauungen entstehen, die nach einem Bericht des Landwirtschaftsamts Waiblingen zu einem Nachteil für die sehr hoch entwickelten Garten- und Weinbaugemeinden führen?
Verehrter Herr Kollege, wer genötigt ist, Straßen zu bauen, muß natürlich gewisse Nachteile der Betroffenen in Kauf nehmen. Es ist unmöglich, in diesem dicht besiedelten Gebiet — ich bin vorgestern an Ort und Stelle gewesen und habe es mir genau angesehen — mit einer für den Verkehr nach und von Stuttgart ausreichenden .Straße durchzukommen, ohne ,daß die von der Durchschneidung der Straße betroffenen Gelände in gewisser Weise in Mitleidenschaft gezogen werden. Das läßt sich einfach nicht alles ausschließen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, daß diese Querverbindungen zum Teil wegfallen würden, wenn die Lösung so erfolgte, daß die Strecke bei Beutelsbach an der Bahn und an der Rems entlanggeführt wird? Dann wäre der Schaden nicht so groß.
Sicher versuchen wir, bei all diesen Fragen zu erträglichen Lösungen zu kommen. Aber ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß an dieser Straße seit sieben Jahren geplant wird, und es ist natürlich bei dem Charakter der Landschaft und ihrer Menschen ungemein schwierig, gerade in diesem Raum etwas durchzusetzen, weil dort überall das alte
Tiroler Sprichwort gilt: Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andre an!
Die Fragestunde ist beendet. Wir setzen nun die Beratung des Haushalts fort.
Ich rufe auf:
Fortsetzung der Zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Drucksache IV/1700) ; Berichte des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß).
Wir kommen zum
Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen .
Ich bitte den Berichterstatter, seinen Bericht zu
erstatten.
— Es wird verzichtet. Dann eröffne ich die Aussprache. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme zu dem Haushalt des Herrn Bundesministers der Finanzen oder, wie ich vielleicht lieber sagen sollte, zu dem Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen - denn es handelt sich natürlich nicht um die Person des Herrn Ministers, von dem ich gern sage, daß wir keine Veranlassung haben, zu behaupten, daß er schlechter sei als seine Vorgänger —
muß sich mit den Gebieten beschäftigen, für die dieses Ministerium verantwortlich ist: mit dem Aufbau und der Gestaltung des Haushalts, mit der Finanzreform — wenn es eine geben sollte — und mit der Steuerpolitik.Der Aufbau und die Gestaltung des Haushalts sind das Generalthema unserer Aussprache. Ich habe deswegen keine Veranlassung, hierauf von mir aus besonders einzugehen. Darüber ist schon einiges gesagt worden und wird in dritter Lesung noch mehr zu sagen sein.Was die Finanzreform anlangt, so können wir feststellen, daß es der nunmehrige Minister immerhin fertiggebracht hat, hier den Anfang eines Anfangs in Gang zu bringen, indem er der Einsicht Raum gegeben hat, daß es eben nur auf dem Weg geht, den die Opposition von Anfang an gefordert hat. Ich will dieses zarte Pflänzchen also nicht weiter stören, indem ich in den alten Sünden herumwühle, die es so lange behindert haben.Aber es ist einiges dazu zu sagen, ob wir mit der Steuerpolitik der Bundesregierung, geführt vom Bundesministerium der Finanzen, einverstanden sind. Die Opposition und die Regierung haben in einigen Teilgebieten dieses Bereichs weitgehend
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5841
Seuffertgemeinsam arbeiten können. Wir, die Opposition, haben uns bereit erklärt, die sehr schwierige und sehr weittragende Aufgabe der Umsatzsteuerreform zusammen mit der Regierung und ihren Parteien in Angriff zu nehmen. Das schließt nicht aus, daß da noch einige wichtige Dinge zu klären sein werden. Wir haben auch die sehr wichtige Mineralölsteuerneuordnung zusammen verabschieden können. Wir haben eine ganze Reihe von Steuermaßnahmen, die insbesondere den Außenhandel betreffen, ohne wesentliche Meinungsverschiedenheiten verabschieden können. Ich werde es nicht dem derzeitigen Minister anlasten — in dieser Haushaltsberatung nicht —, daß in den ersten zwei, fast in den ersten drei Jahren dieser Legislaturperiode nicht einmal die dringlichsten Probleme ihren Niederschlag in Vorlagen des Bundesfinanzministeriums gefunden haben. Das ist damals nicht seine Schuld gewesen.Wir haben auf der anderen Seite das Ministerium gerade auf dem Gebiete des Steuerwesens öfters gegen allzu einseitige und recht maßlose Forderungen aus den Reihen der Regierungsparteien unterstützen und verteidigen müssen und können, allerdings im allgemeinen ohne daß das anerkannt worden wäre und ohne dabei in einigen Fällen auch die Hilfe vom Ministerium zu erhalten, die wir eigentlich gewünscht hätten.Wir sehen auch mit einer gewissen Besorgnis, daß der Minister vielleicht — nach gewissen Anzeichen — nicht genug Energie, nicht genug Offenheit gegenüber Widerständen aufbringen könnte, die sich aus seinen eigenen Reihen gegen die Verabschiedung so wichtiger und dringlicher Gesetzesvorlagen wie dem Neubewertungsgesetz und der Regierungsvorlage zur Regelung der Reparationsschäden erheben. Wir befürchten also, er werde den Widerständen, die die Verabschiedung verzögern oder hintertreiben wollen, nicht mit genügender Energie entgegentreten. Ich hoffe, daß sich solche Befürchtungen nicht bewahrheiten.Ich habe allerdings das Gefühl, daß wir möglicherweise schon mitten in recht erheblichen Meinungsverschiedenheiten sind, die neue Sonderabschreibungen für spekulativen Wohnungsbau, möglicherweise auch die Reform der Prämiensysteme und die Besteuerung der Energieversorgung betreffen. Aber auf diese Kontroversen, die sich entwickeln mögen, möchte ich den Minister bei dieser Beratung nicht ansprechen. Ich will hier auch nicht auf das neueste Projekt einer Kapitalertragsteuer auf die Zinseinkünfte von Ausländern eingehen.
Ich glaube nicht, daß diese neue Erfindung, schon allein wegen der rechtlichen Bedenken, die hier entgegenstehen, bei uns viel Zuneigung finden wird, ganz abgesehen davon, daß es sich wahrscheinlich um einen Schlag ins Wasser handeln dürfte und wir vielleicht froh sein dürften, wenn kein weiterer Schaden angerichtet wird. Aber ich spreche heute schon deswegen nicht davon, weil allgemein bekannt ist, daß diese Erfindung nicht vom Bundesfinanzministerium und nicht vom Bundesfinanzministerstammt, die vielleicht sogar etwas reichlich spät davon erfahren haben.Wir haben aber — das ist festzustellen — recht verschiedene Auffassungen über Möglichkeiten, Zielsetzungen und Voraussetzungen der Steuersenkungen. Unsere Forderungen und Vorstellungen liegen dem Hause in Anträgen vor. Wir wollen die Entlastung der kleinen Einkommen durch Erhöhung der Freibeträge, die Entlastung der mittleren Einkommen durch Tarifverbesserung im Bereiche dessen, was man neuerdings sehr vornehm den Mittelstandsbogen genannt hat. Wir wollen fühlbare Verbesserungen für das Lohn- und Gehaltseinkommen, für das Einkommen der Arbeitnehmer, weil das im wesentlichen kleines Einkommen und weil es Lohneinkommen ist. Wir wollen eine Erhöhung der Pauschbeträge, auch um die Verwaltung zu entlasten und auf diesem Gebiete Gerechtigkeit zu schaffen, und wir wollen Freibeträge für diese Einkommen. Ich darf weiter an unseren Antrag erinnern, bei Arbeitseinkommen die Ausbildungskosten, die von dem später Steuerpflichtigen selbst aufgebracht werden, bei dem später auf Grund der Ausbildung erzielten Einkommen zu berücksichtigen. Damit habe ich nur die wichtigsten dieser Anträge genannt. Gegen alle diese Forderungen unsererseits wendet der Herr Bundesfinanzminister praktisch gar nichts ein. Er hat entsprechende Dinge vorgeschlagen. Er hat sogar angedeutet, daß der in den Steuersenkungen über unsere Vorstellungen hinausgehen könnte.Wir haben aber nicht nur mit unseren Anträgen sehr deutlich Maßgehalten, sondern wir haben auch Deckungsanträge gestellt, die ihre Verwirklichung sofort im Jahre 1964 unter realistischen Voraussetzungen ermöglichen.Wir wollen 2. B. Schluß machen mit dem unmöglichen Zustand, daß Bezieher hoher Einkommen für große Vermögen weniger als die Hälfte Vermögensteuer zahlen, weil es sich um hohe Einkommen handelt. Deswegen wollen wir die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer auf mittelmäßige Vermögen beschränken.Wir sind auch der Ansicht, daß die höchsten Einkommen etwas mehr Steuer zahlen können und daß man bei einem Einkommen etwa von einer halben Million im Jahr 58% Spitzensatz — durchaus nicht Durchschnittssatz, Gesamtsatz der Steuer — wohl tragen kann. Wir sind der Ansicht, daß bei den großen Körperschaften .aus Gründen der internationalen Abrechnung und aus anderen Gründen einiges bei der Besteuerung zu ändern wäre. Ich darf auf unseren Antrag auf Verzinsung der Abschlußzahlungen bei der veranlagten Einkommensteuer, ohne Rücksicht auf den Zeitablauf der Veranlagung, in die Erinnerung rufen. Auch das ist ein nicht nur fiskalisch wichtiger Antrag, sondern ein Antrag, der auch gewisse Gerechtigkeitsvorstellungen verwirklichen soll. Dagegen ist nun allerdings der Herr Bundesfinanzminister. Er ist gegen die Belastung der hohen Einkommen und der großen Vermögen und der großen Gesellschaften.Wenn wir jetzt hören — wir haben ja die gestrigen Meldungen sehr genau zur Kenntnis genom-
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Seuffertmen —, daß in seinen Vorstellungen die Zahlen insgesamt offenbar etwas kleiner geworden sind und daß die Pläne für Steuersenkungen für Einkommen, die wir nicht mehr als kleine und vordringlich zu entlastende anerkennen könnten, eingeschränkt worden sind, wenn wir nunmehr hören, daß es zwischen der Regierung und uns nicht mehr die frage sein wird, ob es endlich einen Arbeitnehmerfreibetrag geben wird, sondern nur die Frage, wie hoch dieser Arbeitnehmerfreibetrag sein muß, wenn man das zur Kenntnis genommen hat, so bleibt es doch dabei, daß der Finanzminister Steuersenkungen im Jahre 1964 nicht .will und auch nicht die Voraussetzungen will, die diese Senkungen jetzt möglich machen würden, daß er sie erst 1965 will und dann aus Gründen, die allzu durchsichtig sind, muß ich sagen, als daß ich sie noch einmal hervorheben müßte, und daß er sie eben dann nur unter der weiteren Voraussetzung will, daß der Ausfall nicht teilweise durch andere Steueränderungen ausgeglichen wird, sondern daß er ganz überwiegend von den Ländern übernommen wird.Unsere Vorschläge sind dagegen begründet nicht nur mit der steuerlichen Gerechtigkeit, sondern auch mit der Erwägung, daß die Steuersenkungen im Gesamtzusammenhang der öffentlichen Haushalte und in dem Bild der Konjunkturentwicklung, das sich uns jetzt bietet, nur auf diese Weise durch entsprechenden Ausgleich auf anderem Gebiete durchzuführen und zu rechtfertigen sind. Es handelt sich zwischen uns nicht darum, ob eine Steuersenkung, die der Herr Bundesfinanzminister durchführen will, zu verschieben wäre, es handelt sich ganz im Gegenteil darum, daß der Herr Bundesfinanzminister die Steuersenkung, die wir im Jahre 1964 für möglich halten, fordern und durchführen möchten, auf das nächste Jahr verschieben und sie dabei auf eine Grundlage stellen will, die mir einstweilen weder sicher noch realistisch erscheint. Die Finanzreform muß von Anfang an belastet und in den Grundlagen verschoben sein, .wenn jetzt aus politischen Gründen versucht wird, die an sich fraglos fällige Steuersenkung davon abhängig zu machen, daß sie im Ergebnis von den Ländern bezahlt wird, ohne daß die Länder gleichzeitig durch andere Finanzmaßnahmen in die Lage versetzt werden, ihren eigenen Aufgaben und denen der Gemeinden gerecht werden zu können. Es ist doch gar nicht zu leugnen, daß eine Verschiebung von — im auslaufenden Ergebnis — annähernd 2 Milliarden DM zu Lasten der Ländermasse und zugunsten der Bundesmasse vor der Inangriffnahme der Finanzreform deren Grundlagen weitgehend beeinträchtigen muß.Was die Konjunkturlage anlangt, so befinden wir uns ganz offensichtlich am Beginn eines Konjunkturaufschwungs, wenn nicht eines Booms. Wir sind — das ist gestern schon gesagt worden — nicht in den Vereinigten Staaten. Die Tatsache, daß die Steuerschätzungen nunmehr auf die Annahme eines nominalen Zuwachses des Sozialproduktes von 8 % hin berichtigt wurden, hat ja der verantwortlichen Mehrheit den nominalen Haushaltsausgleich bereits bedeutend erleichtert. Steuersenkungen mit übermäßiger Freistellung von Gelddisponibilitäten sind selbstverständlich das Gegenteil von dem, was eine antizyklische Finanzpolitik in einem solchen Augenblick verlangene würde.Die Steuersenkungen sind notwendig, um das System gerechter zu gestalten. Aber sie sind nur vertretbar, wenn die Freisetzung von Geldverfügbarkeit, die damit verbunden ist, in Grenzen gehalten wird, und das ist nur durch entsprechende Kompensationen im Steuersystem möglich, weil die erforderliche Neutralisierung von Geld nun einmal nur in den Händen der öffentlichen Hand möglich ist.
— Nein, der Staat soll es nicht ausgeben, soweit es nicht notwendig ist.
— Aber neutralisieren, Herr Kollege Etzel, kann auf jeden Fall nur der Staat.
— Das ist eine andere Frage. Wir wollen ihn erst einmal in den Stand setzen, daß neutralisiert werden kann. Wenn wir das Geld einfach in den privaten Händen belassen, dann kann es überhaupt nicht neutralisiert werden. Ich glaube, darüber sollten wir keine Meinungsverschiedenheit haben.
Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß ich vor dem Hintergrund der Erwägungen, die wir hierzu angestellt haben, und vor dem Hintergrund der Kontroverse, die wir in diesem Punkte mit dem Bundesfinanzministerium und mit Ihnen haben, die gestrigen Ausführungen des Herrn Kollegen Stoltenberg zur Frage des Geldwertes und zu den Steueranträgen einigermaßen abwegig empfunden habe, wenn sie nicht sogar etwas komisch auf mich gewirkt haben. Wir haben ganz und gar keine Veranlassung, auch von unserer Seite in gewisse Posaunenchöre einzustimmen, die oft sehr übertriebene Schreckfanfaren wegen der Währungsgefährdung ausstoßen und dabei meistens von anderen Rücksichtnahmen oder das berühmte Maßhalten verlangen.Wir geben zu, daß wir im Punkte der Währung und des Geldwertes außerordentlich empfindlich sind. Aber warum sind wir das? Weil für den Prozeß der Eigentumsbildung der breiten Massen, die nach allen Beteuerungen doch allen so sehr am Herzen liegt — uns jedenfalls liegt sie wirklich am Herzen —, die Leute, die zu dem breit gestreuten Eigentum kommen sollen, auf absehbare Zeit nach wie vor hauptsächlich auf Geldwerte angewiesen sind. Deswegen wird das ganze Spiel zu einer wertlosen Farce, wenn man nicht auf die Sicherung des Geldwertes bedacht ist.Unsere Meinung ist also: Steuersenkungen jetzt, aber sofort und an der richtigen Stelle, maßvoll und mit Ausgleich wegen der Steuergerechtigkeit, wegen der Konjunkturauswirkung, wegen der zu vermeidenden Vorbelastung der Finanzreform, und auf realistischer Grundlage, nämlich so, daß die Länder, die mit den Gemeinden den anderen Teil
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Seuffertdes öffentlichen Haushalts bilden, sie akzeptieren und vertragen können.Der Bundesfinanzminister spricht von Steuersenkungen im nächsten Jahr, dafür hat er ganz offensichtlich politische Gründe, und er spricht von diesen Steuersenkungen nur, wenn die Länder praktisch die Zeche bezahlen. Das ist eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit, und das ist eine sehr aktuelle Meinungsverschiedenheit. Wir haben gar keine Möglichkeit, über diese Feststellung hinwegzugehen, und wir möchten diese Meinungsverschiedenheit in keiner Weise vertuschen lassen.Das wären schwerwiegende Gründe, die Zustimmung zum Haushalt des Bundesfinanzministeriums zu verweigern, um hier Klarheit zu schaffen. Wir haben aber, wie gesagt, die Nachrichten über die letzten Kabinettsbeschlüsse sehr aufmerksam gelesen, und wenn natürlich auch keine abschließende Stellungnahme möglich ist, so scheint doch die Möglichkeit zu bestehen, daß die Regierung ihre eigenen Vorstellungen bereits in einer Richtung modifiziert hat, die uns näherkommt, und daß wieder einmal eine Annäherung der Regierung an die Vorstellungen der Opposition erfolgt ist. Wir können natürlich noch kein befriedigendes Ergebnis feststellen, und wir sehen voraus, daß wir noch einige sehr ernsthafte Auseinandersetzungen über diese ganzen Pläne haben werden. Aber wir können eine sympathische Tendenz feststellen, und deswegen — Sie mögen das als Beweis dafür nehmen, mit welcher Verantwortung und Ernsthaftigkeit und mit welcher Vorurteilslosigkeit wir unsere Vorstellungen. über das Zusammenspiel von Opposition und Regierung im Gegenspiel der parlamentarischen Auseinandersetzung zu praktizieren entschlossen sind — empfehlen wir nunmehr unserer Fraktion, eine mehr abwartende Haltung einzunehmen und sich zu diesem Haushalt der Stimme zu enthalten.
Wird das Wort gewünscht? — Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert hat seine Ausführungen zum Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen in drei Bereiche gegliedert: Haushalt, Finanzreform und Steuerpolitik.Ich brauche ebensowenig wie Herr Kollege Seuffert auf die Frage des Haushalts einzugehen, soweit er nicht die beiden anderen Bereiche berührt, da voraussichtlich bei der Schlußdebatte Gelegenheit sein wird, zu diesem Problem Stellung zu nehmen. Ich möchte aber ganz allgemein zu den Ausführungen von Herrn Seuffert etwas sagen.Es ist von Anfang an mein Bestreben gewesen, nicht nur mit den Fraktionen der Regierungsparteien, sondern auch mit der Opposition möglichst eng zusammenzuarbeiten, da ich der Meinung bin, daß Steuer- und Finanzfragen, die bis in das Verfassungsrecht gehen, das Schicksal unserer Nation in der Zukunft bestimmen.Herr Kollege Seuffert hat es bedauert, daß der Opposition manchmal nicht genügender Dank zum Ausdruck gebracht worden sei, wenn sie trotz aller abweichenden Meinungen bereit gewesen sei, sich diesen Schicksalsfragen zu stellen. Ich habe mich darüber gewundert; denn ich habe nie außer acht gelassen und, soweit ich mich erinnere, auch nie versäumt, der Opposition für jede konstruktive Mitarbeit Dank zu sagen. Falls . das vielleicht doch in dem einen oder anderen Falle nicht geschehen sein sollte, hole ich es hier ausdrücklich nach.Nun aber zu den sachlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert! Sie werden sofort feststellen, daß bei aller guten Mitarbeit sachlich grundlegende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Es wäre ja auch langweilig, wenn das nicht so wäre; denn die Dinge werden nur in der Kontroverse vorangetrieben.Ich habe in meinem Hause zwei Bereiche zu behandeln, auf der einen Seite die Haushaltspolitik, auf der anderen Seite die Finanz- und Steuerpolitik. Naturnotwendig hat in den verflossenen Jahren die Haushaltspolitik eine dominierende Rolle gespielt. Das war unumgänglich. Bitte, halten Sie sich vor Augen, daß die Bundesrepublik von der Wiedererlangung der Souveränität an aufgebaut werden mußte und daß sich in den Haushaltsplänen des Bundes der Aufschwung widergespiegelt hat, den wir genommen haben. Ich möchte an dieser Stelle einmal daran erinnern, daß der Bundeshaushalt in den Jahren um 1950 etwa die gleiche Größenordnung gehabt hat wie heute ein einziger Einzelplan des Bundeshaushaltsplanes, nämlich der Einzelplan 14, Verteidigung.In jenen Jahren hat niemand voraussehen können, daß es einmal einen Römischen Vertrag geben würde, der auch finanzielle Auswirkungen auf die Struktur unseres Landes, auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche hat.Weiter darf ich daran erinnern, daß sich niemand von uns oder daß sich vielleicht nur ganz wenige Experten seinerzeit eine Vorstellung davon haben machen können, welche geradezu phantastischen finanziellen Aufwendungen Wissenschaft und Forschung in unseren Jahren einmal erfordern würden.Wenn Sie sich das vor Augen halten, werden Sie verstehen, daß die Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren eine dominierende Rolle gespielt hat und spielen mußte.Ich habe im vorigen Jahre angefangen, die Fortentwicklung der Finanz- und Steuerpolitik auf den von meinen drei Vorgängern gelegten Grundlagen weiterzuführen. Sie alle wissen, daß diesem Hohen Hause eine ganze Reihe von finanz- und steuerpolitischen Gesetzentwürfen vorliegt, die dieser Fortentwicklung dienen sollen.Ich darf jetzt kurz auf das „zarte Pflänzchen" zu sprechen kommen, daß Herr Kollege Seuffert erwähnte. Ich stimme Herrn Kollegen Seuffert darin zu, daß die Vereinbarung des Herrn Bundeskanz-5hMetadaten/Kopzeile:
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Bundesminister Dr. Dahlgrünlers mit den Herren Ministerpräsidenten der deutschen Länder über die Einsetzung einer Expertenkommission zur Lösung des Problems der Finanzreform sicherlich ein zartes Pflänzchen ist. Ich kann als mißtrauischer Finanzminister auch nicht übertriebene Hoffnungen oder übertriebenen Optimismus zur Schau tragen; denn ich muß vorsichtig und abwägend sein.Eines kann ich Ihnen aber heute sagen: die Zusammenarbeit der vier Herren, die dieses harte Geschäft besorgen, ist ausgezeichnet, und sie treiben ihre Arbeiten sehr fleißig voran. Alle vier Herren sind nicht nur überragende Sachkenner und Männer mit großer Erfahrung. Sie sind darüber hinaus auch mit dem Herzen dabei und betrachten Finanz- und Steuerpolitik als ihr Hobby. Das dient der Sache. Ich halte es sogar für unumgänglich notwendig, daß jemand so eingestellt ist, wenn er für eine solche Aufgabe ehrenamtlich Kraft und Freizeit einsetzt.Es geht also voran auf diesem Wege. Ich sehe das zarte Pflänzchen voller Freude ganz nett wachsen, wobei das Klima — Einmütigkeit des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten über die Notwendigkeit dieser Arbeiten —, bis heute nicht zu tadeln gewesen ist, ja, sich noch verbessert hat. Wir können hoffen, daß die Arbeit Ergebnisse bringen wird. Ich stelle mir vor, daß es Ergebnisse gibt, die sich verhältnismäßig leicht in die Tat umsetzen lassen, daß es andere Bereiche gibt, wo wir die Einschaltung des Parlaments brauchen, und daß wieder andere Gebiete vielleicht noch schwieriger sind, weil es sich möglicherweise um verfassungsändernde Gesetze handelt.Wie schwierig die Fragen sind und wie komplex das ganze ist, wie alles miteinander in Verbindung steht, darf ich Ihnen anhand der Hinweise von Herrn Kollegen Seuffert auf das Bewertungsgesetz darstellen. Die Arbeiten der Expertenkommission „Finanzreform" sind insbesondere im Blick auf die Gemeindefinanzen von vornherein Theorie, wenn nicht ein neues Bewertungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode von diesem Hohen Hause verabschiedet wird.
Ich darf dazu nur an den Fall erinnern, daß drei Personen die gleiche Erbmasse vom Erblasser übernehmen, der eine in bar, der andere in Grundbesitz, der dritte in Aktien. Ich brauche Ihnen nicht auseinanderzusetzen, wie unterschiedlich die erbschaftsteuerliche Belastung dieser drei Vermögensgruppen ist. Ich glaube nicht, daß man behaupten kann, daß das noch etwas mit Steuergerechtigkeit und Gleichheit zu tun hat. Deshalb ist meiner Ansicht nach für dieses Parlament die Verabschiedung des neuen Bewertungsgesetzes eine unabdingbare Notwendigkeit, wenn es nicht riskieren will, daß vielleicht auf anderem Wege etwas passiert.Sie wissen, daß auch Verfahren laufen, um die Feststellung der Nichtigkeit der betreffenden Vorschriften durch das Verfassungsgericht zu erreichen.Ich bin wirklich der Meinung, daß niemand Sorge vor diesem neuen Gesetz zu haben braucht, weil es als steuerneutrales Gesetz eingebracht worden ist. Das war keine Feigheit vor dem Feind. Es ist wirklich nicht möglich, über Steuersätze hinsichtlich der Bewertung zu reden, ehe man nicht das Volumen kennt. Ich glaube, daß die Kreise, die diese Arbeiten des Parlaments mit einiger Sorge betrachten, beruhigt sein können. So viel Vertrauen sollte man dem Bundestag entgegenbringen, daß man davon ausgeht, er werde in dieser Sache zu gerechten Entscheidungen kommen. Die Entscheidungen über die Sätze sind erst in Jahren zu erwarten. Aber für die Finanzreform, für diese für uns alle so eminent wichtige Sache, ist das neue Bewertungsgesetz notwendig; wir müssen es haben. Ich wäre Ihnen allen dankbar, wenn Sie daran mitarbeiten würden, damit es noch zustande kommt. Wie gesagt, eine Gefahr oder irgendeine Katastrophenstimmung kann dadurch unter keinen Umständen ausgelöst werden. — Meine Damen und Herren, das wäre das eine.Nun ist Herr Kollege Seuffert auf das Steueränderungsgesetz eingegangen, das bis zum 24. April 1964 dem Bundesrat zugeleitet werden soll. Ich halte es nicht für gut, hier schon über einen Gesetzentwurf zu debattieren, den die meisten oder wahrscheinlich alle von Ihnen noch nicht gesehen haben; er ist noch nicht veröffentlicht. Trotzdem kann man etwas zu den Grundprinzipien sagen.Wir haben seit 1958 — damals ging die letzte Steuerreform in diesem Hause vor sich — eine Steigerung des Volkseinkommens von, glaube ich, 62% zu verzeichnen. Das Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer hat sich seitdem um rund 70%, das Einkommen der Selbständigen aus Vermögen um rund 50% erhöht. Demgegenüber steht eine Erhöhung der Lohnsteuer — ich zitiere die Zahlen aus dem Gedächtnis; aber ich glaube, sie stimmen -von rund 134 % und eine Steigerung der veranlagten Steuern von 146 % oder 148 %. Daraus ersehen Sie, daß die Steuersenkung im Interesse der Gerechtigkeit eine unabdingbare Notwendigkeit geworden war, nachdem wir das Jahr 1963 schrieben.Wir haben unsere Arbeiten an diesem Gesetzentwurf im Herbst vorigen Jahres aufgenommen. Ich habe, weil ich das für richtig halte, dieses Steueränderungsgesetz in einer außergewöhnlichen Breite diskutiert, nicht nur mit Abgeordneten aller Fraktionen, sondern insbesondere auch mit meinen Finanzministerkollegen in den Ländern. Das hat erhebliche Zeit gekostet. Es ist auf Referenten-, auf Staatssekretär-, auf Ministerebene verhandelt worden, zuletzt Ende Februar / Anfang März 1962, als wir den Entwurf im Rohbau fertig hatten.Ich hätte allerdings den Gesetzentwurf auch ohne Rücksicht auf das, was mir die Länderfinanzminister als Kollegen geraten haben, einfach im März dieses Jahres einbringen können. Aber ich habe noch einmal Ressortbesprechungengeführt, um die Ratschläge, die mir erteilt waren, nach Möglichkeit zu berücksichtigen oder mindestens ernsthaft zu prüfen.
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Bundesminister Dr. DahlgrünWie gesagt, die Gesetzgebungsarbeit, die auf den Arbeiten meiner Vorgänger aufbaute, hat viele, viele Monate in Anspruch genommen.Auf der anderen Seite ist es schlecht, ein solches Gesetz mitten im Veranlagungszeitraum in Kraft treten zu lassen; das kann man nicht machen. Ich muß also den 1. Januar eines Jahres nehmen. Daß dies der 1. Januar 1965 ist — und damit komme ich auf die „durchsichtigen" Gründe, die Herr Kollege Seuffert zitiert hat —, kann ich nicht ändern. Wie gesagt, wir arbeiten daran seit Sommer vorigen Jahres bis in die letzten Tage hinein.
Meine Damen und Herren, Sie haben gemerkt, wie heftig an dem Vorhaben gesägt worden ist. Ich erinnere nur daran, daß uns die scharfen Einwendungen, die aus Brüssel kommen sollten, doch erhebliche Kopfschmerzen bereitet haben. Es ist uns aber gelungen, diese Einwendungen zu widerlegen. Deshalb hat das mit dem Wahljahr und mit irgendwie „durchsichtigen" oder „undurchsichtigen" Gründen nichts zu tun.
Wir haben gerade noch den Anschluß erreicht, um den ersten Durchgang im 'Bundesrat vor der Sommerpause sicherzustellen.Man hat mir vorgeworfen, daß es verantwortungslos und schizophren sei, die Steuern in einem Augenblick zu senken oder die Steuerpflichtigen zu entlasten, in dem einmal die Konjunkturlage dagegen spreche, zum anderen von mir und vom Parlament den Wünschen, Hoffnungen und Sorgen vieler Menschen ein Nein entgegengesetzt werden müsse, weil das Geld nicht da sei. Ich nehme an, daß zu der Konjunkturlage beim Einzelplan meines Kollegen ,Schmücker noch manches gesagt werden wird, so daß ich das im Moment ausklammern möchte.Aber zu dem Vorwurf „verantwortungslos" möchte ich doch etwas sagen. Herr Kollege Seuffert hat mir zumindest inhaltlich den Rat gegeben, Haushaltsgelder stillzulegen. Meine Damen und Herren, wenn ich von den Kritikern das Rezept bekomme, wie ich das machen soll, wie dies mit Sicherheit durchsetzbar ist, bin ich gern bereit, diesen Weg zu gehen.
— Aber die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen die Praxis. Alle Fraktionen, Herr Kollege Seuffert, auch Ihre, sind im Moment ganz fröhlich dabei, Ausgabenerhöhungen des Haushalts zu beantragen. Es gibt doch keinen Regierungsentwurf, den Sie nicht — schön, Sie können natürlich sagen, das ist das Recht der Opposition — mit einem Aufschlag zu versehen wünschen. Ich nehme Ihnen das gar nicht übel. Sie dürfen dann aber auf der anderen Seite nicht sagen, das Stillegen von Haushaltseinnahmen sei möglich. Das geht meiner Überzeugung nach einfach nicht. Deshalb bin ich der Meinung, daß es konjunkturgerecht ist, die Ausgaben vonStaats wegen auf eine Vielzahl kleiner Leute zu verlagern.
Nach 'unseren Berechnungen entfallen von den Steuerermäßigungen im Bereich des Tarifs — von den 2,1 Milliarden DM — allein 1,1 Milliarden DM auf die Bezieher von Einkommen bis 12 000 DM jährlich.
Herr Kollege Seuffert hat den Arbeitnehmerfreibetrag erwähnt. Wir bemühen uns in dieser Steuerreform nach dem Beschluß der Bundesregierung, auch für die in der Ausbildung befindlichen Jugendlichen mittelbar etwas zu tun. Es sind die verschiedensten Maßnahmen berücksichtigt worden.Nun hat Herr Kollege Seuffert den SPD-Entwurf herangezogen. Meine Damen und Herren, ich kann darauf im einzelnen nicht eingehen. Das, was Herr Seuffert gesagt hat, klingt alles sehr schön. Aber ich komme jetzt einmal auf das Bewertungsgesetz zurück. In dem SPD-Entwurf wird vorgeschlagen, die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer zu beseitigen. Das bedeutet doch in der Praxis, daß die Kreise des Mittelstandes, die auf der einen Seite steuerlich entlastet werden, durch diese Maßnahme wieder belastet werden und zwar durch eine Steuer, die auf veralteten Bewertungsgrundsätzen beruht.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Bitte, Herr Kollege Seuffert.
Herr Minister, Sie wissen doch, daß wir nicht beantragt haben, die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer zu beseitigen, sondern daß wir beantragen, sie zu beschränken, und zwar auf die mittleren Vermögen des Mittelstandes?
Herr Kollege Seuffert, es ist richtig, was Sie sagen. Sie wollen das nicht beseitigen, sondern sozial gestaffelt bringen. Nun, Sie kommen dann weiter mit den Vermögen, die Ihrer Ansicht nach schon zu den größeren gehören, die in Wirklichkeit aber mittelständische Investitionseinkommen sind,
der Bereich, den wir immer 1— auch Sie, Herr Kollege Seuffert — in der ganzen Diskussion als den sogenannten Mittelstandsbogen oder Mittelstandsbauch bezeichnet haben. Ich kann Ihnen sagen, daß wir vorgeschlagen haben, die Tarifkorrektur bei Einkommen von 75 000/150 000 DM auslaufen zu lassen.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
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Bitte sehr.
Soll das heißen, Herr Minister, daß Sie einen Gegenvorschlag machen werden, die Grenze für die Abzugsfähigkeit zur Schonung der mittelständischen Vermögen anders zu setzen, und soll das heißen, daß wir über die Unhaltbarkeit der Abzugsfähigkeit bei den ganz großen Vermögen einer Meinung sind?
Herr Seuffert, Sie hätten mich ausreden lassen sollen; denn ich wollte natürlich darauf kommen. Ich habe es auch nur erwähnt, weil ich Ihre Mithilfe beim Bewertungsgesetz haben möchte. Was Sie nämlich gesagt und gefragt haben, ist ein klarer Beweis dafür, wie dringend nötig wir das Bewertungsgesetz auch insoweit haben.
Aber ich bin der Meinung, daß man bei der Vermögensteuer überhaupt erst etwas tun kann, daß man überhaupt erst Überlegungen darüber, wo sie änderungsbedürftig ist, anstellen kann, wenn man die neue Bewertung durchgeführt hat. Das darf man doch einmal ganz klar sagen, obwohl die Ansichten hier unterschiedlich sind.
Zur Frage der Erhöhung der Spitzensteuersätze habe ich in der Debatte schon oft gesagt, daß ein Punkt über 53 % hinaus zwischen 30 und 35 Millionen DM bringt. Wenn Sie also Ihre Idee durchsetzen, von 53 auf 58 % zu gehen, haben Sie im Effekt ganze 150 Millionen DM. Mit diesem Betrag können Sie, Herr Kollege Seuffert, nur die Optik verbessern; denn die 150 Millionen langen weder für Ihre Steueränderungsvorschläge noch für meine. Bedenken Sie bitte die Folgen, die dann durch weitere Tarifverzerrungen eintreten, nämlich die Auswirkung auf die Körperschaftsteuer, während wir den Tarif in den hohen Gruppen unberücksichtigt lassen wollen. Bei 150 000 DM läuft nach dem neuen Gesetzentwurf, den Sie noch bearbeiten werden, die Kurve in die harten Steuersätze aus, die wir heute haben; denn Sie müssen doch zu den 53 % alles andere hinzurechnen, was an Belastungen aus den verschiedenen Steueransprüchen heraus auf die Wirtschaft zukommt. So kommen Sie zu einer Steuerbelastung von bis zu 65 bis 68 %. Damit liegen wir tatsächlich unter Berücksichtigung der andersartigen Abschreibungsmodalitäten — immer der alte Vergleich: 90 % Spitzensatz in den Vereinigten Staaten — mit unserer Steuerbelastung an der Spitze der Steuersätze in der freien Welt überhaupt.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?
Bitte sehr.
Herr Minister, wenn Sie die Belastung des gewerblichen Einkommens außerhalb des Einkommensteuertarifs erwähnen, wollen Sie bitte nicht die Belastung des Verbrauchereinkommens durch die indirekten Steuern vergessen, die wesentlich höher sein dürfte!
Das ist ein Stichwort, Herr Seuffert, das Sie mir geben. Ich zitiere die Zahlen aus dem Gedächtnis. Die Notwendigkeit, jetzt, im Jahre 1964, ein Steueränderungsgesetz zu machen, ergibt sich gerade aus der Entwicklung der direkten im Verhältnis zu den indirekten Steuern in der Zeit von 1958 bis 1963.
Da sind nämlich die direkten Steuern von 53 auf 58 % gestiegen und die indirekten sind von 48 auf 42 % zurückgegangen. Das Verhältnis von ungefähr 50 : 50 direkte zu den indirekten Steuern hat sich also auseinandergezogen. Herr Kollege Seuffert, ich weiß, daß das auch nach Ihrer Meinung eine Entwicklung ist, die wir schon im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung der Steuern innerhalb der EWG nicht tatenlos mitansehen können, und das Steueränderungsgesetz wird dafür sorgen, daß das Verhältnis sich wieder einigermaßen normalisiert.
Ich möchte schließen. Ich habe in Luxemburg auf der Konferenz der Finanzminister der EWG gesagt: die EWG besteht nicht allein aus dem Getreidepreis — das ist eine sehr wichtige und heikle Geschichte —, und es ist unmöglich, die Zölle in immer schnellerem Tempo auf den Nullpunkt zu bringen und an den Steuergrenzen überhaupt nichts zu tun.
Wir müssen doch auch anfangen, in dieser Richtung voranzuschreiten. So danke ich Ihnen allen zum Beispiel dafür, daß Sie mir bei der Bearbeitung der Mehrwertsteuer geholfen haben, das zu tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, nach den Ausführungen des Herrn Finanzministers sind nur noch wenige Worte aus dem Hause selbst notwendig. Es ist mir aber ein Bedürfnis, zu Beginn meiner Ausführungen dem Herrn Finanzminister vor allem für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, die er mit allen Fraktionen dieses Hauses, insonderheit mit dem Finanzausschuß, gepflogen hat, zu danken.Das Finanzministerium war gerade im letzten Jahre in einer unerhörten Weise belastet und hat uns mit einer Reihe von grundlegenden Vorlagen bedienen müssen, so daß der Finanzausschuß in hohem Maße bis zum Ende der Legislaturperiode belastet sein und alles darauf ankommen wird, in guter Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium die Sache zu fördern.
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Dr. Schmidt
Ich möchte an dieser Stelle auch der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Hohe Haus Verständnis für den Wunsch hat, daß das Bewertungsrecht, das nun seit etwa drei Monaten dem Ausschuß dieses Hauses vorliegt, auch wirklich noch vor Beendigung der Legislaturperiode zum Abschluß gebracht werden kann. Der Bundesfinanzminister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Finanzreformausschuß, den das Kabinett eingesetzt hat, in seiner Arbeit wesentlich davon abhängig sein wird, ob es gelingen wird, eine Rechtsgrundlage für Jahrzehnte in Gestalt eines neuen Bewertungsrechts zu schaffen.Meiner besonderen Genugtuung möchte ich Ausdruck geben im Zusammenhang mit dem Mehrwertsteuer- oder besser Netto-Umsatzsteuerrecht, daß es dem Finanzminister gelungen ist, auf der Ebene der EWG die Verhandlungen so zu fördern, daß zumindest in diesem Jahre eine reformierte Richtlinie zu erwarten ist, die durchaus den Beschlüssen dieses Hohen Hauses entsprechen wird. Wir haben also gar keinen Grund, im Zusammenhang mit der Netto-Umsatzsteuer etwa von deutschen Vorleistungen zu sprechen. Wir können vielmehr von der Wahrnehmung einer deutschen Position am europäischen und am internationalen Markt sprechen, die unsere steuerliche Ausgangssituation wesentlich verbessern kann und verbessern muß. Ich hoffe sehr, daß das Hohe Haus, auch wenn innenpolitisch hier oder dort aus diesem Entwurf zwangsläufig Friktionen entstehen müssen, soviel Verständnis für unsere gesamtvolkswirtschaftliche Lage haben wird, daß auch das Netto-Umsatzsteuerrecht noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden wird.Ich habe nicht den Eindruck, daß heute und hier der Ort ist, über eine Vorlage zu sprechen, die, wie wir nur aus Zeitungsmeldungen wissen, gestern im Kabinett verabschiedet worden ist. Die Fragen, die Herr Seuffert in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die dem Hause vorliegenden sozialdemokratischen Anträge aufgeworfen hat, verstehe ich. Er hat ein begründetes Interesse daran, sie nochmal und nochmal dem Hause in Erinnerung zu bringen. Wir haben sie hier eingehend erörtert, und wir werden sie im Zusammenhang mit dem Steueränderungsgesetz auch im Ausschuß noch gründlich zu beraten haben. Deshalb meine ich, wir sollten diese wichtige Sachdebatte nicht vorwegnehmen. Wir begrüßen es jedenfalls, daß die Entscheidungen zum Steueränderungsgesetz gefallen sind.Ich möchte meinerseits zu der Frage, ob es angesichts der steigenden Konjunktur, ja des drohenden Konjunkturbooms überhaupt zweckmäßig ist, eine Steuersenkung vorzunehmen, nur das eine sagen: Wenn schon die Steuereinnahmen unproportional zum Bruttosozialprodukt wachsen — und das in einer Zeit der Hochkonjunktur — und es nicht möglich ist, etwa verfassungsrechtlich eine Stillegung abzusichern, dann ist der Zuwachs an Steuereinnahmen viel besser in den Händen vieler kleiner Leute verwahrt als in dem massierten Bedarf der öffentlichen Hand auf der Ebene des Bundes, der Länder und Gemeinden.
Aus diesem Grunde kann ich nur davor warnen, alle weiteren, unproportional steigenden Steuermehreinnahmen wieder massiert als Staatsbedarf auf den Boom zukommen zu lassen.
Das scheint mir die ausschlaggebende Rechtfertigung einer Steuersenkung zugunsten kleiner und mittlerer Einkommensträger zu sein.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache über den Einzelplan 08.
Anträge zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Entwurf des Einzelplans 08 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Wer diesen Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer großen Zahl von Enthaltungen ist dieser Einzelplan mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Punkt V/9 der Tagesordnung:
Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müller .
— Ist das Haus damit einverstanden, daß der Bericht zu Protokoll gegeben wird? — Das ist der Fall.*)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige wirtschaftspolitische Lage der Bundesrepublik und insbesondere die heutige konjunkturpolitische Lage ähnelt in sehr vielen Merkmalen der Lage der Jahre 1959 und 1960. Zwar befinden wir uns zur Zeit noch nicht wieder auf einem ausgesprochenen Höhepunkt der Konjunktur. Aber die Gefahren für das allgemeine Preisniveau, die erfahrungsgemäß mit einem neuen Wiederaufschwung verbunden sind, werden deutlich von der öffentlichen Meinung vorausgespürt. Die öffentliche Meinung reagiert diesmal früher als damals. Diese frühere Reaktion der öffentlichen Meinung auf das ständige Steigen des Preisniveaus ist deshalb gerechtfertigt, weil die Öffentlichkeit Erfahrungen mit*) Siehe Anlage 2
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5848 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Kurlbaumder jahrelangen außerordentlichen Steigerung der Baukosten hat. Weiterhin ist diese Reaktion und die Nervosität der Öffentlichkeit angesichts der Tatsache berechtigt, daß wir schon vor Eintritt in die eigentliche Hochkonjunktur in den letzten zwei Jahren eine Steigerung der Lebenshaltungskosten gehabt haben, die über 7% hinausgeht.Das alles ist sehr beachtenswert, und es ist deshalb nicht nur für die Opposition reizvoll, sich noch einmal die Lage im Jahre 1960 zu vergegenwärtigen, sondern alle für die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik Verantwortlichen sollten dies tun.Schon einmal, im Mai 1961, habe ich hier gelegentlich der Debatte des Steueränderungsgesetzes 1961 die damaligen Vorgänge eingehend beschrieben. Damals hatten die Bundesbank, die . Wissenschaftlichen Beiräte und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses immer wieder aufgefordert, sie möge endlich ihre konjunkturpolitische Verantwortung erkennen und entsprechend handeln. Ende Oktober 1960 sah es dann tatsächlich so aus, als wenn auch die CDU/CSU-Fraktion bereit wäre —weitgehend in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, die wir in einer Pressekonferenz im September bekanntgegeben hatten —, konjunkturpolitische Maßnahmen zu billigen.Dann kam es zu dem berüchtigten Gespräch zwischen Herrn Berg und Herrn Adenauer, als dessen Resultat, wie Herr Berg vorausgesagt hatte, das konjunkturpolitische Konzept des damaligen Bundeswirtschaftsministers vom Tisch gefegt wurde.Erst im März 1961 kam es zur Aufwertung. Das war viel zu spät, weil die volle Wirkung der Aufwertung erst sichtbar wurde, als der Höhepunkt, die Konjunkturspitze bereits überschritten war und nunmehr der Rückschlag eintrat, der erfahrungsgemäß jedem Boom folgen muß. Der Rückschlag führte dazu — auch das darf ich Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen —, daß wir von einem realen Zuwachs des Sozialprodukts von nahezu 9 % im Jahre 1960 auf etwas über 3% im Jahre 1963 zurückfielen.
— Das hatte sehr beachtliche Folgen auch für die Möglichkeiten einer weiteren Steigerung des Lebensstandards der Verbraucher. Die verspätete Aufwertung brachte auch erhebliche Gefahren gerade für die nicht so finanzstarken kleineren Unternehmen in den weniger begünstigten Wirtschaftszweigen.
Nach der Aufwertung ist die Bundesregierung wiederum in ihren konjunkturpolitischen Dornröschenschlaf verfallen, und zwar trotz aller Warnungen der Wirtschaftswissenschaftler, trotz aller Warnungen der SPD, die darauf hinwies, daß durch die Aufwertung lediglich das Problem der zu großen Ausfuhrüberschüsse — und auch nur zeitweise — gelöst werden konnte, keineswegs aber das Problem der schleichenden Geldentwertung im Innern, der steigenden Lebenshaltungskosten und schon gar nicht das Problem der rapide steigenden Baukosten.
Erst nahezu drei Jahre später hat sich diese Bundesregierung erneut zu einer konjunkturpolitischen Aktion veranlaßt gesehen.Noch im Wirtschaftsbericht der Bundesregierung vom Dezember 1963 wird mit einer gewissen Selbstgefälligkeit davon gesprochen, daß die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 1964 weitgehend einen optimalen Ausgleich zwischen Erwünschtem und Erreichbarem verspricht. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung machte diese Feststellung noch Ende 1963 angesichts der von mir eben zitierten Steigerung der Lebenshaltungskosten von über 7 % in zwei Jahren, wobei allein auf die letzten 6 Monate, für die die Zahlen zur Verfügung stehen, nämlich auf die sechs Monate September bis Februar, also auf ein halbes Jahr, eine weitere Steigerung von 3,3 % entfällt.
Das tat sie angesichts des damals schon von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten vorausgesagten Wiederaufstiegs der Konjunktur, wobei wir alle wissen, daß ein solcher konjunktureller Aufstieg eher beschleunigend auf die Preissteigerungstendenzen einwirkt als hemmend.Mit Recht stellen sich daher die Gewerkschaften auf den Standpunkt, daß aus dieser schnellen Steigerung der Lebenshaltungskosten lohnpolitische Konsequenzen gezogen werden müssen, insbesondere angesichts der auch allgemein anerkannten Zurückhaltung der Gewerkschaften gerade im vergangenen Jahre, die sie trotz der eben von mir in Zahlen dargelegten Preissteigerungstendenz geübt haben. Diese Entwicklung der Lebenshaltungskosten ist um so erstaunlicher, als der Herr Bundeskanzler bei seiner Regierungserklärung im Oktober 1963 ausdrücklich erklärt hat, daß stabile Preise das oberste Ziel seiner Politik sei. Seit Antritt dieser neuen Regierung haben wir in der Bundesrepublik die stärkste Steigerung der Lebenshaltungskosten zu verzeichnen, die seit dem Jahre 1951 eingetreten ist. Man kann daher mit gutem Recht erklären, daß mindestens bisher die neue Bundesregierung Professor Erhards eine Regierung der Preissteigerungen und keine Regierung der stabilen Preise gewesen ist. Auch der Hinweis auf die Inflation in anderen EWG-Ländern ist kein ausreichendes Alibi.Vor ein paar Wochen hat nun die Bundesregierung Maßnahmen von sehr begrenztem Umfang angekündigt, begrenzt nämlich auf eine der bekannten Quellen unserer schleichenden Inflation, die Einfuhr ausländischen Geldes und ausländischen Kapitals. Bis heute liegen nach unserer Kenntnis keine konkreten Gesetzentwürfe für diese Maßnahmen vor. Außerdem ist bekannt, daß die Tauglichkeit dieser Vorschläge von verschiedener Seite ernsthaft bestritten wird. Auch heute noch ist von der Bundesregierung kein Vorschlag gemacht worden, auf Grund dessen Aussicht bestünde, daß der wachsende
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KurlbaumÜberschuß unseres Exports und die damit verbundenen Gefahren für den inneren Wert der Deutschen Mark eingedämmt werden. Wir sind uns durchaus der Bedeutung des deutschen Exports bewußt. Aber wir wissen alle — das ist ja inzwischen Allgemeingut geworden —, daß eine solche Diskrepanz zwischen Ausfuhr und Einfuhr, wie wir sie heute haben, eine ernste Gefahr für die Stabilität des inneren Wertes der Deutschen Mark darstellt. Die Bundesregierung hat auch heute — und darauf muß wieder verwiesen werden — genau dieselben Möglichkeiten, hier einzugreifen, wie sie 1960 bestanden und schon damals von der Wirtschaftswissenschaft, der Bundesbank und der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion empfohlen wurden, die auch, wie es schien, zunächst die Fraktion der CDU/CSU durchzuführen bereit war, bevor sie vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie kapitulierte. Es sind die bekannten Mittel des Umsatzsteuerrechts bezüglich des grenzüberschreitenden Verkehrs. Es sind die bekannten Möglichkeiten bezüglich der Binnenzölle in der EWG und der Angleichung der Außenzölle an das zukünftige Außenniveau. Es sind die Möglichkeiten der Bundesregierung bezüglich der Abschreibungen. Sie sind alle bekannt. Ich brauche sie nicht noch einmal aufzuzählen.Es ist auch völlig falsch, wenn die Bundesregierung versucht, den Eindruck zu erwecken, ausschließlich gemeinsame Maßnahmen mit den EWG-Partnern könnten zum Ziel führen. Die Bundesregierung Besitz auch heute noch erhebliche Möglichkeiten. Sie besitzt begrenzte Vollmachten auf Grund geltender Gesetze im Steuerrecht und auch im Außenhandelsrecht, und sie besitzt selbstverständlich die Möglichkeiten, nunmehr endlich kurzfristig Gesetzentwürfe in dieses Haus einzubringen. Solche Maßnahmen sind so lange nötig und können nicht mehr weiter hinausgeschoben werden, bis absolut klar ist, daß die Empfehlungen, die die Kommission an den Ministerrat und der Ministerrat an die EWG-Partner gegeben haben, auch wirklich befolgt werden und wirksam werden in Richtung auf eine Eindämmung der Inflation innerhalb der EWG. Niemand, auch nicht die Bundesregierung, kann uns heute irgendeine Gewißheit, irgendeinen Termin dafür nennen, wenn diese Empfehlungen von den verschiedenen EWG-Partnern befolgt werden und zur Wirksamkeit kommen.Der Herr Bundeskanzler hat gestern hier im Bundestag erklärt, daß die Bundesregierung sich mit einem Programm konjunkturpolitischer Maßnahmen beschäftigt, das sie in Kürze, aber geschlossen in den Bundestag einbringen will. Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß wir nach den Erfahrungen von 1960 dieser Zusage außerordentlich skeptisch gegenüberstehen.
Wir fragen daher die Bundesregierung und den Bundeswirtschaftsminister klar und eindeutig: Wann endlich wird dieses Programm der Bundesregierung für konjunkturpolitische Maßnahmen dem Bundestag zugeleitet werden? Und wir fragen die Bundesregierung und den Bundeswirtschaftsminister, ob dieses Programm dann wirklich so vollständig sein wird,daß der Entwertung der Deutschen Mark im Inland wirksam entgegengetreten werden kann. Wir bedauern das konjunkturpolitische Versagen des früheren und des jetzigen Bundeswirtschaftsministers.
— Meine Herren, Sie haben nachher Gelegenheit, darauf zu antworten. Wir sind der Meinung, daß beide es letzten Endes zu verantworten haben, daß wir nunmehr wieder völlig unvorbereitet vor schwierigen Entscheidungen stehen, die uns durch die neue konjunkturelle Entwicklung aufgezwungen werden.Leider, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, bezieht sich das Versagen in der Wirtschaftspolitik nicht nur auf die Konjunkturpolitik, die ich angesichts ihrer besonderen Aktualität in den Mittelpunkt meiner Ausführungen gestellt habe. Auch bezüglich des Kartellgesetzes sieht es trübselig aus. Trotz selbst zuzugebener Mängel, zugegeben im Bericht der Bundesregierung an den Bundestag, hat die Bundesregierung die Novelle des Kartellgesetzes auf die lange Bank geschoben. Dann hat sie noch das sehr ungewöhnliche Verfahren eingeschaltet, zunächst die Meinung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses des Bundestages einzuholen. Wir sind gespannt, was bei der angekündigten Novelle zum Kartellgesetz an eigener Konzeption der Bundesregierung noch übrig bleiben wird.Aber auch auf dem Gebiete der Verbraucherpolitik beklagen wir eine ausgesprochene Inaktivität des Bundeswirtschaftsministers. Entweder hat er sich beschränkt auf tastende Gespräche — siehe Warentestinstitut —, oder er ist erst durch die Initiative des Hauses, insbesondere der SPD-Bundestagsfraktion, zum Handeln gezwungen worden. Das gilt insbesondere auf dem Gebiet der Teilzahlung und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Es sieht so aus, als wenn der Bundeswirtschaftsminister und das Bundeskabinett auch auf dem Gebiet des Warentests erst aktiv werden, wenn der Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion hier auf dem Tisch liegt. Der Staatsbürger erwartet mit Recht, daß auch in der Wirtschaftspolitik nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird.
Gestern hat Herr Kollege Barzel für den Bundeskanzler in Anspruch genommen und nach ihm hat der Bundeskanzler für sich in Anspruch genommen, daß erst auf Grund seiner Tätigkeit das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder möglich gewesen sei. Ich halte es für notwendig, Ihnen zu dieser Behauptung einige Ziffern zu geben. Der reale Zuwachs des Sozialproduktes — also die inflationären Entwicklungen ausgeklammert — betrug in den letzten fünf Jahren, die für internationale Vergleiche zur Verfügung stehen — in den Jahren 1957 bis 1962 —, in Osterreich 25%, in der Bundesrepublik 30 %, in Italien 35%.
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- Ich komme noch darauf zurück.Sie wissen, daß die Ziffern des Zuwachses des Sozialproduktes in Japan noch wesentlich höher liegen.
— Sie können sich ja nachher dazu äußern; warten Sie ab, was ich noch dazu sage.Die Ziffern beweisen, daß der Wiederaufbau in der Bundesrepublik durchaus keine isolierte Erscheinung gewesen ist. Sie beweisen allerdings auch eines klar und deutlich: daß in Westeuropa in entscheidenden Industriestaaten, die unter dem zweiten Weltkrieg besonders zu leiden hatten, der Wiederaufbau bemerkenswert schnell erfolgte und erfolgreich war.
Ich ziehe daraus den einwandfreien Schluß, daß der Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg, verglichen mit den Verhältnissen nach dem ersten Weltkrieg, bemerkenswert und erfreulich war. Man kann diesen Wiederaufbau in den entscheidenden Ländern des demokratischen Westens nach dem Krieg auch als ein Wunder bezeichnen. Aber diejenigen, die weiter darauf beharren und versuchen, der deutschen Öffentlichkeit weiszumachen, es gebe ein isoliertes deutsches Wirtschaftswunder, begeben sich eindeutig auf das Gebiet der Demagogie.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Kurlbaum, glauben Sie nicht auch, daß Ihre Ausgangsposition —1957 —, die Sie hier darstellen, nicht richtig ist, und meinen Sie nicht auch, daß Sie zu dieser Ausgangsposition, wenn Sie den Vergleich Bundesrepublik — Italien ziehen, etwas Näheres sagen müßten?
Man kann diesen Vergleich selbstverständlich noch weiter verfeinern. Aber wir Wirtschaftspolitiker wissen auch, daß der Aufstieg in den Ländern, die sich zunächst nach dem Kriege in einem Tiefstand befanden, also zum Beispiel auch in Japan, und in den Ländern mit dem größten Arbeitskräftereservoir, am schnellsten vor sich ging. Das wissen Sie alle auch. Ich wende mich nur dagegen, daß hier über dieses sehr schwierige und komplizierte Problem in der primitiven Weise gesprochen wird,
wie es gestern von Herrn Barzel und anschließend von Herrn Erhard geschehen ist.
Der Herr Bundeskanzler hat vor einiger Zeit in Hannover nach der Alternative der SPD gefragt und hat bestritten, daß eine solche bestehe. Ich glaube, ich habe klargemacht, daß die grundsätzliche und entscheidende Alternative unsererseits in folgendem besteht: wir stehen auf dem Standpunkt, daß der demokratische Staat primär die Verantwortung für die Volkswirtschaft, für ihr Wachstum, für die Vollbeschäftigung und für den Geldwert trägt. Wir bestreiten nicht, daß die großen Interessengruppen — die Unternehmer und die Gewerkschaften — eine Mitverantwortung tragen; aber es ist eine sekundäre Verantwortung. Wir sind bereit, primär die Verantwortung für diese Dinge zu übernehmen. Das ist die klare und nicht wegzudiskutierende Alternative, die wir der deutschen Öffentlichkeit geben.
Meine Damen und Herren, nach der herben Kritik, die ich soeben zu üben genötigt war, werden Sie verstehen, daß wir den Etat des Bundeswirtschaftsministers ablehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß die deutsche Öffentlichkeit, wie Herr Kurlbaum es ausdrückte, so früh auf die konjunkturpolitischen Entwicklungen reagiert; ich bin froh darüber, daß sich jedermann — bis zum Drängen gegenüber der Regierung — mit dieser Frage beschäftigt. Aber ich hoffe sehr, daß in dieser Debatte der einzelne auch sein eigenes Bewußtsein schärft und seine eigene Verantwortung für das Gelingen des gemeinsamen Werkes der Stabilisierung spürt.Man kann nicht einfach in der Vergangenheit herumkramen und sagen: „Das war schon einmal so, und bestimmte Mittel, die wir früher angeboten haben, stehen auch heute wieder parat." Die Situation mag in den Auswirkungen und in den statistischen Zahlen ähnlich sein — mit denen man bekanntlich allerhand anfangen kann; das können nicht nur Sie, Herr Kurlbaum, das kann notfalls auch ich —, die Ursachen dieser Entwicklung aber sind doch recht unterschiedlich, und die Auswirkungen möglicher Maßnahmen sehen anders aus als etwa vor fünf Jahren.Es wird geklagt, daß nicht genügend getan worden sei. Nun, Herr Kurlbaum, ich will Sie nicht überreden, meinen Haushalt anzunehmen; aber ich wehre mich gegen diesen Vorwurf, und zwar energisch, und ich hoffe, daß ich mit der Begründung, wenn nicht bei Ihnen, so doch bei der Mehrheit des deutschen Volkes, Gehör finde.Wir haben eine Vielzahl binnenwirtschaftlicher Maßnahmen eingeleitet. Die Bundesbank hat gehandelt. Aber das Wesentliche ist doch, daß man die Ursachen der Entwicklung sieht und dort mit den Maßnahmen ansetzt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5851
Bundesminister SchmückerWas wir vorgestern in Brüssel erreicht haben, meine Damen und Herren, ist doch unbestreitbar ein 'Erfolg.
Es steht sogar im Papier, daß die Empfehlungen auf deutsche Initiative erfolgt sind. Die Nr. 1 bis 9 dieser Empfehlungen sind ausdrücklich so interpretiert, daß die deutsche Bundesregierung in der Fortsetzung dieser dort aufgezählten Politik fortfahren möchte. Ich bin der Meinung, daß auf der Basis der EWG-Beschlüsse, die ich Ihnen Gott sei Dank heute vorlegen kann, gehandelt werden muß. Ich habe sehr darauf gedrängt, daß die Beschlüsse bis heute, und das ist doch wirklich ein kurzer Zeitraum, vorgelegt wurden. Nunmehr müssen weitere Maßnahmen, die ausschließlich oder vornehmlich den inneren Bereich betreffen, getroffen werden.Sie fragen nach Terminen. Nun, ich darf wagen, Ihnen eine Terminangabe zu machen — Sie wissen, der Weg bis zum Bundestag ist ja nicht unmittelbar —: die Bundesregierung wird im nächsten Monat die Vorlagen zusammengestellt haben, die sie für notwendig ansieht, urn in Erfüllung der EWG-Richtlinien oder in Erfüllung eigener Vorstellungen im Sinne der Stabilisierung weiterzuarbeiten.Bevor ich nun im einzelnen auf die gegenwärtige wirtschaftspolitische Lage eingehe und dabei nochmals auf Einzelfragen, die Sie, Herr Kurlbaum, angeschnitten haben, ,zurückkomme, möchte ich zwei Anfragen kurz beantworten.Sie beklagen sich darüber, daß die Bundesregierung, bevor sie eine Kartellnovelle vorlegt, in den Wirtschaftsausschuß geht. Ich frage Sie: Wie soll ich es denn machen? Wir haben einen Kartellbericht angefordert. Dieser mußte im Ausschuß beraten werden. Wenn es einen Sinn haben soll, einen Kartellbericht mit Vorschlägen zu diskutieren, dann ist es doch selbstverständlich, daß ich den Ausschuß nach seiner Meinung zum Gesetz frage; und wenn ich ihn nach seiner Meinung frage, muß ich doch auch willens sein, in meinen eigenen Planungen auf diese Meinung Rücksicht zu nehmen. Sonst brauchte ich ihn nicht nach seiner Meinung zu fragen.
Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage zuzulassen?
Herr Minister, haben Sie übersehen, daß vor den Wahlen 1961 auf einstimmigen Beschluß ides Wirtschaftsausschusses — ich glaube, Sie waren damals sogar noch Vorsitzender — der Bundesregierung der Auftrag erteilt wurde, bis April 1962 eine Kartellnovelle vorzulegen?
Natürlich habe ich das nicht übersehen. Aber Sie wissen doch ganz genau, daß das Haus zu einem späteren Datum einen Kartellbericht angefordert hat. Und wenn das Haus das tut, muß, meine ich, die Beratung des Hauses über diesen Bericht doch zur
Grundlage unserer weiteren Tätigkeit gemacht werden. Oder sind das alles nur Formalien, die überhaupt keine Rolle spielen? Meine Damen und Herren, sagen Sie eis mir, wenn Sie es nicht wünschen, daß wir vorher diese Debatten führen. Dann ist es auch gut. Aber bringen Sie doch keine Kritik an nach einer Maßnahme, die ganz wesentlich darauf abzielt, gerade das Einvernehmen auch mit Ihnen zu erreichen! Sie können doch nicht bestreiten, daß ich mich in diesem Sinne bemüht habe.
Noch eine Frage!
Herr Minister, ich muß noch eine Frage stellen. Ist es Ihnen entfallen, daß damals bereits konkrete Vorschläge im Wirtschaftsausschuß beraten worden sind und daß der Wirtschaftsausschuß sagte: Nur weil wir kurz vor der Wahl 1961 stehen, wollen wir nicht jetzt noch eine Gesetzesnovelle einreichen. Es war also bereits Übereinstimmung über einzelne Punkte vorhanden. Das geht auch aus den wiederholten Äußerungen von Ihnen und dem heutigen Bundeskanzler hervor.
Frau Kollegin, Sie sollen hier keine Vorträge halten, sondern Fragen stellen.
Ich höre Frau Kollegin Beyer sehr gern, Herr Präsident. Aber ich muß noch einmal sagen: Wenn das Hohe Haus beschließt, daß ein Kartellbericht vorgelegt werden soll, und dieser Bericht dann im Ausschuß diskutiert wird, hat die Sache doch nur einen Sinn, wenn ich auf diese Debatte Rücksicht nehme. Wenn ich das künftig nicht soll, — gut. Im übrigen, Frau Kollegin, muß ich Sie, wenn Sie hier schon aus dem Nähkörbchen des Ausschusses plaudern, auch daran erinnern, daß ich in Berlin im Ausschuß sehr präzise die Frage gestellt habe, ob Sie z. B. bereit sind, eine völlige Aufhebung der Preisbindung durchzuführen. Da zog man sich doch nach sehr mutigen Ausflügen sehr schnell zurück.
Ich bleibe dabei: Wenn Sie der Meinung sind, daß dieses Verfahren mit den Berichten keinen Sinn hat, müssen wir darüber sprechen, ob wir künftig anders verfahren wollen. Aber solange eine solche Vorlage da ist, halte ich es für loyal, sie im Verfahren genügend zu berücksichtigen.
Herr Minister, wollen Sie noch eine Frage zulassen?
Ja, Herr Kurlbaum. Aber ich würde doch vorschlagen, daß wir dann in der Debatte fortfahren.
Herr Minister, sind Sie nicht wenigstens bereit, zuzugeben, daß Sie gegenüber der Mehrheit des Ausschusses eine geradezu ausgedehnte Langmütigkeit bewiesen und dem Aus-
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Kurlbaumschuß gestattet haben, mit seinem Votum nach Erscheinen des Berichts nahezu ein Jahr zu warten?
Ja, Herr Kurlbaum, auf Grund der Erfahrung, die ich als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses gesammelt habe, neige ich in der Tat zu dieser Langmütigkeit. Denn es kommt mir darauf an, zum Schluß einen Beschluß zu erzielen, der auf möglichst breiter Grundlage steht und der sachlich am besten ist. Und ob die Gesetze, die in Frage stehen, ein halbes Jahr früher oder später kommen, das ist nicht so wichtig wie die Tatsache, daß eine breite Mehrheit für sie stimmt und daß sie sachlich auch gut sind.Die zweite Frage, die Sie angeschnitten haben, war die der Verbraucherpolitik. Sie haben — in unmittelbarem Zusammenhang damit fiel das Wort hier zwar nicht; aber ich kann es doch übernehmen, ohne Ihren Widerspruch zu erregen — von „Dornröschenschlaf" gesprochen. Nun, meine Damen und Herren, darf ich es hier nicht wieder mit der Langmut halten: Sind Sie etwa in Ihren Reihen einig über die Konstruktion des WarentestInstituts?
— „Jetzt einig", das ist ein sehr schönes Wort. Also hat sich hier meine Langmut gelohnt.
.
Ich hoffe, daß wir dann im nächsten Monat so weit I sind, daß wir diese Frage lösen können.Weiter möchte ich darauf hinweisen, daß die Ankündigung, die ich in Beantwortung Ihrer Großen Anfrage gemacht habe, termingerecht erfüllt werden wird. Es ergibt sich eine gewisse Schwierigkeit. Es fragt sich, ob wir von der Regierung aus noch Vorlagen für Gesetze vorbereiten sollen, für die dem Hause bereits Initiativentwürfe vorgelegt worden sind. Aber das ist für meine Begriffe mehr eine technische Frage. Es kommt darauf an, in welcher Form die Gesetze hier endgültig verabschiedet werden.Meine Damen und Herren, nun darf ich auch von mir aus noch einen eigenen Beitrag zur Debatte leisten. Ich darf noch einmal betonen, daß die Aufrechterhaltung der Stabilität unserer wirtschaftlichen Verhältnisse im Vordergrund unserer Bemühungen steht. Es geht hier um eine Auseinandersetzung mit Erfolgsschwierigkeiten. Wir haben also nicht etwa mit Sorgen um die Vollbeschäftigung oder um die Besserung der Verhältnisse in strukturell zurückgebliebenen Bereichen zu kämpfen, sondern wir müssen uns mit Erfolgsschwierigkeiten auseinandersetzen. Ich bestreite gar nicht, daß wir im Wirtschaftsbericht — daher haben wir auch einen Nachtrag angekündigt, und Sie wissen, warum er noch nicht diskutiert ist — eine Vorausschau gegeben haben, die heute den Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. Es ist eben sehr schwer zu prophezeien. Darum warnen wir auch immer vor derartigen Dingen und weisen darauf hin, daß man, wenn man schon Vorausschauen gibt, sie jeden Tag aufs neue untersuchen muß. Ich habe in Brüssel bei der Annahme der mittelfristigen Planung gesagt, daß wir dann zustimmen, wenn man bereit ist, diese Planung jeden Tag aufs neue zu untersuchen, d. h. Anpassungen vorzunehmen.
Als sich herausstellte — wir haben den Wirtschaftsbericht sehr pünktlich vorgelegt, wie Sie mir hoffentlich zugestehen werden —, daß sich die Verhältnisse ändern, habe ich gesagt, es müsse sofort ein Nachtrag erstellt werden, damit hier eine Debatte stattfinden kann, die den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.Herr Seuffert hat freundlicherweise auf die Unterscheidung zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Wirtschaftsminister, die mir sehr gut gefällt, hingewiesen. Die völlige Identifizierung der Person mit einem Haus paßt selten. Denn der Minister muß häufig nur etwas vortragen, was das Haus erarbeitet hat.Doch wieder zur Sache: Man könnte sagen, daß der Wirtschaftsbericht schon andere Nuancen hätte zeigen können. Ich glaube, das ging nicht. Was heute allgemein bekannt ist, ist im November oder im Dezember offenbar geworden. Ich darf das gleich im einzelnen, leider auch mit einigen Zahlen — ich muß Sie um Nachsicht und Geduld bitten —, dartun.Es ist selbstverständlich, daß bei wieder einsetzender Hochkonjunktur die Gefahr von Preissteigerungen größer wird. Es kann jedoch nicht die Rede davon sein, daß bereits jetzt die Preise ganz allgemein nach oben gehen. Ich möchte nichts bagatellisieren. Aber ich warne davor, daß man dramatisiert.Sehen wir uns die einzelnen Bereiche einmal an! Im Bereich der Grundstoffe und der Halbwaren haben wir ein Anziehen der Rohstoffpreise seit Herbst letzten Jahres und eine Neigung der Wirtschaft zur Auffüllung ihrer Vorräte. Das bringt natürlich gewisse Verteuerungen mit sich. Diese Verteuerungen betragen gegenüber dem Vorjahr 4,8 %. Diese Tendenz hält an. Ich glaube, wir sollten uns überlegen — das ist ein Appell vor allen Dingen an die Finanz- und Steuerpolitiker —, wie wir langfristig eine Beruhigung der Weltrohstoffmärkte durch eine Begünstigung der Vorratshaltung erzielen können. Ich meine nicht eine gezielte, sondern eine im System liegende Begünstigung der Lagerhaltung, also einer langfristigen Bevorratung.Unter diesem Gesichtspunkt, Herr Kollege Seuffert, hielte ich es für sehr gefährlich, wenn man heute, was aus einer gewissen Betrachtung verständlich wäre, eine Erhöhung des Plafonds vornähme. Denn wir brauchen gerade zur Beruhigung der Weltrohstoffmärkte die Möglichkeit einer besseren Lagerhaltung, und die liegt nun einmal vor allen Dingen in den Bezirken, die Sie steuerlich noch etwas härter heranziehen möchten. Vielleicht ist dieser Hinweis allein ausreichend, um Sie zu überzeugen. Herr Seuffert, aber man sollte ihn mit in die Betrachtung einbeziehen.Bei der Entwicklung der Preise der Grundstoffe und der Halbwaren machen die Brennstoffe eine bemerkenswerte Ausnahme. Kohle und Heizöl sind
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Bundesminister Schmückerbilliger als. im ersten Vierteljahr 1963. Allerdings waren im vergangenen Jahr die Preise infolge des strengen Winters überhöht.Die Preise für Investitionsgüter sind nach einjähriger Stabilität leicht ansteigend, und zwar wegen der allgemeinen konjunkturellen Belebung.Im Bereich der Konsumgüter sind Preiserhöhungen nur auf einzelnen Märkten, an denen der Wettbewerbsdruck nicht ausreicht oder die Rohstoffverteuerungen durchschlagen — so im Textilbereich —, bemerkbar. Die Tendenz ist noch nicht zurückgehend. Immerhin liegt der Index der industriellen Erzeugerpreise zur Zeit um 0,8 % über dem Vorjahr.In der Bauwirtschaft ist seit Mitte 1963 eine deutliche Abflachung festzustellen. Jedoch wird diese Entwicklung nicht so bleiben; denn daß sich gerade hier Tariflohnerhöhungen bemerkbar machen müssen, ist ganz selbstverständlich.Was die Ernährungswirtschaft angeht, so hat sich der Preisanstieg im Februar und März auf der Verbraucherstufe wesentlich verlangsamt. Noch in den Wintermonaten fanden kräftige Preiserhöhungen statt. Sie waren bei pflanzlichen Erzeugnissen saisonal bedingt, bei tierischen Produkten auf eine Angebotsverknappung an Schlachtvieh, aber auch auf agrarpolitische Entscheidungen zurückzuführen.In den letzten Monaten kam es auf der Erzeugerstufe zu Preissenkungen. Pflanzliche Produkte: März minus 22 % gegenüber dem Vorjahr, Speisekartoffeln minus 37% gegenüber dem Vorjahr, Gemüse minus 67 % gegenüber dem Vorjahr, Eier minus 20 % gegenüber dem Vorjahr.Bei den Dienstleistungen haben wir seit mehreren Jahren eine ansteigende Tendenz. Das ist durch die große Nachfrage sowie durch die Knappheit an Arbeitskräften und durch die geringen Rationalisierungsmöglichkeiten bedingt. Meine Damen und Herren, gerade wegen des wachsenden Anteils der Dienstleistungen muß man darauf hinweisen, auch wegen der Nähe der Dienstleistung am Verbraucher, daß die Frage der Lohnbewegung immer kritischer wird.
Überall dort, wo Lohnerhöhungen durch Rationalisierungseffekte zu verkraften sind, ist natürlich keine Gefahr. Aber wenn wir dahin kommen, daß nicht nur 50%, sondern 60% und mehr der Erwerbstätigen — nicht der unselbständig Beschäftigten; Sie müssen ja bedenken, daß die selbständig Erwerbstätigen mehrheitlich in der Dienstleistung stehen —, wenn wir also dahin kommen, daß der weitaus größte Teil der Erwerbstätigen in der Dienstleistung steht, dann ist es doch ganz natürlich, daß sich die Lohnbewegungen stärker auswirken, als man das bisher vielleicht berechnen durfte. Ich möchte auf diese Entwicklung, die nicht etwa gebremst wird, sondern fortgeht, besonders hinweisen.Bitte schön, Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Minister, ich möchte zwei Fragen an Sie stellen. Sind Sie wirklich der Meinung, daß die von mir zitierte Steigerung der Lebenshaltungskosten vom September bis Februar dieses Jahres, die sich aus den Angaben des Statistischen Bundesamtes ergibt, von 3,3 % in einem halben Jahr — so groß sind die Steigerungsraten in den vorangegangenen Jahren noch nie gewesen —, . in der Weise bagatellisiert werden kann, wie Sie das hier getan haben?
Die zweite Frage: Glauben Sie, daß es den Verbraucher trösten kann, wenn er erfährt, daß die Preise, die der Bauer erhält, niedriger sind, und glauben Sie, daß es den Verbraucher tröstet, wenn er hört, daß die Unternehmer und die Unternehmen die Rohstoffe oder ihre Produktionsmittel billiger als vorher einkaufen können, er aber feststellt, daß sich das auf seine Lebenshaltungskosten in keiner Weise auswirkt?
Herr Kollege Kurlbaum, Ihre Fragen enthalten — das haben Sie sicher beabsichtigt — einige Behauptungen. Diese Behauptungen muß ich zunächst einmal richtigstellen. Wenn ich sie richtiggestellt habe, entfällt Ihre Frage. Denn Sie haben gesagt, daß ich die Zahlen bagatellisierte. Ich weise immer wieder darauf hin, von welcher Sorge wir erfüllt sind. Aber ich möchte auch davor warnen, daß man dramatisiert. Natürlich kann man mit Zahlen je nach dem, wie man die Anfangs- und Endpunkte setzt, alles beweisen. Das wissen wir doch beide, Herr Kurlbaum. Machen wir uns doch in dieser Frage nichts vor! Ich sage Ihnen, daß wir uns ernsthaft um eine Stabilisierung in unserem wirtschaftlichen Bereich bemühen müssen. Das ist die Aufgabe Nummer eins. Wenn ich sage, daß das die Aufgabe Nummer eins ist, können Sie doch nicht behaupten, ich behandelte das als eine Bagatelle. Damit entfällt Ihr Vorwurf.
Und nun zu den Lebenshaltungskosten und damit zur Antwort auf Ihre zweite Frage. Die Preisentwicklung, die ich soeben dargestellt habe, schlägt sich natürlich in verändertem Umfange in den Lebenshaltungskosten nieder.
— Darf ich wirklich auch einmal ausreden, Herr Kollege; ich werde Ihnen gern gleich das Wort lassen, aber Sie sprechen ja häufiger als ich. — Rückgänge sind natürlich ebenso fühlbar wie Steigerungen. Im Index der Lebenshaltung waren die Eierpreise Ende Februar um 25 % niedriger als im Vorjahr. Die Gemüsepreise waren im März um 40 % gefallen. Ich nannte vorhin das Heizöl, das um 5 bis 6 % billiger als im Vorjahr ist. Elektrische Geräte wurden ebenfalls billiger. Die Preise anderer Konsumgüter sind gestiegen. Allerdings zogen die Wohnungsmieten in Auswirkung des Abbaus der Wohnungszwangswirtschaft in den letzten Monaten an; die Verteuerung betrug 3,1 % in den letzten 6 Monaten. Seit Juli 1963 erhöhten sich die Altbaumieten um 9 %. Dazu treten Verteuerungen bei den örtlichen Verkehrsmitteln.
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5854 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister SchmückerWenn wir nun alles zusammennehmen, dann stellen wir fest, daß in der Tat die Preissteigerungen, die stattfinden, uns beunruhigen müssen. Aber wir müssen die Zahlen nehmen, wie sie sind, und nicht so, wie wir sie politisch gebrauchen können.
Diese Zahlen besagen nun, daß wir in diesem Februar gegenüber dem Vorjahr um 1,5 %, im März um 1,3 %, höher liegen und daß wir Steigerungen von Februar auf März — sie sind mir zu hoch, Herr Kurlbaum — immerhin von 0,2 % und nicht mehr haben. Ich habe gesagt, die Tendenz bleibt, und darum ist es notwendig, etwas zu tun.Fragen wir uns also nach den Gründen. Ich könnte Ihnen jetzt auch die Liste vorlesen, wie es in den letzten fünf Jahren, wie es in den letzten zehn Jahren im Vergleich zu anderen Ländern gewesen ist. Aber, meine Damen und Herren, diese Zahlen kennen Sie. Sie wissen, daß man sich in Deutschland — sonst könnte der Exportüberschuß doch gar nicht entstehen — einer wenn auch relativen Stabilität erfreut, und die wollen wir erhalten, die wollen wir nicht preisgeben. Darum geht es doch. Wir wollen deshalb so objektiv wie nur irgend möglich nach den Gründen suchen.Die preissteigernden Einflüsse kommen in der jetzigen Periode und in den nächsten Monaten zunehmend aus den Überschüssen, die wir im Handels-und Kapitalverkehr mit dem Ausland haben. Im Wirtschaftsbericht haben wir eine berechnete Preissteigerung von 3,5 % angegeben. Es ist uns vorgeworfen worden, daß diese Preissteigerungen im wesentlichen auf administrative Maßnahmen zurückzuführen seien. Ich könnte jetzt die Rede von Herrn Troeger, die er auf Ihrem Wirtschaftstag — überraschenderweise auch für uns — gehalten hat, zitieren; ich könnte es und ich tue es auch. Aber, meine Damen und Herren, man muß doch diese Anpassungsvorgänge, die stattgefunden haben, anders bewerten. Ich weiß, daß man es letzten Endes bezahlen muß. Ich weiß aber auch, daß man es letzten Endes schon bezahlt hat; denn jede Ware und jede Leistung erfordern ihren Preis, gleichgültig, ob der Preis über die Theke gezahlt wird oder durch Ausfall von Gewinn oder durch Subventionen oder wie auch immer. Der Preis als solcher wird immer bezahlt, darüber sollten wir uns doch keinen Täuschungen hingeben,
und das muß man bei der Betrachtung der Lebenshaltungskosten natürlich auch mit berücksichtigen.Ich darf dennoch, wenn es auch dem einen oder anderen nicht paßt, darauf hinweisen, daß die größte Gefahr in bezug auf den Preisanstieg uns zur Zeit aus der Auslandsnachfrage entsteht, auch weil damit die Investitionsneigung ebenfalls stark zuzunehmen beginnt. Zu der Auslandsnachfrage tritt also künftig eine verstärkte Nachfrage unserer eigenen Wirtschaft. In unserer vollbeschäftigten Wirtschaft kann diese Nachfrage nur zum geringen Teil durch eine. bessere Ausnutzung der bestehenden und entstehenden Kapazitäten befriedigt werden.Zu den Handelsbilanzüberschüssen treten starke Kapitalimporte. Im monetären Bereich wurden mit den bereits wirksam gewordenen kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank und den von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Abwehr von Auslandsgeld und zur Förderung des Kapitalexports wesentliche Gegeninstrumente eingesetzt. Im güterwirtschaftlichen Bereich dagegen hat die Bundesrepublik nur in begrenztem Umfange Möglichkeiten, durch autonome Entscheidungen des Überschußproblems Herr zu werden, da die Ursachen für diese Entwicklung vor allem im Ausland liegen und infolge der fortgeschrittenen Integration im EWG-Bereich das Instrument der Zollpolitik nur noch in begrenztem Umfang zur Verfügung steht.Meine Damen und Herren, ich sagte es vorhin bereits in der Einleitung: Aus dieser Erkenntnis heraus haben wir in Brüssel das Schwergewicht — nicht das ausschließliche Gewicht; man muß ja hier alles genau abgrenzen — unserer Bemühungen auf eine gemeinsame Konjunkturpolitik gelegt. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß wir dann, wenn wir hier in Brüssel beginnen und weitergreifend zur OECD und darüber hinausgehend nicht zum Erfolg kommen, es keiner nationalen Wirtschaft möglich ist, für sich allein die Stabilität zu garantieren. Darum verwenden wir so viel Mühe und Arbeit darauf, in den Brüsseler Gremien den Grundstein zu legen. Wir haben am Dienstag zunächst den Währungs- und Konjunkturausschuß konstituiert.Diese Arbeiten in Brüssel — ich muß das wiederholen — gehen auf deutsche Initiative zurück, ebenso die Empfehlung, die der Ministerrat angenommen hat, in der er eingangs die deutsche Initiative betont und darauf hinweist, daß die Bundesrepublik aufgefordert wird, die in den Punkten 1 bis 9 niedergelegte Politik fortzusetzen. Ich darf nun einige dieser Punkte erwähnen, weil sie mir für die Weiterentwicklung der europäischen Politik bemerkenswert zu sein scheinen.In den beiden ersten Punkten wird der Vorrang der Stabilität erwähnt. Ich brauche auf diese beiden nicht näher einzugehen.In Punkt 3 heißt es:Die Mitgliedstaaten betrachten die Aufrechterhaltung einer liberalen Einfuhrpolitik innerhalb der Gemeinschaft und gegenüber den Nichtmitgliedsländern als ein wesentliches Element ihrer Politik zur Stabilisierung oder zur Stabilerhaltung ihres Preisniveaus.Meine Damen und Herren, wer die Debatten kennt, der muß doch die einstimmige Annahme eines solchen Punktes in einer solchen Entschließung entsprechend würdigen, wenigstens dann würdigen, wenn es ihm nicht so sehr darauf ankommt, die Arbeit der Regierung möglichst in den Schatten zu stellen, sondern mehr darauf, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen.Ich möchte darauf hinweisen, daß der deutsche Standpunkt, den wir hier schon im vergangenen Jahre und noch deutlicher in diesem Jahre zur Haushaltspolitik vertreten haben, von den übrigen
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Bundesminister SchmückerLändern übernommen worden ist. Meine Damen und Herren, das war keineswegs einfach; denn der eine oder andere schien sich daran gewöhnen zu wollen, daß er seine eigene Position bessern könnte, indem er bewußt eine leichte, schleichende Inflationierung betreibt. Es ist ganz allgemein bekannt, daß es solche Lehrmeinungen und politischen Ansichten gibt und daß sie auch in Europa keineswegs unbekannt sind, sogar hier und da praktiziert worden sind. Daher bedeutet das Bekenntnis zu einer ausgeglichenen Etatpolitik einen bedeutenden Erfolg.Ich möchte noch einige Worte zu den Empfehlungen sagen, die uns unmittelbar gegeben worden sind, und zu Fragen, über die Sie in dem Papier nichts finden. Herr Kollege Dahlgrün und ich haben eine Debatte um die Richtigkeit der Steuersenkungen führen müssen. Ich bin Ihnen, Herr Kollege Dr. Schmidt, für Ihre Ausführungen sehr dankbar; Sie haben sich vielleicht noch etwas präziser ausgedrückt, als es uns gelungen ist. Immerhin haben wir den Erfolg davongetragen, daß die zunächst anders vorgesehene Empfehlung an uns geändert worden ist. Wer darüber hinaus noch bereit ist, über dieses Problem nachzudenken, begreift, daß konjunkturpolitische Maßnahmen niemals absolut gelten, sondern je nach der konjunkturellen Situation gestaltet werden müssen; und ich stehe dazu, daß diese Steuersenkungsmaßnahmen konjunkturgerechte Maßnahmen sind.Zur Agrarpolitik. Man war der Meinung, wir befänden uns in Deutschland in einem zu weit gehenden Zustand des Protektionismus, und wollte entsprechende Anregungen geben. Wir haben darüber diskutiert und haben die Zahlen vorgelegt und dann sogar erreicht, daß man uns nicht nur eine liberale Haltung in der Einfuhrpolitik innerhalb der EWG, sondern im Gesamtbereich, also auch gegenüber den Drittländern, empfohlen hat. Von dieser uns gegebenen Empfehlung werden wir natürlich, wenn es nottut, sehr schnell Gebrauch machen. Wir haben damit ein Argument in die Hand bekommen. In den schwierigen Verhandlungen in der Weihnachtszeit war man in bezug auf unsere Bemühungen, den Vertrag mit Dänemark zu erfüllen, noch nicht so aufgeschlossen. Jetzt hat man uns eine Empfehlung gegeben, und ich glaube, hiermit ist ein Ansatzpunkt für eine Verbesserung unserer Position gegeben. Die Empfehlung an die Bundesrepublik lautet:Der Bundesrepublik Deutschland wird empfohlen, die bereits im Sinne der in den Ziffern 1 bis 9 dargelegten Empfehlungen durchgeführte Politik fortzuführen, damit vermieden wird, daß in der Bundesrepublik Deutschland die im Jahre 1963 wiedererlangte relative Stabilität der Preise und der Produktionskosten gefährdet wird.Die Kreditpolitik sollte unter den jetzigen Umständen nicht restriktiver gestaltet werden, doch sollte sie eine wesentliche Beschleunigung der Expansion der Bankkredite vermeiden.Es wird empfohlen, die bereits verfolgte Politik der Neutralisierung der aus den Zahlungsbilanzüberschüssen resultierenden Liquiditätszuflüsse fortzuführen und sich zu bemühen, dieseLiquiditäten zu reexportieren. Die für den Kapitalexport bestehenden Hemmnisse steuerlicher und sonstiger Art, die sich insbesondere aus den Anlagevorschriften für Kapitalsammelstellen ergeben, sollten schnell abgebaut werden.Darüber hinaus sollten Maßnahmen ergriffen werden, um das Anwachsen der Überschüsse der Bilanz der laufenden Posten zu verlangsamen. Es sollten alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um die Einfuhren zu fördern, und es sollte alles vermieden werden, was die Ausfuhren noch begünstigt. Von den Möglichkeiten sofortiger vorzeitiger Zollsenkungen nach Artikel 15 Absatz 2 des Vertrags sollte weitgehend Gebrauch gemacht werden; ebenso sollten noch bestehende Differenzen zwischen den Zollsätzen nach dem deutschen Zolltarif und dem des Gemeinsamen Außentarifs verringert oder ganz beseitigt werden. Außerdem wird empfohlen, die Einfuhren von Agrarerzeugnissen durch jede geeignete Maßnahme zu erleichtern. Schließlich sollte eine Aktion unternommen werden, um die Bindung deutscher Kapitalexporte an deutsche Lieferungen von Waren und Dienstleistungen zu lockern, und um Regierungsaufträge in noch stärkerem Ausmaß ins Ausland zu verlegen.Meine Damen und Herren, ich habe dieser Empfehlung speziell auch im deutschen Teil gern zugestimmt.Nun komme ich zu den Ausführungen, Herr Kurlbaum, die Sie darüber gemacht haben, was zu tun ist. Ich hoffe, Sie sind wenigstens insoweit mit dem Bundeswirtschaftsminister — dessen Etat Sie ablehnen werden — einer Meinung, daß auf der Basis dieser 'Beschlüsse innerhalb 'der 'Bundesrepublik nunmehr weiter gehandelt werden muß. Das bedeutet, daß wir in der Tat zu überlegen haben, was wir zollpolitisch noch tun können.Ich habe in Brüssel gesagt, daß es uns sehr viel lieber wäre, wenn wir 'gleichzeitig mit einem Abbau der Binnenzölle auch schon eine Vorwegleistung, die natürlich auf die Kennedy-Runde anrechenbar bleiben müßte, weltweit geben könnten. Daß ich mit diesem Vorschlag nicht durchgedrungen bin, müssen Sie halt verstehen. Ich nehme es auch mit einigem Murren hin, aber es ist nun mal so. Ich habe aber damit die politische Richtung angedeutet, in der die Bundesregierung zu gehen sich bemüht,. und ich möchte hinzufügen: von hierher betrachtet erhält also die Kennedy-Runde über das hinaus, was ihr bisher an Gewicht und an wirtschaftspolitischer Bedeutung zugemessen haben, einen besonderen Akzent; denn wir müssen sehen, daß wir hier rasch zu Erfolgen kommen, damit wir die Ergebnisse der Kennedy-Runde auch im Sinne einer Stabilisierung einsetzen können.Nun weiß ich sehr wohl, .daß die Zollsenkungen natürlich zweiseitig sind und daß nicht nur die Importmöglichkeiten, die ich begünstigen möchte, gefördert werden, sondern auch die Exportmöglichkeiten. Aber ich glaube doch, daß das Schwergewicht hier bei den Importmöglichkeiten liegen wird, ganz
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5856 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Schmückerabgesehen davon, ,daß ein Export, so ja auch gegenwärtig der deutsche Export, bei allen Nachteilen, die er uns bietet, stabilisierend bei denen wirkt, die diese Güter nun billiger hereinbekommen. Das heißt also, daß der konjunkturpolitische Effekt der Kennedy-Runde sehr bedeutsam ist.Ich wäre sehr froh, wenn es möglich wäre, zumindest in den Bereichen, in denen kein Streit ist, sofort zum Handeln zu kommen und auf ein etappenweises Vorgehen zu verzichten.Sie, Herr Kurlbaum, haben darauf hingewiesen, daß es doch ein altes Instrumentarium gebe. Ich glaube nicht, daß Sie uns die Aufwertung empfehlen wollten.
Ich habe das nicht genau verstanden, und darum erwähne ich es, aber ich sage: ich glaube nicht, daß Sie uns das empfehlen wallten. Aber Sie haben eine Manipulation, so will ich einmal sagen — aber nein, das Wort Manipulation ist zu hart, Herr Kurlbaum, das gestehe ich zu —, einen konjunkturpolitischen Einsatz der Umsatz-Ausgleichssteuer empfohlen. Herr Kurlbaum, sehen Sie sich einmal den Exportüberschuß an. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß langfristig gesehen der Warenverkehr, der Handelsverkehr das Entscheidende ist. Sehen Sie sich einmal den Überschuß an! Er rekrutiert sich zur Hälfte aus EWG-Ländern, und ein beträchtlicher Teil stammt aus europäischen dritten Ländern, die so mit EWG-Staaten verknüpft sind — Schweiz mit Deutschland, Dänemark mit Deutschland usw. —, daß man sagen kann, der Exportüberschuß stammt zum größten Teil aus einem Bereich, der inflationär bedroht ist. Ein Drittel des Exportüberschusses stammt aus einem Bereich, in dem wir den härtesten Wettbewerbsbedingungen unterworfen sind. Wenn ich jetzt eine einheitliche Maßnahme empfehlen würde, die vielleicht im Verkehr gegenüber Italien oder Frankreich richtig wäre, könnte das dazu führen, daß in anderen Bereichen unser Export total zum Erliegen kommt.Und jetzt sehen Sie sich die Gesamtziffer an! Innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben wir gegenüber den Drittländern ein Handelsbilanzdefizit. Der wesentliche Aktivposten liegt bei der Bundesrepublik, und er macht das Defizit noch einigermaßen erträglich. Wenn wir jetzt durch Maßnahmen unseren Export gegenüber dritten Ländern einschränkten, würde die gesamte Europäische Wirtschaftsgemeinschaft darunter leiden.
Das ist doch eine Wirkung, die man berücksichtigen muß, wenn man an Maßnahmen denkt. Es würde sehr mutig sein, wenn ich jetzt hinginge und Ihnen diesen oder jenen Vorschlag machte. Vielleicht würden wir auch einen gewissen Erfolg davontragen, eine Verlangsamung. Aber wir müssen doch auch über längere Zeiträume denken. Deswegen sollten wir genau untersuchen, wie sich der deutsche Exportüberschuß zusammensetzt.Ich glaube, daß die Bundesregierung mit einigem Stolz, mit einiger Genugtuung auf das hinweisen kann, was gerade in den letzten Monaten in Brüssel erreicht worden ist. Wir wissen, daß die Stabilisierungspolitik nicht mehr die Sache einer Regierung allein sein kann, daß hier alle Staaten, über die EWG hinaus, zusammenarbeiten müssen. Wir sollten bei uns im Parlament und auch in der Regierung daran denken, daß das Kernstück unserer Bemühungen weiterhin die Etatpolitik ist, also die konjunkturgerechte Gestaltung der öffentlichen Ausgaben.Ich möchte schließen, indem ich wiederhole: Ich bin der festen Auffassung, daß die Stabilität, international gesehen, unteilbar ist. Es wäre das Törichtste, was einem Staat einfallen könnte, wenn er glaubte, seine Wettbewerbsposition etwa dadurch stärken zu können, daß er bei den anderen einem inflationären Trend Vorschub leistet. Ein solches Unterfangen würde sehr schnell wie ein Bumerang zurückschlagen. Das wäre eine Politik, die eine ewige Bewegung im Sinne der Instabilität bedeuten würde, und wie die Instabilität im wirtschaftlichen Bereich auf alle politischen bis hin auf alle menschlichen Bereiche durchschlägt, haben wir ja bitter erfahren.Aber wir müssen bei aller Zuständigkeit, die wir als Parlament und als Regierung besitzen, doch unseren Bürgern klarmachen, daß die Wahrung der Stabilität zwar maßgeblich, aber nicht allein durch administrative Maßnahmen zu erreichen ist.
Vielmehr muß der Bürger, der sich zum freiheitlichen Staat bekennt, in dieser Freiheit auch die eigene Verantwortung spüren und ihr gerecht werden, die Verantwortung, die er als Arbeitnehmer, als Arbeitgeber, als Verbraucher oder als im öffentlichen Leben tätiger Abgeordneter trägt.In diesem Sinne bitte ich Sie, meine Damen und Herren, mit konkreten Vorschlägen zu kritisieren. Wenn Sie uns nachweisen, daß es in diesem oder einem anderen Punkt bessere Wege gibt, warum sollten wir diese Wege nicht gehen?! Aber ich bitte noch einmal, die Kritik durch Unterbreitung besserer Vorschläge zu üben und vor allem uns in unserer Werbung bei den Bürgern zu unterstützen, mitzuarbeiten. Denn die Aufgabe, die hier gelöst werden muß, kann nicht allein von Parlament und Regierung, sondern kann nur vom gesamten deutschen Volk in Gemeinschaft mit unseren Nachbarn gelöst werden.
Meine Damen und Herren, ich bin als amtierender Präsident nicht der Präzeptor dieses Hauses. Aber ich darf mich vielleicht als Mentor fühlen, indem ich allen kommenden Rednern den Rat erteile, sich daran zu erinnern, daß wir uns ein bestimmtes Arbeitspensum vorgenommen haben, das wir heute erledigen wollen, weil es Gründe außerhalb dieses Hauses gibt, die zahlreiche Abgeordnete dazu veranlassen könnten, morgen nicht mehr da zu sein. Daher darf ich darum bitten, daß sich die Damen und Herren, die
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Vizepräsident Schoettleim Laufe der Debatte noch reden werden, an einen solchen wohlgemeinten Rat halten.Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer zur Begründung des Änderungsantrags der SPD auf Umdruck 412 *) .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, einige wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers zu machen, bevor ich in unseren Antrag begründe; denn das, was hier gesagt wurde, kann, glaube ich, nicht unwidersprochen bleiben. Ich werde mich aber ganz kurz fassen.
Zuerst zu der Frage der Preise. Ich verstehe durchaus, Herr Minister, daß Sie sich bemühen, die Preisentwicklung zu bagatellisieren.
Die Antwort darauf wird die deutsche Hausfrau selbst geben; denn sie spürt seit Monaten, ja, seit Jahren, daß die Preise laufend steigen, daß sie für ihr Haushaltsgeld immer weniger kaufen kann.
Wenn wir in Versammlungen sprechen, dann bekommen wir gerade von der Hausfrau die besten Beispiele dafür.
Nun zu der zweiten Frage, der Frage der Preisbindung. Herr Minister, nach Ihren Darlegungen konnte der Eindruck entstehen, als wenn wir, die Sozialdemokratische Partei und Fraktion, uns in der Frage der Preisbindung anläßlich der Sitzung in Berlin anders verhalten hätten, als wir das in der Öffentlichkeit tun. Ich darf Ihnen hier deutlich sagen: Wir sind nach wie vor für die Aufhebung der Preisbindung. Das haben wir auch in Berlin gesagt. Nur haben wir deutlich gemacht, daß man natürlich über Ausnahmebereiche sprechen muß, und zwar auch deshalb, weil es ja in Ihren Gruppen sehr schwer möglich war, überhaupt wieder eine Diskussion in Gang zu bringen. Zum zweiten ist es auch notwendig, sich über den Zeitpunkt zu unterhalten. Wir müssen eine Übergangszeit haben, um z. B. Schäden für die mittlere Industrie, aber auch für den Handel zu verhindern. Wir wissen, daß sie sonst auf ihren Waren mit hohen Preisen unter Umständen sitzenblieben. — Herr Abgeordneter Burgbacher, wollen Sie eine Frage zur Preisbildung stellen? Wenn nicht, würde ich sagen: Lassen Sie mich erst zu Ende sprechen.
Zur Frage der Preisbildung. Ich wollte zu Ihrer Bemerkung über die Hausfrau eine Frage stellen. Gnädige Frau, ist Ihnen nicht bekannt, daß im Normalhaushalt der Anteil der Ernährungsaufwendungen am Arbeitseinkommen ständig fällt?
Herr Burgbacher, ich weiß nicht, von welchen Zahlen Sie ausgehen. Es ist eine Frage, die die Hausfrauen am besten beantworten. Sehen Sie sich aber einmal die Sparrate
*) Siehe Anlage 3 an! Die Sparrate ist im Steigen. Der Versuch des einzelnen, sich an dem Sparprozeß zu beteiligen, wäre unter Umständen eine gute Sache, eine Verlagerung vom hohen Verbrauch auf den Sparprozeß. Aber das hat noch nichts mit der Preisentwicklung zu tun.
Nun, meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung zur Frage der Preisbindung. Herr Minister, Sie waren doch selbst in einer sehr unangenehmen Situation am ersten Tage der Sitzung. Ich glaube, Sie hatten nicht damit gerechnet, daß Ihre eigene Fraktion Sie bei der damaligen Abstimmung im Stich läßt. Da schon darüber gesprochen wird, habe ich hierzu eine Frage zu stellen: War Ihnen bekannt, Herr Minister, daß Ihre eigene Fraktion bzw. die entsprechende Gruppe am gleichen Tage im Hotel „Am Zoo" bereits den Entschluß gefaßt hatte, die Aufhebung der Preisbindung?
Meine Herren, haben Sie schon nicht die Höflichkeit gegenüber dem Hause, dann sollte doch die Höflichkeit gegenüber einer Dame Ihnen gebieten, Unterhaltungen nicht hier im Saal zu führen!
Auch mir tut es leid; man muß so laut sprechen.Als dann am zweiten Tag in der Sitzung in Berlin der Versuch gemacht wurde, wenigstens einen Kompromiß zu finden — er ist gefunden worden, indem ein neuer Auftrag an den Wirtschaftsminister gegeben wurde —, sagte mir ein Kollege der Fraktion der CDU/CSU: Mir ist das alles so vorgekommen, als wenn man sich nicht noch nachträglich der Leichenschändung schuldig machen wollte und deshalb noch ein paar Blümchen gekauft hat. — Meine Damen und Herren, ich sage das, um deutlich zu machen, wie Sie selbst in dieser Frage aufgesplittert sind. Ich wehre mich nur dagegen, daß uns der Schwarze Peter zugeschoben wird.Nun, meine Damen und Herren, zu dem eigentlichen Thema,' zu dem ich hier zu sprechen habe, und zwar zu unserem Antrag Umdruck 412. Es geht um die Errichtung des Warentestinstituts. Auch hierzu muß ich erst etwas klarstellen. Herr Minister, es war der Eindruck entstanden, als wenn nur wir uns seinerzeit gegen die Vorlage des Bundeswirtschaftsministeriums gewandt hätten. Ich darf Ihnen sagen: es war nicht nur die Opposition, es waren Teile der Koalition, und es war vor allem auch der Druck der Öffentlichkeit, die mit dem damals vorgelegten Entwurf zur Errichtung eines Warentestinstituts nicht einverstanden waren.Die Fraktion der SPD hat im Haushaltsjahr 1963 für diesen Zweck 500 000 DM beantragt, und dieser Betrag stand auch im Haushalt 1963. Es würde wohl in dieser Stunde zu weit führen, auf Einzelheiten einzugehen, warum der Entwurf zur Errichtung des Warentestinstituts abgelehnt wurde. Wir sind uns — auch das möchte ich eindeutig sagen — inzwischen sehr nahegekommen. Herr Dr. Elbrächter, Sie nicken
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Frau Beyer
mit dem Kopf; ich darf damit auch Ihre Zustimmung feststellen.Herr Minister, Sie haben anläßlich der Großen Anfrage der SPD am 4. Dezember wörtlich gesagt:Ich hoffe aber sehr, daß diese Prüfung— und zwar ist die Einrichtung eines Warentestinstituts gemeint,noch im Laufe dieses Jahres— d. h. also 1963 —abgeschlossen werden kann, weil ich großen Wert darauf lege, daß das Warentestinstitut im nächsten Jahr seine Arbeit aufnehmen kann.Nun, ich weiß um Ihre Bemühungen, wie Sie selbst sich im Haushaltsausschuß dafür eingesetzt haben, daß der Leertitel 615 b wieder mit einem Betrag ausgefüllt wird. Sie haben dafür im Haushaltsausschuß keine Mehrheit gefunden, weil die Voraussetzungen bisher noch nicht geschaffen waren.Meine Fraktion — das hat Herr Kollege Kurlbaum bereits dargelegt — wird Ihnen in den nächsten Tagen einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich möchte aber, um hiermit jedes Mißverständnis auszuräumen, bereits deutlich machen, daß dieser Gesetzentwurf in bezug auf die Rechtsform nichts aussagt. Diese Frage bleibt damit unangetastet, d. h. darüber können wir uns noch unterhalten. Aber wir haben in diesem Gesetzentwurf die Ergebnisse der bisherigen Beratungen sowohl mit dem Bundeswirtschaftsminister als auch die Ergebnisse der Ausschußberatungen berücksichtigt. Ebenso haben wir aber auch auf die privatwirtschaftlichen Bemühungen, seien es Verbraucher, Gewerkschaften, sei es der Handel oder sei es die Industrie, Rücksicht genommen. Ich meine, wir sollten aus dem dauernden Streit herauskommen und sollten auch die Vorleistung anerkennen, die z. B. die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände auf diesem Gebiet bereits erbracht hat, und diese ihre Erfahrungen nicht außer Betracht lassen. Wir wollen also mit diesem Gesetzentwurf ausschließlich erreichen, daß wir endlich eine Grundlage für weitere Beratungen haben. Herr Minister, ich glaube, wir kommen damit auch Ihren Bemühungen nur entgegen. Ich bin jedenfalls überzeugt, daß wir mit diesem Entwurf schnell zu einem Abschluß kommen werden.Wenn wir nun aber nicht das Gesicht verlieren wollen, dann müssen wir auch im Haushalt 1964 wenigstens einen Ansatz haben. Wir wissen alle, daß auch die Vorbereitungsarbeit Geld kosten wird; daher unser Antrag, wieder 500 000 DM in den Haushalt 1964 einzusetzen, und in dem zweiten halben Jahr, das uns noch zur Verfügung steht, mit der Arbeit wenigstens beginnen zu können.Meine Damen und Herren, wenn Sie über den Antrag abstimmen, darf ich Sie auch bitten, zu bedenken, daß es wirklich notwendig ist, zu einer vergleichenden Warenprüfung als Mittel der Verbraucheraufklärung zu kommen und ,das Warentestinstitut auf eine nicht mehr anfechtbare Grundlage zu stellen. Wir wissen auch alle, daß hier eine Lücke in unserer Marktwirtschaft vorliegt. BundeskanzlerAdenauer hat nicht ohne Grund in seiner letzten Regierungserklärung die Errichtung eines Warentestinstituts für notwendig gehalten. Die hohe Auflage der „DM" spricht ebenso dafür, daß auch der Verbraucher die Errichtung eines solchen Institutes anstrebt. Er sucht nach Mitteln, die ihn bei der Auswahl der immer neuen, der technisch immer höher entwickelten und vor allen Dingen auch komplizierteren langlebigen Verbrauchsgüter unterstützen. Die Werbung reicht hierfür einfach nicht aus. Sie ist viel zu stark nur auf den Verkauf abgestellt. Der Verbraucher braucht eine objektive, unparteiische Aufklärung. Er braucht Kenntnis über Beschaffenheit, Wirksamkeit, Tauglichkeit, Sicherheit, letzten Endes auch eine Kenntnis über die Preiswürdigkeit.Meine Damen und Herren, wenn also hier, wie ich Ihnen darlegte, weitestgehend Übereinstimmung vorliegt — und das darf ich sicher mit Zustimmung der an der Ausschußberatung beteiligten Kollegen und Kolleginnen noch einmal aussprechen —, dann bitte ich Sie, heute auch diese 500 000 DM zu bewilligen, damit mit der Arbeit begonnen werden kann. Ich bin sicher, in dieser Frage befinden wir uns auch in Übereinstimmung mit dem Bundeswirtschaftsminister.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor der Begründung des Antrags Umdruck 412 hat meine verehrte Vorrednerin einige allgemeine Bemerkungen gemacht, auf die ich ganz kurz eingehen möchte. Nach all dem, was wir von den Vorrednern der Sozialdemokratischen Partei gehört haben, möchte ich es hier bei der Feststellung belassen, daß sie zwar über die Problematik der Gefährdung der Stabilität gesprochen haben, aber nur in Allgemeinsätzen, und daß sie in der Tat keine Lösungsmöglichkeit angeboten haben. Ich möchte eines festhalten — und ich glaube, das ist von großer Bedeutung für dieses Haus —: daß sich in Brüssel die sechs Regierungen der EWG auf denselben Weg begeben haben, den die Bundesregierung eingeschlagen hat zur Erhaltung der Stabilität der Wirtschaft innerhalb der EWG.
Die Tatsache, daß der Bundesregierung diese Rolle zugebilligt wurde, ist, glaube ich, ein gutes Zeichen für die Konjunkturpolitik der Bundesregierung.Ich glaube nicht, Frau Kollegin Beyer, daß man dieses große, umfangreiche Problem der Preisstabilität einzig und allein etwa aus dem Blickwinkel der Preisbindung und ähnlicher sekundärer Fragen sehen kann.Aber nun darf ich etwas zu dem Antrag sagen, der hier vorliegt. Wir haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß auch wir dafür sind, daß in geordneter, seriöser Weise Warenprüfungen durchgeführt werden. Ich persönlich möchte im Hinblick auf verschiedene Methoden der Warenprüfung sagen:
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5859
GewandtEs gibt auch eine Täuschung des Verbrauchers durch einen Warentest, wenn der Warentest nicht mit einwandfreien Prüfungsmethoden verbunden ist und lediglich darauf abgezielt ist, Sensationen zu erheischen. Sehr wichtig ist es also, die Gewähr zu haben, daß nur mit einwandfreier Methode geprüft wird, und zwar unabhängig, und daß zum anderen auch eine gewisse Kontrolle der Leute vorhanden ist, die prüfen.Über diese Frage hat es nie eine Auseinandersetzung gegeben; es ging lediglich uni die Rechtsform des Instituts, das diese Warenprüfung durchführen soll. Darüber kann man ja auch geteilter Meinung sein. Das ist keine Prinzipienfrage, sondern mehr eine Frage der Zweckmäßigkeit.Da diese Frage aber nicht geklärt ist und auch im Parlament — das hat nun wieder mit den Parteien nichts zu tun — unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden haben, hat der Haushaltsausschuß sich wie folgt verhalten: Er hat im Prinzip die Notwendigkeit bejaht und deshalb einen Titel im Haushaltsplan eingesetzt. Er hat aber seine weitere Entscheidung insbesondere über die Summe, die erforderlich ist, von einer Vorlage abhängig gemacht. Diese Vorlage muß klarlegen, in welcher Weise der Bund in Anspruch genommen wird, wer der Träger ist und welche anderen Anforderungen an den Bund gestellt werden.
— Nein, das kann man nicht kürzer haben. Sie können nicht so leichtfertig Geld ausgeben, wenn Sie nicht wissen, wer der Träger ist und welche Ansprüche an den Bund gestellt werden. Das wäre ganz unseriös. Um aber dem Vorwurf zu entgehen, wir spielten mit der Zeit, haben wir der Bundesregierung einen Termin gesetzt. Die Bundesregierung ist gehalten, bis zu einem sehr naheliegenden Termin eine Vorlage zu unterbreiten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön!
Herr Kollege Gewandt, wären Sie damit einverstanden, daß man wie bisher, d. h. wie im Jahre 1963, wieder einen Sperrvermerk vorsieht, so daß also die Ausgaben erst dann getätigt werden können, wenn die Verabschiedung erfolgt ist? Damit hätten wir dieselbe Situation wie 1963.
Das ist doch völlig unerheblich. Entscheidend ist, daß wir den Haushaltstitel haben und daß wir die Regierung verpflichtet haben, eine Vorlage zu unterbreiten. Wenn dann in dieser Vorlage konkrete Vorstellungen entwickelt werden, werden wir den Haushaltstitel bedienen.
Zum Abschluß möchte ich Ihnen folgendes empfehlen. Wir sollten genau umgekehrt verfahren, als Sie es vorgeschlagen haben. Wir glauben, daß man
diese beiden Anträge ablehnen sollte, weil sie überflüssig sind. Dafür beantragen wir, dem Etat des Bundeswirtschaftsministers zuzustimmen. Sie haben es etwas unlogisch gemacht. Sie haben für die Annahme eines solchen Antrages plädiert, aber dann gesagt, Sie wollten den Gesamthaushalt ablehnen. Wir sind für die umgekehrte Methode.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir können nun über den begründeten Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Kap. 09 02 — Umdruck 412 — abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich nehme aber an, daß damit nicht der Leertitel betroffen ist.
— Der steht im Haushalt; ich wollte das nur klarstellen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09. Wer diesem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe!
— Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 09 ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Saxowski.
Herr Präsident! meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan 10 habe ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung abzugeben.In den zurückliegenden Jahren sind die Grünen Pläne mit den für den Haushalt entscheidenden Positionen immer mehr im Sinne der Vorstellungen der SPD entwickelt worden. Auch in diesem Jahre fanden fast alle von meiner Fraktion gestellten Anträge in den Ausschußberatungen Berücksichtigung und im Haushalt ihren Niederschlag. Dies wird von meiner Fraktion begrüßt und anerkannt.Wir bedauern jedoch, daß zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft im Gemeinsamen Markt eine mittelfristige zielbewußte Planung und Finanzierung des Grünen Planes fehlt. Eine von uns geforderte klare Gruppierung und Zuordnung der Haushaltsansätze erfolgt nur zögernd.Wir bedauern die lasche und unaufrichtige Behandlung wichtiger Einzelpositionen — wie z. B. die der Brotgetreidepreisverbilligung —, die bewußte Überhöhung verschiedener Haushaltsansätze mit dem klaren Ziel, zu Beginn des Jahres einen aufgeblähten Grünen Plan vorzulegen, um die be-
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Saxowskisorgte Landwirtschaft vom Optischen her über die aufkommende Entwicklung hinwegzutäuschen.
— Das glaube ich bestimmt. Dieses Bemühen wird unterstützt durch restriktive Manipulationen des Ernährungs- und Finanzministeriums mit dem Ziel, am Ende des Haushaltsjahres Reste zu erhalten, mit denen dann Vorfinanzierungen anderer Maßnahmen respektive die Abdeckung entstandener Haushaltsdefizite getätigt werden.
Im letzten Jahr hatten wir durch diese undurchsichtige Haushaltsführung Reste von zirka 400 Millionen DM, die immerhin zirka 18% des gesamten Haushaltsvolumens des Grünen Planes ausmachten. Hier kann man beim besten Willen nicht von einer klaren und wahren Haushaltsführung sprechen.Wir halten die Politik der Bundesregierung im Hinblick auf die Entwicklung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik und die dazu erforderlich werdenden Vorbereitungen und Anpassungen der deutschen Landwirtschaft für unzureichend und haben daher dieser Politik wiederholt widersprochen. Die SPD wendet sich entschieden gegen die Methode der Bundesregierung und der Koalitionsparteien, die Brüsseler Beschlüsse in ihren Auswirkungen zu verniedlichen und dem Erzeuger wie auch dem Verbraucher Sand in die Augen zu streuen.Meine Fraktion bedauert die fehlende Bereitschaft der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, zu neuen wirksamen agrarpolitischen Maßnahmen, nicht nur finanzieller, sondern auch gesetzlicher Art, insbesondere im Rahmen der ländlichen Sozialpolitik und Marktorganisationen zu kommen. Nach unserer Auffassung muß diesen Aufgaben in Zukunft besonderer Wert zugemessen werden.Angesichts dieser der deutschen Landwirtschaft und den Erfordernissen unserer Zeit nicht gerecht werdenden Agrarpolitik sind wir aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in der Lage, dem Einzelplan 10 unsere Zustimmung zu geben. Wir lehnen ihn ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Marquardt. — Zur Begründung von Anträgen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Begründung des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 433*) folgendes sagen.
Die Bundesregierung hatte nach langem Hin und Her, wie wir wissen, schließlich im Entwurf des Einzelplans 10 doch wiederum Ausgleichszahlungen für Getreide vorgesehen. Damit sollte der Brotpreis
*) Siehe Anlage 4 bis zum 30. Juni 1964 weitgehend stabil gehalten werden.
Im Ernährungsausschuß und, Herr Kollege Brese, im Haushaltsausschuß, haben dann die Kollegen der Koalition gegen den Widerstand der Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion diese Preisstützung rückgängig gemacht, insoweit sie bis Juni vorgesehen war; die Stützung sollte also nunmehr am 31. März 1964 auslaufen. Das heißt, 30 Millionen DM von dem Ansatz sollten für andere Zwecke eingespart werden.
Der von der sozialdemokratischen -Opposition vorgetragenen Befürchtung, daß damit zwangsläufig eine Verteuerung von Brot und Backwaren eintreten müßte, haben Sie entschieden widersprochen, und auch die Bundesregierung hat sich dem, was Sie sagten, damals angeschlossen.
Aber ganz kurze Zeit später, meine Damen und Herren, schon am 8. April, hat dann das Kabinett, aus welchen Gründen auch immer — vielleicht nicht zuletzt im Hinblick auf die Landtagswahl in BadenWürttemberg —,
den Beschluß gefaßt, wonach der vom Ausschuß gekürzte Ansatz um 60 Millionen DM erhöht werden sollte, mit der Folge, daß für das ganze Jahr 1964 eine Brotpreiserhöhung abgefangen werden sollte.
Mit diesem Beschluß des Kabinetts hat man unsere Sorgen akzeptiert, hat unsere Befürchtungen bestätigt und die frühere Stellungnahme selbst dementiert.
Der Ernährungsausschuß hat am Dienstag in einer Sondersitzung über den Beschluß der Bundesregierung debattiert, und wir hatten den Eindruck, meine Damen und Herren von der Koalition — obgleich einiges hinsichtlich der Deckung doch etwas merkwürdig begründet wurde —, daß Sie schließlich doch zu erkennen gaben, Sie würden den Beschluß des Kabinetts letzlich hier in diesem Hause billigen; und das kann ja nur in der Form der Stellung und Annahme eines Antrages geschehen.
Nun müssen wir heute feststellen, daß sich das anscheinend wieder einmal geändert hat und daß die Auffassungen innerhalb der Koalition und innerhalb der Regierung in einer so entscheidenden Frage der Ernährungs- und Preispolitik wieder einmal hoffnungslos durcheinandergehen. Diesmal dieses Hin und Her zu den Ausgleichsbeträgen.
— Aber ich bitte Sie, Herr Kollege Struve, wenn Ihr Kabinett, wie wir wissen, einstimmig einen Beschluß faßt und Sie dann hier sagen, wir seien Hellseher, so muß ich erwidern: wir sind schon Pessimisten, aber so pessimistisch sollte man in der Politik nicht sein, daß man so reagiert.
Außerdem, Herr Kollege Struve: die Spökenkieker sind mehr nördlich zuhause!
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Wir sind ja nicht in SchleswigHolstein, Herr Kollege Struve. Wir fassen es jedenfalls so auf, daß es ein Zeichen der Entschlußlosigkeit dieser Koalition und dieser Regierung ist. Die Erklärungen unseres Fraktionsvorsitzenden Erler — gestern hier abgegeben — über die derzeitige Regierungsarbeit haben sich wieder einmal sehr deutlich bestätigt. Die Schwäche der Regierung in diesem ewigen Katze- und Maus-Spiel hin und her ist doch für alle Leute draußen offenkundig geworden.
Der von uns vorgelegte Antrag auf Umdruck 433 entspricht bis auf eine Korrektur hinsichtlich der Bedarfssumme dem bis zur Stunde noch nicht widerrufenen Beschluß des Bundeskabinetts. Wir wollen Ihnen, der Koalition, und wir wollen auch den Herren Mitgliedern des Kabinetts Gelegenheit geben, mit der Zustimmung zu unserem Antrag die Richtlinien der Politik des Bundeskanzlers zu befolgen und Ihre Regierung nicht mehr als notwendig zu desavouieren. Wir sind der Meinung, daß man über Preisstabilität nicht nur reden, sondern dafür auch etwas tun sollte.
Wir bitten, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Verfahren, das hier eingeleitet wird, ist ungewöhnlich. Die Opposition greift eine Kabinettsvorlage auf und bringt hier einen Antrag ein. Aber mir scheint auch die Kabinettsvorlage ungewöhnlich zu sein.
Denn im Grunde ist es eine Nachschiebeliste. Ursprünglich war im Haushalt vorgesehen, daß die Subvention bis zum 30. Juni geleistet werden sollte. Jetzt soll eine Verlängerung bis zum 31. Dezember erfolgen. Der Beschluß des Haushaltsausschusses fußte auf einer Rücksprache mit den Ressorts und ging davon aus, daß man die Subvention am 31. März auslaufen lassen wollte.
Nun zur Ursache der Mehlsubvention überhaupt! Auf Grund der EWG-Ordnung ist der Hartweizen um etwas über 100 DM pro Tonne verteuert worden, um innerhalb der EWG die Präferenz für europäischen Weizen wirksam werden zu lassen.
— Ich weiß Bescheid, Herr Schmidt. Aber die Ursache ist die Verteuerung des Hartweizens,
und die Verbilligung wird, weil man es nicht anders machen kann, generell für sämtliche Arten vermahlenen Weizens durchgeführt. Hier liegt nämlich die Crux. Die Mühlen bekommen die Verbilligung nämlich auch, wenn sie nur einheimischen Weizen vermahlen. Sie bekommen sie, wenn sie einheimischen
Weizen mit 5 %, 10 %, 15%, 20 %, oder 25 % Hartweizen vermahlen.
Immer bekommen sie denselben Subventionssatz. Dieses Verfahren ist grundsätzlich falsch, und deshalb muß es geändert werden, bevor wir eine neue Vorlage in den Haushaltsausschuß bekommen.
Die Durchführung der Subvention ist völlig unabhängig vom Brotpreis. Denn der Preis für Schwarzbrot, für Mischbrot und zum großen Teil auch für Weißbrot ist davon unberührt. Hochwertige Mehle werden für Gebäck, für Brötchen verwandt, und gerade bei diesen Produkten ist, was den Preis angeht, der Verarbeitungsanteil weit höher als der Mehlanteil.
Außerdem haben wir festzustellen, daß in letzter Zeit — gebietlich unterschiedlich — Preiserhöhungen bei Brot und bei Gebäck stattgefunden haben. Aber wir sehen eindeutig, daß die Verarbeitungskosten viel entscheidender für den Preis sind, den der Verbraucher zu zahlen hat, als der Getreidepreis oder der Mehlpreis.
Ich möchte noch einen Vergleich bringen. Diese Subvention in Höhe von 75 Millionen DM für das Mehl macht pro Jahr, auf die Bevölkerung bezogen, für jeden Einwohner 1,50 DM aus.
Demgegenüber macht aber die Senkung des Schweinefleischpreises in den letzten drei Monaten auf ein Jahr bezogen 1,5 Milliarden DM und auf den Einwohner bezogen 30 DM pro Einwohner aus.
— Herr Schmidt, immer werden wir in einer Marktwirtschaft fallende und etwas steigende Preise für einzelne Produkte haben. Deshalb ist es völlig ungerechtfertigt, in diesem Bereich eine kaum wirksame, aber für den Haushalt entscheidende Subvention durchführen zu wollen. Eine Deckung aus dem Einzelplan 10 scheint mir ausgeschlossen zu sein, und zwar deshalb, weil im Voranschlag — —
— Bitte schön.
Herr Kollege, haben Sie denn noch nicht gemerkt, daß es hier um die Verwirklichung einer Regierungsvorlage geht?
Herr Dröscher, das ist mir klar. Aber Sie haben diese Regierungsvorlage aufgegriffen.
Ich bin der Meinung, daß über diese Vorlage hier nicht entschieden werden kann, sondern daß sie erst wieder in den Haushaltsausschuß muß und vorher in einer Sachvorlage geklärt werden muß.
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Peters
— Ich entscheide nicht über das Kabinett.Der Voranschlag des Einzelplans 10 enthält 55 Millionen DM weniger als im Vorjahr. Wir haben 21 Millionen DM aus dem Einzelplan 10 für die Kriegsopfer freigemacht, und wir haben zusätzlich gezielt 10 Millionen DM eingespart, also im ganzen 86 Millionen DM. Der Einzelplan 10 hat also für Einsparungen im Gesamthaushalt genau das gleiche gegeben wie die anderen Haushalte. Wir sind der Meinung, daß diese Opfer richtig waren, daß aber für ein fragliches Verfahren — und um das handelt es sich hier — ein solches Opfer aus dem Einzelplan 10 nicht gebracht werden sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eben gehört, daß der Antrag Umdruck 433 begründet wurde, und wir können wohl davon ausgehen, daß auch der Antrag Umdruck 413 *), der Berlin betrifft — das sind die zwei Seiten derselben Medaille —, anschließend begründet werden wird. Ich darf daher gleich zu beiden Anträgen wenige Worte sagen.
Nachdem das Kabinett beschlossen hat, eine Mehlsubvention vorzunehmen, treten wir hinter das Kabinett. Das dürfte selbstverständlich sein. Aber wir treten nicht hinter den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, und zwar nicht etwa, weil wir die Mehlsubvention oder den Beschluß des Kabinetts ablehnen, sondern weil wir die Art der Finanzierung, die der SPD-Antrag vorschlägt, ohne einen Deckungsvorschlag zu bringen, nicht für gut halten. Wir sind der Auffassung, daß, wenn bei der notwendigen Begrenzung des Gesamthaushalts auf 60,3 Milliarden DM eine Mehranforderung von über 75 Millionen DM effektuiert werden soll, zunächst ein Weg gesucht werden muß, auf dem diese 75 Millionen DM Mehrausgaben bei Wahrung der Etatsgrenze aufgebracht werden können.
Sie, meine Herren von der Opposition, haben nur die Zahl genannt, die sich aus dem Beschluß des Kabinetts ergibt. Die Zahl kennen wir auch. Auch wir sind der Auffassung, daß diese Summe aufgebracht werden muß. Aber wir sind nicht der Auffassung, daß wir die Gesamtsumme des Etats überschreiten könnten und daß wir eine solche große Summe — es handelt sich nicht um eine untergeordnete Summe — ohne weiteres gutheißen könnten, ohne vorher genau zu wissen, wo wir denn das Geld hernehmen wollen.
Ich würde deshalb meinen, daß wir gut daran täten, zunächst die Vorlage der Regierung abzuwarten, die in den Haushaltsausschuß und sicher auch in den Ernährungsausschuß geht. Dann werden wir im Haushaltsausschuß dafür sorgen, daß die Mehlsubvention finanziert wird. Ich bitte aber, da wir diese näheren Untersuchungen erst im Haus-
*) Siehe Anlage 5 haltsausschuß anstellen müssen, um die Etatspositionen zu finden, aus denen wir diese Beträge finanzieren können, im Augenblick die Anträge der Fraktion der SPD auf den Umdrucken 433 und 413 abzulehnen, weil zur Zeit kein Deckungsvorschlag dafür vorliegt.
Zu Umdruck 413 hat Frau Abgeordnete Krappe das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nur zu dem Umdruck 413 sprechen, will aber jetzt doch gleich Herrn Conring antworten, da er den Vorschlag machte, diese Vorlagen idem Haushaltsausschuß zu überweisen.Heute haben wir schon den 16. April. Theoretisch ist, wenn Sie heute so beschließen, das alles am 31. März ausgelaufen. Die Schwierigkeit entsteht doch jetzt dadurch, daß wir im April sind. Wann wollen Sie das ändern? Sie würden ja alle vor die Unsicherheit stellen, welcher Preis im April gilt. Dais halte ich für unmöglich. Nach meiner Ansicht muß darüber heute entschieden werden. Es ist sogar höchste Zeit.Aber ich wollte zum Umdruck 413 sprechen, und zwar aus zwei Gründen. Wenn der Antrag auf Umdruck 433 angenommen würde, wäre die Summe mit bewilligt, die für Berlin notwendig und mit 2,2 Millionen DM im Haushaltsplan angesetzt war. Aber die Summe ist im Haushaltsausschuß von der Mehrheit um 1 650 000 DM gekürzt worden, und nur 550 000 DM sind stehengeblieben, so daß auch am 31. März diese Subventionierung zu Ende ist.Ich möchte also das Hohe Haus bitten, die 1 650 000 DM für Berlin wieder einzusetzen, damit die Subventionierung des ausländischen Getreides für Berlin unbefristet für dais ganze Jahr weiterlaufen kann. Ich möchte außerdem die Wiederherstellung der Etatposition 625 beantragen. Berlin war immer gesondert ausgewiesen. Der andere Getreidepreis steht unter Tit. 622, für Berlin unter Tit. 625. Das hat seinen Grund; denn die Ausgangspositionen sind sehr unterschiedlich. Die Dinge sind im Haushaltsausschuß an jenem Tag durch Mehrheitsbeschluß einfach zusammengezogen worden. Ich habe mich schon an jenem Tag dagegen gewehrt. Ich halte es wirklich für falsch.Seit einem Jahrzehnt wenden diese Beträge für Berlin zur Verfügung gestellt, um das ausländische Getreide zu subventionieren. Das kann man nach meiner Ansicht nicht einfach durch einen Beschluß aufheben; denn da sind langwierige Verhandlungen, vorausgegangen. Herr Staatssekretär Hüttebräuker hat das im Haushaltsausschuß auch schon dargelegt. Er wird es hier bestätigen können.Mit dem Antrag auf Umdruck 413 sollen also zwei Dinge erreicht werden. Erstens sollen für das ausländische Brotgetreide für Berlin 1 650 000 DM bewilligt werden, so daß der alte Ansatz von 2,2 Mil-
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Frau Krappelionen DM wieder vorhanden ist. Außerdem soll die andere Etatposition 625 wiederhergestellt werden.Ich bitte wirklich darum, heute zu entscheiden; denn das geht alles am 31. März zu Ende, wenn die Vorlage so durchgeht, wie sie jetzt vorliegt. Wir haben schon Mitte April. Es muß also heute entschieden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zur Begründung der beiden Umdrucke 426 und 427*) einige Ausführungen machen. Die Anträge beschäftigen sich mit Problemen, die wir ja bereits ausgiebig bei der Debatte um den Grünen Plan diskutiert haben. Der Ernährungsausschuß hat sich in seinen Sitzungen mit den Fragen der Strukturverbesserung beschäftigt und dem Haushaltsausschuß bestimmte Vorlagen gemacht. Der Haushaltsausschuß hat aber geglaubt, unseren Vorschlägen nicht in allen Teilen folgen zu können, sondern gemeint, daß einige Punkte geändert werden sollten.Bei den Strukturmaßnahmen handelt es sich im wesentlichen um folgende. Die Strukturmaßnahmen sind bis zu einem gewissen Grade ins Stocken gekommen. Die Aussiedlungen sind im Laufe des vergangenen Herbstes nahezu auf den Nullpunkt abgesunken. Hierfür sind drei Gründe maßgebend. Den einen Grund kennen Sie alle, es sind die gestiegenen Baukosten. Leider konnten sie nur zu einem Teil mit den erhöhten Zuschüssen und Darlehen aufgefangen werden. Ein weiteres Moment war die Unsicherheit über das kommende Agrarpreisniveau in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.Ein dritter, hier speziell wichtiger Punkt, mit dem sich dieser Umdruck beschäftigt, ist die Tatsache, daß am 26. Juli des vergangenen Jahres verschärfte Richtlinien für die Handhabung der Strukturmaßnahmen herausgekommen sind. Heute ist es so, daß erstmals ein sogenanntes Bedürftigkeitsprinzip eingeführt worden ist und daß dadurch heute praktisch nur noch diejenigen bei der Aufstockung, Althofsanierung und bei der Aussiedlung zum Zuge kommen, die das selber praktisch überhaupt nicht leisten können, die bar aller Mittel sind. Dadurch würde der Zweck, der doch in einer wirklichen Verbesserung der Agrarstruktur besteht, völlig verwässert und die Hilfe praktisch zu einer Art Wohlfahrtsunterstützung herabgewürdigt werden.Die Aufgabe wurde doch bisher darin gesehen — an ihrer Durchführung besteht auch ein erhebliches Bundesinteresse —, daß nicht die einzelnen Maßnahmen des einzelnen Landwirts, sondern die Verbesserung der Agrarstruktur als Ganzes im Vordergrund stehen mußten. Diese Verbesserung kann') Siehe Anlagen 6 und 7 in dem notwendigen Tempo und im notwendigen Ausmaß nur dann durchgeführt werden, wenn neben der faktischen Finanzierungsmöglichkeit ein wirtschaftlicher und psychologischer Anreiz gegeben wird. Dies gilt gleichermaßen für die Aussiedlung und Aufstockung wie für die Althofsanierung. So, wie die Dinge heute liegen, sind die guten Interessenten gezwungen, entweder zu verzichten oder praktisch eine Vermögensfrisierung bei der Angabe vorzunehmen, beides Dinge, die dann zu einer negativen Auslese führen würden.Ein weiterer Punkt des Antrags der Koalition sah vor, daß die jährliche Belastung bezüglich der Zinsen für die Agrarstrukturmaßnahmen von 3 % auf 1 % herabgesetzt werden sollte. Der Haushaltsausschuß hat der Empfehlung des Ernährungsausschusses nicht in allen Teilen stattgegeben, sondern er hat nur zugestimmt, daß der Bundesfinanzminister ermächtigt wird, beim Feldwegebau diese Zinsverbilligung durchzuführen; der Bundesfinanzminister hat hier bereits sein Jawort gegeben. Aber das andere hängt noch heute in der Luft.Ich bitte daher, den Änderungen, die hier in der Fußnote zu den Erläuterungen eingefügt werden sollen, zuzustimmen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, diese Hindernisse zu beseitigen.Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Ich bin mir klar darüber, daß bei der Zinsherabsetzung die Gefahr besteht, daß die Darlehen in der Laufzeit vielleicht zu sehr verlängert werden bzw. sich über Jahrzehnte erstrecken. Man müßte deshalb den Gedanken erörtern, ob nicht unter Umständen bei der zweiten Hypothek, die für die Darlehen vorgesehen ist, diese Darlehen zu einem Teil in einen Zuschuß verwandelt werden sollten, statt eine Zinsverbilligung zu gewähren. Ich glaube, das wäre sinnvoll.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Bei der Hergabe von Krediten sollen ja in Zukunft ohne Bindung an Neuinvestitionen auch alte Schulden zinsverbilligt werden, sofern sie zur Rationalisierung der Betriebe gedient haben. Ich möchte hoffen und wünschen, daß bei den neuen Richtlinien, die herauskommen werden, nicht ähnlich wie bei der Agarstrukturverbeserung allzu bürokratisch und zu pedantisch verfahren wird.Ein letztes Wort noch zur Begründung des Entschließungsantrags auf Umdruck 426. In dem Entschließungsantrag zur dritten Lesung ersuchen wir die Bundesregierung, den Begriff „Familienbetrieb" neu zu fassen. Er darf nicht zu eng sein und muß der Entwicklung auf technischem Gebiete, die wir in der neueren Zeit durchgemacht haben, auch entsprechend Rechnung tragen. Mancher Betrieb, der vielleicht vor sechs, sieben Jahren, als man den Begriff Familienbetrieb erstmals geprägt hat, noch mit drei oder vier Arbeitskräften gewirtschaftet hat, muß sich heute auf zwei Vollarbeitskräfte beschränken. Damit rückt er ein in die Kategorie Familienbetrieb.Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe von Betrieben an der unteren Grenze, sogenannte Zuerwerbsbetriebe, die ihren Haupterwerb aus der
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BauknechtLandwirtschaft haben und dazu nur zusätzlichen Nebenerwerb aus der gewerblichen Wirtschaft. Solche gibt es zu Zehntausenden in meinem Heimatlande Baden-Württemberg. Besonders sind es hier solche bäuerlichen Wirtschaften, deren Inhaber während der arbeitsärmeren Zeit in privaten, Körperschafts- oder Staatsforsten tätig sind. Sie sind in diesem Rahmen geradezu lebensnotwendig und dürfen von den agrarstrukturellen Hilfsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Ich bitte das auch bei den künftigen Richtlinien vorzusehen.Dann hat sich zuletzt — offenbar durch einen Hörfehler — beim zweiten Teil des Umdrucks 427 ein redaktioneller Fehler eingeschlichen. Ich möchte darauf hinweisen, daß es in Tit. 626 — Erstattungen und Beihilfen bei der Erzeugung von Kartoffelstärke und von Kartoffeln zur Stärkeherstellung — bei dem neuen Satz der Erläuterungen heißen muß: „Bis zum Erlaß von Bestimmungen über Höhe und Verfahren der Erstattungen und Beihilfen sind die Mittel gesperrt." Das Wort „von" soll also durch das Wort „und" ersetzt werden. Ich bitte das Hohe Haus, diese Änderungen vorzunehmen und den beiden Anträgen Umdruck 426 und Umdruck 427 zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Bauknecht, wollen Sie die Änderungen, die Sie vorgeschlagen haben, nicht heraufgeben: denn ich konnte Ihnen nicht folgen! — Es bezieht sich also auf Umdruck 427.
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Conring hat hier die Meinung geäußert, daß für die Umdrucke 413 und 433 das gelte, was seit gestern morgen von Ihnen praktiziert wird: alle sozialdemokratischen Verbesserungsvorschläge sollen der Koalitionsguillotine zum Opfer fallen.
Ich möchte Ihnen gerade zu Umdruck 413 folgendes sagen, Herr Kollege Conring. Gestern morgen hat der Herr Bundeskanzler einen sehr schönen Satz gesagt, einen Satz, der durch Sie schon nach 24 Stunden desavouiert werden soll.
Er hat in seiner Ansprache gestern morgen erklärt: „Lassen Sie uns über alles mögliche streiten, aber nicht über Berlin". Herr Kollege Conring, soll das Wort des Bundeskanzlers gelten, dann nehmen Sie Ihren Antrag zurück, damit Umdruck 413 nicht auch wieder Ihrer Abstimmungsmaschinerie zum Opfer fällt. Ich glaube, sachlich zu begründen brauche ich nichts; das hat meine Kollegin Frau Krappe bereits getan.
Das Wort hat der Abgeordnete Marquardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch nur wenige Worte zu dem, was Herr Conring gesagt hat! Herr Conring, der Herr Bundeskanzler hat gestern davon gesprochen, es müsse mehr Redlichkeit in die Politik hinein, und er hat sich als ein Musterbeispiel für Redlichkeit dargestellt. Ich kann doch nicht annehmen, daß das, was unter seinem Vorsitz im Kabinett geschehen ist, unredlich gewesen sein soll, oder wenn der Vizekanzler die Sitzung geleitet haben sollte, so will ich nicht unterstellen, daß er unredlicher ist als der Kanzler selbst. Welche Maßstäbe legen Sie denn an? Sie verlangen doch von der Opposition mehr, als Sie vom Kabinett verlangen. — Bitte!
Halten Sie es für erträglich, daß man jede Sachentscheidung über einen Haushaltstitel hier unter diese moralisierenden Kategorien von Redlichkeit und Unredlichkeit stellt?
Entschuldigen Sie, Herr Stoltenberg, wer moralisiert hier in diesem Hause? Den Maßstab anzulegen will ich gern anderen überlassen.
Aber hier war es doch so, daß das Kabinett gesagt hat: bitte, das ist an Mitteln auszubringen, das ist eine politische Notwendigkeit, und du, Ernährungsminister, sieh mal zu, wie du das im Haushalt, Einzelplan 10, unterbringst! Etwas anderes wollen wir auch nicht. Bitte, da steht Ihnen ein Riesenverwaltungsapparat zur Verfügung, da war sehr viel Zeit zur Verfügung, das in Ihrer Koalition durchzuführen. Das ist doch eine Notlösung, was wir tun, nämlich die im Hinblick auf Baden-Württemberg gemachten Versprechungen des Kabinetts nun mit unserer Hilfe einzulösen.
Was liegt denn drin? Jetzt wird es auf die lange Bank geschoben. Aber, Herr Conring, Sie wissen, daß die Zuschüsse ausgelaufen sind, und es mag einige geben, die sagen: Ist der Zug abgefahren, hat der Verbraucher sich an die Preiserhöhungen, die jetzt kommen, gewöhnt, dann wird er es schon schlucken und dann sind wir die Last los. — Wir sollten eine klare Entscheidung fällen und dem Antrag zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Änderungsanträge. Ich schlage folgendes Verfahren vor. Wir stimmen ab nach den Kapiteln des Einzelplans. Das wurde heißen, daß wir zunächst über den Antrag Umdruck 427 Ziffer 1 abstimmen, dann über Antrag Umdruck 433, dann über Antrag Umdruck 413 und schließlich über Antrag Umdruck 427 Ziffer 2. — Das Haus ist mit diesem Verfahren einverstanden.Wir kommen also zunächst zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 427 Ziffer 1. Das ist ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP.
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Vizepräsident SchoettleWer stimmt diesem Antrag zu? — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Wir stimmen nun ab über den Antrag Umdruck 433, Antrag der Fraktion der SED, zu Kap. 10 03 Tit. 622 — Ausgleichsbeträge für Getreide —. Wer stimmt diesem Antrag zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 413. Er betrifft Kap. 10 03 Tit. 625 — Verbilligung von ausländischem Brotgetreide für Berlin —. Wer stimmt diesem Antrag zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir stimmen ab über Antrag Umdruck 427 Ziffer 2 zu Kap. 10 03 — Marktordnung —. Wer stimmt diesem Antrag zu? — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 10 im ganzen. Wer stimmt ihm mit den beschlossenen Änderungen zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 10 ist angenommen.Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein; Fortsetzung 14.30 Uhr mit dem Einzelplan 15.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe auf:
Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen .
Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Krappe, für ihren Schriftlichen Bericht und erteile ihr das Wort zu einer mündlichen Ergänzung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zum Bericht lediglich auf einige Berichtigungen von Druckfehlern bei den Kap. 15 01 und 15 03 aufmerksam zu machen. Um das Plenum nicht zu langweilen, gebe ich dem Herrn Präsidenten die Berichtigungen zu Protokoll *).
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zum Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheitswesen, das „wegen der großen Bedeutung, die der Erhaltung der Gesundheit für den einzelnen und unser Volk zukommt" — wie es in der Regierungs-*) Siehe Anlage 8 erklärung von 1961 heißt —, geschaffen wurde, um — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vielleicht noch etwas weiter zitieren „vor allem für die Reinhaltung des Wassers und der Luft sowie die Bekämpfung des Lärms die notwendigen Maßnahmen mit Energie voranzutreiben". Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Erler, hat gestern schon darauf hingewiesen, daß keines dieser großen Probleme in diesen 21/2 Jahren wirklich angepackt worden ist. Man muß schon sagen, es wirkt etwas verwunderlich, wenn wir nunmehr hören, daß in der Bundesrepublik überall Meßgeräte für die Feststellung der Verunreinigung der Luft aufgestellt werden sollen, nachdem zumindest in großen Teilen der Bundesrepublik die Luftverunreinigung ein Maß erreicht hat, das als unerträglich für die Menschen angesehen werden muß.Lassen Sie mich noch ein anderes Gebiet erwähnen! Auch die damals angekündigte „baldige Gesamtreform" des Lebensmittelrechts ist nicht erfolgt, und es kann auch überhaupt noch keine Rede davon sein, daß sie bald erfolgen wird. Es fehlt ja noch eine Reihe wichtiger Rechtsverordnungen. Das gleiche gilt für das bereits 1961 verabschiedete Arzneimittelgesetz, zu dem auch weder die Rechtsverordnung zur Rezeptpflicht noch die zur Apothekenpflicht vorliegt. Der Beirat, der vom Parlament vorgesehen war, um bei diesen Verordnungen mitzuwirken, ist erst kürzlich von der Bundesgesundheitsministerin überhaupt ernannt worden, nachdem schon Verhandlungen über die Rechtsverordnungen mit den verschiedensten betroffenen Organisationen stattgefunden haben, die vermutlich sehr langwierig sind — was vorauszusehen ist — und die nun den Sinn dieses Beirats völlig verfälschen. Denn der Gesundheitsausschuß und mit ihm das Parlament hatten diesen Beirat gerade deshalb eingesetzt, damit solche Sonderverhandlungen nicht mehr stattfinden, sondern damit alle Betroffenen an einem Tisch gemeinsam darüber beraten. Ich finde es ein unmögliches Vergehen, wenn man unter Berufung auf die Geschäftsordnung der Bundesregierung das, was der Gesetzgeber gewollt hat, einfach zunichte macht. Dann darf eben, wenn das Gesetz etwas anderes bestimmt, in diesem Fall die Geschäftsordnung nicht oder sie muß in anderer Form angewandt werden. Jedenfalls, was soll ein Beirat für einen Sinn haben, wenn sich die Betreffenden, die dort vertreten sind, schon vorher in ihrer Meinung festgelegt haben?!Die Frau Gesundheitsministerin hat nun für das Ausbleiben dieser Reihe von Rechtsverordnungen die „vielen Initiativen der Opposition" verantwortlich gemacht und gemeint, die Arbeiten Ihres Ministeriums würden durch unausgereifte Gesetzesvorlagen behindert. Ich bedauere, daß sich die Frau Gesundheitsministerin einer solchen Polemik bedient und damit eigentlich auch das Initiativrecht des Parlaments abwertet. Was sollen wir dann von der Vorlage der Bundesregierung zum Arzneimittelgesetzes halten, bei dem wir ja auch reichlich Zeit und Mühe verwandt haben, um es in die Form zu bringen, die uns als Ausschuß als die richtige erschien.Ich kann es leider auch nicht anders als polemisch bezeichnen, wenn die Frau Gesundheitsmi-
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5866 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Frau Dr. Hubertnisterin die Äußerungen meiner Kollegin Frau Schanzenbach zum Krankenversicherungsgesetz dahin mißinterpretiert, wir wollten die Krankenschwestern reglementieren. Dabei hat Frau Schanzenbach bei der Debatte hier im Hause auf nichts anderes hingewiesen und nichts anderes unterstrichen als das, was wir z. B. auch in den sogenannten „Grundsätzen" der CDU zur Gesundheitspolitik finden, nämlich Entlastung der Krankenschwestern von berufsfremder Arbeit. Der Freiwilligkeit soll naturgemäß nie eine Schranke gesetzt werden, es sei denn dort, wo andere Menschen gefährdet werden könnten.Ich hoffe, wir sind uns auch darin einig, daß die Pflege Kranker durch unausgebildete Hilfskräfte im Interesse der Kranken nicht länger geduldet werden sollte. Es ist die höchste Zeit, daß wir das angekündigte Gesetz zur Krankenpflegeneuregelung bekommen.In den eben erwähnten CDU-Grundsätzen, die auf dem Parteitag in Hannover verkündet wurden, findet man manches, was einem als Sozialdemokraten bekannt vorkommt. Soweit wir mit einer Reihe dieser Punkte übereinstimmen können, kann man nur sagen: Es sind leider recht verspätete Erkenntnisse nach anderthalb Jahrzehnten der Regierungstätigkeit und 15 Jahren verpaßter Gelegenheiten. Nur „die Sicherung der Krankenbehandlung läßt die letzten Klarheiten vermissen," schreibt der „Rheinische Merkur". Ich möchte hinzufügen: Auch bezüglich der Lösung des Problems unserer Krankenhäuser ist keine Klarheit vorhanden, besonders soweit es sich um die finanzielle Sicherstellung unserer Krankenhäuser handelt. Im Haushaltsplan kann man jedenfalls nur feststellen, daß die Mittel, die für die freien gemeinnützigen Krankenhäuser als Darlehen vorgesehen waren, um 4 Millionen DM gekürzt worden sind, obgleich der Bedarf im vergangenen Jahr um 2,4 Millionen DM höher lag als der Ansatz. Der Haushaltsausschuß hat hier dann durch Bindungsermächtigungen einen gewissen Ausgleich und Abhilfe geschaffen.Gesundheitspolitik ist aber mehr als die Hergabe staatlicher Mittel für gesundheitlich wichtige Zwecke oder als nur die Vorlage von Gesetzentwürfen, soweit sie in direkter Kompetenz des Bundesgesundheitsministeriums liegen. Dabei möchte ich unter Gesundheit nicht nur das Fernsein von Krankheiten verstanden wissen, sondern die Möglichkeit, alle körperlichen Kräfte und Fähigkeiten des Menschen auf die höchstmögliche Stufe der Vollkommenheit zu bringen und den Menschen damit auch ein Alter in Gesundheit zu ermöglichen. Wie weit wir in der Bundesrepublik davon noch entfernt sind, zeigen Tatsachen wie die, daß zwei Drittel unserer Rentenempfänger frühinvalide sind. Das zeigen die Schuluntersuchungen, bei denen sich bei einer übergroßen Zahl von Kindern Gesundheitsschäden in Gestalt nicht nur von Haltungsfehlern, sondern auch nervöser Art zeigen. Daß bei der Bundeswehr Überanstrengungen und Überbeanspruchungen zu so tragischen Todesfällen geführt haben, ist doch auch ein Zeichen dafür, wie sehr Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer jungen Menschen gemindert sind, wobei die Bundeswehr noch eine gesundheitliche Auslese darstellt.Aufgabe einer Gesundheitsministerin ist es, auf alle Bereiche der Gesetzgebung hinzuwirken und Hüterin der gesundheitlichen Forderungen zu sein. Bei uns scheint der Rat der Gesundheitsministerin nicht sehr gefragt, vielleicht nicht sehr gewünscht — ich weiß eis nicht —; sonst hätte Z. B. auch, wenn gesundheitliche Gesichtspunkte irgendwie zum Tragen gekommen wären, die neue Vorlage der gesetzlichen Krankenversicherung in vielen Einzelheiten ganz anders aussehen müssen. Vom gesundheitlichen Gesichtspunkt aus müßte die Tatsache, daß sich z. B. der Krankenstand erhöht hat, doch zunächst nicht zu der Frage führen, wer hier die Krankenversicherung ausnütze, sondern zu der Frage, warum sich denn der Gesundheitszustand unserer Bevölkerung verschlechtert habe. Der normale Mensch hat ein natürliches Bedürfnis, seine Gesundheit zu erhalten, und ist auch keineswegs geneigt, unnötig zum Arzt zu gehen. Man hätte also die Erforschung der Beziehungen zwischen Krankheit und heutigen Lebensbedingungen mehr fördern müssen. Die Frau Ministerin hätte im Kabinett mit aller Energie auf die Bewilligung der notwendigen Mittel für solche Forschungen dringen müssen.Wir meinen auch, daß unser Bundesgesundheitsamt und 'seine Forschungsstätten materiell und personell seit Jahren ganz anders und viel besser hätten ausgestattet werden können, damit diese Forschungsinstitute, von denen eines, das RobertKoch-Institut, einmal Weltruf gehabt hat, auch in der modernen Welt mit den im Vordergrund stehenden Zivilisationskrankheiten ihren ,Auftrag als Forschungsstätten des Bundes erfüllen können. In Kürze muß wahrscheinlich über eine neue Leitung für das Bundesgesundheitsamt entschieden werden. Ich möchte dazu mit allem Nachdruck sagen: dem Range des Bundesgesundheitsamtes und seiner Forschungsstätten entspräche es, wenn auch ein Wissenschaftler von Rang die Leitung übernähme.Erfolgreicher Wirkungsmöglichkeiten durch das Kabinett beraubt, wendet sich Frau Minister Dr. Schwarzhaupt mit Appellen an die Bevölkerung, „sich .gesundheitsgemäß zu verhalten". Ihre besondere Sorge gilt immer der Begrenzung staatlicher Aufgaben, um keine staatlichen Eingriffe in die private Sphäre zuhaben. Ich weiß nicht recht, wodurch. die private Sphäre bedroht sein soll, es sei denn vielleicht durch Vorstellungen im Arbeitsministerium, die bei der Vorlage des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zum Ausdruck kamen, nämlich die Ausweitung eines vertrauensärztlichen Dienstes zu einem kontrollärztlichen Dienst. Sicherlich ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Heilung von Krankheiten das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt. Darum haben wir Sozialdemokraten von jeher für die freie Wahl des Arztes gekämpft und sind dafür eingetreten.In diesem Zusammenhang darf ich noch auf eine andere wichtige Voraussetzung der Krankheitsheilung hinweisen, die in der Kompetenz des Bundes liegt: daß unsere Ärzte nach besten und modernsten Grundsätzen ausgebildet werden. Hier
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5867
Frau Dr. Hubertmuß man doch fragen, ob die Ausbildung noch den Aufgaben entspricht, die in Zukunft, besonders auch bei der Gesundheitsvorsorge, auf die Ärzte zukommen, und ob unsere Universitäten ihnen auch das nötige Wissen über das Arbeitsleben und die Beziehungen zwischen psychischer Belastung und Krankheit vermitteln. Fortbildungskurse .der Ärzte, die sicher vieles leisten, genügen nicht. Schon der junge Mediziner muß in seiner Ausbildung all diesen Aufgaben gewachsen sein. Die Bundesregierung hat mit der Zulassung zu den Heilberufen die Verantwortung und schon allzu lange gesäumt, eine neue Bestallungsordnung für Ärzte vorzulegen. Diese ist nun im Referentenentwurf erfreulicherweise fertiggestellt. Ich bin aber der Meinung, daß bei einer Verordnung, die so grundlegend für die Zukunft und gesundheitspolitsich so bedeutsam ist, auch dem Parlament die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben werden sollte.Der Staat hat nicht allein, wie Sie, Frau Ministerin, es so gerne ausdrücken, „Hilfe zu geben für gesundheitliches Verhalten", er hat die Lebensbedingungen so zu gestalten, daß der Mensch gesund leben und gesund bleiben kann. Das gilt für Maßnahmen, wie die wirkliche Durchführung des Goldenen Plans, auf die gestern schon mein Kollege Wellmann hingewiesen hat, der gerade die gesundheitliche Bedeutung sehr stark unterstrichen hat. Ich habe dem nichts weiter hinzuzufügen. Das gilt auch für die Notwendigkeit der Raumordnung, die es den Menschen ermöglichen muß, in ihren Wohnungen wieder wirkliche Stätten der Ruhe und der Erholung zu finden.Man hat zwar ein Bundesgesundheitsministerium geschaffen, aber es blieb in all den Jahren das Stiefkind der Regierung. Das wird besonders deutlich an dem heutigen Etat des Bundesgesundheitsministeriums, wo so wichtige Positionen gekürzt worden sind wie die, aus denen z. B. Zuschüsse für sehbehinderte Kinder oder für eine Neuroseklinik in Stuttgart gegeben werden sollten. 3,2 Millionen DM für förderungswürdige Forschungsvorhaben hatte das Gesundheitsministerium für notwendig gehalten, 1,5 Millionen DM sind im Etat dafür bewilligt. Fast 1,5 Millionen DM geringer ist der Etat des Bundesgesundheitsministeriums heute gegenüber dem vorigen Jahr, und er wäre noch um 800 000 DM geringer, wenn diese 800 000 DM im Etat nicht für wahrscheinlich zwangsläufig notwendige Instandsetzungsarbeiten der Berliner Institute eingesetzt wären.Das ist eine traurige Bilanz, meine Damen und Herren. Wir können darum diesem Etat nicht zustimmen und werden uns der Stimme enthalten. In einer Welt, die so hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen durch ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen stellt und in der auch Fortschritt und Wohlstand von der Erhaltung dieser Leistungsfähigkeit abhängen, müßte die Gesundheitspolitik der Kristallitionspunkt einer Innenpolitik sein, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jungmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heutzutage schon zu einer Gewohnheit — ich will nicht sagen: zu einer erfreulichen Gewohnheit geworden, die Gesundheitspolitik der Bundesregierung zu kritisieren. Die SPD tut mit Vorliebe so, als ob sie die Gesundheitspolitik in Erbpacht genommen hätte. Ich will dabei durchaus nicht übersehen, daß sich die Sozialdemokraten schon sehr lange in anerkennenswerter Weise für die Gesundheitspolitik interessiert haben und daß sie auf diesem Gebiet vieles vorangetrieben haben, was vielleicht sonst nicht so schnell vorangekommen wäre. Das soll gerne anerkannt werden.
Die SPD kann aber keineswegs für sich in Anspruch nehmen, der Gesundheitspolitik eine so große Bedeutung beigemessen zu haben, daß sie sich auch nur einmal dafür eingesetzt hätte, daß ein Bundesgesundheitsministerium geschaffen wird, wie es dann schließlich im vierten Kabinett Adenauer geschehen ist.
Durch ihre ständige Kritik an der Arbeit dieses Ministeriums hat die SPD nun, wie schon gesagt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versucht, als ob sie die Gesundheitspolitik gepachtet hätte.
Dabei weiß die SPD nur zu genau, daß das Gesundheitsministerium nicht nur sehr große organisatorische Anfangsschwierigkeiten zu überwinden gehabt hat, sondern daß es vor allem auch auf sehr große verfassungsrechtliche Schwierigkeiten gestoßen ist. An diesen Schwierigkeiten ist die SPD aber keineswegs so unschuldig, wie sie tut, jedenfalls nicht so unschuldig, wie sie es der Öffentlichkeit glauben machen möchte. Wir haben jedenfalls nichts davon gemerkt, daß sie sich ernsthaft und nachhaltig für die Verbesserung der unzulänglichen finanziellen Ausstattung dieses neuen Hauses eingesetzt hätte, über die Frau Dr. Hubert gerade geklagt hat. Wir haben auch nichts davon gemerkt, daß sich die SPD bei ihren politischen Freunden in den von der SPD regierten Ländern nachdrücklich und erfolgreich dafür eingesetzt hätte, daß die gesundheitspolitischen Kompetenzen des Bundes besser beachtet werden oder die nötige Anerkennung finden. Gerade heute nachmittag wird der Vermittlungsausschuß über den Einspruch zu entscheiden haben, der vor allem von den sozialdemokratischen Ländern — allerdings auch von einigen anderen Ländern — gegen das einstimmig von diesem Hohen Hause verabschiedete Jugendzahnpflegegesetz eingelegt worden ist. Wir werden sehen, ob sich die politischen Freunde der SPD bei dieser Abstimmung so verhalten, daß die von der SPD an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung geübte Kritik nicht völlig unglaubwürdig wird.
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5868 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. Jungmann— Ich spreche in einer politischen Aussprache. Danach haben doch auch Sie sich gestern und heute den ganzen Tag gerichtet.Es ist dann behauptet worden — nicht hier, aber in der politischen Öffentlichkeit —, daß das Gesundheitsministerium nicht genügend produziert habe. Ich kann darauf nur wiederholen, was Frau Dr. Schwarzhaupt auf derartige Angriffe von dieser Stelle her immer wieder gesagt hat: daß man die Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums nicht nach der Elle der produzierten Gesetze, nach der Gesetzeslänge und nach der Gesetzesmenge messen kann.
Die SPD vermißt bei dem jungen Ministerium „Gründlichkeit, Klarheit und Zielstrebigkeit", wie das der Kollege Dr. Schmidt geschrieben und in der Öffentlichkeit auch gesagt hat. Die notwendigen Gesetze und Verordnungen müssen ausgereift und mit allen Beteiligten gründlich besprochen und geprüft werden, ehe sie auf die Menschheit losgelassen werden. Ich glaube, daß diese Ausdrucksweise hier tatsächlich erlaubt ist, weil doch alles, was vom Bundesgesundheitsministerium an Gesetzen und Verordnungen erlassen wird, jeden einzelnen, auch uns selber in höchst persönlicher Weise betrifft. Wenn bemängelt wird, daß es der Gesundheitspolitik der Bundesregierung an der nötigen Klarheit und Zielstrebigkeit fehle, so hört sich das vielleicht sehr schön an und liest sich auch sehr gut, zumal es heute üblich ist, daß die Politik der Bundesregierung in dieser Weise öffentlich kritisiert wird.Sie, verehrte Frau Kollegin Dr. Hubert, haben darauf hingewiesen, daß das Gesundheitsprogramm der CDU in vieler Hinsicht mit dem übereinstimme, was Sie schon vor uns und seit vielen Jahren gesagt haben. Das zeigt aber doch nur, daß Sie Ihre Ansichten in vielen Punkten nicht als Ihr politisches Eigentum in Anspruch nehmen können, sondern daß es sich um Auffassungen handelt
— durchaus richtig —, die Gemeingut sind und die wir gemeinsam mit Erfolg seit Jahren vertreten haben.Es gibt aber auch andere Punkte, in denen wir nicht einer Meinung sind und in denen unsere Vorstellungen und Ihre Vorstellungen über den Weg zu dem jeweiligen Ziel nicht übereinstimmen. Ich meine daß es nicht gut ist, in solchen Fällen dann der Bundesregierung nachzusagen, daß sie es an Klarheit und Zielstrebigkeit fehlen lasse, und zwar nur deshalb, weil die Vorstellungen über Ziele und Wege eben nicht völlig übereinstimmen.Die Frau Bundesminister für Gesundheitswesen wäre nach unserer Auffassung nicht gut beraten, wenn sie allein um der tagespolitischen Effekthascherei willen oder von der Kritik der politischen Opposition gedrängt und getrieben, von ihrem guten Grundsatz abweichen würde, das Hauptgewicht ihrer Arbeit nicht auf eine möglichst große Zahl und die schnelle Vorlage von Gesetzen und Vorschriften zu legen, sondern auf die Sorgfalt undGründlichkeit der Vorbereitung aller dieser Vorhaben. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten erlaube ich mir, aus den Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Schmidt hier einiges mitzuteilen, was unsere volle Zustimmung findet. Herr Dr. Schmidt hat in einem Nachrichtendienst geschrieben, daß die wissenschaftlichen Erkenntnisse, und zwar nicht allein die medizinischen, sondern alle im Zusammenhang mit der Gesundheitspolitik stehenden, voll auszuschöpfen seien, um in Verbindung mit den praktischen Erfahrungen, auch des Auslands, ein wirklichkeitsnahes Situationsbild zu erhalten. Die Wissenschaft müsse nicht nur gehört werden, sie müsse auch besser in die Lage versetzt werden, Grundlagenforschung auf breitester Basis zu betreiben und deren Ergebnisse auszuwerten. Wie sehr es bei uns daran mangele, zeige das Beispiel der Arbeitsmedizin. Vorhandene Lehrstühle und Institute reichten nicht aus, um alle dringend notwendigen Untersuchungen durchzuführen und die Heranbildung einer ausreichenden Zahl von Werksärzten zu garantieren.Und in diesem Stil weiter. Das sind Auffassungen, die wir in vollem Umfange teilen. Aber gerade sie zeigen ja eben, wie langwierig und nachhaltig derartige Arbeiten vorbereitet werden müssen und daß man sie nicht einfach aus dem Ärmel schütteln kann.Wenn der Bundesregierung ein Mangel an gesundheitspolitischer Aktivität vorgeworfen wird, so kann man nicht so, wie Herr Kollege Schmidt es getan hat, sagen: „Nun hat das Bundesgesundheitsministerium inzwischen drei Jahre Zeit zum Anlaufen gehabt; das ist doch reichlich genug, um in Gang zu kommen." Erstens sind zwei Jahre keine drei Jahre. Aber ganz abgesehen davon weiß doch jeder hier in diesem Hause, daß die Anfangsschwierigkeiten noch immer nicht überwunden sind, daß sie noch gar nicht überwunden sein können, und daß es auch noch eine gewisse Zeit dauern wird, bis sie endgültig überwunden sein werden.Erst im Laufe des letzten Jahres ist die innere Entwicklung des Ministeriums mit seinen drei Abteilungen — Humanmedizin, Lebensmittelwesen und Umweltbedingungen — zu einem gewissen Abschluß gelangt; noch immer sind aber nicht alle personellen Voraussetzungen für die Erfüllung der umfangreichen Aufgaben verwirklicht worden, die dem Ministerium gestellt sind.Diese Kritik kann sich, das möchte ich hier nachdrücklich sagen, nicht nur gegen die Bundesregierung und schon gar nicht gegen das Bundesgesundheitsministerium richten; sie muß sich zu einem erheblichen Teil auch gegen uns selbst richten, denn dieses Hohe Haus ist ja die Stelle, die die benötigten Gelder zu bewilligen hat,
Neben den bereits vorgelegten und in Vorbereitung befindlichen Gesundheitsgesetzen, die, wie gesagt, einer sehr sorgfältigen Vorbereitung bedürfen, hat das Gesundheitsministerium eine ungewöhnlich
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5869
Dr. Jungmanngroße Zahl von bedeutsamen Verordnungen zu erlassen bzw. bereits erlassen. Die Zahlen, mit denen ich Sie hier gar nicht im einzelnen langweilen will, — — Bitte, Frau Dr. Hubert?
Herr Kollege Jungmann, finden Sie nun aber nicht zweieinhalb Jahre — 1961 haben wir das Arzneimittelgesetz verabschiedet, noch fast ein Jahr davor das Lebensmittelgesetz — reichlich lange für das Ausbleiben von Rechtsverordnungen?
Frau Dr. Hubert, ich würde nicht behaupten, daß ich nicht ebenfalls den Wunsch hätte, daß einige Verordnungen hätten schneller kommen können. Sie wissen aber auch, daß der Knüppel beim Hund liegt und daß ein und zwei Referenten nicht dreißig Verordnungen oder auch nur fünf oder zehn Verordnungen machen können. Die personellen Schwierigkeiten liegen hier doch auf der Hand. Wir wissen das beide, Sie ebensogut wie ich selbst.
Wie gesagt: ich will die große Fülle von Gesetzen nur mit ein paar Stichworten erwähnen, um zu zeigen, daß die Klage über Inaktivität doch einen Vorwurf darstellt, der nicht zu Recht besteht.
Es konnte nicht nur eine Novelle zum Bundesseuchengesetz und eine Novelle zum Arzneimittelgesetz verabschiedet werden — das gehört der Vergangenheit an —, auf dem Tisch des Hauses liegt ein Heilmittelwerbegesetz, eine Bundestierärzteordnung und ein Wassersicherstellungsgesetz. Eine Reihe von Initiativgesetzentwürfen sind unter Mitwirkung — wie das so zu sein pflegt und wie es auch richtig ist — des Ministeriums zustande gekommen. Von den vielen Verordnungen, die ich vorhin erwähnt habe — es sind inzwischen schon 23 in diesen zweieinhalb Jahren erlassen worden, und noch eine ganze Reihe sind in Vorbereitung — möchte ich die nennen, die Frau Dr. Hubert zum Teil schon genannt hat: die Bestallungsordnungen für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker, mehrere Strahlenschutzverordnungen, die sehr kompliziert und sehr schwierig zu konzipieren sind, weil dabei internationale Bestimmungen beachtet werden müssen, eine Apothekenbetriebsordnung und die zahlreichen Verordnungen auf dem Gebiet des Arzneimittel- und des Lebensmittelwesens.
Nun, Aufzählungen sind im allgemeinen eine ungute Art der Darstellung der Arbeit eines Ministeriums. Aber Inaktivität ist wohl das letzte, was man diesem zahlenmäßig nicht gerade sehr starken Hause zum Vorwurf machen kann.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich kann es genug sein lassen. Konstruktive Kritik begrüßen wir immer. Kritik darf aber nicht zu Vorwürfen gegenüber einem arbeitsamen Ministerium führen, die nicht gerechtfertigt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann mir nicht darauf ankommen, mich Angriffen auf der einen Seite und Darstellungen auf der anderen Seite anzuschließen. Es geht mir bei der Debatte über den Einzelplan 15 im wesentlichen darum, daß die Gesundheit ein allgemeines Anliegen aller politischen Kräfte in unserem Land ist und daß wir uns nicht zerstreiten sollten, sondern versuchen sollten, gemeinsam etwas zu tun.Es ist sicher leicht gesagt, Frau Kollegin Hubert, daß das neue Haus in den letzten zwei Jahren nicht genug getan habe. Aber wenn wir die Kritik in ein richtiges Lot bringen wollen, dann müssen wir den Vergleich mit dem einzelnen suchen. Der einzelne Mensch in unserem Volk, wir alle pflegen an unsere Gesundheit erst zu denken, wenn wir ernstlich gefährdet sind. Wir hatten uns nach dem Zusammenbruch und dem Aufbau der Bundesrepublik verständlicherweise auch im Bund zunächst den wirtschaftlichen und sozialen Anliegen gewidmet und dabei vielleicht etwas übersehen, daß die beste wirtschaftliche und technische Entwicklung dann nicht vollkommen sein kann, wenn ihr gleichzeitig ein gesundheitsgefährdender Aspekt anhängt. Man sollte sehen, daß wir einen echten Nachholbedarf auch auf dem. Gebiete der Gesundheitspolitik haben und daß wir uns alle anstrengen müssen, auch hier im Hause anstrengen müssen, der Gesundheitspolitik vorwärtszuhelfen.Ein Punkt scheint mir bei der Durchsicht des Haushalts besonders wichtig zu sein, und zwar ist das die Forschungs- und Ausbildungsförderung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Im Einzelplan 15 sind dafür, wenn ich es recht übersehe, 4 Millionen DM angesetzt. Sicherlich ist diese Summe nicht der Gesamtbetrag, den die Bundesrepublik Deutschland für die Förderung von Wissenschaft und Ausbildung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ausgibt. Im Rahmen der Förderung der Universitäten usw. werden etwa insgesamt 200 Millionen DM ausgegeben. Aber wenn wir das mit den Ausgaben anderer Länder vergleichen, etwa der USA, dann stellen wir fest, daß dort die Aufwendungen für Forschung und Ausbildung im Gesundheitsbereich weit über 1 Milliarde Dollar — nicht Mark — betragen. Ich glaube, wir sollten — das ist in der Kulturdebatte bezüglich der anderen Wissenschaftszweige eindeutig angeklungen — die Forschung und Ausbildung auf dem gesundheitspolitischen Gebiet als eine primäre Aufgabe sehen und dafür in Zukunft entsprechende Beträge einsetzen.Frau Kollegin Hubert hat des weiteren zum Ausdruck gebracht, daß eine gewisse Aktivität des Staates notwendig sei. Meine Damen und Herren, ich spreche für die freie demokratische Fraktion. Ich will gar nicht bestreiten, daß die Aufgaben des Staates auf gesundheitspolitischem Gebiet infolge der Entwicklung, insbesondere der technischen Entwicklung, zugenommen haben. Denken wir beispielsweise an die Umweltgefahren, deren der einzelne nicht Herr werden kann, auch wenn er sich noch so einsetzt, denken wir an die Fragen der Arbeitsmedizin, wo es nicht anders ist. Aber ich glaube,
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5870 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. Hamm
es ist notwendig, klar herauszustellen, daß das Primäre einer Gesundheitspolitik nicht eine staatliche Ordnung der Verwaltung sein kann, sondern eine Aufklärung und Erziehung. Wir sollten gesundheitliche Verantwortung für uns selber und für andere wecken und nicht etwa durch staatliche Gesetze und Maßnahmen ersetzen. Ich weiß, daß die Probleme nicht so extrem liegen, wie es nach meinen Ausführungen vielleicht scheinen könnte. Aber es gibt immer wieder — die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Gesundheitswesen werden mir recht geben — Fälle, in denen die Verantwortungsabgrenzung sehr schwer zu finden ist. Wir sollten darauf achten, daß es besonders gefährlich ist, wenn auf dem Gebiete der Verantwortung für die eigene Gesundheit durch staatliche Maßnahmen, durch Vertrauen auf staatliche Maßnahmen möglicherweise eine gewisse Laschheit eintritt.Meine Damen und Herren, der Einzelplan 15 macht ein Tausendstel unseres gesamten Haushaltsvolumens aus. Ich will damit nicht sagen — und will es auch nicht dramatisieren —, daß das nun ein Minimum sei. Gesundheitspolitik wird ja nicht nur beim Bund, sondern auch in den Ländern getrieben. Aber ich möchte doch einen Appell an das Haus richten, die Gesundheitsfragen bei der Aufstellung des Haushalts besonders ins Auge zu fassen und zu beachten. Das gilt nicht nur für die Regierungsparteien, sondern ebenso für die Opposition; denn sie hat ja bei der Beratung des Haushalts ebenso mitgewirkt. Es ist notwendig, uns bewußtzu werden, daß Schutz der Gesundheit mit der zunehmenden Technisierung und mit der zunehmenden Entwicklung immer wichtiger wird. Es ist sicher notwendig, daß wir uns kleiden können und daß wir zu essen haben, aber der Gesundheit kommt eine weit höhere Bedeutung zu. Wir sollten das auch bei der Einschätzung der Gesundheitspolitik beachten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2064, Einzelplan 15. Wer zustimmt, der gebe bitte ein Zeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr .
Hierzu liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Ritzel vor, der Bericht wird nicht weiter ergänzt.
Es liegen weiter Entschließungsanträge auf Umdruck 437 und Umdruck 435*) vor. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß. *) Siehe Anlagen 9 und 10
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Aufstockung der Konzessionen im Güterfernverkehr, die Zuspitzung in der Tarifsituation, die finanzielle Situation bei der Bundesbahn und eine Reihe von anderen verkehrspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung machen eine umfassende Aussprache über die Verkehrspolitik der Bundesregierung dringend notwendig. Die Redezeit, die uns nach der zwischen den Fraktionen getroffenen Vereinbarung für die Beratung des Einzelplans 12 zur Verfügung steht, läßt diese dringend notwendig gewordene umfassende Aussprache über die Verkehrspolitik der Bundesregierung leider nicht zu. Ich möchte aber heute schon ankündigen, daß wir die parlamentarische Voraussetzung dafür schaffen werden, diese Debatte noch vor der Sommerpause hier im Hause stattfinden zu lassen.Heute möchte ich nur einige wenige Punkte kurz behandeln. Der Herr Bundesverkehrsminister hat nach einer Information des „Industrie-Kuriers" auf einer Tagung der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe in Bielefeld vor einigen Tagen u. a. ausgeführt, daß die für den Straßenbau in den Vierjahresplänen vorgesehenen Mittel nicht dazu ausreichen, der noch ständig wachsenden Verkehrsdichte gerechte Verkehrsverhältnisse zu schaffen. Er hat weiter ausgeführt, auch nach 1970 werde für den Straßenverkehr noch keine ausreichende Verkehrsfläche zur Verfügung stehen, da bis dahin die Motorisierung schneller zunehme, als der Straßenbau arbeiten könne. Er hat dabei insbesondere auf die fehlende finanzielle Grundlage abgestellt.Meine Damen und Herren, diese Feststellung ist bemerkenswert. Es ist das erstemal, daß ein Vertreter der Bundesregierung offiziell zugibt, daß sich die Schere zwischen Straßenbau und Motorisierung weiter öffnen wird und daß der Rückstau im Straßenbau weiter anwächst. Diese Feststellung, die Sie, Herr Bundesverkehrsminister, in der klaren Erkenntnis der wachsenden Straßennot getroffen haben, bedeutet aber letzten Endes, wenn sich nichts Entscheidendes ändert, die Kapitulation vor dem Wachstum der Motorisierung, und das nicht aus technischen, sondern aus fiskalischen Gründen; denn der Straßenbau ist bis zum heutigen Tage kein technisches, sondern ein ausgesprochen finanzpolitisches Problem.Ich glaube, es würde zu verheerenden Konsequenzen führen, wenn wir resignierten und die im Mineralölsteuergesetz festgelegten Größenordnungen für den Straßenbau als nahezu unabänderliche Richtlinie anerkennen würden. Wir als Verkehrspolitiker und auch als Mitglieder dieses Hohen Hauses haben die Pflicht, uns Klarheit darüber zu verschaffen, was technisch und planerisch im Rahmen der Vierjahrespläne möglich ist, um den Straßenbau der Motorisierung anzupassen. Deswegen haben wir um eine zeitnahe Überprüfung des zweiten Vierjahresplanes gebeten.Der Bericht, den das Bundesverkehrsministerium nach dem einstimmigen Beschluß des Plenums bis zum 31. März dieses Jahres erstatten sollte, liegt bis
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5871
Dr. Bleißzum heutigen Tage nicht vor. Ich darf nachdrücklich die Bitte aussprechen, die Berichterstattung so bald wie möglich nachzuholen. Meine Damen und Herren, für ein Parlament, daß die volle Verantwortung für den Straßenbau zu tragen hat, ist es einfach unabdingbar, sich volle Klarheit über den Gesamtaufwand zu verschaffen, der notwendig ist, um unser Straßennetz in Ordnung zu bringen. Diese Informationen, deren wir dringend bedürfen, dürfen nicht durch fiskalische Überlegungen beeinträchtigt oder frisiert werden. Das gilt insbesondere auch für die Arbeit der Kommission für Raumplanung und Straßenbau in Städten und Gemeinden, die bis Mitte des Jahres zu berichten hat.So wichtig alle technischen Darlegungen sein mögen, entscheidend für uns ist die zahlenmäßige Größenordnung. Denn dieser 4. Bundestag — so hieß es damals in der Begründung der Antragsteller; der Antrag ging von der CDU aus — hat sich mit der ganzen Problematik insbesondere des innerstädtischen Verkehrs auseinanderzusetzen. Wir erwarten mit einiger Spannung die Vorschläge der Bundesregierung zu dieser Materie.Meine Damen und Herren, vor etwa einer Woche ist die erste Stahlflachstraße bei Butzbach dem Verkehr übergeben worden. Diese Stahlflachstraße bedeutet für alle, die diese Baustelle passieren müssen, eine wesentliche Erleichterung. Die Stahlstraße, die hier zur Verwendung gekommen ist, hat eine Länge von 1 km. Angesichts der vielen Baustellen, die es gibt, ist aber dieser eine Kilometer nur ein bescheidener Anfang. Es werden Stahlstraßen in einer Streckenlänge von etwa 90 km erforderlich sein, wenn man erreichen will, daß alle Baustraßen umfahren werden können.Herr Bundesverkehrsminister, in wenigen Wochen setzt der Reiseverkehr ein, und er wird in diesem Jahr stärker sein als 1963; denn allein im letzten Jahr sind mehr als eine Million Fahrzeuge neu zugelassen worden. Wir richten deshalb die dringende Bitte an Sie, unter Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten bis zum Beginn der Hauptreisezeit soviel Stahlflachstraßen wie nur irgend möglich zu montieren, damit in diesem Jahr die Autoschlangen an den Baustellen nicht noch länger werden als 1963. Der zusätzliche Aufwand, der hierdurch entsteht, wird sich durch die Ersparnis von Zeit und Ärger und durch die Verhütung von Unfällen vielfach bezahlt machen.Lassen Sie mich zu einem anderen Punkt kurz Stellung nehmen. Gestern hat der Verwaltungsrat der Bundesbahn getagt und Senkungen der Regeltarife im Rahmen des DEGT bis zu 25% beschlossen. Durch diese Aktion, zu der sich die Deutsche Bundesbahn infolge der Kontingentserhöhung der Bundesregierung veranlaßt sah, erfahren die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Verkehrsträgern eine erneute und gefährliche Zuspitzung, die von dem Straßenverkehr als existenzbedrohend angesehen wird. Wenn das die erste und gewollte Konsequenz der Kontingentserhöhung für FernverkehrKonzessionen ist, so waren Sie meiner Meinung nach bei dieser Maßnahme nicht ;gerade gut beraten, und es ist geradezu erstaunlich, mit welcher Schärfe und mit welcher Härte sich die Gremien der Deutschen Bundesbahn gegen ,die Maßnahmen der Bundesregierung zur Wehr setzen. Noch ist nichts entschieden; das letzte Wort liegt bei dem Herrn Bundesverkehrsminister. Aber wir sind besorgt darüber, daß sich hier ein ruinöser Wettbewerb ankündigt, den wir im Interesse der vielen mittelständischen Existenzen vermeiden wollen. Deswegen sind wir der Auffassung, daß die gesamte Tarifsituation, einschließlich der Margentarife, einschließlich der Verkehrsnovellen, einer sehr eingehenden Erörterung im Bundestag bedarf. Wir werden auch hierfür die parlamentarische Voraussetzung schaffen. Wir richten aber an die Bundesregierung die dringende Bitte, alle tarifarischen Maßnahmen bis zu dieser Aussprache über die Verkehrspolitik zurückzustellen und das Parlament nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen.Im Verlauf der Haushaltsdebatte war sehr häufig von der Stabilität des Haushalts die Rede. Nun, wir haben im Zusammenhang mit dem Verkehrsetat keine Anträge gestellt, obwohl die Ansätze zu einem großen Teil zu niedrig sind. Aber die Aufstockung der Konzessionen und der drohende Tarifkampf werden die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Deutschen Bundesbahn wesentlich beeinflussen und mit einiger Sicherheit zu einem Ansteigen der Defizite frühren. Sie wissen, daß der Bund die Verluste der Bundesbahn nach § 28 a zu übernehmen hat. 'Diese Verluste müssen also schließlich und endlich auf den Bundeshaushalt übernommen werden, und von dieser Seite her wird die Stabilität des Haushalts in Frage gestellt. Das sollte auch der Herr Bundesfinanzminister sehen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließlich noch ein drittes Problem unseres Verkehrsnotstandes hier kurz skizzieren; es handelt sich um den Zustand unserer Binnenwasserstraßen. Die Verhältnisse auf diesem Gebiet kann man schlicht als katastrophal bezeichnen. Bei einem Neubauwert der Binnenwasserstraßen von 5 Milliarden DM — das sind die Zahlen des Bundesverkehrsministeriums — stehen an jährlichen Investitionsmitteln rund 100 Millionen DM oder 2% des Anlagewertes zur Verfügung. Der bauliche Zustand des Mittellandkanals, dieser großen Wasserstraße, die uns mit Berlin verbindet, verschlechtert sich durch fortschreitende Uferabbrüche ständig. Der Kanal ist dem heutigen Verkehr nicht mehr gewachsen. Nur etwa 20 % unseres insgesamt etwa 4000 km langen Binnenwasserstraßennetzes verfügen über eine Tauchtiefe von 2,5 m. Das bedeutet, daß unsere Wasserstraßen nur zu einem Fünftel den internationalen Maßstäben entsprechen.Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Bundeswasserstraßen. Die Tauchtiefen der Unter- und der Außenelbe sind absolut ungenügend. Der Bauzustand des Nord-Ostsee-Kanals erfordert erhebliche zusätzliche Aufwendungen, wenn eine sichere und schnellere Durchfahrt der Schiffe ermöglicht werden soll. Die Fahrzeuge und die Geräte, die der Unterhaltung der Seewasserstraßen dienen, sind veraltet. Sie bedürfen dringend der Überholung.
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5872 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. BleißDer Verkehrsausschuß hat vor Einbringung des Haushalts einstimmig empfohlen, die für die Erhaltung und den Ausbau der Wasserstraßen notwendigen Mittel in den Haushalt einzusetzen, zumal die Binnenwasserstraßen von allen Verkehrswegen die bei weitem größte Verkehrsdichte aufweisen. Beispielsweise ist die Verkehrsdichte auf den Binnenwasserstraßen etwa sechsmal so stark wie auf dem Schienenweg. Geschehen ist aber nur sehr wenig.Die Vernachlässigung der Binnenschiffahrtswege, die verglichen mit unseren Nachbarländern um Jahrzehnte in ihrer Ausgestaltung zurückliegen, ein völlig unzureichendes Bundesfernstraßennetz, dessen Verkehrsenge immer bedrohlicher wird, der Schatten eines ruinösen Wettbewerbs der Verkehrsträger, ungleiche Startbedingungen und Nachteile für die deutsche Seeschiffahrt, das sind die Meilensteine der Verkehrspolitik der Bundesregierung.Wenn wir den Einzelplan 12 ablehnen, dann richtet sich unsere Stellungnahme nicht gegen die Höhe der einzelnen Etatpositionen, die wir zum großen Teil für viel zu niedrig halten, sondern wir lehnen diesen Haushalt ab, weil wir die Zielsetzung in der Verkehrspolitik und in der Verkehrsfinanzpolitik für unzulänglich und teilweise für falsch halten. Aus diesen Gründen also werden wir den Haushaltsplan 12 ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Es ist bedauerlich — Herr Kollege Dr. Bleiß hat es schon angedeutet —, daß man im Rahmen dieser Haushaltsdebatte fast bei allen Einzelplänen nicht genügend Zeit hat, auf die Dinge einzugehen. Auch ich werde berücksichtigen, daß wir heute abschließen wollen, darf aber sagen, daß die Fraktion der Freien Demokraten Wert darauf legt, noch vor der Sommerpause in diesem Hohen Hause eine Generaldebatte über die derzeitige Situation der deutschen Verkehrspolitik im Hinblick auch auf die Überleitung zur EWG zu führen. Ich glaube, Herr Dr. Bleiß und meine Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, daß wir dann Gelegenheit haben werden, uns endlich umfassend über die gesamte Problematik und die Aufgabenstellung der deutschen Verkehrspolitik zu unterhalten. Warum sage ich das? Weil ich meine, daß ein funktionierender Gesamtverkehr die unerläßliche Grundvoraussetzung für die Erhaltung und die Entwicklung einer arbeitsteiligen Binnenwirtschaft und Außenwirtschaft und überhaupt einer Wettbewerbswirtschaft ist. Außerdem meine ich, daß man nicht allenthalben begriffen hat, wie hoch der Produktionswert der deutschen Verkehrswirtschaft ist. Er liegt heute bei 20 Milliarden I M; allein in der Kraftfahrzeugwirtschaft sind rund 2,7 Millionen Menschen beschäftigt. Ich möchte sagen, man hat noch nicht überall begriffen, daß die Verkehrswirtschaft heute absolut eine Primärwirtschaft ist und daß man danach die Dinge neu durchdenken muß. Nach meiner Meinung muß auch der Verkehrspolitik mehr Zeit und Raum gegeben werden, als es bisher geschehen ist.Bei Betrachtung der Probleme komme ich zwangsläufig auch zur Investitionspolitik. Man könnte darüber sehr viel sagen. In diesem Hohen Hause sind in den letzten Jahren kluge Worte gefallen; die Regierung hat gehört, wie die Fraktionen dieses Parlaments über die Investitionspolitik der Vergangenheit und über eine mögliche Investitionspolitik der Zukunft denken. Es ist kein Zweifel — wir sind uns alle darüber einig —, daß es gut gewesen wäre, auf den einzelnen Sektoren der Verkehrspolitik und der Verkehrswirtschaft mehr zu tun, um die Investitionen so vorzunehmen, daß sie ein Höchstmaß an Produktionswert für die gesamte Volkswirtschaft erbringen können.Ich weiß, daß wir sehr vieles aufholen wollen und auch aufholen müssen. Ich bin dankbar, daß die Regierung zunehmend bereit ist, diesen Vorstellungen, wie sie in diesem Hohen Hause wiederholt vorgetragen worden sind, Zug um Zug zu folgen. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß moderne Verkehrseinrichtungen und wirtschaftliche Verkehrsanlagen geradezu die Grundvoraussetzung dafür sind, in unserer Wettbewerbswirtschaft bestehen zu können.Man hat in diesem Hohen Hause wiederholt über verschiedene Dinge gesprochen, über regionale Förderungsmaßnahmen, über punktuelle und betrieblich gezielte Förderungsmaßnahmen. Was nützen uns aber alle diese Dinge, wenn auf der anderen Seite die Grundlagenvoraussetzungen der Infrastruktur der Verkehrsanlagen und Verkehrseinrichtungen her nicht gegeben sind. Gerade die Vertreter der peripheren Räume, der wirtschaftlich schwachen und verkehrsmäßig ungünstig gelegenen Gebiete könnten darüber ein Wort sagen, welche Bedeutung die Verkehrsfragen für die Strukturierung des Raumes und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe auf der anderen Seite haben.Es gibt darüber hinaus drei Fragen, die uns immer wieder in diesem Hohen Hause bewegen. Das sind die Fragen: wie können wir die Gleichstellung der privaten Verkehrsträger mit den öffentlichen Verkehrsträgern erreichen? Wie können wir die Anpassung unserer Verkehrswirtschaft an die sich aus dem EWG-Vertrag zwangsläufig ergebenden Notwendigkeiten erreichen? Und es sind die Fragen, die mit der Verbesserung der Sicherheit im Verkehr und einer schnellen und preiswerten Verkehrsbedienung auf der anderen Seite zusammenhängen.Wir von der Freien Demokratischen Partei und der FDP-Fraktion in diesem Hohen Hause sind der Meinung, daß wir unbedingt die Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen dem privaten und dem öffentlichen Verkehrsträger anstreben müssen, daß wir aber auf der anderen Seite auch einen Beitrag leisten müssen zur Sicherung der freien Wahl der Verkehrsträger, daß wir einen Beitrag leisten müssen, entsprechend der Auslegung der Verkehrsnovellen vom Juni 1961, zu einem Abbau des Überdirigismus des Staates und daß wir darüber hinaus
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5873
Eisenmannzielbewußt, doch behutsam die Verkehrswirtschaftan die soziale Marktwirtschaft heranführen müssen.Warum sage ich das? — Weil wir meinen, daß hier Zug um Zug ein Schritt zur sozialen Marktwirtschaft durchaus gegangen werden kann und gegangen werden muß.Wenn man davon ausgeht, daß die Verkehrswirtschaft ein dienendes Glied für den einzelnen und der Gemeinschaft gegenüber ist, dann, glaube ich, haben auch diese Dinge von der Grundlagenfunktion der Verkehrspolitik und der Verkehrswirtschaft her ihre Auswirkung auf die Raumerschließung. Auch die Raumordnung, die Strukturpolitik ist neu zu durchdenken, und es sind entsprechend den Notwendigkeiten Vorkehrungen zu treffen.Ein Spezielles aber, meine Damen, meine Herren, zu den Verkehrsnovellen. Wir haben sie im Juni 1961 in diesem Hause verabschiedet und haben große Erwartungen an diese Verkehrsnovellen geknüpft. Wir haben die Hoffnung gehabt, daß sie sich auch positiv für die Verkehrswirtschaft, für die Verkehrsträger und damit für die gesamte Volkswirtschaft durch die Verbesserung der Verkehrsbedienung auswirken würden. Wie sieht es nun eigentlich aus? Haben sich diese Hoffnungen erfüllt? Sind wir zu koordinierenden und vorausschauenden Planungen und Überlegungen gekommen? Sind wir hier auf dem richtigen Wege? Wie hat sich das Tarifbildungswesen in der neuen Form bewährt? Gehen die Wegekostenrechnungen auf? Haben wir ausreichende Verkehrsanlagen? Fragen über Fragen, die demnächst von uns allen gemeinsam in einer Generaldebatte einer Antwort zugeführt werden müssen.Es erhebt sich auch die Frage, ob wir bei der Vorbereitung auf die EWG in Deutschland alle Vorkehrungen treffen, damit die Sorgen, mit denen sich heute die deutsche Landwirtschaft herumschlagen muß, von den deutschen Verkehrsträgern abgehalten werden. Ich spreche hier speziell von den Sorgen, die sonst genauso hart und zwangsläufig auf die privaten Verkehrsträger zukommen könnten, wenn wir nicht rechtzeitig die Weichenstellung ändern, um sorgfältig, behutsam und organisch die Überleitung zu finden, indem wir zuvor die Wettbewerbschancen der verschiedenen Verkehrsträger angleichen, indem wir die Situation, wie sie zwischen den Verkehrsträgern bei uns in Deutschland und bei den Verkehrsträgern in den EWG-Staaten ist, synoptisch darstellen.Das sind eigentlich alles Fragen, die an die Präambel der Verkehrsnovellen von 1961 anknüpfen, die sagt:Die Bundesregierung hat mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung darauf hinzuwirken, daß die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger angeglichen werden und daß durch marktgerechte Entgelte und einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger eine volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung ermöglicht wird.Nach den Verkehrsnovellen haben heute die Verkehrsträger im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten ein autonomes Tarifbildungs- und Tarifantragsrecht. Es erhebt sich aber die Frage, ob das Tarifgenehmigungsverfahren und ob das Tarifbildungsrecht sich in der Tat so verhalten und ob die Dinge so gehandhabt werden, wie es im Interesse der sinnvollen Auslegung der Verkehrsnovellen von 1961 notwendig ist. Wir von den Freien Demokraten wünschen auf keinen Fall, daß die Dinge sich so auswirken können, daß der eine Verkehrsträger, sofern er eine starke Marktmacht darstellt, diese seine Marktmacht ausnutzen kann, um einen ruinösen Wettbewerb über einen Verdrängungstarif einzuleiten, und damit unter Umständen nichtkostendeckende Tarife eine Genehmigung erfahren können.Wir sind der Meinung, daß entsprechend einer produktiven Arbeitsteilung in der Verkehrswirtschaft ein echtes Leistungsangebot notwendig ist. Wir wünschen aber auch eine stärkere Kontrolle des Verhaltens auch der marktbeherrschenden öffentlichen Unternehmen. Das ist das, was auch Herr Kollege Bleiß in einer Bemerkung schon angedeutet hat. Das heißt, wie können wir die Tarifautonomie, die in den Verkehrsnovellen von 1961 verankert ist, sicherstellen? Wir Freien Demokraten glauben, es könnte am besten dadurch geschehen — darüber sollte man sich demnächst noch einmal zusammensetzen und prüfen, ob der Gedanke, den ich ausspreche, richtig ist —, daß man eine fachkundige, unabhängige Tarifkommission schafft. Ich denke an die Interstate Commerce Commission, die sich in den USA seit Jahren als richtig erwiesen hat.Es müssen aber auch Kriterien hinsichtlich der Fragen gefunden werden: was ist das „allgemeine Wohl", was versteht man unter „lauterem Wettbewerb", was ist „unbilliger Wettbewerb"? Die Maßstäbe hierfür müssen unseres Erachtens kritisch erarbeitet werden. Sie müssen dann in der Auslegung aber auch für alle Verkehrsträger Gültigkeit haben, damit nicht die eine Marktmacht diese Kriterien gegebenenfalls so oder so durchbrechen kann.Ich möchte auch ein Wort zum Zonenrandraum sagen. Speziell wir als Vertreter dieser Räume, dieser wirtschaftlich schwachen und vom Verkehr relativ wenig erschlossenen Gebiete wissen, wie bedeutsam es für die dort ansässige Wirtschaft und die dortigen Betriebe ist, daß dort die Verkehrsverhältnisse verbessert werden. Wir müssen dafür sorgen, daß das Sozial- und Wirtschaftsgefälle in diesen Räumen durch gute Verkehrsverhältnisse und angemessene Tarife verbessert wird. Darüber hinaus muß dort das entscheidende Problem der Strukturverbesserung gerade vom Verkehr her gelöst werden. Wem sage ich das? Das wissen Sie, meine verehrten Damen und Herren, so gut wie ich selbst.Wir haben Sorge, daß der Staat als Unternehmer, da er zugleich Hoheitsträger ist, seine Marktmacht in der Tarifbildung unter Umständen falsch ausnutzen könnte. Wir haben Ursache für die Befürchtung, daß sich dann ein falscher Dirigismus konservieren könnte, der entsprechend der Auslegung der Verkehrsnovellen von 1961 so nicht konserviert werden dürfte. Das sind Sorgen, die ich speziell aus der
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5874 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
EisenmannSicht der privaten Verkehrsträger ganz deutlich aussprechen möchte.Es könnte in diesem Zusammenhang zur stärksten Marktmacht, der Deutschen Bundesbahn, einiges gesagt werden. Es steht aber heute nicht genug Zeit zur Verfügung, ausführlich darüber zu sprechen. Wenn wir auf der einen Seite erwarten, daß die Deutsche Bundesbahn ihre Arbeit nach kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten vollzieht, und wir ihr auf der anderen Seite bestimmte betriebsfremde Gemeinlasten aufbürden, muß man prüfen, wie man helfen kann. Ob das möglich ist, das ist eine Doktorfrage. Ob man zwischen diesen beiden Problemkreisen zu einer Synthese kommen kann, ob die Bundesbahn bei dem derzeitigen Bundesbahngesetz ihre Aufgabe in dieser Doppelgleisigkeit erfüllen kann, wage ich teils zu bezweifeln. Auf der anderen Seite aber wäre zu prüfen — es wäre auch anzustreben, und Herr Kollege Rademacher hat es im letzten Jahr hier wiederholt ausgesprochen —, ob die Deutsche Bundesbahn nicht in eine Gesellschaft privaten Rechts umgewandelt werden müßte, damit sie ihre Aufgaben in der richtigen Form, nämlich nach kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und unabhängig von Auflagen, besser als bisher durchführen kann.Sie, Herr Kollege Dr. Bleiß, haben auch zu den Fragen der Konzessionen gesprochen. Ich gebe Ihnen recht: „alles auf einmal" ist genauso falsch und ein genauso falsches Extrem wie die Tatsache, daß man bisher zu langsam und zu zögernd die Problematik der Kontingentierung durchdacht hat. Ich habe hier Sorge, daß unter der Methode „alles auf einmal" und unter Nichtbeachtung eines Zeitstufenplans unter Umständen Schwierigkeiten auf uns zukommen, die wir in diesem Ausmaß vielleicht kaum überschauen können. Die Ausgabe der Konzessionen sollte auch speziell in den Räumen, wo sie dringend gebraucht werden, wo der Bedarf nachgewiesen wird, an den Raum und an die Person unverkäuflich gebunden werden. Das sind Fragen, die, glaube ich, unbedingt noch einer sorgfältigen Beratung zugeführt werden sollten.In diesem Zusammenhang muß ein Wort zum Abbau der steuerprotektionistischen Bestimmungen gesagt werden, die für einzelne Verkehrsträger, speziell für den Werkfernverkehr, in der Tat noch vorhanden sind.Zum Straßenverkehr! Auch hier gibt es insoweit nichts Neues, als der ungeheure Wettlauf zwischen Motorisierung auf der einen und Straßenbau auf der anderen Seite voll im Gange ist. Herr Kollege Dr. Bleiß, wir folgen jeder Anregung, die von technisch zuständiger Seite kommt, sei es aus den privaten Ingenieurbüros, sei es aus den Ministerien, wenn dadurch irgendwie ein Beitrag zur Verbesserung der Straßenverkehrsverhältnisse, zur Verbesserung der Sicherheit im Verkehr und zum besseren Ablauf an all den vielen Baustellen geleistet wird, die nun einmal teils zwangsläufig vorhanden sind, wenn man das Straßennetz weiter ausbauen will und muß.Sicherheit im Verkehr, die Lösung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden und Ballungsräumen und die Lösung der Verkehrsfragen in den peripheren Räumen sind nun einmal die drei zentralen Probleme, mit denen sich nicht nur die Verkehrspolitiker, sondern dieses Hohe Haus und auch das Ministerium laufend auseinandersetzen muß. Wir brauchen rasche Lösungen und wir brauchen zukunftsweisende Lösungen. Wir brauchen eine Planung, die koordiniert ist.Ich habe heute morgen in der Fragestunde mit Interesse zugehört, als der Verkehrsminister auf die Fragen des Kollegen Bausch betreffend Straßenführung der B 29 bei Großheppach und an der Rems besonders darauf hingewiesen hat, daß Schwierigkeiten weniger von der technischen Durchführung, weniger von der materiellen Untermauerung her als aus dem zögernden Vorgehen bei der Erlaubniserteilung verschiedener Gruppen erwachsen, die dort teilweise große Schwierigkeiten zu machen scheinen. Auch hier scheint es mir notwendig zu sein, daß man bei der Übernahme, beim Kauf des Geländes großzügig verfährt, daß man nicht um ein paar Pfennige hin oder her feilscht, damit man die Bauarbeiten sorgfältig und kontinuierlich durchführen kann.Sorgen haben wir, meine Damen und Herren, auch mit der Straßenverkehrsordnung und all den Fragen, die mit der Straßenverkehrsgesetzgebung zusammenhängen. Wir wünschen nicht, daß wir ein Volk von Vorbestraften werden. Wir wünschen keine überspitzt dogmatisch angewandte Verkehrsordnung, sondern wir wünschen, daß alle Maßnahmen des Staates, der Gesetzgebung, der Justiz, das Verhalten der Menschen im Verkehr, die Überwachung des Verkehrs und die Erteilung von Verkehrsunterricht, daß alle diese Maßnahmen zum Nutzen des Menschen und zur Verbesserung der Sicherheit im Verkehr sich auswirken mögen.Ich habe Ursache, dem ADAC, dem AvD, der Verkehrswacht, dem Schülerlotsendienst und auch den Fahrschulen, die einen hohen berufsethischen Auftrag erfüllen, für das zu danken, was sie im Rahmen ihrer Tätigkeit — zum Teil ehrenamtlich — fortgesetzt zur Verbesserung der Sicherheit im Verkehr tun. Es gäbe da noch vieles zu sagen. Sehr vieles wäre noch anzusprechen. Viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit scheinen mir noch zu bestehen.Mein Herr Vorredner hat eine weitere Frage angedeutet. Ich kann ihm bei Betrachtung der Binnenwasserstraßen und der Küstenwasserstraßen nur folgen. Ich gebe Ihnen recht: Wenn man davon sprechen kann, daß eine Substanz im Verkehr verloren geht, dann ist es die Substanz der unzulänglich ausgebauten Binnenwasserstraßen und Küstenwasserstraßen. Hier wird laufend ein Volksvermögen verzehrt; das ist einfach nicht mehr zu vertreten. Wir haben Ursache, bei der Aufstellung des neuen Haushalts 1965 daran zu denken, daß der zweite Vierjahresplan für den Bau von Wasserstraßen so dotiert ist, daß man ihn als gut bezeichnen könnte. 1965 müssen aber entscheidend mehr Mittel eingesetzt werden, um das aufzuholen, was im Wasser-
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Eisenmannstraßenbau notwendig ist. Ich habe nicht über die Notwendigkeit zu sprechen, daß der Rhein zwischen St. Goar und Mannheim ausgebaut wird, über den Küstenkanal, über den notwendigen Ausbau des Mittellandkanals und die Verbesserung der Situation im Nord-Ostsee-Kanal. Ich möchte aber auch hier daran erinneren, daß es notwendig ist, an den Bau einer Nord-Süd-Verbindung von der Elbe zum Mittellandkanal zu denken, um die Städte Hamburg, Kiel und Lübeck über eine gute Wasserstraße an das westdeutsche Kernwirtschaftsgebiet und an den Kernwirtschaftsraum der EWG heranzuführen. Auch diese Frage muß in Verbindung mit den Küstenländern und dem Bundesverkehrs- und Bundesfinanzministerium endlich einer raschen und endgültigen Lösung zugeführt werden.Nur wenige Worte zum Schluß zur Seeschiffahrt. Auch hier stehen wir ähnlich wie bei den anderen Verkehrsträgern in einem echten, harten Wettbewerb, nicht zuletzt dadurch, daß die Seeschiffahrt zu hohe Fremdmittel und ein zu geringes Eigenkapital hat. Die Küstenländer und der Bund täten gut daran, sich zusammenzusetzen und ein Sanierungsprogramm für die Seeschiffahrt auszuarbeiten. Wir aber täten gut daran, entsprechende Möglichkeiten zu suchen. Ich denke nur an die Beachtung bestimmter Möglichkeiten bei der Verabschiedung von Außenhandelsgesetzen, bei der Vergabe von Entwicklungshilfen. Wir täten gut daran, auch an den Abbau der Flaggendiskriminierung zu denken, Zu allem diesem müssen im Zusammenhang mit Außenhandelsgesetzen und anderem bestimmte Überlegungen angestellt werden.Ich komme zum Schluß. Ich weiß, daß dies heute nur eine Teildebatte sein kann — nicht mehr — zu dem, was generell über die gesamte deutsche Verkehrspolitik im Hinblick auf die EWG und was zur gesamten Wettbewerbswirtschaft gesagt werden muß. Wir müssen in überschaubarer Zeit, hoffentlich noch vor der Sommerpause, zu einer Generaldebatte kommen, um die Dinge so zu sehen, wie sie nach dem allgemeinen menschlichen Wohl, nach den technisch-ökonomischen Möglichkeiten und darüber hinaus zukunftweisend für die deutsche Wettbewerbswirtschaft auch aus der Sicht der Verkehrsträger gesehen werden müssen.Mein Kollege Rademacher wird sich erlauben, noch eine Bemerkung zu dem Antrag auf Umdruck 435 anzuschließen, in dem wir noch einige ganz spezielle Fragen an die Bundesregierung haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion unterstützt den Vorschlag, daß wir uns bei nächster Gelegenheit, meinetwegen auch vor der Sommerpause, einmal in Ruhe über die Grundsatzfragen der Verkehrspolitik unterhalten. Mir scheint das aus verschiedenen Gründen nützlich zu sein, damit die Öffentlichkeit und auch dieses Haus einmal über den Stand der verkehrspolitischen Bemühungen auf der nationalen und auch der Europäischen Ebene unterrichtet wird. Wir haben um so weniger einen Anlaß, diese Aussprache zu scheuen, weil meine Fraktion, wie mir scheint, sehr klare Vorstellungen von der Verkehrspolitik hat, die zu realisieren wir im Jahre 1961 mit den Verkehrsänderungsgesetzen eingeleitet haben und die wir auch in Zukunft durchzusetzen gedenken.Ob eine solche Klarheit über die einzuschlagende Verkehrspolitik überall in diesem Hohen Hause und insbesondere bei unserer Opposition besteht, wage ich zu bezweifeln. Aber vielleicht dient die kommende Aussprache auch dazu, darüber Klarheit zu schaffen.
- Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Bleiß, ich beobachte ja die Bemühungen um eine zeitgemäße Verkehrspolitik nicht nur in diesem Parlament, sondern auch im Europäischen Parlament.Ich kann Ihnen nur sagen: Bitte bemühen Sie sich einmal, Ihre Meinung auch mit den Meinungen der übrigen sozialistischen Regierungen und Fraktionen abzustimmen. Da klaffen die Unterschiede in aller Breite, meine Damen und Herren. Denn in den meisten anderen Ländern sind gerade Ihre politischen Freunde die Vorkämpfer für eine fast rigorose Liberalisierung der Verkehrspolitik, während wir uns bemühen, das Prinzip der Freiheit mit einem System der Ordnung zu vereinen.
Meine Damen und Herren, unsere Bemühungen in der Verkehrspolitik gehen dahin, auf der einen Seite eine auch durch den Preis bestimmte volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern auf der Basis angeglichener Startbedingungen 2u erreichen, auf der anderen Seite eine gesunde Verkehrswirtschaft, d. h. eine gesunde Bundesbahn, aber auch gesunde mittelständische Betriebe im Bereich der Binnenschiffahrt und des Kraftverkehrs zu erhalten.Herr Dr. Bleiß, Sie haben jetzt im Zusammenhang mit den von der Bundesbahn gestellten Tarifanträgen ein Bild in einer Art Weltuntergangsstimmung für die Wettbewerber der 'Bundesbahn an die Wandgemalt. Mir ist völlig klar, daß durch die neuen Tarifverträge, die ja noch nicht genehmigt sind, sondern die durch die Bundesregierung erst noch geprüft werden müssen, eine sehr schwierige Situation für die Verkehrsunternehmen des Kraftverkehrs entsteht. Soweit im Zuge oder in Fortentwicklung unserer Verkehrsgesetze von 1961 eine Auseinanderentwicklung zwischen dem Eisenbahngütertarif und dem Kraftwagentarif erfolgt und auch ein Umbau innerhalb des Eisenbahngütertarifs mit einer Annäherung an die tatsächliche Kostenstruktur in den Verkehrsunternehmen, werden die jetzt gestellten Tarifanträge von uns unbedingt bejaht. Auf der anderen Seite möchte ich mit allem Nachdruck erklären, daß, soweit es sich um eine allgemeine Tarifabsenkung, um eine Senkung des Regeltarifniveaus handelt, der Vorstand der Bundesbahn natürlich verpflichtet ist, solche Anträge nach streng
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Dr. Müller-Hermannkaufmännischen Gesichtspunkten zu beurteilen, und er muß sich dabei auch über die Konsequenzen im klaren sein.Ich möchte damit folgendes zum Ausdruck bringen. Wenn die Bahn meint, Kasteneinsparungen im Betrieb auf dem Weg über Rationalisierungsmaßnahmen oder Personalabbau auch durch Tarifsenkung an die Kunden weitergeben zu können, halte ich das für durchaus vertretbar, auch wenn die Bahn meint, interne Kostenausgleiche weitergeben zu können, oder wenn sie meint, Verkehrsabwanderungen durch Tarifsenkungen auffangen zu können. Alles gut und schön! Aber das eine muß der Vorstand der Bundesbahn wissen: Es geht naturgemäß nicht an, daß jetzt Tarifsenkungen vorgenommen werden in der Erwartung, 'daß am Ende dieses Jahres oder im nächsten Haushaltsjahr die Bahn an den Bund mit der Bitte herantreten kann, zusätzliche bereitzustellen.
In diesem Punkt muß absolute Klarheit bestehen. Die Verantwortlichkeit liegt zunächst einmal beim Vorstand der Bundesbahn. Wir werden uns aber über diesen Fragenkomplex sicherlich noch einmal in aller Breite in diesem Hause unterhalten müssen.Herr Dr. Bleiß, Sie malen jetzt nach den Tarifanträgen der Bahn für die mittelständischen Verkehrsbetriebe schwarz in schwarz. Auf der anderen Seite ist es aber Ihre Gruppe, die über das, was die Bahn jetzt bereits erhält — das sind immerhin 1 Milliarde DM in diesem Haushalt plus 500 Millionen DM zusätzlich an Kapitalausstattung und Kapitalaufstockungsbeträgen —, immer noch mehr Beträge für die Bundesbahn fordert, ohne klarzustellen, welche Auswirkungen sich daraus für die mittelständische Verkehrswirtschaft im Bereiche der Binnenschiffahrt und des Kraftverkehrs zwangsläufig ergeben müssen. Hier sprechen Sie also meines Erachtens mit zwei Zungen, je nachdem vor welchem Gremium Sie es für zweckmäßig halten.Wenn ich eine Bitte auch an die Adresse der Bundesregierung habe, dann ist es die, daß wir das Thema Wettbewerbsverzerrungen so schnell wie möglich vom Tisch bekommen. Solange in der öffentlichen Diskussion und in der Diskussion der Verkehrswirtschaft immer wieder damit argumentiert werden kann, man müsse von ungleichen Wettbewerbsvoraussetzungen ausgehen, wird es natürlich um alle Tarifanträge ständig Streit geben. Es ist symptomatisch, daß die Bahn behauptet, ihre Wettbewerber bei der Binnenschiffahrt und beim Kraftverkehr seien bevorteilt, der Kraftverkehr behauptet es von der Binnenschiffahrt und der Bahn und die Binnenschiffahrt wiederum vom Kraftverkehr und der Bundesbahn. Dieses Thema muß vom Tisch. Das kann nur durch politische Entscheidungen geschehen. Die können wir aber erst fällen, wenn ein Bericht der Bundesregierung mit genauen Angaben über den Umfang der festgestellten Wettbewerbsverzerrungen und auch ein konkreter Vorschlag darüber vorliegt, wie die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und der Bundesbahn geklärt werden sollen. Hier drängen wir, meine Herren Minister der Bundesregierung, darauf, daß uns schnellstens die Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, damit wir in diesem Hohen Hause die notwendigen und zweifellos längst fälligen Entscheidungen treffen können.Nun ist es ganz klar, daß, wann immer wir uns mit Fragen der Verkehrspolitik beschäftigen, die Probleme der Investitionen für die Infrastruktur eine ganz hervorragende Rolle spielen. Wir sind uns in diesem Hohen Hause sicherlich darüber einig, daß hier noch ganz gewaltige Aufgaben vor uns stehen. Aber so zu tun, als ob etwa in der Vergangenheit auf diesem Gebiet nichts geschehen sei oder in diesem Haushalt nichts geschehe, das scheint mir doch einfach die Dinge auf den Kopf zu stellen.Mir ist auch völlig klar, daß auf dem Gebiete des Ausbaus der Binnenwasserstraßen — das ist eine Meinung, die sich auch in meiner Fraktion immer mehr herausgebildet hat — in der Zukunft noch mehr geschehen muß als bisher. Ich will die einzelnen Projekte nicht anführen. Ich halte es aber doch für richtig, daß wir den Kollegen aus dem Haushaltsausschuß den Dank dafür aussprechen, daß es ihnen durch sicherlich nicht ganz leichte Bemühungen gelungen ist, für diesen Bundeshaushalt immerhin noch 30 Millionen DM zusätzlich für den Ausbau der Binnenwasserstraßen zur Verfügung zu stellen. Ich möchte diesen Dank hier ausdrücklich aussprechen. Das darf aber die Freunde nicht daran hindern, sich um weitere Verbesserungen in den kommenden Haushaltsplänen zu bemühen. Sie können sicher sein, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie bei Ihren entsprechenden Bemühungen in der Bundesregierung und gegenüber dem Bundesfinanzminister unsere Unterstützung haben werden.Aber nun zum Thema Straßenbau; dazu werden noch einige Kollegen etwas sagen. Herr Dr. Bleiß, es mutet eigentlich direkt etwas humoristisch an, wenn Sie hier in diesem Hause bei einer Haushaltsdebatte sagen: Sobald es um den Ausbau des Straßennetzes geht, dürfen fiskalische Überlegungen keine Rolle spielen. Wo kommen wir denn hin, wenn wir uns unter solchen Gesichtspunkten mit den Problemen auseinandersetzen?
Selbstverständlich ist es eine Kleinigkeit für die Damen und Herren der Opposition, Jahr für Jahr in diesem Hause auf dieses Podium zu treten mid zu sagen: Die Probleme lassen sich ganz einfach lösen, wenn wir nur die totale Zweckbindung der Mineralölsteuer durchsetzen. Sie, Herr Dr. Bleiß und meine Damen und Herren von der Opposition, wissen selber, wie schwierig es gewesen ist, diesen Bundeshaushalt auszugleichen, und daß er ausgeglichen werden muß, haben Sie selber immer wieder bestätigt. Die Forderung zu stellen, mehrere Milliarden DM in einem Haushaltsjahr zusätzlich für den Straßenbau auszuwerfen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Dabei möchte ich betonen, daß es sich heute nicht nur um ein haushaltspolitisches, sondern auch um ein konjunkturpolitisches Problem handelt. Wir können eben nicht ad libitum den Straßenbau ausweiten, sondern wir müssen uns auch im Rahmen
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Dr. Müller-Hermannder gegebenen Kapazitäten halten, wobei ich durchaus konzedieren will, daß die Straßenbaukapazitäten nicht restlos ausgeschöpft sind.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bleiß? — Bitte!
Herr Kollege Müller-Hermann, können Sie mir sagen, wann die Forderung gestellt worden ist, den Haushalt für den Straßenbau um Milliarden in diesem Jahr zu erhöhen?
Bei den Haushaltsberatungen selbstverständlich nicht. Aber Ihre Partei hat kürzlich einen großen Kongreß in Pforzheim abgehalten; da ist wieder die Forderung gestellt worden: volle Deckung der für den Straßenbau notwendigen Mittel durch die Zweckbindung der Mineralölsteuer.
Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, wenn Sie jetzt schon eine Zwischenfrage gestellt haben und ich dabei auf den Kongreß in Pforzheim zu sprechen gekommen bin, muß ich Ihnen sagen: es ist bei uns ganz übel aufgestoßen und noch nicht vergessen, daß Sie auf dieser Tagung die Behauptung aufgestellt haben: Die 14 000 Verkehrstoten und die Materialschäden, die durch die Verkehrsunfälle entstanden sind, gehen voll auf das Schuldkonto der Bundesregierung.
Das ist ein Stil, den wir uns ganz energisch verbitten müssen und der in der politischen Auseinandersetzung nicht vorkommen sollte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? — Bitte!
Herr Kollege Müller-Hermann, ist Ihnen bekannt, daß diese Äußerung nicht gefallen ist, sondern daß ich ,gesagt habe: „nur auf den Gebieten, für die die Bundesregierung zuständig ist"? Ich würde meinen, Sie sollten hier keine halben Wahrheiten verbreiten. Wenn Sie mich zitieren, dann bitte sauber und anständig.
Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, ich habe hier die dpa-Meldung vorliegen, auf die man sich ja stützen muß.
— Ja, dann müssen Sie das klarstellen. Hier steht: „Die Bundesregierung ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Verkehrsausschusses des Bundestages, Dr. Paul Bleiß , für die Zahl der Verkehrsopfer und die Materialschäden in der Bundesrepublik voll verantwortlich."
Dann heißt es weiter, es erhärte sich immer mehr die Vermutung, daß der Straßenbau von der Bundesregierung bewußt vernachlässigt würde.
Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, ich habe hier zur Kenntnis genommen, daß Sie von dieser Erklärung, jedenfalls der Wiedergabe der Erklärung durch die Deutsche Presse-Agentur, abrücken.
Herr Kollege Müller-Hermann, der volle Text meiner Rede liegt schon seit geraumer Zeit vor. Entweder sprechen Sie in Unkenntnis die. ses Textes, oder Sie sprechen wiederum eine Unwahrheit.
Wenn der Text nicht so ist, tut es mir leid, daß Sie ihn mir nicht zugeschickt haben.
Sie können ihn jederzeit bekommen.
Auf jeden Fall also, meine Damen und Herren: den Vorwurf glaube ich mit gutem Gewissen — —
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wuermeling?
Ja, bitte, Herr Kollege Wuermeling.
Darf ich fragen, ob Sie einen Unterschied sehen, wenn der Vorwurf, den der Abgeordnete Bleiß erhoben hat, auf den Bereich der Zuständigkeit der Bundesregierung beschränkt oder wenn er allgemein erhoben wird? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Schwere und die Unfairneß des Vorwurfs die gleiche ist, wenn er sich nur auf den Bereich der Zuständigkeit der Bundesregierung bezieht?
Ich habe dem nichts hinzuzufügen, Herr Kollege Dr. Wuermeling, und ich habe ja meine Meinung hier zum Ausdruck gebracht. Aber was ich hier mit allem Nachdruck — —
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte, Herr Erler!
Herr Kollege Müller-Hermann, sind Sie nicht der Meinung, daß z. B. die auf dem sozialdemokratischen Verkehrskongreß in Pforzheim geforderte Verwendung öffentlicher Mittel in der Zukunft für den Straßenbau eine zweckmäßigere Ver-
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ErlerWendung wäre als die Verausgabung von 17 Milliarden im Entwurf eines Reparationsschädengesetzes, den Sie mit unterzeichnet haben?
Herr Kollege Erler, diese beiden Dinge jetzt in dieser Diskussion durcheinanderzuwerfen, scheint mir völlig abwegig zu sein.
Sehr verehrte Damen und Herren von der Opposition, Sie mögen uns Vorwürfe machen, wo Sie wollen; aber auf dem Gebiete des Straßenbaues, wo die Bundesrepublik nach den Vereinigten Staaten und Kanada an dritter Stelle der Weltleistung steht und wo wir in der Bundesrepublik für den Straßenbau mehr ausgeben als die übrigen EWG-Mitgliedstaaten zusammen, da werden Sie uns doch nicht vorwerfen können, daß wir den Straßenbau vernachlässigen und bewußt vernachlässigen.
Wir sind uns ebenso klar wie Sie, meine Damen und Herren, daß in Zukunft noch mehr geschehen muß, und Herr Bundeskanzler Erhard hat es ja in Hannover auch sehr eindeutig ausgesprochen, daß wir noch größere Anstrengungen machen müssen, um mit der Motorisierung Schritt zu halten. Darüber gibt es überhaupt gar keine Meinungsverschiedenheiten. Aber daß wir nicht mit Taschenspielerkunststücken von heute auf morgen dieses gewaltige Problem einer Lösung zuführen können, das sollte an sich unbestritten sein, und mit solchen Redensarten und der Meinung, man könnte von heute auf morgen mit einer totalen Zweckbindung — die eben nicht durchzusetzen ist — dieses Problem einer Lösung zuführen, kommen wir doch in der Sache nicht weiter.
Herr Kollege Müller-Hermann, würden Sie mir sagen, wo behauptet worden ist, daß eine totale Zweckbindung von heute auf morgen erfolgen soll? Ist Ihnen nicht bekannt, daß wir ausdrücklich die stufenweise Zweckbindung gefordert haben? Das ist wieder eine halbe Wahrheit; tut mir leid, ich muß Sie wieder darauf aufmerksam machen.
Das steht im „Vorwärts" vom 4. März 1964. Ich erinnere Sie auch an die Vorschläge, die unser ehemaliger Kollege Schmidt unterbreitet hat, bei denen es nicht nur darum ging, die Mineralölsteuer total zweckzubinden, sondern auch die Hälfte des Mineralölzolles, den wir inzwischen in die Mineralölsteuer eingebaut haben. Wenn Sie als Opposition uns dazu anregen, noch mehr für den Straßenbau zu tun, so nehmen wir das zur Kenntnis. Aber das ist unnötig, da wir selbst wissen, daß auf diesem Gebiet noch erheblich mehr zu tun ist, und weil, wir alle auch den guten Willen haben, noch mehr zu tun. Aber das muß sich auch in Einklang mit den realen Möglichkeiten halten. Wir müssen den Haushaltsausgleich berücksichtigen und auch die konjunkturelle Situation im Auge behalten.
— Dazu brauchen Sie mir nichts zu sagen, Herr Kollege Erler. Das weiß ich genauso. Aber vielleicht können Sie uns sagen, wie man diesem raschen Motorisierungszuwachs, der letzten Endes der Ausdruck eines wachsenden Wohlstands in unserem Lande ist, von heute auf morgen begegnen kann, es sei denn, Sie brächten es, wenn Sie an die Regierung kommen, fertig, das Problem dadurch zu lösen, daß die Leute die PKWS abschaffen müssen.
Wir haben aber nicht diese Absicht, sondern wir wollen, daß sich der Wohlstand auch in einer wachsenden Motorisierung ausdrückt, und wir werden unsere Kraft daran setzen, daß auch der Straßenbau damit Schritt hält.
Zum Abschluß möchte ich nur noch ein Wort auf das sagen, was uns Herr Kollege Dr. Bleiß hier an Schwierigkeiten in der Hauptreisezeit an die Wand gemalt hat. Sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, sicher wird es auch im nächsten Sommer manche Schlangen auf den Autobahnen geben. Das wird sich nicht ganz beheben lassen und das würden auch Sie nicht von heute auf morgen fertigbringen. Um so mehr möchte ich aber an dieser Stelle der Bundesregierung und dem Herrn Bundesverkehrsminister dafür danken, daß er vorsorglich eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet hat, um sicherzustellen, daß das Mögliche getan wird, um Schwierigkeiten und Stauungen auf den Autobahnen in diesem Sommer zu verhindern.
Ich denke daran, daß überhaupt Baumaßnahmen auf den Autobahnen in den Sommermonaten nach Möglichkeit vermieden werden sollen, daß man daran gegangen ist, mit beweglichen Stahlflachstraßen Engpässe im Rahmen des Möglichen zu beseitigen, und ich denke insbesondere an das verkehrspolizeiliche Meldenetz und die Einschaltung des Rundfunks, um etwa entstehende Verkehrsstauungen, die bei Unfällen gar nicht zu vermeiden sein werden, möglichst zu bannen. Ich bin jedenfalls optimistisch genug, anzunehmen, daß die Bundesregierung gemeinsam mit den Länderregierungen und den Polizeidienststellen alles tun wird, um auch in diesen sicherlich sehr verkehrsbewegten Sommermonaten auf den Autobahnen einen möglichst zügigen Verkehrsfluß sicherzustellen. Wir werden jedenfalls die Bundesregierung mit allem, was in unseren Kräften steht, dabei unterstützen.
Das Wort hat der Abgeordnete Drachsler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte mich dem Charakter einer zweiten Beratung des Haushalts entsprechend auf einige Einzelpunkte der Ver-
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Drachslerkehrspolitik beschränken, namentlich auf die Punkte Straßenverkehr, innerstädtischer Verkehr und die Tageserscheinungen in diesem Verkehr.Ich darf vorausschicken, daß es uns in der Fraktion der CDU und der CSU und auch in der Koalition stets ein großes Anliegen ist, in der Frage der Verkehrspolitik und hier vor allem auch in der Bewältigung der steigenden Aufgaben im Straßenverkehr eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit der Opposition zu finden. Die Bewältigung dieser Probleme wird von Tag zu Tag immer mehr zu einer gesellschaftspolitischen Aufgabe unserer Zeit, einer Zeit, in der wir tatsächlich ein Volk von Autofahrern geworden sind. Die mit diesen Motorisierungsschwierigkeiten zu bewältigende Aufgabe kann nur unter Einsatz aller Kräfte in Bund, Ländern und Gemeinden erfüllt werden. Sooft aber in diesem Hause der Straßenbau, der Straßenverkehr und das tägliche Ärgernis auf der Straße zur Debatte stehen, versucht die Opposition, den Eindruck zu erwecken, als wüßten die Regierung und mit ihr die Regierungsparteien nichts von diesem großen Anliegen. Auch wir werden diesen Schwierigkeiten täglich mehrmals gegenübergestellt. Auch uns sind die zunehmenden Schwierigkeiten bekannt, und auch wir wissen, daß in der Öffentlichkeit jede Kritik und jede Polemik dieser Art gut ankommt, vor allem dann, wenn man Fragen der Verkehrssicherheit und die bedauerliche, ständig steigende Anzahl der Verkehrsopfer anspricht. Gestern ist in dieser Debatte mehrmals vom Stil und vom Verhältnis der Opposition zu den Regierungsparteien gesprochen worden. Was für die große Politik gilt, sollte auch für die Politik unseres Alltags gelten.
— Sicherlich ist der Kollege Lemmrich auch damit einverstanden. Es ist diesem Verhältnis gewiß nicht dienlich, wenn die Schärfe der Polemik der Opposition so weit geht, wie Herr Kollege Müller-Hermann schon angeführt hat, daß die Bundesregierung für die Zahl der Verkehrsopfer und die Verkehrsunfälle in einer leider oft demagogischen Art verantwortlich gemacht wird, nicht nur in Pforzheim, sondern auch anderswo. Herr Kollege Bleiß sagte heute, er habe das nicht so ausgedrückt. Wir nehmen das ab. Aber uns wäre es natürlich viel lieber gewesen, wenn er das rechtzeitig in den Zeitungen dementiert hätte. Ich habe einen Zeitungsausschnitt hier, der leider davon spricht — Müller-Hermann sagte das schon —, daß die Bundesregierung für die Verkehrstoten verantwortlich sei, der auch sagt, daß die Bundesregierung bewußt den Straßenbau verzögere.Liebe Freunde, das ist, wenn es so gewesen sein sollte, ein unqualifizierter Vorwurf. Lassen wir die Toten auf den Straßen aus dem Spiel; denn das, was ihnen gestern geschah, kann heute oder morgen jedem von uns passieren! Herr Kollege Bleiß sagte, daß das nur hinsichtlich der Zuständigkeit der Bundesregierung gemeint gewesen sei. Sie werden, glaube ich, von uns niemals den Vorwurf gehört haben, daß einer der Bürgermeister oder Oberbürgermeister der von Ihnen regierten Städten verantwortlich sei für die Verkehrstoten in diesen Städten und für die Verkehrsmißstände in diesen Städten.
Im Gegenteil: Wir, die wir auch in diesen Städten wohnen, sind ohne Rücksicht auf die Parteipolitik bemüht, diese großen und ständig wachsenden Verkehrsmißstände mit zu beheben, und zwar in echter und ehrlicher Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden.Wir wissen, was im Berufsverkehr in den Großstädten los ist, und wir wissen auch, wie schwer es ist, dieser Dinge Herr zu werden. Wir wissen auch, daß es einfach nicht zu vertreten ist, nur zu sagen, die Bundesregierung sei Schuld an diesen Verhältnissen. Hier soll aber auch einmal die Frage gestellt werden, ob es denn nicht Mißstände sind, an denen angeblich die Bundesregierung schuld ist oder ob nicht da oder dort auch die politische Führung unseserer Städte verantwortlich ist. Warum muß man denn die kostspieligen Konzerthallen und die in Millionenbeträge gehenden kommunalen Unterhaltungsbauten errichten und vom Bunde dann verlangen, für die Finanzierung der Massenverkehrsmittel zu sorgen!Im übrigen sind die Folgen der heutigen Motorisierung nicht etwa nur Mißstände infolge einer schlechten Politik oder Verkehrspolitik. Im Gegenteil, es sind leider in Kauf zu nehmende lästige Erscheinungen eines gewissen Wohlstands, also einer gewissen erfolgreichen Wirtschaftspolitik. Wir werden schwerer mit den Früchten der Prosperität unserer Zeit fertig als mit den Notständen der Nachkriegszeit.Herr Kollege Erler sagte gestern: Was nützen uns die schönen Autos, wenn die entsprechenden Straßen fehlen? — Soll das bedeuten, daß die Autoproduktion gestoppt werden soll?
— Herr Kollege Erler, Sie sagten gestern: Was nützen uns die schönen Autos, wenn wir nicht die entsprechenden Straßen dafür haben, und sie appellierten an den Bundeskanzler. Ich frage: Soll das heißen, daß Sie die Autoproduktion stoppen wollen? Denn der Wettlauf der Motorisierung mit dem Straßenbau ist ein ungleicher, und das Fließband der Autoproduktion ist schneller. Soll man das tun, etwa nach dem Motto: Wir können nicht mehr Kinder haben, weil wir zu wenig höhere Schulen oder Universitäten haben? Das ist so eine Frage. Wie sollen wir es denn machen? Machen Sie uns Vorschläge?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Drachsler, Sie sprechen ständig von den Schwierigkeiten im Straßenbau. Sind Sie und Ihre Freunde von der CDU und der FDP nicht auch der Ansicht, daß das Dilemma auf unseren Straßen doch letztlich
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5880 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Schmidt
darauf zurückzuführen ist, daß Sie in steigendem Maße den Zwölfjahresplan finanziell einfach nicht ausreichend bedienen? Ihnen ist bekannt, daß wir hier in erheblichem Rückstand sind. Wir befinden uns jetzt im sechsten Jahr des Zwölfjahresplanes, und von Jahr zu Jahr werden die dafür bereitzustellenden Mittel geringer. Da liegen doch die Schwierigkeiten. Vielleicht gehen Sie auf diese Frage einmal etwas näher ein.
Darauf gehe ich ein. Sollen dann etwa die weiteren Ausführungen, die auf der Verkehrstagung in Pforzheim gemacht wurden, auch nicht stimmen, die da lauten — es wurde ein Programm aufgestellt —: 1. Es wird gefordert volle Deckung des zweiten Vierjahresplanes des Bundes aus Haushaltsmitteln"? Wichtig ist — und darüber waren wir uns einig, und die Mehrheit dieses Hauses hat das bestimmt —, daß der Vierjahresplan bedient wird. Dieser Punkt wird erfüllt. Ebenso wird der zweite Punkt erfüllt, nämlich die Forderung: Vorlage eines modifizierten zweiten Vierjahresplans. Auch wir sind der Meinung, daß der zweite Vierjahresplan durch die Entwicklung überholt ist und daß es vielleicht an der Zeit ist, ihn zu modifizieren. Damit ist also auch dieser Punkt erfüllt.
Dritter Punkt: Mobilisierung sämtlicher Straßenbaukapazitäten. Ich glaube, daß das Bundesverkehrsministerium und auch die Straßenbauindustrie die Voraussetzungen ,dafür geschaffen haben, daß das geschieht.
Vierter Punkt: Einsatz von Stahlstraßen zum Umfahren von Großbaustellen. Auch das ist schon erprobt worden und wird von der Öffentlichkeit anerkannt. Mehr können wir nicht tun.
Um auf Ihre Zwischenfrage einzugehen, Herr Kollege, darf ich sagen, daß auch die Mitglieder der CDU/CSU und der FDP es lieber sähen, wenn wir das, was wir mit Ihnen gemeinsam auf dem Verkehrsgebiete im Interesse der Allgemeinheit anstreben, im Rahmen des zur Verfügung stellenden Verkehrshaushalts durchführen könnten. Aber das geht nicht.
Im Mittelpunkt der Kritik an der Verkehrspolitik steht die Verkehrsnot der Städte und Gemeinden. Warum, so wird oft nicht nur von Ihnen, sondern auch von gewissen Institutionen gefragt, verschließt sich der Bund den Verkehrsnöten der Städte? Wir fragen uns: Tut er das denn? Ich habe an dieser Stelle schon einmal eine Aufstellung darüber gemacht, welche Mittel der Bund mittelbar und unmittelbar im Interesse der Städte und Gemeinden gewährt. Mögen diese nun problematisch und unecht genannt werden oder nicht: es ist eine unumstrittene Tatsache, daß mehr als 4 Milliarden DM im zweiten Vierjahresplan zum Nutzen des kommunalen Straßenbaus ausgegeben werden. Vielleicht gibt uns die nun bald zur Debatte stehende Enquete über die Bewältigung der Verkehrsprobleme in den Städten und Gemeinden — und auch die große Verkehrsdebatte, der wir jederzeit zustimmen — noch die Gelegenheit, diesen Dingen etwas näherzukommen. Wir sind jederzeit dazu bereit.
Ziel der Verkehrspolitik der Bundesregierung ist es, im Zuge der weiteren Aufstufung der Straßen von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund in der sogenannten weiteren Flurbereinigung der .Straßen weiterzukommen. Gerade dadurch gelingt es ja von Jahr zu Jahr immer mehr, die Straßenbaupolitik des Bundes bis in die kleinste Gemeinde und bis ins kleinste Dorf wirken zu lassen.
Ein großes Anliegen ist es noch, daß das unwirtschaftliche und allzu bürokratische zeitraubende Verfahren reformiert wird. Dies trifft vor allem für die Planfeststellungen, für die Grundabtretungen und für die Auslegung der Richtlinien zu. Wichtig ist es also, daß das System der Verkraftung der Finanzmittel, die zur Verfügung gestellt werden, verbessert wird, damit die zur Verfügung gestellten Gelder rechtzeitig verbaut werden können.
Unser Wille ist es, unsere langfristigen Straßenbaupläne zu erfüllen und diese, wenn es durch die Entwicklung notwendig ist, auch zu modifizieren, sobald im Rahmen unserer gesamtpolitischen Verantwortung und unter Berücksichtigung der großen Anliegen unseres Volkes die Möglichkeit dazu gegeben ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Ausführungen der SPD hört, gewinnt man den Eindruck, als bestehe das deutsche Straßennetz ausschließlich aus Bundesfernstraßen. Herr Dr. Bleiß, ich weiß, Sie wissen genauso wie ich, daß das nicht der Fall ist. Aber das ist der Eindruck, den Sie erwecken. Auch der Zwischenruf des Herrn Kollegen Erler machte das wieder deutlich. Wenn vom Zustand auf den deutschen Straßen die Rede ist, wird ausschließlich der Bund angesprochen. Dabei muß gesagt werden, daß von den 144 000- km Straße nur 32 000 km in der Baulast des Bundes stehen. 63 000 km des Straßennetzes sind Staatsstraßen und 48 700 km Kreisstraßen. Es ist ernsthaft die Frage zu untersuchen, welche Anstrengungen die Länder für ihr Straßennetz unternehmen. Diese Anstrengungen sind bedeutend; in diesem Jahr werden voraussichtlich 2,3 Milliarden DM von den Ländern ausgegeben werden, einschließlich der Zuschüsse für die Kommunen. Aber wenn man diese Zahlen einmal etwas untersucht, muß man feststellen, daß die Leistungen der verschiedenen Länder für ihren Straßenbau sehr unterschiedlich sind. Hier möchte ich einmal die Länder ins Auge fassen, in denen wir verantwortlich sind und in denen Sie von der SPD verantwortlich sind.
— Lassen Sie mich ruhig einmal zu Ende sprechen,Herr Kollege! Wir haben in Bayern die absoluteMehrheit, Sie haben in Hessen die absolute Mehrheit. Hessen gibt pro Einwohner 42,60 DM für denStraßenbau aus, einschließlich der Zuschüsse an die
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5881
LemmrichGemeinden. Der Freistaat Bayern gibt 56,80 DM aus. Ich glaube, dieser Vergleich sieht doch schon etwas anders aus, als Sie erwarten.
Der Bund kann sich hier durchaus sehen lassen, denn er gibt pro Einwohner der Bundesrepublik 54 DM aus. Bisher haben wir — seit 1949 — 14,7 Milliarden DM für den Bundesfernstraßenbau aufgewendet.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege Börner.
Herr Kollege Lemmrich, ist Ihnen nicht bekannt, daß das, was Sie eben hier gemacht haben, eine typische Milchmädchenrechnung ist, weil das nicht nur pro Kopf und Einwohner berechnet werden darf, sondern weil das, was Sie hier diskutiert haben, auch im Verhältnis zur Größe des Straßennetzes und zur Fläche des betreffenden Staates gesehen werden muß?
Herr Kollege Börner, ich kann nur eines sagen: wenn ich nach Hessen fahre, muß ich feststellen, daß die Staatsstraßen dort nicht so glorreich sind, daß nicht größere Anstrengungen zu rechtfertigen sind. Ich bin der Meinung, daß die Bevölkerungszahl durchaus ein Kennzeichen der wirtschaftlichen Kraft eines Landes ist.
Ich verstehe, Herr Börner, daß Sie als hessischer Bundestagsabgeordneter solche Dinge selbstverständlich schmerzlich empfinden; dafür habe ich durchaus Verständnis. Aber es kommen einem dabei ja einige Gedanken. Wenn ich etwa das Godesberger Programm abwandele, dann möchte ich fast sagen: Das ist der Widerspruch unserer Zeit, daß die SPD von uns das verlangt, was sie da, wo sie in der Verantwortung steht, selbst nicht tut.
— Herr Kollege Börner, es geht hier nicht darum, ob ich etwas glaube; das sind Tatsachen, Fakten und Zahlen, und darüber brauchen wir uns gar nicht zu streiten, selbst wenn Sie das schmerzlich empfinden.
Nun darf ich vielleicht einmal fortfahren, meine sehr verehrten Herren Kollegen. Es geht ja nicht nur darum, daß wir höhere Geldmittel zur Verfügung stellen, sondern auch darum, daß diese Geldmittel eine echte Effizienz in der Ausdehnung des Straßennetzes und seiner Verbesserung zeitigen. Trotz Preissteigerungen von 17 % im allgemeinen Straßenbau zwischen 1960 und 1963 und von 21 % im städtischen Straßenbau wird der Bund den zweiten Vierjahresplan planmäßig durchführen und mit 13 Milliarden DM ausstatten. Die Dringlichkeit dieser Aufgabe erscheint uns so bedeutend, daß wir, die aufgeführten Schwierigkeiten und Kümmernisse mit in Kauf nehmen wollen. Es muß aber gesagt werden, daß es auch anders sein kann. Daß es anders sein kann, zeigt ein Blick in unser Nachbarland, die Schweiz, und nach Italien. In Italien ist auf Grund der konjunkturbremsenden Maßnahmen eine wesentliche Einschränkung des Autobahnbaus vorgenommen worden. Die Schweiz hat ihre Straßenbaumittel gegenüber 1963 um 23 % gekürzt. Unter diesem Aspekt sollten die Leistungen des Bundes gewürdigt werden.
Aus dem Schriftlichen Bericht des Kollegen Ritzel über den Einzelplan 12 geht eindeutig hervor, daß die Bundesregierung willens ist, wenn der Bauablauf es zuläßt, durch Vorgriffe die vorgesehenen Straßenbauausgaben von 2,9 Milliarden DM für dieses Jahr auf 3,1 Milliarden zu steigern. Ich möchte die Lektüre dieses Berichts des Kollegen Ritzel Ihrer Aufmerksamkeit besonders empfehlen.
Abschließend möchte ich sagen, daß sich der Bund mit den bisherigen Leistungen sehen lassen kann. Die Anstrengungen, die wir weiterhin unternehmen, werden sicherlich dazu beitragen, daß auch Sie diese große gemeinschaftliche Leistung würdigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Adorno.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vom 27. Juli 1957 ist der Neubau einer Bundesfernstraße Ulm-Lindau vorgesehen. Weder der Neubau einer Fernstraße westlich und östlich der Iller entlang der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern zwischen Ulm und Memmingen noch der in dem erwähnten Gesetz ebenfalls vorgesehene Ausbau der Bundesstraßen 30 und 18 ersetzen den in dem gleichen Gesetz verankerten Neubau der Bundesfernstraße von Ulm nach Lindau. Den Antragstellern ist zwar bewußt, daß der Neubau dieser Bundesfernstraße nicht sofort beginnen kann; aber an der Tatsache, daß diese Straße in absehbarer Zeit gebaut werden muß, darf nach unserer Auffassung nicht gerüttelt werden. Die Begründung für die Notwendigkeit der Bundesfernstraße Ulm-Lindau kann ich mir ersparen, da sie sich aus dem Gesetz vom 27. Juli ergibt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Kollege, könnten Sie wohl schätzen, wie lange unsere Haushaltsberatung dauern würde, wenn jeder Abgeordnete Angelegenheiten seines Wahlkreises hier vortragen wollte?
Herr Kollege Mommer, es ist Ihnen anscheinend entgangen, daß diese Angelegenheit nicht nur meinen Wahlkreis berührt, son-
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5882 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Adornodern den Raum von Ulm bis Lindau, also vier Bundestagswahlkreise.
Nachdem der Bau dieser Bundesfernstraße beschlossen ist, kann der Plan für die Trassierung nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Die von dem Neubau betroffenen Grundstückseigentümer in den Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, rechtzeitig zu disponieren und sich auf die eintretenden Besitzveränderungen einzurichten. Das gilt vor allem für die Landwirtschaft, aber auch für die Forstwirtschaft. Die Flurbereinigungsvorhaben dürfen nicht verzögert werden. Sie können nur sinnvoll durchgeführt werden, wenn man sich rechtzeitig an der Trassierung zu orientieren vermag, um einschneidende Korrekturen nachträglich zu vermeiden, welche die Betroffenen nur in eine schwierige Situation bringen. Alle anderen Maßnahmen für eine sinnvolle Raumordnung zur Förderung und Hebung der Wirtschaft in den Gebieten fern von den großen Wirtschaftszentren — und um ein solches förderungswürdiges Gebiet handelt es sich in dem Raum Ulm-Lindau — müssen ebenfalls rechtzeitig mit den Maßnahmen zur Verkehrserschließung abgestimmt werden können.Ich darf daher das Hohe Haus bitten, dem vorliegenden Entschließungsantrag Umdruck 437 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir jetzt fünf Redner über allgemeine Verkehrspolitik angehört. Befürchten Sie nicht, daß ich auch noch allgemeine Betrachtungen anstellen werde. Das will ich nicht tun, um nicht noch weitere Redner bei unserer begrenzten Zeit zu provozieren. Außerdem, glaube ich, würde es der Abmachung widersprechen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, war vereinbart worden, daß von jeder Fraktion ein Redner so kurz wie möglich spricht, und zwar mit dem Ziel, eines Tages hier wirklich eine umfangreiche und ausführliche Verkehrsdebatte zu führen. Da kann dann alles gesagt werden, was heute vergessen wurde.
Meine Damen und Herren, mein Auftrag namens meiner Fraktion ist es, einen Entschließungsantrag kurz zu begründen, und zwar Umdruck 435.
In den Ausführungen meiner Vorredner ist wiederholt auf die Gesetzesnovellen von 1961 hingewiesen worden, wo einige Kriterien aufgestellt wurden, Verstoß gegen das Allgemeinwohl, unlauterer Wettbewerb, unbilliger Wettbewerb usw. Das allein sollten die Kriterien sein für die beiden beteiligten Ministerien, nämlich für das Verkehrsministerium und auch für das Bundeswirtschaftsministerium, Anträge der nunmehr autonom gewordenen Verkehrsträger abzulehnen oder zu bewilligen.
Wir haben eine Reihe von Fällen, wo wir feststellen müssen, daß nach unserer Auffassung diese
Gesetzesnovellen von 1961 verletzt werden. Wir sind der Meinung, daß gerade wir in der freiheitlichen Demokratie verpflichtet sind, von diesem Hause beschlossene Gesetze genau einzuhalten. Natürlich kann man verstehen, daß hier und da über die Auslegung Meinungsverschiedenheiten bestehen. Das habe ich vorausgesehen. Deswegen habe ich damals, als man diese drei Begriffe prägte, einmal gesagt: Leichtfertig ist die Jugend mit dem Wort! Und jetzt soll also in Richtlinien, die ja inzwischen in einem Entwurf fertiggestellt sind, definiert werden.
Aber die Grundsatzfrage lautet: Wieweit kann man überhaupt Anträge der Verkehrsträger, wenn man eine Einigung mit der Verladerkommission, die die verladende Wirtschaft vertritt, herbeigeführt hat, wie kann man und darf man dann überhaupt solche Anträge ablehnen? Darum geht es.
Ich bin mir nach verschiedenen Besprechungen mit Kollegen aller Fraktionen darüber klar, daß wir diese Entschließung nicht ohne weiteres verabschieden können. Ich schlage daher Überweisung an den Ausschuß vor, und zwar soll federführend sein der Verkehrsausschuß. Herr Aschoff hat mich gebeten — und das kann ich verstehen —, daß auch der Wirtschaftsausschuß an diesen Beratungen beteiligt wird. Ich bitte Sie, dementsprechend zu beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte einige kurze Bemerkungen zu dem Antrag Umdruck 437 hinsichtlich des Ausbaus der Fernstraße Ulm—Lindau. Der Verkehrsausschuß hat sich ständig mit ähnlichen Anliegen wie dem des vorliegenden Antrages zu beschäftigen, und bei den ohnehin zu knappen Mitteln für den Straßenbau wäre es anderen Antragstellern gegenüber unfair, ohne vorherige Einschaltung des Fachausschusses, d. h. des Verkehrsausschusses, zu verlangen, daß von diesem Hause heute bereits Entscheidungen gefällt werden. Wir beantragen daher Überweisung dieses Antrages an den Verkehrsausschuß.
Das Wort hat der Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es würde den Rahmen dieser Debatte sprengen, wenn ich Ihnen jetzt eine große verkehrspolitische Rede hielte. Ich will mich deshalb auch im Sinne der Beschränkung, die sich die Herren Vorredner auferlegt haben, auf einige Bemerkungen beschränken und bitte, daraus nicht zu entnehmen, daß Fragen, die ich nicht berühre, weniger wichtig sind.Ich darf nur einmal auf die große Problematik hinweisen, die der Verkehr dadurch hat, daß er in der heutigen Zeit zwei große Aufgaben erfüllen
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5883
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmmuß. Das eine ist die Aufgabe, die dem Verkehr gesellschaftspolitisch gestellt ist. Hier stimme ich sehr mit der Formulierung überein, die der Herr Kollege Drachsler gebracht hat. Auf der anderen Seite steht die Aufgabe, den Verkehr im Interesse der gesamten Wirtschaft richtig und zügig in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und in das wachsende Wirtschaftsgebiet einzugliedern, das sich nun sogar über die sechs Länder hinaus auftut. Nur wenn man sich unter diesen beiden Aspekten mit den Problemen des Verkehrs beschäftigt, kann man auch die richtigen Konsequenzen in den Maßnahmen finden.Herr Dr. Bleiß hat zur Begründung der Ablehnung des Haushalts durch seine Fraktion alle die Sorgen und Nöte hier dargelegt, die ich mich seit langer Zeit in der Öffentlichkeit und auch an anderer Stelle darzulegen bemühe, um mehr Verständnis für die Notwendigkeiten des Verkehrs sowohl für die Investitionen wie für den Umbau der gesamten Verkehrspolitik, vor allem aber um innerhalb der Verkehrsträger und bei der verladenden Wirtschaft die richtige Resonanz zu finden. Aber, verehrter Herr Dr. Bleiß, ich muß Ihnen sagen, daß ich ihre Rede nicht in jeder Hinsicht als eine Unterstützung meiner Bemühungen und der der Koalition ansehen kann, obwohl wir uns in den Zielen doch gar nicht so sehr unterscheiden. Die Akzente sind nur etwas anders gesetzt. W i r müssen uns nach der Decke strecken, die der Haushalt uns vorschreibt, S i e dürfen als Opposition in dieser Hinsicht natürlich etwas großzügiger sein. Deswegen können Sie Forderungen stellen, und es ist gut, daß diese Forderungen gestellt werden, die wir uns dann zu erfüllen bemühen. Aber wir sind an das Mögliche gebunden, und Sie können das Wünschenswerte in den Vordergrund stellen.Sie haben darauf hingewiesen, daß wir uns beim Straßenverkehr in einer außerordentlich starken Ausdehnung der Motorisierung befinden. Das ist sicherlich eine Folge der erfolgreichen Wirtschaftspolitik, die die Bundesregierung betrieben hat. Der Zuwachs an motorisierten Fahrzeugen ist ja erfreulicherweise nicht etwa ein Zuwachs, der in größerem Maße auf den Güterverkehr entfiele, sondern er entfällt im wesentlichen auf den Individualverkehr. Hier dürfen wir mit Dankbarkeit und Genugtuung feststellen, daß der Anteil an Fahrzeugen, die sich im Besitz von Arbeitnehmern, also von Arbeitern, Angestellten, Beamten und anderen Kräften, befinden, ständig wächst. Wir freuen uns darüber, daß die großen Vorzüge der Motorisierung nunmehr nicht nur einigen wenigen, sondern allen Menschen zur Verfügung stehen.Aber diese Tatsache führt natürlich auf der anderen Seite zu jener Überlegung, die ich scherzhaft einmal so formuliert habe: Es kann ja nicht jeder, der sich für 5- oder 6000 Mark ein Auto kauft, erwarten, daß der Staat ihm dann zusätzlich auch 100 m Straße — und das brauchte er wenigstens — in einer Größenordnung von mindestens 100 000 Mark zur Verfügung stellt. Das ist nicht möglich; und weil das nicht möglich ist, deswegen gibt es eben eine Schere — wie Sie mit Recht sagen — zwischen der wachsenden Motorisierung und unseren Bemühungen, den entsprechenden Verkehrsraum auf den Straßen zu schaffen. Diese Schere wird sich aber nicht etwa weiter öffnen, wie Sie meinen, sondern sie wird sich nur langsamer schließen, als wir es erhoffen, und zwar dank des überraschend hohen Grades der Motorisierung, den wir erleben. Wenn Sie überlegen, daß wir im vergangenen Jahr so viel Personenkraftwagen zusätzlich zugelassen haben, wie wir 12 Jahre zuvor überhaupt zugelassen hatten, dann erkennen Sie daraus ganz eindeutig, daß sich hier eine explosive oder, wenn Sie das lieber hören wollen, eine geradezu revolutionäre Entwicklung vollzieht, der man natürlich mit den normalen Investitionsmöglichkeiten nicht folgen kann.Dazu muß ich leider sagen: Der Gesamtaufwand, den wir auf diesem Gebiete treiben können und der ja von Jahr zu Jahr außerordentlich gestiegen ist, richtet sich zwar nicht nach den fiskalischen, aber nach den gesamtvolkswirtschaftlichen Möglichkeiten, die letztlich auch das Fiskalische bestimmen. Der Staat und die Bundesregierung haben hier in den letzten Jahren wirklich weit mehr, als das in irgend einem anderen Land Europas festgestellt werden kann, dazu beigetragen, daß die Möglichkeiten im Ausbau unseres Straßennetzes planmäßig genützt werden.Wenn wir im Jahre 1950 über 213 Millionen DM verfügten — ich habe damals bei der Behandlung meines Haushalts nicht gehört, daß Ihre Fraktion etwa den Antrag gestellt hätte, diesen Ansatz zu verdoppeln — und wenn wir in diesem Jahre 3100 Millionen DM auszugeben hoffen, dann sehen Sie daraus, welch außerordentliche Steigerung eingetreten ist.Aber nicht nur der Bund betätigt sich auf diesem Gebiet. Wir haben damals insgesamt etwa 1 Milliarde DM an Straßenbaumitteln aufgewendet, und zwar auf den drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden. Wir hoffen, in diesem Jahr bei Bund, Ländern und Gemeinden etwa 7 Milliarden DM aufzuwenden. Immerhin ist die Steigerung auf der Bundesebene eine wesentlich größere als auf den beiden anderen Ebenen. Das muß der Bundesregierung letzten Endes doch wieder als Aktivum angerechnet werden!Daß die Bundesregierung sehr gern über dieses Maß hinausgehen würde, ist Ihnen wie uns allen bekannt. Daß sie aber naturgemäß in ihrer Verantwortung gerade auch gegenüber den menschlichen Anforderungen, deren Erfüllung ja auch Ihnen so sehr am Herzen liegt, genötigt ist, sich bei den einzelnen Aufgaben zu beschränken, damit das Ganze richtig ineinander abgewogen ablaufen kann, ist klar und nicht zu widerlegen.So wie der Mensch, der eine Wohnung und die Freude hat, Kinder zu haben, nicht in der Lage ist, bei jedem neu hinzukommenden Kind in eine größere Wohnung umzuziehen, so sind auch die Menschen, die einen größeren Aufwand im Verkehr betreiben, natürlich genötigt, sich nach der Decke zu strecken und dürfen nicht jenem Prinzip huldigen, das ich früher schon einmal in diesem Hohen Hause
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5884 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmdargelegt habe. Der deutsche Kraftfahrer hat nämlich eine besondere Eigenschaft: Eine Straße findet er dann gut, wenn sie eine schöne glatte Decke hat, wenn die Kurven gut überhöht sind, wenn die Straße in angenehmem Gelände gut geführt ist und — wenn auf dieser Straße außer seinem kein anderes Auto zu sehen ist. Das ist aber eine Ansicht, die man nicht mehr als sozial ansehen kann; sie ist auch nicht mit der von uns vertretenen gesellschaftspolitischen Linie der Verkehrspolitik in Einklang zu bringen. Deshalb bemühen wir uns, einen möglichst guten Kompromiß zwischen diesen Gegebenheiten zu finden.Wir sind uns natürlich darüber klar — ich habe das schon öfter gesagt — daß die Motorisierung, soweit es sich um den Individualverkehr handelt, einmal einen Sättigungsgrad erreichen wird. Er wird 1975 erreicht werden, nämlich dann, wenn auf dreieinhalb Menschen ein Personenkraftwagen zugelassen ist. Warum dreieinhalb Menschen? Einer sitzt am Steuer, einer ist Kind und kann nicht fahren, einer ist zu alt und bleibt zu Hause, und die halbe Person ist die Frau, die nur gelegentlich mitgenommen wird.
Auf diese Weise werden wir, wenn dreieinhalb Menschen auf ein Auto kommen, ohne weiteres den Sättigungsgrad der Individual-Motorisierung erreichen. Dann brauchen Sie sich nicht weiter zu sorgen, daß der Straßenverkehr noch in großem Maße zunimmt.Deswegen habe ich gesagt: Wir können, wenn wir uns diesem Sättigungsgrad nähern, also bevor er erreicht ist, bereits mit einem Schließen der Schere rechnen. Je schneller der Sättigungsgrad kommt, desto langsamer wird sie sich natürlich schließen.Auf dem Gebiet des Lastkraftwagenverkehrs sind diese sprunghaften Steigerungen nicht eingetreten, und zwar dank der Kontingentierung im Fernverkehr. Deswegen ist natürlich auch hier noch eine Frage zu beantworten, die Sie wegen der Erhöhung der Kontingentierungszahlen aufgeworfen haben. Herr Dr. Bleiß, Sie wissen genau wie ich, daß die Bundesregierung nach dem Güterkraftverkehrsgesetz gehalten ist, die Kontingentszahlen entsprechend dem Anwachsen des Verkehrsaufkommens zu erhöhen. Dabei hat sie gleichzeitig die Sicherheit auf der Straße zu berücksichtigen. Wir haben seit dem Jahre 1957 keine Erhöhung vorgenommen. Wir haben diese Erhöhung also erst nach 7 oder 8 Jahren durchgeführt nach sorgfältiger Prüfung und auf Grund der Gutachten der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr. In diesen 7 oder 8 Jahren ist — das werden Sie mir zugeben — das Transportvolumen erheblich gestiegen. In dieser Zeit ist aber auch eine weitere Ausdehnung der Wirtschaft in Richtung auf das flache Land eingetreten. Eine bessere Versorgung war hier notwendig und wurde von den Institutionen der Wirtschaft auch ständig gefordert. Nach sehr sorgfältigen Überlegungen unter Einschaltung der Bundesanstalt haben wir also uns für den Güterfernverkehr zu einer 8%igen Erhöhung entschlossen und haben dabei gleichzeitig noch ein Kontingent für den grenzüberschreitendenVerkehr eingeführt, weil wir eben gleichzeitig der zweiten Aufgabe genügen müssen, in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hineinzuwachsen. Der Erfolg dieser Maßnahme ist naturgemäß außerdem, daß ein stärkerer Wettbewerb nicht nur zwischen den Verkehrsträgern, sondern auch innerhalb dieses Verkehrsträgers entsteht, der im Interesse der Allgemeinheit erwünscht ist. Hier soll ja doch kein privilegiertes Gewerbe entstehen. Das wünscht niemand, das wird auch von Ihnen nicht gewünscht. Deswegen ist eine maßvolle Erhöhung notwendig.Auf Grund dieser maßvollen Erhöhungen hat nun die Bundesbahn ihrerseits tarifpolitische Maßnahmen ergriffen, die der Verkehrserhaltung dienen. Ich hätte eigentlich von Ihnen erhofft und erwartet, verehrter Herr Kollege Dr. Bleiß, daß die Maßnahmen, die in den letzten Jahren, seitdem die Verkehrsgesetze von 1961 in Kraft getreten sind, ergriffen wurden, wenigstens von einer Seite aus positiv von Ihnen beleuchtet worden wären. Ganz eindeutig sind doch die Transportkosten durch diese tarifpolitischen Maßnahmen gesunken, so bei den Massenguttarifen um ungefähr 150 Millionen im Jahr. Wenn jetzt den Anträgen der Deutschen Bundesbahn, die mir noch nicht vorliegen, entsprochen wird, werden mindestens weitere 100 Millionen DM, wahrscheinlich aber mehr hinzukommen. In einer Zeit, in der man sich um die Stabilität der gesamten Wirtschaft bemüht, ist ein Zweig der Wirtschaft, der sich erfolgreich um Preissenkungen bemüht und diese der verladenden Wirtschaft und damit dem Verbraucher zukommen läßt, doch deswegen keineswegs zu tadeln, sondern eher nachdrücklich zu loben.Sie haben darauf hingewiesen, daß die Senkung der Tarife natürlich nicht zu einem ruinösen Wettbewerb führen darf. Das ist klar. Die Gesetze geben dazu auch ganz eindeutige Weisungen. Nachdem uns das Haus von der Pflicht zur Koordinierung befreit hat, haben wir nunmehr dafür zu sorgen, daß diese Tarife nicht unlauter und nicht unbillig sind und dem allgemeinen Wohl nicht widersprechen. Nun, eine Tarifsenkung kann dem allgemeinen Wohl niemals widersprechen; denn sie kommt ja allen zugute. Wir müssen also sehen, daß die Tarife nicht unlauter und unbillig sind. Diese Begriffe sind in eingehenden Gutachten und Arbeiten weitgehend geklärt. Sie sollen jetzt in den Richtlinien, die vorbereitet sind, noch fester geformt werden. Diese Begriffe zeigen, daß ein Tarif dann nicht unlauter und unbillig sein kann, wenn diejenigen, die den Antrag auf Einführung dieses Tarifes stellen — das ist ja der Sinn der Gesetzgebung gewesen, daß die Verkehrsträger in Zukunft selbst ihre Preise bestimmen können —, dafür sorgen, daß die von ihnen beantragten Preise die vollen Kosten decken, und zwar die Kosten einschließlich der erforderlichen Abschreibungen, der erforderlichen Verzinsung des Fremd- und Eigenkapitals und alles dessen, was dazugehört; das wird von uns sehr genau geprüft.Das hat nun aber wiederum nichts mit einer Frage zu tun, auf die Sie hinwiesen, nämlich mit dem Verlust oder etwa dem Gewinn der Bundesbahn. Es ist
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5885
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmganz klar, daß die Tätigkeit der Bundesbahn in zwei Gruppen zerfällt, in einen Teil, der den Güterverkehr betreibt, und in einen anderen Teil, der den Personenverkehr betreibt. Sie wissen aus dem Ihnen seit Jahren vorliegenden ausführlichen Bericht über die Bundesbahn, den der Bundestag selbst verlangt und den die Kommission unter der Leitung des Präsidenten Brand erstellt hat, daß sich die Verluste der Bundesbahn ausschließlich aus dem Personennahverkehr ergeben und daß diese Verluste selbst bei einem globalen Ausgleich durch die Gewinne im Güter- und Wagenladungsverkehr und im Fern- und Schnellpersonenverkehr nicht ausgeglichen werden können. Wir alle und Sie auch sind sicherlich der Meinung, daß hier grundsätzlich ein neues Problem vorliegt, über das viel zu sprechen wäre. Es ist geradezu notwendig und für die Zukunft unserer Städte und Ballungsgebiete von entscheidender Bedeutung, daß es uns gelingt, den Personennahverkehr auf der Schiene, auf der Straße, ob Straßenbahn oder Eisenbahn, ob Omnibus oder Unterflurstraßenbahn, attraktiv und preiswert zu gestalten, um zu vermeiden, daß unsere Städte durch den Individualverkehr überflutet werden, weil wir dann für die Ausweitung der Verkehrsräume, insbesondere für die Schaffung von Räumen für den ruhenden Verkehr, weit mehr, sogar unerträglich viel investieren müßten. Insbesondere müssen wir daher die Nahverkehrsmittel entsprechend ausbauen und gegebenenfalls sogar von dem Standpunkt abgehen, daß jeder Verkehrsträger seine Kosten selbst decken, also aus seinen eigenen Einnahmen bestreiten muß. Denn wir wissen, daß Verluste des Personennahverkehrs unter Umständen ganz bewußt in Kauf genommen werden müssen, um übertrieben große Investitionsvorhaben durch Übernahme von Verlusten zu kompensieren.Ähnlich wie beim Personennahverkehr verhält es sich auch mit den Tarifen. Wir müssen uns mit den Tarifen und mit den Preisen nunmehr in die europäischen Tarife eingliedern. Wenn die Bundesbahn z. B. jetzt beantragt, die Wertstaffel abzubauen, dann ist das natürlich nur verständlich, weil die Wertstaffel ein ausgesprochenes Objekt des Monopolcharakters der alten Eisenbahn war und weil mit dem Sinken dieses Monopolcharakters diese Wertstaffel bereits seit 30 Jahren allmählich aber zügig abgebaut worden ist, die Wertstaffel, die die anderen Länder gar nicht kennen.Daher sind diese Fragen wirklich Probleme, die man nicht nur in dem Gegeneinander und Miteinander der Verkehrsträger oder in bezug auf die verladende Wirtschaft und ihre Ansprüche betrachten sollte, sondern die man auch im Hinblick auf die Notwendigkeiten betrachten muß, unsere tarifarische Gestaltung der wesentlich liberaleren Form der Preisgestaltung im Verkehr in den anderen europäischen Ländern rechtzeitig anzupassen, damit wir nicht nachher zu ganz schlimmen Brüchen in der Entwicklung kommen. Ich glaube, Sie werden mir zugeben, daß es gut ist, wenn wir das rechtzeitig tun.Ich darf aber insofern eine Korrektur noch anbringen, Herr Kollege Bleiß, als dieser neue Antrag der Bundesbahn im Gegensatz zu Ihren Darlegungen die Binnenschiffahrt nicht betrifft. Die Binnenschiffahrt hat an den bisherigen Ausnahmetarifen, die die Deutsche Bundesbahn aus Wettbewerbsgründen beantragt hat, im wesentlichen zur Verkehrserhaltung, sehr erheblich zu tragen gehabt. Sie hat sich aber trotzdem in der Lage gezeigt, ihre tarifarische Lage anzupassen und trotz Schmerzen diesen Wettbewerb zu bestehen.Diesmal geht es aber um Fragen, die gerade, weil sie mit der Weiterentwicklung der Wertstaffel zusammenhängen, natürlich den Straßenverkehr besonders betreffen. Der Straßenverkehr kommt damit naturgemäß in eine Zone erhöhten Wettbewerbs hinein. Die Verschärfung des Preiswettbewerbs macht den Zeitpunkt notwendig, weil das Verkehrsaufkommen größer wird — damit entspricht es unserer Verantwortung, dem durch Vermehrung der Fahrzeuge Rechnung zu tragen — und weil zum weiteren Preiswettbewerbsanreiz auch dem Werkverkehr ein größerer Spielraum eingeräumt werden soll; denn wenn wir in die europäische Verkehrspolitik hineinwachsen, können wir einen so hoch belasteten Werkverkehr nicht mehr haben. In den anderen Ländern kennt man nämlich keine besondere Werkverkehrsteuer.Wenn Sie aber davon sprechen, daß damit für die Bundesbahn Verluste entstehen, so darf ich zunächst darauf hinweisen, daß das Hohe Haus in allernächster Zeit den Bericht vorgelegt bekommt, den der Bundestag von uns verlangt hat und den daher die Bundesregierung dem Bundestag über das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Bundesbahn erstattet. Nach langen Verhandlungen ist erfreulicherweise eine Einigung zwischen dem Herrn Bundesminister der Finanzen und uns erzielt worden, so daß wir den Bericht dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung zuleiten konnten. Er wird Ihnen in ganz kurzer Zeit zugehen.Dieser Bericht enthält z. B. endgültige Feststellungen der Notwendigkeit, der Bundesbahn die strukturell bedingten überhöhten Versorgungslasten abzunehmen, so wie ja auch die anderen Mittel, die die Bundesbahn im Haushalt bekommt, zu einem erheblichen Teil auf Tatsachen beruhen, nämlich darauf, daß die Bundesbahn Lasten für die Allgemeinheit, d. h. für den Bund, trägt, deren Erstattung ihr nicht versagt werden kann. Nach eingehenden Überlegungen sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß es anzustreben und gerechtfertigt ist, daß die Bundesbahn nicht mehr als 30%, bezogen auf ihre Ausgaben für ihre aktiven Mitarbeiter, an Versorgungslasten trägt. Das ist ein noch höherer Betrag, als er normalerweise in der Wirtschaft festzustellen ist; dort schwankt er etwas zwischen 20 und 25%. Zur Zeit aber ist es aus Gründen der Haushaltsknappheit nicht möglich, der Bundesbahn mehr abzunehmen als bis auf etwa 40%. Das führt zu der Tatsache, daß die Bundesbahn, wenn man z. B. im vorigen Jahr die 30 % hätte zugrunde legen können, 253 Millionen DM im Haushalt mehr hätte erhalten müssen.Rechnen Sie bitte dazu, daß die Bundesbahn zusätzliche Personalausgaben und Sachausgaben ge-
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5886 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmhabt hat, die auf den harten Winter zurückzuführen sind — der dabei gebotenen sehr guten Verkehrsbedienung durch die Bundesbahn standen keine erhöhten Einnahmen gegenüber, weil schließlich die Preise im Winter unter Berufung auf die Witterungseinflüsse nicht erhöht werden können —, dann ergibt sich, daß die Bundesbahn über die Jahresplanansätze hinaus 227 Millionen DM mehr aufwenden mußte.Dadurch ergaben sich im vorigen Jahr insgesamt 480 Millionen DM, die man keineswegs als einen Verlust im üblichen Sinn, der nicht verständlich und nicht zu vertreten war, bezeichnen darf. Die Bundesbahn wird aber einen Verlust in diesem Ausmaß nicht einmal aufweisen. So werden wir in der Lage sein, hier ganz gut zu vergleichen, wie sich die Tarifsenkungen und andere Belastungen zueinander verhalten. Die Bundesbahn hat, wenn sie sich nur als Güterverkehrsunternehmen betrachtet, durchaus noch tarifarische Möglichkeiten, und sie sollte sie auch im Rahmen einer echten Wettbewerbswirtschaft nützen.Sie sprachen dann von den Binnenwasserstraßen und von den Seewasserstraßen. Ich bin sehr dankbar, daß Sie auf diesen Punkt, auf den, wie Sie wissen, ich im Verkehrsausschuß schon seit langer Zeit immer hingewiesen habe, eingegangen sind. Ich bin dem Haushaltsausschuß sehr dankbar, daß er hier über die Ansätze, die wir bisher hatten, hinausgegangen ist und damit hat erkennen lassen, daß diese wichtigen Verkehrswege mit ihren Umschlagsanlagen ausgebaut und genauso wie die Straßen die Eisenbahnen, die Flughäfen und die Seehäfen den Erfordernissen des modernen Verkehrs bezüglich der Größe und der Geschwindigkeit der Transportgefäße angepaßt werden müssen. Auch dies ist eine Aufgabe, die Milliarden an Investitionen erfordert. Der Mittellandkanal, den Sie liebenswürdigerweise mit einem kleinen falschen Zungenschlag „Mittelstandskanal" genannt haben — das war sehr nett, das hat mich sehr gefreut —, erfordert allein von Bergeshövede bis Hannover eine Investition von 1 Milliarde DM. Es geht hier also nicht um kleinere Beträge. Wir müssen uns daher ebenso wie bei den Straßen und Eisenbahnen bemühen, den vielfältigen Aufgaben, die da vorliegen, finanziell gerecht zu werden. Hier liegen wir, solange der Ausbau unterbleibt, hinsichtlich der wachsenden Reparaturen und der immer stärkeren Verstopfungen fest wie bei unseren gesamten Verkehrswegen.Mit Recht haben Sie die Belastung unserer Wasserstraßen angesprochen. Ich darf hier noch eine kleine Bemerkung anfügen. Herr Dr. Bleiß, im Konzert der internationalen oder sagen wir: der europäischen Wasserstraßen — wenn Sie mal von den Niederlanden absehen, die ja ein Land unter dem Meeresspiegel sind — können sich unsere Wasserstraßen durchaus sehen lassen. In Frankreich und Italien gibt es keine Wasserstraßen ähnlicher Art. Sie können mir höchstens entgegenhalten, daß ein Staat, der aber auch ganz andere Voraussetzungen hat, in den letzten Jahren sehr viel für seine Wasserstraßen getan hat: das ist die Sowjetunion.Wir müssen uns aus den angeführten Gründen bemühen, unsere Wasserstraßen den europäischen Anforderungen, also dem europäischen Transportgefäß von 1350 Tonnen und 2,50 Meter Tiefgang anzupassen, und Möglichkeiten für neue technische Lösungen wie die Schubschiffahrt eröffnen. Wir versuchen, dieser Aufgabe planend und in Modellversuchen vorbereitend Rechnung zu tragen. Wir sind hier genauso wie beim Straßenbau in der Lage, zusätzliche Mittel, die uns zur Verfügung gestellt werden können, in entsprechendem Maße zu verbauen und im Interesse der Verkehrswirtschaft wirksam anzulegen.Dem Herrn Kollegen Drachsler bin ich sehr dankbar, daß er auf einen ganz besonders schlimmen Engpaß bei unseren Investitionen hingewiesen hat. Dieser Engpaß sind nicht die Finanzen. Dieser Engpaß bei den Verkehrsinvestitionen ist die selbstverständliche Pflicht, die wir alle haben, nämlich sie im Rahmen und nach den Regeln eines sozialen Rechtsstaates durchzuführen. Wir können diese Verkehrsinvestitionen nicht wie früher durchführen par ordre de Mufti. Wir müssen sie vielmehr im Rahmen von Planfeststellungen durchführen, nachdem wir die Planungen selber so sorgfältig wie möglich vorgenommen haben. Diese Planfeststellungen müssen durch neutrale Behörden gemacht werden, die das Interesse der Betroffenen gegenüber den bauenden staatlichen Stellen vertreten.Hier fahren wir uns allerdings in der letzten Zeit mehr und mehr und besorgniserregend fest. Nach den Wünschen des Bundesrechnungshofes dürfen wir nicht mit dem Grunderwerb beginnen, bevor die Planfeststellung durchgeführt ist. So werden wir oftmals um Jahr und Tag zurückgeworfen durch an sich kleinlichere und kleine Angelegenheiten, die zwar örtlich von Bedeutung sind, für das große, gesamte Gefüge aber außerordentlich wenig Bedeutung haben. Sie müssen aber dennoch berücksichtigt werden, weil wir auch in unserer Verkehrspolitik den Menschen in ,den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen. Wir wollen nicht den Menschen, der sich mit Mühe ein Eigentum erworben hat oder der es ererbt hat, durch unsere Forderungen in größte Schwierigkeiten bringen. So müssen wir uns bemühen, ein gutes Kompromiß zwischen einem verkehrssicheren Verkehrsweg und diesen Gegebenheiten der einzelnen Menschen oder kleineren Gemeinschaften im Rahmen des sozialen Rechtsstaates zu finden. Helfen Sie mir bitte dazu, indem Sie in Ihren Wahlkreisen für diese Gedankengänge werben und die Menschen dort bitten, mehr Verständnis dafür zu haben, daß es natürlich nicht allein darum geht, eine Siedlung, die am Rand einer neu zu bauenden Straße liegt, für sich allein zu betrachten und zu schützen, sondern zu bedenken, daß der Verkehr auf dieser neuen Straße jeden Tag von Tausenden von Fahrzeugen, von Tausenden von Menschen benutzt wird, daß er diesen vielen Menschen dient und damit auch wieder der Siedlung selbst dient, weil ja das gesamte Verkehrsleben auch diese Siedlung mitträgt. Sehen Sie: In dieser Aufgabe und unserer Arbeit, dem Menschen zu dienen, liegt ja auch die Begründung für unser doppeltes Bestreben: einmal gegen die Unfälle, zum
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5887
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmanderen für einen reibungslosen ,Ablauf des Verkehrs zu kämpfen.Wir sind dank der 'Elektrifizierung unserer Eisenbahnen, dank zahlreicher Maßnahmen auf unseren Wasserstraßen in der Lage, eine sehr viel stärkere Verkehrsdichte heute zu bewältigen, als das früher der Fall war. Wir bewältigen auch auf unseren Straßen einen viel, viel größeren Verkehr, als früher überhaupt gedacht war und wofür die Straßen gebaut worden sind. Wir müssen uns also bemühen, immer erneut Möglichkeiten zu finden, um auch dann, wenn notwendige Reparaturen den Verkehrsfluß auf diesen .Straßen hemmen, einzugreifen, um keine Stauungen entstehen zu lassen.Ich möchte Sie bitten — ich will das nicht alles hier ausführen —, das Bulletin vom 8. April in die Hand zu nehmen, wo ich in sechs Punkten dargelegt habe, welche Maßnahmen dazu notwendig und in Erprobung sind. Die Stahlflachstraße ist nur eines dieser Mittel. Das Entscheidende ist, daß wir auch unter Reparaturen auf der Autobahn den Verkehr in vier Fahrspuren aufrechterhalten, wenn auch mit schmäleren Fahrspuren, als sie 'bei einer nicht unter Reparatur liegenden Autobahn gegeben sind. Die Stahlflachstraße hilft uns dazu; sie ist eines der Mittel, aber sie ist nicht das alleinige Mittel. Es ist uns natürlich klar — das, glaube ich, werden Sie auch verstehen, und Ihre Freunde werden es auch verstehen —, daß man eine solche neue Möglichkeit, die frisch konstruiert ist, nicht sofort in großen Längen einsetzt, sondern daß man sie zunächst einmal unter Verkehr richtig ausprobiert, bevor man die weiteren Aufträge geben kann. Dabei darf ich bemerken, daß, damit wir diesen ersten Kilometer Stahlflachstraße überhaupt so schnell bekommen konnten, wie wir sie geliefert erhielten, die Firma Krupp z. B. freistehende Kapazitäten ihrer Werften in Bremen und Bremerhaven für die Fertigung mit einsetzen mußte. So einfach also, daß man auf einen Knopf drücken könnte: „Stahlstraße her —Stahlstraße weg" ist 'das eben leider nicht. Wir werden nicht versäumen, wenn wir die Erfahrung haben, die Stahlfachstraßen als Hilfsmittel dort einzusetzen, wo sie brauchbar sind. Sie sind zweifellos gegenüber den uns angebotenen Stahlhochstraßen, die auch beweglich aufzubauen und abzubauen sind, vorteilhafter; denn sie sind billiger, schneller zu montieren, schneller zu demontieren, und sie sind leistungsfähiger. Also haben wir damit schon ein gutes Stück Weges zu der Lösung dieses Problems der Reparaturen auf unseren alten Autobahnen zurückgelegt.Aber unabhängig davon besteht die Tatsache, daß jede Straße, auch ohne Unfall und ohne Reparatur, nur eine bestimmte maximale Schluckfähigkeit hat. Wenn diese Schluckfähigkeit überschritten wird, setzt sich der Verkehr auf der Straße von selbst zu. Deswegen müssen wir eben versuchen, dafür Parallel- und Ersatzstraßen zu bauen oder den Verkehr teilweise umzulenken. Wir bemühen uns darum, können aber Ersatzstraßen auch nicht aus dem Boden stampfen. Es laufen also heute eine ganz große Zahl von Versuchen und Anstrengungen, deren Wert sich natürlich erst in der Zukunft richtig beurteilen läßt. Es geht hier ja nicht nur darum, daß unsere eigenen Leute fahren können. Wir haben als Transitland, als das größte Transitland Europas, einen unerhörten Durchgangsverkehr, weil infolge des Eisernen Vorhangs und der schandbaren Teilung unseres Vaterlandes sich der gesamte Verkehr von Nord nach Süd und ebenso der Verkehr von Nordwest nach Südost und umgekehrt, der in der Freiheit verlaufen will, bei uns durchdrängt. Dazu kommt noch, daß wir eine um ein Drittel größere Bevölkerung haben als 1939. Das stellt uns vor Verkehrsprobleme, die kein anderes Land der Welt in diesem Maße hat. Das führt natürlich auch zu gewissen Klemmungen und zu gewissen Bindungen.Vergessen Sie bitte auch nicht, daß wir dabei eine übermäßige Ballung in Deutschland haben, daß auf 14 % unseres Raums 44 % unserer Bevölkerung leben und daß die Leute bei uns so unvernünftig sind, daß sie weder zu einer vernünftigen Ferienordnung für die Schulen noch zu einer vernünftigen Ferienordnung für die Betriebe kommen wollen. Wenn große Automobilfabriken bereit sind, ihre gesamte Belegschaft von vielen zehntausend Menschen an einem einzigen Tag in Urlaub zu schicken und an einem einzigen Tag wieder zurückzuholen, dann kann man sich natürlich nicht wundern, wenn uns der Generaldirektor dieser Fabrik des ständigen Schlafens beschuldigt. Er will ohne weiteres eine solche einmalige Leistung wie im Märchen vollbracht haben. Wir leben aber nicht im Märchenland, auch wenn uns das Volkswagenwerk in seiner Produktionsfestigkeit fast wie ein Märchen vorkommt.
Wenn Sie das alles überdenken, erkennen Sie, daß alle diese Fragen wirklich von Bedeutung sind und daß wir uns sowohl in den tarifarischen Angelegenheiten als auch in der Planung und im Ausbau unserer Verkehrswege so weit wie möglich bemühen. Es ist nicht wahr, daß wir etwa sklavisch an einem Plan festhielten, den wir vor Jahren einmal gemacht haben. Dieser Plan ist nicht mehr als eine Ausgangsgrundlage. Sie wissen sehr genau, daß wir z. B. durch ständige Bedarfszählungen die Straßenbaupläne immer wieder neu ergänzen, immer wieder umstellen und immer wieder beweglich erhalten.Das gilt auch für unsere Eisenbahnplanung. Der große Gedanke, daß z. B. die Bundesbahn zur Lösung der Probleme der Städte beitragen kann, bricht sich jetzt schon an verschiedenen Stellen Bahn. Wir haben Pläne in München, Frankfurt, Stuttgart, Hannover und Hamburg. Wir haben die Planung für den starren Fahrplan für das Ruhrgebiet. Wir sehen hier die Möglichkeit, im Ruhrgebiet mit dem starren Fahrplan auf der Köln-Mindener und auf der Bergisch-Märkischen Bahn zu ausgezeichneten Ergebnissen im Personen-Nahverkehr zu kommen. Dazu sind auch gar keine so riesigen Investitionen nötig, so daß etwa das Land nicht bereit wäre, hier entscheidend mitzuhelfen. All diese Pläne bedürfen aber der natürlichen Reifung und Durcharbeitung. Wer hier zu schnell handelt, fällt sehr schnell auf die Nase. Deswegen muß alles sorgfältig überlegt werden. Denn das viele Geld, das investiert wird, ist das
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5888 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Dr.-Ing. SeebohmGeld, das wir aus den Taschen unserer Mitbürger nehmen. Darauf müssen wir achten.Wir müssen auch auf ihre Sicherheit achten. Wir haben seit dem Jahre 1960 Gott sei Dank keine Erhöhung der Zahl der Toten bei Straßenverkehrsunfällen zu verzeichnen. Wir haben eine Abnahme der Unfälle mit Verletzung von Personen um ungefähr 8 %, aber wir haben gleichzeitig eine Steigerung der Zahl der Fahrzeuge um 30 %. Das sind über Jahre hinweg keine Zufallsergebnisse mehr, sondern Ergebnisse einer vielfältig ausgebreiteten, aber zielstrebigen, harten und intensiven Arbeit, um diesem Problem beizukommen. Das Ergebnis ist noch keineswegs befriedigend. Ich habe immer wieder gesagt: Solange diese Zahlen so hoch sind, können wir nicht zufrieden sein.Aber wenn Sie diese Zahlen mit den Zahlen in den Vereinigten Staaten vergleichen, wo Präsident Johnson den Verkehrstod auf der Straße ebenfalls zum Problem Nr. 1 erklärt hat, werden Sie feststellen, daß die Zahl der Toten auf den Straßen pro Kopf der Bevölkerung ungefähr der entspricht, die wir zu beklagen haben, daß wir also keineswegs so weit hinter den Vereinigten Staaten zurück liegen, obwohl diese nicht so einen dichten Verkehr haben wie wir. Dabei spielt gerade die Dichte des Verkehrs für die Frage der Unfälle im Verkehr eine ganz besondere Rolle.Ich könnte Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch sehr vieles erzählen, was interessant wäre, und noch auf viele wichtige Fragen eingehen. Ich möchte aber diese Debatte nicht verlängern. Ich möchte Sie nur bitten, mir auch in Zukunft so wie bisher zu helfen, wo es möglich ist, einen sicheren, den europäischen Verhältnissen angemessenen, der deutschen Wirtschaft dienenden und die Verkehrsträger in richtiger Weise fördernden Verkehr aufzubauen und zu unterhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu wenigen Punkten Stellung nehmen. Herr Minister, Sie haben einen Teil der Debatte schon vorausgenommen, den wir uns für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten haben. Es gäbe zu Ihren Ausführungen eine ganze Reihe von sachlichen Gegenargumenten, aber ich glaube, sie — im einzelnen vorgetragen — würden die Debatte ganz erheblich verlängern. Ich möchte nur auf zwei Punkte hinweisen.Wenn Sie glauben, daß die jetzige Erhöhung der Fernverkehrskonzessionen mit der Ausweitung des Verkehrsaufkommens zusammenhänge und daß man diesem erhöhten Verkehrsaufkommen die Zahl der Konzessionen anpassen müsse, dann möchte ich darauf erwidern, daß der Straßenverkehr seine Leistungen ganz wesentlich erhöht hat und diese über das Anwachsen des Verkehrsaufkommens weit hinausgehen. Während ein Lastzug vor etwa acht Jahren im Durchschnitt 80 000 km im Jahre gefahren ist, fährt er heute 140 000 bis 150 00 km. Die Beförderungskapazität der Lastzüge hat sich also nahezu verdoppelt.Bei Ihren Berechnungen sind Sie wahrscheinlich von den unglücklichen Maßen — 16 m — und Gewichten — 24 t — ausgegangen. Jetzt stehen ganz andere Gewichte zur Debatte, nämlich 36 oder 38 t Gesamtgewicht je Lastzug, die man bei der Summe der Konzessionen natürlich auch berücksichtigen müßte.Ich bin nicht so sehr der Meinung, daß ein Mangel an Frachtvolumen auf der Straße vorhanden wäre, sondern ich bin vielmehr der Meinung, daß ein gewisses Überangebot künstlich erzeugt werden soll, um auf diese Weise wesentliche Tarifsenkungen, möglicherweise auch ruinöse Tarife zu erzwingen. Das wird behauptet. Die Bundesbahn ist beispielsweise auch der Auffassung, daß die Kontingentserhöhung überflüssig sei, weil die vorhandenen Kapazitäten im Straßenverkehr ausreichen. Als Kampfmaßnahme der Bundesbahn gegen Sie hat diese ihre Tarifsenkungen angekündigt. Wir sind der Meinung, daß die Bundesbahn ihre Reserven ausschöpfen soll, wenn noch welche vorhanden sind. Deswegen fordern wir ja auch selbstkostenorientierte Tarife. Aber wir wünschten gerade von Ihnen zu hören, wie die Verhältnisse bei der Bundesbahn liegen, und wir wünschten gerade von Ihnen zu hören, in welcher Form die finanziellen Beziehungen zwischen dem- Bund und der Bundesbahn geregelt werden sollen, weil wir auch der Meinung sind -und ich weise anderslautende Unterstellungen von Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann, ganz eindeutig zurück —, daß die Bundesbahn gesund sein muß. Die Bundesbahn soll für ihre betriebsfremden Aufwendungen einen Ausgleich bekommen, die Bundesbahn soll und muß für die Sozialverkehre entschädigt werden. Aber wir wünschten von Ihnen die Zahlen dafür auf den Tisch gelegt zu bekommen. Die gesamten Wettbewerbsverzerrungen spielen ja im Bundestag nicht erst seit gestern und heute eine Rolle. Wir reden doch schon seit 1955, seit 9 Jahren, darüber. Herr Bundesverkehrsminister, ich muß leider sagen, daß der Bericht, den Sie im vergangenen Jahre über die Wettbewerbsverzerrungen vorgelegt haben, ein bißchen dürftig und ärmlich ist; damit können wir nichts anfangen. Bei der nächsten grundsätzlichen Debatte werden wir über diese unzulängliche Berichterstattung noch reden müssen.Die wesentlichen Probleme, z. B. der Wegekosten, haben Sie leider im Bericht nicht erörtert, sondern als eine Aufgabe der nächsten Jahre deklariert. Nein, wir wollen jetzt wissen, welche Wettbewerbsverzerrungen vorhanden sind, damit wir sie beseitigen können.Lassen Sie mich aber nur noch einiges zu der Doppelzüngigkeit sagen, die Sie mir vorgeworfen haben, Herr Kollege Müller-Hermann! Man sucht gewöhnlich jemand hinter der Tür, hinter der man selber steht. Ich möchte Ihre doppelten und mehr Zungen an einigen Beispielen darstellen. Sie haben sich im Verkehrsausschuß sehr. eindeutig für die Zweckbindung von 55% eingesetzt. Im Plenum haben Sie nachher für 46% gesprochen. Sie haben
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5889
Dr. Bleißnicht zu dem gestanden, was Sie im Verkehrsausschuß gesagt haben.
Es ist ein großer Unterschied zwischen Reden und Handeln.Sie haben uns nach unserem Programm gefragt. Wir gehen damit in die Öffentlichkeit. Wir haben seit 1956 unsere Verkehrskongresse. Wir legen Ihnen die Dokumentation darüber vor und schicken sie Ihnen ins Haus. Viele von den Argumenten, die wir gebracht haben, haben wir später so manches Mal bei Ihnen wiedergefunden. Nun schön, wir sind großzügig. Wenn Sie daraus gelernt haben, freuen wir uns. Aber hören Sie auf, uns den Vorwurf zu machen, daß wir kein Programm haben. Ich habe Ihre und auch Ihrer Freunde eindeutige Vorstellung leider bisher vermißt.
Ich bin der Meinung, Sie waren einmal pro Bundesbahn und dann wieder pro Straßenverkehr. Wirsind weder für den einen noch für den anderen.
Wir sind für gesunde Verkehrsträger. Wir sind der Meinung, daß jeder Verkehrsträger in unserer Wirtschaft seine Leistung zu vollbringen hat, und dafür wollen wir ihm auskömmliche Arbeits- und Startbedingungen schaffen. Das ist unser Anliegen. Deswegen kämpfen wir für die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung und auch für eine vernünftige Behandlung der Binnenschiffahrt. Denn Sie können uns doch nicht erzählen, daß es der Binnenschiffahrt gut geht. Ich bin der Meinung, daß hier wirklich eine arge Bedrängnis vorliegt. Und wir wollen insbesondere auch diesen mittelständischen Betrieben helfen.Lassen Sie mich aber noch eines zu den Bundesstraßen sagen. Herr Lemmrich, Sie meinten vorhin, die Länder tun relativ wenig,
oder, die Leistungen der Länder waren zu unterschiedlich. Ich habe in Pforzheim ausdrücklich festgestellt, daß die Länder in der Verwendung der Kfz-Steuer vorbildlich gehandelt haben, und ich wünschte nur, daß sich der Bund diesem Vorbild der Länder hinsichtlich der vollen Verwendung der spezifischen Verkehrsabgaben anschlösse. Dann wären wir auf dem Gebiete des Straßenbaus heute wahrscheinlich schon ein großes Stück weiter.
Ein Weiteres. Sie haben Ihre Leistungen in der Vergangenheit wieder herausgestellt. Ich möchte fragen: Was haben Sie in der Vergangenheit alles unterlassen? In der Zeit, als der Julius-Turm von Ihnen gelegt wurde, hätten Sie mit dein Straßenbau verstärkt beginnen müssen. Damals ist von Ihnen die Erbsünde begangen worden. Das ist systematisch verschleppt worden. Daraus ergibt sich ein enormer Rückstau, und wir müssen jetzt versuchen, den wieder abzubauen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Bleiß, ich habe nicht gesagt: Die Länder tun nichts. Im Gegenteil, ich habe erklärt, daß man da differenzieren muß. Ich habe gesagt, daß sie 2,3 Milliarden DM ausgeben. Und über das, was Sie in Ihrer zweiten Äußerung eben angegriffen haben, werden wir uns in der nächsten Debatte unterhalten. Aber Sie werden doch nicht im Ernst glauben, daß Sie die angebliche Verzögerung so einfach erklären können, wie Sie das jetzt tun.
Darüber werden wir reden. Wir sehen uns auch die Haushaltspläne an. Wir werden sehen, welche Reserven Sie damals hatten.
Um was streiten wir uns heute? Wir wünschen, daß sich die Schere zwischen Motorisierung und Straßenbau nicht weiter öffnet. Der Bundesverkehrsminister hat hier ja ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Motorisierung bis 1975 schneller voranschreitet, als wir Straßen bauen können. Das heißt doch bei vernünftiger Überlegung, daß sich die Schere weiter öffnen muß und daß die Verstopfungen zunehmen. So lese ich das jedenfalls Buchstabe für Buchstabe. Wir wollen, daß die weiteren Verstopfungen endlich einmal aufhören. Es ist doch bekannt, daß die Bauwirtschaft eine Kapazitätsreserve von 40 % hat. Diese Reserve wollen wir mobilisieren. Darum geht doch der ganze Kampf. Sie bleiben bei den 46 bis 52 %. Sie sagen: Mehr gibt es nicht; damit hat sich der Straßenbau abzufinden. Wir sagen Ihnen: Das ist zu wenig, und wir wollen uns mit Ihnen gemeinsam — bitte, das bieten wir Ihnen an — darüber unterhalten, wie wir die für den notwendigen Straßenbau richtige und vernünftige finanzielle Grundlage finden. Aber zu diesem Gespräch sind Sie ja gar nicht bereit.
Lassen Sie mich schließlich noch eines bezüglich der Doppelzüngigkeit sagen. Wessen Zunge haben Sie denn bei den Binnenwasserstraßen gesprochen? Was ich zitiert habe, stammt zu einem großen Teil aus einem Referat, das der Bundesverkehrsminister bei dem Verkehrsausschuß abgeliefert hat. Herr Minister Seebohm hat eindeutig zugegeben, daß unsere Binnenwasserstraßen vernachlässigt werden, daß sie hinter der Entwicklung einherhinken. Nun, darüber werden wir sehr ausführlich in der Debatte reden, die wir auf jeden Fall noch vor der Sommerpause haben müssen. Wenn Sie dann konstruktive Vorschläge für die Gesundung der Verkehrsträger haben, werden wir in aller Ruhe und Sachlichkeit darüber reden.
Keine weiteren Wortmeldungen.Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst nur über den Antrag des Ausschusses Drucksache
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5890 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Vizepräsident Dr. SchmidIV/2061. Die beiden vorliegenden Entschließungsanträge sind für die dritte Beratung bestimmt; darüber können wir jetzt nicht abstimmen.Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Ausschußvorlage ist in zweiter Beratung angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen .Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren verfolgen wir jetzt mit großer Sorge die Ertragslage und die Kapitalverhältnisse bei unserer Deutschen Bundespost. Die immer bedrohlicher werdende finanzielle Lage dieses Sondervermögens der Bundesrepublik zwingt uns dazu, trotz der vorgeschrittenen Zeit und trotz des Wunsches dieses Hauses, mit der zweiten Lesung schnell fertig zu werden, doch wenigstens einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen.Es wird nach unserer Auffassung allerhöchste Zeit, daß sich der Deutsche Bundestag mit der Situation der Deutschen Bundespost beschäftigt, damit uns nicht eines Tages der Vorwurf gemacht wird, wir hätten eine gefahrdrohende Entwicklung nicht auf uns zukommen sehen. Die Situation der Deutschen Bundespost sieht gegenwärtig so aus, daß dort seit Jahren ständig mit steigenden .Verlustzahlen gearbeitet wird. Im Jahre 1961 fing es an, und zwar mit einem Verlust von 142 Millionen DM. 1962 waren es schon 380 Millionen DM, und im Jahre 1963 360 Millionen DM. Für 1964 wird wieder mit einem erheblichen Verlust gerechnet. Man spricht im Augenblick von 410 Millionen DM. Aber Pessimisten, die die kommenden Belastungen mit in Rechnung stellen, sprechen häufig schon von einem Verlust für 1964 von rund 700 Millionen DM, und das, meine Damen und Herren, obwohl wir am 1. März 1963 eine erhebliche Gebührenerhöhung für alle Zweige des Postdienstes bekommen haben. Diese Gebührenerhöhung sollte ursprünglich 600 Millionen DM erbringen. Sie hat jedoch weniger erbracht, weil sie später in Kraft getreten ist und weil in einigen Dienstzweigen der Bundespost Rückgänge bei den Verkehrsleistungen eingetreten sind.Die Situation der Deutschen Bundespost wird außerdem durch ein ständig sich verschlechterndes Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital gekennzeichnet. Der Bundespostminister hat kürzlich erklärt, von dem ganzen Vermögen der Bundespost gehöre ihm nur noch die Armlehne des Stuhles, auf dem er sitze. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es aussieht, wenn die Gläubiger ihm den Rest wegnehmen und er noch die Armlehne behält. Nach mehrfach veröffentlichten Erklärungen des Bundespostministers und des Ministeriums beträgt das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital im Augenblick 92 zu 8 %. Man sagt, daß dieses Verhältnis Ende dieses Jahres ungefähr 98 zu 2 oder gar 99 zu 1 % betragen wird. Kann man in einem solchen Fall überhaupt noch von einem Vermögen, einem Sondervermögen der Bundesrepublik sprechen? Es fehlt uns dann nur noch, daß die Kapitalgeber Einfluß auf die Betriebsführung der Bundespost nehmen.Unter diesen Umständen halten wir zumindest eine Bestimmung des Postverwaltungsgesetzes vom Jahre 1953 für stark reformbedürftig, nämlich den § 21, der die Ablieferung an den Bund regelt. Diese Ablieferung der Bundespost an die Bundeskasse beträgt 62/3 % der gesamten Einnahmen, also nicht etwa, was verständlich wäre, des Gewinns. Der § 21 des Postverwaltungsgesetzes war vor mehr als zehn Jahren, als er geschaffen wurde, sicher noch sinnvoll; damals machte die Bundespost Gewinne, die die Ablieferungssumme überstiegen. Seit Jahren ist das anders, ich habe das eben an Hand von Zahlen bewiesen. Deshalb ist die Ablieferung 62/3 % von den Einnahmen nicht mehr sinnvoll und führt zu einer Aushöhlung des Sondervermögens der Deutschen Bundespost.
— Herr Dr. Conring, seit Jahren machen Sie Ihre Zwischenbemerkungen, wenn ich hier spreche,
und seit Jahren nehmen Sie das nicht ernst. Wozu die Entwicklung geführt hat, sehen Sie heute an diesen Zahlen. Sie sind Mitglied deis Haushaltsausschusses. Sie vereinnahmen die 520 Millionen in diesem Jahre ganz gern. Sie denken aber anscheinend gar nicht daran, wohin es führt. Ich weiß nicht, ob Sie keinen kaufmännischen Sinn haben. Jedenfalls kann man ein Vermögen doch nicht dauernd aushöhlen. Als Kaufmann würde man das nicht tun; eine Verwaltung kann und darf das auch nicht tun.
Die Bundespost hat in den Jahren seit der Währungsreform an die Bundeskasse insgesamt 41/2 Milliarden DM abgeführt, und ich meine, damit hat sie wohl eine große Leistung vollbracht. Es wäre angebracht, einmal ernstlich darüber nachzudenken, ob es unter diesen Umständen heute noch sinnvoll ist.Bei der Aufstellung des Haushaltsplans für das Jahr 1964 — ich spreche jetzt nicht von dem Einzelplan 13, sondern von dem Haushaltsplan der Deutschen Bundespost, den nicht wir behandeln, sondern den der Verwaltungsrat behandelt — haben der Postminister und auch der Verwaltungsrat den Finanzminister ersucht, wenigstens vorübergehend von der Ablieferung Abstand zu nehmen. Man hat dabei noch mehr Fragen aufgeworfen, die unbedingt geregelt werden müssen. Dabei handelt es sich um die Aufstockung des Kapitals sowie die Befreiung der Bundespost von betriebsfremden unid eventuell auch von politischen Lasten. Leider haben sie damit bisher keinen Erfolg gehabt. Unter Hinweis auf die Finanzlage des 'Bundes verlangt der Bundesfinanz-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5891
Cramerminister, daß die Bundespost sich selbst hilft. Auf die Ablieferung verzichtet er nicht. An Aufstockung des Kapitals denkt er nicht.Darf ich, meine Damen und Herren — unid Herr Dr. Conring, vielleicht hören Sie jetzt auch mal zu — mit einem Beispiel aus der Landwirtschaft kommen.
Ein Beispiel aus der Landwirtschaft liegt Ihnen ja besonders nahe, Herr Dr. Conring. Der Bundesfinanzminister oder die Bundesregierung kommt mir beinahe vor wie ein Bauer, der seine milchgebende Kuh statt mit Heu und Kraftfutter nur mit Stroh füttert, aber von der Milch dieser Kuh einen Fettgehalt verlangt, der wesentlich oder mindestens einige Prozent über den Durchschnittswerten liegt.
Der Bundesfinanzminister verweist das Bundespostministerium unid den Bundespostminister auf den Ausgleich durch Gebührenerhöhungen. Die letzte Gebührenerhöhung liegt erst ein Jahr zurück, und sie hat die katastrophale Entwicklung bei der Bundespost nicht aufhalten können. Sie hat vielmehr ,die Tatsache herausgestellt, daß man Gebührenerhöhungen auch ,übertreiben kann. Die Bundespost verfügt nämlich nicht auf allen Gebieten ihres Betriebes über ,ein Monopol. Ich nenne nur die Paketbeförderung. Meine Frage lautet: Müssen die Verkehrszahlen noch weiter zurückgehen, bevor im Kabinett entsprechende Konsequenzen gezogen werden? Auf diese Überlegung ist es wohl auch zurückzuführen, daß das ,Gespräch über die mögliche. Gebührenerhöhung inzwischen wieder ein wenig verstummt ist, nachdem vor einigen Wochen schon angekündigt worden war, daß die Briefgebühr von 20 Pf auf 30 Pf erhöht werden sollte.Alles in allem, meine Damen und Herren, wird es höchste Zeit, daß die Bundesregierung diesem Hohen Hause und damit der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit erklärt, wie sie sich die Sanierung der Deutschen Bundespost überhaupt vorstellt. Wir wünschen Klarheit über folgende Punkte: a) die Neuregelung der Ablieferung an den Bund, eventuell durch Änderung des Postverwaltungsgesetzes, so daß die Ablieferung nicht mehr vom Umsatz, sondern vom Gewinn erfolgt, b) die Kapitalaufstokkung, d. h. die Herstellung eines gesunden Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital, c) die Möglichkeiten der Vermeidung einer Gebührenerhöhung.Zu diesem Fragenkomplex gehört auch das Problem der Investitionen. Investitionen sind notwendig a) zur Rationalisierung aller Postzweige und b) zum Ausbau des Fernsprechwesens.Wir hören immer wieder von der langen Warteliste. Im Augenblick soll sie 330 000 Anträge enthalten, die länger als neun Monate vorliegen. Heute nachmittag wurde mir hier eine Karte von einem Geschäftsmann aus Bonn übergeben, der lediglich, weil er sein Geschäft verlegt hat, auch seinen Anschluß verlegt haben möchte und dem mitgeteilt wurde, daß er voraussichtlich bis Ende 1965auf die Verlegung seines Anschlusses warten müsse.
Ich glaube, deshalb sollte man diese Ausführungen wohl ernst nehmen.Die Erklärung der Bundesregierung sollte schnellstens erfolgen. Wenn die Regierung heute dazu nicht in der Lage ist, was wir ihr durchaus nicht übelnehmen, dann soll sie wenigstens demnächst in diesem Hause die Möglichkeit wahrnehmen. Wir werden ihr, wenn es nicht anders geht, die parlamentarische Möglichkeit dazu verschaffen.Meine Damen und Herren, der Bundestag hat sich durch das Postverwaltungsgesetz weitgehend der Mitwirkung bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Haushaltspläne der Deutschen Bundespost begeben. So wie die Dinge heute liegen, dürfen wir aber auf eine Klarstellung der Verhältnisse in aller Öffentlichkeit nicht verzichten. Schließlich dürfen wir ja nicht vergessen, daß die Bundespost enorme Geldbeträge unserer Wirtschaft und unserer Sparer verwaltet. Schon um das Vertrauen zur Bundespost zu erhalten und zu stärken, ist es eine vordringliche Forderung an die Bundesregierung, wieder vollkommen gesunde Finanz- und Kapitalverhältnisse bei der Deutschen Bundespost zu schaffen. Das kann sie nur durch Stärkung des Eigenkapitalanteils erreichen. In dieser Richtung sollten ihre Anstrengungen besonders intensiv betrieben werden. Gebührenerhöhungen — das hören wir heute in der Öffentlichkeit immer wieder — können bestenfalls nur eine vorübergehende kassenmäßige Erleichterung schaffen. Sie werden aber von der gesamten Öffentlichkeit abgelehnt.Wir stellen keine Anträge zu diesem Etat, denn der Etat gibt ja auch keine Veranlassung dazu. Wir könnten höchstens beantragen, das Gehalt des Ministers zu streichen. Das ist aber sinnlos, denn er wird es doch bekommen.
Also stellen wir keine Anträge.
Aber die Koalitionsparteien haben einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem ein Untersuchungsausschuß aus sieben Sachverständigen gefordert wird.
Wir haben über diesen Antrag bereits im Ausschuß gesprochen. Wir wollen die Koalitionsparteien, wenn sie glauben, daß sie einen solchen Antrag gegen ihren Minister durchsetzen sollten, nicht hindern, das zu tun. Aber wir meinen, der Verwaltungsrat hat schon genügend und gut fundierte Vorschläge ausgearbeitet. Es kommt darauf an, schnell zu handeln und nicht durch eine Kommission die Sache eventuell noch zu verzögern.
Außerdem hat ja der Herr Bundeskanzler veranlaßt, daß einige Minister dazu bestellt worden sind, die Verhältnisse bei der Bundespost zu prüfen.
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5892 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
CramerZum Schluß — nicht weil es schon zu einer Gewohnheit geworden ist — ein Wort des Dankes an die 470 000 Beamten," Angestellten und Arbeiter bei der Deutschen Bundespost, deren Dienst ganz gewiß nicht leicht ist.
— Das kommt gleich. — Ich rechne dazu auch die vielen Ausländer, die im Sortier- und Beförderungsdienst, zum Teil sogar im Zustelldienst mit tätig sind. Die Verkehrsleistungen bei der Bundespost zeigen, daß eine Erhöhung des Personalbestandes längst nicht in dem Umfang erforderlich war, wie die Verkehrszahlen gestiegen sind. Daraus wird eine gewaltige Arbeitsleistung der Postbediensteten erkennbar.Aber um auf Ihren Zwischenruf einzugehen: Ich habe unseren Dank an die Postbediensteten gerichtet. Selbstverständlich wissen wir, daß auch der Postminister und die Herren des Ministeriums ein großes Arbeitspensum zu erfüllen haben. Aber leider zwingt uns die Situation bei der Bundespost, das Vertrauen, das in diesem Dank an das Personal zum Ausdruck kommt, nicht auf den Minister oder auf das Ministerium auszudehnen.
— Er hat nicht genug getan! Er hat nicht genug auf seine Kollegen im Kabinett dahin eingewirkt, die bedrohliche Situation bei der Deutschen Bundespost abzuwehren. Das ist seine Schuld.
— Er hat es getan, aber er hat sich nicht durchsetzen können gegen den Mann, der die Kasse, der die Finanzen hat. Nicht nur beim Verkehr ist es so, sondern auch bei der Post.Meine Damen und Herren, wir lehnen den Einzelplan 13 ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Haushalt der Bundespost in diesem Jahr nur mit einer Gebührenerhöhung ausgeglichen werden konnte und daß in diesem Jahr keine Hilfe mehr von seiten des Bundes zu erreichen war, bezeugt eigentlich, wie hart um diesen Stabilisierungshaushalt des Bundes gekämpft werden mußte. Denn wenn auf Seiten des Bundes für dieses Jahr noch irgendeine Möglichkeit gegeben gewesen wäre, dann hätte dies sicher verhindert werden können.Die Tatsache, daß die Bundespost zur Abdeckung ihres Haushalts gegebenenfalls Gebühren erhöhen muß, ist auf eine Entwicklung zurückzuführen, die zunächst nicht vorauszusehen war, die aber rechtzeitig erkannt wurde und zu der der Verwaltungsratder Deutschen Bundespost sehr genaue Überlegungen angestellt und Verhandlungen mit der Bundesregierung geführt hat.Meine Damen und Herren, um die jetzige Situation richtig zu verstehen, muß man aus dem Postverwaltungsgesetz einmal ersehen erstens, was die Aufgaben der Bundespost sind, und zweitens, was ihr zur Deckung ihres Finanzbedarfs für diese Aufgaben zur Verfügung steht. Das Postverwaltungsgesetz ist im Jahre 1953 geschaffen worden. Ich bin überzeugt, daß dieses Gesetz einen ganz anderen Inhalt, insbesondere bezüglich der Abdeckungsmöglichkeit eines Haushalts, hätte, wenn man diese Entwicklung seit 1953 vorausgesehen hätte.Der Postminister ist nach § 2 des Postverwaltungsgesetzes dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bundespost nach den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Verkehrs-, der Wirtschafts-, der Finanz- und der Sozialpolitik, verwaltet wird. Die Anlagen der Deutschen Bundespost sind in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiterzuentwickeln und zu vervollkommnen.Dem steht gegenüber, daß die Bundespost als Sondervermögen des Bundes Zuschüsse nach § 15 aus der Bundeskasse nicht erhalten kann, weil sie nicht geleistet werden dürfen. Andererseits aber wird in § 21 bestimmt, daß, gleichgültig, ob ein Ertrag da ist oder nicht, 62/3% der Betriebseinnahmen an den Bund abzuliefern sind.Nun muß man, meine Damen und Herren, klar sehen, daß die Bundespost in der Gestaltung ihrer Ausgabenseite insofern nicht frei ist, als sie sich der fortschreitenden Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage anpassen muß. Das ist der Auftrag, der ihr in § 2 des Postverwaltungsgesetzes gegeben ist. Meine Damen und Herren, Sie wissen ja selbst, in welcher Rasanz die wirtschaftliche Entwicklung vorwärtsschritt und daß insbesondere die Bundespost ungeheure Investitionen vornehmen mußte, um ihren Leistungsstand entsprechend den wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu erhalten. Die Bundespost hat bisher über 10 Milliarden DM investiert und in dieser Zeit der raschen technischen Entwicklung gleichzeitig über 4 Milliarden DM an den Bund abgeliefert. Das ist eine Zahlung, die ohne Verlust an Eigenkapital einfach nicht bewältigt werden könnte.Sie haben ferner gehört, daß die Bundespost ihre Verwaltung so führen muß, wie es die Sozialpolitik des Bundes verlangt. Die Löhne und Gehälter bei der Bundespost erfordern einen ungeheuren Aufwand und machen etwa 60% der Gesamtaufwendungen aus, in besonders arbeitsintensiven Betriebszweigen sogar 75%.Meine Damen und Herren, wenn Sie bedenken, daß die letzte Weihnachtszuwendung allein 40 Millionen DM verschlungen hat und daß die Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde zirka 77 Millionen DM ausmacht, dann können Sie sich vorstellen, was die bisherigen Lohnerhöhungen im Budget
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5893
Dr. Besoldder Bundespost mit einem Bestand von 440 000 Arbeitern, Angestellten und Beamten bedeutet haben.Diesen Belastungen auf der Ausgabenseite kann die Bundespost nicht ausweichen. Dazu kommen weitere politische Lasten, von denen die Bundesbahn längst befreit ist. So besteht das Problem der Belastung durch die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. Die Belastung durch den Sondertarif Berlin, durch die erhöhten Kosten aus den sich beim Straßenbau ergebenden Veränderungen. Der ungeheure Ausbau der Straßen erfordert die Umlegung der Kabel, wodurch erneut Kosten für die Bundespost entstehen, die vom Bund nicht gesondert honoriert werden. Weiter kommen hinzu die Vermögensabgabe an den Bund in Höhe von ca. 20 Millionen DM und neben den 62/3 % auch noch die Beförderungsteuer. Und keine kostendeckenden Gebühren, meine Damen und Herren!Wir haben eine Gebührenerhöhung gehabt und haben auch versucht, sie so vorzunehmen, daß ein Ausgleich im Bundeshaushalt gesichert ist. In der Zwischenzeit sind aber auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung und der sozialen Notwendigkeiten die Ausgaben, die ich Ihnen vorweg genannt habe, über daß Maß hinausgewachsen.Wozu führt die übernormal rasche wirtschaftliche Entwicklung, und welche Auswirkungen hat sie auf die Bundespost? Das Postverwaltungsgesetz ist dieser Lage nicht angepaßt. Die Ablieferungspflicht besteht ohne Rücksicht auf den Verlust des Substanzwertes der Bundespost und ohne, daß die politischen Lasten abgedeckt sind und die Gebühren die Kosten decken. Das führt in bedrohlicher Weise zu stärkster Veränderung von Fremd- und Eigenkapital und zu einer unerträglichen Zinslast, die zur Zeit neben den Ablieferungen an den Bund von zirka 600 Millionen DM 500 Millionen bis 600 Millionen DM beträgt. Damit hat die Bundespost allein eine Last von ca. 1 Milliarde DM zu tragen.Das Bundesfinanzministerium empfiehlt, die Bundespost möge diese Verluste durch Gebühren abdecken und die Investitionen an die Deckungsmöglichkeit anpassen. Dazu ist folgendes zu sagen. Eine Gebührenerhöhung mit vollständiger Kostendeckung ist nicht möglich. Auch bei Gebührenerhöhungen gibt es Grenzen und Nebenwirkungen, z. B. Abwanderung von Leistungen zur Bundesbahn, Aufgabe von Sendungen in Ländern mit geringeren Gebühren, z. B. in Holland — was bereits festgestellt wurde —, Beförderung von Sendungen in betriebseigenen Fahrzeugen, also Herausnahme der Beförderung aus der Bundespost, und gegebenenfalls Sparmaßnahmen im Telefonverkehr, wenn die Gebühren über das Maß der Wirtschaftlichkeit hinaus erhöht werden.Meine Damen und Herren, stellen Sie einmal zu diesen Punkten Überlegungen an. Sie müssen insbesondere klar und eindeutig sehen, daß das Postverwaltungsgesetz vom Jahre 1953 den Erfordernissen und der Entwicklung in der Bundesrepublik auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet hinsichtlich der Deckung der Ausgaben und Aufwendungen der Bundespost einfach nicht mehr gerecht wird.Das Postverwaltungsgesetz muß deshalb möglichst rasch den Verhältnissen angepaßt werden. Außerdem müssen der Bundespost, wie das bei der Bundesbahn geschehen ist, irgendwie die politischen Lasten abgenommen werden. Es muß eine Situation geschaffen werden, durch die die Bundespost ebenfalls ihren Haushalt nach kaufmännischen Gesichtspunkten führen und so auch ihre Aufgaben erfüllen kann.Ich möchte noch ein Beispiel erwähnen, wie die Maßnahmen, die zur Stabilisierung der Bundespost ergriffen werden, teilweise sogar ausgenützt werden. Als wir die Zeitungsgebühren erhöhten, hat die „Neue Illustrierte" in ihrer Ausgabe Nr. 46 vom 17. November 1963 geschrieben:Wir brauchen sogar einen Groschen mehr als bisher. Warum? Weil Bundespostminister Stücklen mehr Geld fordert für Transport und Auslieferung der „Neuen Illustrierten". Wir haben im Interesse unserer Leser lange und hart mit dem Minister aus Bonn verhandelt, aber es bleibt dabei: Mehr Geld für die Post. Deshalb muß die „Neue Illustrierte" vom nächsten Heft an leider einen Groschen mehr kosten. Es gilt in der Bundesrepublik als unfein, über Geschäfte zu reden und Namen zu nennen. Wir sind anderer Meinung. Wir halten es nicht für unfein, unverblümt die Wahrheit zu sagen und in diesem Falle auch Namen zu nennen.Was ist die Wahrheit hinsichtlich der Wirkung dieser Gebührenerhöhung, über die diese Veröffentlichung nur falsche Meinungen in der Öffentlichkeit verbreitet hat? Die Wahrheit ist, daß die Erhöhung der Postzeitungsgebühren für das einzelne Exemplar dieser Illustrierten eine Verteuerung zwischen einem halben und höchstens zwei Pfennigen bedeutete und sich nicht bis zu einem Groschen bewegte, und das nur bei der Auflage, die tatsächlich über den Postzeitungsdienst vertrieben wird. Die Bezugspreiserhöhung gilt jedoch für die Gesamtauflage. Außerdem wurden die Bezugspreise dieser Illustrierten schon vor dem Inkrafttreten der Erhöhung heraufgesetzt. Weiterhin darf ich feststellen, daß auch nach dieser Gebührenerhöhung immer noch zwei Drittel der Beförderungskosten von der Bundespost getragen werden.Aber die Gebührenerhöhung gerade im Zeitungsdienst ist eine politische Frage, die von allen Parteien mitgetragen werden muß, weil sie bei der Unterrichtung und Meinungsbildung des Volkes eine Rolle spielt. Infolgedessen kann eine solche Gebührenerhöhung auch nicht als eine Nachlässigkeit der Bundespost betrachtet werden, sondern nur so angesehen werden, daß hier eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung gegeben ist.
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Ruhe für den Redner und bitte, Privatgespräche außerhalb des Saales zu führen.
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5894 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU und die FDP haben einen Antrag auf Umdruck 428 *) eingereicht, nach dem nicht, wie Herr Kollege Cramer gesagt hat, ein „Untersuchungsausschuß" eingesetzt werden soll — das hat die Bundespost nicht nötig —, sondern eine Kommission, die sich aus Sachverständigen zusammensetzt und die die Fragen, die in dem Antrag bezeichnet worden sind, prüfen soll. Als Mitglied des Verwaltungsrates der Bundespost begrüße ich diesen Antrag, und sicher tun es auch die anderen Mitglieder des Verwaltungsrates, obwohl auch von hier aus gesagt werden muß, daß die Probleme, die die Bundespost angehen, hinreichend und, ich glaube, auch ausführlich, zuverlässig und verantwortungsbewußt im Postverwaltungsrat erkannt und geprüft worden sind und daß um diese Probleme, die ich hier angedeutet habe, auch schon Verhandlungen mit der Bundesregierung gepflogen worden sind, so daß hier sehr rasch Ergebnisse gezeitigt werden können und nicht eine Kommission jahrelang arbeiten muß, wie es bei der Bundesbahn war.
Dazu kommt noch, daß die Bundespost einen sehr klaren und überschaubaren Haushaltsplan hat, der in allen einzelnen Betriebszweigen unmittelbar und sofort das defizitäre Element und auch die positiven Elemente erkennen läßt, so daß diese Prüfungen, wie gesagt, raschestens durchgeführt werden können. Denn es ist notwendig, bereits im nächsten Jahr auf diesem Gebiet Verhältnisse zu schaffen, die eine Korrektur der Auswirkungen des Postverwaltungsgesetzes bringen.
Man hat bei dieser Debatte so oft Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben, daß sie nichts für die Stabilisierung der Währung unternehme. Man war unzufrieden, daß der Herr Bundeskanzler innerhalb eines halben Jahres nichts unternommen habe. Ich glaube, daß man dazu auch noch folgendes sagen sollte. Es ist heute erkennbar, daß die Probleme der Stabilisierung nach der Vollbeschäftigung bei dieser großen Wirtschaftsaktivität weit schwieriger sind, als es die Probleme des Wiederaufbaus waren. So, wie manche Reden, in denen die SPD 1953 von der Unglaubwürdigkeit der Bundesregierung gesprochen hat, durch die Ereignisse überholt worden sind, so werden auch diese Reden der SPD, die gestern und heute bezüglich der Maßnahmen zur Stabilisierung vorgetragen worden sind, bereits in kurzer Zeit durch die Auswirkungen und durch die Härte, die die Bundesregierung gerade bei der Gestaltung dieses Haushalts gezeigt hat, überholt sein, und es wird sich zeigen, daß die Bundesregierung genauso wie beim Wiederaufbau auch den jetzt vor uns stehenden Problemen gewachsen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Post als typischer Dienstleistungsbetrieb mit Monopolstellung ist hin-*) Siehe Anlage 11sichtlich der Regelung ihrer finanzwirtschaftlichen Gegebenheiten nur bedingt durch dieses Parlament bei der Tarifbildung zu beeinflussen. Meine Herren Vorredner haben auf die Problematik aufmerksam gemacht, daß das Postverwaltungsgesetz, das Parlament bei verschiedenen Fragen weitgehend entmachtet. Ob das gut ist und auf die Dauer so bleiben kann, ist einer Überlegung wert.Nun ist es aber so, daß, wenn heute der Postverwaltungsrat oder die zuständigen Stellen eine Gebührenerhöhung beschließen, dann vermutlich nicht die Damen und Herren des Postverwaltungsrates, sondern die Mitglieder dieses Hohen Hauses angegriffen werden. Die Fraktionen und die Parteien, die hier vertreten sind, müssen es draußen ausbaden. Deswegen ist es schon gut, wenn einer der Herren Kollegen, die gerade zum Einzelplan 13 gesprochen haben, gesagt hat, man möge prüfen, in welcher Form das Postverwaltungsgesetz geändert werden müsse, um es den heutigen Gegebenheiten und den zukünftigen Notwendigkeiten anzupassen.Es ist auch davon gesprochen worden, wie die Situation aussieht. Wir wissen, daß 62/3 % der Betriebseinnahmen des Jahres als Konzessionsabgabe dem Bund zufließen. Wir wissen auch, daß von 1949 bis 1963 rund 4,5 Milliarden DM Abgaben der Bundespostverwaltung dem Bund zugeflossen sind. Wir wissen, daß es entsprechend den veranschlagten Betriebseinnahmen für 1964 rund 520 Millionen DM sein sollen.Der Postverwaltungsrat hat nun in Verbindung mit dem Postministerium einen Haushalt aufgestellt. Dieser Haushalt enthält, wenn die 520 Millionen DM an den Bund abgeführt werden, ein Defizit von rund 335 Millionen DM. Ich glaube, niemand in diesem Hohen Hause möchte in dieser Situation, in der wir, insgesamt betrachtet, drinstecken, eine Gebührenerhöhung, auf welchem Sektor es auch immer sei. Es wäre auch eine nicht gerade sehr glückliche Sache, wenn ausgerechnet ein öffentlicher Dienstleistungsbetrieb mit Monopolstellung in dieser Situation, wo wir allgemein äußerste Preiskalkulationen erwarten, unter Umständen ein schlechtes Beispiel geben würde.Es erhebt sich die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, um eine Gebührenerhöhung bei der Post zu vermeiden. Wir haben uns im Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen in Anwesenheit des Herrn Ministers und seiner zuständigen Referenten sehr eingehend über die Problematik und über die Möglichkeiten unterhalten. Ich möchte auch hier im Hohen Haus wiederholen, was ich im Ausschuß gesagt habe: Man möge prüfen, ob nicht das Investitionsprogramm der Post irgendwie gestreckt werden kann. Man möge prüfen, ob man nicht durch zeitweise Stundung oder unter Verweisung auf den Anleihemarkt in dieser Situation an einer Gebührenerhöhung vorbeikommen kann. Das sind Fragen, die uns nach Auffassung meiner Freunde von der FDP sehr wohl und umfassend beschäftigen müssen.Es wäre aber auch anzumerken, daß Gebührenerhöhungen, die man in der Erwartung durchführt, daß sich das Betriebsergebnis verbessern werde, die
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5895
Eisenmannentgegengesetzte Wirkung haben können. Die Post hat zwar in vielen Sektoren ein Monopol; aber es gibt noch einige Sektoren, wo der Bürger nicht ausschließlich auf die Post angewiesen ist. Die letzten Gebührenerhöhungen haben auf den Gebieten, wo man z. B. auf die Bundesbahn ausweichen konnte, nicht die erwartete Erhöhung des Betriebsergebnisses gebracht. Ich warne jedenfalls davor, anzunehmen, die Gebührenerhöhung schlechthin verbessere das Betriebsergebnis; ich glaube, das könnte sich als Trugschluß erweisen.Wir haben nun, Herr Kollege Cramer, gebeten, man möge eine Sachverständigenkommission berufen. Wir haben das nicht aus Mißtrauen gegen die Bundespost vorgeschlagen, sondern weil wir glauben, es auch diesem Hohen Hause schuldig zu sein, einmal durch unabhängige, fachkundige, außerhalb der Bundespost stehende Leute, Persönlichkeiten von Fach und Rang, prüfen zu lassen, ob die Vorstellungen hinsichtlich eines weiträumigen und über Jahre sich hinziehenden Investitionsprogramms auf den Sektoren des Postscheckdienstes, des Paketdienstes, der Automatisierung des Postverwaltungsdienstes, des Fernmeldewesens und des Funkwesens richtig sind oder ob man die Dinge unter Umständen auch etwas strecken kann. Wir meinen, daß es gut ist, auch einmal eine Analyse des gesamten Betriebsergebnisses und der gesamten Kostensituation bei der Bundespost zu bekommen, auch einmal von Außenstehenden eine Durchleuchtung vornehmen zu lassen. Wir haben unseren Vorschlag also nicht aus Mißtrauen gegen die Bundespost gemacht; wir glauben, damit auch im Sinne des Bundespostministers zu handeln. — Ich bitte, den Begriff „Untersuchungskommission" oder „Untersuchungsausschuß" hier nicht in den Raum zu stellen. Es soll, entsprechend der Antragsbegründung, eine fachkundige Sachverständigenkommission werden.Ich bitte darum, daß wir die Post in die Lage versetzen, die ihr im Grundgesetz und im Postverwaltungsgesetz übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Wir sollten prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, eine Gebührenerhöhung zu vermeiden. Das ist jedenfalls der Wunsch meiner Fraktion.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die heute noch durchzuführende dritte Lesung möchte ich mich mit einigen Bemerkungen begnügen. Die bisherigen Redner haben die Situation der Deutschen Bundespost geschildert. Ich hätte nur in Nuancen einige Ergänzungen oder Richtigstellungen zu geben, auf die ich aber im Hinblick auf die Zeitverhältnisse verzichten möchte.Herr Kollege Cramer hat das Defizit der Deutschen Bundespost herausgestellt und einige Faktoren, die zu diesem Defizit geführt haben, aufgezeigt.Den entscheidenden Faktor aber, Herr Kollege Cramer, der das Defizit herbeigeführt hat, haben Sie zahlenmäßig nicht erwähnt. Das sind natürlich die Personalkosten. Wir können dieses Problem ruhig ansprechen. Keiner hier im Saal, und ganz besonders der Minister nicht, wirft den Bediensteten der Deutschen Bundespost vor, daß sie vielleicht gar zu viel an Löhnen und Gehältern hätten. Da aber die Deutsche Bundespost über 60 % im Schnitt lohnintensiv ist und eine hohe personelle Belastung vorhanden ist, wirkt sich bei ihr natürlich jede Lohn- und Gehaltserhöhung ganz besonders stark aus. Das hat Herr Brenner von der IG. Metall in seiner Funktionärszeitschrift auch ausgeführt; er hat gesagt, daß solche Dienstleistungsbetriebe zwangsläufig zu Tariferhöhungen kommen müssen.Ich darf nur einmal die Zahlen von 1958 bis einschließlich 1963 nennen. Die Lohn- und Gehaltserhöhungen haben in diesem Zeitraum über 1250 Millionen DM betragen. Dazu kommen noch die Faktoren, die Sie, Herr Cramer, angeführt haben. Das bedeutet, daß selbst die großen Rationalisierungsinvestitionen bei der Deutschen Bundespost nicht ausreichend waren, um den Haushalt der Deutschen Bundespost auszugleichen.Der Vorwurf, Herr Kollege Cramer, ich hätte nicht genügend getan, ist ein Vorwurf, der sich vom Beginn dieser Haushaltsaussprache an gegenüber dem Bundeskanzler bis gegenüber fast allen Ministern fortsetzt. Dais ist aber ein bißchen zu einfach, ein bißchen zu schlicht, zu sagen, man habe nicht genug getan. Diesen Vorwurf wird man wohl zu allen Zeiten und jedermann gegenüber erheben können.Wenn Sie meinen, Herr Kollege Cramer, ich hätte den Bundesfinanzminister stärker unter Druck setzen müssen, dann darf ich Ihnen sagen, daß auf der Seite des Bundesfinanzministers das Gesetz steht. Das Postverwaltungsgesetz hat einen § 21, und dieser Paragraph verpflichtet den Postminister, 62/3% seiner Einnahmen ohne Rücksicht auf die Ertragslage der Deutschen Bundespost an den Bund abzuliefern. Das Haus, dieser Deutsche Bundestag, müßte beschließen, daß dieser § 21 aufgehoben oder geändert wird.
— Ja, Herr Kollege Bleiß, ich bin überrascht über Ihre Zurückhaltung; denn auf vielen anderen Gebieten haben Sie solch eine Zurückhaltung in diesem Hause nicht geübt. Sie sind doch ein Partner, der Initiativrecht in diesem Hause hat. Ich will Sie nicht unnötig ermuntern.
— Gut. — Ich will nur sagen, daß mit dem vorgelegten .Entschließungsantrag Umdruck 428 die Möglichkeit gegeben wird, daß wir diese Frage der Deutschen Bundespost umfassend in diesem Hause behandeln.Herr Kollege Eisenmann, ich wundere mich, daß Sie auch heute noch anklingen lassen, daß wir Gebührenerhöhungen durchführen müßten, weil wir ein Investitionsprogramm in der Höhe von X haben,
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5896 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Bundesminister Stücklenobwohl ich doch im Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen eindeutig klargemacht habe, daß die Deutsche Bundespost nicht über den Preis investiert, sondern ,daß sie ihre Investitionen fast ausschließlich mit Fremdkapital durchführt, so daß eine Verminderung oder eine Streckung des Investitionsansatzes an der Ertragslage der Deutschen Bundespost im positiven Sinne überhaupt nichts ändern würde, sondern im Geigenteil, da dann eine Reihe von Rationalisierungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden könnten, eine weitere Verschlechterung der Ertragslage herbeiführen würde. Da, glaube ich, sollten wir unterscheiden zwischen einem fiskalischen Haushalt und einem Wirtschafts- und Investitionshaushalt, wie ihn die Deutsche Bundespost hat.Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich, obwohl Sie, Herr Kollege Cramer, mit Ihren politischen Freunden mein Gehalt ablehnen werden, nicht versäumen, den Rednern, den Herren Abgeordneten Besold und Eisenmann und auch Ihnen, Herr Cramer, herzlich zu danken für die sachlichen und fundierten Ausführungen; bei Ihnen, Herr Cramer, möchte ich eine Einschränkung machen und sagen: überwiegend sachlichen Ausführungen. Ich bin überzeugt, wenn dieses Haus der Auffassung ist, daß die deutsche Wirtschaft, die deutsche Öffentlichkeit eine leistungsfähige Post haben muß, dann werden wir auch die Wege und die Mittel finden, das zu erreichen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Ein Änderungsantrag zum Einzelplan 13 liegt nicht vor. Über den Entschließungsantrag kann erst in dritter Lesung abgestimmt werden.
Wer dem Einzelplan 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit bei Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß wir uns, wenn wir die zweite Lesung bis 19 Uhr beenden und die dritte Lesung heute noch anschließen wollen, in der Aussprache noch mehr konzentrieren müssen, als das bisher geschehen ist.
Ich rufe auf:
Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit .
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Gewandt.
— Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor, auf den der Abgeordnete Gewandt verweist. Ich danke Ihnen dafür. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 23 — Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit — in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Soweit ich sehe : auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Hermsdorf. Ich nehme an, daß er vorschlägt, auf die Berichterstattung zu verzichten. — Ich danke Ihnen. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umduck 414*) vor. Wird das Wort dazu gewünscht? — Herr Abgeordneter Hermsdorf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Beratungen dés Haushaltsausschusses über den Einzelplan 27 sind zwei Kürzungen erfolgt, und zwar zwei bei Tit. 600 und bei Tit. 606. Wir haben inzwischen auf allen Seiten dieses Hauses eingesehen, daß hier eine Panne passiert ist, und wir haben von der CDU und vom Finanzminister das Wort, daß nach den Haushaltsberatungen diese Sache korrigiert werden wird. Wir nehmen das zur Kenntnis und wissen, daß wir uns darauf verlassen können.Ich habe trotzdem für meine Fraktion hierzu ein paar Bemerkungen zu machen. Seit 1949 besteht für dieses Ministerium ein Sonderausschuß, der die Tit. 600 und 606 kontrolliert. Dieser Ausschuß ist interfraktionell zusammengesetzt, und es ist das Verdienst unseres leider zu früh verstorbenen Kollegen Kaiser, daß dieser Ausschuß ins Leben gerufen wurde. Dieser Ausschuß hat in all den Jahren getagt, hat dann dem Haushaltsausschuß berichtet, und es ist niemals vom Haushaltsausschuß an diesen Beschlüssen dieses Unterausschusses eine Änderung vorgenommen worden. Es handelt sich bei diesen Titeln um Dinge, die in diesem Hause nicht zu erörtern sind, die aber im Interesse aller politischen Gruppen dieses Hauses liegen und die für die Arbeit zur Wiedervereinigung unseres Vaterlandes von außerordentlichem Wert sind.Wir haben in diesem Ausschuß so lange ganz gut zusammengearbeitet, bis die bis dahin mitwirkenden Mitglieder der CDU aus diesem Ausschuß ausschieden. Das war der jetzige Minister Krone. Seitdem ist dieser Ausschuß von der CDU abwechselnd besetzt worden, und so ist es zu dieser völlig unmöglichen Panne im Haushaltsausschuß gekommen. Meine Damen und Herren, ich muß Sie hier allen Ernstes darauf aufmerksam machen, daß wir es sehr bedauern würden — und das sollte auch für Sie als CDU gelten —, wenn die Autorität dieses Vertrauensgremiums verlorenginge und dieses Gremium deshalb nicht mehr arbeiten könnte. Wir würden das alle im Hinblick auf die Arbeit im Interesse unserer Wiedervereinigung nachträglich sehr zu bedauern haben.
*) Siehe Anlage 12
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5897
HermsdorfIch muß deshalb hier an die CDU den Appell richten, diesen Ausschuß wieder so zu beschicken, daß wir auch von seiten der CDU im Haushaltsausschuß wieder die erforderliche Autorität haben und in den Beratungen künftig nicht wieder Kürzungen und Streichungen erfolgen, die den vorherigen Absprachen zuwiderlaufen.Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diese meine Bemerkung außerordentlich ernst zu nehmen. Denn hier ist ein Gremium von Vertrauensleuten geschaffen worden, das zehn Jahre für dieses Haus eine Arbeit im Interesse unserer gemeinsamen Sache geleistet hat,- im Interesse der Aufgabe, die an erster Stelle steht, nämlich der Wiedervereinigung. Es darf uns nicht passieren, daß wir hier allein aus fiskalischen Gründen in Zukunft wieder zu Änderungen kommen. Wir bitten die CDU, dafür zu sorgen, daß so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.Zweitens möchte ich noch sagen, daß wir das Verfahren, das Sie jetzt anwenden, für nicht ganz glücklich halten. Vielleicht können Sie mit diesem Ausdruck übereinstimmen, Herr Conring: für nicht ganz glücklich halten. Denn wenn schon eine Panne passiert ist, wäre es Sache dieses Hauses, sie durch Initiativanträge zu korrigieren. Ich halte es für keine glückliche Sache, daß man uns auf einen Nachtragshaushalt oder eine Finanzvorlage verweist. Diese Methode sollten wir in der Zukunft nicht weiter praktizieren, sondern wir sollten von dem Initiativrecht dieses Hauses Gebrauch machen und hier nach den allgemeinen Regeln des Haushalts ver fahren.Wenn Sie uns diese beiden Wünsche erfüllen, werden wir uns, glaube ich, alle in diesem Hause Arbeit und auch Ärger ersparen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch meinerseits die Bitte an alle Fraktionen dieses Hauses richten, dem bewährten Fünfer-Ausschuß wieder mehr Bedeutung zuzumessen. Die Bitte ist weniger an die SPD-Fraktion und an die FDP-Fraktion gerichtet als an die Kollegen der CDU/CSU-Fraktion. Es ist die bewährte Einrichtung Ihres eigenen Parteifreundes, meines Vorgängers im Amt, Jakob Kaiser.
Diese beiden Titel 600 und 606 verbrauchen mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen, und es versteht sich von selbst, daß die Einzelheiten dieser Titel nur in diesem Fünfer-Gremium sorgfältig erörtert werden können. Die Zweckbestimmung des Tit. 600 hat die generelle Fassung: „Zuschüsse an Forschungsinstitute für kultur- und volkspolitische Zwecke und ähnliche Einrichtungen sowie für allgemeine kulturelle Zwecke". Der Ansatz betrug zunächst 44 600 000 DM; er beträgt jetzt nach der
Kürzung 41 600 000 DM. Die Zweckbestimmung des Tit. 606 lautet: Förderung besonderer Hilfsmaßnahmen gesamtdeutschen Charakters". Der Ansatz betrug hier zunächst 43 800 000 DM; er beträgt jetzt 41 800 000 DM.
Ich glaube, bei einer stärkeren Inanspruchnahme des Fünfer-Ausschusses und einer besseren Koordinierung mit dem Haushaltsausschuß würden auch Mißdeutungen nicht mehr möglich sein, wie sie in einem Teil der bayerischen Presse wegen gewisser Veränderungen bei den Bundeszuschüssen für den Neubau von Kirchen, den Ankauf von Orgeln, Kirchenfenstern und Glocken im Zonenrandgebiet entstanden sind. Mein Vorgänger im Amt und der Staatssekretär, der vor Staatssekretär Krautwig im Amt war, hatten hier eine Weisung gegeben, die zu einer Änderung der bisherigen Handhabung des hier in Frage kommenden Tit. 602 b mit dem Ergebnis führte, daß das in einigen bayerischen Zeitungen als „Schuß ins Kirchenfenster" durch den neuen Minister für gesamtdeutsche Fragen ausgedeutet wurde.
Ich hoffe, daß eine Besprechung, die ich in Kürze mit dem Bevollmächtigten der Bayerischen Staatsregierung, Staatsminister Heubl, haben werde, hier auch gewisse Anfragen erledigen wird, die aus diesem Hause wegen der Verwendung dieser Zuschüsse an mich ergangen sind.
Im übrigen darf ich mich der Bitte des Berichterstatters zum Einzelplan 27, Herrn Abgeordneten Hermsdorf, bezüglich der Intensivierung der Arbeit des bewährten Fünfer-Gremiums anschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die Zeitnot will ich nichts über die traurige Geschichte des Werdeganges des Berliner Jugendgästehauses sagen. Ich habe als Berliner Abgeordneter hier auch nicht die Aufgabe, Berliner Interessen zu vertreten. Es sind vielmehr gesamtdeutsche Notwendigkeiten, die die sozialdemokratische Fraktion dazu veranlaßt haben, den Umdruck 414 einzureichen.Worum geht es? Am 17. Oktober 1962 erlebten wir die Eröffnung des ersten Abschnitts des Jugendgästehauses. Die Anlage ist geplant und zu einem Teil gebaut für 500 Gäste. Die Gemeinschaftseinrichtungen, die Säle, die Küche, alles ist für 500 Personen fertig. Es sind nur 350 Betten vorhanden, und das verhindert eine optimale Nutzung der Anlage. Seit Oktober 1962 ist das Jugendgästehaus wochenlang im voraus ausverkauft. Es sind nicht nur junge Menschen aus allen deutschen Ländern, die in diesem Jugendgästehaus wohnen. Im letzten Sommer waren es allein junge Menschen aus mehr als 40 Nationen, die im Jugendgästehaus gewohnt haben. Für diejenigen, welche nicht wissen, wo es
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5898 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Neumann
liegt: unweit vom Potsdamer Platz, unweit vom Brandenburger Tor kann freie Jugend in einem Haus wohnen, in dem sie ihr eigenes Leben gestalten kann.An der Mauer, der Grenzlinie der Freiheit, ist es eine große gemeinsame und pädagogische Aufgabe, die dort geleistet wird. Im Haushaltsausschuß haben wir für die Bewilligung der 222 000 DM gesprochen, und es war der Herr Kollege Conring, der da sagte, daß diese 222 000 DM nicht bewilligt werden könnten. Er führte als einen Grund mit an, daß auch bürokratische Hemmnisse vorhanden seien, daß die Anträge nicht zeitgerecht gestellt worden seien.Herr Kollege Conring, nur mit Rücksicht auf die Zeit möchte ich mich darauf beschränken, aus einem Schreiben des Bundesschatzministers vom 10. Februar 1964 vorzulesen:Den Endbetrag des Kostenvoranschlags vom 9. November 1962 habe ich festgesetzt auf 1 093 000 DM.Herr Kollege Conring, am 9. November 1962 ist die Festsetzung der Bausumme- erfolgt. Daß bei der Bürokratie irgendwo Sand im Getriebe ist, das ist doch letzten Endes nicht unsere Schuld.Wir haben aber im Gesamtdeutschen Ausschuß einen Ausweg gefunden. In Tit. 710 — Errichtung einer Kongreßhalle in Saarbrücken — waren 2 222 000 DM vorgesehen. Diese Kongreßhalle in Saarbrücken ist ein Geschenk der Bundesregierung aus Anlaß der Rückkehr der Saar. Im Ausschuß haben wir, nachdem insbesondere die Kollegen von der Saar zugestimmt haben, einmütig den Weg gefunden, den Haushaltstitel 710 um 222 000 DM zu kürzen und den neuen Titel 711 — Erweiterung des Jugendgästehauses — zu schaffen. Es wäre nicht ein Pfennig an Mehrausgaben entstanden. Ich bedauere sehr, daß es nicht möglich war, Ihre Zustimmung im Haushaltsausschuß zu bekommen.Es handelt sich, wie ich wiederholen möchte, nicht um die Errichtung, sondern um die Vollendung eines Jugendgästehauses,
um die Vollendung des zweiten Bauabschnitts mit 150 Betten. Bitte, versuchen Sie doch, das über Ihr Parteidenken hinaus als gesamtdeutsche Frage zu sehen. — Herr Stoltenberg, lachen Sie nicht! Das ist eine gesamtdeutsche Frage.
Wir haben doch alle ein Interesse daran, daß die nach Berlin kommende Jugend nahe der Mauer im Jugendgästehaus anständig untergebracht wird. Da hierfür kein Pfennig zusätzlich eingesetzt werden mußte, können wir nicht verstehen, warum Sie in der Koalition zu Ihrem ablehnenden Beschluß gekommen sind.Ich darf Sie noch auf folgendes aufmerksam machen. Vor Jahren mußten Privatgrundbesitzer enteignet werden, um das Gelände frei zu machen. Nicht der Berliner Senat ist der Bauherr, sondern die Bundesbaudirektion. Jetzt liegt dieses Gelände brach. In dem schon angezogenen Brief des Bundesschatzministers heißt es:Der Bauentwurf ist erst dann aufzustellen, wenn die Kosten des Bauvorhabens in den Haushaltsplan 1964 aufgenommen sind. Ich werde Sie hierüber zu gegebener Zeit unterrichten. Erst im Anschluß daran dürfen die Planungsarbeiten durchgeführt werden.Der Minister für gesamtdeutsche Fragen hat jetzt in einem Schreiben festgelegt, daß er die Summe für das kommende Jahr einsetzen will. Wir bitten Sie um die Bewilligung der 222 000 DM Planungskosten, damit eine notwendige gesamtdeutsche Arbeit geleistet werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu der vom Abgeordneten Hermsdorf ausgesprochenen Bitte bezüglich des Fünfer-Ausschusses nur das eine sagen: Wir sind selbstverständlich gern bereit, ihn wieder voll in Aktion treten zu lassen. Sie wissen, daß es eine Panne war, daß die Verbindung zwischen diesem Ausschuß und dem Haushaltsausschuß abgerissen ist. Dies hat sich deshalb besonders ungünstig ausgewirkt, weil Herr Hermsdorf bei der Beratung des Einzelplans 27 im Haushaltsausschuß leider krank war; sonst hätte sich selbst beim Fehlen eines CDU-Haushalts-Mitgliedes in dieser Fünferkommission die Panne nicht ausgewirkt. Wir werden aber gern bereit sein, das auszugleichen.
Ein Wort zu der Errichtung eines Jugendgästehauses in Berlin. Sie wissen, daß in der Regierungsvorlage des Etats ein solcher Titel nicht vorgesehen war. Sie wissen, daß bei der Behandlung im Haushaltsausschuß die Frage geprüft worden ist, ob baureife Entwürfe vorliegen, die dem § 14 der Reichshaushaltsordnung Genüge leisten. Wir achten bei allen Einzelhaushaltsplänen gerade in der Gegenwart streng darauf, daß diese Voraussetzung bei Einsetzung eines Bautitels erfüllt ist. Sie wissen so gut wie ich, daß diese Voraussetzung zur Zeit der Beratung dieses Titels nicht erfüllt war. Deshalb ist von Ihrer Seite, nämlich von Herrn Seidel, erklärt worden, daß wir unter diesen Umständen leider nichts anderes tun könnten, als einen Leertitel einzusetzen. Um den guten Willen für Berlin zu zeigen, haben wir diesem Wunsch selbstverständlich entsprochen. Sobald die in § 14 RHO geforderten Unterlagen vorliegen, werden wir an die Behandlung des Projekts herangehen; aber in diesem Augenblick können wir aus diesen grundsätzlichen Erwägungen, die Sie hoffentlich billigen und die für alle Einzelpläne gelten müssen, nur das eine tun: den Antrag, weil die Unterlagen nach § 14 RHO nicht vorliegen, ablehnen. Das uns Mögliche haben wir mit der Einsetzung eines Leertitels getan.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5899
Vizepräsident Dr. JaegerEs liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 414 vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; 'der Antrag ist abgelehnt.Ich komme zur Abstimmung Tiber den Einzelplan 27 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 29 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend .Berichterstatterin: Abgeordnete Frau KrappeFrau Abgeordnete Krappe, ich nehme an, daß Sie auf eine Berichterstattung zu verzichten wünschen. — Das Haus entspricht dem Wunsche.Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 415 *) vor. Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit wir heute noch mit den Etatberatungen fertig werden, verzichte ich auf meine Rede zum Einzelplan 29.
Ich werde sie dem Protokoll beifügen und stelle Ihnen anheim, sie nachzulesen. **)
Zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 415 hat das Wort der Abgeordnete Liehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Antrag auf Umdruck 415 liegt unser wiederholt erklärter Wille zugrunde, zu einer Gleichstellung der Förderungsansätze für alle internationalen Jugendbegegnungen zu kommen, und zwar unabhängig davon, mit welchem Lande deutscherseits ein solcher Jugendaustausch gepflegt wird. Die finanzielle Gleichstellung der deutschen Teilnehmer ohne gleichzeitige Verstärkung des Ansatzes für internationale Jugendbegegnungen würde bedeuten, daß der Umfang des Jugendaustauschs nicht unerheblich eingeschränkt werden müßte. Das will abler sicher niemand in diesem Hause. Deshalb beantragen wir eine Erhöhung um 1 Million DM auf 3,7 Millionen DM für die Position „internationale Jugendbegegnungen".
Wir haben dabei berücksichtigt, daß das Familienministerium diesen Ansatz gegenüber 1963 um 1 Million DM erhöht hat, was wir in der Tendenz durchaus begrüßen; nur besteht wohl kein Zweifel
*) Siehe Anlage 13 **) Siehe Anlage 14 daran, daß das nicht ausreichend ist, zumal eben — das ist das Ausschlaggebende — eine finanzielle Gleichstellung dadurch nicht verwirklicht werden kann.
Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, daß 20 Millionen DM z. B. für den deutsch-französischen Jugendaustausch nicht zuviel sind, daß aber 2,7 Millionen DM für den Austausch mit der Jugend der übrigen Welt zuwenig sind. Hier sind also die Relationen aus dem Gleichgewicht geraten, was in der Praxis zu ganz erheblichen Schwierigkeiten führt.
Eine Jugendgruppe, die z. B. von Hannover aus für sieben Tage nach Paris fährt, bekommt nach den Richtlinien des deutsch-französischen Jugendwerks 2682 DM. Die gleiche Gruppe, die unter ansonsten gleichen Voraussetzungen nach Holland fährt, bekommt 1656 DM. Das heißt, daß sich hier bei gleichen Voraussetzungen und Bedingungen eine Differenz pro Gruppe von 1026 DM ergibt. Daß dabei auf deutscher Seite erhebliche Spannungen auftreten, meine Damen und Herren, daran gibt es wohl keinen Zweifel.
Solange also nicht gewährleistet ist, daß sich andere Länder nach dem Beispiel des deutsch-französischen Abkommens an dem von uns gewünschten europäischen Jugendwerk beteiligen, muß wenigstens — das ist unsere Auffassung — deutscherseits sichergestellt werden, daß für internationale Jugendbegegnungen gleiches Recht gewährleistet wird.
Aber eine finanzielle Aufstockung ist auch noch aus anderen Gründen erforderlich. Wir wissen z. B. — die Kollegen Memmel und Rollmann können das bestätigen —, daß wir wegen der Begrenztheit der Mittel bisher nicht einmal den Tagessatz von 1,50 DM je Teilnehmer ausnutzen konnten, so daß das tatsächliche Gefälle in der Bezuschussung noch erheblich größer ist, als es zum Ausdruck kommt.
Aus diesen und anderen Gründen — ich will das hier nur stichwortartig anführen — sehen wir nicht die Möglichkeit, aus anderen Positionen des Bundesjugendplans diesen uns notwendig erscheinenden Betrag von 1 Million DM zusammenzukratzen. Deshalb bitten wir Sie höflich, unserem Antrag auf Aufstockung des Bundesjugendplans um 1 Million DM mit der Zweckbindung für internationale Jugendbegegnungen zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Baier .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweifellos, Herr Kollege, ist die internationale Jugendbegegnung eine sehr wichtige Sache, in der wir alle in diesem Hause uns einig sind. Ich darf aber auch darauf verweisen — Sie haben das zum Teil schon angeführt —, daß aus dieser Erkenntnis heraus diese Position von Jahr zu Jahr aufgestockt worden ist. Im Jahre 1962 waren 1,15 Millionen DM vorgesehen, im Jahre 1963 1,7 Millionen DM, und im Jahre
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Baier
1964 sind es 2,7 Millionen DM. Außerdem bitte ich zu berücksichtigen, daß durch das deutsch-französische Jugendwerk ein ganzer Teil der Mittel für den Jugendaustausch, nämlich für den mit Frankreich — und das ist ein nicht unerheblicher Teil — frei geworden ist, so daß die erhöhten Mittel für den internationalen Jugendaustausch mit anderen Ländern als Frankreich Verwendung finden können.Es läßt sich sehr wohl darüber sprechen, und das ist im Rahmen der Debatte über Ihren Antrag zum Europäischen Jugendwerk auch geschehen, daß wir auf dem Gebiet des Jugendaustauschs insgesamt mehr tun müssen. Ihr Antrag wird in den zuständigen Fachausschüssen beraten. Es erscheint daher nicht angebracht, heute in der zweiten Lesung zu den bereits erhöhten Mitteln noch eine Million DM hinzuzufügen. Wir wollen die Beratungen in den Fachgremien abwarten.Im übrigen hat dieser Antrag, Herr Kollege Schäfer, wieder einen Schönheitsfehler; für die eine Million Mark muß man nämlich auch eine Deckung haben.
— Diesen Betrag haben Sie bereits „verfrühstückt!" Ich bitte also, den Antrag abzulehnen.
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Es liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 415 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über Einzelplan 29 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen links angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Stoltenberg. Er schlägt sicherlich einen Verzicht auf weitere mündliche Berichterstattung vor, ein Vorschlag, den wir dankend annehmen.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 416 *) hat der Abgeordnete Dr. Frede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem heute über die bedrohliche Situation im Gesundheitswesen, im Verkehr, im Post- und im Fernmeldewesen gesprochen worden*) Siehe Anlage 1'5 ist, wäre es reizvoll, auch noch über die bedrohliche Situation in Wissenschaft und Forschung zu sprechen. Seien Sie aber ohne Sorge; das brauche ich nicht zu tun, und das werde ich nicht tun. Denn darüber haben wir uns in mehreren großen kulturpolitischen Debatten dieses und des vergangenen Jahres ausführlich äußern können. Heute kommt es nur darauf an, wie weit das Ergebnis dieser Debatten einen konkreten Niederschlag im Haushalt gefunden hat bzw. wie weit die Ansätze einer Veränderung bedürfen.Eine solche Änderung hat unser Änderungsantrag Umdruck 416 .zum Gegenstand. 8r sieht eine Erhöhung um — eine Zahl, die dem Laien etwas unverständlich erscheinen muß — 27 818 000 DM und eine Erhöhung der Bindungsermächtigung um 35 085 000 DM vor.Der Grund, daß wir diesen Antrag eingebracht haben, ist einfach: Jedes Jahr wiederholt sich die eigentümliche Situation, daß wir uns hier über die Frage unterhalten müssen, wieweit die Empfehlungen des Wissenschaftsrates im Bundeshaushalt Berücksichtigung finden. Sie wissen, daß der Wissenschaftsrat ein unabhängiges Gremium von Sachverständigen sowohl der Wissenschaft wie auch der Länder und des Bundes ist und daß er in mühevoller Kleinarbeit für jedes einzelne Institut, für jede einzelne Hochschule einen Jahresplan aufstellt, den er dann zur Annahme empfiehlt.Die Länder haben sich in ihren einzelnen Haushalten bereits nach diesen Empfehlungen gerichtet. Art. 3 des Abkommens sieht vor, daß Bundesregierung und Landesregierungen die Empfehlungen des Wissenschaftsrats bei der Aufstellung ihrer Haushaltspläne berücksichtigen sollen. Der Bundeshaushalt sieht für dieses Jahr statt der vorgeschlagenen 277 818 000 DM indessen nur 250 Millionen DM vor, d. h. eine wesentlich niedrigere Summe. Dasselbe haben wir in den vergangenen Jahren gehabt. Das war nicht ohne bedenkliche Folgen.Ich kann mich dazu auf die Äußerungen der Bundesregierung selbst stützen. In dem Bericht des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung wird gesagt:Es war infolgedessen im vergangenen Haushaltsjahr nicht möglich, den Empfehlungen des Wissenschaftsrats . . . . in voller Höhe nachzukommen, da auch damals etwa 46 Millionen DM weniger ausgebracht wurden, als der Wissenschaftsrat vorgesehen hatte. Infolgedessen konnten eine Reihe von Vorhaben nicht begonnen wenden. Es konnten nur solche weiter fortgeführt werden, die schon im Anlauf waren, und die Länder mußten weitgehend einspringen.Nun werden Sie mir sagen: Natürlich, das ist jetzt eine neue Situation, nachdem wir das Verwaltungsabkommen geschlossen `haben; denn dieses sieht ein Limit von 250 Millionen DM als Bundesbeitrag für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung vor. Aber, meine Damen und Herren, erstens — darüber haben Sie bereits in anderem Zusammenhang gesprochen — ist das Verwaltungsabkommen noch nicht gültig. Zweitens befinden
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Dr. Fredewir uns bereits in eienem fortgeschrittenen Stadium dieses Haushaltsjahres, in dem die meisten Länderhaushalte bereits angenommen sind. Es ist also außerordentlich schwierig, aus Mitteln der Länderhaushalte ergänzend das aufzufüllen, was im Bundeshaushalt nicht enthalten ist. Drittens sollte man die sorgfältige und mühevolle Arbeit honorieren, die der Wissenschaftsrat Jahr für Jahr vollbringt. Denn er hat auch diesen Vorschlag, wie er selbst in seinem Bericht sagt, nur nach schwer zu vertretenden Kürzungen gemacht. Wenn weitere Kürzungen vorgenommen werden, wie es hier vorgesehen ist, gibt es zweifellos gewisse Schwierigkeiten. Dabei muß gesagt werden, daß diese gekürzten Beträge bereits weit unter dem liegen, was an Anforderungen seinerzeit vorgebracht worden ist.Herr Kollege Stoltenberg hat die Zahl der Gesamtanforderungen auf über 800 Millionen DM errechnet. Nach meiner Auffassung sind es 884 Milionen DM. Bei einer Bedienung von 250 Millionen DM ist der Bund nur noch mit 32 % engagiert, während er in den vergangenen Jahren mit 50% engagiert war.Wenn diese Entwicklung so weitergeht, findet eine Verlagerung zu den Ländern statt. Damit wird der Bund mehr und mehr ausgeschaltet. Sein Anteil wird von Jahr zu Jahr geringer; denn die Lasten steigen bei den Ländern wiederum Jahr für Jahr, 1966 wahrscheinlich bis auf 1600 Millionen DM.Wir gingen bei der Konzipierung des Verwaltungsabkommens davon aus, daß sich Bund und Länder je zur Hälfte beteiligen sollten, Ursprünglich war ein Jahresaufkommen von etwa 500 Millionen DM vorgesehen. Deshalb kommt man bei der Halbierung auf 250 Millionen DM. Die Situation hat sich aber weitgehend verändert und wird sich noch weitgehend verändern. Es ist deshalb erwünscht, daß wir uns nicht in dem Maß binden, wie es das Verwaltungsabkommen vorsieht.Wir wollen hoffen, daß auf Grund dieses Verwaltungsabkommens in dem Ausschuß oder in der Kommission in diesem oder im kommenden Jahr Beratungen zwischen Bund und Ländern stattfinden' werden, daß sich der Bund auch weiter in erheblich stärkerem Maße als bisher an der Finanzierung beteiligen wird und daß es nicht zu einem weiteren Abfall kommt, bei dem der Anteil nachher — in drei, vier Jahren — bei 10 % liegen könnte.Mit dem zweiten Teil des Antrages soll nichts anderes als eine kleine Veränderung erreicht werden; sie ist im Haushaltsausschuß selbst schon vorgesehen worden. Dort hat man beschlossen, daß sich auch der Bund der Empfehlung oder dem Vorschlag der Ministerpräsidenten entsprechend an der Neugründung von wissenschaftlichen Hochschulen beteiligt. Dafür ist ein Betrag von 20 Millionen DM als Bindungsermächtigung vorgesehen. Wir sind uns alle klar darüber, daß das nur eine symbolische Summe ist. Wir möchten aber gern, um hier den Willen des Bundes, der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses, verstärkt zum Ausdruck zu bringen, daß ein Leertitel 601 ausgebracht wird, in den in diesem Jahr bei einer Konzipierung des künftigenHaushaltes schon entsprechende Summen eingesetzt werden können, nachdem zwischen Ländern und Bund eine Vereinbarung über die Bezuschussung bei der Neugründung von wissenschaftlichen Hochschulen erfolgen kann. Deshalb unser Wunsch, einen Leertitel auszubringen und die hier schon vorgesehene Formulierung in diesen Leertitel selbst hinüberzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bechert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 416 zu Kap. 31 03 Tit. 600 handelt es sich um die Erhöhung der Mittel für Vergütungen für zusätzliche wissenschaftliche und technische Kräfte an Forschungsinstituten und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen der Atomkernforschung, um Beihilfen an solche Kräfte für die Teilnahme an Ausbildungskursen, Fachtagungen usw. im In- und Ausland und für Ausbildungsaufenthalte im Ausland.Im vorigen Haushaltsjahr standen dafür 3,5 Millionen DM zur Verfügung. Eine große Anzahl von Forschungsinstituten hat mittlerweile Besorgnis wegen der in diesem Haushaltsjahr vorgesehenen Kürzung um 1 Millionen DM angemeldet. Auch das Forschungsministerium hat versucht, wieder den Vorjahresansatz von 3,5 Millionen DM zu erreichen, konnte sich aber im Kabinett nicht durchsetzen.In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Zuwendungen aus diesem Tit. 600 für Vergütungen an zusätzliche wissenschaftliche und technische Kräfte in Forschungsinstituten nach dem geltenden Haushaltsrecht jeweils nur für ein Jahr bewilligt werden können. Einem Wissenschaftler oder technischen Mitarbeiter, der im Laufe des Jahres eintritt, kann also seine Besoldung nur bis zum Ende des Haushaltsjahres zugesichert werden. Da wundern wir uns, daß wissenschaftliche und technische Fachkräfte in erheblicher Anzahl in das Ausland und die Industrie abwandern! Nach vorsichtiger Schätzung eines physikalischen Fachblattes kam in den letzten Jahren in der Bundesrepublik auf 35 ausgewanderte Physiker je ein zurückgerufener. Von 1949 bis 1961 sind 45 500 ausländische Naturwissenschaftler zum dauernden Aufenthalt in den Vereinigten Staaten zugelassen worden. Der Löwenanteil dieser ausgewanderten hochqualifizierten Fachkräfte stammte aus Großbritannien und der Bundesrepublik. Man kann nicht hoffen, solche Fachkräfte halten zu können, wenn es das geltende Haushaltsrecht unmöglich macht, ihnen mindestens für einige Jahre, etwa für drei Jahre, eine gesicherte Tätigkeit zuzusagen. Wissenschaftliche Arbeit kann man nicht nach dem Kalenderjahr planen. Das ist also eine Aufforderung an die Haushaltssachverständigen des Hohen Hauses, hier bald und ausreichend Änderungen zu schaffen.Wir bitten das Hohe Haus, unserem Antrag auf Umdruck 416 unter Ziffer 3 zuzustimmen, damit wenigstens für dieses Haushaltsjahr die nötigen zusätzlichen wissenschaftlichen und technischen Fach-
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Dr. Bechertkräfte in ausreichender Zahl besoldet werden können.Ein Wort noch zu Einzelplan 31 Kap. 03 — Bewilligungen für die Atomkernenergieforschung und -nutzung —. Die Bundesregierung hat sich auf das Deutsche Atomprogramm festgelegt. Das Deutsche Atomprogramm sieht, wenn man es für die Haushaltsjahre 1963 und 1964 durchrechnet, insgesamt Summen vor, die um einen Betrag zwischen 100 Millionen und 200 Millionen DM höher als das liegen, was in den Haushaltsansätzen im Jahre 1963 bewilligt wurde und im Jahre 1964 nach den bisherigen Vorschlägen des Haushaltsausschusses bewilligt werden soll.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dem Haushalt des Bundesforschungsministeriums zustimmen, obwohl dieser Haushaltsplan nicht den Forderungen gerecht wird, die Wissenschaft und Forschung mit Recht stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es im Rahmen dieser zeitlich etwas beengten Haushaltsdebatte nicht möglich ist, die großen Fragen, die mit diesem Etat verbunden sind, ausführlich zu diskutieren. Wir haben ja vor wenigen Wochen eine sehr gründliche und stark beachtete Kulturdebatte gehabt und werden sie sicher zu gegebener Zeit wiederholen. Darum möchte ich nur kurz zu den beiden Anträgen sprechen und etwas zu den allgemeinen Bemerkungen sagen, die damit verbunden worden sind.An den Anfang darf ich die Feststellung stellen, daß die Beschlüsse dies Haushaltsausschusses zum Wissenschaftsetat im Ergebnis eine Verstärkung der verfügbaren Mittel für Wissenschaft und Forschung in Deutschland nicht nur gegenüber dem Vorjahr, sondern auch gegenüber der Regierungsvorlage darstellen, wenn Sie das Gesamtbild sehen. Die Kürzungen, die vorgenommen werden mußten und auch vorgenommen werden konnten, sind im wesentlichen auf Beiträge an internationale Organisationen konzentriert, gegen deren Höhe jedenfalls von Kreisen der Wissenschaft auch selbst gewisse Bedenken geltend gemacht wurden. Demgegenüber ist eine Reihe wichtiger Titel im nationalen Forschungsbereich, vor allem bei der Atom- und Weltraumforschung, gegenüber der Regierungsvorlage erhöht worden.Eine ganz wesentliche Verbesserung ist bei dem Titel erzielt worden, den Sie in Ihrem ersten und wichtigsten Antrag ansprechen, bei den Mitteln zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen unter Berücksichtigung von Empfehlungen des Wissenschaftsrates. Hier hat nicht nur die Regierungsvorlage gegenüber dem Vorjahr die nach dem Verwaltungsabkommen vorgesehene Summe von 250 Millionen DM jetzt erreicht. Darüber hinaus hat der Haushaltsausschuß bei den Beratungen desHaushaltsgesetzes erfreulicherweise durch eine Verbesserung gegenüber der Regierungsvorlage diesen Titel von den Kürzungen nach der allgemeinen und an sich auch wohlbegründeten Bausperre aus konjunkturellen Gründen ausnehmen können. Wir haben damit eine Unsicherheit beseitigt, die — das muß eingeräumt werden — in den Vorjahren gewisse Schwierigkeiten gebracht hat, und wir haben damit sichergestellt, daß der Betrag von 250 Millionen DM, so wie es die Wissenschaft wünscht, auch in vollem Umfange jetzt zur Verfügung steht.Es ist zutreffend, Herr Kollege Dr. Frede, daß in den ursprünglichen Anforderungen der Länder, die vom Wissenschaftsrat im einzelnen geprüft worden waren, ein noch etwas höherer Betrag genannt war, den Sie hier vorgetragen haben. Ich möchte aber darauf verweisen, daß es nicht sehr schwierig ist, festzustellen — Sie haben es getan —, daß die Länder sich nach diesen Empfehlungen gerichtet haben; denn diese Empfehlungen beruhen ja in ihrer Höhe auf den Anträgen der Länder. Das sind ja ihre eigenen Vorschläge, die übernommen worden sind. Es ist dann nicht sehr schwierig, sich auch danach zu richten.
— Geprüft und in den Länderetats berücksichtigt. Das haben Sie selbst gesagt.Was nun die Bundesmittel betrifft, so glauben wir — und das ist ja auch das Ergebnis der letzten Empfehlung des Wissenschaftsrates, an die wir uns hier halten —, daß wir mit dem Betrag von 250 Millionen DM das Notwendige tun. Sie mögen es beklagen — es wird auch von anderen Leuten kritisiert —, daß wir heute ein Verhältnis haben, nach dem die Länder 70 % geben und der Bund 30 %. Das ändert aber nichts daran, daß auch bei diesem Verhältnis, wenn auch in einer anderen Relation, als Sie es wünschten, die notwendigen Mittel in diesem Jahr voll zur Verfügung stehen. Das ist, glaube ich, die entscheidende Frage. Die Frage der Prozentsätze von Bund und Ländern ist demgegenüber sekundär.Meine Damen und Herren, Sie haben dann einen weiterhin sehr wichtigen Beschluß erwähnt, den wir übrigens im Haushaltsausschuß einvernehmlich interfraktionell gefaßt haben. Wir haben im Hinblick auf die neuen Hochschulen von uns aus als eine Initiative des Haushaltsausschusses einen Haushaltsvermerk vorgesehen und beschlossen, in dem wir zunächst einmal sagen, daß der Bund sich am Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen in den finanzschwachen Ländern, da, wo seine Hilfe voraussichtlich in jedem Falle unentbehrlich sein wird — das ist konkret Regensburg und Bremen —, beteiligen wird. Dieser Beschluß — da haben Sie völlig recht, Herr Frede — ist natürlich im Grundsatz viel wichtiger als die Bindungsermächtigung von 20 Millionen, die lediglich die Möglichkeit geben soll, erste Verpflichtungen einzugehen.Wenn wir nun den Stand der Verhandlungen zwischen den Ländern selber, die im Mai mit der nächsten Konferenz der Ministerpräsidenten ein sehr wichtiges Stadium erreichen werden, und auch den Stand der Verhandlungen von Bund und Ländern in dieser Frage betrachten, verbunden mit all den
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Dr. Stoltenberggrundsätzlichen Fragen des Finanzverhältnisses von Bund und Ländern, dann müssen wir allerdings erklären, daß eine Gesamtentscheidung für eine volle Beteiligung des Bundes am Ausbau aller wissenschaftlichen Hochschulen, so wie Sie das in Ihrem Antrag mit dem Leertitel vorschlagen, in diesem Augenblick einfach noch nicht etatreif ist. Wir möchten damit eine solche Entscheidung weder positiv noch negativ präjudizieren. Wir müssen einfach noch einige Monate abwarten, bis wir die gesamte Breite der Probleme sehen und die Haltung der Ministerpräsidenten der Länder abschließend zur Kenntnis nehmen können. Dann können wir eine Entscheidung treffen, für die wir grundsätzlich mit diesem Beschluß unseres Erachtens einen positiven Akzent gesetzt haben. Wir wissen heute noch nicht einmal, wie die Haltung einzelner Ministerpräsidenten sowohl Ihrer Partei wie unserer Partei sein wird und ob alle Länder wirklich bereit sind, eine Beteiligung des Bundes an dieser Aufgabe zu fordern, eine Aufgabe, die sie teilweise mit einer besonderen Betonung als ihre ureigenste ansehen.Nun noch ein kurzes Wort zu dem Antrag des Kollegen Bechert! Ich will aus Zeitgründen nicht auf die allgemeine Problematik der Förderung der Ausbildung im Atomsektor eingehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die beiden Titel 600 und 604, die gegenseitig deckungsfähig sind, gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 3 Millionen auf 11,5 Millionen DM erfahren haben. Diese Ausweitung dient teilweise auch neuen Aufgaben im Ausland, aber im wesentlichen doch der deutschen Forschung. Wir glauben deshalb nach der sorgfältigen Prüfung im Haushaltsausschuß, daß wir mit diesen Mitteln auskommen werden, vor allem dann, wenn wir berücksichtigen, daß die Länder selber — und das ist unser Wunsch — im Bereich der Hochschulen ihre Aufwendungen hierfür weiter steigern.Ich glaube, daß die Beschlüsse des Haushaltsausauschusses zu den hier angesprochenen Punkten wohl begründet sind und den Grundsätzen, die wir in der Kulturdebatte vertreten haben, gerecht werden. Ich bitte Sie deshalb, diesen Beschlüssen Ihre Zustimmung zu geben und diesen Etat nach der Vorlage des Haushaltsausschusses zu verabschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellige.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte, in der dieses Hohe Haus sich mit der Förderung von Wissenschaft und Bildung befaßte, liegt erst fünf Wochen hinter uns. Die Aufgabe wurde von allen Parteien dieses Hauses gesehen und von allen Parteien bejaht. Auch meine Freunde sind der Meinung, daß hier sehr großzügige Maßnahmen folgen müssen.
Worin liegen die Schwierigkeiten, warum kommt man nicht dazu? Sie liegen in der von mir schon so oft beklagten föderalen Struktur unseres Staates. Jahrelang mußten wir auf die Zustimmung der Länder zum Verwaltungsabkommen über die Förderung von kulturpolitischen Aufgaben warten. Am 19. März dieses Jahres haben die Ministerpräsidenten im Prinzip zugestimmt. Unterschrieben ist noch nicht.
Dieses Abkommen sieht eine beiderseitige Beteiligung in Höhe von 250 Millionen DM vor. Diese 250 Millionen DM stellen eine Grenze dar. Diese Summe ist vom Bund auch in den Etat eingestellt. Natürlich wäre es sehr wünschenswert, wenn die 28 Millionen DM, die vom Ansatz des Wissenschaftsrates gestrichen wurden, zur Verfügung gestellt werden könnten. Aber der Bund darf das nicht geben. Der Passus des Abkommens, der festlegt,
daß der über 500 Millionen DM hinausgehende Bedarf von den Ländern getragen wird, ist von den Ministerpräsidenten im Schlußprotokoll noch schärfer gefaßt worden. Herr Frede, ich darf Ihnen das vorlesen. Der erste Text des Schlußprotokolls lautete:
Die Länder tragen über den gemeinsam aufzubringenden Beitrag hinaus weitere Ausgaben für den Aufbau der wissenschaftlichen Hochschulen allein, so daß ihre Gesamtleistung die des Bundes übersteigt.
Dann ist in dem neuen Text das Schlußprotokoll verschärft worden:
Es wird festgestellt, daß die Länder über den gemeinsam aufzubringenden Beitrag hinaus weitere Ausgaben für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen tragen, ihre Gesamtleistung also die des Bundes übersteigt.
Herr Abgeordneter Hellige, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lohmar?
Herr Kollege Hellige, sind Sie sich darüber klar, daß, wenn der Bund dieser Fassung des Verwaltungsabkommens mit diesem Zusatz zustimmt, bei der zu erwartenden und nötigen Steigerung der Mittel für den Ausbau und Neubau wissenschaftlicher Hochschulen in den nächsten fünf Jahren der Anteil des Bundes auf ein Sechstel bis ein Siebentel der Gesamtmittel absinken wird und damit die Tragfähigkeit einer gemeinsamen Wissenschaftsförderung durch Bund und Länder ernsthaft in Frage gestellt werden muß?
Ich bin mir darüber klar. Ich bedaure Idas genauso, wie Sie .es tun. Sie kennen meine Ansicht auf diesem Gebiet. Aber so, wie das Abkommen aussieht, wird es wohl nicht anders möglich sein. Da liegt ja gerade die Misere, wenn ich nicht sagen soll: die Perversion unserer kulturpolitischen Situation. Es wird nicht danach gefragt, was der Bund dafür leisten kann, sondern es wird die Frage gestellt, was er leisten, was er zahlen darf.Wir sind daher nicht in der Lage, Ihrer Motion zuzustimmen.Wir haben das Mögliche getan. Schon im Etat 1964 ist der Ansatz für die Forschung um 15 % erhöht
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Dr. Helligeworden, also weit über den Zuwachs des Sozialprodukts hinaus. Wir werden uns auch weiter bemühen, und ich glaube, wir werden uns mit allen Kräften bemühen müssen, in den kommenden Haushalten diese Ansätze wiederum erheblich anzuheben.Dazu aber brauchen wir die Zustimmung der Länder, und wir fordern die Bundesregierung auf, im Rahmen des Verwaltungsabkommens sich der uns so wichtigen Frage der Entwicklung unserer Wissenschaft mit allen Kräften zu widmen.Zu dem Leertitel 601 brauche ich nichts mehr zu sagen; ich stimme da dem Kollegen Stoltenberg völlig zu.
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Es ,liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD — Umdruck 416 — vor. Soll über die drei Ziffern getrennt oder gemeinsam abgestimmt werden?
— Gemeinsam; gut. Wer dem Änderungsantrag als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung — in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einige Enthaltungen links. Der Einzelplan 31 ist angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 32 Bundesschuld .Berichterstatter ist der Abgeordnete Windelen. Er regt sicherlich an, auf die Berichterstattung zu verzichten. — Das Haus entspricht dankenswerterweise seinem Wunsche. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 32 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen links angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung .Berichterstatter sind die Abgeordneten Windelen und Frau Krappe. Die beiden Berichterstatter bitten, von der Berichterstattung abzusehen. — Das Haus entspricht dem Wunsche.Über den Entschließungsantrag kann erst in der dritten Beratung verhandelt werden. Änderungsanträge liegen nicht vor.Das Wort hat Herr Senator Schütz .Schütz, Senator für Bundesangelegenheiten des Landes Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Kap. 60 05 des Ihnen vorliegenden außerordentlichen Haushaltsplanes werden die Bundesdarlehen für Baumaßnahmen in Berlin ausgewiesen.Berlin benötigt in diesem Jahr 372 Millionen DM. Die Bundesregierung hat in dem Haushalt nur einen Betrag von 240 Millionen DM eingesetzt. Die restlichen 132 Millionen DM soll sich Berlin — allerdings mit Unterstützung des Bundes — auf dem Kapitalmarkt beschaffen.Die Feststellung also ist wichtig: Berlin wird in diesem Jahre die notwendige finanzielle Unterstützung nicht direkt und nicht voll aus dem Bundeshaushalt erhalten. Wie immer man diese Entscheidung beurteilt, die Tatsache bleibt: Dies bedeutet eine Änderung des bisherigen Verfahrens bei der Gewährung der Bundeshilfe für Berlin. Der Bund hat- in den vergangenen Jahren niemals gezögert, Berlin die notwendige Hilfe voll aus dem Bundeshaushalt zu gewähren. Er hat damit seine Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit Berlins herausgestellt. Er hat die finanzielle Verbundenheit Berlins mit der Bundesrepublik sichtbar werden lassen. Der Bund hat sich so verhalten, wie es dem Wort und dem Geist seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht.Diese klare, diese gradlinie Politik verliert in dem diesjährigen Haushaltsplan und durch die hierbei zu treffenden Entscheidungen ihre Eindeutigkeit. Nicht, weil Berlin überhöhte Wünsche angemeldet hätte. Die Höhe des Berliner Finanzbedarfs ist unbestritten. Niemand behauptet, daß Berlin die 132 Millionen DM entbehren könne. Die Bundesregierung hat den Betrag nach eingehender Prüfung als notwendig anerkannt. Der Finanzbedarf Berlins steht also nicht zur Diskussion. Die Form der Bundeshilfe wird vielmehr nur deshalb geändert, weil das Volumen des Bundeshaushalts nicht überschritten werden soll. Aber jeder weiß, daß damit nur ein optischer Effekt erzielt werden soll. Finanz- und wirtschaftspolitisch ist es nämlich gleichgültig, ob der Bund oder Berlin auf Kosten des Bundes die Anleihe aufnimmt. Die Ausgaben der öffentlichen Hand sind in beiden Fällen dieselben. Auch die Belastung des Bundeshaushalts ist die gleiche, da der Bund die Kosten der Anleihe tragen wird.Das Jahr 1964 hat keine Entspannung im Ringen um Berlin gebracht. Der Senat von Berlin hätte es daher begrüßt, wenn die Bundesregierung auch in diesem Jahr an der bisherigen Form ihrer Hilfeleistung festgehalten hätte, wenn sie eine besonders demonstrative Unterstreichung ihrer Bindungen an Berlin ebenso hoch eingeschätzt hätte wie die rein äußerliche Begrenzung des Bundeshaushalts. Dieser Vorgang mag finanztechnisch bedeutungslos sein. Aber es ist politisch etwas anderes, ob der Bund dem Land Berlin die notwendigen Mittel gibt oder ob Berlin das Geld auf dem Kapitalmarkt selbst einsammelt, mag auch an der Sammelbüchse die Garantieerklärung des Bundes hängen.
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Senator SchützDer gesamtdeutsche Ausschuß hat deshalb einstimmig — ich betone: — empfohlen, die Hilfe voll aus dem Bundeshaushalt zu gewähren. Der Senat von Berlin dankt dem gesamtdeutschen Ausschuß und der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses für ihre Initiative und Entscheidung. Der Senat von Berlin bedauert, daß die Fraktionen, die diese Bundesregierung tragen, diese politischen Gesichtspunkte bei der endgültigen Entscheidung im Haushaltsausschuß nicht mit Vorrang gewürdigt haben.Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge kann Berlin zur Kenntnis nehmen, daß es sich erstens um einen einmaligen Vorgang handeln wird, der in den folgenden Jahren keine Fortsetzung findet, und daß zweitens der Bund die Kosten der Berlin-Anleihe — Emission, Zins und Tilgungsdienst — voll tragen wird. Der Herr Bundeskanzler hat dies dem Regierenden Bürgermeister von Berlin zugesichert. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat es vor dem Haushaltsausschuß erklären lassen. Der Senat von Berlin hat diese Erklärungen mit Befriedigung und mit Dank entgegengenommen.Unser Dank und unsere Befriedigung galten auch der gestrigen Entscheidung der Bundesregierung, die Verlängerung des Berlin-Hilfe-Gesetzes ohne Änderungen vorzuschlagen. Wie in der Vergangenheit wird der Senat von Berlin darüber wachen, daß Mißbräuche verhindert oder — wenn notwendig — rigoros unterbunden werden.Der außerordentliche Finanzbedarf Berlins ist — ich sehe von einem weit zurückliegenden Ausnahmefall ab — bisher immer voll durch Bundesdarlehen gedeckt worden. Das ist uneingeschränkt für die Zeit der bisherigen außenpolitischen Bedrohung Berlins der Fall gewesen. Seit dieser Zeit ist der Aufbau der Stadt von allen politischen Kräften unseres Landes nicht nur als eine örtliche Berliner Aufgabe angesehen worden. In und um Berlin wird die außenpolitische Auseinandersetzung um die künftige Gestalt unseres Vaterlandes geführt. Der Aufbau Berlins beweist unseren Freunden und unseren Gegnern, daß wir voller Siegeszuversicht sind.Die Bautätigkeit in Berlin ist zum Bestandteil der gesamtdeutschen Politik des Bundes geworden. Ob Wohnhaus, Fabrik oder Reichstagsgebäude — in jedem Bau, der in Berlin emporwächst, 'äußert sich unsere Entschlossenheit, die Freiheit zu verteidigen. In jedem Bau dokumentiert sich unser Wille, die gewachsenen Bindungen Berlins mit dem freien Teil Deutschlands zu festigen, und in jedem Bau findet unsere Hoffnung Ausdruck, daß Berlin eines Tages wieder die Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands sein wird.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte zu den Ausführungen von
Herrn Senator Schütz über die Anleihe in Höhe von 132 Millionen sind nötig!
Der Lebensstandard Berlins unterscheidet sich in keiner Weise vom Lebensstandard in den übrigen Teilen in der Bundesrepublik.
Berlin ist und bleibt ein untrennbarer Teil der Bundesrepublik.
Dann kann man aber auch verlangen — bei aller Anerkennung der schwierigen Situation Berlins bei der Verteidigung der Freiheit —, daß es sich in die Entwicklung der Bundesrepublik einordnet.
Ich bin im Gegensatz zu Herrn Senator Schütz der Meinung: Gerade damit, daß Berlin wegen der Haushaltsschwierigkeiten des Bundes gebeten worden ist, unter diesen günstigen 'Bedingungen eine Anleihe aufzunehmen, wird die Verbundenheit Berlins als Teil ganz Deutschlands extra betont.
Ich darf im übrigen nur der Ordnung halber noch darauf hinweisen, daß diese Anleihe Berlins nicht die erste ist. Berlin hat selber schon Anleihen begeben. Im übrigen sehe ich keine Gefahr: die Berlin-Anleihe wird genauso gut vom Kapitalmarkt aufgenommen werden wie eine Bundesanleihe.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen!
Meine Damen und Herren, bevor wir uns dem. Haushaltsgesetz zuwenden, habe ich über einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD abstimmen zu lassen, der sämtliche Einzelpläne des Bundeshaushaltsplans 1964 betrifft. Es handelt sich um den Umdruck 423 *). Der Antrag wird durch Herrn Abgeordneten Leicht begründet werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um einen interfraktionellen Antrag. Ich habe mich nur zu Worte gemeldet, um Klarheit darüber zu schaffen, was er zum Inhalt hat. Dieser Antrag soll es dem Haushaltsausschuß ermöglichen, seine Beratungen über Personalfragen nach der Verabschiedung des Etats fortzusetzen. Er gibt Möglichkeiten zu einer Korrektur der ku- und der kw-Stellen der vergangenen Jahre, die Ende 1963 weggefallen wären. Wir brauchen sie, weil wir erst jetzt in den Beratungen über die Personalien darüber entscheiden können.*) Siehe Anlage 16
Metadaten/Kopzeile:
5906 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
LeichtIch nehme die Gelegenheit wahr, hier gleich ein Mißverständnis aufzuklären, das durch eine Notiz in der heutigen Tagespresse entstanden ist. Die Tatsache, daß wir die Personaltitel nach dem Haushalt 1963 aus technischen Gründen in diesen Haushalt 1964 übernehmen mußten, führte dazu, daß die Tagespresse meldete, wir hätten z. B. beim Bundesverfassungsgericht wiederum mehr Richter eingestellt. Das ist nicht der Fall. Es hängt mit dieser Technik zusammen, die wegen der Personalberatungen notwendig geworden ist. Diese Dinge werden in der ordentlichen Beratung der Personaltitel korrigiert werden, ebenso die Frage Amtsgehaltsgesetz. Dabei handelt es sich um gesetzliche Bestimmungen, die dann selbstverständlich bei der endgültigen Beschlußfassung übernommen werden.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
In der neuen Fassung des Änderungsantrags, die Sie auf Umdruck 423 *) finden, sind gegenüber der Fassung auf Umdruck 423 in der ersten Zeile die Worte eingefügt: „zu den Titeln 101 und 104 aller Einzelpläne". Weiter heißt es dann in diesem Antrag in der neuen Fassung:
Bei kw- und ku-Vermerken, die mit dem Ablauf
des Jahres 1963 wirksam werden, für die im Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsplans 1964 jedoch eine Verlängerung über den 31. Dezember 1964 hinaus vorgesehen ist, ist anstelle der Jahreszahl 1963 zu setzen die Jahreszahl 1964.
Wer dem Änderungsantrag in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf
Haushaltsgesetz 1964 . Berichterstatter ist der Abgeordnete Schoettle.
— Er überreicht einen Schriftlichen Bericht, der zu Protokoll genommen wird **). Ich danke ihm für den Schriftlichen Bericht.
Ich rufe auf in zweiter Beratung die §§ 1 bis 7. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — So beschlossen.
Ich rufe auf den § 8. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 418 ***) vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über den Antrag auf Umdruck 418 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen?
— Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 17 **) Siehe Anlage 18 ***) Siehe Anlage 19
Ich lasse abstimmen über § 8 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe, da § 9 entfällt, auf die §§ 9 a bis 36, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Bestimmungen sind so beschlossen.
Damit ist auch die zweite Beratung des Haushaltsgesetzes beendet.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf die
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Drucksachen IV/1700, IV/2050 bis IV/2081).
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt einem, wenn ich so sagen darf, altgedienten Haushaltsmann nicht leicht, nach dieser zweiten Beratung in der dritten Beratung unter diesen Umständen das Wort zu nehmen, und ich muß offen sagen, ich war einen Augenblick versucht, mein Manuskript einfach zu Protokoll zu geben, weil ich den Eindruck gewann, daß die Art, wie wir zur Zeit den Haushalt beraten, auf die Dauer unerträglich wird.
Ich glaube, es ist eines Parlaments nicht würdig, einen Haushalt von 60,3 Milliarden DM in zwei Tagen auf diese Weise zu erledigen.
Das kann der ganzen Sache auf die Dauer nicht gut tun. Ich tadele niemanden.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Barzel, ich tadele niemanden. Ich weiß, daß es der Zwang der Umstände ist. Aber ich beklage diesen Zwang der Umstände.
Ich glaube, jeder, der die Dinge einigermaßen kennt, wird mit mir einer Meinung sein, daß wir so nicht fortfahren können.
Sogar Sie werden noch mit mir einig werden, Herr Kollege Barzel.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5907
SchoettleWir brauchen uns nur einen Blick auf die verschiedenen Leidensstationen der einzelnen Bundeshaushalte der letzten Jahre zu gestatten, um zu wissen, daß das praktisch nicht mehr so weitergehen kann.Nach den Gesetzen, die wir selber beschlossen haben, müßte der Bundeshaushalt bereits am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten sein. Daß es nicht möglich war, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat der Herr Bundesfinanzminister — den ich auch nicht persönlich tadele — am 7. Januar dieses Jahres anstatt am 7. Oktober dem Hause seinen Haushaltsplan vorgelegt. Man sagt, da gab es eine Regierungskrise; die hat es verhindert.
— Nun, schön, nennen Sie es Krise oder nennen Sie es Umbildung; mir soll das alles recht sein.
Die näheren Umstände dieser Regierungsbildung haben jedenfalls schließlich dazu geführt, daß der Bundeshaushalt diesem Hause am 7. Januar 1964 vorgelegt wurde, d. h. 7 Tage später, als er hätte in Kraft getreten sein sollen.Außerdem liegt dem Hause ein Torso von einem Haushalt vor. Wenn wir die Dinge genau betrachten, müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß der Haushaltsausschuß durch das Haushaltsgesetz ermächtigt wird, einen entscheidenden, einen sehr wesentlichen Teil dieses Haushalts erst nach dem Abschluß dieser Beratungen bzw. erst nach der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes weiterzuberaten, nämlich die ganzen Personaltitel, die immerhin einen Betrag von rund 7,8 Milliarden DM ausmachen, wenn man Verwaltungspersonal und Bundeswehr zusammennimmt, also einen Prozentsatz der Gesamtsumme, der gerade deshalb von großer Bedeutung ist, weil er — davon bin ich fest überzeugt — eine ganz beträchtliche finanzielle Reserve enthält, obwohl wir neuerdings zu anderen Veranschlagungsmethoden als früher bei den Personalhaushalten übergegangen sind.Ich habe mir die Mühe gemacht — eigentlich war es gar keine große Mühe —, mir die Zahlen für die letzten Jahre zu verschaffen, nämlich in bezug auf das Verhältnis zwischen Soll- und IstAusgaben bei den Personaltiteln. Das Ergebnis zeigt, daß im Jahre 1960 das Ist um 305 Millionen DM hinter dem Soll zurückgeblieben ist, im Jahre 1962 um 218 Millionen DM und im Jahre 1963 um 253 Millionen DM. Natürlich ist das eine ganz bequeme Manövriermasse auch für den Bundesfinanzminister im Laufe des Haushaltsjahres, um mit der Rechnung schließlich zu Rande zu kommen. Ich will aber nur darauf hinweisen, was in diesen Personaltiteln tatsächlich noch an Möglichkeiten steckt. Wir werden sie nie — und auch kein Finanzminister wird dazu in der Lage sein — in vollem Umfang ausschöpfen und so spitz berechnen können, daß dabei Mark und Pfennig genau aufgehen. Das ist ganz klar; niemand wird es erwarten. Aber die Tatsache, daß wir diese Personaltitel aus der Beratung ausklammern — und wir werden, wenn wir Glück haben, erst vor der Sommerpause damit fertig sein —, muß man, glaube ich, ins Auge fassen, wenn man davon spricht, daß hier ein Torso eines Haushalts zur Beratung steht.Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung — und ich glaube, daß man darin eigentlich doch weitgehend übereinstimmen sollte —: Wie immer der Zustand einer Regierung im jeweiligen Augenblick ist — ob sie sich nun in einer Krise oder in einer Umbildung befindet —, sicher besteht die Regierung nach wie vor; die Minister sind im Amt; sogar der Bundeskanzler ist nach unserer Verfassung im Amt; er ist ja gar nicht gestürzt. Schließlich tauscht man den einen oder anderen Minister aus. Die Ressorts sind tätig. Das Kabinett mag sich also in einer Krise befinden. Wie immer es also auch ist: die Regierung besteht weiter, die Minister — einschließlich des Bundeskanzlers — amtieren, die Ressorts arbeiten, und sie legen auch ihre Hände nicht deshalb in den Schoß, weil zufällig einmal ein Ministersessel etwas wackelt, wobei man die Frage stellen kann: Wann wackelt bei uns eigentlich schon einmal ein Ministersessel?
— Herr Kollege Althammer, es kann eine Zeit kommen, wo Sie vielleicht angesichts bestimmter Vorgänge nicht „Gott sei Dank" sagen.
Diese Zeit kann kommen. Also, da würde ich auch einen stillen Vorbehalt machen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre.Jedenfalls geben alle Ressorts fröhlich das Geld aus, weil sie das Glück haben, nach dem Nothaushalt bedient zu werden, und zwar mit dem berühmten Zwölftel des Vorjahresansatzes, auch wenn das Parlament keinen gültigen Haushalt verabschiedet hat. Deshalb kann selbst ein in der Demission befindlicher, nur sein Amt verwaltender Finanzminister dem Parlament einen Haushalt rechtzeitig vorlegen. Das ist eine Behauptung, die ich aufstelle, und ich glaube, das Haus sollte sich unisono zu diesem Standpunkt bekennen, damit wir endlich normale Zustände bekommen,
damit wir den Haushalt rechtzeitig verabschieden können. Unter „rechtzeitig" verstehen wir— und darin hoffe ich wieder mit allen Parteien des Hauses einig zu sein — die Vorlage des Bundeshaushalts im Bundesrat vor der Sommerpause. Es steht auch im Gesetz, mit dem seinerzeit die Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr herbeigeführt worden ist, daß der Bundeshaushalt dem Bundesrat, also quasi der ersten Kammer, vor Beginn der Sommerpause vorzulegen ist. Ich glaube, es ist sogar ein genauer Termin im Gesetz genannt; ich kann mich im Augenblick nicht darauf besinnen. Wir brauchen dabei nicht einmal die Sommerpause zu verkürzen, obwohl ich sagen möchte — damit spreche ich einen alten Lieblingsgedanken zum Unwillen mancher Kollegen in diesem Hause aus —, daß wir es uns nicht leisten können, ein Vierteljahr Sommerpause zu machen. Aber wenn wir es schon so
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Schoettlehaben wollen, dann, glaube ich, müßten wir spätestens Anfang Oktober in der Lage sein, mit den Haushaltsberatungen in diesem Hause so zügig zu beginnen, daß wir bis zum Jahresende tatsächlich fertig sind, obwohl auch das gewisse Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Fristen gestatten es nämlich tatsächlich.Die Regierung kann auch nicht für sich in Anspruch nehmen, daß sie — ausgerechnet sie! — die letzten und kleinsten politischen Hürden überwinden muß, die sich in ihrem eigenen Bereich ergeben haben, ehe sie den Haushalt dem Parlament übergibt. Meine Damen und Herren, wäre ich in meinem angestammten schwäbischen Heimatland, so hätte ich für das Verfahren, in das wir seit Jahren — ich sage noch einmal: durch die Schuld der Regierung — geraten sind, einen zwar treffenden und sehr drastischen, aber leider unparlamentarischen Ausdruck, den ich mir hier leider verkneifen muß.
Meine Damen und Herren! Dieser Haushaltsentwurf ist in der Form, in der wir ihn jetzt vorgelegt haben und in der ihn der Haushaltsausschuß selbstverständlich verantworten muß, ein Torso. Das Haushaltsgesetz enthält auch in diesem Jahre wieder eine Ermächtigung für den Haushaltsausschuß, die Beratung der Personaltitel, für die in den wenigen Wochen seit dem 7. Januar 1964 bei einem Volumen von 60,3 Milliarden einfach keine Zeit geblieben ist, nach der Verabschiedung des Haushalts fortzusetzen. Das ist eine sehr unangenehme, zeitraubende und keineswegs befriedigende Belastung des Haushaltsausschusses, der außerdem ja auch noch einige andere Dinge zu tun hat. Die Regularien der Tätigkeit des Haushaltsausschusses sind, worin mir alle Kollegen, die diesem Ausschuß angehören, zustimmen werden, nicht die kleinsten, sondern da ist von Tag zu Tag eine ganze Menge Arbeit, die einen neben dem Haushalt selber in Anspruch nimmt. Diesen Zustand als Anachronismus zu bezeichnen, erscheint mir sehr milde ausgedrückt, und ich hoffe, daß niemand in diesem Hause dem Haushaltsausschuß selber etwa dafür die Verantwortung zuschiebt. Wir waren einfach in einer Zwangslage, wenn wir nicht den völligen Bankrott des Budgetrechts dieses Parlaments riskieren wollten.Man soll es uns auch nicht verübeln, wenn wir heute — und da hoffe ich wiederum auf die Unterstützung der Regierungsfraktionen — den unmißverständlichen Wunsch aussprechen, so schnell wie möglich aus dieser Zwangslage befreit zu werden. Dieser Wunsch, ja, diese Forderung richtet sich ausschließlich an die Bundesregierung und an den Herrn Bundesfinanzminister, der in Gottes Namen hinter den Ressorts her sein muß und bei den Ressortbesprechungen so viel Dampf dahintersetzen muß, daß man den Haushaltsentwurf zur rechten Zeit fertigkriegt. Erfüllt die Regierung in diesem Punkt ihre Pflicht besser als bisher, dann bin ich davon überzeugt, daß das Parlament und der Haushaltsausschuß ihrerseits durchaus in der Lage sein werden, ihre Pflicht in vollem Umfange zu erfüllen. Dann werden die Abgeordneten dieses Hauses das tun, was ihnen nach Lage der Sache obliegt, nämlich eine saubere, gründliche Beratung des Haushaltsdurchzuführen und ihn zeitgerecht zu verabschieden.Ich bitte Sie um Nachsicht, wenn ich vielleicht aus einem Stück Ärger über den Zustand, in dem wir uns befinden, gerade diesem Punkt etwas viel Zeit gewidmet habe. Aber er scheint mir vom Standpunkt der Position des Parlaments so wichtig, so elementar zu sein, daß man sich damit beschäftigen mußte.Betrachten wir jetzt den vorliegenden Entwurf einen Augenblick im Vergleich mit dem ursprünglichen Regierungsentwurf. Er weist einige nicht unbeträchtliche Verbesserungen auf, wenn man die Änderungen so nennen darf, die der Haushaltsausschuß vorgenommen hat. Es gibt ja auch da verschiedene Meinungen.Es mußte in erster Linie für zwei wesentliche Mehrbelastungen der Ausgleich gesucht werden, erstens für die Verbesserung der Kriegsopferversorgung um 381 Millionen DM und zweitens für den Ausfall, der für den Finanzminister dadurch entstanden ist, daß er entgegen den sozialdemokratischen Warnungen seinen Entwurf auf einen Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 40 % aufbaute.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Leicht, „Warnungen" haben wir gesagt. Wenn Sie einen Antrag als eine Warnung betrachten, kann ich Ihnen nicht widersprechen. Er war auch so gemeint. Jedenfalls hat der Finanzminister seinen Haushalt auf der Fiktion aufgebaut, daß er von den Ländern einen Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Höhe von 40 % bekommen würde. Es war von Anfang an klar, daß ihm noch nicht einmal die Länder folgen würden, die etwa unter der gleichen Koalition stehen wie die Bundesregierung. Daß er schließlich dennoch 39 % bekam, bedeutet, das kann man wohl so sagen, daß er mit einem blauen Auge davongekommen ist.
— Herr Kollege Stoltenberg, Sie sehen, wie menschenfreundlich wir sind. Wir können es nicht ertragen, daß ein Finanzminister nur mit einem blauen Auge in der Welt herumläuft.
Immerhin, ich sage, er ist glimpflich davongekommen, und das zeigte sich ja dann auch: wir hatten etwas weniger Sorge mit dem Haushaltsausgleich.Trotzdem bedeutet das noch immer eine zusätzliche Deckungslücke von 392 Millionen DM, für die Ersatz geschaffen werden mußte. Schließlich wurde der Ausgleich auf dem Papier noch durch eine Reihe anderer Maßnahmen erreicht, die alle insgesamt nicht schön, im Einzelfall sogar ganz und gar nicht schön sind nach der Meinung der sozialdemokratischen Opposition.An der Spitze steht dabei der etwas sehr summarische, wenn auch auf bestimmte Titel gezielte Kür-
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Schoettlezungsvorschlag der Koalition, über den wir im Ausschuß sehr eingehend beraten haben und der auch einen Augenblick in diesem Hause eine gewisse Rolle gespielt hat. Wir sind überzeugt, daß dieser Kürzungsvorschlag u. a. auch mehrfach auf falsche Ziele gerichtet war und unangenehme, wenn nicht gar gefährliche Folgen haben kann. Ich habe dieser Tage einen Brief des Leiters der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts erhalten über die Rückwirkungen von Beschlüssen des Haushaltsausschusses auf die Absicht, deutsche Schulen im Ausland zu bauen. Ich muß sagen, daß dieser Brief mich einigermaßen bestürzt hat, weil er so ernst und so ehrlich war, daß man durchaus unter dem Eindruck stand: hier kann wirklich ein Dauerschaden entstehen, und den sollte man vermeiden, wenn man es kann.Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt auch andere Erscheinungen bei diesen Haushaltsberatungen, die vom Standpunkt der Opposition keineswegs erfreulich waren. Ich erinnere nur an die Art, wie die Titel der Wissenschaftsförderung gekürzt worden sind. Auch darüber ist bereits bei der zweiten Beratung gesprochen worden, und ich möchte es nicht wiederholen. Wenn gestern hier darauf verwiesen worden ist, daß einige dieser Titel doch trotz der Kürzung der Mittel gegenüber früheren Jahren gewachsen seien, so ist das wahrhaftig kein Trost angesichts der Tatsache, daß sich die Lage auf diesem Gebiet im ,ganzen verschlechtert hat und die Mittel im ganzen weit hinter den tatsächlichen Bedürfnissen zurückgeblieben sind.Ich möchte in diesem Zusammenhang schon aus Zeitgründen das weite Feld nicht betreten, das mit dem Stichwort Bildungsnotstand umrissen werden kann. Darüber und über Kompetenzen und Verantwortlichkeiten ist in der letzten Zeit viel geredet und geschrieben worden. Von bestimmter Stelle ist auch der Versuch gemacht worden, den Tatbestand selbst, der von vielen Wissenschaftlern, anerkannten Wissenschaftlern — ich denke an Edding und andere — anerkannt worden ist, zu bagatellisieren. Das ist gestern auch in diesem Hause geschehen. Herr Kollege Stoltenberg war mit an dieser Aktion beteiligt, nicht wahr, obwohl ich der. Überzeugung bin, daß er, wenn er die Dinge genau studiert und wenn er nicht hier im Parlament, sondern ganz nüchtern unter Fachgenossen zu reden hätte, vermutlich zu Ergebnissen käme, die durchaus denen ähneln, die wir Sozialdemokraten auch vertreten.Nach unserer Meinung kann dieser Tatbestand gar nicht ernst genug genommen werden, weil er auf die Dauer eine absolute Schädigung unserer eigenen Wettbewerbsposition im Wettbewerb mit anderen freien Nationen bedeutet. Es bleibt nur zu hoffen, daß es bald gelingt, auch ohne ein Bundeskultusministerium oder eine ähnliche Institution zwischen Bund und Ländern eine gründliche und dauerhafte Verständigung nicht nur über Gründung und Finanzierung neuer Universitäten, sondern über die Bewältigung des ganzen Komplexes herbeizuführen, den man summarisch als den Rückstand der Bundesrepublik gegenüber den Notwendigkeiten der Gegenwart und den voraussehbaren Bedürfnissen und Erfordernissen der Zukunft bezeichnen kann.Wir sollten uns bei Gelegenheit solcher Erörterungen nicht immer wieder selbstzufrieden auf die Schulter klopfen und uns über eigene Leistungen ergötzen, sondern das Unsrige vor allem an anderen Maßstäben, an den Maßstäben anderer vergleichbarer Nationen messen. Dann würden wir wahrscheinlich zu sehr viel skeptischeren, um nicht zu sagen pessimistischeren Überzeugungen kommen. Dann hätten wir keinen Grund, uns über den bei uns erreichten Zustand besonders zu freuen.Um zum Haushalt zurückzukehren: Ohne auf alle Einzelheiten der zum Teil etwas komplizierten Manipulationen mit Kürzungen da und Aufstockungen dort jetzt einzugehen, kann festgestellt werden, daß der Ausgleich auf dem Papier hergestellt ist. Eine beträchtliche Rolle spielen dabei einmal die Kürzungen, die der Haushaltsausschuß, zum Teil über den Koalitionsvorschlag hinaus, gezielt beschlossen hat, zum andern aber auch die Höherschätzung der Einnahmen, bei denen der Finanzausschuß seine vom Haushaltsausschuß angenommenen Vorschläge gemacht hat, wie es seines Amtes war.Ich darf dabei bemerken, daß sich bei dieser Gelegenheit wie auch bei den konjunkturpolitischen Überlegungen die Ausführungen meines Freundes Dr. Alex Möller in der ersten Beratung gegenüber dem Pessimismus des Finanzministers glänzend bestätigt gefunden haben.
— Das ist ein Argument, das auch für Sie nicht ungefährlich ist, Herr Kollege Stoltenberg!Weiterhin wurde der Haushaltsausgleich durch Erhöhung der Steuerschätzungen vorgenommen. Danach soll allein die Lohnsteuer 300 Millionen DM erbringen — das ist ja wohl keine inflationäre Erscheinung, sondern eine Erscheinung unserer Binnenverhältnisse —, die Körperschaftsteuer nur 100 Millionen DM. Daß nach diesen Schätzungen die veranlagte Körperschaftsteuer völlig stagniert d. h. auf dem gleichen Punkt stehengeblieben ist, ist auch ein nicht ganz unbezeichnender Tatbestand, über den nachzudenken sich lohnt. Dann wurde der Ansatz für Verwaltungseinnahmen um rund 124 Millionen DM erhöht und schließlich noch eine Erhöhung der Kreditmittel im außerordentlichen Haushalt um 101 Millionen DM vorgenommen.So konnte die Einnahmeseite konsolidiert werden. Sie ist nach meiner Annahme jetzt realistischer als im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung. Wie realistisch sie ist, das wird das Haushaltsjahr 1964 selbst erst erweisen müssen. Wenn nicht alle Zeichen trügen — Konjunkturentwicklung und die Steuereingänge des ersten Vierteljahres 1964 —, dann dürfte sogar der Bundesfinanzminister trotz seines berufsmäßigen Pessimismus etwas beruhigter in die allernächste Zukunft blicken, und seine Sorgen für das Jahr 1965, die zweifellos nicht gering sein werden, werden doch vielleicht um einiges erleichtert. Er selber wird sie ja durch seine Steuersenkungspläne nicht wesentlich erleichtern. Aber wir haben gehört, daß er daran festzuhalten ent-
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Schoettleschlossen ist, und so, wie die Mehrheitsverhältnisse liegen, wird man ihn daran nicht hindern können. Ich verweise auf das, was mein Freund Walter Seuffert in seinen Ausführungen heute vormittag zu diesem Thema gesagt hat.Bei den Ausgaben ist nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses ein Minderbedarf von insgesamt 489 Millionen DM erreicht worden, — zusammen mit anderen Maßnahmen, die sich zum Teil aus dem Stand der Beratungs- und Gesetzesvorlagen in diesem Hause rechtfertigen ließen, weil eben einfach die Vorlagen noch nicht so weit waren und man feststellen konnte, daß Mittel, die für ihre Durchführung vorgesehen waren, vermutlich nicht in vollem Umfang gebraucht würden.So ist schließlich das Kunststück des Ausgleichs vollbracht worden. Es ist ein Kunststück, auf das besonders stolz zu sein um so weniger Anlaß besteht, als, wie ich schon sagte, ein wesentlicher Teil des Haushalts, nämlich die Personaltitel, noch gar nicht beraten ist. Die Personaltitel betragen ohne die Bundeswehr 6,4 % des Gesamtvolumens des Haushalts, mit der Bundeswehr 13,9% des gesamten Haushaltsvolumens, also rund 7,8 Milliarden DM, ein recht beträchtlicher Happen! Wenn man sich überlegt, daß das alles noch aussteht und was da möglicherweise noch drinsteckt, kann einem etwas bange werden vor den Aufgaben, vor die sich der Haushaltsausschuß in der nächsten Zukunft gestellt sieht.Für den Ausschuß, dem auch in diesem Haushaltsgesetz das zweifelhafte Geschenk einer Ermächtigung zur nachträglichen Behandlung dieser Personaltitel zuteil werden wird, bleibt also für die Zeit bis zu den Parlamentsferien noch ein beträchtliches Stück Arbeit zu leisten, von den Regularien der Ausschußarbeit, über die ich schon gesprochen habe, ganz abgesehen.Da ich gerade von Ermächtigungen an den Haushaltsausschuß sprach, meine Damen und Herren, bleibt noch eine Bemerkung zu dem Gesamtthema der Ermächtigungen zu machen. Der ganze Haushalt ist seinem Wesen nach eine Ermächtigung. Ich glaube, darüber sind sich alle Leute, die mit dem Haushalt zu tun haben, einig. Eine Ermächtigung ist keine Verpflichtung zu Ausgaben, es sei denn, daß es sich um Ausgaben auf Grund von Rechtsverpflichtungen oder Verpflichtungen aus Gesetzen handelt. Eine gewisse Marge ist im Haushalt immer enthalten.Es kennzeichnet den obsoleten Zustand unseres Haushaltsrechts, wie es in der Reichshaushaltsordnung in der gegenwärtigen, etwas .revidierten, aber noch geltenden Form niedergelegt ist, daß es immer noch Raum für Ermächtigungen an den Finanzminister geben muß oder gibt. Ich bin der letzte, der auf diesem Gebiet dogmatisch wäre und sagte: Es gibt unter gar keinen Umständen Raum für Ermächtigung an einen Ressortminister wie den Finanzminister. Der Finanzminister muß schließlich auch eine gewisse Koordinierung im Vollzug des Haushalts möglich machen. Aber für mein Gefühl und das Gefühl meiner Freunde gehen die Ermächtigungen, die wir in den letzten Jahren in die Haushaltsgesetze eingebaut haben — vielleicht der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb, manchmal aber auch aus Bequemlichkeit —, doch viel weiter, als es dem Budgetrecht des Parlaments eigentlich angemessen wäre.Das Haushaltsgesetz 1964 ist auch in diesem Punkt eher das Gegenteil einer Verbesserung gegenüber seinen Vorläufern. Es ist nach unserer Meinung allerhöchste Zeit, in diesem Bereich damit aufzuhören, daß man aus der Not eine höchst zweifelhafte Tugend macht.Die Reform des Haushaltsrechts — das haben wir x-mal gesagt — ist eine dringende, ich möchte beinahe sagen, eine der dringendsten Aufgaben. Viel ist daran hinter den Kulissen gearbeitet worden. Vieles liegt in den Schubladen, kommt aber nicht vom Fleck. Ich weiß nicht, wie oft ich es schon wiederholt habe, ich tue es jetzt zum x-ten Male. Nach 15jähriger Praxis als Haushaltsfachmann, wie man es neuerdings nennt, wird man es schließlich müde, das Selbstverständliche immer noch einmal zu sagen. Ich möchte hier nur einige Gesichtspunkte andeuten.Unser gegenwärtiges Haushaltsrecht ist auf andere Zeiten zugeschnitten als die heutige mit ihren viel rascheren Veränderungen und oft schnellere Entscheidungen erfordernden Vorgängen. Aber das ist vielleicht ein Common place, über den man sich verständigen kann.Größere Beweglichkeit der Exekutive im Vollzug des Haushalts — das kann sehr wohl diskutiert werden — ohne Beeinträchtigung des parlamentarischen Bugdetrechts wäre im Rahmen einer Reform des Haushaltsrechts zu erstreben. Größere Verantwortlichkeit der Verwaltung bei wirtschaftlichster Verwendung der Mittel wäre ein anderes Ziel, das man erreichen müßte. Es ist in dem heutigen Haushaltsrecht nicht im vollen Umfang erreichbar, weil sehr oft durch haushaltsrechtliche Bestimmungen die Eigenverantwortlichkeit der Behördenchefs eingeengt und gehemmt wird, so daß nicht das Notwendige und das Richtige getan wird. Ich sage das, obwohl ich weiß, das man auch da Einschränkungen nach dieser oder jener Richtung machen kann. Zugleich müßte die rechtliche und materielle Verfolgung von Verstößen gegen die Ordnung sowohl den Behörden wie dem einzelnen Beamten gegenüber mit größerem Ernst betrieben werden.Auch das sage ich mit vollem Bedacht: Jeder, der die Prüfungsarbeiten des Rechnungsprüfungsausschusses mitgemacht hat oder nachträglich zu sanktionieren hat, weiß, wie schwer es ist, aus offiziell festgestellten Verstößen von Beamten, von Behördenchefs wirkliche Konsequenzen zu ziehen, die eine Wiederholung ausschließen und eine Warnung darstellen.
Was bedeutet in der Praxis heute schon eine Beanstandung des Bundesrechnungshofes? Doch sehr, sehr wenig! Auch das muß sich nach meiner Meinung ändern, und zwar gründlich.Sie sehen, meine Damen und Herren, ich versuche hier jetzt nicht, in billiger Popularität zu machen,
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Schoettlesondern von Dingen zu sprechen, von denen ich überzeugt bin, daß sie im Rahmen unserer ganzen Haushaltssystematik wirklich einer Überprüfung, einer gründlichen Überholung bedürfen. Dabei denke ich gar nicht an Bestechungsprozesse, die natürlich in der Presse immer groß aufgemacht werden und die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen. Sie lassen sich aus gewissen Zeitverhältnissen, sagen wir einmal, aus der Geschichte der letzten zwanzig, fünfundzwanzig Jahre viel leichter erklären als aus der unmittelbaren Schlechtigkeit der Beteiligten. Nein, meine Damen und Herren, es geht um Störungen und um Fehlleistungen im normalen Vollzug des Haushalts. Der Vollzug des Haushalts ist — auch das sage ich jetzt noch einmal betont, obwohl auch darüber Meinungsverschiedenheiten da oder dort bestehen, sogar in diesem Hause — und muß ausschließlich Sache der Exekutive bleiben,
während es Sache des Parlaments ist, Mittel zu bewilligen oder zu verweigern und die Verwaltung zum großen Teil mit Hilfe des Bundesrechnungshofes zu kontrollieren. Ich meine, wir müssen dazu kommen, die Zuständigkeiten der Exekutive und die Zuständigkeiten der Legislative klar auseinanderzuhalten.
Ohne eine solche klare Scheidung kommen wir nicht zu sauberen Verhältnissen.
— Das gilt in jedem Falle, Herr Kollege Stoltenberg. Sie werden sich vielleicht an eine kleine Auseinandersetzung im Haushaltsausschuß erinnern, in der ich unnachgiebig diesen Standpunkt vertreten habe, selbst gegenüber eigenen Freunden.
Es kommt darauf an, daß die Verwaltung wirklich vollzieht — deshalb nennt sie sich Exekutive —, und es kommt darauf an, daß die Legislative ihre Kontroll- und Bewilligungsfunktionen so ernst nimmt, daß darüber gar kein Zweifel bestehen kann.In diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zum Bundesrechnungshof. Ich glaube, sie ist längst fällig. Seit über einem Jahr ist die Stelle des Präsidenten des Bundesrechnungshofes verwaist. Das ist eine schlechte Sache,
eine sehr schlechte Sache! Ich kenne die Gründe für das Zögern der Regierung bei der Ernennung eines neuen Präsidenten im einzelnen nicht. Vielleicht fehlt noch der beste, vielleicht aber auch, wie das bei uns zuweilen vorkommt, der bequemste Mann für diese Spitze, und das wäre noch schlechter.
Ich habe mir kürzlich einmal bei einer Auslandsreisevon einem sehr hohen Beamten des Auswärtigen Amtes sagen lassen — ich möchte da nichtgleich Analogien in andere Bereiche hinein ziehen —, daß man eine bestimmte Stelle eben nicht besetzt habe oder nicht besetzen könne, weil der Mann, den man gern auf diese Stelle setzen möchte, zwar nicht geeignet sei, aber einen Anspruch auf diesen Platz habe, und daß man manchmal bei Stellenbesetzungen nicht den richtigen Mann für den richtigen Platz suche, sondern den Platz für einen Mann, den man gern unterbringen möchte. Es wäre ein schlechter Brauch, wenn das überall so wäre.
Ich hoffe, daß es bei der Besetzung des Postens des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nicht so gehandhabt wird. Gegenwärtig besteht — —
— Nun, wir sind allzumal Sünder!
Wer hier von dem einen oder anderen Land redet, der möge zunächst in seiner eigenen Umgebung nachsehen, ob da nicht auch einige Punkte zu beanstanden sind. Ich bin keineswegs einer von den Heuchlern, die meinen, die Schuld liege immer nur bei den anderen. Ich bin da ganz unvoreingenommen.Nun ist der Posten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes gegenwärtig noch in Personalunion mit dem Posten des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung verbunden. Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß diese Koppelung zweier Ämter auf die Dauer nicht gut ist und daß es notwendig ist, beide zu trennen, damit dann beide Personen in vollem Umfang ihre Aufgabe erfüllen können.
Die Frage der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ist weiß Gott keine leicht zu nehmende Aufgabe. Angesichts des oft seltsam gehemmten Ganges unserer Verwaltungspraxis bedarf es ebenso der vollen Kraft des Leiters dieser wichtigen Behörde, wie der Bundesrechnungshof mit seiner hohen Verantwortung für die Kontrolle der Verwaltungspraxis und des Haushaltsvollzuges einen Leiter braucht, der, unbehindert durch eine andere Aufgabe, seiner Behörde vorsteht und sie in jeder Hinsicht, und nicht nur formell, leitet. Wir plädieren deshalb, meine Damen und Herren, in aller Form für die Trennung der beiden Aufgaben, weil wir der Überzeugung sind, daß sie auf die Dauer miteinander unvereinbar sind und daß die ungeschmälerte Beschäftigung eines wirklichen Kommissars für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung viel und schnell dazu beitragen könnte, den etwas schwerfälligen Gang unserer Verwaltung von unzeitgemäßen bürokratischen Hemmungen zu befreien und etwas in modernere Stromlinienform zu bringen.Eine andere für die künftige Gestaltung unseres Haushalts wichtige Frage sollte ebenfalls ohne Zögern jetzt endlich in Angriff genommen werden. Ich meine die Frage der längerfristigen Veranschlagung bestimmter Haushaltspositionen. Ich will hier nicht in viele Einzelheiten gehen, weil es auch da kontro-
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5912 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Schoettleverse Punkte gibt. Man wird sich noch einiges zu überlegen haben, um die richtigen Formen zu finden. Man kann z. B. über die Trennung von ordentlichem und außerordentlichem Haushalt verschiedener Meinung sein. Es wird jetzt in einem deutschen Land, allerdings in einem Stadtstaat, der Versuch gemacht, den außerordentlichen Haushalt ganz zu beseitigen. Ob das eine sich bewährende Praxis sein wird, muß erst abgewartet werden. Ich will mir darüber heute noch kein Urteil erlauben. Jedenfalls muß man alle Möglichkeiten erwägen, unseren Haushaltsaufbau so übersichtlich, so durchsichtig, so klar und von allen überprüfbar zu machen, daß jeder weiß, was denn in diesem dicken Schicksalsbuch des Volkes steht.Der Ausweis unserer vermögenswirksamen Aufwendungen — wobei über 'den praktischen Inhalt des Begriffs immer Meinungsverschiedenheiten bestehenbleiben, über seine Weite, über seine Enge, über seine Grenzen — wird stets notwendig sein. Ob man das in der bisherigen Form macht oder zu einem echten Investitionshaushalt übergeht, spielt dabei keine Rolle, einem Investitionshaushalt, der dann allerdings tatsächlich alle langfristigen Projekte und großen Planungen enthalten und in sich selber flexibler sein könnte, als es der jetzige Zustand gestattet. Ich habe mir sagen lassen, daß viele Positionen heute z. B. nicht besetzt werden können, weil die Mittel nicht zur Verfügung stehen, weil man nicht in der Lage ist, sozusagen aus der Notwendigkeit, aus der Situation heraus zu entscheiden, weil eben die Verwaltung in ihren Entscheidungen durch die Enge des Haushaltsrechts viel zu sehr gehemmt ist.Mehrjahreshaushalt, Trennung von Investitions- und Verwaltungshaushalt, Einbeziehung des Personalhaushalts in die Mehrjährigkeit, das sind alles Fragen, die nun bald in dieser oder jener Form, in dieser oder jener Richtung geklärt werden müssen. Mir scheint, daß endlich aus den Schubladen entweder des Bundesrechnungshofs, der sich mit dieser Frage jahrelang beschäftigt hat, oder des Bundesfinanzministeriums Entwürfe kommen müßten, die reif sind zur Beratung und zur Verabschiedung, so daß wir ein neues Haushaltsrecht bekommen. Sie gehören mit zu dem Generalthema, das ich zu Beginn angeschlagen habe: Überwindung der Misere, die sich, ganz allgemein gesprochen, bei Aufstellung, Einbringung und Verabschiedung unseres Haushalts ebenso wie im Vollzug herausgebildet hat.Weit wichtiger noch als diese von mir nur angedeuteten Maßnahmen im Bereich des Haushaltsrechts und verwandter Gebiete erscheinen uns die Arbeiten an einer wirklichen Entflechtung der Zuständigkeiten und finanziellen Zuordnungen zwischen Bund und Ländern. Man kann wohl sagen, meine Damen und Herren, daß jetzt endlich nach jahrelangem Drängen auch von seiten der Sozialdemokratie unter dem Vizepräsidenten der Bundesbank Dr. Troeger jene Expertenkommission eingesetzt worden ist, die praktikable Vorschläge für die Neugestaltung unserer Finanzverfassung erarbeitet, bei denen alle drei Beteiligten, der Bund, die Länder und die Gemeinden, zu ihrem Recht aus der ihnen zukommenden Aufgabenstellung kommen müssen.
Wir möchten nur eines wünschen: daß die Kommission schnell und gründlich arbeitet und sich in ihrer Aufgabe auch nicht durch Sonderwünsche dieses oder jenes Ressorts oder dieser oder jener Stelle, und sei es selbst die Bundesbank, beirren läßt. Aus einigen Gesprächen habe ich Grund zu dieser Bemerkung.Schließlich gestatten Sie mir zum allgemeinen Problem der Haushaltsgestaltung noch ein Wort! Ich möchte es ein ganz persönliches Wort nennen, weil ich nicht überzeugt bin, daß ich damit bei allen meinen eigenen Freunden und vermutlich auch nicht in den Reihen der anderen Parteien dieses Hauses sofortige Zustimmung finde. Diese Bemerkung entspringt einer nun 15jährigen Beschäftigung mit dem Haushalt und seinen Fragen, ohne daß ich mich deshalb einen Experten nennen möchte, ein Wort, das heute so oft mißbraucht und meistens fälschlicherweise angewendet wird. Es geht mir unabhängig davon, wer zufällig in der Regierung oder auf den Bänken der Opposition sitzt, um die Frage nach einer wirklich im besten Sinne des Wortes geordneten Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand.Die gegenwärtige Bundesregierung hat für den Haushalt 1964 einen Plafond beschlossen, der 60,3 Milliarden DM beträgt. Man kann darüber streiten, ob der Ausgangspunkt für diesen Plafond richtig gesetzt ist oder nicht. Ich bin da etwas anderer Meinung als die Regierung; aber das gilt für alle meine Freunde. Ich bin nicht ganz sicher, ob in den Reihen der Regierungskoalition nicht gelegentlich auch gelinde Zweifel an der Weisheit dieses starren Beschlusses aufgetreten sind. Aber 'das ist eine Frage, die ich hier nicht weiter diskutieren will.Man kann auch darüber streiten, ob die ganze Methode, dazu noch kombiniert mit den Steuersenkungsplänen des Finanzministers, richtig ist in eine; Zeit, die alle Zeichen eines herannahenden oder schon in Gang befindlichen Booms aufweist. Sie wissen, daß darüber gestritten wird. Man könnte stundenlang aus der Fachpresse und aus den Äußerungen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute sehr kritische Stimmen gerade zu dieser Seite der Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung zitieren. Ich kann darauf verzichten, weil in diesem Hause darüber in den letzten Stunden genügend gesagt worden ist.Mir kommt es allerdings in diesem Augenblick und unabhängig von der aktuellen Lage des Haushaltes und der gesamten öffentlichen Finanzwirtschaft auf folgendes an. Mit wachsendem Unbehagen habe ich als Haushaltsmann, der ich nun einmal mit den Jahren — ich kann sagen: leider — geworden bin, beobachtet, daß wir jedes Jahr, und zwar immer reichlich verspätet, einen Jahreshaushalt verabschieden, daß wir dann aber während des Haushaltsjahres immer frisch fromm fröhlich frei Gesetze von beträchtlicher finanzieller Tragweite beschließen, die nicht selten rückwirkende Kraft haben und damit für den laufenden Haushalt ernste Probleme der Dekkung hervorrufen.
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Schoettle— Ich sehe, daß der Beifall allseitig verteilt ist. Ich war mir dessen von vornherein völlig bewußt. Aber ich stelle diese Frage im vollen Bewußtsein und mit voller Absicht, weil ich glaube, daß wir uns mit dieser Geschichte einmal auseinandersetzen müssen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß dieses Parlament im Interesse seiner eigenen Budgethoheit von diesem 'Brauch abgehen müßte. Das gilt übrigens für alle Beteiligten. Es ist nicht so, daß die Sünder nur auf einer Seite des Hauses sitzen. Gerade diejenigen, die im Besitz der Mehrheit sind, sind nämlich eher in der Gefahr, wirkliche Sünden zu begehen, während die anderen auf den Bänken der Opposition meistens nur läßlicher Sünden geziehen werden können.
Aber eine geordnete Finanzwirtschaft ist auf die Dauer so nicht möglich. Ich sage noch einmal: wir sind alle Sünder, allzumal, auf welchen Bänken wir in diesem Hause sitzen. Wir sollten alle versuchen, uns das ernsthaft zu überlegen, weil eine falsche Finanzpolitik des Parlaments auch zu Konsequenzen führen muß, die 'die 'Position 'des Parlaments selber beeinträchtigen.Ich hielt mich gegen Ende meiner haushaltspolitischen Laufbahn für verpflichtet — ich sage das auch betont —, diese Bemerkungen ohne Rücksicht auf Lob oder Tadel zu machen. Lob erwarte ich von keiner Seite, und der Tadel versteht sich eigentlich von selbst.Ich möchte noch hinzufügen, daß ich es mir ebenso als einen Segen für die öffentliche Finanzwirtschaft vorstellen könnte, wenn im Rahmen der Vorschläge — und das ist ein anderer Punkt — der bereits erwähnten Expertenkommission auch der Gedanke an ein Bundesrahmengesetz ventiliert würde, durch das die Haushaltspraxis auf allen Ebenen ohne Rücksicht auf die zufällig so oder ,so verteilten Geldquellen in ein gewisses, stets der Diskussion im Einzelfall unterworfenes Verhältnis zur Steigerung des realen Zuwachses am Sozialprodukt geknüpft werden könnte. Das ist eine sehr ernste Frage, die heute von vielen Seiten überlegt wird, die sicher ihre Problematik enthält, von der ich aber überzeugt bin, daß sie zu einer ausgeglicheneren Führung der öffentlichen Haushalte und zu einer Annäherung der verschiedenen Ebenen aneinander führen könnte. Das ist sicherlich nicht bequem, aber höchstwahrscheinlich sogar zweckmäßig, vor allem in Zeiten, in denen die Dinge nicht mehr so selbstverständlich sind, wie sie gelegentlich zu sein scheinen: Natürlich möchte ich Katastrophenfälle, die immer wieder eintreten können, nicht in diese Überlegungen einbezogen wissen. Für sie wird immer ad hoc irgendeine Lösung gefunden werden müssen, und die ist ja bisher auch immer gefunden worden.Gestatten Sie mir nur noch, meine Damen und Herren, zu einigen speziellen Aspekten dieser Haushaltsberatung 1964 Stellung zu nehmen. Zunächst zur konjunkturpolitischen Lage, in die dieser Haushalt eingebettet ist. Der optimistische Trend der wirtschaftlichen Voraussagen für das Jahr 1964 hat auch nach der Jahreswende angehalten. Wenn es noch bei der ersten Lesung des Bundeshaushalts am 9. Januar 1964 eine Diskussion um die Prognose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute vom Dezember gegeben hat, so ist beachtlich, daß sich inzwischen die Bundesregierung mit den Instituten auf eine Annahme von sogar 8 v. H. an Zunahme für diese das Steueraufkommen fundierende Größe geeinigt hat. Im vermutlich Mitte oder Ende April herauskommenden Vierteljahresheft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird bereits mit 8,3 v. H. gerechnet werden.Es ist aber wichtig, zu wissen, daß man die reale Wachstumsrate zwar mit 6 v. H. angibt, jedoch intern etwa 5 v. H. für realistischer hält. Das bedeutet so oder so eine erhebliche Preissteigerung, die um so bedenklicher ist, als es sich hier um die Durchschnittszahl für das ganze Jahr 1964 handelt. Während vermutlich die nächste Entwicklung so verläuft, daß in den kommenden Monaten — insgesamt gesehen — die Preise kaum ansteigen, werden sie in den letzten Monaten des Jahres durch den neuen Investitionsanstoß erheblich anziehen.Diese Entwicklung wird die Deckungsprobleme für den Bundeshaushalt erheblich vereinfachen. Wenn auch die erwähnte gemeinsame Steuervorausschätzung immer noch keinen vollen Ausgleich für die Änderung der Interessenquote bei den Einkommensteuern gegenüber den unrealistischen Vorstellungen des Haushaltsentwurfs gebracht hat, so wird doch das vom Konjunkturaufschwung bewirkte effektive Steueraufkommen diesen Ausgleich herbeiführen helfen. Diesen Trend zeigen schon die Steuereingänge von Januar und Februar dieses Jahres. Aber was wichtiger ist: eine solche Vermutung ist auf Grund der Erfahrungen aus den Boom-Situationen der Jahre 1954/55 und 1959/60 berechtigt.Bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung handelt es sich unzweifelhaft um einen keimenden Boom. Wenn in der Haushaltsdebatte vom 9. Januar 1964 in der aufgezeigten Position der sozialdemokratischen Fraktion überhaupt etwas einer Änderung bedürfte, dann die Annahme einer gefährlichen konjunkturellen Überhitzung für das Jahr 1965, weil diese Überhitzung nach den jetzigen Erkenntnissen schon im Spätherbst 1964 eintreten könnte.Dieser Gefahr kann — wie von meinen Freunden Alexander Möller und Heinrich Deist oft hervorgehoben worden ist — konjunkturpolitisch nicht mit Maßhalteetats oder mit „Leitlinien" begegnet werden.Jede Reduzierung der Binnennachfrage bringt im Augenblick nur noch höhere Ausfuhrüberschüsse, und ein Ausfuhrüberschuß in Höhe von voraussichtlich 8 Milliarden DM im Jahre 1964 erreicht eine Größenordnung, die noch erheblich über den Zahlen liegt, die uns zur D-Mark-Aufwertung gezwungen haben. Hier ist also entweder eine neue starke Preissteigerung oder eine direkt die Ausfuhrüberschüsse anpackende konjunkturpolitische Aktion unvermeidlich. Für eine derartige Aktion kommen in erster Linie in Frage: die Ausset-
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5914 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Schoettlezung der Umsatzsteuer-Rückvergütung für Ausfuhrlieferungen, die Reduzierung von Einfuhrbeschränkungen aus Drittländern und ein Vorziehen der nächsten Zollsenkung für Importe aus EWG-Ländern.Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bundesregierung sich zu derartigen Maßnahmen entschließt. Da sie aber auch die Binnennachfrage mindestens tolerieren muß, ist die gesamtwirtschaftliche Stabilität auf das äußerste gefährdet, und scharfe Preissteigerungen wären nicht zu vermeiden.Die Konsequenzen dieser Überlegungen werden sicher für den Haushalt 1965 zu ziehen sein, wenn nicht, wie zu erwarten ist, die Bundesregierung schon für dieses Haushaltsjahr mit einem Nachtrag kommt, der den magischen Zirkel der 60,3 Milliarden DM sprengt.Etwas anderes, ebenfalls zum Thema Konjunkturpolitik und Inflationsabwehr. Da schon so manches zu diesem Thema gesagt worden ist, möchte ich mich auf ein Zitat beschränken, damit es wenigstens im Bundestagsprotokoll steht. Es wird jetzt viel von den Maßnahmen der Bundesregierung und der Bundesbank gegen den drohenden Inflationsimport aus den anderen EWG-Ländern geredet. Auch gestern und heute haben wir dazu kräftige Worte von seiten des Herrn Bundeskanzlers und des Bundeswirtschaftsministers gehört. Es gibt indessen auch andere und keineswegs belanglose Stimmen. Hier ist eine.— ich zitiere sie —:Die lautstarken Worte, mit denen Bundesregierung und Bundesbank die Kapitalertragsteuer für ausländische Besitzer deutscher Rentenwerte angekündigt haben, können nicht die große Unsicherheit verbergen, die in Bonn und in Frankfurt besteht. Die Enttäuschung über das Scheitern der bisherigen Bemühungen um eine Eindämmung des Devisenzuflusses verbindet sich mit der Furcht vor letzten Konsequenzen. Zwischen dem Gebot harten Zugriffs und dem Respekt vor dem erreichten Grad der Freiheit des Kapitalverkehrs schwankend hat man überstürzt eine Schocktherapie gewählt, bei der die amerikanische Zinsausgleichsteuer Pate gestanden zu haben scheint. Ohne wenigstens einen ersten Gesetzentwurf, der auf wesentliche technische Fragen hätte Antwort geben können, in der Hand zu haben, sind die offiziellen Sprecher vor ihr Forum getreten. Als sie es verließen, war der Rentenmarkt im Keller. Unglücklicher ist selten im Bereiche des Kapitalmarktes operiert worden.Das ist keine sozialdemokratische Stimme, sondern stammt aus dem „Volkswirt" vom 3. April dieses Jahres und trägt die Überschrift: „Stümperhafte Inflationsabwehr".Meine nächste Bemerkung bezieht sich nicht" unmittelbar auf den gegenwärtigen Bundeshaushalt. Sie hat aber doch insofern etwas mit dem Budgetrecht des Parlaments zu tun, als es sich ja bei der Entwicklung europäischer Gemeinschaften auch um den Verzicht auf spezifische nationale Rechte undZuständigkeiten handelt. Wir selber erleben oft, z. B. im Haushaltsausschuß, daß von supranationalen Körperschaften Beschlüsse gefaßt werden, die unsere Haushalte belasten, ohne daß wir an solchen Beschlüssen hätten mitwirken können. Wir haben darüber gelegentlich Unterhaltungen geführt, in welchem Umfang Empfängerländer über die Leistungen beschließen, die die Geberländer — dazu gehört auch die Bundesrepublik — zu erbringen haben, ohne daß sie praktisch einen Einfluß auf die Quote haben, nach denen sie da zu einer Leistung herangezogen werden.Die Diskrepanz zwischen der Entwicklung der europäischen Behörden und ihrer Bürokratie auf der einen und der finanzpolitischen Inkompetenz der ihnen zugeordneten Parlamentseinrichtungen auf der anderen Seite ist offenkundig. Die gegenwärtige Haushaltspraxis der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom ist für die parlamentarische Demokratie nicht länger vertretbar. Im Zusammenhang mit der Fusion der Exekutiven der Gemeinschaften sind auch von der deutschen Regierung Vorschläge für die Verbesserung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments gemacht worden. Sie sind nach unserer Meinung außerordentlich bescheiden. Wir halten sie für nicht zureichend, zumal das Haushaltsvolumen der Gemeinschaften ständig ansteigen wird. Wir erinnern nur an die Milliardenbeträge, die in den Ausrichtungs- und Garantiefonds der Landwirtschaft fließen werden.Da die Montanunion bereits jetzt aus eigenen Mitteln finanziert wird und auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bereits über gewisse Eigeneinnahmen, nämlich aus Teilbeträgen der Abschöpfung, verfügt, muß anläßlich der Fusion der Exekutiven der Notwendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle dieser Mittel Rechnung getragen werden.
Wenn das Parlament nach der Fusion an der Aufstellung des Haushaltsplanes nur nach dem bisher geübten Verfahren des Rom-Vertrages oder in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen verbesserten Form teil hätte, wäre das sogar eine Schwächung der gegenwärtigen Befugnisse des Parlaments.
Der Haushalt der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird bekanntlich endgültig durch einstimmigen Beschluß der vier Präsidenten des Gerichtshofs, der Hohen Behörde, des Parlaments und des Rats festgestellt, also mit entscheidender Mitwirkung des Parlaments durch seinen Präsidenten.Wenn man wirklich will, daß die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments verstärkt werden, kann man sich auf Grund der vorstehend geschilderten Tatbestände nicht mit formalen Verbesserungen begnügen. Das Europäische Parlament muß in Zukunft echte Haushaltsbefugnisse bekommen, mögen sie auch, solange ein Teil der Ausgaben der Europäischen Gemeinschaften noch durch Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert wird, begrenzt sein.
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SchoettleSchon jetzt kann man innerhalb der Grenzen von Artikel 203 Abs. 3 und 4 folgendes Verfahren anwenden: Vom Parlament wird — so schlagen wir vor — in öffentlicher Sitzung dem Rat in Anwesenheit und in gemeinsamer Beratung mit der EWG-Kommission der geänderte Entwurf des Haushaltsplanes vorgelegt. Für die Aufstellung des Entwurfs des Haushaltsplans wird im Parlament ein erschwertes Abstimmungsverfahren vereinbart. Der Entwurf muß in namentlicher Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Der Rat stellt nach Beratung mit der Kommission den in dieser Weise vorgelegten Haushaltsplan mit qualifizierter Mehrheit fest. Falls der Rat von dem vom Parlament aufgestellten Entwurf abzuweichen wünscht, muß er das Parlament dazu konsultieren. Er kann diese Abweichungen nur einstimmig beschließen und dann den Haushaltsplan mit qualifizierter Mehrheit verabschieden. In den Fällen, in denen sich Parlament und Rat nicht einig sind, könnte unserer Meinung nach eine gemeinsame Beratung in einem paritätischen Ausschuß erfolgen.Dieses Verfahren, das wir diesem Hause hier vortragen, weil wir glauben, daß es in die europäische Diskussion kommen muß, wäre ohne Vertragsänderung möglich und wäre im Wege der freiwilligen Selbstbindung der Mehrheit der Regierungen durchaus durchführbar. Die volle Übertragung des Haushaltsrechts auf das Europäische Parlament im Wege der Vertragsänderung wäre dann zu gegebener Zeit die nächste Stufe.Meine Damen und Herren, noch eine weitere Bemerkung! Wir haben erst gestern hier ein heißes Thema diskutiert: die Finanzierung der politischen Parteien aus dem öffentlichen Haushalt. Ich habe dem, was meine politischen Freunde gestern gesagt haben, nicht mehr hinzuzufügen als eine letzte Warnung an Sie. Viele Titel in diesem Haushaltsplan mußten gekürzt werden, manche — wie wir meinen — zum Schaden der Sache. Einer der wenigen Haushaltstitel, die gestiegen sind — und hier kann man sagen: sprunghaft gestiegen sind, nämlich von 5 zuerst auf 20 und dann auf 38 Millionen DM —, ist der Titel, aus dem die Parteien dieses Parlaments — und bleiben wir genau: die Koalitionsparteien — sich selber finanziell gesund machen wollen, weil es ihnen nicht gelungen ist und in absehbarer Zeit wohl auch nicht gelingen wird, das Handicap ihrer bescheidenen zahlenmäßigen Stärke auszugleichen oder die einst so reichlich fließenden Quellen betuchter Fördererverbände erneut zum Fließen zu bringen. Wir warnen Sie noch einmal, meine Damen und Herren: Beschreiten Sie nicht den Weg, auf dem zu gehen Sie sich anschickten! Wir haben Ihnen Vorschläge gemacht. Sie haben sie gestern abgelehnt, wie überhaupt die Ablehnung sozialdemokratischer Vorschläge zur ständigen Praxis dieses Hauses gehört. Wir haben einmal gehört, daß man ohne Rücksicht auf den notwendigen Sachverstand sozialdemokratische Anträge ablehne. Der betreffende Herr Kollege, der das gesagt hat, ist heute eine Zierde der Ministerbank. Ich weiß nicht, ob er inzwischen in diesem Punkte seine Meinung geändert hat. Jedenfalls haben wir Ihnen Vorschläge gemacht, von denen wir der Meinung waren, daß sie bei gutemWillen hätten angenommen werden können und Sie durch ihre Annahme verhindert hätten, daß eine sehr gefährliche Entwicklung eintritt.In diesem besonderen Falle, wo Sie, meine Damen und Herren, in ureigenster Sache beschließen, hat Herr Professor Burgbacher bereits den verdächtig an ein berühmt-berüchtigtes Vorbild erinnernden Satz ausgesprochen: Wer ist denn der Staat? Der Staat sind wir! L'Etat c'est moi! Ich will Sie damit keineswegs in die Nähe des Sonnenkönigs bringen, Herr Dr. Burgbacher, aber ich meine, gerade angesichts solcher Entwicklungen sollten wir uns das noch ein letzten Mal gründlich überlegen. Wir haben gerade in diesem Falle unsere Anträge aus der zweiten Beratung für die dritte Beratung wiederholt, um Ihnen Gelegenheit zu geben, sich endlich klar und positiv zu entscheiden. Warten Sie wenigstens bis zur Verabschiedung des Parteiengesetzes, ehe Sie den verhängnisvollen, für die parlamentarische Demokratie lebensgefährlichen Weg weitergehen, die Parteien von der Staatskasse abhängig zu machen.
Für die Sozialdemokratie habe ich dabei die allergeringste Sorge. Unsere Partei hat sich gegenüber ganz anderen Gefahren in ihrer Freiheit und Unabhängigkeit zu behaupten gewußt als gegenüber diesem Versuch, politische Bewegung, politische Aktivität und freie, opferfreudige Entscheidung des Staatsbürgers durch die Dotierung aus dem Staatssäckel zu ersetzen.Zum Schluß! Herr Stoltenberg — ich muß Sie leider wieder einmal zitieren — hat gestern den nach unserer Meinung untauglichen Versuch unternommen, der sozialdemokratischen Fraktion vorzurechnen, mit welch gigantischen Summen sie den Bundeshaushalt belasten wolle. Herr Stoltenberg weiß natürlich, daß das ein nicht ganz reelles Manöver ist, das wir leicht dadurch kompensieren könnten, daß wir z. B. die Wünsche und Forderungen der verhinderten Oppositions-CDU aus Hannover einmal auf ihre Kosten nach Mark und Pfennig addieren und Ihnen dann eine entsprechende Rechnung aufmachen würden.
Wir tun das nicht. Da käme für die Bundesfinanzen ein schönes Desaster heraus, davon können Sie überzeugt sein. Wir möchten dieses Spiel nicht weitertreiben, sondern nur ein wenig niedriger hängen nach dem Beispiel Friedrichs des Großen gegenüber einem Pamphlet seiner Zeit.Die SPD-Fraktion hat sich jedenfalls bei diesen Haushaltsberatungen — das kann ich auch als Vorsitzender des Haushaltsausschusses mit gutem Gewissen behaupten — streng an den verordneten Plafond von 60,3 Milliarden DM gehalten, obwohl wir in Einzelfällen andere Maßstäbe anlegten als die Koalition; und das ist ja angesichts der verschiedenen Ausgangspunkte und Standorte nur natürlich.Aber, meine Damen und Herren, Sie haben die Mehrheit. Sie haben die entsprechenden Beschlüsse gefaßt. Es dürfte Ihnen schwerfallen, der SPD-Fraktion während der Beratungen im Ausschuß etwas anderes nachzusagen als verantwortungsvolle
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SchoettleMitarbeit an der Suche nach dem Ausgleich für diesen Haushalt, dessen einzelnen Positionen wir in vielen Fällen aus ganzem Herzen zustimmen, ebenso wie wir in vielen Fällen den Haushaltsansätzen genau wie dem für sie verantwortlichen Minister auf das tiefste mißtrauen.Wir haben unsere Haltung zur Sache bei den Einzelplänen durch unsere Abstimmung zum Ausdruck gebracht. Dem Haushalt dieser Bundesregierung für das Jahr 1964 können wir nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, darf ich zur Geschäftslage des Hauses sagen, daß ich bis jetzt die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe, daß wir heute fertig werden. Aber sicher ist es nicht.
— Sicher ist es nicht. Ich sehe mich deshalb noch nicht in der Lage, die Präsenzpflicht für morgen aufzuheben. Vielleicht im Laufe des heutigen Abends; das hängt vom weiteren Fortgang der Geschäfte ab.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr vielen Dingen, die der verehrte Vorsitzende unseres Haushaltsausschusses, Herr Schoettle, soeben dargelegt hat, kann ich vom Standpunkt eines auch schon älter gewordenen Mitgliedes des Haushaltsausschusses zustimmen. Wir freuen uns darüber, daß er aus seiner reichen Erfahrung Vorschläge gemacht hat, die uns beachtlich erscheinen und denen man wirklich Gehör schenken sollte. Dazu gehört der Vorschlag, daß man ,während eines laufenden ,Etatjahres durch die Gesetzgebung nicht immer wieder neue finanzielle Veränderungen herbeiführen sollte. Welcher Weg zu wählen ist, um diesen Mißstand abzustellen, das bedarf einer ernsten und gewissenhaften Prüfung. Aber es sind auch noch manche andere Punkte, Herr Schoettle, bei denen wir Ihnen zustimmen, ohne daß ich jetzt nur hier diese haushaltsrechtliche Seite sogleich in den Vordergrund schieben möchte.Lassen Sie mich zunächst mehr wirtschaftliche Überlegungen zum Ausdruck bringen. Die moderne Finanzpolitik kreist ja eigentlich um das sogenannte „Magische Dreieck", das auch Herr Schoettle zitiert hat: die stabile Währung, eine ausgeglichene Zahlungsbilanz und eine Beschäftigung für alle Menschen, die arbeitswillig und arbeitsfähig sind, zu guten Bedingungen.An diesen Grundforderungen der Wirtschaftspolitik hat die öffentliche Finanzwirtschaft einen ganz erheblichen Anteil, weil Bund, Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden und der Lastenausgleichsfonds allein 30% der volkswirtschaftlichen BruttoAnlage-Investitionen ausmachen. Oder, von einer anderen Seite .gesehen: bei einem Sozialprodukt von 376,4 Milliarden DM gingen im letzten Jahr 111,2 Milliarden DM — das ist ein Betrag, der zwischen einem Viertel und einem Drittel des Bruttosozialprodukts liegt — in die öffentliche Verwaltung hinein und erscheinen damit letzten Endes von dort her als Nachfrage in dem Güteraustausch unserer Volkswirtschaft.Während es früher mehr die Aufgabe der Haushalts- und Finanzpolitik war, den Haushalt auszugleichen und die Steuern auszugestalten, ist heute die wichtigste Aufgabe der Haushalts- und Finanzpolitik der Beitrag geworden, den sie zu einer glücklichen Lösung des „Magischen Dreiecks" leisten kann. Die Finanzwirtschaft ist immer mehr zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Instrument geworden, welches nach seiner Größenordnung und nach seinen Auswirkungen die gesamte wirtschaftliche Entwicklung wesentlich beeinflußt.Wir möchten deshalb 'der Bundesregierung, vor allen Dingen dem Herrn Bundeskanzler, unsere volle Zustimmung geben, wenn er erstmalig beim Bundeshaushaltsplan 1964 die Forderung erhoben hat, eine feste Verbindung zwischen dem Zuwachs des Bruttosozialprodukts auf der einen Seite und dem Zuwachs der Ausgaben des Bundeshaushaltsplans auf der anderen Seite herzustellen. Diese Relation beruht, wie Sie wissen, auf der Grundlage eines realen Zuwachses des Bruttosozialprodukts von 4,5% und eines nominellen Zuwachses von 6,4 %.Ihnen ist bekannt, daß in den Vorjahren die Ausgaben der öffentlichen Gebietskörperschaften stärker gewachsen sind als das Sozialprodukt, und zwar mit all den Folgen, die wir kennen und die wir nicht in jeder Beziehung für gut halten. Um so mehr begrüßen wir es, daß jetzt der Versuch gemacht wird, beide Zuwachsraten in Einklang zu bringen, was sicher der Stabilisierung der Verhältnisse dienen wird. Der Herr Bundeskanzler hat bei der Behandlung dieser Fragen deutlich werden lassen, daß er die Zuwachsrate des Bundeshaushalts lieber an den realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts gebunben sehen möchte. Wenn auch natürlich der — größere — nominelle Zuwachs des Bruttosozialprodukts in die öffentlichen Kassen fließt, so sollte gleichwohl der Ausgabenwirtschaft des Bundeshaushalts doch nur der reale Zuwachs zugrunde gelegt werden, während der übersteigende Betrag des nominellen Zuwachses volkswirtschaftlich sterilisiert werden sollte. Das sollte in der Weise geschehen, daß dieser Differenzbetrag etwa zur Verringerung der Auslandsschulden verwendet oder — was ja gerade in der Konjunkturpolitik naheliegt — zur Beseitigung der Haushalts-Fehlbeträge benutzt wird, die sich im Bundeshaushalt in den beiden letzten Jahren leider — wenn auch nur in geringem Umfang — gezeigt haben, oder aber auch zur Rücklagenbildung. In jedem Fall aber sollte der nominelle Zuwachs künftig nicht wieder in den innnerdeutschen Güteraustausch einströmen.Wir sind der Meinung, daß die Entscheidung darüber, ob der reale Zuwachs des Bruttosozialprodukts und der Zuwachs des Bundeshaushaltsplans fest miteinander verbunden werden sollen, in die nächste Haushaltsvorbereitung für 1965 hineingehört. Aber wir sind auch der Meinung, daß auch schon in diesem Haushaltsjahr 1964 eine Konsequenz aus dieser Überlegung gezogen werden könnte und sollte.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5917
Dr. ConringHerr Schoettle hat soeben in bezug auf die neueren Schätzungen des Bruttosozialproduktes durch die wissenschaftlichen Forschungsinstitute gesagt, er sei der Meinung, daß die Bundesregierung sich mit diesen Instituten geeinigt habe, was ich allerdings nicht weiß. Wenn aber der reale Zuwachs des Bruttosozialprodukts größer sein sollte als der Zuwachs, den wir dem Bundeshaushaltsplan 1964 zugrunde gelegt haben, so ergibt sich daraus, daß der reale Mehrzuwachs über das hinaus, was dem Bundeshaushalt zugrunde gelegt wird, für die Ausgaben 1964 zur Verfügung stehen muß, um die im Laufe des Etatsjahres 1964 etwa neu auftretenden Ausgaben leisten zu können, während man das Mehr an nominellem Zuwachs jetzt sogleich antizyklisch für die Tilgung von Schulden — etwa bei der Bundesbank, Herr Finanzminister, oder bei den Auslandsschulden — verwenden sollte. Wir bitten die Bundesregierung, sich diese Auffassung zu eigen zu machen.Meine Damen und Herren, in den Haushaltsberatungen, die jetzt hinter uns liegen, haben wir sehr ernstlich darauf geachtet, daß die Grenze von 60,3 Milliarden DM nicht überschritten wurde. Wir haben dafür schließlich sogar auch Verständnis bei der Opposition gefunden, als dieser klar wurde, daß wir von dieser unserer grundsätzlichen Auffassung nicht abgehen würden. Herr Kollege Stoltenberg hat ja gestern die Widersprüchlichkeit in der Auffassung der Opposition auf diesem Gebiet deutlich werden lassen, so daß ich darauf verzichten kann, das hier noch einmal vorzutragen. Wir wissen natürlich auch wie Sie, daß die Bindung beider Zuwachsraten, des Bruttosozialprodukts und des öffentlichen Haushalts, die erstmals 1964 verwirklicht werden soll, uns diesmal noch nicht in vollem Umfange gelungen ist. Die Kritik, die sich gerade unter diesem Gesichtspunkt bei der ersten Lesung seitens der Opposition, aber auch sonst in der Öffentlichkeit erhoben hat, haben wir aufmerksam zur Kenntnis genommen. Sie ist nach unserem Dafürhalten vom Standpunkt des formalen Haushaltsrechts weniger berechtigt. Aber unter dem Gesichtspunkt der viel wichtigeren wirtschaftlichen Bedeutung des Budgets ist dazu folgendes zu sagen.Zunächst einmal wird dadurch, daß die Zahlungen an die Sozialversicherungsträger — die bekannten 500 Millionen DM — nicht in bar, sondern in Form eines Schuldscheindarlehens gezahlt werden, konjunkturmäßig eher eine kontraktive Wirkung ausübt, als wenn diese Zahlungen in Barleistungen über die Sozialversicherungsträger dann doch wahrscheinlich recht bald an den Kapitalmarkt gingen.
Ich meine, gerade die SPD hätte uns eine solche Kritik nicht vorhalten sollen; denn sie war ja der Auffassung, daß man diesen Weg, den Sozialversicherungsträgern Schuldscheindarlehen zu geben, noch im vermehrten Umfange gehen sollte. Wir haben uns auf 500 Millionen DM beschränkt und glauben, damit konjunkturmäßig richtig zu liegen.Bei der anderen Zahl, die in diesem Zusammenhang auch genannt wird, handelt es sich um die Finanzierung von Entwicklungsvorhaben, und zwar um die bekannten 200 Millionen DM, von denen es in dem Entwurf der Regierung hieß, daß sie durch eine Gesellschaft außerhalb des Haushalts finanziert werden sollten. Diese 200 Millionen kann man aber nicht mehr anführen; denn der Haushaltsausschuß hat gerade die diesbezügliche Bestimmung des Haushaltsgesetzes, § 30 Abs. 1, gestrichen, und damit ist die beanstandete mittelbare Kreditaufnahme des Bundes praktisch in Fortfall gekommen. — Die Inanspruchnahme von Krediten über die Öffa — jene 350 Millionen, von denen man auch in der Öffentlichkeit gesprochen hat — zeigt sehr deutlich, wie eng das Volumen des Bundeshaushalts geworden ist.
Das muß man klar und deutlich sehen, und man muß nicht gleich den drohenden Zeigefinger erheben; denn die Öffa ist ja nicht ein Finanzierungsinstitut, das etwa zu diesem Zweck gegründet wurde, sondern die Öffa besteht, glaube ich, 40 Jahre und hat diese und ähnliche Funktionen in den vergangenen Jahrzehnten immer glücklich ausgeübt.Über die Rückzahlung der Schulden an die Bundesbank habe ich vorhin im Zusammenhang mit dem etwaigen weiteren Zuwachs des Bruttosozialprodukts gesprochen. Man sollte aber bei den Schulden an die Bundesbank aus der Nachkriegshilfe in der öffentlichen Kritik nicht unerwähnt lassen, daß die Bundesregierung eine erste Rate dieser Schulden zwei Jahre vor ihrer Fälligkeit bezahlt und damit deutlich bewiesen hat, daß sie bereit ist, dann etwas zu zahlen, wenn es ihr wirtschaftlich möglich ist.Meine Damen und Herren! Man sollte schließlich bei allem auch eins sehen. Alle die Hinweise auf Zahlungen, die neben dem Bundeshaushalt einhergingen, von denen wir in der ersten Lesung und in der öffentlichen Diskussion gehört haben, gehen davon aus, daß wir uns antizyklisch nicht richtig verhielten. Aber die Kritiker sollten einmal zur Kenntnis nehmen, daß im Bundeshaushalt 1964 rund 1 Milliarde DM mehr als im Vorjahr an Geldbeträgen vorhanden ist, die aus dem Bundeshaushalt ins Ausland fließen und deshalb einen guten antizyklischen Beitrag leisten.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, bei denen ich mich sehr kurz gefaßt habe, scheint mir die Kritik der Opposition in der ersten Lesung und auch in der Öffentlichkeit recht erheblich an Gewicht und an Bedeutung zu verlieren.Natürlich, beim ersten Anlauf im Jahre 1964 ist uns das, was wir vorhatten und was die Bundesregierung vorhatte, nicht voll gelungen. Jedenfalls ist aber deutlich geworden die Dokumentation des Willens der Bundesregierung und der hinter ihr stehenden Parteien, nun künftig bei der Ausgabenbewirtschaftung diese feste Bindung an den Zuwachs des Bruttosozialproduktes als die oberste Grenze vorzunehmen, um damit vom öffentlichen Haushalt her das Mögliche zu tun, inflationäre Tendenzen abzuwehren.
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Dr. ConringAls die Parteien dieses Hohen Hauses übereinstimmend die Auffassung vertraten, daß für die Kriegsopfer zu den im Bundeshaushaltsplan ursprünglich vorgesehenen 650 Millionen DM weitere 380 Millionen DM bereitgestellt werden müßten, haben wir in den Beratungen des Ausschusses dafür gesorgt, daß diese 380 Millionen DM unter Wahrung der Grenze, von der ich soeben gesprochen habe, nämlich der 60,3 Milliarden DM des Bundeshaushalts, auch tatsächlich bereitgestellt werden konnten. Meine Damen und Herren von der Opposition, es war nicht so, wie Sie meinten, daß „genügend Luft" im Haushalt gewesen wäre. Sie haben ja dem Herrn Bundeskanzler immer vorgeworfen, es wäre genügend Luft im Haushalt und man könne einfach in den Haushalt hineingreifen, dann habe man die 380 Millionen DM.Meine Damen und Herren, so ist es nicht gewesen, sondern diese 380 Millionen DM, die nun einmal notwendig waren, sind aus 86 verschiedenen Stellen des Bundeshaushalts zusammengesucht worden, und die Geldausgaben an diesen Stellen, die sicher auch nützlichen und empfehlenswerten Zwecken gewidmet waren, haben eben zurückstehen müssen hinter der vorrangigen Finanzierung der Kriegsopferversorgung. Es war eben nicht „Luft" da, sondern es hat sich erwiesen, daß man diese Mehrforderungen nur durch Kürzung und Streichung bei anderen Titeln hat erfüllen können. Dabei ergab sich allerdings, daß die Opposition zwar Mehrforderungen in erheblichem Umfang stellte, aber ihrerseits selbst keinen Weg zeigen konnte, wie die Mehrforderung von 380 Millionen DM gedeckt werden sollte. Mehrforderungen zu stellen ist leicht. Verantwortliche Vorschläge für die Deckung zu machen ist schon etwas schwieriger.
Wir können nun — nach Abschluß der Ausschußberatungen — dem Hohen Hause sagen, daß wir voll bei diesen Streichungen haben bleiben können, daß wir das aber, was wir von vornherein zugesagt hatten, ebenfalls verwirklicht haben, daß wir nämlich die vorgeschlagenen Abstriche in den einzelnen Ressorts überprüfen würden und daß wir die nun einmal nicht zu vermeidenden Abstriche möglichst im Einvernehmen mit den Ressorts nur dort vornehmen würden, wo sie am wenigsten weh täten.Die Einordnung der Mehrausgaben für die Kriegsopferversorgung hat über den speziellen Fall hinaus aber noch eine weitergehende Bedeutung, und darauf darf ich auch aufmerksam machen. Sie hat bei der Begrenzung der Gesamtetatsumme allen denen, die meinen, Mehrforderungen für irgendwelche noch so guten Zwecke stellen zu müssen, deutlich werden lassen, daß die Realisierung derartiger Wünsche nur noch möglich ist, wenn andere Wünsche zurückstehen und wenn Geldbeträge, die für die Erfüllung anderer Wünsche zur Verfügung gestellt waren, eben gestrichen werden. Das sollte vielleicht auch denen ins Bewußtsein treten, die heute in der Öffentlichkeit erhebliche Mehrforderungen an den Bundeshaushalt stellen, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, daß man nicht einfach das Ausgabevolumen des Bundeshaushalts vermehren kann. Sie sollten die Grenze kennen und berücksichtigen, die im Zuwachs des Bruttosozialprodukts liegt, von der ich eingangs gesprochen habe. Daraus ergibt sich konsequenterweise, daß dann, wenn eine Vermehrung und Ausweitung der Ausgaben über diese Grenze hinaus nun eben aus übergeordneten Gründen der Währung nicht möglich ist, eben gestrichen werden muß, wenn man glaubt, für irgendwelche Zwecke Mehranforderungen durchsetzen zu müssen.Ich habe kürzlich in einer Wochenzeitschrift gelesen, daß es bei der Dringlichkeit der Wissenschaftsförderung durch den Bund, von der Herr Schoettle soeben gesprochen hat und von der wir alle überzeugt sind, eigentlich völlig selbstverständlich sei, daß man die rund 2 Milliarden DM, die dafür im Bundeshaushalt 1964 stehen, verdoppeln müsse. Nun schön, das kann man natürlich machen. Aber dann muß man sich darüber klar sein, daß man an eine Grenze stößt, nämlich an die Grenze des Gesamtetats, die einzuhalten notwendig ist, um die Stabilisierung der Verhältnisse und alles das, was damit zusammenhängt, wovon ich gesprochen habe, zu erreichen. Dann müssen eben diese 2 Milliarden DM dadurch aufgebracht werden, daß andere 2 Milliarden DM Ausgaben gestrichen werden. Das ist eine ganz heilsame Erkenntnis für manche Menschen, manche Verbände, manche Interessenten. Es scheint mir so, als ob diese Erkenntnis noch nicht ganz in das Bewußtsein der Beteiligten getreten wäre.Wir kommen konjunkturmäßig vom Haushaltsjahr 1963 her, aus einem wirtschaftlich beruhigten und ausgewogenen Jahr. Die wirtschaftliche Prognose für 1964 deutet auf größere Bewegungen mit gewissen Gefahren hin, die sich für das „magische Dreieck" von unseren Nachbarländern her ergeben könnten. Sechs Milliarden DM Außenhandelsüberschüsse, zu denen noch ein Geld- und Kapitalzustrom aus dem Ausland von netto 2,4 Milliarden DM hinzutritt, bedeuten ja nicht nur beim Umtausch der Devisen eine mögliche Vergrößerung des Geldvolumens, sondern sie bedeuten gleichzeitig auch eine Verringerung des Güterangebots im Inlande. Bis zu einem gewissen Grade könnten wir angesichts der Elastizität unseres Produktionsapparates, der immerhin noch eine erweiterte Kapazitätsausnutzung gestatten mag, mit dem Problem auf der Güterseite einigermaßen fertig werden, — könnten!, ich möchte es wünschen. Aber sicher ist doch wohl, daß in dieser wirtschaftlichen Situation die Brennpunkte etwaiger wirtschaftlicher Schwierigkeiten, der Baumarkt und der Arbeitsmarkt, die ganz besondere Aufmerksamkeit der öffentlichen Stellen beanspruchen müssen.Wir haben deshalb bei den Haushaltsberatungen, um die Nachfrage auf dem Bausektor von vornherein einzuschränken, Neubauten gestrichen, wo es sich — bei aller Berechtigung und Würdigung der Ressortwünsche — aus den übergeordneten Gesichtspunkten der Stabilisierung und der Konjunkturdämpfung als notwendig erwies. Ob die jetzt im Haushaltsgesetz vorgesehene 10 %ige Kürzung der Bauausgaben und die weitere 10 %ige Sperre der Baumittel ein genügender Beitrag zur Nachfragedämpfung sein wird, kann einigermaßen zweifelhaft sein, zumal eine ganze Reihe von Ausnah-
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Dr. Conringmen diese Sperrung und Kürzung in ihren Wirkungen beschränkt. Der Überhang aus dem Vorjahr auf dem Bausektor ist, auch wenn sich die Baukonjunktur am Ende des Vorjahres etwas beruhigt hatte, mit der sich jetzt neu belebenden Baukonjunktur ein volkswirtschaftlicher Gefahrenherd, den man deutlich sehen muß. Ob es einem gefällt oder nicht, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Aber geringere Investitionen der öffentlichen Hand auf diesem Gebiet wären sicher ein guter Beitrag zur Stabilisierung.
Ob es uns genügen kann, lediglich diesen Appell immer wieder laut werden zu lassen, mag dahingestellt sein. Wir müssen ihn trotzdem erheben. Denn, Herr Schoettle, so schön es gerade aus Gründen der Konjunkturbeeinflussung wäre, wenn wir — was Ihnen vorschwebt — durchgreifende Möglichkeiten bis hin zur Gemeinde hätten: im Augenblick haben wir sie jedenfalls nicht, und in naher Zukunft werden wir sie vielleicht auch noch nicht haben. Aber wir brauchten sie gerade jetzt. Deshalb bleibt uns nur übrig, den Appell eben auch an die Länder und an die Gemeinden zu richten. Denn sie sind und bleiben nun einmal die öffentlichen Hauptinvestoren. Ich will gar nicht sagen, daß sie den Appell nicht hören. Aber sie, diese Hauptinvestoren, müssen sich dessen noch mehr bewußt sein, daß sie diese Eigenschaft haben, und sie müssen sich bis zur kleinen Gemeinde hin dessen bewußt sein, welche praktische Bedeutung sie im Rahmen der Bemühungen um die Dämpfung der Konjunktur haben.Der andere Gefahrenherd, der Arbeitsmarkt, sollte uns jedenfalls nahelegen, nicht davon zu sprechen, daß weitere ausländische Arbeitnehmer hereingenommen wenden sollten, wie man hier und da hört.Der Herr Bundeskanzler hat schon recht, wenn er bei der ersten Lesung an dieser Stelle ausführte, es gebe aus der jüngsten Zeit mannigfaltige Beispiele dafür, daß ein Volk nicht nur über seine Verhältnisse leben, sondern auch über seine Verhältnisse investieren könne, und indem er erklärte, daß er nicht zu den Wachstumsfanatikern gehöre, die dazu beitrügen, in .der Welt inflationäre Entwicklungen weiter voranzutreiben, daß ihm jedenfalls ein geringeres Wachstum bei innerer Stabilität von Wirtschaft und Währung sehr viel sympathischer wäre als große Wachstumsziffern. Wir sollten mehr an einem optimalen als an einem maximalen Wachstum interessiert sein.Ob sich unter den jetzigen Verhältnissen und angesichts der möglichen Gefahren eine weitere Einschränkung der Arbeitszeit im .Gesamtinteresse des Volkes vertreten läßt, ist hier schon öfter erörtert worden. Man muß diese Frage immer wieder stellen. Denn wenn wir uns bemühen, von der Haushaltsseite her mögliche inflationäre Tendenzen, soweit wir es können, abzuwehren, dann darf wohl erwartet werden, daß diejenigen Stellen, die in bedeutendem Umfang Einfluß ,auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit die schleichende Inflation haben, ihre gleichartigen Bemühungen kräftig fortsetzen, wie sie es im vorigen Jahr erfreulicherweise getan haben.Das Übermaß von Auslandsaufträgen, mit denen wir vielleicht zu rechnen haben, könnte, von allen anderen volkswirtschaftlichen Folgen abgesehen, auch dazu verleiten, die schwierige Wahl :zwischen wirtschaftlicher Expansion auf der einen Seite und wirtschaftlicher Konsolidierung auf der anderen mehr unter dem Gesichtspunkt des Augenblicks als dem der Dauer zu sehen.Ein Exportboom verleitet natürlich zu Investitionen. Ein Übermaß von Investitionen ist aber gerade nicht dazu angetan, die Eigenkapitalbildung bei uns günstig zu beeinflussen. Ich habe den Eindruck, daß die Eigenkapitalbildung bei uns noch unzulänglich ist, daß sie aber bei den ständig schwieriger werdenden internationalen Wettbewerb eine immer größere Bedeutung erlangt. Wir sind deshalb dem Bundeswirtschaftsminister Schmücker dankbar, daß er bei der Eröffnung der Frankfurter Frühjahrsmesse auf diese Dinge ausdrücklich hingewiesen hat. Wir wollten sie bei dieser Gelegenheit von hier aus noch einmal in die Erinnerung rufen. Eine Eigenfinanzierung ist noch immer eine gute Grundlage, auch für die Aufnahme von Krediten. Man sollte sich durch die Verlockungen eines möglichen Exportbooms nicht davon abbringen lassen, ihr die genügende Aufmerksamkeit zuzuwenden.Der Februarbericht des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt überraschende Zahlen. Dort ist nachzulesen, daß die Auslandsorders im Februar 1964 um gut 30% höher waren als im Februar 1963 und daß die Ausweitung des Inlandsgeschäfts gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres bereits um 27 % höher lag. Wir haben deshalb im Haushaltsgesetz dem Finanzminister eine zusätzliche Ermächtigung gegeben, die ihm die Möglichkeit gibt, im Rahmen des Gesamtetats für eine gleichgewichtige volkswirtschaftliche Ausbalancierung zu sorgen, die sich aus der Berücksichtigung der jeweiligen Wirtschafts-, Finanz- und Konjunkturlage ergibt. Diese Ermächtigung, Herr Finanzminister, ist nicht neu. Wir hatten sie auch im vorigen Jahr. Aber es könnte sehr wohl sein, daß sie in diesem Jahr eine besondere Bedeutung erhält.Meine Damen und Herren, die Haushaltsberatungen dieses Jahres — ich darf damit auch kurz auf das Thema eingehen, das Herr Schoettle berührt hat — waren besonders mühevoll, weil uns für die Ausschußarbeit eigentlich nur 8 Arbeitswochen zur Verfügung gestanden haben.
Wir haben uns in dieser Zeit die allergößte Mühe gegeben, mit den sachlichen Beratungen fertig zu werden, um die zweite und dritte Lesung und damit die Verabschiedung des Haushalts wenigstens im April zu ermöglichen. Wir haben dabei, wie schon hervorgehoben wurde, die Beratungen über die Personaltitel ausgelassen. Aber wir haben nach den Erfahrungen der letzten Jahre wirklich alle Veranlassung, der Bundesregierung dringend nahezulegen, einen Weg su suchen, auf dem eine frühere Einbringung des Haushaltsentwurfs und damit
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Dr. Conringseine gründlichere Beratung möglich ist, um dadurch unter anderem auch eine so harte, unbarmherzige Anstrengung der Ausschußmitglieder zu vermeiden.
Sie wissen, daß die Umstellung des Etatjahres auf das Kalenderjahr jüngeren Datums ist. Aber schon vor dieser Umstellung — als das Etatjahr noch am 31. März endete und am 1. April begann — war die Unsitte eingerissen, daß der Haushaltsplan nicht vor Beginn des neuen Haushaltsjahres, sondern erst im ersten Vierteljahr des neuen Haushaltsjahres verabschiedet werden konnte. Eine wenig schöne Tatsache! Die Lage hat sich zumindest nicht verbessert, sondern, man kann beinahe sagen, sogar verschlechtert, nachdem das Kalenderjahr zum Haushaltsjahr gemacht worden ist. Wir möchten die Bundesregierung bitten, die Vorarbeiten zum neuen Haushaltsplan, die Beschlußfassung im Kabinett und die Zuleitung des Bundeshaushaltsplanes an die gesetzgebenden Körperschaften künftig so einzurichten, daß der Haushaltsplan noch vor der Sommerpause im Parlament eingebracht wird.
Das ist die allererste Voraussetzung, um einen Haushaltsplan rechtzeitig verabschieden zu können. Ich teile die Auffassung, die Herr Schoettle hier vorgetragen hat, und ich bin überzeugt, daß sämtliche Mitglieder des Haushaltsausschusses, von welcher Seite des Hauses sie auch kommen mögen, diese Auffassung ebenfalls teilen. Aber diese Konsequenz muß jetzt gezogen werden. Ob es noch andere und bessere Wege gibt, zu diesem Ziel zu kommen, mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall muß erreicht werden, daß die Etatberatungen im Parlamentsausschuß sofort nach Ablauf der Sommerpause beginnen.Wir sind erfreut darüber, daß der lange Streit zwischen Bund und Ländern über die Anteile an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein Ende gefunden hat, wenigstens bis zum Jahre 1966, auch wenn wir mit dem Endergebnis dieses Streites nicht ganz zufrieden sind und das Endergebnis als für den Bund nicht ganz befriedigend ansehen. Die Sachverständigen, die inzwischen benannt sind, haben unsere besten Wünsche für die Vorschläge, die sie hinsichtlich der Frage zu machen haben werden, ob man- die Aufgaben und damit -die Ausgaben zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern und Gemeinden auf der anderen Seite sauberer als bisher trennen kann oder ob ein Verbundsystem sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf der Ausgabeseite den Vorzug verdient. Wir würden es begrüßen, wenn die Ergebnisse dieser Sachverständigenberatungen — je eher, je besser — zur Diskussion gestellt werden würden.Wir sind etwas, ein klein wenig, beunruhigt über das, was wir beispielsweise über die Finanzierung der neuen Universitäten gehört haben. So begrüßenswert es sicher ist, daß sich die Länder große Mühe geben, im Rahmen ihrer Kulturhoheit neue Universitäten zu gründen, so erscheint uns doch der vorgeschlagene Weg nicht ganz glücklich. Nach dem Sinn und Geist des Grundgesetzes sind die übergreifenden Aufgaben für alle Länder durch den Bund im Zusammenwirken mit den Ländern zu erfüllen. Die dritte Ebene, auf der man gleichzeitig einen Bundesstaat und einen Staatenbund praktizieren möchte, ist, glaube ich, weder verfassungsrechtlich noch verfassungspolitisch wünschenswert oder vertretbar.
Schließlich wäre auch keinem der Beteiligten gedient, wenn etwa eine rechtliche Klärung darüber erfolgen müßte. Ich glaube, die Freude über das Fernsehurteil, die wir hier und da beobachten konnten, und über das Urteil über die Reinhaltung der Bundeswasserstraßen ist jetzt doch einer etwas bekümmerten Stimmung gewichen. Für einen innerdeutschen Überföderalismus in den doch erhofften Vereinigten Staaten Europas ist wohl kaum Raum, zumal wenn man dabei die deutsche Neigung berücksichtigt, alle Fragen ins Extrem zu drücken und nach ihrer grundsätzlichen Seite hin zu übertreiben. Ich will das Kapitel abschließen. Es stehen große Aufgaben auf ganz verschiedenen Gebieten vor uns. Ich denke an das allgemeine Bildungswesen, an das Verkehrswesen, an die Notstandsgesetzgebung, an die Städte- und Dorfsanierung, an die Landwirtschaft und noch manches andere mehr. Solche ungeheuer weitgreifenden Probleme und deren Finanzierung werden wahrscheinlich nur durch gemeinsame Anstrengungen, d. h. durch ein Verbundsystem gemeistert werden können. Wir haben nicht den Wunsch, den Sachverständigen vorzugreifen, aber wir meinen, doch gut daran zu tun, diese Gesichtspunkte hier einmal anzudeuten.Ein anderes Kapitel, von dem mein Herr Vorredner, den ich nicht mehr im Saal sehe, auch gesprochen hat! Die Opposition hat uns schon bei der ersten Lesung den Vorwurf gemacht, daß das Haushaltsgesetz zuviel Ermächtigungen enthalte, so daß man beinahe, wie einer der Redner sagte, von einem Ermächtigungsgesetz sprechen könne. Ich persönlich hätte es vorgezogen, wenn man die trübe Erinnerung an Ermächtigungsgesetze mit ihren weitreichenden negativen Folgen für uns alle nicht aufgefrischt hätte; denn dazu besteht in der Tat überhaupt kein Anlaß. Die Rechte des Parlaments sind durchaus nicht in dem Umfang eingeschränkt, wie die Opposition hier meint vortragen zu müssen. Wenn die Opposition etwa die §§ 7 und 8 des Haushaltsgesetzes, von denen ich gesprochen habe und die dem Finanzminister Ermächtigungen in bezug auf die Einwirkung auf die Konjunktur geben, meinen sollte, so möchte ich unsererseits deutlich werden lassen, daß wir gerade in diesen Vorschriften, die wir begrüßen, eine Fortentwicklung des Haushaltsrechts sehen,
der man bei der steigenden Bedeutung der öffentlichen Finanzwirtschaft für die Konjunktur- und Währungsverhältnisse nicht einfach deshalb seine Zustimmung versagen sollte, weil solche Vollmachten zur Zeit der Entstehung der Reichshaushaltsordnung weder vorhanden noch nötig waren. Denn auch die Opposition weiß ja so gut wie wir, daß der Gang der Gesetzgebung manchmal langwierig ist, eine Reihe von Monaten beansprucht und
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Dr. Conringdaß es Zeiten gibt, in denen das Parlament gar nicht versammelt ist, in denen aber dringend nötige, rasche Entscheidungen getroffen werden müssen. Deshalb sehen wir in dieser Ermächtigung keine Entmachtung des Parlaments, sondern eine zeitgemäße Fortentwicklung des Haushaltsrechts, einen Teil jenes Instrumentariums zur Behandlung der Konjunktur, von dem die Bundesregierung sagt, daß sie es uns bekanntgeben wolle.
Die Notwendigkeit sollte man wirklich nicht in Zweifel ziehen, und man sollte nicht sagen, daß das eine Entmachtung des Parlaments sei.Wenn ich mir die übrigen Ermächtigungen ansehe, so muß ich schon sagen, daß wir sie der Exekutive zur Durchführung des vom Parlament festgesetzten Haushalts geben.
Gerade Herr Schoettle war es ja eben, der hervorgehoben hat, daß wir die Grenzen zwischen Exekutive und Legislative nicht verwischen sollten. Wenn wir als Gesetzgeber der Exekutive Vollmachten geben, so wünschen wir sie ihr zu geben, damit sie sie in unserem Sinne ausübt. Darin eine Entmachtung des Parlaments zu sehen, ist — das muß ich allerdings sagen — bei der Abgrenzung der beiderseitigen notwendigen Aufgaben nicht am Platze.Schließlich hat Herr Schoettle gesagt, daß der Haushalt ein „Torso" sei, weil die Personalangelegenheiten noch nicht ihre Erledigung gefunden hätten. Meine Damen und Herren, ich glaube, unser verehrter Vorsitzender hat in dieser Beziehung doch wohl einiges übersehen; denn die Personaltitel sind ja in der Hauptsache Rechtsverpflichtungen. Das sind die Beamten-, Angestellten- und Arbeitergehälter. Darüber ist vom Parlament nicht 'viel zu beschließen. Darauf haben die Beteiligten einen gesetzlichen Anspruch. Wo eine Vergrößerung dieser Gehälter eintreten könnte, müßte es sich um die Schaffung neuer Stellen oder um die Hebung von Stellen handeln. Ich glaube, es führt uns doch ein wenig in die Irre, wenn man sagt: Das ist ein großer Betrag — Herr Schoettle sprach von 7,5 Milliarden DM —, darüber fehlt noch die Beschlußfassung 'des Parlaments, und deshalb ist der Bundeshaushaltsplan ein „Torso".Ich kann nicht recht einsehen, daß die Ermächtigung, die das Parlament uns vielleicht geben will, diese unangenehme Aufgabe im Haushaltsausschuß zu erledigen, nun gerade eine Entmachtung des Parlaments sein könnte; denn das Plenum des Parlaments hat sich erfreulicherweise mit dieser diffizilen Aufgabe, Stellenpläne festzusetzen, noch niemals im einzelnen beschäftigt, und ich wünschte es ihm auch für alle Zukunft nicht nach den Erfahrungen, die ich in zehn Jahren im Haushaltsausschuß in dieser Beziehung gesammelt habe. Dazu eignet sich das Plenum nicht. Wenn wir ihm aber diese Aufgabe abnehmen können und wegen der Schwierigkeit der Materie abnehmen müssen, so kann ich darin nur formalrechtlich eine „Entmachtung" des Parlaments sehen, aber der Sache nach, real kann auch in dieserEinschränkung der Beschlußfassung doch wirklich keine Entmachtung gesehen werden.
—Es war vielleicht nicht so bös gemeint. Aber die Gesamtzahl von 7,5 Milliarden DM hat mich doch etwas in Wallung gebracht, weil hier der Eindruck hervorgerufen wurde, als würde über Milliardenbeträge nicht das Parlament selbst, sondern „unberechtigterweise" ein Ausschuß entscheiden. Ich glaube im ganzen überhaupt, daß Ihre Klage, meine Damen und Herren von der Opposition, über die Ermächtigungen, die wir der Regierung geben, nicht nur stark übertrieben ist, sondern daß ,es Ihnen mehr um eine gute Gelegenheit geht, der Regierung einmal eins auszuwischen.Ich komme zu einem anderen Thema und nähere mich dem Schluß meiner Ausführungen. Über die Preisentwicklung ist heute schon genügend gesprochen worden. Der Wirtschaftsbericht der Bundesregierung vom 11. Dezember 1963 ist bei der ersten Lesung wortwörtlich unter Angabe der Seiten und von Zitaten hier angeführt worden. Ich finde, man hat einen wesentlichen Passus nicht erwähnt. Man hat nicht die Stelle genannt, an der in einer etwas schwer zu lesenden Formulierung steht, daß nicht aus der Kaufkraftverlagerung, die der Gesetzgeber wünsche, weitere neue Preisforderungen hergeleitet werden könnten. Beispiel: Mieten; Beispiel: Althausbesitz. Ich meine die Mietpreiserhöhungen, die sich bei dem Abbau der Miet- und Wohnungszwangsbewirtschaftung ergeben und die den wahrhaft lange genug wirtschaftlich eingeengten Althausbesitz wieder gesunden lassen sollen, wobei sich der Mieter nun einmal damit abfinden muß, einen etwas größeren, aber wirtschaftlich gerechtfertigten Anteil seines Einkommens für Mietzahlung aufwenden zu müssen. Diese vom Gesetzgeber angeordneten Kaufkraftverlagerungen können aber kaum den Ausgangspunkt für neue Preisforderungen bilden. So ist es auch bei den Ernährungsgütern. Das ist eine Weisheit, die hier schon häufig erörtert worden ist. Ich finde, der Herr Vizepräsident der Bundesbank, Dr. Troeger, müßte eigentlich auch die Opposition von der Richtigkeit der Grundsätze überzeugen können, die ich hier wiedergegeben habe. Er selbst hat dazu recht beachtliche Ausführungen gemacht, die ich der Opposition zum Studium empfehlen möchte.Nun zu den Verbraucherpreisen! Wir haben aus dem letzten Wirtschaftsbericht des Bundeswirtschaftsministers vom Februar 1964 ersehen, daß der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus im Februar 1964 erfreulicherweise langsamer geworden ist. Bei den Verbraucherpreisen schwächte sich, wie es dort heißt, der in den vorangegangenen Monaten spürbare Anstieg der Preise, von dem Herr Kurlbaum vorhin gesprochen hat, ab. Der Preisindex für die Lebenshaltung überstieg den Stand vom Februar 1963 um 1,5 %. Jedenfalls schließe ich auch diesen letzten mir zugänglichen Zahlen des Wirtschaftsberichts der Bundesregierung, daß für eine Dramatisierung dieser Preisverhältnisse kein besonderer Anlaß besteht.
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5922 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. ConringIch übergehe die Verhältnisse bei der Bundesbahn und Bundespost, weil darüber genügend gesprochen worden ist.Ich komme auf einen Vorschlag zurück, den auch Herr Schoettle erörtert hat, nämlich die wirtschaftliche Vorausschau. Die wirtschaftliche und damit finanzpolitische Vorausschau auf das Jahr 1964 weist natürlich, wie jede Vorausschau, gewisse Unsicherheitsfaktoren auf, zumal in diesem Falle schwer zu übersehen ist, wie sich die — wie wir doch wünschen müssen — erfolgreichen Stabilisierungsmaßnahmen unserer Nachbarländer auf unsere Außenhandelsüberschüsse auswirken werden. Schon das ist für das ganze Jahr schwer abzuschätzen. Soll man nun darüber hinaus noch für weitere Jahre finanz-und haushaltsmäßige Vorausschätzungen mit all den Unsicherheiten vornehmen, die dann vermehrt vorliegen werden? Man soll es tun, und man tut es auch schon. Denken Sie bitte daran, daß wir Vierjahrespläne für die Bundesstraßen und für die Wasserstraßen haben. Wir sind für beide schon in den zweiten Vierjahresplan eingetreten. Dabei darf ich am Rande bemerken, daß die Vierjahrespläne für die Bundesautobahn und die Bundesfernstraßen in vollem Umfange erfüllt werden. Erfreulicherweise kann man eine Garantie für diese 13 Milliarden DM des zweiten Vierjahresplans übernehmen. Auch im Bereich des Verteidigungsministeriums bestehen seit Jahren Mehrjahrespläne für die Marine, für die Luftwaffe und für die Panzerstreitkräfte. Man kann hinzufügen: ohne diese Mehrjahrespläne könnte wahrscheinlich auf diesem Gebiet gar nicht mehr mit Erfolg gearbeitet werden. Erinnern Sie sich bitte auch an den zweiten Fünfjahresplan für die Eingliederung der geflüchteten und vertriebenen Bauern. Also das, was man jetzt in der Öffentlichkeit stark in den Vordergrund schiebt — und mit Recht in den Vordergrund schiebt —, daß man eine Vorausschau auf mehrere Jahre haben müßte, hat schon seine Berechtigung, wie die bisherige Praxis erwiesen hat.Wenn jetzt im Finanzministerium, wie ich höre, Überlegungen angestellt werden, ob man den Unterschied zwischen ordentlichem und außerordentlichem Haushalt fallenlassen und an deren Stelle lieber einen Investitionshaushalt und einen Verwaltungshaushalt treten lassen sollte, dann kann ich, Herr Bundesfinanzminister, nur sagen, daß wir diese Bemühungen begrüßen. Dadurch würde ja auch deutlich werden, daß das eigentliche Gewicht des Haushaltsplans sich von der ursprünglichen fiskalischen Tendierung mehr auf die wirtschaftspolitische Seite verlagert hat, als ein Instrument, das in der Wirtschaftspolitik gar nicht mehr entbehrt werden kann.Im übrigen würde eine solche Mehrjahresvorausschau die Übersicht erleichtern für alle, die sich Rechenschaft darüber geben wollen oder geben müssen, welche Teile des Sozialprodukts der nun kommenden Jahre bereits festgelegt, worüber bereits verfügt ist und für welche Zwecke darüber verfügt ist und welcher Spielraum denn eigentlich noch für andere Zwecke verbleibt, die man vielleicht als noch gar nicht erkennbare, aber später als unabweisbare Bedürfnisse bezeichnen könnte. Heute gibt der Haushalt darüber nur ein unvollkommenes Bild.In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufmerksamkeit des Herrn Bundesfinanzministers auf die Bindungsermächtigungen lenken. Sie betragen jetzt etwa 34,8 Milliarden DM. Es ist nötig, eine zusammenfassende Darstellung dieser Bindungsermächtigungen zu geben und damit auch eine genaue Kontrollmöglichkeit für das Parlament,
welches ja einen Überblick haben muß, wie sich eigentlich die Verhältnisse nicht nur in bezug auf Schulden — den Überblick bekommen wir — und auf Bürgschaften, sondern auch bezüglich der Bindungsermächtigungen gestalten. Wir hatten ja auch bei den Haushaltsberatungen hier und da den Eindruck, daß Bindungsermächtigungen für Zwecke in Anspruch genommen würden, für die sie eigentlich gar nicht in Frage kommen. Aber das sei hier auch nur am Rande erwähnt.Wir hoffen, daß der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister in ihren Bemühungen um einen mehrjährigen Haushaltsvoranschlag unterstützt werden durch den Sachverständigenrat, den sogenannten Konjunkturrat.
Der Konjunkturrat soll bis zum 15. November erstmalig ein Gutachten vorlegen. Vielleicht wäre es unter den etwas bewegten Verhältnissen in Europa, über die gerade gestern in Brüssel verhandelt worden ist, wünschenswert, daß dieser Konjunkturrat — diesen Namen hat er ja wohl in der Zwischenzeit angenommen — schon vorher ein außerplanmäßiges Gutachten abgibt. Neben ihm bemüht sich, wie wir heute morgen von Herrn Wirtschaftsminister Schmücker wieder hörten, die EWG mit ihrem „Aktionsprogramm" und mit ihrer „Empfehlung an den Rat zur mittelfristigen Wirtschaftspolitik" um denselben Gegenstand, um den sich auch der Wissenschaftliche Beirat im Bundeswirtschaftsministerium bemüht.Aber, meine Damen und Herren, wir müssen natürlich bei aller Mühe, etwas weiter in die Zukunft zu sehen, und bei aller Mühe, den Überblick über die kommenden Jahre zu gewinnen, uns darüber klar sein, daß eine verbindliche längerfristige Festlegung nicht in Betracht kommen kann. Es bleibt eine Vorausschau, es bleibt eine etwa mögliche Disposition; vorausgesetzt, daß das volle Maß der Freiheit und Beweglichkeit während der mehrjährigen Planung erhalten bleibt
und daß nicht etwa die Suggestivwirkung, die solchen mehrjährigen Plänen nach der Erfahrung des Lebens innezuwohnen pflegt, ein Hemmnis bildet für eine Umdisposition, die ebenso notwendig sein oder werden könnte. In dieser Begrenzung würden wir die Bemühungen des Herrn Finanzministers, zu mehrjährigen Haushaltsvorausschauen zu kommen, unterstützen.Herr Finanzminister, angesichts der für 1965 sicher nicht leichter werdenden Ausgabenplanungen möchte ich Ihnen noch nahelegen, die Einzelpläne einmal daraufhin durchsehen zu lassen, ob sich nicht etwa
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5923
Dr. Conringmanche Geldleistungen, die einst mit gutem Grund in den Bundeshaushalt aufgenommen worden sind, unberechtigterweise über weitere Jahre hinaus fortsetzen, obwohl ein echtes, wirtschaflich zwingendes Bedürfnis für diese Fortsetzung heute vielleicht gar nicht mehr vorliegt.
Es erben sich eben auch auf diesem Gebiet Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort.Meine Herren, ich komme zum Schluß. Das ist an sich bedauerlich; denn es wäre noch viel zu sagen. Aber ich glaube, wir sind es uns gegenseitig schuldig, das Zeitmaß nicht zu überschreiten. Wir von der CDU und von der CSU glauben, daß die Bundesregierung mit dem Etat 1964 einen in der Tendenz: durchaus richtigen Weg eingeschlagen hat. Wir glauben, daß sie durch die Bindung der Ausgaben der Bundeshaushalts an das Sozialprodukt einen Weg eingeschlagen hat, den wir nicht wieder verlassen sollten. Wir werden die Bundesregierung unterstützen, wenn sie diesen Weg weitergeht bei der Ausführung des Etats 1964 und auch bei der Aufstellung des jetzt bereits im Werden begriffenen Haushaltsplans 1965. Der Etat 1964 mit seinen Zahlen und das Haushaltsgesetz mit seinen Ermächtigungen sind darauf abgestellt, daß der große öffentliche Bedarfsträger, der Bund, und, ihm hoffentlich folgend, auch die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände mehr als bisher zu einem konjunkturgerechten Verhalten gelangen mögen. Niemand wird von der Bundesregierung erwarten, daß sie einer Wirtschaftsexpansion in den Arm fällt, solange sich diese in gesunden Bahnen entwickelt. Aber jeder von uns wird hoffen müssen, daß die Bundesregierung, wie sie es auch vorhat, entschlußfreudig genug sein wird, das „magische Dreieck" konsequent im Auge zu behalten und etwaige Gefahren durch eine bewußte Nachfragedämpfung abzuwenden.
Wir wissen uns den für die Volkswirtschaft so bedeutsamen Sparern in der Bundesrepublik und in West-Berlin mit ihren 80 Milliarden DM Sparguthaben — ein einziges Prozent Verlust an Kaufkraft der D-Mark bedeutet für sie einen Verlust von 800 Millionen DM — und mit ihnen der deutschen Volkswirtschaft wirtschaftlich und moralisch stark verpflichtet. Denn wir sind davon überzeugt, daß auch eine nur schleichende Inflation kein zukunftsträchtiges Rezept für ein gesundes Wirtschaftswachstum ist.
Der so erfolgreichen Wirtschaftspolitik unserer Bundesregierung, die sicherlich nicht mit der Sozialpolitik identisch, aber die selbstverständliche Voraussetzung für eine gute Sozialpolitik ist,
werden wir vom Haushalt her jede Stütze geben, damit die Währung gesund und die gute Konjunktur in der Bundesrepublik und in West-Berlin erhalten bleibt und mit ihr eine ausgeglichene Zahlungsbilanz dafür sorgt, daß es allen Bevölkerungskreisen in Deutschland gut geht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Beratung des Haushalts 1964 hier am 9. Januar 1964 eröffnet wurde, ist ein bemerkenswerter Versuch gemacht worden, der Versuch, eine politische Etatdebatte zu führen. Es haben vor oder nach den Etatexperten des Hauses Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende gesprochen. Es wurden Passierscheinfragen, das deutsch-russische Verhältnis, die Anerkennung Rotchinas durch Frankreich, Konjunkturprobleme, Fragen der allgemeinen Wirtschaftspolitik unvermittelt und zusammenhanglos neben dem eigentlichen Thema her behandelt, und im Ergebnis haben wir alle aneinander vorbeigeredet. Es darf aber nicht bei diesen allgemeinen kritischen Bemerkungen zum Ablauf der ersten Lesung bleiben; denn die Initiatoren des Verfahrens haben manch berechtigter Kritik an der Methode unserer parlamentarischen Arbeit begegnen wollen. Und hier lohnt es sich tatsächlich, einige Worte über Form und Art unserer Haushaltsberatungen zu sagen.Die Etatberatung, die früher einmal die große politische Aussprache des Parlaments war, ist heute zu einem Gespräch der Experten geworden, an dem auf Regierungsbank und im Plenum selbst nur die Fachleute oder die durch den Etat persönlich Betroffenen teilnehmen. Damit fehlt die große Stimmung, der Funke der lebendigen Debatte zündet nicht, und die Wirkung in Presse und Öffentlichkeit ist entsprechend nüchtern. Man mag das kritisieren, man mag das beklagen, ändern kann man diesen Zustand nicht mehr. Denn es hat sich doch mancherlei Grundsätzliches verändert seit jenen Tagen, in denen das Parlament überhaupt nur zu seinen Sitzungen zusammentrat, um den Etat zu beraten. Seit jenen Tagen, in denen die Etatberatung das einzige Recht der Volksvertretung war und nur durch die Gewährung oder Verweigerung von Geldmitteln direkter oder indirekter Einfluß auf die Politik des Souveräns gefunden werden konnte.Dagegen haben wir heute die Möglichkeit der ständigen parlamentarischen Aussprache durch Gesetzesberatungen, Große und Kleine Anfragen, Fragestunden, so daß die Etatberatung zumindest die parlamentarische Ausschließlichkeit verloren hat.Dazu kommt ein zweiter Vorgang. Ehe der Etat erstmalig in diesem Hause behandelt wird, ist er bereits von Parteien und Presse ausführlich erörtert worden; denn vor seiner Beratung hier an dieser Stelle liegt die Zuleitung und der erste Durchgang im Bundesrat. Damit fehlt die Ursprünglichkeit der Aussprache, und sie ist auch nicht durch eine Anreicherung des Stoffes mit anderen Problemen zu erreichen.Und noch ein weiteres! Die Probleme, die in einem Haushalt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
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5924 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. Emdeliegen, sind um vieles komplizierter und differenzierter als die relativ übersichtlichen Problemstellungen der Vergangenheit. Die industrielle Massengesellschaft ist mit den tiefgreifenden Einflüssen der öffentlichen Haushalte aller Ebenen auf den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens in ihren Funktionen so vielfältig in sich abhängig, daß nur derjenige sie gestalten kann, der wenigstens annähernd abzuschätzen in der Lage ist, wo und wie sich seine Maßnahmen auswirken.Gute Auffassungsgabe, gesunder Menschenverstand und rednerisches Talent können daher nicht alleinige Fundamente einer Etatdebatte sein, und ohne Fachwissen und ohne Kenntnis der wirtschaftlichen, finanziellen und soziologischen Zusammenhänge wird die Aussprache immer an der Oberfläche bleiben. Nicht hurtige Wortgeplänkel, sondern Fachdiskussionen prägen das Bild, und 'ich glaube, das ist eine dem Ernst unserer Zeit und den Gewichten der Probleme angemessene Form.Dabei bietet ja auch die zweite Lesung eines Etats alle Möglichkeiten der sogenannten politischen Aussprache. Bei jedem Einzelplan hat ein jeder hier in diesem Hause die Gelegenheit, seine politischen Vorstellungen oder die seiner Partei darzutun, er hat auch die Chance, sich selbst darzustellen.Nun ist die zweite Lesung des Haushalts 1964 in bemerkenswerter Kürze verlaufen. Nur zwei Tage wurden dazu benötigt, und unmittelbar daran schließt sich die dritte Lesung an, das ist ungewöhnlich. Das Argument, die Fragen der Außenpolitik seien im Januar, die der Verteidigungspolitik im Februar bei der Diskussion des Berichts des Wehrbeauftragten, die Fragen der Landwirtschaft bei der Anfrage der Koalitionsparteien im März ausführlich erörtert worden, ist kaum ausreichend, die zweite Lesung so rasch durchlaufen zu lassen.Es scheint so zu sein, daß die Opposition, von der doch in erster Linie die Initiative der Diskussion ausgehen sollte, in weiten Bereichen mit den Maßnahmen der Regierung übereinstimmt, ihnen zumindest keine eigene Initiative entgegenzusetzen beabsichtigt. Das ist keine Kritik am Verhalten der Opposition, das ist die Feststellung einer Entwicklung, die zunehmend deutlicher wird. Einmal liegt diese Entwicklung begründet in der Tatsache, daß die Methode der politischen Meinungs- und Willensbildung im Rahmen der deutschen Verfassungswirklichkeit durch die Arbeit in den Ausschüssen dieses Hauses und die Einwirkung des Bundesrates immer stärker zum Ausgleich auch widerstrebender Absichten führt, und nicht zuletzt in der Tatsache, daß nach dem Verlust der absoluten Mehrheit der Unionsparteien in diesem Hause niemand allein mehr regieren kann und der politische Ausgleich mindest zweier Parteien zur Mehrheitsbildung erforderlich ist, was der Sache nur dienen kann.Durch den zunehmenden Ausgleich unterschiedlicher politischer Absichten entfallen allerdings in großem Umfang die harten parlamentarischen Debatten der vorhergehenden Legislaturperioden. Parlamentarische Feinschmecker mögen dies vielleicht bedauern, die Öffentlichkeit und das deutsche Volk können sich nur glücklich schätzen, daß an Stelle mancher sogenannter „großer Tage" die mehr sachliche Arbeit getreten ist. Es sollte jedoch ernsthaft überlegt werden, ob Teile der Ausschußarbeit nicht der Presse zugänglich gemacht werden könnten. Dann würde sicherlich manche negative Nebenwirkung des neuen Stiles aufgehoben werden.Zum anderen aber liegt die Tatsache, daß die Opposition keine besonderen Angriffe gegen die Regierung führt, zumindest was den Bereich der von der FDP gestellten Minister betrifft, darin begründet, daß auch die SPD mit den Maßnahmen der FDP-Minister einverstanden ist. Das freut uns natürlich ganz besonders, weil wir darin eine echte Anerkennung unserer Arbeit als Regierungspartei sehen.
Die SPD hat auch zum heutigen Tage keine bemerkenswerten Vorschläge im Bereich des Bundesfinanzministers gemacht. Denn zu den drei Grundproblemen des Haushalts sind bedeutsame Abweichungen der Auffassungen nicht vorgetragen worden. Dabei geht es erstens um das Haushaltsvolumen. Das Haushaltsvolumen von 60,3 Milliarden DM ist von keinem der Fraktionssprecher abgelehnt und an seiner Stelle ein anderer Haushaltsendbetrag gefordert worden. Zweitens geht es um die Einnahmeseite. Der Methode der Aufbringung der 60,3 Milliarden DM ist nicht ernsthaft widersprochen worden. Und drittens geht es um die Ausgabenseite. Auch der Art der Verteilung der 60,3 Milliarden DM ist nur in geringfügigen Einzelbereichen, nicht aber im Grundsätzlichen widersprochen worden.So ist nach dem glatten Verlauf der ersten Lesung, der Ausschußberatung und der zweiten Lesung nun diese dritte Lesung der Augenblick, in dem die Parteien ihre politische Grundsatzerklärung zu dem Haushalt als Ganzes abgeben. Nach den wertvollen Ausführungen meiner Kollegen von der CDU/CSU und der SPD möchte ich mich nur auf einige für uns wesentliche Probleme beschränken, die für uns Kernprobleme der Innenpolitik darstellen und bei deren Lösung wir deutlich gemacht haben, wie der moderne Liberalismus entscheidende Fragen der Sozialpolitik, der Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik und des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Kommunen behandelt zu sehen wünscht.Das Gesamtvolumen des Haushalts ist zwischen seiner Einbringung und Verabschiedung nicht verändert worden, trotz aller Schwierigkeiten, die der Durchsetzung dieser finanzpolitischen Absicht entgegenstanden.Problem Nr. 1 war es, einen Ausgleich für den Einnahmeausfall von 392 Millionen DM zu finden, der als Folge des Kompromisses im Steuerstreit zwischen Bund und Ländern entstand. Bei aller Würdigung der entstehenden Haushaltsschwierigkeiten hatten wir Freien Demokraten diesem Kompromiß zugestimmt. Denn schon zu lange behinderte dieser Streit die Finanzplanungen aller Beteiligten, und selbst die Reform der Steuergesetzgebung durch das nunmehr vorliegende Steueränderungsgesetz wurde durch den Zeitverlust immer
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5925
Dr. Emdestärker gefährdet. Aber auch in der Sache halte ich das Ergebnis für richtig, denn wer die kommunale Selbstverwaltung bejaht, kann nicht seine Hand dafür hergeben, ihre Finanzbasis zu zerstören. Ein jeder weiß, daß die Kommunen über den Steuerverbund direkt mitbetroffen sind an der Veränderung der Steuerverteilungsquote. Aber alle Haushaltsschwierigkeiten wogen leichter als die anderen mit dem Kompromiß verbundenen Fragen. Und wir haben auch prompt eine Möglichkeit des Ausgleichs auf der Einnahmeseite gefunden.Während der Ausschußberatungen konnten die Verwaltungseinnahmen um 124 Millionen DM erhöht werden. Die Veranschlagungsmethode der Sachbearbeiter in den verschiedenen Ministerien ist bei Einnahmeschätzungen immer zurückhaltend. Die Anpassung dieser pessimistischen Schätzungen an die Realitäten der Einnahmenentwicklung — zwischen Aufstellung des Etats im Sommer 1963 und der Beratung im Februar 1964 lag eine erhebliche Zeitspanne — brachte den Betrag von 124 Millionen DM.Ein zweiter Vorgang .auf der Einnahmeseite ist aber bedeutsamer, der der Steuerschätzungen. Hier wurden 167 Millionen DM mehr veranschlagt. Bei der ersten Lesung habe ich für meine ,Fraktion die Erwartung ausgesprochen, daß eine Erhöhung der Steueransätze uni 100 Millionen DM möglich sei. Auf Grund der Informationen der Wirtschaftsinstitute sind es jetzt 167 Millionen DM. Wirtschafts- und Konjunkturprognosen, seien sie niedergelegt in Wirtschaftsberichten der Bundesregierung oder in Analysen der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, entstehen durch die Fortsetzung von Zahlenreihen vergangener Jahre in das kommende Jahr, jeweils verändert nach den persönlichen Abschätzungen, die die Gutachter von der kommenden Entwicklung erwarten. Derartige Prognosen können nur Richtwerte ergeben, die der Politiker bei seiner Meinungsbildung in seiner Entscheidung kennen und verwerten muß. Sie können nie an die Stelle seiner Entscheidung treten. Die Zukunft ist nicht planbar, sie ist nicht errechenbar, immer werden nicht erfaßbare Unsicherheitsfaktoren die Prognosen verändern. Nur der beherrscht die Finanzpolitik, der mit den Zahlen auf seinem Schreibtisch und dem persönlichen Erfassen der Entwicklung den politischen Willen verbindet, im Rahmen der Möglichkeiten die Zukunft zu gestalten. Ich glaube, daß wir im Laufe des Jahres 1964 noch über die 167 Millionen DM Steuermehreinnahmen hinausgehen und daß damit die dritte notwendige Maßnahme, die heute vorgesehen ist, nämlich die Erhöhung der Kreditmittel, nicht angewendet zu werden braucht. Aber auf jeden Fall wird der Ausfall, der durch den Kompromiß im Steuerstreit entstanden ist, voll ausgeglichen ohne hauhaltstechnische Kniffe oder Verletzungen der diesem Etat zugrunde liegenden finanzpolitischen Zielsetzung.Nun hat unser geschätzter Kollege Dr. Möller in der ersten Lesung unter Einbeziehung aller Reserven als theoretische Obergrenze des Etatvolumens 60,7 Milliarden DM errechnet, ohne allerdings eine Ausweitung des Etatvolumens zu fordern. Er hat vielmehr wörtlich erklärt — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —:Wir beabsichtigen dabei nicht, von uns aus die magische Grenze von 60,3 Milliarden DM zu überschreiten. Inwieweit sie echt ist und bleiben kann, werden die weiteren Beratungen zeigen.Und einige Passagen weiter:Deshalb fordert die sozialdemokratische Fraktion: Auch innerhalb von willkürlich gesetzten magischen Grenzen muß das realistische Ziel die der öffentlichen Hand :anvertraute Erfüllung lebenswichtiger, für die Existenz des demokratischen Staates unabweisbarer Aufgaben sein.Diese Argumentation ist richtig. Ich habe für meine Fraktion ähnlich gesprochen, von der zureichenden Erfüllung der Staatsaufgaben gesprochen, den Begriff des Sparens nach unserer Sicht definiert als sinnvolle Verwendung der Mittel, auf unzureichende Dotierung ,gewisser Aufgaben hingewiesen und eine gewisse Umstrukturierung des Etats gefordert.Die vom Kollegen Möller gestellte Frage aber lautete: Wird es möglich sein, die notwendigen zusätzlichen Leistungen aus dem bestehenden Etatvolumen zu finanzieren, und wird sich damit das Etatvolumen als echt erweisen? Ich glaube, diese Frage kann heute eindeutig mit Ja beantwortet werden, denn es ist die Lösung des Problems im Haushalt gelungen, ich meine die Verabschiedung der Neuregelung der Kriegsopferversorgung mit Wirkung vom 1. Januar 1964.Durch Beschluß des Plenums vom 24. Januar ist das Kriegsopferneuregelungsgesetz zum 1. Januar 1964 in Kraft gesetzt worden ohne Ausweitung des Etatvolumens. Voraussetzung dieses Beschlusses war die Zustimmung des Haushaltsausschusses, wobei Deckung für die Mehrausgaben angeboten werden mußte. Die von den Koalitionsparteien dem Haushaltsausschuß vorgelegte Liste von Streichungen in allen wesentlichen Einzelplänen, die auch von dem Herrn Bundeskanzler und dem Kabinett anerkannt worden ist, ist dann während der Etatberatungen im Haushaltsausschuß und hier in der zweiten Lesung nahezu unverändert geblieben, ein Beweis dafür, daß die Masse der Streichungen für die Betroffenen tragbar und für die politischen Absichten des Etats nicht schädlich war. Ich möchte für die FDP nochmals unsere Genugtuung darüber ausdrücken, daß erstens die getroffene Regelung als Akt der Gerechtigkeit gegenüber den Kriegsopfern möglich wurde, und zweitens die Kriegsopferversorgung geregelt werden konnte, ohne finanzpolitisch unerwünschte Wirkungen auszulösen. Das politische Ziel der FDP, Kriegsfolgelasten vorrangig zu regeln, ist auf diese Weise voll erreicht worden.Nach dieser Verabschiedung der Kriegsopferversorgung konnten wir mit Genugtuung den beiden Teilen der gesellschaftspolitisch so bedeutsamen Neuregelung der Kindergeldgesetzgebung zustimmen, der Erhöhung der Leistungen zugunsten der Berechtigten und der Aufbringung der Beträge über den Bundeshaushalt.Die Leistungen mit 470 Millionen DM zugunsten der Berechtigten sind eine echte, bedeutsame gesellschaftspolitische Lösung. Seit Jahren aber gehört es
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5926 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. Emdezum Wortschatz jedes Parteivertreters, von der Förderung oder Unterstützung des Mittelstandes zu reden. Keine Versammlung, kein Wahlkampf kommt ohne ein möglichst herzliches Bekenntnis zu diesen für unser Volk so bedeutsamen Schichten aus. Wer aber Verbindung zu den Selbständigen in den freien Berufen, im Handwerk, im Gewerbe, in Kleinbetrieben und im Einzelhandel hat, der weiß, daß man dort der vielen Worte überdrüssig war und in noch so gut gemeinten Kreditaktionen keinen Ersatz einer echten Mittelstandspolitik sah. Die Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit einer Entlastung der Betriebe von rund einer Milliarde DM wirkt sich besonders bei den mittleren und kleineren Betriebsgrößen aus. Mag die Lösung noch so umstritten gewesen sein, in einigen Wochen wird sich die Entscheidung des 13. März erstmalig für den Bundeshaushalt, aber auch für die unzähligen Betroffenen in einer erheblichen Erleichterung auswirken.In der vollen Übernahme der Aufbringung des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt sehen wir eine bedeutsame gesellschaftspolitische Maßnahme.Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß nunmehr die Fehlkonstruktion des Jahres 1954 beseitigt worden ist. Wir haben jahrelang konsequent die heutige Lösung gefordert. In dem bald erfolgenden Abbau der Familienausgleichskassen und der vollen Übernahme der technischen Leistung durch die Arbeitsamtsverwaltung sehen wir eine beträchtliche Verwaltungsvereinfachung, und wenn parallel dazu eine weitere Straffung der Organisation der Arbeitsamtsverwaltung erfolgt, so sind wir gerne bereit, dem Herrn Bundesarbeitsminister unsere Anerkennung dafür zu bezeugen.Neben der Erhöhung der Mittel für die Kriegsopferversorgung sind noch gewisse kleinere, in der politischen Tendenz jedoch bedeutsame Änderungen des Haushaltsgefüges zugunsten ders Verkehrshaushalts und zugunsten des Wissenschaftshaushalts geschehen. Ich möchte die Einzelheiten hier nicht mehr behandeln, nachdem die Kollegen die Dinge in der zweiten Lesung besprochen haben. Aber ich will noch einmal auf den Tatbestand hinweisen, daß wir stets eine verbesserte Infrastruktur der deutschen Wirtschaft gefordert haben; denn ohne eine blühende Wirtschaft wind dieser Staat nicht bestehen können.
An sich wäre ich jetzt bei dem üblichen Stil einer Haushältsrede an der Stelle angelangt, von der aus noch einige Worte über die Zukunft gesagt werden, z. B. über die geplante Steuersenkung des Jahres 1965, von der aus allen Beteiligten für die Arbeit der vergangenen Monate gedankt wird. Dann würde bei der üblichen Form der Sprecher einer Regierungspartei sich befriedigt auf seinen Platz begeben mit dem Gefühl, unter Umgehung aller Schwierigkeiten mit freundlichen Worten für seine Partei mehr oder weniger werbewirksam gewesen zu sein. Meine Damen und Herren, nicht ohne Absicht habe ich im ersten Teil meiner Rede die Problematik der Haushaltsberatungen in unserer Zeit behandelt: nicht ohne Absicht, denn ich bin nicht bereit, die letzte Etatrede vor dem Wahljahr 1965 in freundlicher Routine enden zu lassen. Ich glaube, uns allen steht es besser an, nüchtern zu den drängenden Fragen der Gegenwart Stellung zu nehmen.Alles, was ich bis jetzt gesagt habe, war nicht ohne Freude über das in den vergangenen Monaten Erreichte. Alles, was ich jetzt vorzutragen habe, sind wenig erheiternde Wahrheiten.1. Der Haushalt war nur auszugleichen durch Veranschlagung einer globalen Minderausgabe, die nunmehr erreicht wird durch eine gesetzliche Kürzung in Höhe von 10 % aller der Sperre unterliegenden Baumittel und eine 5%ige Kürzung aller freien Ausgaben.2. Neben dem ordentlichen und außerordentlichen Haushalt zeichnen sich Ausgaben ab, die gekennzeichnet sind durch Hergabe von Schuldbuchforderungen an die Rentenversicherungsträger an Stelle von Bargeld, durch ein Haushaltsdefizit aus dem Jahre 1963, durch Defizite bei Post und Bahn.3. Vor uns tauchen aus den Reihen dieses Parlaments Ausgabenwünsche auf, deren Addition Phantasiezahlen ergibt, deren Verwirklichung die Staatsfinanzen ins Chaos stürzen würde.Aber beginnen wir bei der, relativ gesprochen, harmlosesten Frage, den Kürzungen und Sperrungen. Im Entwurf des Haushaltsplanes waren eine Sperre von 20 % aller Baumittel und eine globale Minderausgabe von 791 Millionen vorgesehen. Durch die Arbeit des Haushaltsausschusses konnte die Minderausgabe durch Streichungen und Einsparungen bei einigen hundert Etatpositionen auf 528 Millionen verringert werden.Der Ausgleich dieser 528 Millionen wird nun nicht dem Ablauf des Haushaltsjahres überlassen oder in einen Nachtragshaushalt verschoben, sondern sofort vorgenommen, und zwar durch die 10%ige Kürzung der der Sperre unterliegenden Baumittel und die 5°%ige Kürzung der freien Ausgaben. Diese in der Vergangenheit immer wieder angewandte Methode sollte aber auf keinen Fall zum weiteren System werden.
Unsinniger Verwaltungsaufwand durch listenweise Anträge auf überplanmäßige Ausgaben, Verwirrung im Ablauf der Baumaßnahmen, überhöhte Anforderungen von Etatmitteln durch die Fachressorts — die schon bei der Etataufstellung die späteren Kürzungen einkalkulieren —
sind die Folge. Eine saubere Finanzpolitik sollte solche Mittel nur im letzten Notfall anwenden, wenn während des Haushaltsjahres die Dinge ins Gleiten zu kommen drohen. Das Finanzministerium sollte schon bei der Etataufstellung, unterstützt von der Autorität des Herrn Bundeskanzlers, gegenüber allen Ressorts die Kürzungen durchsetzen, die der Haushaltsausschuß nachher während der Beratung der Einzelpläne erzwingt und die durch Sperren und globale Kürzungen dann in der zweiten und dritten Lesung nachgeholt werden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5927
Dr. EmdeNotwendig wird ein solch drastisches Vorgehen sein; denn spätestens 1965 wird das, was im Schatten dieses Haushalts heraufzieht, auf unseren Tischen liegen: die Frage der Hergabe von Schuldbuchforderungen an die Rentenversicherungsträger statt Bargeld, die Rückzahlung des Notenbankkredits aus dem Jahre 1961, die Abdeckung des Haushaltsdefizits und die Abdeckung der Difizite von Bahn und Post.Es wird in diesem Haushalt von den an die Rentenversicherungsträger zu leistenden Zahlungen von 7,9 Milliarden ein Teil, nämlich 500 Millionen, in Form von Schuldbuchforderungen geleistet. Zwar wird diese Forderung mit jährlich 6 % getilgt, aber es gibt keinen Zweifel daran, daß es sich hier um einen Vorgang verdeckter Geldschöpfung handelt. Aus diesem Grunde haben wir so leidenschaftlich einer Erhöhung dieses Betrages, wie er von mancher Seite gefordert wurde, widersprochen. Es muß ein Vorgang sein, der 1965 nicht wiederholt werden darf.1964 war aus dem Abkommen zwischen Bundesbank und Bundesregierung zur Tilgung der von der Bundesbank erworbenen Forderungen aus der Nachkriegswirtschaftshilfe eine Jahrestilgungsrate von 506 Millionen fällig. Nur 106 Millionen werden aber laut Haushaltsplan tatsächlich getilgt; 400 Millionen sollen von der Bundesbank vorläufig gestundet werden. Auch dieses Verfahren kann 1965 nicht fortgesetzt werden; die dann fällige Rate von 557 Millionen muß bedient werden. Durch die Stundung dieses Jahres verzögert sich die Endtilgung sowieso schon bis 1969.Das Haushaltsdefizit aus 1963 mit 500 Millionen muß spätestens 1965 abgedeckt werden. Über die Defizite von Bahn und Post aus 1964 haben wir uns noch gar nicht unterhalten. Wenn diese Posten zusammengezählt werden, kommen wir auf eine Haushaltsverschlechterung im Jahre 1965 von 1,5 bis 1,75 Milliarden DM.Nun ist bei einer straffen Finanzgebarung eine Abdeckung und Einstellung all dieser Posten möglich. Das heißt aber, meine Damen und Herren, daß Regierung und Parlament in ihren Ausgabevorstellungen bis zum Ende dieser Legislaturperiode äußerste Beschränkung üben müssen.Eine solche Erklärung wird fast immer beifällig aufgenommen. Mancher Kollege ist auch überzeugt, daß aus vielen Gründen Beschränkung in den Ausgabewünschen des Parlaments eine gute Sache sei, allerdings mit einer einzigen kleinen Ausnahme, der vorherigen Erfüllung der Wünsche für seine eigene parlamentarische Arbeit.
Dabei gibt es den Typ der Kollegen, die den Finanzminister und uns Mitglieder des Haushaltsausschusses als eine Art Dukatenmännchen ansehen, etwas störrisch in ihrem Verhalten, geistig nicht ganz geeignet, die persönlich vertretenen Probleme recht zu verstehen, aber doch mit gutem Zureden beeinflußbar. Freundlich schulterklopfend redet man unsereinem zu, daß bei den 60 Milliarden der Betrag doch keine Rolle spiele, und es heißt dann: Wirhelfen dir ja auch, unsittliche Anträge aller anderen nachher abzulehnen.Der andere Typ der Kollegen, befangen im alleinigen Betrachten, des eigenen Sektors, vertritt draußen vor der Öffentlichkeit mit Überzeugung und Leidenschaft eine sicherlich gute Sache. Er argumentiert vor Publikum und Presse, macht sich zum Anwalt berechtigter Forderungen, und dann sind Finanzminister und Haushaltsausschuß die Politiker, die notfalls durch Druck aller Art zu Vernunft und Erkenntnis gebracht werden müssen. Die Kollegen, die so handeln, machen es sich bei Gott leicht. Meint irgend jemand hier in diesem Hause, oder wer sonst diese Rede hören oder lesen mag, daß ich gerne auf überfüllten Straße fahre, daß ich mich freue, wenn meine Kinder Schichtunterricht haben, daß mich Not und Sorgen alter, kranker oder einsamer Menschen nicht auch zutiefst bewegen? Weiß man denn nicht, daß auch wir die Probleme unseres Volkes kennen und unter ihnen leiden? Aber, meine Damen und Herren, Politik machen heißt, die Gesamtheit sehen, alle Nöte, alle Probleme nebeneinander sehen und die Fragen dann so lösen, daß möglichst jede Not gemildert wird, daß jedes Problem einer Lösung zugeführt wird, daß man, wenn nicht alles zur gleichen Zeit geht, die Dinge nacheinander löst, daß dabei die Basis der gesunden Wirtschaft und der stabilen Währung nie gefährdet wird.
Ein Weiteres: Ich glaube nicht, daß wir Politiker ein Mandat haben, Belastungen unseres Volkes in eine unübersehbare Zukunft hinein zu beschließen. Ich meine damit eindeutig nicht Darlehensaufnahmen auf dem Kapitalmarkt für vermögenswirksame Ausgaben; ich meine etwas ganz anderes.Ein Volk, das in 15 Jahren zur finanziellen, politischen und ethischen Überwindung eines verlorenen Krieges für Kriegsfolgen und Wiedergutmachungsleistungen bis zu diesem Jahr einschließlich 113 Milliarden DM aufgebracht hat, das bis zum Jahre 1970 bereits heute durch Gesetz und Vertrag weitere 60 Milliarden für diese Zwecke aufzubringen hat, dem bekannt ist, daß durch Gesetzesvorlagen der Bundesregierung weitere 8 Milliarden erbracht werden sollen, ist in einem Maße belastet, daß dies bei allen weiteren Initiativen von jedem, der Wünsche vorbringt, ernsthaft berücksichtigt werden muß. Wenn aber aus den Reihen dieses Hauses in diesen Bereichen durch Ergänzungsanträge zu den Regierungsvorlagen annähernd weitere 28 Milliarden gefordert werden, wenn es dazu sogar schon den Ruf nach notfalls einem zweiten Lastenausgleich gibt, dann muß die Frage nach der Grenze der Belastbarkeit unserer Volkswirtschaft klar und deutlich gestellt und auch eindeutig beantwortet werden. Denn, glauben Sie mir, ohne eine blühende Wirtschaft, ohne ständige Zunahme des Sozialproduktes sind schon die heutigen Verpflichtungen nicht einlösbar, weil auch unsere sozialen Lasten, unsere Ausgaben für die äußere Sicherheit, unser Einsatz im Rahmen der Entwicklungshilfe und eine Fülle sonstiger Ausgaben des Staates sich automatisch ohne neue Gesetzesmaßnahmen von Jahr zu Jahr erhöhen werden. Nur derjenige, der sich über alle künftigen Bela-
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5928 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Dr. Emdestungen aus heutigen Beschlüssen klar ist, hat das Recht, entscheidende Beschlüsse von solcher finanzieller Auswirkung zu fällen.Und noch eines. Die SPD hat erklärt: Nun, dann könnten wir 1965 keine Steuersenkung machen. Ich möchte darauf ganz einfach sagen: Diese Steuersenkungspläne sind keine Geschenke an die Wirtschaft zur Verstärkung des Unternehmergewinns, sondern sie sind einmal ein Akt der Steuergerechtigkeit, zum andern einer der Faktoren, die die weitere Zunahme des Sozialprodukts gewährleisten sollen. Soweit die Steuersenkung die Lohnsteuerpflichtigen begünstigt, sind sie nichts weiter als ein Teilausgleich zum Abfangen der durch andere Vorgänge entstehenden Preissteigerungen. Für uns ist die Steuersenkung des Jahres 1965 eine der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen für die gesunde Weiterentwicklung der deutschen Volkswirtschaft. Und wir werden diese Steuersenkungspläne ebenso energisch verteidigen, wie wir im nächsten Jahr darum kämpfen werden, Möglichkeiten für eine verstärkte Finanzierung im Bereich der Wissenschaft und Forschung zu finden.
Wir sind überzeugt, daß dieser Haushalt bei all den Problemen, die in ihm liegen, im Rahmen der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung geeignet ist, inflationären Entwicklungen entgegenzuwirken.Kollege Erler ist der Meinung, die Steuersenkung sei konjunkturanreizend. Genau das Gegenteil ist nach meiner Überzeugung der Fall. In einer Konjunktursituation, wie sie sich zur Zeit abzeichnet, gibt es zwei Möglichkeiten der Dämpfung: einmal die Möglichkeit der Kreditbeschränkungen, die nur die Wirtschaft treffen und damit auf die Investitionsrate drücken; zum andern die Möglichkeit, die Investitionsrate zu beschneiden, indem man die Steuern senkt und damit bei der öffentlichen Hand die Zuwachsrate der Investitionsquote begrenzt. Eine Beibehaltung der hohen Steuern würde zu verstärkten Ausgaben des Staates führen, während die sich daraus ableitende verstärkte Investitionsnotwendigkeit der Wirtschaft auf 'dem Kreditwege im Banksystem finanziert werden könnte, einem Banksystem, dem liquide Mittel aus dem Ausland in reichem Maße zuströmen. Es würde damit die Übernachfragesituation verstärkt und weiterhin die geringe Ausstattung der Betriebe mit Eigenkapital Krisenherd der Wirtschaft bleiben. In der jetzigen Phase bremst also eine Steuersenkung wenigstens an einer Stelle die zunehmenden Investitionsabsichten und stärkt auf der andern Seite die Wirtschaft in der Ausstattung mit Eigenkapital.Wir sind überzeugt, daß trotz dieser Steuersenkung die Lösung der Gemeinschaftsaufgaben im notwendigen Umfang möglich ist. Man muß nur von der Illusion abgehen, alle Probleme sofort und zur gleichen Zeit lösen zu können. Das ist noch nie möglich gewesen, in keiner Phase der Geschichte, unter keiner Regierung.Mag es nun ein ungeschriebenes Gesetz jeder Opposition sein, von einer Regierung stets mehr zu verlangen, als diese zu erfüllen in der Lage ist, so ist ,es nach einem anderen ungeschriebenen Gesetz Aufgabe der Regierung, der Allgemeinheit klarzumachen, daß die von ihr angewandten Methoden die geeigneten sind, um die von der Allgemeinheit gewünschten Ziele zu erreichen. Wir sind überzeugt, daß diese Regierung sauf dem rechten Weg ist. Natürlich wird es immer Reibungen und Probleme geben. Natürlich wird es immer den Wettstreit um den besten und den schnellsten Weg zum Ziel geben. Insgesamt aber besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Handlungen dieses von uns, der FDP, mitgetragenen Kabinetts.Wenn eine Haushaltsdebatte, Herr Kollege Wehner, ein Stück Auseinandersetzung über die Politik der Regierung ist, dann, glauben wir, stellt dieser Haushalt ein gutes Symbol der Absichten der Regierung dar: die Aufgaben unseres Volkes zu erfüllen, die Stabilität von Wirtschaft und Währung zu verteidigen.Wir als Koalitionspartner sind entschlossen, die Arbeit dieser Regierung in koalitionsmäßiger Verbundenheit mit unseren Koalitionspartnern von den Unionsparteien weiterzuführen.
Wir danken dem Bundesfinanzminister und dem Bundeskanzler für die Leitung der Regierung und für die Initiativen.Meine Damen und Herren, vielleicht mag diese klare Erklärung zur Koalition den einen oder anderen etwas betroffen machen.
Es ist das Ziel unserer politischen Arbeit, diese Koalition und diese Regierung zu einem guten und glücklichen Abschluß bis 1965 zu bringen.
Wir werden diesem Haushalt in der dritten Lesung deshalb zustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige wenige sachliche Bemerkungen zu den Ausführungen der drei Redner, die bei der dritten Lesung gesprochen haben.Mit bewegten Worten haben Herr Kollege Schoettle als Vorsitzender des Haushaltsausschusses und auch die anderen Herren die rechtzeitigere Einbringung des Haushalts gefordert. Ich darf dazu sagen: ich habe mit dem Herrn Bundeskanzler vereinbart, daß wir uns bemühen werden, dieses Ziel nach Möglichkeit zu erreichen. Sie werden von mir nicht erwarten, daß ich Ihnen hier Versprechungen mache. Warten wir den Ablauf ab! Wir werden
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5929
Bundesminister Dr. Dahlgrünalles tun, um dieser berechtigten Forderung des Parlaments und nicht zuletzt des Haushaltsausschusses zu entsprechen.Trotz der vorgerückten Stunde interessiert Sie, meine Damen und Herren, vielleicht aber doch die eine oder andere kurze Bemerkung zu dem Ablauf des Haushaltsjahres 1964. Es würde in einer rechtzeitigen Haushaltsberatung gar nicht nötig sein, daß ich eine solche Anmerkung mache. Der bisherige Ablauf des Haushaltsjahres 1964 läßt noch keinen Schluß auf das voraussichtliche Ergebnis dieses Rechnungsjahres zu. Erfahrungsgemäß bleiben die Ausgaben in den ersten Monaten. eines Rechnungsjahres hinter den zeitanteiligen Beträgen zurück. Das ist insbesondere jahreszeitlich bedingt. Das Steueraufkommen war in den ersten drei Monaten des Rechnungsjahres 1964 höher, als zunächst erwartet werden konnte. Das ist eine Folge der anhaltend günstigen Entwicklung der Konjunktur, darüber hinaus aber auch auf einige Sondereinflüsse zurückzuführen. Deshalb können zur Zeit noch keine endgültigen Schlüsse auf die Aufkommensentwicklung im Jahre 1964 gezogen werden. Daß die Steuereinnahmen, die jetzt im Haushalt 1964 Berücksichtigung gefunden haben, erreicht werden, hoffe ich sehr.Im übrigen kann ich Ihnen die erfreuliche Tatsache mitteilen, daß die Mehrzahl der deutschen Länder den ab 1. Januar 1964 auf 39 % erhöhten Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer schon vor der Verkündung des Gesetzes gezahlt hat. Dadurch sind größere Kassenschwierigkeiten in den ersten Monaten des Rechnungsjahres vermieden worden.Das Rechnungsjahr 1964 wird deshalb hoffentlich ohne Fehlbetrag abzuschließen sein. Das ist notwendig, weil es heute mehr denn je darauf ankommt, angesichts der Enge des Haushalts die Haushalte künftiger Jahre von Belastungen durch Fehlbeträge freizuhalten.
Das Festhalten an der „magischen Grenze" — wie man sagt — von 60,3 Milliarden DM hat den unbestreitbaren Erfolg gehabt, daß die Steigerung der eigentlichen Haushaltsausgaben auf rund 6,2 % beschränkt werden konnte und damit unter der nominellen Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts liegt, die nach den neuesten Schätzungen sogar höher veranschlagt werden kann. Dieses Ergebnis — darüber muß man sich aber auch klar sein — konnte nur durch empfindliche Kürzungen ich sage ausdrücklich: empfindliche Kürzungen — erzielt werden, zunächst in den Ressortverhandlungen, dann im Kabinett und schließlich durch Kürzungen des Haushaltsausschusses, der gleichfalls sehr hart, muß ich sagen, vorgegangen ist. Das auf diese Weise erreichte Ergebnis ist um so bemerkenswerter, als durch die Sozialgesetze, die von diesem Hohen Hause verabschiedet worden sind, in 1964 die Sozialausgaben gegenüber dem Vorjahr um 2,3 Milliarden DM — das sind rund 15 % — steigen werden. Die Zunahme der Verteidigungsausgaben hingegen mußte, um in dem Rahmen von 60,3 Milliarden DM zu bleiben, auf rund 5 % beschränkt werden. Für alle übrigen Ressorts beträgt der Ausgabenzuwachs infolgedessen nur knapp 21%. Das bedeutet zugleich — darüber müssen Sie sich klar sein —, daß die Erfüllung mancher anderen wichtigen, schönen und guten Aufgabe beeinträchtigt oder zumindest verzögert wird.Hinsichtlich der Ermächtigungen darf auch ich einmal ein Wort sagen. Mir ist einmal von einem Mitglied des Haushaltsausschusses vorgehalten worden, daß es sich mit diesen Vollmachten, über die die drei Redner gesprochen haben, sehr leicht und bequem regieren lasse. Diese Vollmachten ermöglichen es jedoch nur dann, den Forderungen nach einer konjunkturgerechten Haushaltspolitik und dem Ausgleich des Haushalts nachzukommen, wenn der Finanzminister das ganze Jahr über mit allen Ressorts nach allen Seiten hin diese Vollmachten zu verteidigen bestrebt ist und in fortdauernden Auseinandersetzungen immer erneut auf äußerste Sparsamkeit dringt. Bequem ist das nicht!Zum Schluß eine Bemerkung zum Haushaltsrecht, zur Haushaltsordnung. Herr Kollege Schoettle hat von dem obsoleten Haushaltsrecht gesprochen, ich würde sagen, von dem unmodernen Haushaltsrecht, von der Haushaltsordnung, die nicht mehr in die moderne Zeit zu passen scheint. In Erkenntnis dieser Notwendigkeit habe ich als ersten Schritt zu einer wirksamen Haushaltsplanung und zur konjunkturgerechten Haushaltsführung alle bestehenden wie zu erwartenden längerfristigen Belastungen des Bundeshaushaltes für die Jahre 1965 bis 1968 erfassen lassen, um zunächst diese Aufgaben daraufhin untersuchen zu können, inwieweit sie im einzelnen einer echten mehrjährigen Planung zugänglich und konjunkturpolitisch beeinflußbar sind.
Dasselbe haben wir mit einem zweijährigen Verwaltungshaushalt vor. Ich glaube, ich sollte mit einem Investitionshaushalt gleichfalls so verfahren. Ich meine, ich sollte darauf aber heute abend nicht mehr allzusehr im einzelnen zu sprechen kommen.Alle diese Dinge im Zusammenhang mit der Haushaltsreform sind auch in die Finanzreform eingebettet. Die Expertenkommission Finanzreform beschäftigt sich auch mit diesen Dingen. Der Haushaltsausschuß hatte mir — im Herbst vorigen Jahres, glaube ich, war es — ein Haushaltsordnungsreferat bewilligt. Das Referat arbeitet seit Ende vorigen Jahres im Zusammenwirken mit der Expertenkommission. Ich hoffe, daß möglicherweise noch im Laufe dieses Jahres ein Änderungsgesetz zum Haushaltsrecht eingebracht werden kann. Voraussetzung für den Erfolg der ganzen mehrjährigen Haushaltsplanung und insbesondere einer konjunkturgerechten Haushaltsführung ist das Zusammenwirken auf allen drei Ebenen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Sonst geht es nicht. Ich verspreche Ihnen, daß ich alles tun werde, um dieses Zusammenwirken zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in Richtung einer Reform unserer Finanzverfassung voranzutreiben.
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5930 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Meine Damen und Herren, damit ist die allgemeine Aussprache zur dritten Lesung geschlossen.
Es liegen Änderungsanträge vor zu dem Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern —, zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 434 *). Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 434 zum Einzelplan 06. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht — —
— „Für den Fall der Ablehnung des Antrags unter Nr. 1" — ganz richtig! Ich bedanke mich für den Hinweis.
Wer Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Eventualantrag, der Fraktion der SPD auf Umdruck 434 Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, bitte ,ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Auch der Eventualantrag auf Umdruck 434 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 436 **), ebenfalls zum Einzelplan 06. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall.
Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag Umdruck 436 ist abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor. Alles weitere sind Entschließungsanträge, über die nachher abgestimmt wird.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz. — Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Schlusse dieser Debatte bleibt mir die Pflicht, Dank zu sagen, und zwar aufrichtig Dank zu sagen, für das, was bei der Arbeit an diesem Haushalt geleistet worden ist. Zu danken habe ich dem Hohen Haus
— den Fraktionen der Regierungsparteien ebenso wie der Oppositionsfraktion — dafür, daß es den Vorstellungen der Bundesregierung gefolgt ist und einen konjunkturgerechten Haushalt verabschiedet hat, daß die Erhöhung des Haushaltsvolumens für 1964 gegenüber dem Vorjahr entsprechend unseren Vorstellungen an der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts orientiert worden ist.
Zu danken habe ich vor allem auch dem Haushaltsausschuß, dessen Arbeit in diesem Jahr beson-
*) Siehe Anlage 20 **) Siehe Anlage 21 ders schwierig gewesen ist, weil die Entwicklung nach der Einbringung des Haushalts uns vor zusätzliche Probleme von ganz erheblichem finanziellen Gewicht gestellt hat. Ein besonderes Dankwort möchte ich richten an den Ausschußvorsitzenden, Herrn Kollegen Schoettle,
stellvertretend für alle Mitglieder des Haushaltsausschusses.
Zu danken habe ich auch meinen Mitarbeitern im Bundesministerium der Finanzen, den Beamten in den Haushaltsreferaten der anderen Ressorts und den Damen und Herren der Bundestagsverwaltung sowie all denen, meine Damen und Herren, die draußen an der Front die Mitarbeiter des Bundesfinanzministers bei der Durchführung des Haushalts sind, namentlich also den Bediensteten der Zoll- und Steuerbehörden, auf deren pünktliche und gewissenhafte Arbeit wir alle angewiesen sind.
In der Öffentlichkeit, aber auch im Eifer des Gefechts bei den Beratungen geht ihr Wirken leicht als eine Selbstverständlichkeit unter. Es ist mir ein Bedürfnis, ihnen auch an dieser Stelle zu danken.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz im ganzen in dritter Lesung! Wer dem Haushaltsgesetz 1964 in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das Haushaltsgesetz 1964 ist in dritter Lesung angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über eine Reihe von Entschließungsanträgen, die ich nach der Reihenfolge der Einzelpläne aufrufe.Zunächst Umdruck 419 *) — Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes!
— Es ist Überweisung an .den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — federführend — und an den Verteidigungsausschuß zur Mitberatung beantragt. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.Umdruck 420 **) Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern!
Es ist keine Überweisung vorgesehen. Wer diesemEntschließungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag Umdruck 420 ist abgelehnt.*) Siehe Anlage 22 **) Siehe Anlage 23
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964 5931
Präsident D. Dr. GerstenmaierUmdruck 431*) — Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern!
— Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Inneres vorgesehen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Drucksache IV/2056 — Entschließungsantrag des Haushaltsausschusses unter Ziffer 2. Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das Haus ist damit einverstanden.Umdruck 426**) — Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!
Wer diesem Entschließungsantrag auf Umdruck 426 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist dieser Entschließungsantrag angenommen.Meine Damen und Herren, jetzt haben wir den gleichen Fall: Drucksache IV/2059 zu Einzelplan 10— Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten —, Antrag des Ausschusses Ziffer 2. Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ist angenommen.Entschließungsantrag Umdruck 435***) der Fraktion der FDP. Es ist Überweisung an den Verkehrsausschuß und an den Wirtschaftsausschuß vorgeschlagen. An welchen federführend?
— Verkehrsausschuß federführend! Das Haus ist einverstanden? — Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.Entschließungsantrag — Umdruck 437****) — der Abgeordneten Adorno, Bauknecht, Maucher und Genossen. Auch hier ist Ausschußüberweisung beantragt. In der gleichen Weise?
— Verkehrsausschuß federführend, Wirtschaftsausschuß mitberatend. Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.Entschließungsantrag — Umdruck 428*****) — derFraktion der CDU/CSU, FDP; Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Da liegt kein Überweisungsantrag vor. Soll über diesen Entschließungsantrag abgestimmt werden?
*) Siehe Anlage 24**) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 10 ****) Siehe Anlage 9 *****) Siehe Anlage 11 Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 428 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Entschließungsantrag der Fraktion der FDP — Umdruck 429*) — zu Einzelplan 14. Hier ist von den Einbringern Überweisung an den Verteidigungsausschuß beantragt. Das Haus ist damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Entschließungsantrag Umdruck 421**) — der Abgeordneten Drachsler, Dr. Starke, Dr. Stecker, Schlee und Genossen — zum Einzelplan 35 — Verteidigungslasten —. Die Begründung wird zu Protokoll genommen ***). Was soll hier geschehen?
— Es ist beantragt Überweisung an den Verteidigungsausschuß — federführend — und den Haushaltsausschuß — mitberatend —. Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.Entschließungsantrag Umdruck 432****) — der Fraktion der SPD — zu Einzelplan 36 — Zivile Notstandsplanung —. Was soll geschehen? —
— Kein Antrag auf Ausschußüberweisung, sondern Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 432 zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Jetzt kommt der letzte Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz, Umdruck 422*****), Antrag der Abgeordneten Frau Beyer, Frau Strobel, Junghans, Kurlbaum und Genossen. Was soll damit geschehen? Überweisung? Keine Überweisung?
— Sind Sie, meine Herren, einverstanden mit einer Überweisung an den Haushaltsausschuß? Ein Überweisungsantrag geht auf jeden Fall vor. Einverstanden? — Der Entschließungsantrag Umdruck 422 wird an den Haushaltsausschuß überwiesen.
— Herr Kollege Schäfer, in der Abstimmung kann ich leider das Wort nicht geben.
— Also der Antrag Umdruck 422 ist !an den Haushaltsausschuß überwiesen.*) Siehe 122. Sitzung Anlage 9**) Siehe Anlage 25***) Siehe Anlagen 28 und 29****) Siehe Anlage 26*****) Siehe Anlage 27
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5932 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. April 1964
Präsident D. Dr. GerstenmaierJetzt kommt noch auf Drucksache IV/2053 ein Antrag des Ausschusses, die zu ,dem Entwurf des Einzelplans 04 eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Das Haus stimmt diesem Antrag des Ausschusses zu? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren! Das ist nur das einstweilige Ende für heute.
— Bitte sehr!
Bei dem Antrag, der den zivilen Bevölkerungsschutz betrifft, ist einfach eine Panne passiert. Wir haben Ausschußüberweisung nur deswegen nicht verlangt, weil wir aus den Bemerkungen Ihrer Fraktion zu erkennen glaubten, Sie würden dem Antrag zustimmen. Es gibt hier keine wesentlichen sachlichen Differenzen. Wenn Sie ihm nicht zustimmen können, sondern Ausschußüberweisung verlangen, sind wir mit Ausschußüberweisung einverstanden. Können Wir das nicht in dem Sinne regeln?
Meine Damen und Herren, die Courtoisie gebietet es, einen solchen Lapsus zu korrigieren. — Das Haus beschließt, daß der diesbezügliche Beschluß ungültig ist, daß entsprechend dem Votum des Fraktionsvorsitzenden der SPD beschlossen wird. Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat eine freundliche Rede gehalten. Es ist im übrigen ein feststehender Brauch — —
— Herr Abgeordneter Conring, Sie sind ein ganz verdienter Parlamentarier, insbesondere beim Haushalt. Wenn Sie aber jetzt dem Präsidenten erlaubten, seine Ausführungen zu Ende zu bringen, wäre ich Ihnen sehr verbunden!
Ich wollte mich nur namens des Hauses bedanken, erstens beim Haushaltsausschuß, und ich wollte ihm
sagen, was er uns wert und daß er uns lieb und teuer ist; trotz aller Klagen, das wissen wir.
Wir bedanken uns insbesondere bei diesen Kollegen, die in der Hauptsache das ganze Jahr über die Mühe und Last der Haushaltsberatungen zu tragen haben.
Wir bedanken uns dann bei unseren eigenen Mitarbeitern, die dem Haushaltsausschuß zur Seite stehen, und auch bei denen, die darüber hinaus ihren Anteil an den Dingen haben.
Ich bedanke mich namens des Hauses bei dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Mitarbeitern für die wohlvorbereitete Mitarbeit für dieses Haus.
Dafür spricht ihnen der ganze Deutsche Bundestag seinen Dank aus.
Im übrigen ist es dem Präsidenten dieses Hauses eine Ehre und eine Freude, um 22.05 Uhr ein so vollbesetztes Haus zu haben bei der Verabschiedung einer der wichtigsten Vorlagen, mit denen dieses Haus das ganze Jahr über befaßt wird.
— Meine Damen und Herren, die Herren von der Presse sind freie Bürger dieses Staates. Sie aber und wir, die wir hier sitzen, stehen unter einem Mandat. Das ist der Unterschied, und das muß man wissen.
Diese können im Zweifelsfalle tun und lassen, was sie wollen oder was ihnen ihre Redaktionen erlauben. Wir aber stehen in der Pflicht und im Dienste des deutschen Volkes. Das ist noch eine andere Sache.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß dieser Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags ein auf Mittwoch, den 29. April, vormittags 9 Uhr.
Die- Sitzung ist geschlossen.