Protokoll:
3040

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 40

  • date_rangeDatum: 4. Juli 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:18 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 40. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1958 Inhalt: Ergänzung der Tagesordnung . . . . . 2321 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468); Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — Allgemeine Aussprache Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2321 B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 2325 D Bausch (CDU/CSU) . . . . . . 2330 C Heiland (SPD) . . . . . . . . 2331 C Dr. Schröder, Bundesminister 2335 B, 2351 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . 2341 B Wehner (SPD) 2346 B, 2357 B Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Umdruck 133) Abstimmung 2360 C Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 159) Abstimmung 2360 C Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Umdrucke 134, 143, 154) Abstimmungen . . . . . . . . . 2360 D Einzelplan 10, Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Umdrucke 131, 145, 149, 157) Abstimmungen 2361 C Einzelplan 11, Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Umdrucke 137, 144) Dr. Vogel (CDU/CSU) 2361 D Dr. Schellenberg (SPD) 2362 A Abstimmungen 2362 B Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Umdrucke 136, 138, 146, 147, 148, 155) Dr. Bleiß (SPD) . . . . . 2362 B, 2363 A Etzel, Bundesminister . . 2362 D, 2363 B Abstimmungen 2362 B Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Umdrucke 150, 151) Dr. Hesberg (CDU/CSU) . . . 2363 D Ritzel (SPD) 2364 A Lenz (Trossingen) (FDP) . . . 2364 B Abstimmungen 2364 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 Einzelplan 25, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau (Umdrucke 139, 152) Dr. Brecht (SPD) . . . . 2364 C, 2367 C Lücke, Bundesminister . . . . 2366 C Rasner (CDU/CSU) 2368 A Abstimmungen 2368 B Einzelplan 32, Bundesschuld (Umdruck 158) Dr. Vogel (CDU/CSU) 2368 C Abstimmungen 2368 D Einzelplan 35, Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Umdruck 140) Etzel, Bundesminister . . . . 2368 D Einzelplan 36, Zivile Notstandsplanung (Umdruck 130) Kreitmeyer (FDP) 2369 A Rasner (CDU/CSU) 2369 C Ritzel (SPD) 2369 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . 2369 D Abstimmung 2369 D Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung (Umdruck 158) in Verbindung mit dem Haushaltsgesetz 1958 (Umdrucke 135, 141, 142, 153, 156) Conrad (SPD) . . . . . . . . 2373 D Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) . 2373 D Dr. Schellenberg (SPD) 2374 A, D Dr. Stammberger (FDP) 2374 B Frau Kalinke (DP) 2374 C Schüttler (CDU/CSU) 2374 D Erklärungen zur Abstimmung . . . Ritzel (SPD) 2370 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 2372 B Lenz (Trossingen) (FDP) . . . . 2373 A Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 2373 B Abstimmungen 2370 A, 2373 C, 2373 D, 2375 A Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung gegen die Regierung des Landes Hessen wegen der Verletzung der Pflicht zur Bundestreue (Drucksache 504) . . . . 2375 C Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des hamburgischen Gesetzes betr. die Volksbefragung über Atomwaffen (Drucksache 505) 2375 D Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des bremischen Gesetzes betr. die Volksbefragung über Atomwaffen (Drucksache 506) 2375 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau-AG Groß-Berlin (Gewobag) (Drucksache 326); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 509) . . . 2376 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehem. fliegertechnischen Vorschule in Bremen-Hemelingen (Drucksache 381) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 510) 2376 B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 132) 2376 C Nächste Sitzung 2376 D Anlagen 2379 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 2321 40. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1958 Stenographischer Bericht. Beginn: 9,01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 2377 Berichtigungen zu Stenographischen Berichten Es ist zu lesen: 12. Sitzung Seite I Zeile 5 statt „Dr. h. c. Lücke": Dr. h. c. Lübke; 32. Sitzung Seite 1763 D Zeile 8 statt „den wenigen": denjenigen; 34. Sitzung Seite 1865 C 2. Absatz letzte Zeile statt „1958": 1955; Seite 1865 D Zeile 13 statt „Bundesbahn" : Bundesbank; Seite 1923 D Zeile 6 von unten statt „1923": 1929; 35. Sitzung Seite III A Zeile 5 von unten statt „Dr. Sauermann" : Dr. Seiermann; 36. Sitzung Seite 2037 B Zeile 17 von unten statt „488": 483; 37. Sitzung Seite 2112 B Zeile 9 statt „gemerkt": bemerkt; Seite 2112 D Zeile 6 statt „Rudolf Haerdter" : Fritz Hauenstein; Seite 2113 A 3. Absatz Zeile 2 statt „Haerdter" : Nauenstein. Seite 2119 D Zeile 10 von unten statt „Bildungsermächtigungen": Bindungsermächtigungen; Seite 2155 B Zeile 15 von unten statt „und zwar nicht nur telegrafisch, sondern in einem Brief, den er an die „Welt" geschickt hat" : und zwar nicht nur telegrafisch an die „Welt", sondern in einem Brief, den er uns geschickt hat; Seite 2156 B Zeile 9 statt „wie Konrad Adenauer geschenkt hat": . . . wie Konrad Adenauer geschenkt hat . . . Als getreuer Gefolgsmann . . . Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7 Dr. Atzenroth 4. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauknecht 5. 7. Bauer (Würzburg)` 5. 7. Dr. Bechert 4. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Blöcker 4. 7. Brese 4. 7. Burgemeister 4, 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Euler 4. 7. Franke 12. 7. Dr. Friedensburg 5. 7. Frau Friese-Korn 5. 7. Gaßmann 5. 7. Frau Geisendörfer 4. 7. Gerns* 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Graaff 4. 7. Dr. Gradl 5. 7. Dr. Greve 5. 7. Günther 4. 7. Haage 4. 7. Hackethal 5. 7. Dr. Hellwig 4. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Hübner 5. 7. Jacobs* 5. 7. Jahn (Frankfurt) 5. 7. Jahn (Marburg) 4. 7. Kalbitzer 4. 7. Keller 4. 7. Kemmer 5. 7. Kiesinger* 5. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Frau Korspeter 5. 7. Kramel 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Dr. Lindenberg 5. 7. Lücker (München)* 5. 7, Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Dr. Menzel 5. 7. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Frau Meyer-Laule 4. 7. Müller-Hermann 5. 7. Neubauer 5. 7. Nieberg 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul* 5. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Rademacher 5. 7. Ramms 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schneider (Hamburg) 4. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München)* 5. 7. Frau Dr. Schwarzhaupt 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Dr. Seume 5. 7. Spies (Brücken) 5. 7. Stahl 4. 7. Stenger 4. 7. Storm (Meischenstorf) 5. 7. Struve 5. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 5. 7. Frau Welter (Aachen) 4. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Winter 5. 7. Dr. Wolff (Denzlingen) 4. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. Zoglmann 5. 7. Zühlke 4. 7. Anlage 2 Umdruck 130 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 36 Zivile Notstandsplanung (Drucksachen 300 Anlage, 444, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, mit Einbringung des Bundeshaushalts 1959 ein Weißbuch über die gesamte zivile Notstandsplanung dem Bundestag vorzulegen. Bonn, den 30. Juni 1958 Kreitmeyer Dr. Mende und Fraktion Anlage 3 Umdruck 131 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzel- 2380 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 plan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 300 Anlage, 357, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Herabsetzung der Roggenlieferprämie stellt für die Betriebe, die durch ihre geringen Böden und die klimatischen Verhältnisse auf den Roggenbau weitgehendst angewiesen sind, eine nicht unerhebliche Härte dar. Einer Entschließung des Ernährungsausschusses entsprechend wird die Bundesregierung gebeten, aus einzusparenden Mitteln des Etats diesen Betrieben in entsprechender Form einen Ausgleich zu schaffen. Bonn, den 27. Juni 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 132 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse Der Bundestag wolle beschließen: Der folgende Antrag wird gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an den zuständigen Ausschuß überwiesen: Antrag der Fraktion der SPD betr. Einreisegenehmigung für Staatsangehörige der Ostblockstaaten — Drucksache 433 — an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Bonn, den 30. Juni 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 5 Umdruck 133 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 hier: Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 300 Anlage, 461, 490) Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 1. In Tit. 300— Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — erhält der Haushaltsvermerk (Drucksache 300 - Epl. 04 - S. 21) folgende Fassung: „Die Mittel sind übertragbar. Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Bundestages und durch den Präsidenten ,des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung des Rechnungsprüfungsausschusses des Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung". 2. In Tit. 309 — Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen — (Drucksache 300 - Epl. 04 - S. 23) erhält der Haushaltsvermerk folgenden Zusatz: „Die Jahresrechnung unterliegt der Prüfung ,durch den Rechnungsprüfungsausschuß des Bundestages." Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 134 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 300 Anlage, 440, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 02 Allgemeine Bewilligungen 1. Folgender neuer Tit. 974 wird eingefügt: „Tit. 974 — Zur Beseitigung der durch Krieg und Kriegsfolgen verursachten Schulraumnot in Ländern und Gemeinden . . . . 250 000 000 DM Die Mittel sind gesperrt." 2. Im Falle der Ablehnung des Antrages unter Nr. 1: Folgender Leertitel 974 wird eingefügt: „Tit. 974 — Zur Beseitigung der durch Krieg und Kriegsfolgen verursachten Schulraumnot in Ländern Und Gemeinden . . . . DM." Zu Kap. 06 09 Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln 3. In Tit. 300 — Für Zwecke des Verfassungsschutzes — (Drucksache 300 — Epl. 06 — S. 97) erhält der letzte Absatz des Zweckbestimmungsvermerks folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 2381 Anlage 7 Umdruck 135 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 hier: Haushaltsgesetz 1958 (Drucksachen 300, 468, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis zur Aufstellung des Entwurfs des Haushaltsplans 1959 folgende Maßnahmen in die Wege zu leiten: 1. Um dem Parlament bei der Verabschiedung von Gesetzen die erforderliche Unterrichtung über die Kosten ihrer Durchführung zu geben, sind künftig in die Begründung zu jedem Gesetzentwurf die aus seiner Durchführung entstehenden Kosten darzutun. Zu den Kosten rechnen die persönlichen und sachlichen Verwaltungsausgaben sowie die Zweckausgaben, die aus der Durchführung des Gesetzes entstehen. Bei den Kosten der Personalausgaben isst die Zusammensetzung des Personalbedarfs nach Beamten, Angestellten und Arbeitern aufzugliedern. Bei der Feststellung des Personalbedarfs soll der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung tunlichst beteiligt werden. Berührt die Durchführung eines Gesetzes die Haushalte der Länder oder Gemeinden, so sind die dort entstehenden Kosten gesondert zu ermitteln und darzutun. 2. Bei der Veranschlagung der persönlichen Ausgaben in den künftigen Haushaltsplänen dürfen die Stellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter nur vermehrt werden, wenn der Mehrbedarf die unvermeidliche Folge neuer gesetzlicher Aufgaben ist und durch personelle Umbesetzungen nicht gedeckt werden kann. Ein begründeter personeller Mehrbedarf ist in erster Linie durch personelle Umbesetzungen innerhalb der gesamten Bundesverwaltung auszugleichen. Die Bundesregierung wird ersucht, die dazu erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu treffen. Stellenhebungen sind künftig ohne eine wesentliche Veränderung des Arbeitsgebietes nicht mehr zuzulassen. 3. Angesichts neuer großer Aufgaben, die vor allem mit der Errichtung europäischer Behörden auf den Bund zukommen, ist die bisherige Organisation der obersten und der nachgeordneten Bundesbehörden sowie deren Stellenbedarf im Laufe der kommenden Jahre systematisch zu überprüfen. Bei dieser Überprüfung soll die Bundesregierung tunlichst den Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hinzuziehen, der sich dabei auch freier Sachverständiger bedinen soll. 4. Um hinreichend Zeit für eine gründlichere Erörterung der finanzpolitischen Hauptfragen zu gewinnen, sollten die fortdauernden und im wesentlichen gleichbleibenden Ausgabenansätze für die persönlichen und sächlichen Verwaltungsausgaben möglichst für jeweils zwei Jahre erörtert und bewilligt werden. Die Bundesregierung wird beauftragt, geeignete Maßnahmen zur Vorbereitung eines Zwei-Jahres-Rhythmus dieser Bewilligungen zur treffen. Bonn, den 30. Juni 1958 Niederalt Dr. Vogel Cillien und Fraktion Dr. Schild Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 8 Umdruck 136 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 300 Anlage, 463, 490) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß der von der Deutschen Bundesbahn für das Rechnungsjahr 1958 aufgestellte Wirtschaftsplan restlos finanziert wird, insbesondere a) zu veranlassen, daß die Finanzierungslücke aus den bereits vergebenen Aufträgen in Höhe von rd. 400 000 000 DM geschlossen wird, b) darauf hinzuwirken, daß die bisher zurückgestellten Aufträge in Höhe von rd. 295 000 000 DM in ihrer Finanzierung sichergestellt werden. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 9 Umdruck 137 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 hier: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit (Drucksachen 300 Anlage, 401, 490) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, 1. unverzüglich die Höhe der finanziellen Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Trägern der Rentenversicherung für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 festzustellen und dem Bundestag über das Ergebnis der Feststellungen zu berichten; 2. im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1959 einen angemessenen Teilbetrag zur Abdeckung der nach Ziffer 1 festgestellten Verpflichtungen zu veranschlagen. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion 2382 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 Anlage 10 Umdruck 138 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 300 Anlage, 468, 490) Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. A 1210 Bundesfernstraßen (Bundesstraßen und Bundesautobahnen) — wird folgender neuer Tit. 716 ausgebracht: „Tit. 716 Beiseitigung schienengleicher Übergänge 30 000 000 DM" und die Erläuterung wie folgt gefaßt: „Zu Tit. 716 Aus den Mitteln dieses Titels soll der nach dem Wegekreuzungsgesetz auf die öffentlichen Eisenbahnen entfallende anteilige Aufwand bestritten werden." Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 11 Umdruck 139 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau (Drucksachen 300 Anlage, 378, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 25 03—Förderung des Wohnungsbaues —1. In Tit. 620 — Prämien nach dem WohnungsbauPrämiengesetz (Drucksache 300 — Epl. 25 — S. 26) wird der Ansatz von 100 000 000 DM um 135 000 000 DM erhöht auf 235 000 000 DM. In den Erläuterungen zu Tit. 620 wird Satz 2 gestrichen. Zu Kap. A 25 03 — Förderung des Wohnungsbaues — 3. In Tit. 530 — Darlehen für den mit öffentlichen Mitteln geförderten sozialen Wohnungsbau a) Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des von den Ländern mit öffentlichen Mitteln geförderten sozialen Wohnungsbaues nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 523) — (Drucksache 300 — Epl. 25 — S. 31) wird der Ansatz von 630 000 000 DM urn 70 000 000 DM zugunsten der Wohnversorgung junger Ehen erhöht auf 700 000 000 DM. In den Erläuterungen zu Tit. 530 Buchstabe a wird Abs. 3 gestrichen. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Umdruck 140 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksachen 300 Anlage, 365, 490) . Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, bei den Stationierungsstreitkräften nachdrücklich für eine endgültige Zustimmung zu dem von den Gewerkschaften und der Bundesregierung abgeschlossenen Tarifvertrag für die bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigten deutschen Arbeitnehmer einzutreten. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 13 Umdruck 141 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Haushaltsgesetz 1958 (Drucksachen 300, 354 usw., 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. in Verhandlungen mit der Regierung der Französischen Republik den Termin der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes zu bestimmen, die notwendigen weiteren Eingliederungsgesetze dem Bundestag alsbald vorzulegen und die erforderlichen Verordnungen vorzubereiten; 2. in weiteren Verhandlungen mit der Regierung der Französischen Republik die Einfuhrrestriktionen für das Saarland, die auf französischen Maßnahmen beruhen, weiter zu mildern bzw. zu beseitigen; 3. zur Förderung des Absatzes saarländischer Produkte in der übrigen Bundesrepublik Maßnahmen durchzuführen, die beim Käufer Kaufanreize schaffen; 4. unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte die Gelder saarländischer Sparer vor Entwertung zu schützen; 5. dem Problem des zurückgehenden Kohlenabsatzes des Saarbergbaues in die übrige Bundesrepublik auch dadurch Rechnung zu tragen, daß die bundeseigenen Unternehmen und die vom Bund beeinflußten Betriebe angehalten werden, bei ihrer Bedarfsdeckung saarländische Kohle entsprechend zu berücksichtigen; 6. im Wirtschaftsplan der Bundesbahn die Planungskosten für die Elektrifizierung der Bahnstrecke Ludwigshafen (Pfalz)—Homburg (Saar) für das Geschäftsjahr 1958/59 einzusetzen. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 2383 Anlage 14 Umdruck 142 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 (Drucksachen 300, 354 usw., 490) hier: Krankenhausfinanzierung Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis zum 1. Oktober 1958 1. den durch Beschluß des Bundestages vom 24. Mai 1957 angeforderten Bericht über die Lage der öffentlichen, karitativen und privaten Krankenanstalten vorzulegen. Dabei soll die Bundesregierung auch ihre Auffassungen über eine ausreichende Finanzierung für die Errichtung, Erweiterung, Rationalisierung und laufende Unterhaltung von Krankenanstalten sowie über weitere Möglichkeiten zur Übernahme der diesen Anstalten entstandenen Kriegsfolgelasten darlegen; 2. gemäß Art. 120 GG den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Zuschüssen an die Träger der Sozialversicherung zur Deckung der Fehlbeträge vorzulegen, die sich für die stationäre Behandlung von Sozialversicherten aus der Verordnung über Pflegesätze von Krankenanstalten vom 31. 8. 1954 (Bundesanzeiger Nr. 173 vom 9. September 1954) ergeben. Der Gesetzentwurf soll nur für eine Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Maßnahmen gelten, die gemäß Ziffer 1 erforderlich werden; 3. den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrages zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1958 vorzulegen, durch den die Ausgaben gemäß Ziffer 2 veranschlagt werden. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 15 Umdruck 143 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 300 Anlage, 440, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 06 02 — Allgemeine Bewilligungen — 1. Die Bundesregierung wird ersucht, einen schriftlichen Bericht vorzulegen, warum die Zentralnachweisstelle in Kornelimünster noch nicht in die Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin-Wittenau eingegliedert worden ist. 2. Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend die Verhandlungen mit den Trägern des Instituts für Zeitgeschichte in München über eine Rechtsgrundlage für das Institut abzuschließen. 3. Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob für die entsprechenden evangelischen kirchlichen Stellen eine Regelung nach dem Vorbild der Dotationen für die katholischen bischöflichen Verwaltungen der ostdeutschen Diözesen jenseits der Oder und Neiße möglich ist. Bonn, den 30. Juni 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 16 Umdruck 144 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 300 Anlage, 401, 490). Der Bundstag wolle beschließen: Die Rentenversicherungsträger haben seit Jahren einen noch unerfüllten Rückerstattungsanspruch aus dem früheren § 90 des Bundesversorgungsgesetzes. Eine Regelung konnte wegen der mit diesem Fragenkomplex verbundenen Schwierigkeiten bisher nicht gefunden werden. Eine weitere Verzögerung läßt sich jedoch im Interesse der Rentenversicherungsträger nicht verantworten. Die Bundesregierung wird deshalb ersucht, die Regelung dieser Frage so zu beschleunigen, daß die in Frage kommenden Erstattungsbeträge im Haushaltsplan 1959 ihren Niederschlag finden. Bonn, den 1. Juli 1958 Cillien und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 17 Umdruck 145 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 300 Anlage,. 357, 490). Der Bundstag wolle beschließen: Zu Kap. 10 02 — Allgemeine Bewilligungen —In Tit. 675 — Beiträge an Internationale Organisationen — (Drucksache 357 S. 5) wird der Ansatz von 2 100 000 DM um 86 800 DM auf 2 186 800 DM erhöht. In den Erläuterungen zu Tit. 675 (Drucksache 300 — Epl. 10 — S. 55) wird die im Haushaltsausschuß gestrichene Nr. 17 „17. Zur Internationalen Naturschutzvereinigung, Brüssel 16 800 DM" wieder eingefügt. Nr. 18 wird wie folgt gefaßt: „18. Zur Ernährungs- und Landwirtschafts-Organisation der Vereinten Nationen (FAO), Rom 1 969 200 DM" Bonn, den 1. Juli 1958 Cillien und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 2384 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 Anlage 18 Umdruck 146 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 300 Anlage, 463, 490). Der Bundstag wolle beschließen: Der Bundesregierung wird empfohlen, 1. dem Deutschen Bundestag in Durchführung des Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vom 27. Juli 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 1189) bis zum 1. Dezember 1958 ein Programm für die Haushaltsjahre 1959 bis 1962 über einen Gesamtbetrag bis zu 7 000 000 000 DM vorzulegen, 2. den § 4 des Gesetzes vom 27. Juli 1957 so auszuführen, daß zur Finanzierung dieses Programms der in Abschnitt VII des Verkehrsfinanzgesetzes festgelegte Grundsatz maßgebend bleibt, 3. den Bürgschaftsrahmen von bisher 500 000 000 DM zur Finanzierung des Autobahnneubaues der Erweiterung des Ausbauplans anzupassen, 4. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit die Mittel für den Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen einschließlich der Leistungen an fremde Baulastträger losgelöst vom Rechnungsjahr nach Maßgabe des Baufortschrittes zur Verfügung gestellt werden, 5. durch Verhandlungen mit den Ländern darauf hinzuwirken, daß die Dienststellen der Straßenbauverwaltung mit den zur zügigen Durchführung dieses Programms erforderlichen Kräften ausgestattet und insbesondere private Ingenieurbüros zur Behebung von Engpässen eingesetzt werden, 6. durch Verhandlungen ferner darauf hinzuwirken, daß die Zusammenarbeit mit den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden auf der Grundlage dieses Programms noch enger gestaltet wird mit dem Ziel, durch geeignete Maßnahmen — u. a. durch Neuklassifizierung der Straßen des überörtlichen Verkehrs und sachgerechte Verteilung der Baulasten — ein in allen Teilen leistungsfähiges Gesamtnetz in der Bundesrepublik zu entwickeln, 7. zu prüfen, ob und inwieweit auch Gemeinden über 9000 Einwohner, denen die Baulasten von Ortsdurchfahrten von Bundesfernstraßen obliegen, einen Zuschuß erhalten können, damit der Ausbau der Ortsdurchfahrten mit dem der Bundesstraßen Schritt halten und auf diese Weise die Zahl der Unfälle in geschlossenen Ortschaften weiter gesenkt werden kann. Bonn, den 1. Juli 1958 Cillien und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 19 Umdruck 147 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltgesetzes 1958, hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 300 Anlage, 463, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundesregierung wird empfohlen, dem deutschen Bundestag entsprechend dem Vierjahresprogramm für den Straßenbau auch ein Vierjahresprogramm für den Ausbau der Binnen- und Seewasserstraßen des Bundes für die Haushaltsjahre 1959 bis 1962 vorzulegen. Bonn, den 1. Juli 1958 Cillien und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 20 Umdruck 148 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 300 Anlage, 463, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundesregierung wird empfohlen, in dem Programm über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Haushaltsjahren 1959 bis 1962 die dem Verkehr mit den Nachbarländern und den deutschen Seehäfen dienenden Anschlußstrecken der Bundesautobahnen sowie die Schließung der Autobahnlücke zwischen Frankfurt (Main) und Nürnberg bevorzugt zu berücksichtigen. Bonn, den 1. Juli 1958 Cillien und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 21 Umdruck 149 Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 300 Anlage, 357, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundesregierung wird empfohlen, bei landwirtschaftlichen Betrieben in Gebieten, die durch naturbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten benachteiligt oder deren Absatzverhältnisse durch die Entfernung vom Markt beeinträchtigt sind, die bisher von ihr getroffenen Maßnahmen im Rahmen des „Grünen Planes" zu verstärken. Zu diesen Gebieten sind vorab die Gebirgslagen, die Mittelgebirgslagen und die Küstengebiete zu zählen. Die Maßnahmen haben sich zu erstrecken auf Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 2385 a) Flurbereinigung, Aufstockung, Aussiedlung und wasserwirtschaftliche Maßnahmen unter Berücksichtigung der naturbedingten Vorbelastungen und der besonderen Notlagen, b) Erleichterungen bei den Vermögensabgaben, c) zusätzliche Zinsverbilligung bei Darlehnsaufnahmen, d) Verbesserung der landwirtschaftlichen Ausbildungsmöglichkeiten, e) Ausstattung der Betriebe mit baulichen Anlagen und technischen Arbeitshilfsmitteln zur Förderung der Arbeitsproduktivität. Bonn, den 1. Juli 1958 Logemann Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Bauknecht Höcherl und Fraktion Anlage 22 Umdruck 150 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 300 Anlage, 464, 490) Der Bundestag wolle beschließen: In Einzelplan 14 — Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung — sind die Gesamtausgaben um 3 000 000 000 DM zu kürzen. Bonn, den 1. Juli 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 23 . Umdruck 151 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 300 Anlage, 464, 490). Der Bundstag wolle beschliefen: In Kap. 14 12 Tit. 830 — Maßnahmen zur Unterbringung von nichtkasernierten Angehörigen der Bundeswehr und von Angehörigen der Bundeswehrverwaltung — wird in den Erläuterungen (Drucksache 300 — Epl. 14 — S. 160) hinter Buchstabe c folgender neuer Buchstabe e eingefügt: „e) zur Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes." Bonn, den 1. Juli 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 24 Umdruck 152 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurf des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau (Druckachen 300 Anlage, 378, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. A 25 03 — Förderung des Wohnungsbaues —In Tit. 830 (Drucksache 300 — Epl. 25 — S. 33) wird die Zweckbestimmung wie folgt gefaßt: „Wohnungsfürsorge für Verwaltungsangehörige des Bundes (ausgenommen der Wohnungsbau für die Angehörigen der Bundesbahn, der Bundespost, der Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung) a) durch Gewährung von Darlehen Bis zur Verwendung der Mittel dürfen bis zu 4 000 000 DM der Deutschen Bau- und Bodenbank AG unter der Bedingung gegeben werden, daß hieraus Bauvorhaben im Rahmen der Wohnungsfürsorge des Bundes vor- und zwischenfinanziert werden. b) durch Erstellung von bundeseigenen Wohbauten c) durch Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes aus Einsparung bei a)" Die Erläuterungen zu Tit. 830 werden wie folgt ergänzt: „Zu Unterteil c) : Die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen soll einem unangemessenen An steigen der Darlehenssätze in der Wohnungsfürsorge entgegenwirken." Bonn, den 1. Juli 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 25 Umdruck 153 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958. hier: Haushaltsgesetz 1958 (Drucksachen 300, 468, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, folgendes zu veranlassen: Das Rechnungsjahr 1959 wird um drei Monate verkürzt, läuft also vom 1. April 1959 his zum 31. Dezember 1959. Die folgenden Rechnungsjahre laufen jeweils vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Bonn, den 1. Juli 1958 Eilers (Oldenburg) und Fraktion 2386 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 Anlage 26 Umdruck 154 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 300 Anlage, 440, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Ausführung des Artikels 21 GG über die Rechtsstellung der Parteien (Parteiengesetz) bis zum 1. Januar 1959 vorzulegen. Bonn, den 2. Juli 1958 Dr. Mende und Fraktion Anlage 27 Umdruck 155 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 300 Anlage, 463, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß 1. der vom Bundesminister für Verkehr in der zweiten Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag vorgelegte Zehnjahresplan für den Straßenbau — soweit es sich um Autobahnen und Bundesstraßen handelt — unverzüglich realisiert und 2. bis zum 31. Dezember 1958 ein entsprechender Finanzierungsplan vorgelegt wird. Bonn, den 3. Juli 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 28 Umdruck 156 Entschließungsantrag der Fraktionen: der CDU/ CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Haushaltsgesetz 1958 (Drucksachen 300, 468, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Interesse einer Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Gesamtheit der Beteiligungen des Bundes, zum Zweck einer Verstärkung des Einflusses des Parlaments auf die Verwaltung dieser Beteiligungen, zur Beseitigung von Zweifelsfragen bei der Verwaltung und zur Förderung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen und vertretbaren Privatisierung bundeseigener Beteiligungen die in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 1955 geforderten Maßnahmen, soweit noch nicht geschehen, weiterzuführen und zu ergänzen. Insbesondere sollen folgende Einzelmaßnahmen raschestens erfolgen: 1. Der Bericht über den wirtschaftlichen Besitz des Bundes soll, wenn auch als Sonderdruck, so doch gleichzeitig mit dem Entwurf des Bundeshaushaltsplan vorgelegt werden. 2. Die in diesem Bericht enthaltene Rechnungslegung soll vervollständigt werden, auch durch Angaben über die Besetzung der Aufsichtsräte, Beiräte oder gleichwertiger Organe, der Vorstände und der Geschäftsführungen der Gesellschaften, bei denen Beteiligungen des Bundes bestehen. Dabei sind auch, entsprechend den Angaben in den Geschäftsberichten privater Aktiengesellschaften, Angaben über die Bezüge der Vorstände, Geschäftsführungen, Aufsichtsräte, Beiräte oder gleichwertiger Organe zu machen. 3. Die Beteiligungen bei den Sondervermögen, insbesondere bei der Bundesbahn, ferner bei den noch in Liquidation befindlichen Unternehmungen, sind in diesem Bericht in gleicher Weise aufzuführen und zu behandeln. Bonn, den 3. Juli 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 29 Umdruck 157 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, CDU/ CSU (Umdruck 149) zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 300 Anlage, 357, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Es wird folgender Buchstabe f angefügt: „f) Erhöhung des Auszahlungspreises für Qualitätsmilch und Verbilligung der Handelsdüngeranwendung." Bonn, den 3. Juli 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 30 Umdruck 158 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 32 - Bundesschuld, Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung, Haushaltsgesetz 1958 (Drucksachen 300, 466, 467, 468, 490) Der Bundestag wolle beschließen: Zu Einzelplan 32 - Bundesschuld 1. In Kap. A 32 01 Tit. 91 - Einnahmen aus Anleihen - (Drucksache 466 S. 3) wird der Ansatz Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 2387 von 1 752 046 800 DM um 50 000 000 DM auf 1 802 046 800 DM erhöht. Zu Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung 2. In Kap. 60 02 Tit. 699 - Minderausgaben zufolge der 6 v. H.-Sperre der Bewilligungen für Sachausgaben sowie für Allgemeine Ausgaben und Einmalige Ausgaben - (Drucksache 467 S. 4) wird der Ansatz von 682 230 500 DM um — 5 969 300 DM auf — 688 199 800 DM erhöht. Zum Haushaltsgesetz 1958 (Drucksachen 468, 490 S. 6) 3. § 1 erhält folgende neue Fassung: „§ 1 Der diesem Gesetz als Anlage beigefügte Bundeshaushaltsplan für ,das Rechnungsjahr 1958 wird in ,Einnahme und Ausgabe auf 38 723 742 900 Deutsche Mark festgestellt, und zwar im ordentlichen Haushalt auf 36 831 056 100 Deutsche Mark an Einnahmen und auf 36 831 056 100 Deutsche Mark an Ausgaben, im außerordentlichen Haushalt auf 1 892 686 800 Deutsche Mark an Einnahmen und auf 1 892 686 800 Deutsche Mark an Ausgaben." 4. In § 15 Abs. 2 (Kreditermächtigung) ist der Betrag von 1 842 686 800 Deutsche Mark um 50 000 000 Deutsche Mark auf 1 892 686 800 Deutsche Mark zu erhöhen. Bonn, den 4. Juli 1958 Dr. Vogel Dr. Conring Dr. Krone und Fraktion Dr. Schild Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 31 Umdruck 159 Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 300 Anlage, 412, 490). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. weiterhin mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß bei der Regelung der Frage der Rückerstattung des in den Vereinigten Staaten beschlagnahmten deutschen Privatvermögens die Grundsätze der Erklärung des Weißen Hauses vom 31. Juli 1957, wonach Privateigentum auch in Kriegszeiten unantastbar sein soll, gewahrt werden, 2. unter diesem Gesichtspunkt ihre besondere Aufmerksamkeit einem am 3. Juli 1958 angekündigten Gesetzentwurf zuzuwenden, wonach die beschlagnahmten deutschen Vermögenswerte lediglich zur Befriedigung amerikanischer Kriegsschädenansprüche verwendet werden sollen. Die Annahme eines derartigen Gesetzentwurfs durch den amerikanischen Kongreß wäre ein völliger Bruch der am 31. Juli 1957 gegebenen Zusage einer gerechten und billigen Entschädigung der deutschen Eigentümer. Bonn, den 4. Juli 1958 Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Dr. Krone und Fraktion Anlage 32 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Bading zu Einzelplan 10. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat an der Gestaltung des Landwirtschaftsgesetzes maßgebend mitgearbeitet und vielen anderen Gesetzen zur Förderung der Landwirtschaft zugestimmt, weil sie der Ansicht ist, daß die Landwirtschaft auch öffentlicher Mittel bedarf, damit sie sich in den Stand setzen kann, an der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesamtwirtschaft teilzunehmen und bei gleichen Leistungen den gleichen Ertrag wie die gewerbliche Wirtschaft zu erzielen. Die Förderungsmaßnahmen müssen daher insbesondere den Teilen der Landwirtschaft zugute kommen, in denen es den arbeitenden Menschen nachweisbar nicht gelingt, einen Ertrag zu erarbeiten, der in etwa einer anderen vergleichbaren Arbeit entspricht, d. h. den Betrieben, die sich in einer besonders schwierigen Lage befinden oder eine schlechte Betriebsstruktur aufweisen. Die sozialdemokratische Fraktion ist durchaus bereit, der Bereitstellung von Mitteln in der von der Bundesregierung vorgesehenen Höhe ihre Zustimmung zu geben unter der Voraussetzung, daß diese Mittel eine gezielte Verwendung finden. Diese Voraussetzung trifft für den vorliegenden Etat aber nicht zu. Die sozialdemokratische Fraktion hat daher eine Reihe von Änderungsanträgen in der zweiten Lesung gestellt, die eine sinnvolle Umgestaltung des Grünen Plans darstellen, aber sämtlich abgelehnt wurden, ohne daß die Bundesregierung und die für die Bundespolitik die Verantwortung tragende Partei der CDU/CSU zu ihnen sachlich Stellung genommen haben. Dabei betrachtet die Bundesregierung selber die Art der Verteilung der Mittel des Grünen Plans sehr skeptisch. Bei der Einbringung des Etats hat der Bundesfinanzminister erklärt, er habe ein ungutes Gefühl, weil er nicht wisse, ob die Düngemittelsubvention, für die bislang insgesamt über eine Milliarde ausgegeben worden ist, tatsächlich mehr der Landwirtschaft oder der Düngemittelindustrie zugute gekommen sei. Die Ausführungen des Bundesfinanzministers über den Etat des Landwirt- 2388 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 schaftsministeriums schließen mit den Worten, er wunsche nur, daß die Ausgaben mehr als bisher den strukturverbessernden Schwerpunkten und weniger den vielfältigen Preissubventionen zuflössen. In Anbetracht aller dieser Umstände sieht die sozialdemokratische Fraktion sich nicht in der Lage, dem Haushaltsplan des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ihre Zustimmung zu geben. Bonn, den 4. Juli 1958 Anlage 33 Schriftliche Stellungnahme der Abgeordneten Frau Kalinke zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 142 Die Deutsche Partei hat sich schon im 1. und 2. Bundestag für die Lösung des Krankenhausproblems eingesetzt und die gesetzlichen Grundlagen dafür gefordert. Wir begrüßen daher den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 142, in seinem ersten Teil und halten den Inhalt des zweiten Teiles des Antrages im Ausschuß für dringend diskussionsbedürftig. Die Veröffentlichungen und Diskussionen zu dem Problem haben deutlich gemacht, daß ein Rahmengesetz dazu beitragen könnte, die Krankenhausprobleme in Deutschland endlich zu lösen; es wird notwendig sein, im Ausland zu prüfen und festzustellen, in welcher Form eine endgültige Lösung noch von diesem Bundestag gefunden werden kann. Das wird um so besser zu erkennen sein, wenn die Bemühungen der Bundesregierung erfolgreich sind und wenn über die dringende Frage der „Deckung der Fehlbeträge" und der „Verordnung über die Pflegesätze" befriedigende Teillösungen herbeigeführt sein werden. Seuchen und Krankheiten, ihre Bekämpfung und ihre Heilung machen vor den Ländergrenzen nicht halt. Sie erfordern von der Maas bis an die Memel die gleiche Planung und, wenn auch nicht überall den gleichen Aufwand, die gleiche Ausstattung für Krankenhäuser, und nicht die gleichen Kosten. Ich habe immer gehofft, daß eine Koordinierung in dieser Frage wie in der leidigen Schulfrage über den Bundesrat möglich sei. Leider ist weder eine freiwillige Vereinbarung noch ein Lastenausgleich zwischen den Ländern nach den gegebenen Tatbeständen möglich. Es darf nicht verschwiegen, sondern muß vielmehr anerkannt werden, daß aus Landesmitteln wesentliche Zuschüsse für Frankenhausbauten gegeben worden sind. Mit mir werden sicher viele Kenner des Problems nicht geglaubt haben, daß es den Gemeinden nach dem unbeschreiblichen Zusammenbruch, nach den Kriegs- und Währungsverlusten, der Zerstörung und der Ausplünderung so vieler Krankenhäuser gelingen würde, den Mangel an Krankenhausbetten zu beheben, alte Häuser zu renovieren und neben Erweiterungsbauten neue Krankenhäuser zu bauen. Dafür muß allen Krankenhausträgern, die Initiative und Risikobereitschaft gezeigt haben, gedankt werden. Nicht erst durch die Stellungnahme anläßlich des Deutschen Krankenhaustages, nicht durch den Entschließungsantrag der SPD, sondern durch eine Fülle von immer wieder erhobenen Forderungen meiner Freunde und aus dem Kreis der Regierungsparteien ist auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, das große Problem der Kriegsfolgelasten und damit des Defizits der Krankenanstalten auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu setzen und nach Wegen zu suchen, nicht nur die Beziehungen zwischen den Krankenanstalten und den Sozialversicherungsträgern zu ordnen, sondern in diesem Zusammenhang auch die Probleme offen anzusprechen, die in der öffentlichen Diskussion oft zu einfach gesehen und zu vereinfacht behandelt werden. Der vom Ausschuß der Gesellschaft für sozialen Fortschritt veröffentlichte Bericht, der die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf den Plan gerufen hat, ist eine wichtige Quelle als Grundlage sachlicher Diskussion über das Problem, das nicht damit gelöst ist, daß die Krankenkassen das Defizit decken und damit die Last und die Entlastung der öffentlichen Hand auf die Sozialversicherten abgewälzt wird. Es fehlt wirklich alle Veranlassung dazu, gerade den Sozialversicherten, vor allem den Pflichtversicherten, Lasten aufzuerlegen, die Aufgaben der Allgemeinheit sind. Einigkeit besteht sicher bei allen Parteien und Gruppierungen, daß das Krankenhauswesen von heute und seine Träger nicht vergleichbar sind mit den Trägern (Kirchen, Stadtgemeinden, Industriebetrieben und Wohlfahrtsunternehmen) der Vergangenheit. Krankenhäuser werden nicht nur von denen benutzt, die Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, sie werden u. a. auch von einem nicht geringen Teil der freiwillig Weiterversicherten und Privatversicherten benutzt und auch von solchen, die weder versichert sind, noch Beiträge und Steuern bezahlen. Wenn die Krankenkassen mit einer gewissen Berechtigung nein sagen, wenn der Bund auf das Grundgesetz und die Zuständigkeit der Länder verweist, ist die Gefahr nicht gebannt, daß die Krankenhausversorgung der Kranken eines Tages noch mehr gefährdet sein wird. Das stammt nicht vor mir, sondern von der Vereinigung der Ortskrankenkassen, die schon 1954 festgestellt hat, daß das Dilemma der Krankenhäuser nicht dadurch gelöst werden kann, daß der Staat Zuschüsse an die Krankenkassen zahlt, sondern nur dadurch, daß die Zuschüsse an die Krankenhäuser gezahlt werden. „Staatszuschüsse an Krankenkassen würden den Versicherungsgedanken aufheben und die Umbildung der gesetzlichen Krankenversicherung in einen staatlichen Gesundheitsdienst einleiten." Dieser Auffassung kann niemand widersprechen, der Einsicht in die Zusammenhänge hat. Das Beispiel Niedersachsens zeigt, daß es auch ohne bundesgesetzliche Regelung möglich war, Millionen für den Ausbau und Neubau von Krankenanstalten zu investieren. Aber die Erfahrungen in Niedersachsen zeigen auch, daß die Zuschußgewährung Möglichkeiten eröffnet hat, Einfluß auf die bauliche Gestaltung und Inneneinrichtung der Krankenhäuser zu nehmen. Nun will ich in keinem Fall jeden Einfluß, jede Lenkung und Planung auf dem Sektor der Kran- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, .den 4. Juli 1958 2389 kenhauspolitik als ein Unglück ansehen. Aber ich betone ausdrücklich, daß jede finanzielle Hilfe, die Bund oder Länder geben, nicht dazu führen darf, den caritativen Anstalten Zwang aufzuerlegen, sie in ihrer Verantwortungsfreudigkeit einzuschränken. Auch bei den kommunalen Verbänden — Kreisen und Städten — sollte die Selbstverwaltung. nicht eingeschränkt werden. Daß diese Gefahr besteht, zeigt das Beispiel des Hessischen Landeswohlfahrtsverbandes und die schon 1953 — als wir dieses Problem schon zur Diskussion gestellt hatten — in Hessen ausgesprochene Forderung, daß der Landeswohlfahrtsverband „die Verwaltung sämtlicher kommunaler Krankenhäuser in Hessen übernehmen müsse". Die gleiche Forderung liegt auch auf der Linie früherer ministerieller Erlasse — sie verlangt von uns größte Aufmerksamkeit! Wie wichtig es ist, diese Zusammenhänge zu sehen, hat mir die Fernsehsendung und die Parteiwerbung der SPD in Nordrhein-Westfalen zum Landtagswahlkampf gezeigt. Es könnte neben dem gesunden Wettbewerb der Gemeinden und Parteien, Schulen, Schwimmbäder, Hochhäuser oder Krankenhäuser — je nach dem Hobby — zu fordern, eine nicht ungefährliche Entwicklung einsetzen, wenn im Krankenhauswesen keinerlei Planung besteht. Es besteht kein Zweifel, daß eine wahllose Anhäufung von Krankenanstalten in bestimmten Zentren und das Fehlen von Krankenanstalten in anderen Bezirken nicht im Sinne der Volksgesundheit und zum Wohl der Kranken ist. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, daß man bei den finanziellen Problemen der Krankenhäuser auch Etat und Bilanzen, die die Grundlage zur Errechnung von Selbstkosten sind, sehr verschiedenartig aufstellen und auslegen kann. Ich will hier auf diese Probleme der unterschiedlichen Etatisierung der Ausgaben z. B. für Schwestern nicht eingehen. Wenn die Meinung der Krankenhausgesellschaft, die Kosten sämtlich den Krankenkassen aufzuerlegen, etwa auch von den Gemeinden vertreten würde, könnte es geschehen, daß die gleichen Gemeinden, die ja Garantieträger für die Ortskrankenkassen sind, eines Tages mit sehr wesentlicheren Beträgen die Krankenkassen sanieren müssen, während sie unter Umständen mit geringeren Kosten ihre kommunalen Verpflichtungen gegenüber den Krankenhäusern erfüllen könnten. In dem gleichen Maße wenden sich die Krankenhäuser gegen Staatszuschüsse, weil sie den Grundsatz fürchten, daß der Geldgeber Macht und Einfluß ausübt. Die Abhängigkeit der Krankenhäuser vom Staat wäre aber ebenso unerfreulich wie die Abhängigkeit der Krankenhäuser von den Krankenkassen. Wer solche Forderungen erhebt, übersieht leicht Zusammenhänge mit Fernzielen der Sozialpolitik. Man kann auch auf Umwegen zu einer staatlichen Gesundheitspolitik kommen! In diesen Tagen sind die vielfältigen Ursachen der Überbelastung wie der Not der Krankenhäuser auch in einer Reihe von bedeutsamen Veröffentlichungen und Stellungnahmen geschildert worden. Ich meine nicht die Institutionen der Krankenhäuser und der Krankenkassen, ich meine vielmehr die Menschen, die nicht darunter leiden dürfen, daß wir eine längst überfällige Lösung dieses Problems nicht gefunden haben. Nicht leiden dart der Kranke, die überbelastete Krankenschwester, nicht leiden dürfen sämtliche Hilfskräfte des Krankenhauses, nicht leiden sollen die Ärzte. Nicht auf dem Rücken der Ärzte und des Pflegepersonals — in bezug auf ihre Bezahlung und ihre Arbeitszeit-- dürfen die Probleme des modernen Krankenhauses gelöst werden. Die so warm empfohlene Rationalisierung wird ohne Hilfe des Bundes und der Länder kaum erreicht werden. Wir werden daher alle Bemühungen unterstützen, die die Kostendeckung der Einrichtung und Modernisierung des Krankenhauses und des Krankenbedarfs und der Beseitigung der Zerstörungen, aber auch der Schuldzinsen, der Investitionen und der Wiedergutmachung bei unseren Krankenanstalten, wie die finanzielle Garantie für die Unterstützung der Aufgaben von Lehre und Forschung, von Krankenpflegeschulen und Lehranstalten für medizinisch-technische Assisteninnnen und Hebammen usw. regeln, und erwarten solche Klärung von den Vereinbarungen über die Pflegesätze, damit Klarheit auch besteht über die Übernahme der üblichen Kosten, die durch die Inanspruchnahme der Krankenhäuser durch die Kranken entstehen. Diejenigen, die die öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, in Anspruch nehmen, müßten grundsätzlich die Selbstkosten für ihren Aufenthalt, für die Arztbehandlung und die Pflege und Verpflegung übernehmen. Niemand würde auf den Gedanken kommen, die Kosten für den Bau von Schulen, Badeanstalten, Theatern und sonstigen Einrichtungen nur auf den Teil der Bevölkerung umzulegen, der sie in Anspruch nimmt. Die Gemeinschaft hat Pflichten. Wir sollten im Parlament dazu beitragen, daß alles versucht wird — insofern begrüßen wir auch den Absatz 2 des SPD-Antrages —, wenigstens einen Ansatzpunkt für die Lösung der Finanzprobleme zu finden. Wenn es im Rahmen des GG nicht gelingen sollte, mit dem Problem fertigzuwerden, würde ich auch vor einer Grundgesetzänderung im Interesse der endgültigen und ausreichenden Lösung nicht zurückschrecken. Eine solche Lösung müßte allerdings im Interesse der Versorgung der Kranken und der Erhaltung der Finanzkraft der Krankenanstalten rechtlich eindeutig begründet sein. Sie sollte organisatorisch einfach und finanzwirtschaftlich einwandfrei sein. Ich meine, daß eine solche Lösung auch der historischen Entwicklung Rechnung tragen und Garantie dafür geben muß, die Unabhängigkeit der Krankenhäuser insbesondere auch der caritativen und privaten Anstalten zu erhalten, die Einsatzbereitschaft der Ärzte und des Pflegepersonals nicht zu mißbrauchen. Sie muß auch die Garantie enthalten, die Selbstverwaltung der Gemeinden und der freien Träger von Krankenhäusern zu fördern und nicht zu gefährdeten. Meine politischen Freunde von der Deutschen Partei sind mit mir darin einig, daß wir nicht ein Krankenhausgesetz wollen, das auf Umwegen den staatlichen Gesundheitsdienst fördert. Wir sind ent- 2390 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958 schiedene Gegner jeder Ausdehnung von Staatsaufgaben und jeder unnötigen Übertragung von Staatslasten auf den Haushalt. Weil wir keine staatliche Gesundheitspolitik mit Ambulatorien und anderen Gesundheitszentren und ständig wachsende Apparate mit steigenden Ansprüchen an die öffentliche Hand wollen, halten wir die Lösung des Krankenhausproblems durch ein Finanzierungsabkommen mit den Ländern oder ein Finanzabkommen des Bundes für vordringlich, damit wir unsere Krankenhäuser in ihrer Vielfalt erhalten können und damit auch in Zukunft segensreiche Impulse von den deutschen Krankenhäusern ausgehen. Moderne und den Erfordernissen der Medizin entsprechende Krankenhäuser erhält man nicht durch platonische Erklärungen, sondern nur dadurch, daß wir endlich handeln. Insofern bin ich auch mit dem Kollegen Schellenberg einig. Die Fraktion der Deutschen Partei stimmt der Überweisung an den Ausschuß zu. Sie hofft, daß die Initiative der Bundesregierung nicht lange auf sich warten läßt. Bonn, den 4. Juli 1958
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um drei Anträge der Fraktionen der CDU/CSU, DP über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht betr. Volksbefragung. Es handelt sich um die Drucksachen 504, 505 und 506. — Widerspruch erfolgt nicht. Die Anträge liegen Ihnen vor. Wann sollen sie behandelt werden?

(Abg. Rasner: Im Anschluß an die Haushaltsberatung!)

— Im Anschluß an die Haushaltsberatung.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. Juni 1958 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages der 2. Wahlperiode in seiner 213. Sitzung über
die Vereinigung der Kassengeschäfte des Bundes im Raume Bonn bei der Bundeshauptkasse als Einheitskasse,
die Einrichtung von Einheitskassen im übrigen Bundesgebiet, die Zentralisierung der Gehaltszahlungen im Raume Bonn hei der Besoldungsstelle der Bundesfinanzverwaltung in Bad Godesberg
berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 508 verteilt.
Wir treten in die Tagesordnung ein:
Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468)
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung (Drucksache 490) (Erste Beratung: 20. Sitzung, zweite Beratung: 34., 35. und 36. Sitzung).
Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Als letztes Kapitel ist die Innenpolitik geblieben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0304000100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Innenministerium gibt als Verfassungsministerium und Verwaltungsministerium zu einigen Bemerkungen Anlaß. Wegen der Kürze der Zeit muß ich mich auf das Wesentliche beschränken. Man müßte bei einem Verfassungsministerium annehmen, daß es sein Verhältnis zum Parlament so gestaltet, daß es für alle anderen Ministerien vorbildlich ist, und man müßte bei dem Innenministerium als Verwaltungsministerium davon ausgehen, daß es seine Verwaltungsorganisation so aufbaut und seine beamtenrechtlichen Entscheidungen so trifft, daß es ebenfalls für alle anderen Ministerien Vorbild ist. Beides ist jedoch nicht der Fall.
Zu den wesentlichsten Rechten und Pflichten des Ministers gehört es, den Haushalt nicht nur im Plenum, sondern auch im Haushaltsausschuß zu vertreten. Der Herr Innenminister als Verfassungsminister war wohl der einzige der Bundesminister, der nicht einmal im Haushaltsausschuß erschienen ist, um seinen Haushalt zu vertreten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der Herr Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat im März 1958 ein umfangreiches, sehr wichtiges und gutes Gutachten über die Organisation und die Wirtschaftlichkeit des Ministeriums abgegeben. Dieses Gutachten lag dann zwei Monate im Ministerium. Man hat nur oberflächlich und nichtssagend dazu Stellung genommen, hat es zwei Tage vor der Beratung dem Ausschuß zugeleitet und hat auf diese Weise dazu beigetragen, daß nicht einmal die Ausschußverhandlungen ordnungsgemäß vorbereitet wurden.
In dem Ihnen allen vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans ist nicht einmal ein Stellenplan des Innenministeriums enthalten. Aber auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses haben erst am Morgen der Beratung diesen Stellenplan in die Hand bekommen. Eine wirkliche Überprüfung war überhaupt nicht möglich. Offenbar war der Herr Innenminister der Ansicht, der Haushaltsausschuß habe ohnedies nur ja zu sagen; denn als dieser Ausschuß daran ging, die Berechtigung der Ansprüche und der Vorschläge zu prüfen, da entrang sich dem Herrn Staatssekretär Ritter von Lex der Ruf: „Ja, meine Herren, wenn Sie das nicht genehmigen, dann muß ich meinen Minister herbeirufen." Offensichtlich meint man, daß, wenn der Herr Minister erscheint und seinen Haushalt nicht vertritt, sondern ihn mehr oder weniger durchsetzt oder gar anordnet, dann die Dinge in Ordnung sind. Der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat schon im Dezember 1957 dem Innenministerium den wesentlichen Inhalt des Gutachtens bezüglich der Personaleinsparungen vorgetragen, damit es bei der Aufstellung des Haushalts und bei seiner Vertretung berücksichtigt werden



Dr. Schäfer
könnte. Dennoch hat man praktisch, um den in dem Gutachten getroffenen Feststellungen nicht nachkommen zu müssen, die Beförderungen vorgenommen und damit das Gutachten sabotiert. Natürlich konnte man sich darauf berufen, daß man formal-rechtlich durchaus dazu berechtigt war, in Vollzug des Haushaltsplans 1957 die Beförderungen durchzuführen.
Ein gleiches Verfahren zeigte sich gestern im Haushaltsausschuß. Der ganze Haushaltsausschuß einschließlich der CDU-Mitglieder nahm mit Verwunderung eine dicke Liste des Innenministeriums mit ungefähr 1000 Planstellenänderungen und -hebungen zur Kenntnis, die formal-rechtlich auf der Durchführung des § 18 b des 131er Gesetzes beruhen. Bei der Haushaltsberatung war aber von dem Verfassungsministerium kein Wort dazu vorgetragen worden, daß diese auf Grund des Gesetzes entstandenen Forderungen und Änderungen doch einen wesentlichen Einfluß auf die gesamten Planstellen haben werden.
Aber nicht nur der Stil, in dem man mit dem Parlament verkehrt — ich spreche nicht von der SPD, sondern ich spreche vom Parlament ist zu beanstanden. Man geht auch über Beschlüsse des Parlaments hinweg, ja, man mißachtet sogar in einigen Dingen rundweg die Verfassung. Hierzu einige Beispiele.
Mit Erlaß des Bundesministeriums des Innern vom 10. November 1955 ist die Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten errichtet worden. Das Bundesministerium ist auf Grund seiner Organisationsgewalt zur Schaffung von Bundesoberbehörden nicht berechtigt. Dazu bedarf es eines Gesetzes. Das hat man in der Zwischenzeit auch zugegeben. Man hat eine Gesetzesvorlage gemacht; ich darf auf die Drucksache 405 verweisen.
Obwohl man das wußte, hat man das gleiche noch einmal praktiziert. Man hat am 6. Juli 1957 die Bundesdienststelle für zivilen Bevölkerungsschutz errichtet und erst in diesem Jahr eine Gesetzesvorlage gemacht — Drucksache 131 —, um das nachträglich wieder bereinigen zu lassen.
Oder ein anderer Fall. Der Bundestag hat am 29. Mai 1957 durch Beschluß die Bundesregierung beauftragt, alles zu tun, um die Außenstelle des Bundesarchivs in Kornelimünster aufzulösen und die Materialien teils nach Koblenz zum Bundesarchiv, teils zur Wehrmachtsauskunftsstelle nach Berlin zu verlagern. Diesem Beschluß wurde bis heute nicht Rechnung getragen. Es mutet etwas sonderbar an, wenn man sich im Jahre 1958 darauf beruft, die Franzosen seien nicht einverstanden; sie drohten mit dem Abzug von wertvollem Material, das sie als Beutegut behandeln.
Ein letztes Beispiel. Dieser Bundestag hat das Ministerium beauftragt, das Institut für Raumforschung in Bad Godesberg und die sachlich damit zusammenhängende Bundesanstalt für Landeskunde in Remagen zusammenzulegen. Das hat man getan. Aber es mutet wie Hohn an, wie man es getan hat. Man hat die beiden nämlich in einem Hause untergebracht und hat die Selbständigkeit beider Behörden aufrechterhalten. So kann man Beschlüsse des Bundestages nicht durchführen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Diese Art der Ignorierung von Beschlüssen des Bundestages ist für ein Verfassungsministerium sehr schwerwiegend. Wir haben Grund, diese Handlungsweise wirklich ernsthaft zu rügen.
Zur Organisation des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden darf ich kurz folgendes ausführen. Es ist bedenklich und mit den Forderungen nach einer sparsamen Verwaltung nicht vereinbar, wenn man aus dem Aufgabenbereich des Innenministeriums einzelne Aufgabengebiete herausnimmt, sie nicht nur anderen Ministerien zuweist, sondern daraus selbständige Ministerien macht, wie das Sonderministerium für Familien- und Jugendfragen. Wir erleben sehr deutlich, wie das vor sich geht. Was bisher Referat war, will nun Abteilung werden, wo man bisher mit einer Nebenverwaltung auskam, soll nun eine allgemeine Verwaltung hinzukommen. Wir müssen mit allem Nachdruck fordern, daß solche Sonderministerien, die aus wahltaktischen Manövern oder aus koalitionsarithmetischen Überlegungen entstanden sind, nicht so gefestigt werden, daß sie eines Tages geradezu als institutionell in Erscheinung treten.

(Beifall bei der SPD.)

Der Aufbau des Ministeriums selbst entspricht nicht in allen Punkten den Forderungen, die wir an eine wirkungsvolle und sparsame Verwaltung stellen müssen. Der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit kam selbst zu der Feststellung, daß man nicht sieben Abteilungen in diesem Ministerium braucht, sondern nur sechs, nicht elf Unterabteilungen, sondern nur neun und nicht 95 Referate, sondern nur 74. 21 Referate zuviel in einem Ministerium!
Wenn man die Dinge überprüft — und ich habe mir die Mühe gemacht, das zu tun —, dann kommt man zu der Feststellung, daß viele Fragen, die eigentlich nur einheitlich und sachlich zusammenhängend behandelt und bearbeitet werden können, in verschiedenen kleinen Referaten bearbeitet werden, und diese kleinen Referate greifen dann über ihr Referat wieder hinaus, um des Zusammenhangs wegen die Dinge mitzubearbeiten. Wenn diese kleinen Referate irgendeine Aufgabe hinzubekommen, dann vergrößern sie sich sehr schnell, und sie tun alles dazu, ihren Stand dann zu halten.
Wir dürfen bei dieser Betrachtung doch wohl davon ausgehen, daß die Vielzahl der Gesetze, die nach 1949 erlassen werden mußten, in der Zwischenzeit auch tatsächlich erlassen wurden. Demnach kann man davon ausgehen, daß viele Referate zusammengelegt werden können; denn sie haben über Jahre hinaus keine echte Gesetzgebungsfunktion, sondern nur eine beobachtende und eine materialsammelnde.
Man wird auch prüfen müssen, ob dieses Ministerium die Verwaltungsaufgaben, die es z. B. für den Bundesgrenzschutz noch durchführt und die nicht in das Ministerium gehören, nicht abgibt, ob dafür nicht eine Bundesoberbehörde geschaffen wird.



Dr. Schäfer
Ein Wort zu diesen Bundesoberbehörden! Man sollte annehmen, daß dadurch Personal eingespart wird. Aber wenn man dann genau hinsieht, stellt man fest, daß das gar nicht der Fall ist. Wir sind durchaus der Ansicht, daß die Leiter dieser Bundesoberbehörden, die Präsidenten, in A 16 oder B 2 eingestuft sein sollen; wir sehen aber nicht ein, daß noch einmal besondere Vizepräsidenten geschaffen werden, und sehen nicht ein, daß jede Bundesoberbehörde noch einmal zusätzlich eine allgemeine Verwaltungsabteilung bekommt, wenn nicht gleichzeitig beim Innenministerium die entsprechenden Einsparungen erfolgen.
Was zentral bearbeitet werden kann, soll auch zentral bearbeitet werden. Demgemäß hat der Haushaltsausschuß im letzten Jahr die Erwartung ausgesprochen, daß sich im Jahre 1957 auch das Innenministerium an die zentrale Besoldungsstelle in Mehlem anschließe. Aber das Ministerium hat einmal mehr den Beweis erbracht, daß es auf Beschlüsse des Parlaments nicht viel gibt; denn man hat dazu erklärt, man müsse erst prüfen, ob diese Sache verwaltungsmäßig auch in Ordnung sei, ob auch tatsächlich entsprechende Einsparungen einträten, obwohl man in diesem Hause ganz genau weiß, daß seit Jahrzehnten der Nachweis dafür erbracht ist und daß der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit nicht umsonst diesen Standpunkt vertreten hat.
Bezüglich des Ministeriums selbst darf ich nur noch auf einen Punkt hinweisen, der uns die nächsten Jahre wahrscheinlich beschäftigen wird. Der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit — es ist also nicht meine Meinung allein — kommt zu der Feststellung, daß die vom Parlament genehmigten Planstellen häufig von Beamten besetzt werden, deren eigene Dienstposten niedriger bewertet sind, aber aus irgendwelchen Gründen werden die Betreffenden dennoch befördert. Das führt zwangsläufig zu Unzufriedenheit der zu Unrecht übergangenen Beamten und zu einem stetigen Bestreben, die Stellen zu heben.
Aber ich darf noch auf etwas anderes hinweisen. Dieses Haus hat letztes Jahr das Bundesbesoldungsgesetz beschlossen und hat sich damit vorbehalten, die Stellenbewertung selbst vorzunehmen. Deshalb in § 21 Abs. 2 die Bezugnahme auf den Stellen- und Organisationsplan des Haushaltsgesetzes. Wenn nun die Verwaltung abweichend von diesem Beschluß des Parlaments andere Beförderungen vornimmt, entstehen Rechtsansprüche dieser Beamten, die auf den höherwertigen Stellen sitzen. Ich glaube, wir müssen hier feststellen, daß wir bei jedem Fall, in dem diese Rechtsansprüche entstehen, nachprüfen werden, inwieweit die Verwaltung die Beschlüsse des Parlaments mißachtet hat, und wir werden dann auch nachprüfen müssen, inwieweit die verantwortlichen Minister dafür regreßpflichtig gemacht werden müssen.

(Abg. Erler: Sehr wahr!)

Im Innenministerium wird man auch das recht enge Spezialistentum dadurch auflockern müssen. daß man zweckmäßige Versetzungen vornimmt.
Und nun eine recht betrübliche Feststellung, die ich wörtlich aus dem Gutachten des Bundesbeauftragten wiederholen darf. Er kommt zu der Feststellung:
Kräfte des höheren Dienstes nehmen Aufgaben wahr, die von Angehörigen des gehobenen Dienstes erledigt werden könnten,

(Abg. Erler: Hört! Hört!)

und Kräfte des gehobenen Dienstes führen vielfach Arbeiten aus, die zu den Obliegenheiten der Bürohilfskräfte gehören.

(Erneutes Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, für das Ministerium, das für die Angelegenheiten der Bediensteten in der öffentlichen Verwaltung federführend ist, ist das ein recht schwerer Vorwurf. Das beanstandete Verfahren bedeutet praktisch die Abwertung der gesamten Arbeit; es bedeutet praktisch einen stets von neuem systematisch erzeugten Druck auf das Parlament, weitere Beförderungen zu genehmigen.
Dann ein Wort zu einer Sache, die uns doch zu denken geben müßte. Das Innenministerium ist an 342 Beiräten und Ausschüssen beteiligt. 342! Häufig liegt die Geschäftsführung für diese Ausschüsse und Verbände bei den einschlägigen Referaten des Innenministeriums. Nun, wir haben sicherlich manchmal ein Interesse, an einer Verwaltung beteiligt zu sein. Aber wir müssen hier sehr genau unterscheiden, ob es sich um die Verwaltung von Interessenverbänden oder gar Interessentenverbänden handelt oder ob es sich um eine staatliche Verwaltung oder eine Selbstverwaltung handelt. Das, was als Selbstverwaltung gemacht werden kann, verdient immer den Vorzug. Aber dann ist es nicht richtig, daß die Geschäftsführung im Innenministerium liegt; dann ist es eine versteckte Unterstützung durch den Staat, indem der Geschäftsführer vom Staate aus bezahlt wird; oder — was uns viel mehr interessieren muß — dann ist es praktisch eine Nebenverwaltung, die die Einflüsse der Interessengruppen ganz ungerechtfertigt vermehrt und dazu führt, daß diese ganze Nebenverwaltung der Kontrolle des Parlaments entzogen ist. Eine sehr bedenkliche Entwicklung in diesem Ministerium! Es wird wohl gut sein, wenn der Herr Innenminister diesem Hause gelegentlich — es wird nicht auf Anhieb heute möglich sein — sehr klar darüber berichtet, damit wir hier nicht eine Entwicklung bekommen, die wir wirklich nicht wünschen können.
Ein Wort noch zur Gesetzgebungsarbeit des Bundesinnenministeriums in dieser dritten Wahlperiode. Das ist eigentlich beängstigend, wenn man das betrachtet. Man hat zunächst einige alte, überholte Gesetzentwürfe dem Bundestag zugeleitet, um ihn zu beschäftigen. Man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, diese Gesetzentwürfe auf den neuesten Stand zu bringen. Sie sind häufig völlig falsch. Es sind nicht einmal die neuesten Landesgesetze darin zitiert. Es sind nicht einmal die Entwürfe umgearbeitet. Es ist nichts berücksichtigt, was in den letzten ein oder zwei Jahren irgendwie neu erschienen ist. Das ist eine recht sonderbare Art, das Parlament mit Arbeit zu versorgen.



Dr. Schäfer
Dort aber, wo Eile am Platz gewesen wäre, nämlich auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts, hat man sich recht viel Zeit gelassen. Die Fraktion der SPD hat bereits am 28. November 1957 einen Entwurf zum Lebensmittelgesetz vorgelegt. Der Herr Innenminister hat dann bei der ersten Lesung im Plenum wörtlich erklärt:
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat die Regierung hier überrundet. Sie ist uns in der Fixigkeit also offensichtlich überlegen gewesen. Ob sie uns in der Richtigkeit überlegen sein wird, das bleibt abzuwarten.
Dann kam dieser Gesetzentwurf, und zwar, wie es in der Presse hieß, nach heftigen Auseinandersetzungen. Dieser Gesetzentwurf brachte aber nichts von dem, was in den Ausschüssen des letzten Bundestages erfreulicherweise bereits erarbeitet worden war, und nichts von dem, was die ganze Öffentlichkeit mit Recht verlangte. Dieser Gesetzentwurf — ich will auf ihn nicht im einzelnen eingehen — schränkt das Verbotsprinzip bei den Fremdstoffen ein, weil er auf die generelle Einbeziehung der Behandlungsverfahren in das Gesetz verzichtet. Er verzichtet auf die Pflicht zur Kennzeichnung von Fremdstoffen, obwohl alle Verbraucherorganisationen, alle Frauenorganisationen sie fordern. Er bringt keine befriedigende Kontrolle der importierten Lebensmittel.
Was aber wahrscheinlich ebenso wichtig ist: Mit Hilfe der Koalitionsparteien — meine Damen und Herren, ich muß es sagen — hat man die Behandlung so verzögert, daß dieses Gesetz jetzt vor den Parlamentsferien nicht mehr verabschiedet werden kann, obwohl es wirklich dringlich ist und man nicht nur wegen des Nitritskandals darauf drängen sollte, daß dieses Gesetz erlassen wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Kennzeichnungspflicht steht doch darin!)

— Wenn Sie aufgemerkt haben, haben Sie auch gehört, was ich dazu sagte.
Bei dieser Gelegenheit auch noch eine kleine Bemerkung zur Bundeszentrale für Heimatdienst. Sie wissen, meine Damen und Herren, bei der Bundeszentrale für Heimatdienst gibt es ein Kuratorium, bestehend aus Mitgliedern dieses Hauses. Die Fraktion der SPD hat schon im letzten Jahr ihre Mitglieder benannt. Bis heute ist dieses Kuratorium nicht einmal zusammengetreten; das Bundesministerium des Innern hat es bis heute nicht einberufen, und das heißt praktisch bis Oktober.

(Abg. Erler: Hört! Hört!)

In dieser wichtigen Institution arbeitet man mindestens ein Jahr noch ohne jede Beratung. Ich will gar nicht einmal sagen: ohne Kontrolle. Aber man läßt ein Jahr lang niemanden auch nur einmal hineinschauen. Auch das darf als symptomatisch betrachtet werden.
Das Ministerium hat im letzten Jahr eine Kommission zum Studium der Frage des Rechtes der Parteien berufen. Vor wenigen Tagen ist ja das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Unterstützung der Parteien ergangen. Man kann sich jetzt von seiten der Regierung nicht mehr darauf berufen, daß irgendwelche Hinderungsgründe entgegenstehen, der Vorschrift des Art. 21 Abs. 3 des Grundgesetzes folgend diesem Hause einen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir dürfen erwarten, daß das rechtzeitig geschieht, damit er in diesem Bundestag noch behandelt werden kann.
Ich sagte vorhin, man habe sich mit den Gesetzentwürfen sehr viel Zeit gelassen. Nur einen Gesetzentwurf, den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für den zivilen Bevölkerungsschutz, hat man vorgebracht. Er kam dann auch zur Beratung, aber hier im Hause noch nicht zur Verabschiedung. Meine Damen und Herren, bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs und bei der Beratung des Einzelplans 36 im Haushaltsausschuß hat man mit Erschütterung feststellen müssen, daß im Bundesministerium des Innern keinerlei klare Vorstellungen darüber bestehen, was an zivilem Bevölkerungsschutz heute möglich und durchführbar ist. Ich darf mich auf den Herrn Bundesfinanzminister beziehen. In der zweiten Lesung hat unsere Kollegin Frau Renger diese Sorgen vorgetragen. Der Herr Bundesfinanzminister sagte dazu sehr klar — und ich bin ihm für diese Feststellung dankbar —, man könne dieses Jahr das Geld nicht ausgeben; zuerst müßten die personellen, organisatorischen und planmäßigen Voraussetzungen geschaffen werden. Das ist es, was wir dem Innenministerium vorzuwerfen haben. Nicht eine der Fragen, die wir gestellt haben, konnte befriedigend beantwortet werden. Ich habe Herrn Ritter von Lex damals gesagt, ich werde sie im Plenum wiederholen, und wir erwarten vom Innenministerium eine Antwort auf diese Frage.
Warum wurde das Luftschutzprogramm der letzten drei Jahre, das als Dreijahresprogramm vorgelegt wurde, nur zu 20 % erfüllt? Warum wird dem Volke und dem Parlament nicht eine klare Analyse über die Gefahren eines Krieges für die zivile Bevölkerung gegeben? Man tut so, als ob. Man streut dem Volke Sand in die Augen, um — psychologisch — es schlummern zu lassen, damit es nicht die Kehrseite dessen sieht, was man tatsächlich heute hier macht.

(Beifall bei der SPD.)

Welche Möglichkeiten glaubt die Regierung zu sehen, um diesen Gefahren zu begegnen? Das hat man in der Öffentlichkeit einmal zu sagen. Mit welcher Organisation, mit welchen Kräften will sie diese Aufgabe durchführen? Welche Maßnahmen sollen im einzelnen getroffen werden? Wie sollen die Versorgungsanlagen, die Industrieanlagen geschützt werden, und wie will man die Mittel dafür aufbringen? Denn es handelt sich doch um rund 50 Milliarden, die man dazu braucht.
Meine Damen und Herren, eine Regierung, die in diesem Jahre allein 10 Milliarden für Aufrüstung ausgibt und kein durchführbares Programm für den Bevölkerungsschutz hat, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie ihren Pflichten nicht gerecht wird.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)




Dr. Schäfer
Und einem Minister, dem die Aufgabe obliegt und der sie nicht energisch anfaßt, muß unterstellt werden, daß er diese Aufgabe nicht lösen kann oder nicht lösen will.
In den letzten Wochen hat der Herr Bundesinnenminister hier immer wieder eine Formulierung gebraucht, der ich nachgegangen bin. Er sprach wiederholt von der „legalen Regierung". Diesen Begriff findet man in keinem rechtswissenschaftlichen Buch der Neuzeit, und man findet ihn auch sonst kaum. Aber ich hatte Glück; ich habe ihn jetzt doch so ungefähr gefunden. Aber da muß man in die Interna der Verwaltung einsteigen, nicht der Verwaltung unter der Verantwortung des Herrn Bundesministers des Innern, aber des Herrn Bundesministers für Verteidigung. Uns wurde ein Heft „Information für die Truppe" übergeben. Es ist die offizielle Information für die Truppe. Auf ausdrückliches Befragen im Ausschuß wurde gesagt: Das ist nicht irgend jemand; das ist das Verteidigungsministerium, dafür steht der Herr Bundesverteidigungsminister politisch gerade. Ausgerechnet im Heft vom 17. Juni ist über „Parteien und Gewerkschaften in der Bundesrepublik" einiges gesagt. Es ist schrecklich banal, aber ich muß es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten doch vorlesen, denn es gibt so in etwa einen Einblick, welche Gedankengänge heute offensichtlich in Kreisen von Bundesministern Geltung haben. Dort ist gesagt:
Die großen Machtträger.
Ein Staat übt seine Macht selten in völliger Souveränität aus. Sein Wille entsteht aus der Mitwirkung und Berücksichtigung der in ihm tätigen „Kräfte", der großen Machtträger, unter denen in den modernen Massendemokratien die Parteien und Gewerkschaften eine besondere Rolle spielen.
Man unterscheidet also gleich von vornherein: Da steht der Staat, und daneben stehen diese Kräfte, denn es geht dann weiter:
Die Träger der Macht stehen in ganz verschiedenen Verhältnissen zum Staat:
- und nun recht interessant —
sie können Organe des Staates sein, wie die Bürokratie, die Polizei und die militärischen Streitkräfte; sie können eine vom Staat unabhängige Existenz haben wie die Kirchen, . . . Sie können aber auch Bünde von Staatsbürgern sein, . . . wie die Parteien, . . .
- und nun kommt der entscheidende Satz —
Diese „Kräfte" sind nicht alle gleich alt. Sie kommen und vergehen. Nach einer alten geschichtlichen Erfahrungsregel und nach dem politischen „Grundsatz der Aushilfe" (Subsidiaritätsprinzip) übernehmen sie ihre Rollen, wenn der Staat noch unterentwickelt ist oder ausfällt.
Dann kommt ein Beispiel aus dem Mittelalter mit halber Wahrheit.
Meine Damen und Herren, was sagt das? Der Herr Bundesinnenminister ist offensichtlich der Ansicht: Die legale Regierung ist die Bundesregierung, sie ist die absolute Vertretung; daneben besteht — sie einengend — das Parlament, daneben außerdem -
wieder als eine der einengenden Kräfte — die Bürokratie.
Meine Damen und Herren, Sie klatschen Beifall, wenn der Herr Bundesinnenminister die Fraktion der SPD nicht so behandelt, wie sie es erwartet. Aber vergessen Sie nicht: er behandelt damit nicht nur einen Teil, sondern das ganze Haus schlecht!

(Beifall bei der SPD. — Abg. Kunze: Na, na!)

Wir wissen doch alle aus Erfahrung: wem es wirklich ernst um die Demokratie ist und wer willens ist, sie zu praktizieren, zeigt das nicht gegenüber seinen Freunden, sondern gegenüber seinen politischen Gegnern; und so wie man mit der Rückendeckung seiner Freunde die Gegner behandelt, so ist man im Zweifel auch willens und fähig, seine eigenen Freunde zu behandeln. Deshalb haben wir ernste Sorge, wenn wir die Entwicklung in diesem Ministerium unter diesem Minister betrachten. Wir erfüllen in der Opposition unsere Pflicht, wenn wir auf diese Dinge unnachsichtig hinweisen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben in diesem Hause die Macht, es zu ändern; und es ist Ihre Pflicht!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304000200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0304000300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn am letzten Tag der Haushaltsberatung schon zu Anfang der Aussprache der Haushalt des Innenministeriums eine eingehende Würdigung erfährt, so weist das bereits auf die Bedeutung hin, die das Innenministerium in unserem gesamten demokratischen Leben hat. Mein Herr Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, daß das Innenministerium das Organisationsministerium, das Verfassungsministerium ist. Des weiteren wurde auf das ausgezeichnete Gutachten aufmerksam gemacht, das von dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit vorgelegt wurde. Mit Freude habe ich gehört, daß dieses Gutachten, das vom Bundesrechnungshof - als „Sparkommissar" für den Bund — erstattet wurde, nicht das einzige ist, sondern daß noch andere Gutachten vorliegen.
Während der Ausschußberatungen über den Haushalt habe ich über die Haltung, die vom Haushaltsausschuß bei der Behandlung von Stellenplanwünschen eingenommen wurde, etwas anderes mit Freude gehört. Ich darf den Ausdruck aufgreifen, der darüber in der Presse gebracht wurde. Der Haushaltsausschuß bekam die schöne Bezeichnung „Streichorchester". Das Streichorchester war in diesem Fall so voller Harmonie, daß man von unisono sprechen kann; es war ein völliger Einklang: I So kann es nicht weitergehen!
Dies war auch der Grundton des Gutachtens, das vom Bundessparkommissar erstattet wurde und worauf mit Recht mein Vorredner, Herr Kollege Schäfer, hinwies: So kann es nicht weitergehen!



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Es kommt nun darauf an, daß die Gutachten befolgt werden. Ich sehe nun ,den Antrag der CDU/ CSU auf Umdruck 135, der in der Presse eingehend besprochen wurde. Es freut mich, daß die seit Jahren vorgetragenen guten Ideen der Freien Demokraten endlich bei Ihnen gezündet haben.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Kollegen vom Baden-Württembergischen Landtag werden Ihnen bestätigen, daß wir die hier niedergelegten Grundsätze seit Jahr und Tag vertreten haben.
Meine Damen und Herren, ich darf aber noch eine betrübliche Erfahrung aussprechen. Es nützen uns alle Anträge nichts, es nützen uns alle Entschließungen nichts, es nützen uns alle Gutachten nichts, wenn Sie, vor allen Dingen Sie, meine Kollegen von der CDU und CSU, nachher nicht auch die praktischen Konsequenzen daraus ziehen. Leider gibt Ihre bisherige Haltung in den Länderparlamenten keinen Grund, im Hinblick auf die Durchsetzung dieser Gutachten und auch des Antrags Umdruck 135 allzu großen Optimismus zu haben. Das Land Bayern — jetzt muß ich vor allen Dingen die selbständige CSU ansprechen — hat sich ein ausgezeichnetes Gutachten über die Verwaltungsvereinfachung in Bayern erstatten lassen. Im Laufe der Debatte war der frühere Minister Zorn wiederholt als ausgezeichneter Fachmann zitiert worden. Und wie ist nun diese so wertvolle Arbeit vom Bayerischen Landtag behandelt worden, und zwar unter der jetzigen Regierung, in der doch die CSU die absolute 1 Majorität hat!
Meine Damen und Herren, das wurde kaum zur Kenntnis genommen und ad acta gelegt, und es ist nichts aus den Vorschlägen ,geworden.

(Zuruf von ,der CSU: Sie wissen ja gar nicht, wie die Verhältnisse in Bayern liegen!)

— Das weiß ich, und zwar ist es so gewesen, daß auf die Zweigkreise und Zweigverwaltungen hingewiesen worden ist, aber keiner der Abgeordneten den Mut gehabt hat, zu sagen: Die Verwaltungsvereinfachung wird durchgeführt, auch wenn es mein Wahlkreis ist.

(Beifall bei der FDP und SPD.) So ist es: Theorie und Praxis!

Jetzt zu einem anderen Beispiel, und zwar aus Baden-Württemberg. Wir hatten einen GönneweinPlan vorgelegt, der nach unserem FDP-Abgeordneten Gönnewein, der ein ausgezeichneter Fachmann ist, benannt ist. Weiterhin hatte sich Lone Regierung entschlossen, ein Ministergesetz vorzulegen, wonach mit der Durchführung der Verwaltungsvereinfachung am Kopf angefangen werden sollte. Es war erfreulich, ,daß mit diesem Gesetz von seiten ,der Regierung der Anfang gemacht wurde. Aber wie ist es nachher gegangen, meine Damen und Herren? Ein großer Teil, besonders von der CDU — von der SPD wußte man, daß sie in diesen Dingen nicht mitmachen würde; das war klar —, ist nachher im Parlament umgefallen, und wir haben die Verwaltungsvereinfachung nicht bekommen. Wir haben auch nicht das schon im Regierungsentwurf vorgesehene Rechtsprechungsministerium bekommen. Sehen Sie, ,das war Theorie, und das war Praxis.
Ich gebe Ihnen diese Beispiele mit der Bitte, daß Sie Ihren Landtagsfraktionen mit einem guten Beispiel vorangehen und nachher tatsächlich die Konsequenzen entsprechend dem Antrag Umdruck 135 ziehen werden.
Ich habe von dem Rechtsprechungministerium —zu dem Innenministerium gehört auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit — und ich habe vorhin lobend von dem Haushaltsausschuß als von einem „Streichorchester" gesprochen. Ich muß hier allerdings eine Kritik anbringen. In dieser Hinsicht war ausnahmsweise zuviel gestrichen worden. Ich bin froh, daß das in der zweiten Lesung wieder repariert worden ist, daß das Bundesverwaltungsgericht den dringend notwendigen zusätzlichen Senat erhalten hat. Denn wieviel Lehrer und wieviel Schulräume man braucht, das richtet sich nach der Anzahl der Kinder, und wieviel Richter man braucht, richtet sich einfach nach der Zahl der anhängigen Rechtssachen. Ich kann eine Fabrikation rationalisieren und automatisieren, aber bei der richterlichen Arbeit, die eine geistige Arbeit ist, geht das nicht. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, ein Urteil schnell zu erhalten, besonders in Verwaltungssachen. Es entspricht dem rechtsstaatlichen Denken, daß hierfür die notwendigen Richter zur Verfügung gestellt werden.
Wir halten auch nach wie vor unsere Forderung auf ein Rechtsprechungsministerium im Bund aufrecht.
Ich möchte jetzt nur in Ergänzung zu dem, was Herr Kollege Schäfer gesagt hat, noch auf einige andere Feststellungen in dem Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit hinweisen. Er stellt auch heraus, daß es die Aufgabe sei, eine Straffung und Verbilligung der Verwaltung herbeizuführen. Als Bundesministerium hat insofern das Innenministerium natürlich mit gutem Beispiel voranzugehen. Er kritisiert in sehr eingehend belegter Weise, daß diesen Grundsätzen wiederholt entgegengehandelt wurde. Darauf, daß hier echt vereinfacht werden kann und daß eine Abteilung, zwei Unterabteilungen und 18 Referate eingespart werden können, hat schon Herr Kollege Schäfer hingewiesen.
Weiterhin wird kritisiert, daß — eine Krankheit, die allerdings auch in Länderministerien vorhanden ist zu viele Verwaltungsaufgaben in den Ministerien erledigt werden, also nicht nur rein ministerielle Aufgaben. Man kann nur dann wirklich vereinfachen, wenn sich die Ministerien auf ministerielle Aufgaben beschränken und echte Verwaltungsaufgaben nach unten verlagert werden.
Weiterhin muß ich noch auf etwas eingehen, was noch nicht zur Sprache gekommen ist. Ich habe mit größtem Erstaunen aus diesem Gutachten erfahren, daß beim Innenministerium nicht weniger als 342 Beiräte, Fachausschüsse, Arbeitskreise und sonstige Gremien existieren. Unsere Neigung, immer wieder



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Ausschüsse zu bilden, ist ja bekannt. Ich bin aber der Auffassung, daß in dieser Hinsicht teilweise auch von den Parlamenten zu viel getan wird. Ich kann jetzt nicht entscheiden, wie viele von diesen 342 Einzelausschüssen auf Parlamentsbeschlüssen beruhen oder auf Entscheidungen des Herrn Bundesinnenministers. Auf alle Fälle dient eine derartige Flut von Ausschüssen keineswegs der Verbilligung, Beschleunigung und Vereinfachung der Verwaltung, sondern hier wird einfach des Guten zuviel getan. Auch diese Tatsache wird mit Recht in diesem Gutachten beanstandet. Es wird mit Recht darauf hingewiesen, daß insofern Verbänden und Organisationen, die absolut ihre Berechtigung haben, Einfluß auf die Gesetzgebung eingeräumt wird, was eigentlich nicht im Sinne unseres Parlamentarismus liegt.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß die sehr umfangreiche Teilnahme an internationalen Lehrgängen kritisiert wird und daß da eine Rationalisierung angebracht ist.
Und noch etwas, wo wir mit unserer Kritik einsetzen. Der Anschluß an die zentrale Besoldungsstelle wurde vom Ausschuß schon im Jahre 1956 gefordert; bis heute ist dies nicht verwirklicht. Auch wir Freie Demokraten halten es nicht für möglich, daß Beschlüsse des Parlaments und des Ausschusses in dieser Richtung einfach übergangen werden.
Das gilt auch bezüglich der Stellenpläne. Herr Kollege Schäfer hat schon gesagt, daß in diesem Jahr kein Stellenplan vorliege. Und in dem Gutachten lese ich noch etwas anderes. Ich stelle darin fest, daß zwar Stellenpläne geschaffen worden sind, daß diese aber praktisch nur für die Ausschußberatung gewesen sind und daß man sich nachher in der Praxis bei der Besetzung an diese Stellenpläne überhaupt nicht gehalten hat. Das ist ein völlig unmögliches Verhalten, und wenn wir auf die Achtung des Parlaments Wert legen, dürfen wir das unter keinen Umständen hinnehmen.
Meine Damen und Herren! Weiterhin ist Kritik geübt worden an der Art der Bearbeitung. Ministerien sind für den Bürger da. Der Bürger hat Anspruch darauf, daß seine Angelegenheiten schnell bearbeitet werden. Was soll man aber dazu sagen, wenn in einem Ministerium die Organisation derart ist, daß es häufig zwei bis drei Tage dauert, bis ein Schreiben von der Posteingangsstelle bis zum Bearbeiter kommt? Was soll man dazu sagen, wenn festgestellt wird, daß ein Vorgang nicht weniger als dreimal registriert wird? Was soll man dazu sagen, daß das Beschaffungswesen als viel zu aufwendig bezeichnet wird? Was sollen wir als Frauen dazu sagen, wenn festgestellt wird, daß ausgerechnet das Frauenreferat völlig überlastet ist? Und vorhin wurde darauf hingewiesen, daß die Referenten teilweise unterwertige Arbeit verrichteten und teilweise viel zuviel Referate vorhanden seien. Dem Frauenreferat obliegt aber die Durchführung so vieler Aufgaben mit so wenigen Arbeitskräften, daß es ihrer kaum Herr wird.

(Abg. Dr. Conring: Im Zeitalter der Gleichberechtigung gibt es das gar nicht mehr!)

— Entschuldigung, ich verlange hier nur die Gleichbehandlung des Frauenreferats mit den anderen
Referaten, und wenn von den anderen Referaten gesagt wird, sie seien nicht ausgelastet, und wenn gesagt wird, das Frauenreferat sei überlastet, dann kann man wohl den entsprechenden Ausgleich finden.

(Abg. Dr. Conring: Es gibt ja auch kein Männerreferat!)

Meine Damen und Herren, das Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit über die Organisation des Bundesinnenministeriums halte ich für durchaus objektiv. Mir liegen in diesem Zusammenhang noch zwei andere Gutachten vor, das Gutachten über die Ressortierung der Forschungsmittel und das Gutachten über die Abgrenzung zwischen der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes und der des Bundesministeriums des Innern. Während im ersten Gutachten teilweise eine sehr herbe Kritik geübt wird, ist in dem Gutachten über die Ressortierung der Forschungsmittel zum Ausdruck gebracht, daß hier nach Möglichkeit eine gegenseitige Abgrenzung versucht wurde. Es wird auch gesagt, daß es oft schwierig ist, den richtigen Ausgleich zu finden.
Dem Bundestag ist im Zusammenhang mit der Beratung der Großen Anfrage über den technischen Nachwuchs in allen Zeitungen der Vorwurf gemacht worden, der Bund und der Bundestag interessierten sich nicht genügend für die Fragen der Kultur. Sie haben gerade in den letzten Tagen vom Beginn der Arbeit des Wissenschaftsrates gelesen. Die kulturellen Fragen ressortieren beim Innenministerium. Es ist deshalb von großer Bedeutung, wie die Mittel, die hier eingesetzt sind, verwendet werden.
Der Wissenschaftsrat hat die Aufgabe, einen Gesamtplan zur Förderung der Forschung und Lehre aufzustellen. Er hat diese Arbeit begonnen und hofft, daß er bis zum Jahre 1960 einen abgeschlossenen Plan vorlegen kann. Aber schon jetzt hat der Wissenschaftsrat eine Erklärung herausgegeben, in der es u. a. heißt:
Schon jetzt läßt sich deutlich erkennen, daß die Wissenschaft in Deutschland einer sofortigen umfassenden Hilfe bedarf. Der Wissenschaftsrat richtet daher einen dringenden Appell an die Bundesregierung, die Mittel für die allgemeine Förderung der Wissenschaft im Bundeshaushalt 1959 wesentlich zu erhöhen. Dabei sollten für die Förderung sofort durchführbarer Bauvorhaben der wissenschaftlichen Hochschulen und Forschungsanstalten mindestens 90 Millionen Mark vorgesehen werden.
Er weist weiter darauf hin, daß der im diesjährigen Etat zur Verfügung stehende Betrag von 85 Millionen um 13 Millionen DM höher als im Jahre 1957 ist, fährt jedoch fort, daß dieser Betrag in einem krassen Mißverhältnis zu den rund 80 Millionen DM Mehraufwendungen steht, über die die verschiedenen Bundesministerien für ihre besondere Zweckforschung verfügen können.
Insgesamt gibt der Bund für Forschungszwecke in diesem Jahre mehr als 300 Millionen DM aus, und zwar ohne die Verteidigungsforschung.



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Allerdings schreibt das nicht der Wissenschaftsrat, sondern Herr Otto Häcker in der „Stuttgarter Zeitung" vom 26. Juni. Er fährt dann fort:
Wozu eigentlich einen Wissenschaftsrat, wenn nicht im Rahmen dieses Volumens der Anteil der freien Mittel so vergrößert wird, daß schon jetzt im Sinne der Gesamtplanung das unaufschiebbare Wichtigste, nämlich die Verstärkung der räumlichen, sachlichen und personellen Ausstattung der Hochschulen und Institute, besser gedacht werden kann?
Hier rührt er an einen nach meiner Auffassung wunden Punkt im Etat des Bundesinnenministeriums, und zwar an den Punkt, dessentwegen auch noch die beiden anderen Gutachten erstattet worden sind, nämlich daß von den verschiedensten Seiten oft Mittel für gleiche Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Deshalb ist vom Bundessparkommissar in diesem Zusammenhang mit Recht wieder gefordert worden, daß endlich eine Zentralstelle errichtet werde, in der die Namen der Empfänger derartiger Mittel gesammelt werden, z. B. bei der Studentenförderung, bei der es, glaube ich, nicht weniger als 16 verschiedene Stellen für die Studentenförderung gibt, oder im Zusammenhang mit der Wissenschaft. Es ist nicht gut, wenn der gleiche Empfänger aus .den verschiedensten Töpfen etwas erhalten kann. Dann fährt nämlich oft nicht der am besten, der es am notwendigsten hat, sondern der, der die genaueste Kenntnis von den verschiedenen Möglichkeiten besitzt, die aber so ohne weiteres nicht zu übersehen sind.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf § 64 der Reichshaushaltsordnung hinweisen. Herr Bundesinnenminister, in dem Gutachten wird weiter auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß sich das Ministerium auch mit den Richtlinien befasse und vor allen Dingen damit, wie sich die Richtlinien in der Praxis auswirken. Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, gehören diese Richtlinien zu § 64 RHO zu denjenigen, die in der Verwaltung die umfangreichsten Arbeiten erfordern. Ich habe erlebt, daß bei der Vergabe öffentlicher Mittel alle möglichen Vorbehalte gemacht und alle möglichen Absicherungen gegen Veruntreuungen vorgenommen werden. Das geht so weit, daß Eigentumsvorbehalte eingebaut sind. Diese Richtlinien sind auch für die Länder verbindlich, und das führt dann dazu, daß selbst auf einem Fußball, den sich der Fußballverein in Hintertupfingen kauft, nachdem er Gelder aus Totomitteln erhalten hat, noch der Eigentumsvorbehalt der öffentlichen Hand liegt. Diese Dinge waren so, daß wir uns, als dies verbindlich gemacht wurde, im Lande zusammengesetzt haben, weil dieses Verfahren praktisch vollkommen unmöglich ist. Wir haben einen Ausweg gefunden, den ich hier allerdings nicht verraten will.

(Zuruf.)

— Herr Bundesinnenminister, ich verrate es Ihnen nachher persönlich, damit Sie die Richtlinien entsprechend ändern.

(Heiterkeit.)

Die Sicherung ist nämlich jetzt ohne den Verwaltungsapparat gegeben. Was aber hier noch regiert, ist das Mißtrauen.
Ich habe auf die verschiedenen Töpfe hingewiesen und möchte fragen, warum man nicht dazu übergeht, diese Mittel global den in Frage kommenden Organisationen zuzuweisen. Wenn eine Aufgabe als förderungswürdig erachtet wird, dann sollten wir doch das Vertrauen haben, daß die Mittel auch in der entsprechenden Weise verwendet werden. Denken Sie daran, daß alle diese Organisationen in sich schon entsprechende Kontrollorgane haben. Ich kann mir keinen Sportverein vorstellen, dessen Vorsitzende Mittel, die von der öffentlichen Hand für solche Zwecke zur Verfügung gestellt werden, anders verwenden könnten als für den Verein und seine Zwecke.

(Beifall bei der FDP. Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie aber wenig Erfahrung!)

Ich bitte also, auch in dieser Hinsicht praktisch zu werden.
Nun noch ein Wort zu unseren Statistiken! Ich habe zufällig gerade gelesen, daß im Lande Bayern 97 verschiedene Preisstatistiken geführt werden müssen — meist auf Grund von Bundesgesetzen —, die zum Teil praktisch gar nicht ausgewertet werden und die auch viel zu schnell überholt sind. Vor wenigen Tagen haben wir ein Gesetz über Preisstatistik in bezug auf Grund und Boden verabschiedet. Ich weise darauf hin, daß die Preise von Grund und Boden, die in den Verträgen stehen, vielfach gar nicht den tatsächlichen Preisen entsprechen — ein Problem, das in anderem Zusammenhang noch behandelt werden muß. Welchen Sinn hat es, eine Preisstatistik zu machen, von der man weiß, daß die zugrunde liegenden Zahlen mehr als bedenklich sind?
Aber nach .dieser kurzen Abschweifung noch einmal zurück zur Kultur. Wir sind der Auffassung, daß Deutschland, das einmal eine echte kulturelle Aufgabe erfüllt hat, auch heute wieder diese Aufgabe zu erfüllen hat, und zwar nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch außerhalb Deutschlands. Diese Frage wurde in der allgemeinen Aussprache berührt. Wir halten sie für so bedeutungsvoll, daß wir Freien Demokraten sie noch einmal gesondert, und zwar nach den Sommerferien, hier zur Sprache bringen werden. Es gilt, in einem anderen Umfang als bisher .die Teilnahme der Deutschen an .dem kulturellen Leben auch im Ausland zu fördern und zu verstärken.
Die kulturellen Aufgaben erfordern selbstverständlich immer Geld. Von der SPD ist der Vorschlag gemacht worden, für den Schulhausbau einen Betrag von 250 Millionen zur Verfügung zu stellen. Wir Freien Demokraten haben uns dazu bekannt — das kam auch in meinen Ausführungen zu diesem Antrag zum Ausdruck —, daß die Schulraumnot so schnell wie möglich beseitigt werden muß. Ob man aber hier gleich einen Betrag von 250 Millionen auf Bundesebene einsetzen sollte, .das ist eine andere Frage. Aber wenn man tatsächlich darangeht, das wirtschaftliche öffentliche Vermögen zu veräußern, stehen dadurch Gelder für andere wichtige öffentliche Aufgaben zur Verfügung. Ich



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
bin mir ,der Grenzen durchaus bewußt, die insofern durch die Reichshaushaltsordnung gesetzt sind, weil man nicht einfach derartige Erträge in den allgemeinen Haushalt hinneinnehmen darf. Grundsätzlich sind derartige Beträge wieder für andere öffentliche Aufgaben :zur Verfügung zu stellen. Das Vermögen soll also als Ganzes erhalten bleiben. Aber wenn es um den Bau von wissenschaftlichen Anstalten oder von Schulen geht, sollte man sich im Zusammenhang mit der nach unserer Auffassung so schnell wie möglich durchzuführenden Veräußerung des wirtschaftlichen Bundesvermögens eingehend überlegen, wie man die Gelder, die dort hereinkommen, für diese Zwecke zur Verfügung stellen kann.
Und noch eine persönliche Auffassung. Ich habe auf die Bestimmung der Reichshaushaltsordnung hingewiesen, nach der die Erträge aus der Veräußerung von Vermögen wieder entsprechend angelegt werden müssen. Sollten wir uns jetzt nicht einmal sehr genau die Frage überlegen, ob diese Haushaltsbestimmung in dieser Form noch richtig ist? Der ursprüngliche Gedanke war der, daß das Verwaltungsvermögen als solches erhalten bleiben soll. Wenn aber der Bund durch seine außerordentlich große Teilnahme am wirtschaftlichen Leben eine wirtschaftliche Machtposition erhalten hat, die mit einer freien Marktwirtschaft einfach nicht zu vereinbaren ist, dann muß man sich auch überlegen, ob man diese Erlöse tatsächlich immer weiter in vollem Umfang im Bundesvermögen behalten sollte.
Zum Schluß möchte auch ich noch auf die Notwendigkeit des Parteiengesetzes eingehen. Wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir die Vorlage des Parteiengesetzes bis zum 1. Januar 1959 fordern. Wir haben uns, als wir diese Frist nannten, sehr genau überlegt, ob es möglich ist, daß das Bundesinnenministerium in dieser Zeit ein derartiges Gesetz vorlegt. Wir sind aber der Auffassung, daß dies möglich ist, und zwar aus folgenden Gründen.
Bereits im Jahre 1950, also ungefähr ein Jahr nach der Verabschiedung des Grundgesetzes mit seinem Artikel 21 Abs. 2, lag dem damaligen Bundeskabinett der Entwurf zu einem Parteiengesetz vor. Er ist nachher nicht verabschiedet worden. Ich glaube, er ist noch nicht einmal im Kabinett verabschiedet worden. Aber die Vorarbeiten sind getan. Auch die Regierung des 2. Bundestages hat sich eingehend mit dieser Frage befaßt und von maßgeblichen Professoren und Fachleuten ein Gutachten angefordert. Auch dieses Gutachten, das ausgezeichnet ausgefallen ist, liegt dem Herrn Innenminister schon seit vielen Monaten vor.
Weiterhin sind im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergangen, die sich damit befaßt haben, was in einem demokratischen Staat von einem Parteiengesetz gegebenenfalls zu erwarten ist. Auch das letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1958 geht davon aus, daß die Grundsätze der Chancengleichheit in jeder Hinsicht gewahrt werden müssen. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird - ich zitiere die einzelnen
Grundsätze, die hier herausgearbeitet sind — folgendes ausgeführt:
Die bei der Verhältniswahl für die verschiedenen Parteien abgegebenen Stimmen müssen für den Wahlerfolg grundsätzlich das gleiche Gewicht haben.
— Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich hier auf frühere Entscheidungen; Sie können sie in dem Urteil nachlesen. —
Die Geltung des Grundrechts der Chancengleichheit ist ausgedehnt worden auf die Wahlvorbereitungen (Zulassung von Wahlvorschlägen, Unterschriftenquorum . . .) .
Das Grundrecht der Chancengleichheit gilt auch für die zur Wahlvorbereitung in der Massendemokratie unerläßliche Wahlpropaganda, soweit sie durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt beeinflußt wird . . .. und schließlich auch für den Wettbewerb zwischen den Parteien um die Erlangung von Spenden.
Meine Herren und Damen, schon diese wenigen Grundsätze geben dem Bundesinnenministerium die notwendigen Richtlinien für die Schaffung eines Parteiengesetzes, das hoffentlich auch vor dem Bundesverfassungsgericht hieb- und stichfest sein wird.
Auf alle Fälle ist es einfach unmöglich, daß jetzt, neun Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes, ein derart wichtiges Gesetz noch nicht vorliegt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1958 zeigt mit aller Eindringlichkeit, wie notwendig dieses Gesetz ist und daß das Bundesinnenministerium dem ihm durch das Grundgesetz gegebenen Auftrag nun endlich nachkommen muß.
Zu dem Aufgabenkreis des Herrn Innenministers gehören zum Teil auch Jugend- und Sportfragen. Ich halte es nicht gerade für sehr glücklich, daß die Jugendfragen teils weiterhin der Zuständigkeit des Innenministeriums unterliegen, teils jetzt beim Familienministerium ressortieren. Ich halte es ebenfalls nicht für richtig, daß ausgerechnet der sehr bescheidene Beitrag von 5 Millionen DM zum Bau von Turnhallen und Sportstätten auf eine einmalige Ausgabe reduziert worden ist. Zunächst wurde er auf eine Million herabgesetzt, dann haben wir ihn wieder in der 2. Lesung auf 5 Millionen erhöht. Meine Herren und Damen von der CDU/CSU, vor der Wahl wurden den Sportorganisationen diese 5 Millionen nicht nur als einmaliger Beitrag versprochen, sondern auf einige Jahre.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)

Das möchte ich doch mit aller Deutlichkeit herausstellen. Man soll zu den Versprechungen, die man vor der Wahl gegeben hat, auch nach der Wahl stehen.

(Erneuter Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Das Parlament mußte, weil das notwendig war, die Mittel für die zentralen Aufgaben des Sports wieder erhöhen.
Meine Kollegen von der CDU/CSU, Sie können nicht auf die Mittel hinweisen, die den Sportorgani-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
sationen über die Länder aus dem Toto und Lotto zufließen. Diese Mittel werden für den Bau von Sportstätten usw. verwendet. Die zentralen Aufgaben des Sports werden jedoch von den Ländern nicht finanziert.
Es ist auch notwendig, daß wir einigermaßen mit dem Schritt halten, was von der DDR für die dortigen Sportsleute getan wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang unseren westdeutschen Sportverbänden besonders für die eindeutige Haltung danken, die sie eingenommen haben, als sie politische Forderungen, die von den Sportorganisationen der DDR an sie gestellt worden sind, mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen und betont haben, daß der Sport mit Politik nichts zu tun hat,

(Beifall bei der FDP)

sondern daß es nur darum geht, in Fairneß einen sportlichen Wettkampf durchzuführen.
Bei internationalen Veranstaltungen wird vielfach vom Ausland gefordert, daß nur eine deutsche Mannschaft, gebildet aus Sportlern Westdeutschlands und der DDR, auftrete; z. B. beim Skispringen sehen Sie das immer wieder. Im Interesse des Ansehens des westdeutschen Sports ist es notwendig, daß auch in Westdeutschland Mittel für solche internationalen Veranstaltungen und ihre Vorbereitung ausreichend zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der FDP.)

Über das Innenministerium mit seinen vielen Zuständigkeiten könnte man natürlich noch sehr lange sprechen. Ich habe nur wenige Fragen herausgegriffen. Zum Schluß möchte ich aber Ihnen, Herr Bundesinnenminister, noch ein persönliches Wort sagen.
Auch heute sind bei unserer Sitzung wieder Jugendliche und andere Zuschauer da; wir tagen ja in aller Öffentlichkeit. Es ist bei dieser dritten Beratung, die Gott sei Dank in einem wesentlich ruhigeren Rahmen verlaufen ist als die zweite Beratung, wiederholt darauf hingewiesen worden, daß der Ton, der manchmal hier im Bundestag herrsche, nicht dazu angetan sei, die Achtung vor dem Parlament, vor der Demokratie zu heben. Ich habe mir folgendes überlegt. Meistens kommen die Besucher nur einmal hierher. Wenn zwei jugendliche Besucher, von denen der eine Sie, Herr Bundesinnenminister, bei Ihrer Rede zur Volksbefragung

(Zuruf von der Mitte: Die war doch gut!)

und der andere Sie in der zweiten Lesung gehört hat, in der sachlich der Haushalt des Innenministeriums beraten wurde, sich unterhalten — noch viel mehr als wir Politiker stehen ja die Minister im Blickpunkt des Interesses —, dann werden wahrscheinlich diese beiden von Ihnen zwei völlig verschiedene Eindrücke haben. Ich könnte mir vorstellen, daß derjenige, der Sie bei der Debatte über die Volksbefragung gehört hat, daran denkt, daß bei dem Herrn Bundesinnenminister auch die Mittel für die staatsbürgerliche Erziehung ressortieren.
Ich darf in diesem Zusammenhang gleich auf die so dringend notwendige Einberufung des Kuratoriums für die Bundeszentrale für Heimatdienst hinweisen, die auch von uns immer wieder gefordert wurde. In den Veranstaltungen des Heimatdienstes wird auch über die Grundsätze der Politik und die politische Haltung gesprochen. In den Diskussionen kommt immer wieder zum Ausdruck, daß die Fairneß unter den Parlamentariern ein unbedingtes Erfordernis für eine wirklich gute Demokratie ist.
Ich könnte mir denken, daß der eine Jugendliche, der Sie in der ersten Debatte gehört hat, Ihnen diese Fairneß absprechen könnte, Herr Bundesinnenminister, und der andere, der Sie nachher bei der Haushaltsdebatte gehört hat, die Auffassung vertreten würde: „Nein, der Herr Bundesinnenminister hat diese Fairneß, ich habe gehört, wie er hier mit der Opposition sachlich über ihre Änderungsanträge zum Haushalt des Innenministeriums diskutiert hat."
Ich glaube, es wäre gut, wenn diese Zweigesichtigkeit, die sich nicht nur bei Ihnen, Herr Bundesminister, gezeigt hat, sondern auch bei einer ganzen Reihe von Kollegen hier im Hause, verlorenginge und in der nächsten Haushaltsberatung und auch in dem ganzen kommenden Jahr die Sachlichkeit in allen Fragen obwaltete, die wir Gott sei Dank in den letzten Tagen gehabt haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304000400
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0304000500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wollen Sie mir bitte gestatten, Ihre Aufmerksamkeit auf eine Angelegenheit zu lenken, die mir von besonderer Wichtigkeit zu sein scheint. Es handelt sich um die Seelsorge im Bundesgrenzschutz.
Die Aufgaben der Seelsorge im Bundesgrenzschutz werden von je vier Geistlichen beider Konfessionen wahrgenommen. Die Kirchen beider Konfessionen empfinden aber die Bedingungen, unter denen diese seelsorgerischen Aufgaben wahrgenommen werden, als unbefriedigend. Insbesondere im Vergleich zu den Seelsorgern, die im Bereich der Bundeswehr tätig sind, haben die im Bereich des Bundesgrenzschutzes tätigen Geistlichen der beiden Konfessionen den Eindruck, daß sie in mehrfacher Hinsicht stiefmütterlich behandelt werden. Die Kirchenleitungen beider Konfessionen teilen nach meinem Eindruck diese Auffassung.
Sie haben sich deshalb an das Bundesministerium des Innern gewandt und haben Anregungen gegeben, wie diesen unbefriedigenden Verhältnissen abgeholfen werden könne. Die Verhandlungen sind aber offenbar ganz negativ ausgegangen. Mir liegt ein Brief eines hohen Beamten des Bundesministeriums des Innern an den Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 16. April 1958 vor, in dem u. a. folgender Satz enthalten ist: „Den Geistlichen im Bundesgrenzschutz obliegt in erster Linie die berufsethische Erziehung, nicht also die Seelsorge."
Meine Damen und Herren! Wenn eine solche Feststellung getroffen wird, dann scheint mir dies ein Beweis dafür zu sein, daß grundlegende Mißverständnisse vorliegen. Offenbar mutet man diesen Geistlichen zu, Zutritt zu ihren seelsorgerischen Aufgaben gewissermaßen nur durch die Hintertür



Bausch
der berufsethischen Unterweisung zu bekommen. Das scheint mir aber völlig unmöglich zu sein. Mir liegt ein Brief eines der Geistlichen vor, die für die Seelsorge im Bundesgrenzschutz die Verantwortung übernommen haben. Er hat zu diesem Satz des hohen Beamten des Bundesministeriums des Innern wie folgt Stellung genommen:
Wer als Theologe unvoreingenommen diesen Satz liest, muß sich fragen, ob hier nicht eine für das Amt Ides Pfarrers gefährliche Akzentverschiebung eingetreten ist, die dann den Träger dieses Amtes sich nicht genügend als christlichen Seelsorger entfalten läßt, sondern ihn als Lehrer einer staatsbürgerlichen Ethik in seiner geistlichen Tätigkeit einschränkt.
Wenn tatsächlich so verfahren werden sollte, dann würde dieses Verfahren in jedem Falle auch im Widerspruch zu der Grundauffassung stehen, die das Bundesministerium des Innern hinsichtlich der Ausübung der Seelsorge im Bundesgrenzschutz vertreten hat. Es liegt eine Dienstanweisung für die hauptamtlich im Bundesgrenzschutz tätigen Geistlichen vom 1. Oktober 1956 vor, die das Innenministerium durch Erlaß vom 11. November 1956 veröffentlicht hat. In Ziffer 1 dieser Dienstanweisung heißt es:
Zur Unterstützung der seelsorgerischen Betreuung und zur Mitwirkung bei der berufsethischen Erziehung werden Geistliche beim Bundesgrenzschutz hauptamtlich angestellt.
Hier steht also die Aufgabe der seelsorgerischen Betreuung an erster und die der berufsethischen Erziehung an zweiter Stelle.
Meine Damen und Herren, Sie werden mir zugeben, daß es wünschenswert wäre, diese grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten über die Ausübung der Seelsorge im Bundesgrenzschutz so schnell wie möglich zu bereinigen. Aber darüber hinaus sollte es auch möglich sein, den Wünschen der Kirchen beider Konfessionen nach einer Verbesserung der sachlichen Bedingungen, unter denen die Seelsorge im Bundesgrenzschutz ausgeübt wird, entgegenzukommen.
Auf Stellung besonderer Anträge möchte ich verzichten. Diese Angelegenheit muß gründlich beraten und besprochen werden. Aber ich möchte heute schon, auch im Namen meiner Fraktion, den Anspruch auf Überprüfung dieser Regelungen anmelden. Ich hoffe, Herr Bundesminister, daß es in jedem Falle bis zur nächsten Haushaltsberatung möglich sein wird, diese Angelegenheit so zu ordnen, daß die Stellung besonderer Anträge hierzu nicht mehr nötig sein wird. Für den Fall aber, daß das nicht möglich sein sollte, müssen wir uns allerdings für die nächste Haushaltsberatung die Stellung besonderer Anträge vorbehalten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304000600
Wird zum Kapitel Innenpolitik noch das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Heiland!

Rudolf-Ernst Heiland (SPD):
Rede ID: ID0304000700
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu einer politischen Frage, die mit dem Ministerium und unserer Demokratie zusammenhängt, Stellung nehmen.
Herr Minister Schröder hat in den letzten Wochen als Verfassungsminister in die von der CDU künstlich erzeugte Atmosphäre: „Verfassungsgrundlage in Gefahr!" eingegriffen.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Es muß wohl um der Festlegung der Grundlagen willen einmal ausgesprochen werden, daß Demokratie nur im Mehrparteienstaat möglich ist, das heißt, daß die alternative Möglichkeit zur Regierungspolitik garantiert sein muß. Die Alternative setzt selbstverständlich in den Fragen der Politik auch andere Meinungen voraus.
Herr Minister Schröder hat im regierungsamtlichen Bulletin vom 12. Juni 1958 über „Wehners Schleichweg zum Sozialismus" geschrieben. Aufgebaut sind alle Angriffe gegen meinen Freund Wehner auf seine Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei in jungen Jahren.

(Zuruf des Bundesinnenministers Dr. Schröder.)

— Herr Minister, Sie sollten gut zuhören. Ich habe nicht gesagt, daß Sie das gesagt haben; ich habe gesagt, daß alle Angriffe auf Wehner darauf aufgebaut sind. Gutes Zuhören könnte jetzt nicht schaden.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Übertreiben Sie nicht, Herr Heiland! So toll ist es ja auch nicht!)

Wehner ist Jahrgang 1906 und war bei der Machtergreifung des Nationalsozialismus 26 Jahre alt. Der Herr Innenminister ist Jahrgang 1910 und war bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten 22 Jahre alt. Herbert Wehner hat den Weg aus dem politischen Irrtum nach langen politischen Kämpfen und seiner Begegnung mit dem politischen Totalitarismus durch freie Entscheidung für die Freiheit und die Demokratie zurückgelegt.

(Beifall bei der SPD.)

Unterstellen wir, daß Sie, Herr Minister, als Sie dem Nationalsozialismus dienten, ebenfalls dem politischen Irrtum verfallen waren. Der Unterschied zwischen Ihnen und meinem Freund Wehner liegt darin, daß Sie nicht aus freiem Entscheid mit dem Nationalsozialismus gebrochen haben, sondern dem Nationalsozialismus bis zum Zusammenbruch dienten und dann eine neue politische Heimstatt suchten, bei der man zeitweise das Gefühl hat, daß rudimentäre Rückstände ihrer politischen Schulung im „Tausendjährigen Reich" nicht ganz überwunden sind.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ihre Auffassung, wie man mit politischen Gegnern umzugehen hat, wie man sie diffamieren und verleumden kann, zeigt klar und deutlich die Schule, in der sie empfangen wurde.

(Widerspruch und Zurufe von der CDU/CSU.)




Heiland
Herr Minister, wenn Sie der demokratischen Verfassung dienen wollen — ich sagte: dienen —, dann müssen Sie begreifen, daß in der Demokratie eine wesentliche Grundlage der sachlichen Diskussion mit Andersdenkenden die Achtung vor der Meinung der anderen ist, um die ernst gerungen wird. Mit der Ihnen eigenen Überheblichkeit sprechen Sie in dem Artikel von einer im Grundgesetz festgelegten Wertordnung. Sie unterstellen, daß der Sozialismus in dieser demokratischen Ordnung auf der Grundlage des Bonner Grundgesetzes an sich schon verfassungswidrig sei.
Dazu möchte ich Ihnen einen Antrag, wie er im nordrhein-westfälischen Landtag einmal gestellt wurde, wörtlich zur Kenntnis geben:
Der Landtag wolle beschließen:
Bei den Schlüsselindustrien des Landes (Bergbau, eisenschaffende und chemische Großindustrie) und bei den sonstigen Großunternehmen mit monopolartigem Charakter ist das machtverteilende Prinzip wie folgt zur Anwendung zu bringen.
Der Bergbau wird auf dem Wege der Vergesellschaftung in die Form der Gemeinwirtschaft überführt. Wenn sich in besonderen Fällen der Staatsbetrieb als zweckmäßig erweisen sollte, kann auch diese Form gewählt werden. Dabei soll aber die Führung des Betriebes nicht einer staatlichen Regie, sondern Organen übertragen werden, die das Unternehmen bei voller wirtschaftlicher Selbständigkeit und Initiative zu führen haben. Erfahrene Männer des Bergbaues müssen entscheidend eingeschaltet beiben.
Die eisen- und stahlerzeugende sowie chemische Großindustrie und die Großindustrien mit monopolartigem Charakter werden gleichfalls auf gemeinwirtschaftlicher Grundlage neu geordnet.
Die durch gesetzliche Maßnahmen herbeizuführende Gemeinwirtschaft für den Bergbau und die anderen oben aufgeführten Industrien werden dadurch gekennzeichnet, daß die bisherige Vorherrschaft des Privatkapitals aufgehoben und daß ein machtverteilendes Prinzip auf der Grundlage einer Beteiligung von Land, Gemeinden, Gemeindeverbänden, Arbeitnehmern und Genossenschaften herbeigeführt wird. Diese Beteiligungen haben so zu erfolgen, daß die Vertreter des nicht-privaten Kapitals in jedem Falle die Mehrheit des Stimmrechts besitzen.
März 1947
Adenauer, Gronowski, Arnold, Albers, Alef,
Blank, Ernst, Jöstingmeier, Rippel, Schepmann.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren. hier sind wir bei einem der ernsten Probleme der politischen Diffamierung.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Koblenz].)

— Doch! Der Herr Minister hat in diesem Artikel vom 12. Juni von einem Schleichweg des Herrn Wehner zum Sozialismus gesprochen, weil er sagt, daß er auf diesem Wege den Sozialismus — den Sie hier in Ihrem Antrag fordern — herbeiführen wolle.

(Ab. Rasner: Aber Herr Wehner braucht doch Ihre Verteidigung gar nicht!)

— Herr Rasner, ich würde an Ihrer Stelle einmal ein paar Minuten ruhig sein; denn in Ihrer Vergangenheit sind auch einige Dinge, die genauso wandelbar sind. Sie werfen uns Sozialdemokraten zeitweise vor, daß wir keiner Kirche angehören. Sie sind auch aus Zweckmäßigkeit in oder nicht in der Kirche.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Das ist einfach nicht wahr, und Sie wissen es, Herr Heiland!)

Wenn es Ihre Auffassung ist, Herr Minister, daß das bereits eine Gefährdung des Grundgesetzes sei, dann sind Sie bei dem Studium des Grundgesetzes nicht einmal bis zum Art. 15 gekommen. Der Artikel 15 besagt:
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
Also das Grundgesetz schließt das ein, Herr Minister, und es bedarf nicht Ihrer Verzerrungen, um in der Offentlichkeit über politische Möglichkeiten aus dieser Verfassung ein ganz falsches Bild zu zeigen. Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat war es in CDU-Kreisen gar nicht so ungewöhnlich, Herr Minister, über Gemeineigentum zu reden. Damals hatten Sie noch nicht erklärt, daß Sie das Ahlener Programm von 1946 nur aus taktischen Gründen und zur Tarnung, d. h. zur Täuschung des deutschen Wählers entworfen hatten. Selbst der Herr Bundeskanzler hat in den Jahren 1945/46 von einer Neuordnung, wie ich Ihnen eben bewiesen habe, der Eigentumsverhältnisse, die der Allgemeinheit zu dienen habe, mehr als einmal gesprochen.
Herr Minister, wer dem Nationalsozialismus bis 5 Minuten nach 12 gedient hat, hat das Recht verwirkt, anderen ihren politischen Irrtum in den Jugendjahren zum Vorwurf zu machen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Herr Minister, Sie sind so besorgt um die verfassungsrechtliche Grundlage unseres jungen demokratischen Staates. Daß Sie diese verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur mit unsachlicher Kritik gefährden, sondern mit massiven, verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Gesetzen zu unterhöhlen versuchen, zeigt Ihr Steuergesetz zur Korruption des öffentlichen Lebens durch die Steuerabzugsfähigkeit von Parteispenden. Wir haben Ihnen seit Jahren gesagt, daß Sie der Demokratie einen



Heiland
schlechten Dienst erweisen, wenn Sie die politische Meinung ganzer Parteien durch Millionenbeträge der Industrie kaufen lassen.

(Zuruf von der Mitte: Und die Gewerkschaften?)

Erst das Bundesverfassungsgericht mußte durch seine vor 14 Tagen ergangene Entscheidung Ihnen Ihrem Verstoß gegen die Verfassung in der Gesetzgebung bescheinigen. Herr Minister, Sie sind hier wieder auf der Ebene, die unsere junge Demokratie so schwer belastet. Das liegt auf der gleichen Ebene wie die Unwahrhaftigkeit des Herrn Bundeskanzlers in Lebensfragen des Volkes.

(Pfui-Rufe und Rufe: Unerhört! in der Mitte.)

— Wir haben Ihnen das in den letzten Tagen schlagend bewiesen, Herr Stoltenberg.
Eine Demokratie wird immer dann schwach sein, wenn die Regierenden nicht bereit sind, ein Minimum von notwendiger moralischer Potenz, die in der Politik für alle gelten muß, trotz des Besitzes der augenblicklichen Macht auch auf sich anzuwenden. Herr Minister, Sie sind der Meinung, daß durch Maßnahmen der Sozialdemokratischen Partei die Demokratie und unsere verfassungsrechtliche Grundlage unterwandert werden. Unser demokratisches Fundament wird viel stärker gefährdet durch Propagandamethoden Ihrer Partei, die genau den nationalsozialistischen Arsenalen von 1933 entnommen sind. Dies beweist z. B. ein Flugblatt Ihrer Kreisgeschäftsstelle Recklinghausen, das Sie im letzten Bundestagswahlkampf benutzen ließen. In diesem Flugblatt sagen Sie wörtlich, daß in der Weimarer Zeit unter ihrer Regierung, unter der Regierung der Sozialdemokraten, 8 Millionen Erwerbslose dem Nationalsozialismus in die Arme getrieben und damit in die Not und das Elend des zweiten Weltkrieges gestürzt wurden.
Diese Ungeheuerlichkeiten der bewußten politischen Diffamierung kannten wir eigentlich im politischen Leben Deutschlands nur zu Zeiten der Nationalsozialisten. Vor Gericht mußte dieser Kreisgeschäftsführer, der für dieses Blatt verantwortlich zeichnet, auf Vorhalt zugeben, daß die Zentrumspartei, die Partei Konrad Adenauers, vom ersten bis zum letzten Tag von Weimar die Regierungsverantwortung Betrage hatte und nicht die Sozialdemokraten. Und als er von mir befragt wurde, warum er denn das nicht auch in das Flugblatt schreibe, war die einzige lakonische Erklärung: Sie können doch nicht von mir verlangen, daß ich etwas gegen uns schreibe. Das sollte er auch gar nicht. Kein Sozialdemokrat ist hier je aufgestanden und hat gesagt: Brüning ist am Nationalsozialismus schuld. Jeder von uns weiß, daß Brüning das Letzte und Beste getan hat, um den Erfolg des Nationalsozialismus zu verhindern, und daß seine politische Kraft dazu nicht ausgereicht hat.

(Abg. Hilbert: Aber Sie haben ihn nicht unterstützt; Sie haben ihn bekämpft!)

— Wir haben zum mindesten Herrn Brüning toleriert und damit unterstützt, Herr Hilbert. Ohne die
Sozialdemokratische Partei hätte damals Brüning nicht regieren können; das scheint in ihrer Erinnerung ganz untergegangen zu sein. - Aber darauf kommt es hier nicht an, sondern hier geht es darum, daß die Behauptung, die Sozialdemokraten hätten die Regierungsverantwortung getragen, nicht stimmt und eine bewußte Diffamierung ist. Das Landgericht in Essen hat ein Urteil gefällt und bescheinigt, daß die Behauptung unwahr ist und eine Beleidigung eines jeden Sozialdemokraten darstellt. Deshalb, sage ich, meine Damen und Herren, sollten Sie den Aufbau auf der verfassungsrechtlichen Grundlage beginnen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304000800
Herr Abgeordneter Heiland, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehren?

Hermann Ehren (CDU):
Rede ID: ID0304000900
Herr Heiland, wollen Sie denn nicht wenigstens zugeben, daß die SPD zeitweise die Verantwortung in der Weimarer Republik getragen hat, daß es einen sozialdemokratischen Reichskanzler, einen sozialdemokratischen Reichspräsidenten und bis zum Anfang des „Dritten Reiches" einen sozialdemokratischen preußischen Ministerpräsidenten gegeben hat?

Rudolf-Ernst Heiland (SPD):
Rede ID: ID0304001000
Das stimmt auch wieder nicht. Sie sind auch da geschichtlich nicht ganz genau unterrichtet. Sie wissen, daß das Mitglied der Zentrumspartei, Franz von Papen, mit dem Staatsstreich des 20. Juli 1932 Braun und Severing beseitigt hat.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Herr Ehren, ich habe Ihrem Parteifreund Willeke, in dessen Wahlkreis dieses Flugblatt verteilt wurde, unter dem 7. August 1957 einen Briet geschrieben. Ich kann Ihnen daraus einiges verlesen:
Demgegenüber werden Sie, sofern Sie sich der geschichtlichen Tatsachen der Jahre 1918 bis 1933 erinnern, finden, daß die SPD den Kanzlerposten lediglich innehatte vom 15. 2. 1919 und vom 20. 6. 1920 und vom 28. 6. 1928 bis zum 27. 3. 1930, das Zentrum hingegen den Reichskanzler in nicht weniger als 8 Reichsregierungen stellte, die SPD darüber hinaus nur vertreten war in den Kabinetten Wirth (Zentrum) vom 9. 5. 1920 bis zum 13. 11. 1922 und Stresemann (Volkspartei) vom 13. 8. 1923 bis zum 23. 11. 1923, das Zentrum hingegen an sämtlichen Reichsregierungen beteiligt war, die SPD vom 1. 12. 1923 bis zur Machtübernahme, mit Ausnahme

(Zuruf von der Mitte: Was wollen Sie damit?)

— ich will, Herr Ehren, ganz minuziös antworten -

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der Mitte)

allein der Zeitspanne vom 28. 6. 1928 bis zum 27. 3. 1930, keinerlei Regierungsverantwortung trug, das Zentrum hingegen an der letzten Entwicklung der Dinge maßgeblich beteiligt war.



Heiland
Auf Brüning folgte am 30. 5. 1932 Papen, auf diesen Schleicher, auf diesen Hitler.
Ich bitte Sie, meine Herren vom alten Zentrum, nicht zu vergessen, daß im ersten Kabinett Hitler auch noch der ehemalige Zentrumsmann Franz von Papen saß.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

- Er ist aus der Zentrumspartei ausgeschieden, als er am 20. Juli 1932 praktisch als ein Vorläufer Hitlers den Staatsstreich machte.

(Zuruf von der Mitte: Damit retten Sie nichts für Ihren Wahlkampf! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Sie bekommen auf jede Frage, die Sie stellen, in Zukunft immer eine genaue Antwort, auch wenn es Ihnen unbequem ist.

(Abg. Rasner: Eine falsche!)

— Herr Rasner, Ihnen könnte es nicht schaden, wenn Sie einmal die geschichtlichen Vorgänge von Weimar studierten. Wenn Sie sagen, meine Auskunft sei falsch, haben Sie sich mit den Dingen nicht auseinandergesetzt.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Ich habe gesagt, daß wir Herrn Brüning und auch der Zentrumspartei nicht vorwerfen, daß sie an Hitler schuld seien. Das habe ich schon vorhin gesagt und unterstreiche es jetzt noch einmal. Aber wenn Sie das gelten lassen, werden Sie zugeben müssen, daß die Behauptung, die Sozialdemokraten seien an Hitler und am zweiten Weltkrieg schuld, eine infame Verleumdung ist. Das stand in dem Flugblatt. Es bedurfte eines gerichtlichen Urteils, um die Weiterverbreitung dieser ungeheuerlichen, unwahren Behauptungen, die der Demokratie nicht dienen — und deswegen sage ich es —, zu verhindern.
Wie ich bereits ausführte, gehört zur Demokratie die alternative Möglichkeit. Sie haben, Herr Minister, versucht, diese Alternative durch politische Verleumdung systematisch unmöglich zu machen. Ihr Ziel ist, wenn Sie so weitermachen, das Einparteiensystem, das die Voraussetzung zum Totalitarismus schafft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben die falsche Rede erwischt! — Abg. Dr. Seffrin: 230 000 Mark Entschädigung! — Abg. Majonica: Wollen Sie hier eine ausgefallene Wahlversammlung nachholen?)

— Sie brauchen keine Sorgen zu haben, Wahlversammlungen hat Ihr Herr Blank nachgeholt.
Dazu noch ein Wort! Herr Blank, der hier mit dieser königlichen Aufgeregtheit erschien, hat eine Panne ganz vergessen. Als nachher Ihr Kollege Meyers uns den Vorwurf machte, wir hätten versucht, die kommunistischen Kandidaten in Nordrhein-Westfalen durchzubringen, haben Sie ganz vergessen, daß z. B. einer von den zwei CDU-Landesausschußmitgliedern, die für die Zulassung Renners gestimmt haben, der Bruder des Herrn Theodor Blank, Herr Josef Blank, war.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie sind nur dann gegen die Kommunisten, wenn es Ihnen nicht in den Kram paßt.
Hierzu gleich noch ein Wort mit allem Ernst! Meine Damen und Herren, meinen Freund Wehner versuchen Sie immer zu diffamieren. Sie wollen ja nicht Wehner treffen, Sie wollen, wenn Sie Wehner meinen, die Sozialdemokratische Partei diffamieren.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ich habe mit großer Genugtuung den Nachruf unseres Bundestagspräsidenten auf die Morde in Ungarn gehört und war tief beeindruckt und hoffe, daß auch Sie alle es waren. Aber wir sollten nicht vergessen, daß diese Nachrufe auf Kommunisten gemacht wurden; denn Imre Nagy und Maleter sind bis zu ihrem Lebensende Kommunisten gewesen. Wenn Sie den Nachruf für diese Freiheitskämpfer gesprochen haben, dann haben Sie damit zugegeben, daß es sogar in der Kommunistischen Partei der Welt Nuancen gibt, die Sie zu honorieren bereit sind.

(Abg. Dr. Seffrin: Was war das für ein Geschwätz?)

— Das kommt bei Ihnen wohl nicht an, das dauert bei Ihnen etwas länger, Herr Seffrin; das bin ich bei Ihnen gewohnt.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Ich werde Ihnen noch eine viel ernstere Sache sagen müssen; warten Sie ruhig ab.

(Abg. Rasner: Wir können Sie gar nicht ernst nehmen, Herr Heiland!)

Herr Minister, Sie verurteilen alle Verhandlungen eventuell auch mit solchen kommunistischen Machthabern, die die Spannungen in der Welt beseitigen wollen. Uns, Herr Minister, geht es um die Erleichterung der Lebensbedingungen der 17 Millionen Menschen in der Zone.
Wie nennen Sie den neuen Akt des Heiligen Stuhls, der in der vergangenen Woche durch die Ernennung des bisherigen Administrators auf dem bischöflichen Stuhl in Meißen zum Bischof in Meißen erfolgte und eine de-facto-Anerkennung der Sowjetzonenregierung durch den Heiligen Stuhl bedeutet? Ich wage nicht, dieser Handlung des Heiligen Stuhls irgendeine Wertung zu geben. Ich kann mir vorstellen, daß sie nach verantwortlicher, reiflicher Überlegung im Interesse der katholischen Gläubigen der sowjetischen Zone gefällt worden ist. Ich hoffe, daß Sie den Heiligen Stuhl deswegen auch nicht der schrittweisen Kapitulation vor dem Kommunismus bezichtigen, weil er faktisch etwas getan hat, was mein Freund Wehner als Anregung zur Lösung des mitteldeutschen Problems zur Diskussion gestellt hat.
Es ist Ihnen bekannt, daß Nachrichtenagenturen versucht haben, bei deutschen kirchlichen Stellen, bei der Nuntiatur und auch bei Stellen in der Zone die Beweggründe zu klären. Es ist ein sehr diffiziler Punkt. Damit will ich sagen, daß es in der Frage der Befreiung der 17 Millionen in der Zone nicht ein ganz einfaches Schwarz-Weiß, sondern eine Nuancierung gibt und daß es uns um die Möglichkeiten des Abtastens, des Läsenwollens dieses Pro-



Heiland
blems, die 17 Millionen aus der Unfreiheit herauszuholen, in der sie ja seit 1933 leben, nicht erst seit 1945, geht. Der Totalitarismus ist in der Zone ja 1933 eingezogen und noch nicht abgelöst worden. Er hat nur eine andere Farbe bekommen. Das ist aber für die Menschen in der Konsequenz genauso satanisch und genauso schwer. Und wenn Sie der Meinung sind, daß die Vorschläge meines Freundes Wehner dazu, wie wir diesen Komplex lösen können, eine — so hat es der Herr Minister ausgedrückt — schrittweise Kapitulation vor dem Kommunismus seien, dann muß ich Sie fragen: Machen Sie diesen Vorwurf auch dem Heiligen Vater?

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU.)

Ich hoffe, so frivol sind Sie nicht! — Da gibt es kein Pfui. Hier handelt es sich um zwei Fakten. In den 13 Jahren nach dem Ende des Krieges hat der Heilige Stuhl nie einen Bischof in der Zone ernannt. Sie wissen genauso gut wie ich, daß ein Bischof nur ernannt werden kann, wenn vorher die Frage der Ernennung mit der Regierung besprochen ist. Sie wissen auch, daß der Bischof bei der Inthronisation seinen Eid vor dem Ministerpräsidenten des Landes und auf 'die Verfassung des Landes halten muß!

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja furchtbar!)

— Das ist gar nicht furchtbar. Ich habe vorhin gesagt, daß ich es nicht werten will. Ich wünsche nur, daß Sie das Bemühen, den Menschen in der Zone Erleichterungen zu schaffen, genauso ernst nehmen und nicht mit Verleumdungen belegen!

(Beifall bei der SPD.)

Herr Minister! Das politische Leben nach diesem Krieg ist komplexer, als es auf den Napolas und Funktionärschulen der NSDAP gelehrt wurde. Es geht um Menschen, um ihre Freiheit und besonders darum, für die Menschen in der Zone die Drangsal des Totalitarismus, die 1933 über sie hereinbrach, bald zu lockern. Dafür ist uns jede Anstrengung recht, die diesen Menschen hilft und ihre Lage erleichtert. Wir glauben, damit der Demokratie einen guten Dienst zu leisten!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304001100
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304001200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Wort an die Frau Kollegin Diemer-Nicolaus beginnen. Sie hat, dem Sinne nach, gesagt, daß ich in der Volksbefragungsdebatte eine andere Tonart gewählt hätte als in der Haushaltsdebatte. Ich gebe ihr darin völlig recht. Ich glaube, daß jede Sache den ihr gemäßen Ton verlangt.
Die Volksbefragungsaktion, meine Damen und Herren, ist eines der gefährlichsten Unternehmen, die wir seit dem Bestehen der Bundesrepublik erlebt haben!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie ist eine Aktion, meine Damen und Herren, die mich in der letzten Zeit mehr als die Hälfte meiner Arbeitskraft gekostet hat. Weil ich sie für so wichtig halte, behandle ich sie so, wie ich es tue, und die Behandlung dieser Sache ist, wie Sie wissen, noch keineswegs abgeschlossen. Aber ich will heute dieser Anregung von Frau Diemer-Nicolaus folgen und mich in dieser Haushaltsdebatte desselben Tones bedienen wie bei der zweiten Beratung, obwohl hier gerade manches gesagt worden ist, was einen wirklich dazu verleiten könnte, die Tonart a tempobeträchtlich zu ändern.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren! Ich muß leider, obwohl ich das nicht sehr gern tue, mit einem persönlichen Wort beginnen. Ich würde es vorgezogen haben, daß der Herr Kollege Heiland, wenn er über meine politische Vergangenheit sprechen will, ein Quellenstudium betrieben hätte, das sich nicht etwa auf kommunistische Veröffentlichungen stützt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich beobachte zunehmend, wie aus sozialdemokratischen Kreisen gegen mich wortwörtlich die geschichtlich falschen Vorwürfe wiederholt werden, die ich aus der kommunistischen Presse seit Jahren kenne.

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Wundert Sie das?)

In sozialdemokratischen und ihnen verwandten Kreisen wird der Versuch gemacht, sozusagen eine Art Kompensation zu errichten: der kommunistische Wehner — Sie erlauben mir, daß ich das ganz abgekürzt ausdrücke — und der nationalsozialistische Schröder! Dieser Versuch wird gemacht.
Meine Damen und Herren, es tut mir leid: mit diesem Versuch werden Sie zu hundert Prozent scheitern.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

— Ich sage, Sie werden damit zu hundert Prozent scheitern. Die historischen Tatsachen sind anders. Herr Heiland, es ist sehr schade, daß Sie sich hier hinstellen und über den Bundesminister des Innern eine Rede halten, die sich auf seine politische Vergangenheit bezieht, wenn Sie sie nicht genau studieren. Ich sage Ihnen eins: Ich bin weder vor dem „Dritten Reich" noch im „Dritten Reich" auch nur eine Minute lang Nationalsozialist gewesen. Ich wiederhole: nicht eine Minute lang. Ich habe im „Dritten Reich" eine Haltung eingenommen, die Sie vielleicht am besten daraus erkennen können, daß ich Mitglied der Bekennenden Kirche gewesen bin. Vielleicht sagt Ihnen das etwas. Ich habe im „Dritten Reich" aus Gründen, die ich hier gar nicht ausbreiten möchte, ausgesprochene Verfolgungen erlitten, die sich bis zu meiner Militärzeit und durch meine Militärzeit hindurchgezogen haben. Es gibt Damen und Herren in Ihren Reihen, die das des näheren kennen.
Ich will Ihnen sagen, warum ich davon keinen starken öffentlichen Gebrauch mache. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es für uns in



Bundesminister Dr. Schröder
Deutschland in den nächsten Jahren zu nichts führen wird, wenn wir — gleichgültig, sage ich jetzt, zu Recht oder zu Unrecht - wie gebannt auf den 30. Januar 1933 starren. Die Deutschen werden, wenn sie das fortsetzen, in ihrer künftigen Entwicklung nicht weiterkommen, sondern sie werden ihr geschichtliches Unglück vermehren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieses Ziels wegen habe ich manche häßliche Anmerkung hingenommen, urn mir die Freiheit zu erhalten, den Standpunkt einzunehmen, den ich einnehme, daß wir endgültig zu einem Schlußstrich unter die Vergangenheit kommen müssen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Das ist meine Haltung in dieser Zeit gewesen, und das wird meine Haltung bleiben.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich komme auf Herrn Wehner gleich zu sprechen. Herr Wehner erfreut sich meiner sehr großen Aufmerksamkeit wegen seiner besonderen Qualitäten.

(Zuruf von der SPD: Hochachtung wäre besser!)

— Wegen seiner besonderen Qualitäten. Lassen Sie mich doch ausführen, was ich ausführen möchte.
Ich schließe diese persönliche Bemerkung mit folgenden Sätzen ab: Ich bin in meinem Leben nie eine Minute lang Nationalsozialist gewesen, und das ist durch Taten beweisbar. Ich möchte Ihnen — meine Damen und Herren, das sage ich Ihnen jetzt mit einer gewissen Warnung in dem Sinne, damit Sie wissen, daß ich halte, was ich ankündige — vorschlagen, darauf nicht zurückzukommen, sonst würden Sie mich vielleicht doch nötigen, von der Haltung abzugehen, die ich meinerseits bis heute bei der Beurteilung zurückliegender wahrer Vorgänge bei politischen Gegnern eingenommen habe.
Meine Damen und Herren, darf ich jetzt ein Wort sagen, um zu begründen, weshalb sich der Kollege Wehner meiner besonderen Aufmerksamkeit erfreut. Nicht etwa deshalb, weil Herr Wehner Kommunist gewesen ist — bis tief in den Krieg hinein —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Führend!)

sondern weil ich in ihm den in mancher Beziehung vielleicht auch geistig attraktivsten Vertreter bestimmter Auffassungen sehe, die ich für bedenklich halte. Sie für bedenklich zu halten, ist mein gutes Recht. Meinungsfreiheit gibt es in Deutschland nicht nur für die Opposition, sondern auch für die Regierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Heiland hat zum Gegenstand seiner Entlastungsoffensive — Sie wollen den Ausdruck so freundlich verstehen, wie ich ihn jetzt meine — einen Aufsatz von mir über die innenpolitischen Voraussetzungen der Wiedervereinigung gewählt. Dieser Aufsatz gibt im wesentlichen einen Vortrag wieder, den ich in Essen auf einer Tagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU gehalten habe. Als ich den Vortrag hielt und ihn dann, nachdem er etwas besprochen worden war, in einer leicht gekürzten Fassung abdrucken ließ, glaubte ich nicht, daß dieser Vortrag jemals so viel Aufsehen erregen würde. Das ist mir eigentlich zum ersten Male so gegangen. Die Aufmerksamkeit ist auf diesen Vortrag dadurch gelenkt worden, daß einer der Fraktionsvorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion ihn in einer besonderen Pressekonferenz gewürdigt hat. Das hat allerdings dazu geführt, daß die Nachfragen nach diesem Aufsatz überhaupt nicht mehr zu befriedigen sind.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Der Aufsatz heißt: „Die innenpolitischen Voraussetzungen der Wiedervereinigung". Darin steht sehr viel mehr als das, was Herr Heiland hier zum Gegenstand seiner Betrachtung gemacht hat. Darin steht ein Kapitel: „Wehvers Schleichweg zum Sozialismus". Meine Damen und Herren, dieses Kapitel muß man einmal gelesen haben, um zu sehen, was hier gemeint ist. Dies ist eine Auseinandersetzung — seien Sie sicher: erst der Beginn einer Auseinandersetzung — mit der Programmatik Ihres Stuttgarter Parteitages. Dort hat — vielleicht nimmt Herr Wehner selbst dazu Stellung — Herr Wehner eine Entschließung begründet — ich habe die Nummer nicht mehr in Erinnerung —, die nach meiner Meinung sehr bedenkliche Züge erkennen läßt. Das ist nicht nur meine Auffassung, sondern ich kann mich hier auf eine der größten und angesehensten Zeitungen in Deutschland berufen, die ihren Bericht über diese Tagung mit den Worten „Durch Wiedervereinigung zum Sozialismus" überschrieben hat. Diese vier Worte haben sich mir für die Dauer eingeprägt, denn ich hätte keine kürzere Fassung für das wählen können, was Inhalt dieser Tagung — wenigstens in ihrem Kernpunkt — gewesen ist.
Meine Damen und Herren, man muß einmal in solche Entschließungen einsteigen. Leider ist unsere Zeit schrecklich kurzlebig, und leider sind wir — ich möchte beinahe sagen: unter uns gesagt — genötigt, den größten Teil unserer Arbeitskraft in ganz unnötigen Wahlkämpfen zu verschleißen. Ich finde Wahlkämpfe alle vier Jahre gut und nützlich; aber wie wir unsere Arbeitskraft derzeit verschleißen, können Sie ja selber an den Ermüdungserscheinungen hier im Hause feststellen.

(Beifall rechts.)

Es ist geradezu unmenschlich, was dem Abgeordneten heute zugemutet wird; wir alle sind dazu da, das in einem besseren Sinne zu regeln. Ich werde mir auch erlauben, dafür in kurzer Zeit Vorschläge zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304001300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304001400
Ja, bitte! Aber hoffentlich wird dadurch mein Gedankengang nicht allzusehr zerrissen.




Dr. Fritz Baade (SPD):
Rede ID: ID0304001500
Habe ich Sie wirklich richtig verstanden, daß Sie als Bundesminister für Wahlkämpfe das Wort „unnötig" gebraucht haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304001600
Ja! Ich will es Ihnen erklären, Herr Professor Baade. Sie kennen mich doch genau genug, um zu wissen, was ich wirklich meine. Hängen Sie mich doch nicht an der Formulierung auf! Was ich meine, ist dies: Die Häufung von auseinandergezogenen Terminen, die beinahe das Ergebnis haben, uns noch ein ganzes Jahr nach den Bundestagswahlen in einem permanenten Wahlkampf zu lassen, ist unnötig. Das kann man besser machen, und ich hoffe, wir werden es mit Ihrer Hilfe fertig bekommen, es künftig besser zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Damit Sie einmal sehen, Herr Kollege Baade, wie meine wirklichen Beziehungen zur Opposition sind, würde ich eigentlich versucht sein, Ihnen aus einer gestrigen Unterhaltung mit dem Ministerpräsidenten Steinhoff — der meine Auffassung völlig teilt —, zu erzählen, daß wir hinsichtlich der Wahltermine zu besseren Regelungen kommen müssen, als wir sie zur Zeit haben.

(Abg. Dr. Menzel: Sie wissen, daß man dafür in Bayern eine Volksbefragung machen müßte!)

— Wenn es sich um eine in der Verfassung vorgesehene Volksbefragung handelt, haben wir sicherlich keine Einwände.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Ich darf zu meinem Gedankengang zurückkehren. Der sozialdemokratische Parteitag in Stuttgart stand unter der Parole, wie sie eine deutsche Zeitung formuliert hat: „Durch Wiedervereinigung zum Sozialismus", wenigstens in seinem Kernpunkt. Ich beschäftige mich hier nicht mit Ihren personellen Fragen — das sind Ihre internen Angelegenheiten —, sondern mit dem sachlichen Hauptpunkt. Meine Damen und Herren, ich sagte: Auf solchen Parteitagen werden oft viele Entschließungen gefaßt und Reden gehalten, die kein Mensch ernsthaft genug durchliest. Aber wenn man sich einmal die Mühe macht, das zu studieren, was dort gesagt worden ist, und dann den Finger darauf legt, dann erleben Sie eine Verwischungs- und Entlastungsoffensive. Und ich kann nur sagen — und damit wiederhole ich etwas, was ich hier in diesem Hause bereits gesagt habe —: Lesen Sie einmal nach, was dort Zeile für Zeile steht, vergleichen Sie damit meine Analyse, und dann wollen wir darüber sprechen, ob meine Analyse falsch ist oder nicht. Sollte meine Analyse falsch sein, so hätte ich mindestens den Effekt erzielt, daß diese Frage ganz befriedigend klargestellt wird.
Nach meiner Meinung gibt es eine einzige befriedigende Darstellung des Problems der Wiedervereinigung, und das ist diese:: Das Problem der Wiedervereinigung muß unter allen Umständen im Interesse der deutschen Nation von jeder parteipolitischen Erwägung frei bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich würde es für unter der Würde irgendeines deutschen Politikers halten, wenn er die Wiedervereinigung mit dem Rechenschieber künftiger Parteimehrheitsverhältnisse ansehen wollte.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Für mich ist dieses Anliegen in der Tat wichtiger als irgendeine Partei in Deutschland. Das sage ich mit voller Klarheit. Parteien sind vergängliche Instrumente. Parteien haben nur eine einzige Aufgabe: dem Wohl ihres Volkes bestens zu dienen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist die Aufgabe, die Parteien haben. Deswegen wehre ich mich mit aller Entschiedenheit gegen jede auch nur kleine Nuance eines parteipolitischen Akzents in der Wiedervereinigungsdiskussion.
Ich glaube, ich kann damit dieses Kapitel verlassen. Ich darf Sie bitten — hoffentlich halten Sie das nicht für eine vermessene Bitte —, tatsächlich einmal das nachzulesen, was ich darüber teils vorgetragen, teils geschrieben habe.
Nun komme ich zu dem zweiten Kapitel dessen, was ich hier zu sagen habe. Das ist leider eine große Fülle, und ich weiß nicht, ob das Haus mir Aufmerksamkeit schenken will, wenn ich mich tatsächlich mit allen Diskussionsrednern auseinandersetze. Ich will versuchen, die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses so wenig wie möglich zu beanspruchen. Ich sehe das skeptische Gesicht meines Freundes Vogel, der mit bedenklichem Blick auf die Stoppuhr sieht. Aber wir haben die Innenpolitik bei dieser Haushaltsdebatte in das letzte Glied gestellt, ganz am Schluß der Kette kommt die Innenpolitik, und Sie werden mir nicht verargen können, daß ich als der für dieses Ressort zuständige Minister die Gelegenheit benutze, einiges Wenige anzumerken — selbst im Hinblick auf die Stoppuhr.
Man wundert sich manchmal, wenn man Angaben, die man gemacht hat, völlig entstellt wiederbekommt. Es ist hier zweimal gesagt worden, das Innenministerium sei doch offenbar wenig praktisch organisiert — ich will ganz davon absehen, daß es in den Augen der Opposition unzulänglich geleitet ist; das ertrage ich natürlich mit allergrößter Fassung —; denn es sei an 342 Ausschüssen und Beiräten beteiligt. Meine Damen und Herren, wollen Sie wissen, wieviele von diesen Ausschüssen und Beiräten wir selbst gegründet haben? Ganze 11! Es muß also doch jemand geben, der die 331 anderen Ausschüsse und Beiräte gegründet hat, an denen wir beteiligt sind, weil wir müssen, Herr Kollege Schäfer, nicht weil wir gern möchten. Glauben Sie, es sei für den verantwortlichen Mann eine Freude, zu sehen, wie die Beamten über ganz Deutschland, in ständigen Reisen hin und her, verteilt werden? Glauben Sie nicht, ich sähe viel lieber ein Haus, das mit mehr Ruhe und Konzentration arbeiten kann, als uns das derzeit erlaubt wird?

(Abg. Dr. Schäfer: Wir wollen wissen, wo die Beamten arbeiten, in welchen Ausschüssen!)

— Sie wollen wissen, wo die Beamten arbeiten? Wir
haben Ihnen ja auf Ihren Wunsch die Ausschüsse
und Beiräte genannt. — Das ist ein Zeichen dafür,
2338 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 40. Sitzung, Bonn, Freitag, den 4. Juli 1958
Bundesminister Dr. Schröder
daß wir in Deutschland derzeit in einem Maße überorganisiert sind, daß das an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit herangeht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schäfer: Richtig!)

Ich würde gern einmal einen Vorschlag aus den Reihen der Opposition hören, was ich nicht mit den von mir gegründeten 11, sondern mit den anderen 331 Ausschüssen und Beiräten machen soll. Wenn Sie mir dafür Vorschläge machen, dann erwerben Sie sich ein Verdienst; das dürfte ganz sicher sein.

(Zuruf von der SPD: Dafür dürfen Sie doch die Opposition nicht verantwortlich machen!)

— Ja, ich mache Sie doch nicht verantwortlich. Sie haben mir nur vorgehalten — ich hätte beinahe einen häßlichen Ausdruck gebraucht —, das sei ein miserabel verwaltetes Ressort, denn es sei an 342 Ausschüssen und Beiräten beteiligt. Jetzt wehre ich mich dagegen und fordere Sie auf, Vorschläge zu machen. Da sagen Sie: Machen Sie nicht die Opposition verantwortlich!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0304001700
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304001800
Bitte!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0304001900
Herr Minister, ist Ihnen: mein Hinweis entgangen, daß es nach unserer Auffassung unrichtig oder mindestens zu überprüfen ist, ob die Notwendigkeit besteht, daß man an 342 Ausschüssen beteiligt ist, und — was uns vom Parlament aus interesssiert — ob das nicht zu Nebenverwaltungen führt? Ich frage Sie deshalb ebenso wie in meinem Vortrag, ob Sie bereit sind, einen Bericht über die Tätigkeit dieser Ausschüsse und über die Beteiligung des Ministeriums an ihnen zu geben, damit man das überprüfen und Vorschläge machen kann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304002000
Das Ministerium hat diese Mitteilungen, die auf einen Wunsch des Ausschusses zurückgehen, in der Tat gegeben. Es handelt sich jetzt nur darum, zu Vorschlägen zu kommen, was geschehen kann, um diese Landschaft der Ausschüsse und Beiräte zu durchforsten, die andere Leute gegründet haben, auf allen Ebenen, wohlgemerkt; das sind nicht oder jedenfalls nur zum allergeringsten Teil Ausschüsse, die andere Ressorts gegründet haben. Wenn Sie aber Vorschläge zu machen haben, dann bringen Sie sie bitte vor. Sie können sich damit nur ein Verdienst erwerben.
Es ist dann gesagt worden, daß ich die Vorschläge des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung nicht genügend honoriert hätte. Meine Damen und Herren, wir haben sie sofort schon vor den Haushaltsberatungen in dem Umfang berücksichtigt, in dem es nach Meinung des Innenministeriums unmittelbar möglich war. Das ganze ist ein sehr weites Feld. Ich kann im Rahmen der Haushaltsdebatte unmöglich darüber sprechen.
Ich glaube, daß zum Beispiel der Bericht an Überzeugungskraft gewonnen hätte, wenn sich die Verfasser die Mühe gemacht hätten, wenigstens ein einziges Mal mit mir selbst zu sprechen. Hier steht die Unterschrift darunter, ohne daß auch nur einmal eine Unterhaltung des Unterzeichners mit dem verantwortlichen Leiter dieses Ressorts darüber stattgefunden hätte.

(Abg. Dr. Schäfer: Dieser Vorwurf richtet sich aber gegen den Bundegbeauftragten!)

— Lassen Sie mich doch so höflich sein, wie es mir möglich ist, um das zu sagen, was ich meine.

(Heiterkeit in der Mitte.) Was ich meine, ist dies.


(Abg. Heiland: Vielleicht haben Sie dafür genauso wenig Zeit wie für den Haushaltsausschuß!)

— Darauf komme 'ich gleich, Herr Kollege Heiland. Ich hätte sehr viel mehr Zeit, wenn wir in Deutschland eine wesentlich angenehmere Opposition hätten.

(Heiterkeit in der Mitte. — Aha!-Rufe bei der SPD.)

— Das ist so, ob Sie das nun glauben oder nicht. Ich sagte Ihnen bereits: Daß die Volksbefragungskampagne etwas aus dem Rahmen Fallendes ist, werden Sie wahrscheinlich nicht bestreiten, ebenso nicht, daß sie mich einen viel, viel zu großen Teil meiner Arbeitszeit und Arbeitskraft kostet. Diese Zeit, umgerechnet auf Haushaltsberatungen, würde ausreichen, Herr Kollege Heiland, daß Sie mich dort als ständigen Gast bei sich sehen könnten, falls Sie den Wunsch dazu verspüren sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf zu dem anderen Punkt zurückkommen, Wenn man ein Haus wie das Innenministerium — bekanntlich eines der schwierigsten und umfassendsten Ministerien — in seiner Leitung und in seiner Arbeitsfähigkeit angemessen beurteilen will, dann muß man sich dafür der Erfahrung bedienen, die jemand gesammelt hat, der wie ich die Ehre hatte, das Haus nun schon länger als 4 1/2 Jahre zu leiten. Wenn man das nicht tut, dann kommt man zu Fehlurteilen. Diese Fehlurteile will ich den Herren gern in aller Gründlichkeit auseinandersetzen, wenn dafür etwas mehr Zeit zur Verfügung steht.
Es ist Kritik an der Gesetzgebungstätigkeit des Bundesministeriums des Innern geübt worden. Dazu möchte ich zunächst einmal sagen, daß der Gesetzgeber dieses Hohe Haus ist.

(Abg. Dr. Schäfer: Dieser Belehrung bedarf es nicht!)

— Aber ich werde doch schließlich eine Argumentation vortragen dürfen, und das tue ich. Man kann uns nicht gleichzeitig vorwerfen, wir machten die Gesetze falsch, schlecht und langsam, und uns dann in demselben Augenblick unter Hinweis auf die von der Opposition vorgelegten Gesetzentwürfe zu größerer Tätigkeit anspornen.



Bundesminister Dr. Schröder
Wenn Sie einen zulänglichen Gesetzentwurf haben und wenn Sie ihn früher als die Regierung haben, bei der manches schwieriger ist — vor allen Dingen auch das Verhältnis zu den Ländern —, dann reichen Sie ihn ein! Das tun Sie ja auch. Das haben Sie bei dem Entwurf des Lebensmittelgesetzes getan. Sie haben diesen Entwurf in der Fassung, die er im Ausschuß des vergangenen Bundestages gehabt hat, genommen und hier eingereicht. Leider kann die Bundesregierung nicht so arbeiten, weil ihr bei der Gesetzesvorbereitung ein sehr viel mühseligerer Weg vorgeschrieben ist; ich verweise auf den notwendigen Schriftverkehr mit den Ländern, Herr Kollege Schäfer; wenn Sie einmal die letzten Stadien des Lebensmittelgesetzentwurfs der Bundesregierung erlebt hätten, dann würden Sie sagen: Das ist doch sehr viel schwerer, als ich mir das gedacht habe.
Ich glaube also, daß die Kritik an der schlechten oder langsamen Gesetzgebungstätigkeit des Ministeriums unbegründet ist. Wenn Sie in die beiden zurückliegenden Legislaturperioden hineinsehen und sich einmal die Statistik unserer Gesetzentwürfe und verabschiedeten Gesetze vornehmen, dann werden Sie feststellen, daß wir dabei recht vorteilhaft abschneiden.
Dann ist von zwei Seiten die Frage eines Parteiengesetzes behandelt worden. Ich möchte auch hier mit aller Deutlichkeit folgendes sagen. Wenn — ich sage das „wenn" voraus — ein Gesetzgebungsauftrag des Grundgesetzes nicht erfüllt sein sollte, dann tragen die Verantwortung dafür doch wohl alle an der Gesetzesinitiative beteiligten Institutionen, und das sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.
Sie werden mir darauf antworten: Es ist ein vornehmes Recht der Bundesregierung, in der Gesetzesinitiative möglichst führend tätig zu sein. Sicherlich.

(Abg. Heiland: Sie hat den Apparat dafür!)

Sie betrachtet das nicht nur als ein vornehmes Recht," sondern als ihre vornehmste Verpflichtung. Aber das Parteiengesetz — ich habe das hier schon einmal ausgeführt — wird nun leider von den verschiedenen Menschen mit ganz verschiedenen Erwartungen betrachtet. Für die Opposition geht es darum, die von ihr vermuteten Finanzquellen ihrer Gegner aufzudecken. Für andere geht es darum

(Abg. Dr. Schäfer: Sie zu verschleiern!)

— nein, nicht durch das Gesetz zu verschleiern —, Wege zu finden, wie man die Parteien finanzieren könnte. Sie werden zugeben, daß das ganz verschiedene Betrachtungen sind. Welche eines Tages die Betrachtung dieses Hohen Hauses sein mag, das vermag ich kaum zu ahnen. Ich weiß z. B. bisher nicht, ob die Opposition den Wunsch hat, eine aus öffentlichen Quellen vorgenommene Parteifinanzierung zu unterstützen. Sollten Sie diesen Wunsch haben, so wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ihn zum Ausdruck brächten. Ich weiß, daß zahlreiche Kreise dieser oder jener Art einen solchen Wunsch haben; ob Sie ihn offiziell haben, weiß ich nicht.
Um dieses Gestrüpp zu durchforsten, habe ich schon im Jahre 1955 eine Kommission berufen, die einen Bericht gemacht hat — er ist ungefähr im August vergangenen Jahres veröffentlicht worden —, der sich mit der ganzen Problematik beschäftigt. Ich habe mit einem der prominentesten Mitglieder dieser Kommission eine längere Unterhaltung über diesen Bericht gehabt, nachdem er abgeschlossen war. Als ich diesen Herrn gefragt habe: Welche ist denn nun Ihre Prognose für die politisch-parlamentarische Behandlung der Sache?, hat er mir gesagt: Wissen Sie, nach allem, was wir hier herausgestellt und herausgefunden haben, kann ich mir schwer vorstellen, daß sich überhaupt irgend jemand finden wird, der diesen häßlichen Igel anfaßt. Das war nicht ein Mann, der eine scherzhafte Bemerkung machen wollte, sondern das war jemand, der die Problematik genau kannte.
Worin steckt die Problematik? Sie steckt darin, daß die modernen Parteien, gleichgültig wie sie heißen, in einer modernen Welt leben und daß die Welt, in der wir leben, eine sehr aufwendige Welt ist. In ihr stoßen die Parteien bei ihrer politischen Werbung auf ein sehr verwöhntes Publikum, auf Menschen, die durch erstklassige Werbung der Wirtschaft und anderer Stellen sehr verwöhnt sind und die deswegen die Parteien nötigen, nicht eine altertümliche Werbung, vielleicht aus dem Anfang dieses Jahrhunderts, sondern eine ganz moderne Werbung zu machen. Diese moderne Werbung kostet sehr, sehr viel Geld.
Dieses Problem der Beschaffung des Geldes und der Kontrolle des Geldes hat bisher kein freier Staat des Westens befriedigend gelöst. Sie werden nicht behaupten wollen; daß die englische und die amerikanische Lösung wirkliche Lösungen seien; sie sind es vielleicht auf dem Papier, aber nicht für den Kenner. Das ist im übrigen nicht nur meine Meinung, sondern die Meinung der Kommission. Deswegen sind ,die Erwartungen — wenn ich alle diejenigen herauslasse, die annehmen, in dem Parteiengesetz 'steht: die Parteien bekommen soundso viel aus dem Bundeshaushalt —, die man im übrigen an die Rechenschaftslegung der Parteien knüpfen kann, durchaus begrenzt, wenn man realistisch sein will. Wenn man realistisch sein will — das ist im übrigen auch die Meinung der Kommission; dort gab es in diesem Punkt eine Mehrheits- und eine Minderheitsauffassung —, wird man nur dazu kommen ,können, einen Entwurf vorzulegen, von dem der weitaus größte Teil der Kritiker nicht befriedigt sein wird. Die einen werden sagen: wir wissen ja noch immer nicht, ob der XY in der und der Stadt etwas für die und die Parte gegeben hat, und das wollen wir hier lesen; die anderen werden sagen: das interessiert uns gar nicht, wir wollen wissen, woher wir Geld bekommen, notfalls .aus den öffentlichen Kassen. Das 'st in nute die Problematik, und ich bin gespannt, was Sie zur Lösung dieser Problematik werden beitragen wollen.
Ein anderes Kapitel, das etwas kursorisch behandelt worden ist, ist das große Kapitel ,des zivilen Bevölkerungsschutzes. Ich bin der Auffassung,



Bundesminister Dr. Schröder
daß diese vorgerückte Zeit kurz vor dem Sommerschluß nicht dazu geeignet ist, in aller Ausführlichkeit darüber zu sprechen. Ich werde ja in einigen Monaten dem Hohen Hause ein zweites Gesetz über den Schutz der Zivilbevölkerung vorlegen müssen. Ich glaube, daß dann die richtige Gelegenheit ist, über diese Fragen intensiver zu sprechen.
Der Kollege Schäfer hat in einer meiner Reden den Ausdruck legale Regierung entdeckt und hat etwas darüber philosophiert, was ich mit „legaler Regierung" meine. Ich meine mit „legaler Regierung" nicht das, was er mühselig aus „Information für die Truppe" — die ich nicht lese, dazu reicht meine Zeit nicht, ich bin dafür auch nicht verantwortlich — herausgefunden hat. Ich meine mit „legaler Regierung" nicht mehr als eine nach voraufgegangenen ordentlichen Wahlen durch ein ordentlich zusammengetretenes Parlament berufene und bestätigte Regierung. Das verstehe ich unter einer legalen Regierung. Man braucht dahinter keine Geheimnisse zu suchen.
Ich darf dann noch einmal zu den Ausführungen der Kollegin Frau Diemer-Nicolaus zurückkehren. Sie hat auch getadelt — ich gebe es jetzt in meinen Worten wieder —, wir seien verwaltungsmäßig etwas übersetzt, hat sich aber gleichzeitig dafür ausgesprochen, daß z. B. das Frauenreferat stärker besetzt werden müsse. Ich glaube, ich zitiere Sie, Frau Kollegin, jedenfalls dem Sinne nach korrekt. So geht es uns immer; wir werden an der einen Stelle dafür getadelt, daß wir viel zu viel hätten, und dieselben Tadler kommen im selben Augenblick mit Vorschlägen, an welchen Stellen wir noch einen beträchtlichen Ausbau vornehmen müßten.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das ist leider das Los, vor dem wir stehen, und wir können uns nur mühselig durch diese Schwierigkeiten hindurchfinden.
Es ist getadelt worden, daß unsere Richtlinien für die Nachweise bei Förderungsmitteln zu strikt seien. Der Tadel geht zu Unrecht an unsere Adresse. Auch dieser Tadel ist an den Bundesrechnungshof zu richten. Er hat sich diese Richtlinien ausgedacht, und wir sind hier nichts weiter als die Ausführenden. Im übrigen ist es gelungen, hinsichtlich der Forschungsmittel ein etwas erleichtertes Verfahren einzuführen.
Dann ist davon gesprochen worden, daß es unglücklich sei, wenn ein Teil der Aufgaben auf dem Gebiet der Jugendpflege im Innenministerium und ein anderer Teil im Ministerium für Familien- und Jugendfragen liege. Ich möchte eins klarstellen: Es kommt darauf an, was Sie in die Jugendfragen hineinnehmen. Die Sportfragen sind keine Jugendfragen, sondern sind allgemeinere Fragen. Die Studentenfragen gehören nach meiner Meinung nicht dorthin; deswegen bearbeiten wir sie auch weiter. Und der Jugendschutz im Sinne des Gesetzes gegen jugendgefährdende Schriften usw. ist eine Sache, die eindeutig in den Aufgabenbereich des Innenministeriums gehört. Deswegen kann man es nicht anders machen, selbst wenn es nicht ganz befriedigend sein mag, als es zur Zeit geregelt ist.
Ich komme zu den Wünschen des Herrn Kollegen Bausch hinsichtlich der Behandlung der Geistlichen, die im Rahmen des Bundesgrenzschutzes Seelsorge und berufsethische Erziehung betreiben. Herr Kollege Bausch, das ist ein schwieriges Problem. Es handelt sich um eine relativ geringe Anzahl von Geistlichen, deswegen rein finanziell betrachtet auch um keine sehr große Sache; aber es ist eine Sache, die doch eine gewisse grundsätzliche Note hat, nämlich diese: Der Militärseelsorger hat einen eigenen Sprengel, er ist ein Mann, der sozusagen auch das Schicksal des Feldzuges mit der Truppe zu teilen hat, während der im Bundesgrenzschutz seelsorgerisch tätige Geistliche ein begrenzteres Aufgabengebiet hat, eben nicht die Seelsorge im Rahmen der örtlichen Bindung als Aufgabe hat. Ob man dieses Problem nicht doch befriedigender regeln kann, in Ihrem Sinne regeln kann, das mag noch einmal neu untersucht werden. Aber ich bitte zu sehen, daß es nicht etwa so ist, als ob Seelsorge bei Herrn Strauß großgeschrieben wird und Seelsorge bei mir etwa unter „Ferner liefen" betrieben würde. Es gibt hier eine grundsätzliche Verschiedenheit in der Aufgabenstellung.
Meine Damen und Herren, ich komme dann schon zum Schluß, nachdem ich Herrn Kollegen Heiland bereits eingangs erwidert habe. Er hat einige Anmerkungen gemacht, die sich auf das Ahlener Programm der CDU bezogen. Auch das sind alte liebe Bekannte; — die Ausführungen, nicht das Ahlener Programm; das ist ein Markstein in unserer Parteigeschichte;

(Zuruf von der SPD)

aber die polemischen Ausführungen darüber sind alte liebe Bekannte aus den Wahlkämpfen. — Ich weiß nicht, warum Sie nicht glauben wollen, daß das Ahlener Programm ein Markstein in unserer Parteigeschichte ist. Das ist doch ganz offensichtlich. Ich verstehe das nicht;

(Abg. Dr. Schäfer: Verwirklichen Sie es doch!)

die Behauptung ist nicht zu bestreiten.

(Abg. Dr. Schäfer: Wir übersehen ihn auch nicht! — Weiterer Zuruf von der SPD: Eher Grabstein!)

— Herr Kollege Heinemann, daß Sie dazu neigen, eher Grabsteine zu sehen, das hängt eben mit Ihrer Parteitätigkeit in den letzten Jahren zusammen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Wir übersehen den Markstein gar nicht!)

Das Ahlener Programm und gewisse Betrachtungen über die Neuordnung der deutschen Wirtschaft stammen aus einer Zeit, in der es eine gefestigte grundgesetzliche Ordnung noch nicht gab — das werden Sie mir rein datenmäßig schon abnehmen —, und wir sind der Meinung, daß der Kern des Ahlener Programms das Prinzip der Machtverteilung war. Das war ein großer neuer Gedanke. Dieses Prinzip der Machtverteilung haben wir in den



Bundesminister Dr. Schröder
vergangenen Jahren in zahlreichen Gesetzen sehr praktiziert. — Ja, Herr Kollege Heiland, wenn Sie das nicht glauben, dann will ich Sie doch einmal fragen, ob Ihnen irgendein Land in der Welt bekannt ist, das ein so weitgehend geregeltes Mitbestimmungsrecht hat wie die Bundesrepublik.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das gibt es nirgends in der Welt, nur bei uns. Wir sehen in dieser Regelung eines machtverteilenden Prinzips ein großes Stück, wenn Sie so wollen, Erfüllung oder auch Weiterentwicklung des Ahlener Programms. Eine Partei muß auch mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung gehen; und die Partei, für die ich gelegentlich spreche — nicht hier im Hause, hier spreche ich für die Regierung, aber draußen spreche ich gelegentlich für die Partei —, ist sehr stolz darauf, daß es ihr gelungen ist, in diesen Jahren das, was man ,das „Proletariat" nannte, praktisch in Deutschland zu einem unbekannten historischen Begriff zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich mich mit ,diesen Anmerkungen begnüge. Ich möchte aber noch einmal sagen — Sie müssen es mir bitte so abnehmen, wie ich es sage —: ich gehöre zu denjenigen, die nicht etwa eine geringe Neigung für das Parlament haben, sondern eine sehr große Neigung, weil ich mich als einen geborenen Parlamentarier empfinde. Warum? Weil ich glaube, daß sich aus Aussprachen, wie sie hier möglich sind, sehr viel Nützliches entwickeln läßt, und vielleicht noch mehr in der Zukunft, als das in der Vergangenheit möglich war. Wenn ich mich also nicht aller Sparten dieses Hohen Hauses gleichmäßig intensiv habe annehmen können, dann liegt es daran, daß Sie mir in der letzten Zeit sehr viele Sondersorgen beschert haben. Ich habe die Hoffnung, daß wir hier im Herbst schon zu einer Verbesserung der Lage kommen werden.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304002100
Das Wort hat der Abgeordnete Heinemann.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0304002200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Haushalt des Bundesministers des Innern habe ich noch einige politische Bemerkungen anzufügen.
Zunächst möchte ich feststellen, daß die Tatsache, daß wir unsere Anträge aus der zweiten Lesung hier nicht alle wiederholen, in keiner Weise bedeutet, daß wir die in den Anträgen verfolgten Anliegen fallenließen. Wir merken, daß keine Aussicht auf Annahme unserer Anträge besteht, und wollen infolgedessen die dritte Lesung nicht mit einer völligen Wiederholung belasten. Wir haben uns darauf beschränkt, den Antrag zu Tit. 300, Verfassungsschutz ,wo wir die parlamentarische Kontrolle fordern, und den Antrag wegen der Schulbauten wiederaufzunehmen. Wir erklären ausdrücklich, daß wir überaus unglücklich darüber sind, mit den anderen Anträgen hier nicht zum Zuge zu kommen.
Sodann, verehrte Damen und Herren, möchte ich einige Ausführungen zur demokratischen Entwicklung unseres Lebens überhaupt machen; denn wir stehen ja hier in der Auseinandersetzung mit dem Verfassungsminister. Unsere Demokratie ist jung, und sie entbehrt der Tradition. Sie ist nicht aus einem Guß einer kraftvollen Entscheidung, sondern wie schon einmal, aus einer militärischen Niederlage entstanden. Die Ordnung, die wir ihr gegeben haben, ist mehr aus konstruierenden Gedanken und aus einem Zusammentragen verschiedenartiger Erfahrungen, deutscher Erfahrungen und Erfahrungen der Besatzungsmächte, erwachsen. Alles das bedingt, daß diese unsere Demokratie einer Pflege und einer Ausgestaltung bedarf. Es ist klar, daß hier in besonderem Maße eine Aufgabe des Verfassungsministers besteht.
Wie ist es damit? In Deutschland wird um Demokratie seit rund hundert Jahren gefochten. Es ist ein sehr leidvolles Kapitel in der Auseinandersetzung um die Demokratie in Deutschland, daß diejenigen Kräfte, die die Demokratie voranzutreiben, zu entfalten sich bemüht haben, immer wieder diffamiert worden sind. Das ist geradezu ein Kennzeichen unserer deutschen Geschichte in den letzten 110 Jahren. Das fing bekanntlich damit an, daß man 1849 die demokratischen Kräfte blutig zusammenschlug. Im Kaiserreich waren die Sozialdemokraten die berüchtigten „vaterlandslosen Gesellen", sie waren die „Reichsfeinde". Aber 1914 erwies es sich, daß die ärmsten Söhne auch die treuesten Söhne des Vaterlandes waren.

(Beifall bei der SPD.)

In der Weimarer Zeit mußten die Sozialdemokraten als die „Novemberverräter" wieder herhalten. Im Dritten Reich war ja alles und jedes, was in Opposition stand, „kommunistisch".

(Abg. Niederalt: Ich verstehe gar nicht, daß Sie damals angesichts dieser Tatsachen zur CDU gegangen sind!)

— Entschuldigen Sie gütigst, Ihrem Gedankengang kann ich nicht folgen. Ich habe gerade ein paar Worte zur Weimarer Zeit gesagt, ich wollte etwas zum Dritten Reich sagen, da kommen Sie mit der CDU. Damals hat es noch keine CDU gegeben.
Aber wenn Sie unbedingt etwas zur CDU hören wollen, dann will ich Ihnen einmal folgendes sagen. Herr Dr. Schröder hat sich eben dazu bekannt, daß er den Nationalsozialismus immer abgelehnt, ihm durch Taten widerstanden habe. Dann mußte Herr Dr. Schröder sich darüber klar sein, daß er damit gegen die Verordnung zum Schutze von Volk und Staat, zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte vom Februar 1933 handelte.

(Hört! Hört! und Heiterkeit bei der SPD.)

Mit anderen Worten: Auch er hat einmal die Linie des „Kommunistischen" gestreift, weil er im Dritten Reich Opposition machte.

(Heiterkeit bei der SPD. -- Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mommer: Genau!)




Dr. Dr. Heinemann
— Ja, meine Damen und Herren, aus der Übertreibung kommt gerade diese Groteske heraus, genau aus der Übertreibung!

(Abg. Dr. Kliesing [Honnef]: So diffamieren Sie den Widerstand!)

Meine Damen und Herren, wir, die wir im Dritten Reich widerstanden haben, sind ja stolz darauf, daß man uns unter diese Verordnung vom Februar 1933 rechnete. Sie können uns damit gar nichts Übles anhängen, daß Sie das unter jene Verordnung mitrechnen.

(Abg. Rösing: Das klingt anders! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

1945 waren wir ja wohl darin einig, daß wir diese unglückliche Kette deutscher Entwicklung auflösen, durchbrechen wollten, damit diejenigen, die die Demokratie auszugestalten, voranzutreiben sich bemühen, nicht wieder diffamiert werden.
Über dieser Bundesregierung steht — und das ist das Bekümmernde für uns — der Satz des Regierungschefs Dr. Adenauer aus seiner Nürnberger Rede vom vorigen Jahr: „Wir werden dafür sorgen, daß die SPD niemals an die Macht kommt. Wir sind dazu so fest und zutiefst entschlossen, weil wir glauben, daß mit einem Sieg der Sozialdemokratischen Partei der Untergang Deutschlands verknüpft ist." Verehrte Damen und Herren, in diesem Glaubensbekenntnis, in diesem Generalbekenntnis des Demokraten Dr. Adenauer ist wirklich alles aufgekündigt, was uns nach 1945, auch in viel gemeinsamer praktischer Arbeit, verbunden hat.

(Zustimmung bei der SPD.)

Leder paßt vieles, Herr Dr. Schröder, von Ihrer Arbeit und von der Arbeit oder von der Aussage Ihrer engeren Freunde nur zu sehr zu diesem Generalbekenntnis.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es ,ist schon die Rede davon gewesen, daß Sie hier am 13. Juni den Kampf gegen die atomare Bewaffnung in der Bundesrepublik als ein Moskauer Spiel dargestellt haben. Sie haben uns gesagt, daß Sie im Hinblick auf diesen Kampf gegen die atomare Bewaffnung mancherlei Sorge hätten. Gut, das will ich akzeptieren. Aber läge es dann nicht nahe, daß Sie denen, die diesen Kampf tragen, von Fall zu Fall immer wieder sagen würden: Achtet mal auf dies oder das; daß Sie ihnen konkrete Hinweise liber den Gegenstand Ihrer Sorge geben würden? Aber das eben taten Sie nicht, das tun Sie nicht, sondern Sie diffamieren pauschal diese ganze Bemühung gegen die atomare Bewaffnung in der Bundesrepublik als ein Moskauer Spiel. Und dagegen wehren wir uns mit größtem Nachdruck.

(Beifall bei der SPD.)

Auch aus dem Bereich Ihrer engeren Freunde, Herr Dr. Schröder, erwächst uns mancher Kummer. Ich will zwei Beispiele nennen. Zum Bereich Ihrer engeren Freunde rechne ich in bezug etwa auf den Evangelischen Arbeitskreis Herrn von Hassel; er ist übrigens auch Stellvertretender Vorsitzender der Gesamtpartei. Er hält in diesem Landtagswahlkampf eine Rede über das Thema „Adenauer oder Ulbricht". Der Herr Bundesschatzmeister der CDU, auch Ihnen sonderlich nahestehend, hat jetzt einen Wählerbrief verbreitet, in dem wörtlich folgendes steht:
Für uns kann die Parole dieses Wahlkampfes nur lauten: Adenauer oder Ulbricht? Wer nicht zur Wahl geht, wählt SPD! Wer die FDP wählt, wählt SPD!

(Sehr gut! in der Mitte.)

Wer die SPD wählt, wählt Ulbricht!

(Pfui-Rufe und Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, mit dem Leitsatz Ihres Regierungschefs, daß die Opposition niemals an die Macht kommen darf, und mit solchen Parolen: „Wer SPD wählt, wählt Ulbricht", ist jede Gemeinsamkeit zerbrochen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Menzel: Aber wenn Deutschland wieder einmal in Not ist, dann finden sie uns!)

Damit wird alles aufgesagt und gekündigt, was Sie mit uns nach 1945 gesucht, angefangen oder auch durchgeführt haben. Wieder einmal wie schon so oft in der 110jährigen Geschichte deutscher Demokratie soll ein Teil ausgestoßen sein, wird ein Teil geächtet. Wieder einmal setzt sich die regierende Gruppe dem Staate gleich. Wieder einmal ist „anständig", wer so denkt, wie es die regierende Gruppe wünscht.
Meine Damen und Herren, das alles führt nicht zu parlamentarischer Demokratie. Das alles ist geeignet, ein Mehrparteiensystem zu zerstören, ein Zweiparteiensystem zu einer Scheinangelegenheit zu machen. Wenn nämlich in einem Zweiparteiensystem nur die eine Gruppe regieren darf, die andere aber niemals, dann ist das überhaupt kein Mehrparteiensystem mehr im Sinne parlamentarischer Demokratie.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

— Meine Damen und Herren, sagen Sie doch bitte einmal, was Sie eigentlich wollen. Sie führen Klage über Vorgänge außerhalb des Parlaments. Gleichzeitig aber sagen Sie hier im Parlament und draußen: Niemals darf die Opposition an die Macht! Gleichzeitig verbreiten Sie die Parole „Adenauer oder Ulbricht", worin die ganze Opposition einfach ausgestrichen ist. Also was wollen Sie eigentlich?

(Zurufe von der Mitte: Adenauer! — Sie haben doch bei jeder Wahl auch Chancen! — Woher kommt denn die Parole?)

— Die Parole, es gehe um Adenauer oder Ulbricht, ist in einer Wahlrede von Herrn von Hassel vorgebracht worden.

(Abg. Niederalt: Was haben Sie denn in Stuttgart gesagt?)

— Ich habe in Suttgart überhaupt nichts gesagt. (Lachen und Zurufe von der Mitte.)

Meine Damen und Herren, der Kernpunkt dessen, was ich sagen will, ist, daß dieser uralte Burger-



Dr. Dr. Heinemann
schreck vor den „Roten" ein peinliches, ein notvolles Kapitel deutscher Geschichte ist.
Gegenwärtig wird dieses Kapitel besonders in bezug auf Herrn Wehner entfaltet. Herr Wehner hat mit dem Kommunismus zu einer Zeit gebrochen, als dieser für die ganze Welt der gesuchte Bundesgenosse war,

(Beifall bei der SPD)

als er mit der ganzen westlichen Welt auf den Wegen des Sieges war. Daß Herbert Wehner Sie manchmal — wie soll ich sagen? — bedrückt, mag wohl daran liegen, daß er gegen jedes totalitäre System mit derselben freiheitlichen Leidenschaft steht,

(lebhafte Zurufe von der Mitte)

die ihn dazu gebracht hat, den Weg zu gehen, den er gegangen ist.
Meine Damen und Herren, genau an dem Kapitel Wehner wird wieder deutlich, was eine Tragik unserer innenpolitischen Geschichte seit 110 Jahren ist. Darf ich Sie daran erinnern, wer schon vor Jahrzehnten immer wieder darauf aufmerksam gemacht hat: Männer wie Friedrich Naumann und Walter Schücking. Dieser schrieb 1913: Es geht nick, so weiter, die SPD als inneren Feind zu brandmarken; es geht nicht so weiter, ihr das Kainszeichen sittlicher Minderwertigkeit aufzudrücken! Und Max Weber schrieb vor 40 Jahren — und nun kommt ein sehr bemerkenswerter Punkt —: Ob die deutsche Nation zu politischer Reife gelangt, wird sich daran zeigen, wie sie auf solchen Bürgerschreck reagiert. Max Weber hat das 1917 mit viel Skepsis ausgesprochen. Sie können das in dem damaligen Artikel in der „Frankfurter Zeitung" nachlesen. Er hat der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß sich das deutsche Bürgertum immer wieder in diesem Schrecken fangen lassen würde. Hat er nicht in bezug auf die Weimarer Zeit nur zu sehr recht gehabt? Hat er nicht in bezug auf das Dritte Reich nur zu sehr recht gehabt? Und wie steht es heute? Immer noch ist dies eine bedrängende Frage.
Werfen Sie uns, meine Damen und Herren, politisch vor, was immer Sie glauben verantworten zu können; aber solange der Satz Dr. Adenauers gilt, daß die Opposition niemals regieren darf, und solange Alternativen von führenden Leuten Ihrer Partei so gestellt werden, es gehe um Adenauer oder Ulbricht, haben wir zu dieser Regierung, auch zu Ihrem Verfassungsminister, zu Ihrem Innenminister kein Vertrauen!

(Beifall bei der SPD.)

Dazu kommt ja auch manches aus der praktischen Arbeit. Das Fehlen des Parteiengesetzes ist hier bereits mehrfach moniert worden. Die Arbeit an diesem Parteiengesetz wurde vor acht Jahren von mir im Innenministerium eingeleitet. Ich wüßte zwar nicht, daß sie bis zu einer Vorlage ans Kabinett gediehen sei; immerhin, sie wurde eingeleitet, und seit acht Jahren kommt sie nicht vom Fleck. Es ist schön und gut, daß da eine Kommission getagt hat. Ärzte nennen so etwas, wenn sie weiß Salbe verschreiben: Ut aliquid fieri videatur. Die
Arbeit dieser Kommission hat ja auch bisher noch nicht zu einer Vorlage geführt. Wir begrüßen, daß die Freien Demokraten den Antrag gestellt haben, die Vorlage bis zu einem bestimmten Termin anzufordern. Wir werden diesem Antrag zustimmen und uns überhaupt an dem Fortgang dieser Arbeit sehr beteiligen, zumal da wir angesichts der ewigen Verspätung des Bundesinnenministeriums längst intern damit angefangen haben.
In diesem Zusammenhang ist auch noch einmal die Steuerfreiheit der Spenden zu nennen. Wir beklagen zutiefst, daß es das Verfassungsministerium versäumt hat, den Grundsatz der Chancengleichheit durchzusetzen. Es hat den Vorwurf mitzuverantworten, den das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen hat, daß durch die Steuerfreiheit der Spenden eine einseitige Bevorzugung bestimmter Gruppen eingetreten sei. Das Bundesinnenministerium als Verfassungsministerium hatte vor diesem letzten Karlsruher Urteil ja eine Vorwarnung bekommen. Bereits im Februar vorigen Jahres ist nämlich vom Bundesverfassungsgericht eine Steuerbestimmung in gleicher Richtung für nichtig erklärt worden. Das Urteil sprach aus, daß die Fragen noch viel grundsätzlicher zu sehen seien. Was hat das Bundesministerium des Innern getan, um dieser Verfassungsfrage gerecht zu werden? Sonst werden ja sehr schnell Gutachten produziert,

(Abg. Dr. Menzel: Einstweilige Verfügungen beantragt!)

— auch einstweilige Verfügungen beantragt.
An Referaten scheint es im Ministerium auch nicht zu fehlen. Seitdem ich es verlassen habe, hat es sich etwa verfünffacht. Es dürfte also die Möglichkeit bestehen, dieser Aufgabe mehr Zeit zuzuwen den.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Auch in dieser praktischen Arbeit verbindet uns also kein Vertrauen mit diesem Ministerium, und wir werden alles, was aus dem Ministerium kommt, mit großer Zurückhaltung und vielen Vorbehalten ansehen.
Meine Damen und Herren, ich mache hier eine Bemerkung, die nicht ganz strictissime zum Bundesinnenministerium gehört. Sie betrifft die Bundesregierung im ganzen. Bei der gesamten Haushaltsberatung ist nicht über die Justiz debattiert worden. Eigentlich wäre 'die Justiz das Schlußlicht. Aber dieses Schlußlicht ist abgehängt worden; von Justiz wird in dieser Debatte überhaupt nicht die Rede sein. Das bedauern wir außerordentlich; denn auch zu der Justiz wäre sehr vieles zu sagen gewesen. Wir hören aus 'dem Bereich des Justizministeriums — nur diesen Punkt will ich hier andeuten —, daß über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachgedacht wird. Verehrte Damen und Herren, der Sperriegel unseres Grundgesetzes, der vor dem Schafott steht, wird von uns verteidigt werden, gerade weil diese Art von Diffamierung der Opposition wieder so sehr zur Spielregel wird

(Zustimmung bei der SPD)

und wir ja obendrein hören,

(Abg. Dr. Aigner: Das hat damit nichts zu tun!)




Dr. Dr. Heinemann
daß an die Todesstrafe auch in bezug auf politische Vergehen oder Verbrechen gedacht wird.

(Pfui-Rufe und weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer: Schäffer hat es doch gesagt! — Weitere Gegenrufe von der SPD.)

— Was wollen Sie denn eigentlich?

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Sie diffamieren! — Weitere Zurufe.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304002300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider (Bremerhaven)?

(Andauernde Zurufe von der CDU/CSU.)

— Meine Damen und Herren, Sie machen es mir unmöglich, den Redner zu fragen, ob er eine Zwischenfrage gestattet.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0304002400
Jawohl, bitte sehr!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304002500
Bitte, Herr Abgeordneter Schneider!

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0304002600
Herr Kollege Dr. Heinemann! Sind Sie bereit, dem Hause zu sagen, wo Sie eine derartige Äußerung her haben, daß politische Delikte gegebenenfalls mit der Todesstrafe belegt werden sollen? Sind Sie bereit, die Quelle anzugeben?

(Abg. Rasner: Die Anträge liest er nicht!)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0304002700
Wir werden im Zusammenhang mit der Justizdebatte auf alle Details zurückkommen.

(Große Unruhe, Pfui-Rufe und Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ach, meine Herren, regen Sie sich auf, soviel Sie wollen! Daß die Wiedereinführung der Todesstrafe von Ihnen gewollt wird, daß Sie sogar gesagt haben, dies könne ein Thema für eine Volksbefragung sein, läßt sich ja nicht bestreiten.

(Erneute Zurufe von der CDU/CSU.) Genau deshalb sage ich hier im voraus:


(Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) Sie werden uns — —


(Abg. Niederalt: Scheinheiligkeit! Eben noch der Verteidiger der demokratischen Spielregeln! — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich habe Zeit.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304002800
Meine Damen und Herren! Wer das Wort bekommen hat, hat das Recht, hier zu sprechen. Sie können Zwischenrufe machen, aber man soll dem Redner nicht das Wort abschneiden.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0304002900
Nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir den Sperriegel vor dem Schafott verteidigen werden!

(Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Wie ist es mit der Beantwortung der Frage? Sie sind jetzt entlarvt! In Ihrer ganzen sogenannten Christlichkeit sind Sie entlarvt!)

— Ich habe Zeit. Regen Sie sich ruhig auf!

(Abg. Niederalt: Sie sind ein Brunnenvergifter! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Dem Redner wird ein Blatt gereicht.)

— Wenn es lange genug dauert, kommen ja die Belege: „Frankfurter Rundschau":
Schäffer fordert Todesstrafe. Landesverräter sollen sterben. — Justizminister Schäffer hat nach Agenturberichten aus Düren in einer CDU-Wahlversammlung erklärt, das Schicksal der Nation könne in Zeiten der Not einmal davon abhängen, daß man auch an das Leben eines Landesverräters herangehe.
Bitte!

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine SPD-Zeitung!)

— Fragen Sie doch den Herrn Justizminister, wie es mit seiner Dürener Rede steht.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ein dünner Beweis! — Abg. Rösing: Was ist das für eine Zeitung?)

— Die Zeitung heißt „Frankfurter Rundschau"!

(Lebhafte Zurufe von der CDU /CSU. — Abg. Erler: Fragen Sie doch Herrn Schäffer selbst! — Abg. Dr. Mommer: Schäffer soll sich zu Wort melden!)

— Also, beruhigen Sie sich wieder!
Ich komme zu einem letzten Punkt. Ich möchte noch ein paar Worte sagen.

(Anhaltende Unruhe bei der CDU/CSU.)

— Ich weiß gar nicht, warum hier diese Aufregung ist?

(Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Weil Sie uns diffamieren! — Abg. Dr. Aigner: Das ist das Schlimme, daß Sie das gar nicht merken! — Abg. Erler: Jetzt sind Sie doch hereingefallen!)

Ich möchte noch einige Ausführungen zum Evangelischen Arbeitskreis der CDU, dessen Vorsitzender Herr Dr. Schröder ist, machen. Auf einer Tagung vor vier Wochen in Essen hat dieser Arbeitskreis eine Entschließung gefaßt, in der unter anderem theologische Belehrungen angekündigt werden über das, was „rechtes evangelisches Verständnis" sei. Ich frage, ob es wohlgetan ist, daß sich eine politische Partei über derartige Dinge zum Richtmeister aufwirft.

(Abg. Bausch: Das dürfen nur Sie entscheiden! — Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Sie leben doch politisch davon!)




Dr. Dr. Heinemann
— Ich staune über Ihre Aufgeregtheit. Ich staune wirklich über Ihre Aufgeregtheit. Herr Bausch, Sie wittern natürlich, daß jetzt einige empfindliche Punkte kommen. Beherrschen Sie sich doch einen Augenblick!

(Beifall bei der SPD.)

In dieser Entschließung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU wird einer Gruppe von kirchlichen Gliedern oder auch, wenn Sie so wollen, von Staatsbürgern allerlei angehängt. Es wird ihnen angehängt, sie seien „Schwarmgeister" usw.

(Zuruf von der Mitte: Sind sie auch!)

— „Sind sie auch", sagen Sie. Ich werde Sie gleich fragen, ob Sie diese Behauptung auch aufrechterhalten, wenn ich Ihnen zwei Sätze von Bischof Dibelius in Erinnerung rufe. Bischof Dibelius hat auf der gesamtdeutschen Synode vor wenigen Wochen gesagt:
Einen gerechten Krieg gibt es nicht mehr. Der Krieg mit Atomwaffen ist Völkermord. Der Krieg mit Atomwaffen ist Massenmord an fremden Völkern und am eigenen Volk.
Und er hat gesagt, wenn er 50 Jahre jünger wäre und würde an eines der modernen Massenvernichtungsmittel kommandiert, würde er hingehen und sagen: Tut mich weg von diesem Kommando, ich kann das nicht. — Ich frage den Evangelischen Arbeitskreis, ob er seine Äußerungen angesichts solcher Erklärungen des Bischofs von Berlin-Brandenburg aufrechterhalten will? Wenn er diesen schon so sprechen hört, dann muß er ja wohl gelten lassen, daß die Dinge tiefer sitzen, als es nach seiner Entschließung offenbar empfunden worden ist.
Aber noch viel schlimmer ist folgendes, und das bewegt mich nun in ganz besonderem Maße. Bei dieser Tagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU ist dazu aufgerufen worden, endlich einen innerkirchlichen Aufmarsch gegen die Bruderschaften zustande zu bringen. Es ist gesagt worden, die evangelischen CDU-Mitglieder sollten sich kirchlich aktiver betätigen — bis dahin ganz schön und gut —, um den Standpunkt der CDU in kirchlichen Fragen in den Gemeinden lebendig zu machen oder durchzusetzen. Das heißt mit anderen Worten, daß hier von einer politischen Partei aus innerkirchliche Dinge in Gang gesetzt werden sollen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und umgekehrt? Was tun Sie?)

Das hat gute Vorbilder. Auch die evangelischen NSDAP-Mitglieder wurden schon mal so in Marsch gesetzt.

(Beifall bei der SPD. — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, Sie können über die Bruderschaften in den Landeskirchen denken, was Sie wollen. Nur eins können Sie ihnen nicht zum Vorwurf machen, — —

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nur eins können Sie den Bruderschaften in den
evangelischen Landeskirchen nicht zum Vorwurf
machen, daß sie nämlich politisch organisiert, initiiert oder gar ausgehalten seien. Sie sind ein innerkirchlicher Aufbruch, und dagegen nun von einer politischen Partei her zu einer Gegenmobilmachung zu rufen, — verehrte Damen und Herren, empfinden Sie nicht — nur das alleine will ich jetzt fragen —, daß das ein fatales Beispiel für die Organisierung sogenannter fortschrittlicher Pfarrer in der DDR ist?

(Abg. Erler: Sehr wahr!)

Empfinden Sie nicht die Fatalität dieses Beispiels?

(Erneute Zurufe von der Mitte.)

— Empfinden Sie nicht die Fatalität dieses Beispiels? Mehr will ich Sie gar nicht fragen!
Ein anderer Punkt: In den Bundestagswahlen hat die berühmte Konfessionsstatistik eine Rolle gespielt, d. h. die Ausschlachtung des Handbuches des Bundestages unter dem Gesichtspunkt: Wer bekennt sich da als evangelisch, als katholisch, oder wer bekennt sich zu keiner Kirche. Das hat viel Arger ausgelöst, und wir waren der Hoffnung, daß es sich nach der Bundestagswahl nicht wiederholen würde. Statt dessen ist in dem Wochenblatt „Blick in die Woche", herausgegeben vom Geschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises, im April dieses Jahres wiederum diese Sorte von Konfessionsstatistik zu finden. Da steht unter der Überschrift „117 Fehlanzeigen", daß soundso viele Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion sich zu keiner Kirche bekannt hätten. Ausgelassen werden zunächst einmal schon die Fehlanzeigen bei anderen Parteien.
Wie grotesk das Ganze ist, wie geschmacklos das das Ganze ist, wieviel sachliche Irreführung in dem Ganzen steckt, will ich nur an einem einzigen Beispiel deutlich machen. Einer der 117 sogenannten „Fehlanzeiger" gehört zu denen — ich habe es selbst erlebt —, die hier im Hause christliche Morgenandachten halten. Er wird angeprangert — nicht dem Namen nach, aber in der Zusammenzählung der „Fehlanzeiger", weil er in dem Handbuch nicht ausdrücklich deklariert hat, daß er evangelisch oder katholisch sei.

(Abg. Vogt: Es ist kein Beweis für die Zu gehörigkeit zu einer Kirche, wenn er an der Morgenfeier teilnimmt!)

— Ja, wenn das kein Beweis ist, daß einer hier aktiv die Morgenandacht hält, dann möchte ich mal wissen, was Sie aus dem Zusammenzählen von bloßen Taufscheinangaben für Fakten ziehen wollen.

(Beifall bei der SPD.)

Im Lebenslauf desselben „Fehlanzeigers" steht im Bundestagshandbuch zu lesen, daß er im Konzentrationslager gesessen hat. Ich teile die Absicht von Herrn Dr. Schröder, die Dinge der Vergangenheit in unseren Werdegängen nicht ewig wieder auszugraben. Aber, verehrte Damen und Herren, wenn mit dieser Konfessionsstatistik auch weiterhin beharrlich solch ein Unfug betrieben werden soll, müssen Sie sich nicht wundern, wenn dann einmal eine Gegenstatistik gemacht wird über diejenigen



Dr. Dr. Heinemann
in diesem Hause, die im „Dritten Reich" in 'den Gefängnissen, in den Zuchthäusern, in den Konzentrationslagern gesessen haben oder in die Verbannung gehen mußten, und wenn wir dann einmal unter diesem Gesichtspunkt die Fraktionen gegeneinander abwägen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schöne Vergleiche ziehen Sie!)

— Schöne Vergleiche? Die Leute, die im „Dritten Reich" im Konzentrationslager saßen, haben für mein Urteil eine 'demokratische Bewährung hinter sich, die manchem anderen durchaus abgeht.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ein Allerletztes noch zum Evangelischen Arbeitskreis! Ich möchte den Evangelischen Arbeitskreis auf eine höchst positive Aufgabe aufmerksam machen, nämlich darauf, daß er einmal dafür sorgen könnte, daß in den Parteiblättern 'der CDU Erklärungen evangelischer kirchlicher Stellen im vollen Wortlaut zum Abdruck kommen.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Ein Beispiel! Die „Rheinische Post" veröffentlichte unter der Überschrift „Evangelische Kirche zur Wahl" nur einen Teil der Erklärung der rheinischen Kirchenleitung zu dieser Landtagswahl. Es ist überaus bezeichnend, daß im Abdruck in der „Rheinischen Post" folgender Satz fehlt:
Die Wahrung christlicher Anliegen im öffentlichen Leben ist nicht Sache nur einer Partei.
Das wird in ,der „Rheinischen Post" den Lesern vorenthalten! Irgendwie ist da ein redaktioneller Konformismus am Werk, ,den aufzulockern — gerade auch im Interesse evangelischer Leser der CDU-Zeitungen — eine durchaus positive Aufgabe des Evangelischen Arbeitskreises sein könnte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304003000
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304003100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich bedenke, was manche von denen, die jetzt vor mir sitzen, während des zur Zeit im Lande Nordrhein-Westfalen vor sich gehenden Wahlkampfes über meine Person gesagt haben und was sie als Partei „Christlich Demokratische Union" über mich geschrieben und in alle Haushaltungen verbreitet haben, dann zweifle ich daran, daß es Zweck hat, hier den Eindruck einer sachlichen Debatte erwecken zu wollen. Ich bin aber nicht an diese Stelle gegangen, um mich mit Ihnen über das auseinanderzusetzen, was Sie einmal — Sie mögen jetzt darüber denken, was Sie wollen — mit Ihrem Gewissen werden ausmachen müssen, sondern um eine vom Herrn Bundesinnenminister hier in die Debatte geworfene Frage zu beantworten, soweit sie meine Verantwortlichkeit betrifft.
Der Herr Bundesminister des Innern hat, weil er während dieser Debatte auf die von ihm gegebene Auslegung der Stuttgarter Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei und meiner dazu gehörenden Ausführungen angesprochen worden ist, hier unter ausdrücklicher Unterstreichung das wiederholt, was er einem Artikel über die entscheiden.. den Voraussetzungen für die Wiedervereinigung im Mitteilungsblatt der Bundesregierung — „Bulletin" — als Überschrift gegeben hat: „Wehvers Schleichweg zum Sozialismus". Der Herr Bundesminister des Innern hat für diese Definition meiner Ausführungen von Stuttgart, die meine Ansichten wiedergeben, und der Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei, die ich vertrete, Zuflucht zu einem nicht von mir stammenden Wort genommen, nämlich zu dem Wort „Durch Wiedervereinigung zum Sozialismus".
Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister des Innern hat mit diesem Wort eine Anleihe bei einem Journalisten gemacht, um das ausführen zu können, was er dann ausgeführt hat und was er heute und, wie er angekündigt hat, für die folgende Zeit zum Thema der Auseinandersetzung mit mir und anderen und meiner Partei machen will. Dem sehe ich mit Ruhe entgegen.
Was aber mit dieser Anleihe bei einem Journalisten, die weder durch den Wortlaut der Entschließung der Sozialdemokratischen Partei gedeckt ist noch durch den der Rede, die ich dort gehalten habe, noch durch den des Schlußworts, noch durch den eines Diskussionsbeitrages, gemeint ist, das ist der Versuch, die Sache so darzustellen, als wolle die Sozialdemokratische Partei Deutschlands die Wiedervereinigung Deutschlands eigentlich nur, um dadurch zum Sozialismus zu gelangen, was ihr sonst bei der Konstellation in diesem Teil verwehrt wäre. Das ist wohl die exakte Interpretation — Sie nicken ja auch mit dem Kopf dazu — dessen, was der Herr Bundesminister des Innern mit seiner Anleihe bei einem Journalisten erreichen will.
Ich bin der Ansicht — und ich glaube, meine Partei teilt diese meine Ansicht —, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands keinen Grund hat, Herr Bundesminister des Innern, den Sozialismus zu verleugnen.

(Beifall bei der SPD.)

Den Zweck erreichen Sie nicht, daß Sie uns plötzlich hier beteuern hören oder sehen werden, wir meinten ja gar nicht Sozialismus. Was wir meinen, das ist Sozialismus, demokratischer Sozialismus, und ich möchte hinzufügen: Wehe der demokratischen Staatsordnung, die den Beitrag des demokratischen Sozialismus verschmäht oder unmöglich macht!

(Beifall bei der SPD.)

Sie wird daran selbst Schaden nehmen.

(Abg. Dr. Bucerius: Das verstehe 'ich nicht!)

— Das kann ich mir vorstellen; wir können darüber
diskutieren. Wissen Sie, was nach unserer Auffassung der Beitrag des demokratischen Sozialismus



Wehner
zur demokratischen Ordnung ist? Wir fassen beides nicht wie Sie als Gegensatz auf, sondern wir möchten die Demokratie für alle erreichen, wissen Sie, für jeden Staatsbürger.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach nein?! — Abg. Dr. Vogel: Und wir etwa nicht?)

— Entschuldigen Sie, Sie haben in beispiellosen
— ich kann mich nur mit Mühe zähmen — Ausführungen dem Volk in Nordrhein-Westfalen ein Zerrbild, ein mit Schmutz gezeichnetes Zerrbild von mir und von meiner Partei gegeben,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und wenn ich versuche, Antwort auf die Frage eines unter Ihnen zu geben, dann schreien Sie. Habe ich da nicht recht, als ich eingangs skeptisch war, ob es angesichts dieser Lage überhaupt noch Zweck hat, den Eindruck zu erwecken, als sei hier eine sachliche Debatte möglich?

(Beifall bei der SPD.)

Auch die demokratische Ordnung bedarf des demokratischen Sozialismus, weil er unserer Meinung nach die Integration der arbeitenden Menschen in diese demokratische Ordnung ist. Wenn Sie das nicht verstehen oder nicht wollen, so liegen hier wohl sehr verschiedene Blickrichtungen vor.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304003200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie dem Abgeordneten Bucerius eine Zwischenfrage?

Dr. Gerd Bucerius (CDU):
Rede ID: ID0304003300
Herr Kollege Wehner, ich bemühe mich aufrichtig und objektiv, Sie zu verstehen. Sie haben gesagt: Wehe der Staatsordnung, die den demokratischen Sozialismus unmöglich macht!

(Zurufe von der SPD: Nein, das hat er nicht gesagt!)

— Ich meine, daß er das nicht nur ,dem Sinn nach, sondern sogar wörtlich gesagt hat. Wenn das nicht der Fall sein sollte, mag er mich berichtigen und meine Frage ist gegenstandslos.
Sie haben also nach meiner Erinnerung gesagt: Wehe der Staatsordnung, die den demokratischen Sozialismus unmöglich macht! Ich gebe zu, Herr Kollege Wehner, daß Ihre Meinung vom demokratischen Sozialismus richtig sein kann. Aber wollen Sie denn uns verpflichten, Ihren Weg zu gehen? Oder halten Sie uns demokratisch für befugt, uns er en Weg zu gehen, der von dem Ihr en abweicht?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304003400
Wir ringen hier um die Mehrheit, und der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist der, daß wir dies im Rahmen der demokratischen Ordnung tun, während Sie — und dagegen wende ich mich — gerade versuchen, uns außerhalb dieses Rahmens zu drängen, wie es der Herr Bundesinnenminister tut.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Unterstellung!)

Meine Damen und Herren, kehren wir zurück zu dem, was verzerrt und entstellt worden ist und wahrscheinlich bewußt verzerrt und entstellt dargeboten werden soll! Ich will hier den Punkt 1 des fraglichen Beschlusses des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei von Stuttgart wortwörtlich verlesen. Darin heißt es:
Deutschlands Spaltung droht zur endgültigen Teilung Deutschlands zu werden. Die vier Mächte haben ihre eigenen militärstrategischen Planungen im Ost-West-Konflikt ihren Verpflichtungen zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands übergeordnet. Das geteilte Deutschland ist Faustpfand und militärisches Vorfeld der Mächte geworden. Die Regierung der Bundesrepublik hat dieser Entwicklung Vorschub geleistet.

(Zuruf von der Mitte: Unerhört!)

Sie gab der militärischen Einschmelzung der Bundesrepublik in die NATO den Vorrang vor tatkräftigen Bemühungen um Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit. Mit dieser Haltung hat die Bundesregierung es der Sowjetzonen-Regierung erleichtert, den von ihr beherrschten Teil Deutschlands zu einem separaten Staat zu deklarieren. Durch die fortschreitende Eingliederung der Bundesrepublik in die NATO und die Beteiligung der Bundesrepublik am atomaren Wettrüsten wird der kommunistisch beherrschte Teil Deutschlands mehr und mehr vorn übrigen Deutschland isoliert. Seine Machthaber sind die Nutznießer der Vertiefung der Spaltung Deutschlands.
Das, meine Damen und Herren, ist der Ausgangspunkt all dessen, was wir als unseren Willen, als unsere Absicht und als den sozialdemokratischen Beitrag zum Ringen um die Wiedervereinigung deklariert haben und wofür wir eintreten. Sie aber wollen uns unterstellen, für uns sei diese Wiedervereinigung lediglich der Schleichweg, um zum Sozialismus in ganz Deutschland zu kommen. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands will die Wiedervereinigung unseres gespaltenen Vaterlandes, weil sie der Auffassung ist, daß unserem Volk das Recht auf freie Selbstbestimmung nicht versagt werden darf.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
schränkt dies durch nichts ein. Die Sozialdemokratische Partei stellt an dieses Bekenntnis keinerlei Bedingungen. Sie verlangt das Selbstbestimmungsrecht auch für dieses geplagte Volk, das allmählich zu einem geteilten Volk, nicht nur einem Volk in einem geteilten Land wird.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Aber die Sozialdemokratische Partei weiß wohl, daß das, was wir — ich meine darunter die Deutschen — als unser Recht betrachten, für andere, die an der Wiedervereinigung auch beteiligt sind oder ohne die sie nicht zu vollbringen ist, keines-



Wehner
wegs einfach als Recht oder nicht als Recht, sondern .als ein Problem ihrer Sicherheit und vieler anderer Dinge erscheint, die im Zusammenleben der Völker eine Rolle spielen.
Deswegen ist die Frage, die wir uns selber stellen — wir sind gewohnt, unter uns zu diskutieren, wir sind gewohnt, Meinungsverschiedenheiten auszutragen, und so sind unsere Parteitage und die vor ihnen vor sich gehenden Diskussionen der Austragung solcher unterschiedlicher Auffassungen gewidmet und die wir allgemein stellen: was kann denn von unserem Volk aus geschehen, damit es Einfluß auf die Wiederherstellung der Einheit nehmen kann, was kann es selbst machen, und welche sind dabei die treibenden Kräfte, die bewegenden Gedanken? Kann man sich einfach nur darauf berufen auch dem Volk und seiner Jugend gegenüber —, daß ,das Land nur deswegen, weil es einmal ein Land war, auch wieder eines sein müsse? Es kommen doch Ihnen geht es vielleicht ähnlich — junge Menschen und fragen: Sagen Sie uns doch bitte, was ist eigentlich der zwingende Grund, ,der uns antreiben muß, für die Wiedervereinigung einzutreten?
Da haben wir in jenem zweiten Teil der Entschließung unseres Stuttgarter Parteitages ausgeführt, was unserer Meinung nach notwendig ist, damit auch diejenigen unter unseren deutschen Mitbürgern das verstehen, auf die es keinen Eindruck macht, ihnen das Brandenburger Tor zu zeigen; das gibt es doch in zunehmendem Maße. Da ist nicht einfach mit den alten Worten „vaterländisch" oder „patriotisch" dasselbe an Gedanken, an Ideenassoziationen in Bewegung zu bringen. Wenn Sie sich einmal mit jungen Menschen befaßt haben — in Ihren Reihen sind viele, die solche Diskussionen auch durchgemacht haben —, werden Sie, auch wenn Sie mit mir natürlich nicht übereinstimmen — das wäre ja schrecklich für einen aus der CDU —, solchen Fragen wahrscheinlich sehr nahe gekommen sein.
In dem Absatz 2 unserer Entschließung heißt es:
Für 'das Zusammenleben des deutschen Volkes und für eine europäische Friedensordnung bleibt .die Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit unentbehrlich. Deutschland ist im Zustand der Spaltung ein Konfliktsherd. Das deutsche Volk wird ohne die Überwindung der Teilung Deutschlands nicht in freier Selbstbestimmung eine gesellschaftliche Ordnung bauen können, die allen Mitbürgern das Recht auf die Unantastbarkeit ihrer Menschenwürde, die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit, gleiche Startbedingungen, gleiche Bildungs-und Aufstiegsmöglichkeiten gewährleistet. Für
die arbeitenden Menschen und für die Jugend unseres Volkes ist aber eine solche Ordnung lebenswichtig. Nur mit einer solchen für das ganze Volk gültigen gesellschaftlichen Ordnung ist ein Deutschland zu schaffen, das nach innen und außen die Wiederholung der Schrekken der Vergangenheit ausschließt.
Gerade in diesen Feststellungen unserer Stuttgarter Entschließung sieht der Herr Bundesminister des
Innern, wenn man seinen Darlegungen unter dem Titel: „Wehners Schleichweg zum Sozialismus" folgt, die Übereinstimmung der sozialdemokratischen Forderungen und Sprechweise mit dem, was von der herrschenden Partei jenseits der Demarkationsline gemeint und gewollt ist.
Für uns steht allerdings außer Zweifel, daß ein Deutschland im Zustand der Spaltung, ,die zunehmend zur endgültigen Teilung wird, außerstande sein wird, das, was wir hier als für alle unsere Mitbürger wünschenswert und erstrebenswert bezeichnen, auch wirklich zu erreichen. Denn sie können es im anderen Teil des geteilten Deutschland nicht erreichen. Da werden Sie mit mir übereinstimmen, weil Sie sagen: Dort herrschen eben die Kommunisten. Sie werden es auf Grund des unleidlicher werdenden Spannungsverhältnisses zwischen den Teilen Deutschlands und der Rolle, die das Militärische in einem weit übersteigerten Sinne im geteilten Deutschland auf beiden Seiten spielen wird, leider auch bei uns nur in abnehmendem Maße verwirklichen können. Deswegen eine Ordnung, von der wir sagen, sie solle allen die Segnungen ,der 'demokratischen Freiheit geben!
In der landläufigen Auslegung, die die Christlich-Demokratische Union den Worten des Bundesministers des Innern und anderer Sprecher hier im Hause draußen gibt, wird es ganz einfach so dargestellt: die SPD und Wehner wollen das, was man drüben jenseits der Zonengrenzen die sozialistischen Errungenschaften nennt, auf ganz Deutschland ausdehnen. Mit dieser Verleumdung gehen Sie draußen hausieren, das ist der Brandstempel, den Sie mir und meinen politischen Freunden aufzuprägen versuchen. Sie machen es in einer Weise, von der ich eingangs sagte, sie läßt mich daran zweifeln, daß wir noch ernsthaft sachlich diskutieren können. Ich widerstehe der Versuchung, hier Ihre Pamphlete zu zitieren.
Meine Damen und Herren! Was hat die SPD in Wirklichkeit in ihren Beschlüssen gesagt und woran hält sie sich? Sie hat auf ihrem Münchener Parteitag -- und ich habe namens der gesamten Sozialdemokratischen Partei in Stuttgart die fortdauernde Gültigkeit gerade dieses Punktes hervorgehoben — in einer Entschließung zu Fragen der Wiedervereinigung in dem Kapitel über die innere Gestaltung Deutschlands erklärt:
Die Gestaltung des Wirtschafts- und Sozialsystems des wiedervereinigten Deutschlands unterliegt allein den freien Entscheidungen eines frei gewählten gesamtdeutschen Parlaments. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands setzt sich für eine sozialistische Neugestaltung Deutschlands ein, deren unveräußerlicher Bestandteil die Demokratie sein wird. Sie lehnt es ab, die innere Gestaltung des wiedervereinigten Deutschlands fremden Interessen und Geboten unterzuordnen.
Das ist der Ausgangssatz für alles, was wir über die innere Gestaltung des wiedervereinigten Deutschlands sagen. Er ist, wenn Sie einmal darüber nachdenken wollen — ich verlange das von



Wehner
Ihnen in diesem Wahlkampf nicht, aber ich gebe es Ihnen zum Nachdenken mit — genauso unangreifbar wie jener Satz, den ich vorhin sagte über unser Bekenntnis zur Wiedervereinigung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes. Daß wir miteinander ringen — nun, wenn wir damit aufhörten, dann wären wir in einer Partei. Das geht wohl nicht, es liegen Gründe dafür vor, daß es so ist, wie es jetzt ist.
Ich habe erklärt, daß das in Stuttgart ausdrücklich bestätigt worden ist. Wenn dennoch behauptet wird, wir wollten Ulbrichts System auf Gesamtdeutschland übertragen, so möchte ich hier noch einmal sagen: Worum es geht, ist die Frage, ob man, wenn man sich wirklich um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands müht, auch die Möglichkeiten ins Auge fassen soll, kann und darf, die sich vielleicht aus dem Problem: Koexistenz verschiedener Wirtschaftsformen oder, wenn Sie wollen, Wirtschaftsordnungen in einem vereinigten Deutschland ergeben können.
Wir sind diesem Problem nachgegangen; ich gebe zu, bisher nicht bis in die allerletzten Verästelungen. Aber ich habe mir als Anregung Ausführungen eines durchaus nicht mit dem Verdacht kommunistischer Durchsetzung gebrandmarkten Deutschen dienen lassen, nämlich des früheren preußischen Staatssekretärs Arnold Brecht, der in seiner in Deutschland weitgehend totgeschwiegenen, vor Weihnachten erschienenen kleinen Schrift über die Wiedervereinigung die Frage stellt — ich finde, mutig stellt und verdienstvoll anpackt, so, wie er viele Dinge ganz verdienstvoll und mutig anpackt —: Innerpolitisch sei, so schreibt er, das große Problem die Koexistenz von freier Wirtschaft und Sozialismus.
Ich möchte hier einschränkend sagen, daß meine Partei und ich durchaus nicht bereit sind, das, was in der sowjetisch besetzten Zone heute als Sozialismus bezeichnet wird, auch als solchen anzuerkennen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Das ist ein bitterer Streit zwischen uns und denen, die den Namen „Sozialistische Einheitspartei" usurpiert haben und darunter eine unserer tiefen Überzeugung nach völlig verzerrte und sozialistischem Wollen entgegengesetzte Politik und Wirklichkeit zustande bringen. — Aber ich habe das nur gesagt, weil ich mich in der Begriffswahl nicht einfach mit Arnold Brecht identifizieren will und weil man sich allfällige Zwischenrufe auf diese Weise vielleicht ersparen könnte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sprechen von „Wirtschaftsgemeinschaft"!)

Brecht schreibt weiter:
Die Möglichkeit außenpolitischer Koexistenz von Ländern der freien Wirtschaft und sozialistischen Ländern ist oft besprochen worden, manchmal negativ, manchmal positiv. Aber bei der Wiedervereinigung haben wir es mit einer noch viel zugespitzteren Frage zu tun, nämlich: Koexistenz von freier Wirtschaft und Sozialismus innerhalb eines Landes, innerhalb des wiedervereinigten Deutschlands. Der Ostblock verlangt, daß mindestens die Zone nach der Wiedervereinigung weiter sozialistisch bleiben muß, der Westblock, daß die Mehrheit des gesamtdeutschen Parlaments das Recht haben muß, den Sozialismus auch in der bisherigen Sowjetzone abzuschaffen.
Brecht fragt:
Gibt es keine andere Alternative? Man hört oft, daß ein Land nur entweder freie Wirtschaft oder Sozialismus haben könne, aber nicht beides. Das ist aber offenbar unrichtig. Viele Betriebe werden auch innerhalb des Westblocks als Staats- oder Gemeindebetriebe verwaltet, wie Post, Eisenbahn, Wasser, Gas, Elektrizität, Flugwesen, Kohle in England, Volkswagen in der Bundesrepublik und anderes mehr. Umgekehrt gibt es selbst in der Sowjetunion freies Eigentum an Wohnungen, Gebrauchs- und Luxusgegenständen, Sondereigentum der Kolchosenbauern und vor allem Eigentum an Geld, an Erspartem und an Ererbtem. Kein wissenschaftlich zwingender Grund
— so meint Arnold Brecht —
würde es verbieten, daß ein geographischer Teil eines großen Landes in stärkerem Umfange sozialistisch verwaltet wird als der Hauptteil, in dem freie Wirtschaft überwiegt. Es ist das ein wenig kompliziert, vielleicht unerwünscht, aber nicht schlechterdings unmöglich.
Und er meint:
In dieser Hinsicht sind also Konzessionen und Kompromisse im Interesse der Wiedervereinigung möglich. Ich sage wiederum nicht,
— so fährt er fort —
daß sie gemacht werden müssen, sondern nur, daß, wenn sie nicht gemacht werden, es dann bei der Spaltung bleibt aus den Gründen, die ich im ersten Vortrag entwickelt habe.
Ich möchte aber doch hinzufügen, daß mir im Verhältnis zur Hauptfrage, nämlich: Wiedervereinigung oder Fortdauer der Spaltung, die Frage, ob nach der Wiedervereinigung in der bisherigen Sowjetzone eine sozialistische oder freie Wirtschaft vorwiegt, von sehr untergeordneter Bedeutung zu sein scheint. Es handelt sich also auch hier um eine „vernachlässigte Alternative", womit ich nicht behaupten will, daß sie nicht im stillen auch in den amtlichen Büros erörtert worden sei.
Ich kann Herrn Brecht im letzten Satz nicht folgen, weil ich wirklich nicht weiß — jedenfalls weniger weiß als er —, was hier in den amtlichen Büros in dieser Frage geprüft und abgewogen wird. Ich kann nur die Äußerungen zur Kenntnis nehmen, die hier in den Brandmarkungsversuchen, die auf offiziellem Wege veranstaltet werden, zum Vorschein kommen.
Wie gesagt, ich wollte das gesagt haben, damit Sie sehen: Es ist nicht nur Wehner, es ist nicht nur die Sozialdemokratische Partei, die beim qual-



Wehner
vollen Prüfen von Möglichkeiten, vielleicht doch noch den toten Punkt in den Bemühungen um die Wiedervereinigung Deutschlands zu überwinden, auch diese Probleme sondiert und seziert und versucht, ob darin Lösungsmöglichkeiten liegen könnten.
Meine Damen und Herren, der härteste Vorwurf, den .dieser Versuch mir seitens ,des Herrn Bundesministers des Innern eingetragen hat, ist die empörte Feststellung des Herrn Bundesinnenministers, die auf das Grundgesetz und darauf verweist, daß ich damit ,das Grundgesetz sozusagen einfach mißachte.
Ich bin aber — hier muß ich mich leider wiederholen; denn ich habe schon einmal in einer Debatte von dieser Äußerung eines Kreises innerhalb der Christlich-Demokratischen Union Gebrauch gemacht — hinsichtlich dessen, was die Auslegung des Grundgesetzes durch die heute amtierende Regierung in bezug auf die innere soziale Ordnung betrifft, keineswegs allein. Ich stehe jedenfalls —das wollte ich mit dem Hinweis auf jene Stellungnahme der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Union gesagt haben, die ich hier wiederhole, weil auch ,der Herr Bundesminister ides Innern seine Vorwürfe wiederholt , was ,die Kritik am Bestehenden betrifft, selbst wenn wir da in bezug auf die Schlußfolgerungen sehr verschiedener Meinung sind, nicht völlig konträr zu solchen Auffassungen, wie sie das Organ der Sozialausschüsse „Soziale Ordnung" schon im März dieses Jahres in einer sehr heftigen Abwehr von Behauptungen und Abstempelungen des „Industriekuriers" und des „Rheinischen Merkurs" hat zutage treten lassen. Dort heißt es:
Wir
— das heißt: diese Sozialausschüsse der CDU —
wollen nicht, ,daß ,das mit Hilfe der Arbeitnehmer und ,der Verbraucherschaft gebildete und sich immer wieder neu bildende gewaltige Produktionskapital sich einseitig als Eigentum in den Händen weniger zusammenballt. Wir wollen nicht, daß man Süßholz raspelt und wohltönend vom Eigentum in Arbeiterhand spricht, den Arbeitern aber die Startmöglichkeit, die man selbst sein eigen nennt, in .der Tat vorenthält. Wir wollen nicht, daß unsere Wirtschaft auf Kosten ,der breiten Schichten des arbeitenden Volkes Tummelplatz massiver Einzel- und Gruppeninteressen wird.
Wenn nun ich das gesagt hätte, wäre es einfach ein „Klassendenken" oder, wie Sie es für die Volksagitation dann praktisch brauchen, „Klassenkampfhetze", so wie es in Ihren Pamphleten steht. Aber ich lese nur vor, was die Sozialausschüsse über unsere Wirklichkeit schreiben:
Wir wollen nicht,
— so schreiben sie weiter —
daß die CDU — und zwar von den Kräften, die nach dem Zusammenbruch der politischen Front des Liberalismus nun über die CDU ihre Ziele zu erreichen versuchen —
— das steht in Parenthese; das ist ein innerer Gedanke, der in Ihren Kreisen vorhanden ist —
von der Grundlinie des Ahlener Programms abgedrängt wird, die ja Ausgangspunkt war und die das Vertrauen der breiten Schichten des arbeitenden Volkes gebracht hat. Das muß einmal deutlich ausgesprochen werden.
Meine Damen und Herren, ich habe mir nicht angemaßt, beurteilen zu können, wodurch Ihnen das Vertrauen der breiten Schichten des Volkes zuteil geworden ist. Ein Teil Ihrer Parteimitglieder hat darüber die Auffassung, die ich soeben zitiert habe.
Die Sozialausschüsse haben ziemlich unwirsch noch etwas hinzugefügt — und damit beende ich, damit Sie beruhigt sein können, mein Zitat über die „Kernprobleme der Gesellschaftsreform" —. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor: hier steht „Gesellschaftsreform"! Wenn ich das Wort anwende, wenn i c h von einer ,gesellschaftspolitischen Umgestaltung" spreche, dann ist das Widerspruch zum Grundgesetz, dann ziehe ich mir jene scharfen Verweise zu — das ist ja nicht mehr Diskussion, sondern das sind Verweise —, die schneidend und markig von offizieller ministerieller Seite gegen mich abgegeben werden. Hier aber steht — und so schwimme ich gern ein Stück in diesem Fahrwasser der Sozialausschüsse mit —:

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Die Kernprobleme der Gesellschaftsreform stehen klar vor unseren Augen. Wir lassen uns nicht täuschen und auf Randgebiete, wie die Möglichkeit des Aktienerwerbs durch die Arbeitnehmer, abdrängen. Die Aktie ist nur ein eigentumsrechtliches Element unter anderen. Und dazu noch
— es ist immer noch die CDU —
ein etwas fragwürdiges.
Meine Damen und Herren, wie gesagt, wenn man ein bestimmtes Parteibuch hat, dann darf man Dinge sagen, die man, wenn man ein anderes Parteibuch hat oder auch keins, was auch vorkommt in einer Demokratie, nicht sagen darf,

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Jeder darf das sagen!)

für die man geächtet zu werden riskiert. Sie schütteln mit dem Kopf. Glauben Sie nicht, daß ich das aus Überempfindlichkeit sage.

(Abg. Arndgen: Ihre Formulierungen klingen ganz anders, Herr Wehner!)

— So, so! Dann habe ich also wohl einen zitiert, der davon betroffen ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Unsere Auffassung in dieser Frage ist eben anders als die von Ihnen vertretene. Was wir bestreiten, ist, daß unsere Auffassung im Widerspruch zur demokratischen Grundordnung stehe. Sie steht unserer Meinung nach nicht nur nicht im Wider-



Wehner
spruch, sondern sie paßt genau in den Rahmen der demokratischen Grundordnung, und das habe ich vorhin sagen wollen. Sie gehört meiner Ansicht nach, wenn die demokratische Grundordnung nicht Schaden leiden soll, ins Gesamtbild dieser demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rösing: Nicht der Klassenkampf, Herr Wehner!)

Denn wer ganz Deutschland in einer freien demokratischen Ordnung vereinigen will, bitte, wer das will, der kann nicht am Beitrag der Sozialdemokratischen Partei, der ältesten unter allen demokratischen Parteien in Deutschland, vorbeigehen oder ihn geradezu diskriminieren wollen. Das werden Sie heute bestreiten, aber das wird die Geschichte bekräftigen.
Wir haben einen Punkt, von dem wir sagen, er sei unabdingbar in bezug auf Wiedervereinigung und innere Ordnung Deutschlands, nämlich die ungeschmälerte, die uneingeschränkte staatsbürgerliche und persönliche Freiheit für jeden Deutschen in einem solchen wiedervereinigten Deutschland.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Das stellt uns gegen alles, was zur Gefahr totalitärer Herrschaften führen kann oder führen muß. Das Bekenntnis zu diesem, was wir für unabdingbar erklären, macht es aber auch verständlich, daß wir sagen: Über die Meinungsverschiedenheiten ausgesetzten unterschiedlichen Auffassungen in Fragen der Sozialordnung und der Wirtschaftsordnung soll man streiten, wenn's erforderlich ist, diskutieren. Aber man sollte nicht das Modell X oder das Modell Y als das einzig mögliche, als das einzige mit der freiheitlichen Ordnung zu vereinbarende erklären und damit zu den Hindernissen, die heute schon den Weg zur Wiedervereinigung blockieren, noch weitere schwerwiegende Hindernisse hinzufügen. Das ist unsere Ansicht, die Ansicht der Sozialdemokratischen Partei.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich eine Lesart über die Beschlüsse vorsetzen lassen müssen, die aus dem Mitteilungsblatt der Bundesregierung, dem Bulletin, hervorgeht. Aber ich wollte durch wortgetreues Verlesen einiger Stellen und durch eine naturgemäß sehr begrenzte Auslegung dieser Stellen Ihnen Gelegenheit geben, die Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei nicht nur in der Lesart des Herrn Bundesministers des Innern kennenzulernen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304003500
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304003600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich jetzt noch mit den Ausführungen zweier Vorredner befassen müssen. Ich halte es für zweckmäßig, mit dem Kollegen Wehner zu beginnen, weil das, was zuerst ich und dann er behandelt haben, tatsächlich den Kern des deutschen Schicksalsproblems ausmacht.
Wenn sich Herr Kollege Wehner schmeicheln sollte, das Hohe Haus über die Stuttgarter Beschlüsse seiner Partei besser belehrt und informiert zu haben als ich in meinem Aufsatz im Bulletin, dann täuscht er sich allerdings. Er hat ganz wesentliche Dinge weggelassen.
Es ist sicher nicht möglich, in einer Debatte wie dieser die langen Dokumente miteinander zu vergleichen. Das erfordert sehr viel mehr Studium als ein bloßes Zuhören.

(Zuruf von der SPD: Das 'behaupten Sie einfach glattweg!)

— Ich behaupte es, weil ich es beweisen kann. (Zuruf von der SPD: Beweisen Sie es!)

— Ich beweise es.
Es ist nicht so, daß ich eine Anleihe bei einer prominenten deutschen Zeitung gemacht hätte. Diese Zeitung zitierte ich allein aus dem Grunde, weil sie, die nicht nur für ihre guten Mitarbeiter, sondern auch für ihre überlegene Betrachtung der Dinge bekannt ist, diese Wertung eines sozialdemokratischen Parteitages vorgenommen hat. Ich fühlte mich dadurch in meinem eigenen Urteil bestärkt. Ich mache keine Anleihe, auch nicht bei noch so bedeutenden Journalisten; aber ich weiß zu schätzen, was sie an Argumentation zur Beurteilung beitragen. Jeder wird gut daran tun, sein eigenes Urteil an dem Urteil anderer zu messen; er braucht deswegen das Urteil anderer nicht zu übernehmen.
Als ich die Berichte über die Beschlüsse des sozialdemokratischen Parteitages und über die Diskussion las — ich habe viel Zeit darauf verwendet, wie ich Ihnen versichern darf —, war ich eigentlich sehr bestürzt, weil ich voraussah, daß nun die Diskussion um die Wiedervereinigung zwangsläufig Züge der innenpolitischen Auseinandersetzung im Sinne der innenpolitischen Programmauseinandersetzung annehmen würde.
Ich habe kein Rezept dafür, wie sich das völlig ausschließen ließe. Sie wissen, ich bin der Meinung, daß wir einer gesunden demokratischen Entwicklung wegen mindestens in der Innenpolitik im Bund auf ein ganz klares Gegenüber einer durchaus aktionsfähigen Regierung und einer aktionsfähigen Opposition angewiesen sind. Dieses Glück haben wir, cum grano salis, seit 1949 gehabt. Aber sosehr wir in der Innenpolitik, wie ich überzeugt bin, auf eine, wenn Sie so wollen, Regierungsmethode angewiesen sind, die der Regierung eine klare Opposition gegenüberstellt, so schlimm ist das natürlich in der Außenpolitik. In der Außenpolitik können wir nach meiner festen Überzeugung überhaupt nur dann um einzelne Schritte weiterkommen, wenn es uns gelingt, ein gemeinsames Konzept zu bekommen.

(Zuruf von der SPD: Das geschieht aber nicht durch Ihre Diffamierung!)

Leider haben wir dieses gemeinsame Konzept nicht, und es fehlt mir die Zeit, das jetzt in aller Ausführlichkeit zu behandeln.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Ihnen fehlt nicht das Konzept, Ihnen fehlt der Wille dazu!)




Bundesinnenminister Dr. Schröder
— Herr Kollege Schmidt, Ihnen würde es sehr gut tun, einmal ruhig Ausführungen zuzuhören und darüber nachzudenken; das gibt noch viel Spielraum für Ihre eigene Entwicklung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schmidt [Hamburg]: Ihnen fehlt, ich sage es noch einmal, der Wille dazu!)

Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Außenpolitik erkennt man nicht so leicht bei dem Bedürfnis, hier Auseinandersetzungen zu führen, sondern nur dann, wenn man sich einmal in die Regierungszentren seiner Gegner — so sage ich zunächst einmal in Anführungszeichen — versetzt fühlt und dann von dort aus einen Blick darauf wirft, wie man etwa mit den Deutschen in einer ihrer Schicksalsfragen, nämlich der Wiedervereinigung, umgehen kann, wenn man ihre Zerrissenheit in diesem Problem sieht, und es gibt auf diesem Gebiet leider eine große Zerrissenheit. Sie kennen die einzelnen Stadien der Erörterung in diesem Hause, das brauche ich nicht des längeren darzulegen.
Es ist sehr schwer, eine geschichtliche Doppelaufgabe zu erfüllen, einen demokratischen Staat zum erstenmal in der deutschen Geschichte mit Aussicht auf Dauer aufzubauen, was nur im Gegensatz der Parteien geht — wohlgemerkt, es geht nicht anders —, und gleichzeitig trotz dieses notwendigen Kampfes der Parteien eine gebündelte Kraft für die außenpolitische Aktion darzustellen. Das ist eine äußerst schwere Aufgabe, eine Aufgabe, für die es in der deutschen Geschichte, soweit ich das sehen kann, überhaupt gar keine Parallele gibt.
Wenn man die Schwierigkeit dieser Aufgabe sieht, muß man natürlich ganz große Sorge darum haben, daß nicht außenpolitische Konzeptionen aufkommen, die in irgendeiner Weise parteipolitische Akzente tragen. Denn dann wird es ja ganz unmöglich, die Kraft für eine Lösung zusammenzufassen, wenn man von dem, was gemeinsam, was zunächst einmal nationalpolitisch sein und werden soll, eine so verschiedene Vorstellung hat. Eine ganz große Gefahr dabei birgt der Stuttgarter Parteitag der Sozialdemokraten.

(Abg. Erler: Herr Minister, darf ich eine Zwischenfrage stellen?)

— Bitte sehr. Ich hoffe, Sie ruinieren dabei nicht meinen Gedanken.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0304003700
Kann diese Gefahr nicht auch dadurch entstehen oder entstanden sein, daß jemand einer bestimmten außenpolitischen oder Wiedervereinigungskonzeption parteipolitische Züge andichtet, die von vornherein in dieser Konzeption gar nicht enthalten sind? Schadet das nicht gerade der geballten Kraft, mit der man sich für die Wiedervereinigung einsetzen will?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304003800
Herr Kollege Erler, wir sind noch im Wahlkampf. Wir haben ihn noch nicht hinter uns.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Sie haben gemeint, Sie müßten heute Ihren Beitrag leisten!)

— Hören Sie doch einmal einen Augenblick zu. Ich werde heute abend mit dem Wahlkampf zu Ende kommen. Es gibt andere Unglückliche unter uns, die auch morgen noch sprechen müssen. Aber am Sonntag haben wir alle es hinter uns. Ich spreche jetzt so, als ob wir es schon hinter uns hätten.

(Abg. Erler: Dann dürfen Sie nicht die parteipolitischen Akzente setzen, wo sie nicht hingehören!)

— Es ist nicht ganz leicht, Herr Kollege Erler, hier im Hause so zu sprechen, als ob wir den Wahlkampf schon hinter uns hätten.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Das sieht man bei Ihnen!)

— Aber Sie sehen ja, daß ich das versuche. Mehr kann ich nicht tun, meine Damen und Herren, und ich appelliere nur, das auch umgekehrt zu versuchen.
Ich habe — das war die Stelle, an der ich unterbrochen wurde — schon seit langem gerade die Ausführungen des Kollegen Wehner sehr sorgfältig verfolgt. Ich kannte seine Aufsätze im „Vorwärts" schon aus der Zeit lange vor der Bundestagswahl. Mich interessiert daran immer genau der Punkt, wo es zu einer Erörterung der grundgesetzlichen Ordnung kommt. Daß es meines Amtes ist, mich dafür zu interessieren, ist sowieso klar. Aber es interessiert mich auch deswegen, weil der Kollege Wehner ein Exponent der Sozialdemokratischen Partei ist, der weiß, worüber er spricht, wenn er auch diese sehr delikate Sache behandelt. Ich traue ihm zu, daß er keinen Satz schreibt, an dem er nicht gebohrt, den er nicht Wort für Wort wirklich formuliert hat.
Ich gehe also nicht von dem Versammlungsirrtum aus, der so oft vorkommt, sondern von einer schriftlich niedergelegten Politik. Man soll sich darum bemühen, wirklich die Politik nicht seiner politischen „Feinde", sondern seiner politischen Gegner kennenzulernen. Wie soll man seinen Gegnern entgegentreten, wenn man nicht wirklich ihre Politik kennt? In diesem Sinne habe ich das studiert.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Sagen Sie das mal Ihrem Prinzipal!)

— Was meinen verehrten Prinzipal angeht, so werde ich im zweiten Teil meiner Ausführungen auf ihn zu sprechen kommen. Ich bin zunächst noch bei meiner Antwort an den Kollegen Wehner.
Für meine Auffassung ergibt sich zwingend aus der Stuttgarter Entschließung, die ich ihm jetzt einmal voll zur Verantwortung lege — ich weiß, daß sie von allen beschlossen ist, aber ich sehe ihn als den Motor an —, und vor allen Dingen aus seiner kommentierenden Rede — doch die Fortsetzung von Ausführungen, die er auch schon früher gemacht hat —, daß diese Entwicklung also den Stempel seiner Persönlichkeit und seiner Politik trägt. Ich erörtere diese Entschließung überhaupt nur unter dem gerade von mir als relevant bezeichneten Gesichtspunkt. Ich will noch einmal das Stück vorlesen. Es tut mir leid, daß die Damen und Herren die Dokumente nicht vor sich haben, um folgen zu können. Es heißt an der Stelle:



Bundesinnenminister Dr. Schröder
Das deutsche Volk wird ohne die Überwindung der Teilung Deutschlands nicht in freier Selbstbestimmung eine Gesellschaftsordnung bauen können, die allen Mitbürgern die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit, gleiche Startbedingungen, gleiche Bildung und Aufstiegsmöglichkeiten gewährleistet. Für die arbeitenden Menschen und für die Jugend unseres Volkes ist aber eine solche Ordnung lebenswichtig. Nur mit einer solchen für das ganze Volk gültigen Gesellschaftsordnung ist ein Deutschland zu schaffen, das nach innen und außen die Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit ausschließt.

(Zuruf von der SPD: Das hat Herr Wehner vorhin auch vorgelesen!)

— Ich muß das wiederholen; ich kann nicht erwarten, daß jemand ganze Passagen auswendig behalten kann.
Daraus ergibt sich nach meiner Meinung, wie ich ausgeführt habe, in Verbindung mit den anderen Momenten, die ich teils genannt habe, teils noch nennen werde, das folgende Konzept, das ich jetzt mit meinen Worten wiedergebe: Nur dann, wenn wir eine Verfassung machen können mit allen Deutschen, werden wir zu einer Verfassung kommen, die nach innen und außen die Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit ausschließt.
Meine Damen und Herren! Wir sind hier des Glaubens, daß das Grundgesetz eine solche Verfassung sei, und wir sind der Überzeugung — waren bisher zumindest der Auffassung —, daß das Grundgesetz das Bekenntnis zu ganz bestimmten Werten darstellt, Werten, die wir hier nicht beschränkt sehen wollen auf die Bundesrepublik, sondern Werte, die in unseren Augen auch das Konzept eines Gesamtdeutschlands sind. Das, meine Damen und Herren, haben nämlich die Verfasser des Grundgesetzes selbst gedacht, denn sie haben gesagt, daß sie auch für diejenigen gehandelt haben, denen mitzuwirken versagt war. Das ist das Bild eines freien, demokratischen, sozialen, liberalen Deutschland, was hier angelegt ist, für das wir auch im Blick auf die Wiedervereinigung zu kämpfen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0304003900
Herr Minister! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304004000
Bitte schön!

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0304004100
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht in Erinnerung, daß der 2. Bundestag einstimmig der Entschließung Drucksache 30 16 zugestimmt hat und daß der Bundestag sich damit zu der folgenden Auffassung bekannt hat? Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Das Grundgesetz hat sich nicht ausdrücklich zu einem wirtschaftspolitischen System bekannt, auch nicht
— wie Nipperdey annimmt zu dem der sozialen Marktwirtschaft. Nicht nur die Literatur,
— die dann zitiert wird —
sondern auch das Bundesverfassungsgericht selbst hat
— in einer hier zitierten Entscheidung —
diesen Standpunkt ausdrücklich abgelehnt, da das Grundgesetz Sätze enthält, die nicht der gleichen wirtschaftspolitischen Auffassung entsprechen, sondern teils dem Vorstellungsbereich der freien Marktwirtschaft, teils dem der gelenkten und auch einer sozialistischen Wirtschaftsauffassung zuzurechnen sind.
Herr Bundesminister! Darf ich Sie daran erinnern, daß der Deutsche Bundestag diesen Ausführungen, niedergelegt in der Drucksache 30 16 des 2. Bundestages, einstimmig zugestimmt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304004200
Das kann ich nur als eine Anmerkung von Ihnen auffassen; es ändert nichts an den Gedankengängen, die ich hier vortrage; es tut mir herzlich leid.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich könnte sehr viel gröber über diesen Tatbestand sprechen. Ich spreche über diesen Tatbestand ausdrücklich fern jeder Wahlkampfauseinandersetzung, weil mir daran liegt, den Punkt herauszuarbeiten.
Aber nun muß man zu dem, was ich hier angemerkt habe, die Ausführungen des Kollegen Wehner auf dem Stuttgarter Parteitag gehört oder gelesen haben, in denen er die SED davor warnt, daß ihre Politik den reaktionären Scharfmachern im Westen Wasser auf die Mühlen treibe. Ich habe in meiner Rede gefragt, wo denn hier die reaktionären Scharfmacher sind, denen durch die SED Wasser auf ihre Mühlen geliefert wird. Diese Frage hat dann Herr Erler in einer zu diesem Zweck einberufenen Pressekonferenz damit beantwortet, daß er gesagt hat, also ich sei sozusagen der Prototyp des reaktionären Scharfmachers.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, das muß man zusammennehmen, und dann wird man für richtig halten, was jene Zeitung schrieb, die über diesen Parteitag das Motto „Durch Wiedervereinigung zum Sozialismus" setzte. Hier wurden ja auch noch gewisse „reaktionäre Scharfmacher" ausgeklammert, die bestimmt nicht Sozialisten sein würden. Wenn Worte noch einen Sinn haben, dann muß man sie doch so auffassen.
Dann spielte auf Ihrem Parteitag zum ersten Male eine Formulierung eine Rolle, die Sie vor einem oder zwei Jahren noch scharf bekämpft haben, als sie von den Roten Falken oder irgendeiner anderen Organisation in Berlin verwendet wurde. Damals hieß es: Adenauer und Ulbricht müssen weg. Auf Ihrem Parteitag hieß es jetzt: Adenauer und Ulbricht müssen überwunden werden. Meine Damen und Herren, und dann wundern



Bundesinnenminister Dr. Schröder
Sie sich, wenn das umgemünzt in die Münze des Wahlkampfes zu Erscheinungen führt., die Sie laut und lebhaft beklagen. Sie selbst geben bei Ihrer repräsentativsten Veranstaltung diese Parole aus,

(lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien)

und nachher wundern Sie sich, wenn dagegen polemisiert wird.
Ich möchte diese Betrachtung abschließen, indem ich noch zwei weitere Punkte anführe: Herr Wehner sagt, Sie stünden auf dem Standpunkt, Demokratie für alle. — Das ist genau das, was im Grundgesetz niedergelegt ist und was es verwirklicht. Hier haben wir in der Tat Demokratie für alle, und wenn Sie der Meinung sind, daß das nicht der Fall ist, dann müssen Sie mit uns darüber diskutieren, wo in diesem Lande Demokratie nicht für alle gilt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich kann doch nicht annehmen, daß Sie damit z. B. die von Ihnen geführten sozialdemokratischen Landesregierungen meinen. Es ist doch wohl unmöglich, hier davon zu sprechen, daß bei uns Demokratie für alle nicht verwirklicht sei.
Ich mache diesen Hinweis nur, um zu zeigen, daß die Beteiligung der Sozialdemokraten an dem innerpolitischen Leben in der Bundesrepublik in großer Breite entwickelt ist. Daß die Sozialdemokraten nun zufällig nicht die Bundesregierung führen, liegt an den Wählern, nicht an uns.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Wehner hat dann eine Gruppe innerhalb der Christlich-Demokratischen Union, nämlich die Sozialausschüsse, zitiert, und zwar schon zum zweiten Male. Ich habe es nicht in jeder Nuance in Erinnerung, aber die Tendenz dieses Zitats ist, daß die Sozialausschüsse sagten: Weiter voran mit sozialer Verwirklichung!

(Zustimmung in der Mitte.)

Die Sozialausschüsse würden niemals bezweifeln wollen — ich habe das Mitbestimmungsrecht vorhin erwähnt, weil es sozusagen die in der Welt berühmteste Entwicklung der Sozialpolitik in Deutschland ist —, daß wir hier einen sehr weiten Weg zurückgelegt haben. Natürlich muß es auch innerhalb jeder Partei Gruppen geben, die immer ganz von neuem Mahnrufer sind, falls andere mal gewisse gemeinsame — wohlgemerkt: gemeinsame
programmatische Ziele vergessen sollten. Das gibt es auch bei uns. Aber, Herr Kollege Wehner, es ist dann nicht ganz fair, mir 'die Sozialausschüsse als eine Gruppe innerhalb der CDU entgegenzuhalten, wenn ich mich mit Erklärungen beschäftige, die Sie in Ihrem hervorragendsten Spitzengremium, nämlich Ihrem Parteitag, abgegeben haben. Das möchte ich doch gern klarstellen.
Sie meinten weiter, die Sozialdemokraten würden sozusagen außerhalb des Rahmens des Grundgesetzes, der Verfassung oder der politischen Welt gerückt. Meine Damen und Herren, wer wirklich gehört hat oder zu hören bereit ist, was ich anläßlich der Volksbefragungskampagne darüber gesagt habe, der weiß, daß das doch nichts weiter gewesen ist, als der besorgte Appell, daß Sie sich nicht bei dieser Aktion und dieser Kampagne selber in ein Fahrwasser manöverieren, dessen Sie nicht mehr Herr werden würden, weil nämlich das Fahrwasser stärker würde als Sie.
Nun muß ich ein kleines Stück zurückgreifen auf die Rede, die Herr Kollege Heinemann hier gehalten hat. Er hat gesagt: Wenn Sie diese Gefahren sehen, dann wäre es doch gut, wenn Sie uns hier einen Hinweis und da einen Hinweis gäben! — Das geschieht, nur ist es leider so, daß Sie manchmal diesen Hinweisen gegenüber, wie soll ich sagen, etwas rücksichtslos oder gleichgültig sind. Sie werden sich erinnern, 'daß ich Sie am 13. Juni hier vor dem ziemlich großen, absolut kommunistisch gesteuerten Gelsenkirchener Kongreß — ich habe einen eingehenden Bericht 'darüber bei mir — gewarnt habe. An demselben Tage ist tatsächlich in einem Ihrer Pressedienste gesagt worden — ich gebe das in meinen Worten wieder —: Vorsicht vor Gelsenkirchen! Aber was hat sich ereignet? Der Kongreß fand am 14./15. Juni statt. Der sozialdemokratische Oberbürgermeister jener Stadt hat den Kongreß begrüßt, und das ist von unseren gemeinsamen politischen Gegnern draußen als ein bedeutsames Anzeichen dafür gefeiert worden, wie gut sie mit diesem Kongreß liegen. Meine Damen und Herren, wenn das vorkommt — und dieser sozialdemokratische Oberbürgermeister ist, wie Sie wissen, Mitglied dieses Hauses —, dann kann ich nur sagen: Wieviel 'deutlicher soll ich gefährliche Entwicklungen aufzeigen, als ich es getan habe? Wenn Sie aber so wenig darauf hören wollen, dann werden Sie unsere Sorgen nur vermehren. Das werden Sie verstehen. Was ich feststelle, ist nichts Unbilliges, sondern eine Tatsache aus der allerletzten Entwicklung. Es fehlt also nicht an unserem Bemühen der Bereitschaft zur praktischen Zusammenarbeit mit Ihnen auf dem Gebiete des Schutzes der Verfassung, und wir brauchen nicht mehr als dieselbe Bereitwilligkeit, darauf zu hören, wenn wir wichtige Hinweise dieser Art geben.
Erlauben Sie mir nun, daß ich auf das zurückgehe, was der Kollege Heinemann ausgeführt hat. Er meint, das ganze Unglück in Deutschland — jedenfalls das jüngere Unglück — komme davon, daß der Bundeskanzler in einer Veranstaltung — ich weiß nicht genau in welcher Veranstaltung — die Formulierung gebraucht habe, die SPD dürfe niemals an die Macht kommen. Nun, meine Damen und Herren, es ist nicht ganz fair, dem Bundeskanzler diese Formulierung vorzuhalten; denn es ist doch ganz klar — er hat es ja mehrfach ausgesprochen —: Eine SPD, die sich so einstellt und sich so stellt und programmatisch so liegt und solche Parteitagsbeschlüsse faßt, die hält er — das darf er, ebensogut wie Sie das umgekehrt von uns annehmen — für eine beträchtliche Gefahr. „Niemals an die Macht" hat er doch nicht gesagt etwa in dem Sinne, es müsse auf dem Gebiet der Verfassung Mittel und Wege geben, die SPD herauszuhalten.



Bundesinnenminister Dr. Schröder
Wie könnte er? Es hieße seine Intelligenz unterschätzen, wenn Sie das in eine solche Formulierung hineinlegen wollen. Er hat dem Sinne nach gesagt: Wir werden darum kämpfen, daß unsere politischen Ideen eine breite Mehrheit im deutschen Volke haben! Das ist unser gutes Recht, darum kämpfen wir, darum kämpfen wir auch am nächsten Sonntag.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Und unsere politischen Ideen halten sich — das ist unsere Überzeugung und mehr als unsere Überzeugung, nämlich die Wahrheit — absolut auf dem Boden des Grundgesetzes, das wir zu verwirklichen haben. Gut, wir kämpfen auf dem Boden ides Grundgesetzes um unsere Mehrheit! Auch Sie versuchen, eine Mehrheit zu bekommen. Aber daß die Demokratie nicht für alle gelte, kann man unter Bezugnahme auf ein solches Zitat des Herrn Bundeskanzlers unmöglich als unsere Auffassung hinstellen.
Ich habe schon einmal von den Hinweisen gesprochen, die Herr Kollege Heinemann in meinen Ausführungen vermißt hat. Ich habe gerade das Gelsenkirchener Beispiel erwähnt, von dem ich hoffe, daß es auf Sie Eindruck macht. Mich hat die Sache erschüttert, als ich wenige Tage später den Bericht darüber las, daß der sozialdemokratische Oberbürgermeister dort aufgetreten ist, nachdem diese Debatte hier vorangegangen war. Wie habe ich meine Rede geschlossen, die so sehr kritisiert wird? Ich habe gesagt:
Deshalb richte ich noch einmal an diejenigen Träger der Volksbefragungsaktion, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und die sich mit uns für die Verteidigung der grundgesetzlichen Ordnung verantwortlich fühlen, mit allem Ernst den Appell, die Volksbefragungskampagne einzustellen. Es gibt in unserem Rechtsstaat genügend verfassungsmäßige Mittel der politischen Willensbildung und der Durchsetzung des politischen Willens in den vorgeschriebenen parlamentarischen Bahnen. Die Volksbefragungsaktion gehört aber nicht dazu. Hier gilt es, den Anfängen zu wehren. Ich bitte das Hohe Haus, die Bundesregierung bei ihrer Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung mit aller Kraft zu unterstützen.
Ich habe nachher noch einmal ausdrücklich klargestellt, daß dies ein Appell an alle Kräfte des Hohen Hauses sei. Wo ist denn der Vorwurf begründet, es fehle an den notwendigen Hinweisen, wenn ich auf das Gelsenkirchener Beispiel hinweisen kann?
Es ist auch nicht richtig, wenn der Kollege Heinemann glaubt, die Tatsache, daß sich Herr von Hassel mit der Parole „Adenauer — Ulbricht" beschäftigt und daß das auch Herr Bach getan hat, anders würdigen zu müssen denn als eine ganz klare Reaktion auf ganz häßliche Formulierungen des sozialdemokratischen Parteitags in Stuttgart.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sehen nicht — das war der Gedankengang von
Herrn Heinemann — irgendeinen Bürgerschreck
links, den es entweder gäbe oder den wir erfinden
müßten und wofür wir dann die Sowjets zu Hilfe nähmen. Die Wirklichkeit der Welt ist anders. Die Wirklichkeit ist so, daß es zum erstenmal eine ganz konsequente und ganz starke sozialistische Macht in der Welt gibt, die sich, wie Sie wissen, selber „sozialistisch" nennt, und daß sie unser Nachbar ist, dicht vor den Toren von Lübeck, wenige Dutzend Kilometer vor den Toren von Hamburg, mitten im Thüringer Wald und in jeder Beziehung unmittelbar in unserer Nachbarschaft. Das ist die Wirklichkeit. Deswegen müssen wir auf das allerintensivste bedacht sein, unsere Werte, die im Grundgesetz angelegt sind, nicht in irgendeiner Weise auch nur der Diskussion auszusetzen. Das ist doch eine bare Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein Wort zum Parteiengesetz, über das ich vorhin schon gesprochen habe. Herr Kollege Heinemann meint, daß er 1950 — also vor beinahe acht Jahren — eine sehr wertvolle Vorarbeit zurückgelassen habe. Meinen Sie es nicht? Dann können wir uns schnell verständigen.

(Abg. Dr. Dr. Heinemann: Ich würde sagen, die Arbeit ist in Gang gesetzt worden!)

— Ach so, in Gang gesetzt worden. Es ist in der Tat so, daß diese Sache mehrfach, damals auch schon auf Kabinettsebene, diskutiert worden ist und daß man der Schwierigkeit der Frage wegen etwas vorgesehen hat, was ich durchgeführt habe, nämlich diese Parteienrechtskommission zu berufen. Es ist nicht sehr höflich gegenüber den hervorragenden Männern in dieser Kommission, Herr Dr. Heinemann, wenn Sie das schlicht als „weiße Salbe" bezeichnen. Ein hervorragendes Mitglied dieser Kommission war z. B. Professor Eschenburg, der gerade über dieses Thema, wie Sie auch wissen, vor dem Bundesverfassungsgericht gesprochen hat. Das darf man nicht alles als „weiße Salbe" bezeichnen, wenn man erstens die Herren kennt und zweitens den Bericht gelesen hat.
Wie schwierig das Thema ist, sehen Sie einfach daraus, daß wir bisher weder von links noch von rechts im Hause eine Vorlage bekommen haben. Wenn es so wäre, daß sich irgendeine Gruppe schmeicheln könnte, sie könnte hier einen die Offentlichkeit überzeugenden Entwurf machen, dann hätten wir ihn längst hier auf dem Tisch. Es ist schwerer, und jeder, der den Bericht der Kommission gelesen hat, weiß, daß es schwerer ist.
Es ist der Antrag gestellt worden, zu beschließen, die Bundesregierung möge diese Vorlage bis zum 1. Januar machen. Ich schlage vor, diesen Beschluß nicht zu fassen, sondern sich mit der Erklärung zu begnügen, die ich abgebe, daß auf der Prioritätsliste der Bundesregierung das Parteiengesetz steht, zufällig sogar an erster Stelle; das hat allerdings einen anderen Grund, es ergab sich aus der Reihenfolge der Ressorts. Aber es steht auf der kleinen Prioritätsliste der Bundesregierung, und es wird mit größter Beschleunigung hier vorgelegt werden.
Es sind dann Spritzer gegenüber der Justiz auf dem Umweg über das Innenministerium abgegeben worden. Herr Kollege Schäffer, der inzwischen wie-



Bundesinnenminister Dr. Schröder
der eingetroffen ist, hat das nicht gehört. Aber ich möchte von mir aus ganz klar einige Worte dazu sagen. Herr Kollege Heinemann meint, wir hätten einen Sperriegel vor dem Schafott, den wir uns jetzt bemühten aufzuheben. In diesem Hohen Hause wird bereits seit den ersten Monaten, in denen der 1. Bundestag zusammen war, mindestens aber seit 1950 über die Wiedereinführung der Todesstrafe debattiert. Ich habe immer zu denjenigen gehört, die die Wiedereinführung der Todesstrafe für richtig halten. Es würde zu weit führen, hier die Gründe dafür im einzelnen darzulegen. Herr Bucerius schüttelt den Kopf. Es ist mein Standpunkt; ich habe hier im Hause so gestimmt. Die Meinungen gehen in dieser Frage quer durch die Parteien. Daß die Wiedereinführung einer verfassungsändernden Mehrheit in diesem Hause und im Bundesrat bedarf, weiß jeder. Wie groß die Chancen eines solchen Projektes sind, kann man nicht beurteilen. Aber — und ich vermute, daß Kollege Schäffer etwas Ähnliches sagen wird — das ganze Problem wird in seiner vollen Schwere noch einmal diskutiert werden, wenn der Bericht der Großen Strafrechtskommission vorliegt. Dann wird Zeit sein, diese Sache noch einmal gründlich zu erörtern. Und wenn dann gesagt wird, daß man an die Todesstrafe für Landesverräter denke, — nun, das Volk möchte ich sehen, das sich, in schwerer Krise und Auseinandersetzungen befangen, auf diesem Gebiet anders verhalten dürfte, ob das nun die Engländer oder die Amerikaner sind. Diese denken, wie Sie selbst wissen, darüber so, wie es meinem Standpunkt entspricht.
Aber, Herr Kollege Heinemann, es ist nicht richtig — vielleicht haben Sie das auch nicht gewollt —, den Eindruck zu erwecken, als ob das nun etwa in den Rahmen von Maßnahmen gegen die Opposition gehört. Das wäre doch wirklich ein ganz falsches Bild. Die Art allerdings, wie das hier dargestellt wurde, konnte einen mindestens auf diesen Gedanken bringen. Wir sprechen hier von unseren gemeinsamen Gegnern, den Staatsfeinden, wo immer sie sein mögen, nicht von der Opposition.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben dem Evangelischen Arbeitskreis Ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Für meinen Geschmack gehört das nicht ganz hierher, aber ich muß es nun leider erwähnen. Die Essener Entschließung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU ist von Ihnen nicht richtig gewertet worden. Der Herr Präsident erlaubt mir vielleicht, daß ich diese Entschließung einmal vorlese. Ich darf dabei darauf hinweisen, daß es sich um eine Tagung handelt, an der ein sehr, sehr großer Teil der evangelischen Politiker Deutschlands und auch eine beträchtliche Anzahl von Theologen teilgenommen hat. Die Entschließung lautet folgendermaßen:
Schwarmgeister verwirren das rechte evangelische Verständnis vom politischen Amt.
Sie treten mit dem Anspruch auf Ausschließlichkeit und unter politischem Mißbrauch kirchlicher Ämter auf. Sie vermessen sich, diejenigen, die aus christlicher Verantwortung in ihrem Amt die Landesverteidigung ernst nehmen, der Verleugnung aller drei christlichen Glaubensartikel zu zeihen, ja, sie Atheisten zu nennen.
Daß die atheistisch-kommunistische Ideologie mit allen modernen Mitteln einer Diktatur die freie Welt zu übermächtigen sucht, wird verharmlost oder verschwiegen.
Der Friede ist unser kostbarstes Gut. Wir stellen nur die Wirklichkeit des Friedens gegen die Illusion eines Friedens, die die Kapitulation aus der Angst vorbereitet.
Die allgemeine kontrollierte Abrüstung der konventionellen und nuklearen Waffen ist unser oberstes Ziel. Aber bis dahin — täuschen wir uns nicht! — beruht die Wirklichkeit des Friedens auf der indirekten Verteidigung: dem Gleichgewicht der Kräfte.
Die bequeme Ausflucht in den allzu billigen Frieden ist die eigentliche Kriegsgefahr — nicht anders als 1939. Die pazifistische Schwäche seiner Gegner hat Hitler damals ermutigt, sein Risiko gering einzuschätzen.
Als evangelische Christen in der öffentlichen Verantwortung beschwören wir daher die berufenen Vertreter der evangelischen Kirche,
wachsam und nüchtern die Geister zu scheiden, uns immer neu in der Verantwortung des Friedens zu rufen, aber sich nicht in politische Entscheidungen drängen zu lassen. Das ist nicht ihres Amtes.
Wir rufen unser Volk auf,
an unsere Landsleute in Mitteldeutschland zu denken, die von uns die Wiederherstellung der staatlichen Einheit unter Befreiung vom sowjetisch-ideologischen Joch vertrauensvoll erwarten. Die Gewissensnot drüben ist grauenhaft. Wenn wir nicht frei bleiben, können sie nicht frei werden.

(Beifall in der Mitte)

Wir bitten unser Volk, nicht den Parolen der unverbindlichen Vorleistung, der einseitigen Abrüstung und der Kapitulation in Raten zu folgen. Wir beschwören unser Volk, nüchtern eingedenk zu bleiben, daß Frieden, Freiheit und Sicherheit Opfer, Mut und Disziplin kosten — wider alle Angst vor dem Kommunismus und der Atombombe. Laßt uns in der Kraft ,des Glaubens alle Angst überwinden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte wirklich wissen, welche berechtigte Kritik an dieser Entschließung geübt werden kann; wenn ja, dann würde ich bitten, das Zeile für Zeile zu tun.
Im übrigen sind Sie einer Fehlinformation zum Opfer gefallen. Der Herr Kollege Dr. Schmidt, der im Hause ist, hat den Kreis geleitet, der sich mit gewissen — ich möchte einmal sagen — innerkirchlichen Fragen beschäftigt hat. Er hat das, was Sie hier ,als angeblichen Beschluß vorgetragen haben,



Bundesinnenminister Dr. Schröder
abgelehnt, als es dort vorgeschlagen wurde, und zwar mit ziemlich denselben Gründen, die Sie hier auch für Ihre Kritik gebracht haben. Das ist das, was sich dort ereignet hat. Ich rufe dafür den Kollegen Dr. Schmidt zum Zeugen an; er wird sich darüber äußern können, denn er hat die Besprechung geleitet. Jedenfalls findet sich in unserer Publikation, die ich Ihnen vorgelesen habe, aber auch nicht der Schatten eines Hinweises auf das, was Sie behauptet haben.
Die Zeit .des Hohen Hauses wird sicherlich über Gebühr beansprucht. Mir tut das sehr leid. Ich hätte lieber am Anfang dieser Woche über die Innenpolitik diskutiert, dann würde ich nicht so unter Zeitdruck geraten sein. Das habe ich aber nicht zu verantworten.
Ich möchte also jetzt schließen. Bitte kommen Sie nicht auf den Gedanken, als ob wir mit irgendetwas, was wir sagten, was wir formulierten und was wir hier zur Debatte stellten, etwa ein anderes Ziel verfolgten als dies, tatsächlich hier das ganze Haus und darüber hinaus, soweit unsere Kraft reicht, das ganze Volk auf den Bahnen einer Entwicklung zu halten, die wir 1949 mit dem Grundgesetz eingeschlagen haben. Das ist eine schwere Aufgabe. Die Aufgabe ist viel, viel schwerer, als sich das die meisten eingestehen wollen. Aber darüber werden wir an einem anderen Tage einmal diskutieren können. Soviel ist jedoch sicher: zu lösen ist diese Aufgabe nur gemeinsam, zu lösen ist sie nur, indem die Regierung auf der einen Seite und die Opposition auf der anderen Seite das gleiche herzliche, überzeugende und unbedingte Bekenntnis zu den im Grundgesetz angelegten Werten haben. So und nur so werden wir es schaffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304004300
Die Kollegin Frau Brökelschen hat ihre Wortmeldung zurückgezogen. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304004400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, sagen zu müssen, daß ich den Eindruck hatte, der Herr Bundesminister des Innern habe mit seiner Erwiderung seinerseits den Eindruck hervorrufen wollen, als ob ich durch das Zitieren von nur zwei Absätzen der sozialdemokratischen Entschließung, die hier in Frage gestellt worden ist, meinen Zuhörern im Hause den eigentlichen Inhalt dieser Entschließung und damit den Sinn dessen, was die Sozialdemokratische Partei in dieser Frage will, vorenthalten hätte. Der Herr Bundesminister des Innern hat noch einmal den Teil aus der Entschließung zitiert, der schon in seinem Artikel im Mitteilungsblatt der Bundesregierung zu seinen sehr scharfen Äußerungen gegen mich und die Sozialdemokratische Partei geführt hat. Er hat noch einmal jenen Absatzteil vorgetragen, in dem es heißt, daß das deutsche Volk ohne die Überwindung der Teilung Deutschlands nicht in freier Selbstbestimmung eine gesellschaftliche Ordnung werde bauen können, die allen Mitbürgern die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit, gleiche Startbedingungen, gleiche Bildungs- und
Aufstiegsmöglichkeiten gewährleistet. Er hat unter Hinzufügung des nächsten Satzes dann genau das wiederholt, was ihn in seinem Artikel und seinen sonstigen Stellungnahmen zu der Behauptung geführt hat, diese These verrate, wie sehr Wehner mit der kommunistischen Interpretation der Voraussetzungen für ein friedliches Deutschland übereinstimme. Meine Damen und Herren, so leicht ist es, den Vorwurf dieser Übereinstimmung mit der kommunistischen Interpretation — hinter dem ja wohl eine Absicht steckt — auf sich zu ziehen, bloß weil man eine andere Auffassung im Rahmen unserer demokratischen Ordnung vertritt als die, die der Herr Bundesminister des Innern für die einzig gegebene hält.
Er hat hier erklärt, daß es gefährlich sei, wenn man die Werte des Grundgesetzes zur Diskussion stelle, obwohl von mir — sollte es anders sein, so möchte ich darüber erst noch belehrt werden — kein einziger Wert des Grundgesetzes auch nur in Frage gestellt, geschweige denn zur Diskussion gestellt worden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Aber hier gilt eben, wie gesagt, das, was der eine kraft Amtes dem andern anzuhängen vermag, der sich nur von dieser Tribüne aus — und das gilt wenig — und nur dort, wo er Hörer in Versammlungen hat, gegen die Walze des Rufmordes, des Niedertrampelns seiner ehrlichen Überzeugung wenden kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Ich habe vorhin gesagt, ich widerstehe der Versuchung, aus den Pamphleten zu zitieren, die ich vorliegen habe. — Ich widerstehe auch der Versuchung, Ihr lachendes Gesicht, Herr Kollege von einer christlichen Fraktion, zu charakterisieren, wenn ein Mensch, tief getroffen, versucht, seinen ehrlichen Ruf gegen Ihre Praktiken zu verteidigen. Ich widerstehe der Versuchung, mich darüber zu äußern. Das müssen Sie eines Tages mit einem Höheren abmachen, Herr Bausch.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Nehmen Sie es nicht zu leicht, Herr Bausch! Ich würde es nicht leicht nehmen, falsch Zeugnis wider meinen Nächsten zu reden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Bausch: Noch bin ich ein freier Mann, Herr Wehner, noch brauche ich Sie nicht um Erlaubnis zu fragen, ob ich lachen darf! — Gegenrufe von der SPD. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304004500
Ich bitte um Ruhe, damit ich den Redner hören kann und damit ich Zwischenrufe, die ich unter Umständen zu rügen hätte, auch hören kann.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304004600
Der Herr Bundesminister des Innern hat erklärt, daß wir es uns selbst zuzuschreiben hätten, wenn wir heute hart angefaßt würden. Herr Bundesminister — wenn ich einmal direkt mit Ihnen hier ein Wort wechseln darf —, es



Wehner
ist ein Unterschied zwischen der Feststellung, daß die Sozialdemokratische Partei es als ihre Aufgabe betrachtet, eine andere Regierung mit einem anderen Regierungschef als dem jetzigen Dr. Konrad Adenauer auf dem Weg, den die demokratische Ordnung ihr dazu bietet, an die Spitze der Bundesrepublik zu stellen, und daß sie der Meinung ist — diese Meinung haben wir nie verhehlt —, daß auf der anderen Seite der Herr Ulbricht weg müsse. Daraus eine Verbindung herzustellen, wie Sie es hier und andernorts zu tun beliebt haben — das ist Ihre Art, solche Diskussionen zu führen.

(Abg. Dr. Bucerius: Sie nennen sie aber in einem Atem, Herr Wehner!)

— Ich traue Ihnen viel Sachlichkeit zu, Herr Kollege Bucerius; ich stelle sie nicht in Abrede. Aber ich habe hier ein Zitat, das ist juristisch so aufgemacht, daß derjenige, der damit gemordet werden soll, dessen Ruf damit getötet werden soll, nicht klagen kann. Da wird dem Leser im Lande Nordrhein-Westfalen gesagt, daß der Herr Ulbricht über Wehner das und das gesagt habe — was dann hiersteht Es ist unglaublich, wie Sie das machen. Und da wollen Sie uns einen Vorwurf machen — Sie, deren Partei Aussprüche Ulbrichts fälscht, um damit einen Sozialdemokraten moralisch totzumachen, so wie jene sogenannte Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit Briefe Ulbrichts erdichtet und gefälscht hat, um die Sozialdemokratische Partei moralisch totzumachen. Sie wollen sich darüber beklagen, wenn wir sagen: In beiden Teilen Deutschlands setzen sich die Sozialdemokraten die Aufgabe, hinsichtlich dessen, was heute die Regierung repräsentiert, dies und dies an die Stelle zu setzen.

(Abg. Dr. Bucerius: Ich beklage mich genau wie Sie, Herr Kollege!)

Das ist doch ein Unterschied, ein großer Unterschied.
Zum Grundgesetz gehört auch der Artikel 146:
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Das gehört auch dazu. Es wird allmählich so, als ob daran zu erinnern auch schon nicht in den Rahmen der vom zuständigen Herrn Minister interpretierten Grundordnung gehört.
Im übrigen möchte ich hier auf das hinweisen, was Herr Professor von Nell-Breuning in einer Auseinandersetzung mit denen, die eine seiner Reden, die Rede vor den jungen Unternehmern — die ja bei manchen noch in Erinnerung sein wird —, zum Gegenstand aller möglichen Behauptungen gemacht haben, in der Sammlung seiner Reden und Aufsätze geschrieben hat. Er schreibt, er habe tatsächlich als allein realistisch eine Wiedervereinigung bezeichnet, bei der nicht einer der getrennten Teile Deutschlands dem anderen sein System aufzwingt, sondern beide aufeinander zukommen. Und er unterstreicht noch einmal:
Aufeinanderzukommen der beiden heute getrennten Teile Deutschlands, wie ich es mir vorstelle, besagt, sich gemeinsam um eine Lösung bemühen, die zur Zeit weder im Osten noch bei uns im Westen bereits vorliegt. Wer allerdings
der Meinung ist, wir hätten in der Bundesrepublik die Lösung der sozialen Frage bereits gefunden und verwirklicht, der wird nur den Weg sehen, die heute noch von uns getrennten Deutschen davon zu überzeugen, daß sie sich gar nichts Besseres wünschen können, als das übernehmen zu dürfen, woraus wir bereits solche Selbstzufriedenheit schöpfen.
Und so weiter. Meine Damen und Herren, vielleicht wird auch das im Munde eines solchen berufenen Auslegers wie des Herrn Bundesministers des Innern zu einer Sache, die so zu behandeln ist wie das von mir verlesene Zitat aus der Zeitschrift eines Teiles der CDU, nämlich der „Sozialen Ordnung".
Und nun will ich — darum hatte ich, als ich ums Wort bat, ausdrücklich gebeten — den vollständigen Text des Beschlusses der Sozialdemokratischen Partei vom Stuttgarter Parteitag hier verlesen. Der Herr Präsident hat mir die Erlaubnis dazu erteilt, weil — ich hatte es eingangs jetzt noch einmal erklärt — aus den Ausführungen des Innenministers der Eindruck hatte entstehen können, als hätte ich durch Zitieren nur zweier Teile dieses Beschlusses den Sinn dieses Beschlusses anders auslegen lassen wollen, als er ihm innewohnt. Deshalb beginne ich mit dem Punkt 3, der sich anschließt an jene beiden ersten Punkte, die ich in meiner ersten Diskussionsrede hier wörtlich wiedergegeben hatte. Der Punkt 3 dieses Stuttgarter Beschlusses der Sozialdemokratischen Partei lautet:
Deutschland darf nicht das Atom-Aufmarschgelände der Großmächte werden. Deutschland darf nicht zur treibenden Kraft des Wettrüstens werden. Die Sozialdemokratische Partei appelliert an alle Menschen in der Welt, die den Frieden und die Verständigung der Völker wünschen, dem deutschen Volk bei der Überwindung der Spaltung zu helfen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Bewahrung des Friedens zu leisten. Die Sozialdemokratische Partei richtet an alle sozialistischen Parteien und an die Organisationen der Arbeitnehmer die brüderliche Bitte, einer Fehlentwicklung entgegenzuwirken, die das geteilte Deutschland unweigerlich zu einem Herd schwerster Gefährdung des Friedens in Europa und zu einem Hindernis gegen den sozialen Fortschritt machen würde.
Es folgt jetzt der Text des Absatzes 4 dieses Beschlusses:
4. Wenn es gelingt,
a) die heute noch getrennten Teile Deutschlands in eine atomwaffenfreie Zone einzugliedern,
b) die heute noch in Deutschland und in den östlichen Nachbarstaaten stationierten ausländischen Truppen Zug um Zug gleichwertig zu vermindern,
c) die ganze atomwaffenfreie Zone Mitteleuropas schließlich von fremden Truppen zu räumen und für die eigenen Truppen der an der atomwaffenfreien Zone beteiligten Staaten Höchststärken festzusetzen und zu kontrollieren,



Wehner
würden Voraussetzungen für eine gesamteuropäische Sicherheitsordnung geschaffen. Diese Schritte zur Entspannung würden der Bewahrung des Friedens in Europa dienen. Das Zusammenleben der Völker und Staaten Europas im Rahmen der Satzungen der Vereinten Nationen würde gefördert. Es wäre damit ein Rahmen geschaffen, in dem die Teile Deutschlands sich einander annähern könnten. Die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit würde möglich. Kein Nachbarstaat und keine der Großmächte hätten eine Einbuße an ihrer eigenen Sicherheit zu befürchten.
Es folgt der Absatz 5:
Die Sozialdemokratische Partei erblickt in Bemühungen um eine militärische Entspannung und um die Einstellung des Wettrüstens die Voraussetzungen für die Entwicklung neuer Ansatzpunkte zur Wiedervereinigung Deutschlands. Sie wird jeden geeigneten Schritt in dieser Richtung unterstützen und sich selbst beharrlich für eine Politik der Entspannung, der internationalen Verständigung und der friedlichen Wiedervereinigung einsetzen. Die SPD begrüßt dankbar die Bemühungen der britischen Labour Party und des Zentralrats der Gewerkschaften Großbritanniens, den Weg für eine internationale Entspannung in Mitteleuropa zu bahnen. Die SPD gedenkt mit Dankbarkeit der wiederholten Bekundungen der sozialdemokratisch geführten Regierungen der Länder Skandinaviens, solche Schritte zur Entspannung in Mitteleuropa fördern zu wollen. Die Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit liegt im gemeinsamen Interesse des deutschen Volkes und der Nationen Europas. Ihre Verwirklichung wird ein entscheidender Schritt zur friedlichen Zusammenarbeit aller Völker Europas sein. Die Forderung nach der Wiedervereinigung darf nicht zum Vorwand für die Fortsetzung des Wettrüstens genommen werden. Sie darf nicht mißbraucht werden, um militärisch-machtpolitische, ideologische oder wirtschaftliche Interessen zu vernebeln.
Es folgt der Absatz 6:
Es bedarf unüberhörbarer Willenskundgebungen des deutschen Volkes, um die vier Mächte dazu zu bewegen, den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands in gesicherter Freiheit freizugeben. Die Bevölkerung der Bundesrepublik muß dabei vorangehen. Sie muß im Bund und in den Ländern endlich eine der Wiedervereinigung dienende Politik erzwingen. Sie muß selbst alle Möglichkeiten ausnützen, um den Zusammenhalt der Deutschen auch über die trennende Zonengrenze hinweg aufrechtzuerhalten und immer wieder zu erneuern. Es muß gelingen,
a) Maßnahmen zur Verklammerung der Teile Deutschlands durchzusetzen, die wirtschaftlich, sozialpolitisch und kulturell
die inneren Bindungen stärken und die der Auseinanderentwicklung der Teile entgegenwirken.
b) den Kalten Krieg und die ideologische Verhetzung innerhalb Deutschlands zu überwinden,
c) die Kombination von Schritten der vier Mächte und der beiden Teile Deutschlands zustande zu bringen, die — gegebenenfalls in Etappen — zur Wiedervereinigung führt.
Wenn es für diese Zwecke unvermeidlich sein sollte, auch mit den in der sowjetisch besetzten Zone amtierenden Behörden ins Benehmen zu treten, so muß die Bundesregierung, die diese Lage mit herbeigeführt hat, das tun, was der inneren Entspannung und der Erleichterung der Lage der Bevölkerung jenseits der Zonengrenze dienen kann. Es ist besser, in nüchterner Einschätzung der durch die bisherigen Versäumnisse geschaffenen Tatbestände nun endlich Schritte zur Verminderung der Auswirkungen der Spaltung Deutschlands zu tun, als in eine Ausweglosigkeit der sonst unvermeidlich werdenden völkerrechtlichen Anerkennung der endgültigen Teilung Deutschlands zu geraten. Die SPD erneuert im übrigen ihre auf dem Münchener Parteitag erhobenen Forderungen zur Herstellung und Pflege normaler diplomatischer Beziehungen zu den Staaten Osteuropas und zur Volksrepublik China. Die fortgesetzte Verweigerung solcher Beziehungen ist nicht geeignet, zur Entspannung beizutragen und Vertrauen zur Bundesrepublik zu gewinnen.
Es folgt der letzte, der 7. Absatz:
Mit Empörung wendet sich die Sozialdemokratische Partei gegen die mißbräuchlich im Namen des Sozialismus im sowjetisch besetzten Gebiet betriebene Knebelung der Freizügigkeit und der persönlichen und staatsbürgerlichen Freiheit. Gerade weil die SPD entschieden gegen die Politik des Wettrüstens und des Kalten Krieges kämpft, verurteilt sie es schärfstens, daß im sowjetisch besetzten Gebiet unter dem Vorwand des Kampfes gegen die Kriegstreiber erneut willkürlich die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung eingeengt und tatsächlich die Spaltung Deutschlands vertieft wird. Die Führung der kommunistischen SED leistet durch ihr Verhalten gerade den reaktionären Kräften Vorschub, deren Politik sie zu bekämpfen vorgibt. Sie entwertet damit selbst ihre fortgesetzten Anerbieten zur sogenannten Aktionseinheit. Ihre eigenen Aktionen leiten Wasser auf die Mühlen der Scharfmacher diesseits der Zonengrenze.

(Zuruf von der Mitte: Das sind wir, gelt?)

— Es kommt darauf an. Scharfmacher sind diejenigen, die eine an und für sich komplizierte Lage noch schärfer machen, als sie ist. Man muß das nicht weiter charakterisieren.

(Beifall bei der SPD.)





Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304004700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304004800
Bitte!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0304004900
Herr Kollege Wehner, würden Sie Verständnis dafür haben, wenn wir Sie bäten, diese Vorlesungen jetzt abzubrechen? Wir haben Ihren Standpunkt nun mehrfach gehört, auch den des Ministers, und es würde wirklich den weiteren Problemen und ihrer Behandlung dienen, wenn wir das Anhören über das, was an Grundsätzen und Gegensätzen ausgesprochen ist, beenden könnten. Ich wäre dankbar, wenn Sie dafür Verständnis hätten.

(Beifall hei den Regierungsparteien.)


Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304005000
Tut mir leid!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304005100
Einen Augenblick! Die Frage ist an mich als Präsidenten gerichtet,

(Abg. Wehner: Nein, sie ist an mich gerichtet, Herr Präsident!)

und ich darf darauf antworten.
Ich habe Herrn Wehner vorhin so verstanden, ihm sei vorgeworfen worden, daß er diese Programmsätze nicht vollständig vorgelesen habe. Daraufhin hat ihm mein Vorgänger auf diesem Stuhl, der Herr Kollege Schmid, Gelegenheit gegeben, das vorzutragen; nun müssen wir es eben hinnehmen.

(Abg. Dr. Bucerius: Richtig! — Zuruf von der SPD [zu Frau Abg. Kalinke] : Sagen Sie das dem Minister!)


Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0304005200
Der letzte Teil — Sie werden gleich davon erlöst sein —:
Die Sozialdemokratische Partei wird nicht müde werden, für die Bevölkerung ganz Deutschlands das Recht der demokratischen Selbstbestimmung zu fordern und überall für seine Verwirklichung einzutreten. Sie fordert auch von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der Bevölkerung Deutschlands jenseits der Zonengrenze dieses Recht nicht länger zu verweigern, wie es jetzt tatsächlich geschieht, indem die von der KPdSU gestützte Führung der SED dieses Recht mit Füßen tritt.
Das, meine Damen und Herren, war der volle Text. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie der Anstrengung ausgesetzt habe, ihn jedenfalls als Geräusch aufnehmen zu müssen. Ich lege Wert darauf, daß Sie, falls Sie an den Tatsachen interessiert sind, eine Gelegenheit haben, im Protokoll nachzuschlagen und daß Sie nicht nur auf die Auslegung des Herrn Bundesministers des Innern in bezug auf die Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei und ihres Parteitages angewiesen bleiben.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304005300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Damit ist die Ziffer 2 des Schreibens vom 30. Juni betreffend den Zeitplan erledigt.
Wir kommen zu Ziffer 3, d. h. zur
Begründung der Änderungsanträge zu den
Einzelplänen.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 133 zum Einzelplan 04 auf.

(Zuruf von der SPD: Keine Begründung!)

— Keine Begründung. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Einzelplan 04 Umdruck 133. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Präsidium ist sich über das Ergebnis der Abstimmung nicht ,einig. Ich bitte, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Einzelplan 05 auf. Hierzu liegt nur ein Entschließungsantrag vor, der Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU Umdruck 159. Wird der Antrag begründet? — Das scheint nicht der Fall zu sein. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag zu Einpelplan 05 Umdruck 159 zustimmt, — —

(Zuruf von der SPD: Der ist soeben erst verteilt worden! — Den konnnte man noch gar nicht lesen!)

— Bestehen Zweifel darüber, um was es sich handelt? — Ist das Haus über den Inhalt des Antrags im Bilde? —

(Zustimmung.)

— Das ist der Fall. Ich stelle den Antrag Umdruck 159 zu Einzelplan 05 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
Eine Enthaltung. — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Einzelplan 06 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 134 vor. Unter Ziffer 1 ist beantragt, einen neuen Titel einzufügen. Falls dieser Antrag abgelehnt wird, wird in Ziffer 2 beantragt, einen Leertitel einzufügen. Besteht Klarheit über diesen Antrag?

(Zustimmung.)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über !den Antrag Umdruck 134 Ziffer 1 zu Einzelplan 06. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Eventualantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 134, im Falle der Ablehnung des Antrags unter Ziffer 1 einen Leertitel 974 einzufügen. Ist das Haus im Bilde? —



Vizepräsident Dr. Becker
Ich bitte diejenigen, die diesem Eventualantrag zuzustimmen wünschen, um ,das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Noch nicht einmal das!)

Enthaltungen? — Abgelehnt!
Unter Ziffer 3, des Umdrucks 134 liegt ein Änderungsantrag zu Kap. 06 09 — Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln — vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Liegen sonst Wortmeldungen vor? — Es liegen keine vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 3 des Umdrucks 134. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt!
Zu Einzelplan 06 Kap. 02 liegt ein Entschließungsantrag Umdruck 143 der Fraktion der SPD betreffend allgemeine Bewilligungen vor. Wird der Antrag begründet? — Nein. Wird das Wort gewünscht?

(Abg. Dr. Vogel: Wir beantragen Überweisung an den Ausschuß! — Zuruf von der SPD: Das gibt es nicht!)

— Überweisung eines Entschließungsantrags an den Ausschuß ist zulässig.

(Abg. Dr. Vogel: Natürlich! Warum nicht?)

Der weitergehende Antrag ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß. An welchen Ausschuß?

(Zurufe: Innere Verwaltung!)

— An den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe — wiederum zu Einzelplan 06 — den Entschließungsantrag Umdruck 154 der Fraktion der FDP auf. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wer diesem Entschließungsantrag Umdruck 154 — Vorlage eines Parteiengesetzes — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —

(Zurufe von der SPD: Ah, siehe da!) Ich bitte um die Gegenprobe. —


(Erneute Zurufe von der SPD: Ah, siehe da!)

Danke. Wir wiederholen die Abstimmung durch
Aufstehen. Wer für diesen Entschließungsantrag zu
stimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. —

(Zuruf von der SPD: Ah! — Herr Dresbach erhebt sich! — Beifall bei der SPD und FDP.)

Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Enthaltungen? — Angenommen.

(Beifall bei der SPD und FDP.)

Ich rufe nun zu Einzelplan 10 den Änderungsantrag Umdruck 145 der Fraktionen der CDU/CSU und der DP auf. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den zu Einzelplan 10 vorliegenden Änderungsantrag Umdruck 145. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Dann muß ich über den Einzelplan 10 in der soeben geänderten Fassung insgesamt abstimmen lassen. Wer dem Einzelplan 10 mit der durch die Annahme des Antrags Umdruck 145 beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Mit der zuvor beschlossenen Änderung angenommen.
Ich rufe zu Einzelplan 10 den Entschließungsantrag sämtlicher Fraktionen, Umdruck 131, auf. Zur Begründung wird das Wort vermutlich nicht gewünscht? — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag auf Umdruck 131 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Die Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Umdruck 149, Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU, alles zum Einzelplan 10, auf.

(Abg. Dr. Mommer: Dazu liegt ein Änderungsantrag vor!)

— Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
SPD auf Umdruck 157 vor. Ist das Haus im Bilde?

(Zuruf von der CDU/CSU: Darüber kann zusammen abgestimmt werden!)

— Gut, dann kommen wir zur Abstimmung über Umdruck 149 in der durch die Einbeziehung des Antrags Umdruck 157 zustande gekommenen Fassung. Wer diesem so formulierten Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Damit ist Einzelplan 10 auch erledigt.
Einzelplan 11. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 137 vor. Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel hat das Wort.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0304005400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um Unklarheiten bei der Abstimmung zu vermeiden, möchte ich Ihnen mitteilen, daß die CDU/CSU-Fraktion auf den zweiten Absatz verzichtet, also nur den ersten Absatz anzunehmen bittet und dann bereit ist, ihrerseits dem Antrag Umdruck 137 der SPD zuzustimmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304005500
Sie haben die Sachlage gehört. Ich rufe, um geschäftsordnungsmäßig



Vizepräsident Dr. Becker
vorzugehen, den Antrag Umdruck 144 auf, der bisher nicht aufgerufen war. Er ist soeben vom Herrn Kollegen Dr. Vogel begründet worden mit der Maßgabe, daß Abs. 2 gestrichen ist. Mir wurde mitgeteilt, daß sich nun Abs. 1 des Umdrucks 144 inhaltlich mit Umdruck 137 deckt.

(Abg. Dr. Vogel: Nein!)


Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0304005600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es soll Abs. 1 des Umdrucks 144 bleiben; an Stelle des Abs. 2 würden die beiden Punkte des Antrags der SPD, Umdruck 137, treten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304005700
Sie wollen also kombinieren; in der deutschen Sprache geht es immer leichter, wenn ein Fremdwort drin ist! — Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0304005800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns, daß Sie durch diese Kombination offenbar unserer Kritik entsprechen wollen, die wir in der zweiten und dritten Lesung vorgebracht haben. Es handelt sich um eine sehr erhebliche Größenordnung. Deshalb ist es unbedingt nötig, daß die Regierung darüber bald genaue Auskunft gibt und eine Regelung trifft.
Wir werden der neuen Fassung durch Zusammenfassung beider Anträge zustimmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304005900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte zu den beiden Anträgen ist hiermit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle zunächst zur Abstimmung Abs. 1 des Umdrucks 144. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Angenommen.
Jetzt folgt als zweiter Teil dieses zu kombinierenden Entschließungsantrags der Antrag Umdruck 137, und zwar sowohl Ziffer 1 wie Ziffer 2. Wer diesen Ziffern als Zusatz zu dem eben angenommenen Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht — so daß das Ganze ein Entschließungsantrag wird , den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Gegenprobe! — Enthaltungen? — In der so formulierten Fassung angenommen. Damit ist Einzelplan 11 erledigt.
Meine Damen und Herren, es ist mir gerade die Anregung vorgetragen worden, die weiteren Änderungsanträge vom Platz aus begründen zu lassen. Ebenso soll verfahren werden, wenn es sich nur um kurze Begründungen einer gegenteiligen Meinung handelt. Wollen wir das versuchen? — Sie sind einverstanden; danke schön.
Einzelplan 12. Ich rufe einen Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 138 auf, wonach ein neuer Titel für Bundesfernstraßen eingesetzt werden soll. Zur Begründung Herr Abgeordneter Bleiß!

Dr. Paul Bleiß (SPD):
Rede ID: ID0304006000
Herr Präsident! Ich bitte, auch gleich zu den Entschließungsanträgen sprechen zu dürfen. Zu dem Antrag auf Umdruck 138 möchte ich nur kurz bemerken, daß es sich um die Wiedereinbringung eines Antrags aus der zweiten Lesung
handelt, zur Beseitigung schienengleicher Übergänge 30 Millionen DM in den Haushalt einzusetzen.
Der Entschließungsantrag auf Umdruck 155 wurde von uns eingebracht, weil der Entschließungsantrag der CDU wesentlich hinter den Erwartungen zurückbleibt. Es sollte klar zum Ausdruck kommen, daß nach Auffassung des Bundestages für den Straßenbau erheblich größere Summen bereitgestellt werden sollten. Ich bin der Meinung, daß unser Antrag auf Umdruck 155 der weitergehende ist.
Ich wollte weiter darauf hinweisen, daß wir mit dem Antrag Umdruck 136 die Frage der Finanzierungswege für die Bundesbahn noch einmal aufnehmen, um eine sehr wesentliche Lücke zu schließen.
Ich wollte mir 'die Anregung erlauben, in dem Antrag Umdruck 148 auf Zeile 3 hinter dem Wort „Nachbarländern" einzufügen „Iden Zonenrandgebieten". Es würde dann weitergehen „und den deutschen Seehäfen . . .". Wenn die Herren Kollegen von der CDU mit einer solchen Erweiterung des Aufgabengebietes einverstanden wären, könnten wir diesem Entschließungsantrag zustimmen.
Ich bitte Sie, Herr Präsident, bei dem Antrag Umdruck 146 getrennt abstimmen zu lassen, und zwar zuerst über die Ziffern 1 und 2 — zusammen — und dann über die Ziffern 3 bis 7, ebenfalls zusammen.
Dem Antrag auf Umdruck 147 werden wir zustimmen. Wir wünschen nur nicht, daß hier noch einmal „entsprechend dem Vierjahresprogramm für den Straßenbau" auch ein Vierjahresprogramm für den Ausbau der Binnen- und Seewasserstraßen vorzulegen ist. „Entsprechend" deshalb nicht, weil nach unserer Auffassung das Vierjahresprogramm für den Straßenbau unzureichend ist. Wir sind aber natürlich damit einverstanden, daß ein Vierjahresprogramm für den Ausbau der Binnen- und Seewasserstraßen vorgelegt wird, und aus diesem Grunde werden wir dem Antrag zustimmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304006100
Wünschen Sie eine Änderung bei dem Antrag Umdruck 147 zu beantragen?

Dr. Paul Bleiß (SPD):
Rede ID: ID0304006200
Nein, ich wollte nur feststellen: Wir wollen nicht präjudizieren, daß auch bei dem Ausbau der Binnen- und Seewasserstraßen ein allzu enger Rahmen gezogen wird.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304006300
Ich rufe alle Anträge, auch alle Entschließungsanträge — Umdrucke 136, 138, 146, 147, 148, 155 — hiermit auf. Ich bitte um Wortmeldungen zur Begründung. — Anscheinend wünscht niemand dazu zu sprechen.
Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0304006400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht zu allen Anträgen sprechen, sondern nur ein



Bundesfinanzminister Etzel
paar Worte zu dem Entschließungsantrag der SPD Umdruck 136 betreffend Finanzierung der Bundesbahn sagen. Ich bin der Meinung, daß die Probleme der Bundesbahn keineswegs alle erledigt sind. Die Bundesbahn stellt in der Tat noch große Probleme, und ich glaube, daß es wirklich notwendig ist, daß der Bundesverkehrsminister mit mir nach einer wirklichen Klärung und Durchdringung der Sachlage über die dort bestehenden Finanzierungsprobleme noch einmal Rücksprache nimmt.
Nun hat der Ausschuß eine Kommission bestellt, welche die Lage der Bundesbahn durchleuchten soll. Die Situation ist noch nicht klar; ein wirkliches Urteil über die Situation ,der Bundesbahn ist daher in diesem Augenblick noch nicht möglich. Ich bitte daher, den Entschließungsantrag Umdruck 136 jetzt unter dem Vorbehalt abzulehnen, daß wir darüber später sehr gründlich diskutieren werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304006500
Wird das Wort weiterhin gewünscht? — Bitte, Herr Kollege!

Dr. Paul Bleiß (SPD):
Rede ID: ID0304006600
Herr Präsident, ich bitte darum, daß diese Entschließung Umdruck 136 nicht abgelehnt, sondern dem Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen überwiesen wird.
Die Verhandlungen wegen der Finanzierung der Bundesbahn schweben schon eine ganze Zeit, und es wurde in Aussicht gestellt, ,diese Verhandlungen würden in allerkürzester Zeit abgeschlossen sein. Ich darf weiter darauf aufmerksam machen, daß bei der Bundesbahn erhebliche Aufträge annulliert werden müßten, wenn die Finanzierungslücke bestehen bliebe. Gerade diese Annullierung von Aufträgen wollen wir verhüten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304006700
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0304006800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mit dem Vorschlag des Herrn Kollegen Bleiß einverstanden, daß der Entschließungsantrag Umdruck 136 an den zuständigen Ausschuß überwiesen wird.

(Zuruf rechts: Bravo! In Ordnung!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304006900
Wird das Wort weiter zu den aufgerufenen Anträgen und Entschließungsanträgen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Kollege Bleiß hat zu dem Entschließungsantrag Umdruck 148 den Änderungsantrag gestellt, hinter den Worten „die dem Verkehr mit den Nachbarländern" — wenn ich recht verstanden habe — die Worte „den Zonenrandgebieten" einzufügen. Sind Sie mit der Einfügung einverstanden?

(Zustimmung. — Zurufe.)

Gut, dann nehmen Sie das in Ihren Antrag mit auf. Wir brauchen dann nicht über den Änderungsantrag abstimmen zu lassen.
Ich rufe dann zur Abstimmung den Antrag Umdruck 138 auf. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Entschließungsantrag Umdruck 136. Das ist der Entschließungsantrag, zu dem der Herr Bundesfinanzminister gesprochen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausschußüberweisung!)

Hier war Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen beantragt. Wer diesem Antrag auf Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag auf Ausschußüberweisung ist angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 146 zur Abstimmung auf. Dazu ist beantragt worden, zunächst über die Ziffern 1 und 2 gemeinsam abzustimmen. Wer den Ziffern 1 und 2 des Entschließungsantrags Umdruck 146 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Dann rufe ich die Ziffern 3 bis 7 des Umdrucks 146 zur gemeinsamen Abstimmung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Entschließungsantrag Umdruck 147. Wer diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der DP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der beiden gleichen Fraktionen Umdruck 148 mit dem von Kollegen Bleiß angeregten Zusatz ..Zonenrandgebieten", den wir vorhin besprochen haben und der nunmehr auch von den Antragstellern hineingenommen worden ist. Wer dem Antrag in der neuen Formulierung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte urn die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur Abstimmung den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 155. Oder war ein Ausschußüberweisungsantrag gestellt?

(Zurufe: Nein!)

Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Wir kommen zum Einzelplan 14. Hier liegen die Änderungsanträge Umdruck 150 und 151 vor.
Wird der Antrag Umdruck 150 begründet?

(Zurufe von der SPD: Ist schon geschehen!)

— Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich darf gleich auch den Antrag Umdruck 151 aufrufen. Wird dieser Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege.

Dr. Carl Hesberg (CDU):
Rede ID: ID0304007000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Einsatz der Mittel für den sozialen Wohnungsbau fordern wir von den



Dr. Hesberg
Ländern stets die Verwendung der Mittel in der Form der Kapitalsubvention und der Individualsubvention. Bei den Mitteln für den Bundesbediensteten-Wohnungsbau ist das bisher nicht möglich gewesen. Der Antrag Umdruck 151 und korrespondierend der Antrag Umdruck 152 zum Kap. 25 bezwecken, das möglich zu machen und damit eine elastischere Handhabung der Finanzierung im Bundesbediensteten-Wohnungsbau, namentlich im Wehrmachts-Wohnungsbau, zu erreichen. Diese elastischere Finanzierung und vor allen Dingen die sozialere Handhabung der Mittel für die Wehrmachtswohnungen ist nicht nur unser Anliegen, sondern wohl das Anliegen des ganzen Hauses.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304007100
Herr Kollege, sind Sie damit einverstanden, daß ich den Antrag Umdruck 150, der seiner Formulierung und dem Inhalt nach weitergeht als der Antrag Umdruck 151, zuerst zur Abstimmung stelle? — Einverstanden.
Dann hat das Wort Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0304007200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Goethe hat einmal gesagt, alles Gescheite sei schon einmal gedacht worden, man müsse nur versuchen, es noch einmal zu denken. Nachdem Sie in der zweiten Beratung unseren etwas anders formulierten Antrag abgelehnt, aber in der Zwischenzeit erkannt haben, daß etwas Gutes dran war, stimmen wir mit Freuden diesem Antrag zu.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304007300
Weitere Wortmeldungen? — Abgeordneter Lenz (Trossingen) !

Hans Lenz (FDP):
Rede ID: ID0304007400
Gestatten Sie mir ein Wort zu dem Antrag Umdruck 151. Ich bitte die antragstellenden Fraktionen, die zweite Zeile, „im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes", wegzulassen. Wenn das nämlich so stehenbleibt, dann können Sie den Gruppen der Feldwebel, Unteroffiziere, Leutnante und Hauptleute nicht helfen.

(Abg. Dr. Czaja: Das stimmt nicht! — Abg. Dr. Vogel: Das ist inzwischen schon geklärt worden!)

— Geklärt in dem Sinne, daß auch diese Gruppen auf diese Weise unterstützt werden können?

(Abg. Dr. Vogel: Das Verteidigungsministerium ist dafür!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304007500
Stimmt die Regierung zu? — Herr Bundesminister, darf ich zu Protokoll feststellen, daß der zuständige Bundesminister durch Kopfnicken zustimmt? — Herr Kollege Lenz, sind Sie einverstanden? — Befriedigt? Danke schön.
Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der weitergehende Antrag ist der auf Umdruck 150; ich stelle ihn zuerst zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 151. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nachdem somit der Einzelplan geändert ist, rufe ich den Einzelplan mit der eben durch Annahme des Antrags Umdruck 151 beschlossenen Änderung in dieser Fassung zur Abstimmung auf. Wer diesem so geänderten Einzelplan 14 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 25. Hierzu liegen die Änderungsanträge Umdruck 139 und Umdruck 152 vor. Wird der Antrag Umdruck 139 begründet? — Bitte, Herr Kollege Brecht.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0304007600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der vorgeschrittenen Zeit müssen Sie mir ein paar Minuten Gelegenheit geben, unseren Antrag Umdruck 139 zu begründen.

(Unruhe in der Mitte.)

— Meine Damen und Herren, gestern abend ist bis um 1/2 Uhr über alle möglichen Probleme gesprochen worden, und es war keine Gelegenheit mehr — auch der Herr Bundeswohnungsbauminister war nicht mehr da —, die Debatte über die Wohnungspolitik der Bundesregierung zu führen. Die Begründung unseres Antrags war für gestern abend vorgesehen. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Sie müssen mir deshalb heute schon gestatten, ein paar Worte dazu zu sagen.

(Anhaltende Unruhe in der Mitte.)

— Sie wollen zwar alle in Ihre Wohnungen nach Hause, und ich hoffe, daß es 7b-begünstigte und 7c-finanzierte Wohnungen sind, aber ich stelle hier einen Antrag für 2 Millionen Familien, die eben noch nicht das Glück haben, in 7b-begünstigten und 7 c-finanzierten Wohnungen zu Hause zu sein.
Wir werden dem Herrn Bundeswohnungsbauminister die Grundsatzdebatte über die Wohnungspolitik nicht ersparen. Nach den Parlamentsferien werden wir, wenn wir den Initiativgesetzentwurf meiner Fraktion in der 2. und hoffentlich auch in der 3. Lesung beraten, noch Gelegenheit haben, zu den grundsätzlichen Fragen der Wohnungspolitik einiges zu sagen.
Wir haben in der 2. Lesung zu dem Einzelplan 25 sechs Änderungsanträge gestellt. In der 3. Lesung stellen wir nur noch zwei Anträge. Das heißt aber nicht, daß die übrigen vier Anträge gegenstandslos geworden sind oder daß wir ihnen keine Bedeutung mehr beimessen. Wir halten sie genau so für dringlich und wichtig wie bisher. Wir möchten nur Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit jetzt in der 3. Lesung nicht übermäßig strapazieren. Deshalb hoffen wir, daß Sie, wenn Sie schon nicht unseren sechs Änderungsanträgen zustimmen können, wenigstens diesen zwei Anträgen zuzustimmen vermögen.
Im übrigen ist zu den vier anderen Anträgen, die jetzt nicht mehr zur Debatte stehen, gestern abend in der Aussprache über das Flüchtlingswesen einiges gesagt worden. Inzwischen hat Hessen, das gestern abend von Ihnen sehr scharf



Dr. Brecht
angegriffen worden ist, berets eine Einladung an den zuständigen Ausschuß gerichtet, einmal Hessen zu besuchen, um nachzusehen, wie es tatsächlich um die Lagerauflösung in Hessen steht. Ich hoffe, daß Ihnen diese inzwischen zugegangene Einladung auch gleichzeitig bestätigt, daß man in Hessen gar nicht so langsam arbeitet. Die Einladung ist in der Zeit von gestern nacht bis heute morgen, also sehr schnell, zustande gekommen.
Nun zu den beiden von uns gestellten Anträgen. Ich darf mich zunächst einmal auf unsere Ausführungen in der 2. Lesung berufen und diese nur noch kurz in dem einen oder anderen Punkt ergänzen. Wir sind der Meinung, Herr Bundesfinanzminister, daß schon die Hergabe der 135 Millionen DM Wohnungsbauprämien aus dem außerordentlichen Haushalt nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht recht klar geordnet ist. Sie haben zwar eine formale Bestimmung, die Sie über diese Sache hinwegbringt, aber Sie benutzen den außerordentlichen Haushalt für verlorene einmalige Zuschüsse, ohne daß damit werbende Anlagen für den Bund geschaffen werden. Wir glauben deshalb, daß diese 135 Millionen in den ordentlichen Haushalt gehören und zusätzlich gegeben werden müssen, damit die 630 Millionen — nach unserer Konzeption: 700 Millionen — tatsächlich voll zur Verfügung stehen.
Nachdem die großen Steuervergünstigungen in § 7 b für die private Vermögensbildung und für die privaten großen Einkommen gewährt worden sind, nachdem die Steuervergünstigung für Darlehen des Eigenheimbaus nach § 7 c weiter gewährt werden, nachdem die Steuervergünstigungen in § 10 Abs. 1 Ziffer 3 gewährt worden sind, sollten Sie, meine Damen und Herren, bereit sein, diesen Antrag zu unterstützen. Sie sollten zustimmen, daß diese 135 Millionen DM zwar zusätzlich als Wohnungsbauprämien gegeben, also nicht von den 630 Millionen DM abgezogen werden, von jenem Posten, der namentlich zur Beseitigung der Wohnungsnot der Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen bestimmt ist. Mit den Wohnungsbauprämien, die Sie da herausnehmen, werden Bevölkerungskreise ganz unabhängig von der Höhe des Einkommens unterstützt. Es können Zuschüsse zu den Bauaufwendungen ganz ohne jegliche Oberbegrenzung gegeben werden, was im sozialen Wohnungsbau nicht möglich ist.
Der zweite Antrag geht dahin, den Ansatz in Tit. 530 um 70 Millionen DM zu erhöhen. Wir stellen nicht den Antrag — wir könnten ihn im Rahmen der Haushaltsberatung gar nicht stellen —, das Zweite Wohnungsbaugesetz zu ändern. Wir beantragen aber und bitten um Ihre Zustimmung, die 70 Millionen DM, die Sie jetzt auf Grund der Degression erstmalig kürzen wollen, wenigstens in diesem Jahre nochmals zur Verfügung zu stellen.
Zu den schon in der zweiten Lesung vorgetragenen Gründen fügen wir noch einen besonderen hinzu. Die 70 Millionen DM sollen gebunden und für die Bevölkerungskreise verwendet werden, die am dringlichsten versorgt werden müssen, nämlich junge Familien, junge Ehen. Man kann nicht immer nur von Familienpolitik sprechen, sondern man muß auch einmal materiell durch den Ansatz von Mitteln etwas Besonderes tun.

(Beifall bei der SPD.)

Im Juniheft des von dem Herrn Bundeswohnungsbauminister herausgegebenen Bundesbaublattes wird ausdrücklich anerkannt, daß gerade die jungen Familien bisher bei der Wohnungsversorgung noch zu kurz gekommen sind. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten will ich nur einen einzigen Satz zitieren. Es heißt dort:
Mit dieser immer noch hohen Unterversorgung hing es zusammen, daß die Normalverbraucher, insbesondere die jungen Ehepaare, die nicht zu den bevorrechteten Bevölkerungsgruppen gehören, noch nicht in dem wünschenswerten Umfange zum Zuge kommen konnten.
Wir bitten Sie deshalb, diese 70 Millionen DM für die Wohnungsversorgung junger Familien einzusetzen. Wir wissen ganz genau, und der Herr Bundeswohnungsbauminister muß es auch wissen, daß zu dem Bedarf von zwei Millionen Wohnungen, den wir in der Gegenwart haben, in den nächsten fünf Jahren noch ein Begriff von einer weiteren Million Wohnungen hinzukommt, weil in diesen Jahren mehr Haushaltungen neu gegründet als aufgelöst werden. Da es sich bei den neu hinzukommenden Haushaltungen um solche junger Familien handelt, muß gerade ihnen geholfen werden. Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Sie können hier nicht einwenden, wie das gestern abend geschehen ist, die Mittel würden nicht abfließen. Auch der Herr Bundeswohnungsbauminister wird, wenn er objektiv urteilt, Ihnen garantieren können, daß die 135 Millionen DM und die 70 Millionen DM innerhalb von acht Tagen abfließen können, weil die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind.
Ich will ausdrücklich sagen, daß es nicht stimmt, wenn man uns entgegenhält, wir wollten mit diesem Antrag nur die Kapitalsubventionen unterstützen und fördern. Wir haben gar nichts dagegen, wenn Sie diese 70 Millionen DM etwa zu einem Subventionsverfahren in Form von Zuschüssen zu Zinsen und Aufwendungen oder Mietbeihilfen verwenden. Aber dann müssen Sie — das darf ich zu Ihrem Antrag, den Sie nachher begründen werden, sagen — zunächst einmal den § 73 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ändern. Denn es läßt sich das System der Mietbeihilfen nicht durchführen, wenn der § 73 in der jetzigen Form bestehenbleibt.
Wir möchten Sie auch deshalb bitten, diesen beiden Anträgen zuzustimmen, weil wir glauben, daß damit eine Art Wiedergutmachung möglich ist, die notwendig ist. Sie haben in letzter Zeit dem Wohnungsbau so viele harte Schläge zugefügt,

(Widerspruch in der Mitte)

daß wir der Meinung sind, hier müßte einmal ein
Ausgleich geschaffen werden. Sie haben die 7c-



Dr. Brecht
Darlehen des Arbeitnehmermiet- und Arbeitnehmergenossenschaftswohnungsbaus gestrichen.

(Zurufe von der Mitte.)

— Sie müssen es genauer sagen; ich würde Ihnen gern darauf antworten. Damit haben Sie vielleicht 250 bis 300 Millionen DM der Wohnungsbaufinanzierung entzogen. Sie haben es abgelehnt, die 316 Millionen DM für den SBZ-Wohnungsbau zusätzlich zu geben, und gestern abend ist darüber geklagt worden, daß die Länder die Mittel nicht aufzustokken vermögen, wie es nötig wäre, um die Maßnahmen durchzuführen. Sie haben die anderen Anträge abgelehnt. Daher glauben wir, jetzt könnte mit diesen beiden Anträgen — 135 und 70 Millionen DM — ein gewisser Ausgleich geschaffen werden.
Gestern hat Herr Dr. Hellwig auch die Kapitalmarktfinanzierung als einen möglichen Ausweg angesprochen. Sicher, im Augenblick wären in verstärktem Umfang Kapitalsubventionen durch marktmäßige Aufnahme von Hypotheken möglich, aber das löst das Gesamtproblem nicht. Auch dann sind in der Zinssubvention zusätzliche Mittel erforderlich, und Sie sollten sie hier bewilligen. Denn so rosig, wie immer an Hand von Zahlen über die Kapitalmarktsituation getan wird, ist die Lage des Wohnungsbaues tatsächlich nicht. Sie müssen immerhin bedenken, daß im Jahre 1957 gegenüber 1956 die Zahl der fertiggestellten Wohnungen um 5 %, die Zahl der Baugenehmigungen um 8 % zurückgegangen ist.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich will nicht das Bild einer Wohnungsbaukrise an die Wand malen; aber daß ein Rückgang vorliegt, wird auch von dem Herrn Wohnungsbauminister bestätigt.

(Widerspruch von der CDU/CSU.)

Auch er rechnet in diesem Jahr mit einem geringeren Wohnungsbauergebnis.
Meine Damen und Herren! Gestern abend sind die großen Zahlen für die Wohnungsbauförderung dargestellt worden, und man hat gesagt, die Anteile im Bundeshaushalt stiegen von Jahr zu Jahr. Sie sind in diesem Haushalt nur gestiegen, wenn Sie die Bindungsermächtigungen hinzurechnen, die Sie aber im nächsten Jahr echt einsetzen müssen und dann nicht wieder rechnen dürfen. Wenn Sie die effektiven Ansätze in dem jetzigen Bundeshaushalt nehmen, dann sind es eben 303 Millionen DM weniger als im vorigen Haushalt. Und selbst wenn Sie unseren Anträgen über 205 Millionen DM zustimmen, meine Damen und Herren, sind im Jahre 1958 immer noch 100 Millionen DM weniger als im Vorjahr für den Wohnungsbau eingesetzt.
Wer die Geschichte der Wohnungswirtschaft einigermaßen kennt, der weiß, daß wir in den letzten dreißig Jahren zweimal in der Wohnungsversorgung vor der Situation standen, daß wir nahezu zur Dekkung des Wohnungsbedarfes gekommen wären.

(Zuruf des Abg. Kunze.)

— Ich bin gleich so weit, Herr Kunze. Sie müssen mir die wenigen Bemerkungen gestatten, denn wir
konnten keine allgemeine wohnungspolitische Debatte führen. — Beide Male ist diese volle Wohnungsversorgung durch andere Einwirkungen unmöglich gemacht worden, einmal durch die Weltwirtschaftskrise, das andere Mal durch die Aufrüstung und den Krieg. Wir sollten nun alle Kraft einsetzen, um in den nächsten Jahren noch den Rest an Wohnungsnot, den wir haben, zu überwinden. Um diese Mithilfe, um diese gemeinsame Arbeit bitten wir.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304007700
Das Wort hat der Herr Minister für Wohnungsbau.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304007800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der SPD abzulehnen. Herr Kollege Wehner hat heute früh gesagt, daß er sich beherrschen müsse, um nicht aus der Haut zu fahren. Wenn ich seit Jahr und Tag, in den letzten Wochen immer wieder, in drei Lesungen, hier höre, daß eine Krise im Wohnungsbau drohe,

(Abg. Dr. Brecht: Das habe ich nicht gesagt!)

daß das Volumen des Wohnungsbaues nicht gehalten werde, daß die Finanzierung im Wohnungsbau zurückgehe, dann, meine Damen und Herren, kann ich nur sagen, daß das wider besseres Wissen gesagt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In Höhe von 3,81 Milliarden DM stehen öffentliche Mittel im Haushalt zur Verfügung und damit in einer Höhe, wie sie in den neun Jahren, seit wir im Bund zusammen sind, nie zur Verfügung gestanden haben.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Ich habe hierbei meinem Freund Etzel dafür zu danken, daß er das mitgemacht hat, weil wir uns, verehrter Herr Kollege Brecht, in der Beseitigung der Wohnungsnot nicht übertreffen lassen wollen. Wir sollten doch nicht diesen Nachmittag dazu benutzen, hieraus noch irgendwie Wahlkampffeuer zu schlagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304007900
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304008000
Bitte!

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0304008100
Herr Minister, haben. Sie nicht gehört, daß ich ausdrücklich erklärt habe: „Ich will keine Krise des Wohnungsbaues hier an die Wand malen", aber gesagt habe, daß auf die Tatsache des Rückganges hingewiesen werden müsse? Wie können Sie mir nun vorwerfen, ich hätte hier eine Krise des Wohnungsbaues dargelegt?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304008200
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann die



Bundesminister Lücke
Frage beantworten. Wenn ein Grund vorhanden wäre, mehr öffentliche Gelder in ,den Wohnungsbau zu bringen, wenn es überhaupt technisch möglich wäre, mehr Geld zu verbauen,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

dann würde ich ja sagen. Aber es ist nicht möglich, mehr Geld zu verbauen. Die Länder müssen nur mit ,dem Bau vorwärtsgehen, sie müssen das Zweite Wohnungsbaugesetz durchführen,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

damit die Wohnungnot beseitigt wird. In dieser Frage, meine Damen und Herren, wollen wir uns nicht von irgendeiner Seite übertreffen lassen. Ihr Verhalten ist ungemütlich für die Damen und Herren, die beim Kampf um ,das Familienheimgesetz darum gekämpft haben — und zwar mit meinen Freunden in der Koalition und mit der FDP darum gekämpft haben —, daß der kleine Mann im sozialen Wohnungsbau zum Zuge kommt, daß die Kinderreichen im sozialen Wohnungsbau zum Zuge kommen, daß die jungen Familien im sozialen Wohnungsbau zum Zuge kommen. Von Ihrer Seite wurde aber zu ,dem Vorrang des Familienheimbaues nein gesagt. Es war von mir im Familienheimgesetz vorgesehen, daß vor allen Dingen auch die jungen Familien zum Zuge kommen sollten. Und heute muß ich mir von Ihnen sagen lassen, daß Sie Geld für junge Familien bereitstellen möchten, — nachdem durch Ihre Verhandlungstaktik die jungen Familien im Gesetz gestrichen wurden. Meine Damen und Herren, das ist keine Politik!
Ich möchte ,deshalb vorschlagen, daß ,die Länder das Zweite Wohnungsbaugesetz endlich im Sinne des Gesetzes durchführen, daß sie vor allem die Möglichkeiten nutzen, mit Hilfe ,der Milliarden Steuergelder den schaffenden Bevölkerungskreisen Einzeleigentum schaffen zu helfen, vor allem auch unseren Flüchtlingen. Und hier richte ich den Appell vor allem an Sie und an die Wohnungswirtschaft, insbesondere die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, ,daß endlich so gebaut wird, wie es die Familien im Lande draußen wollen, und daß wir diese Frage nicht noch mehr in den Wahlkampf zerren.

(Lebhafter Beifall bei ,den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304008300
Das Wort hat der Abgeordnete Brecht.

(Unruhe. — Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, Zwischenrufe können, wenn sie einzeln kommen und verstanden werden, gut wirken. Entweder sie treffen, oder sie kommen als Bumerang zurück. Im Chor gerufen, kommen sie überhaupt nicht an.
Herr Kollege Brecht — und die nachfolgenden Redner — wir hatten verabredet, daß bei den Einzelplänen eigentlich jetzt nur die Änderungsanträge erörtert werden sollten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich bitte also, nicht auf die Frage der allgemeinen Wohnungsbaupolitik zurückzukommen; die allgemeinen Fragen standen gestern — Ziffer 2 des Rundschreibens des Herrn Präsidenten vom 30. Juni
— zur Debatte.
Sie haben das Wort, Herr Kollege Brecht.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0304008400
Dazu, Herr Präsident, darf ich nur sagen, daß gestern abend um ein Viertel nach zehn, als die Frage entstand, ob noch allgemein diskutiert werden solle, allgemein die Auffassung bestand, daß das nicht geschehen sollte, sondern daß man das mit der Begründung der Anträge verbinden sollte; um so mehr, als der Herr Bundeswohnungsbauminister gestern abend nicht da war.

(Zuruf von der SPD: So hatten wir uns verständigt!)

Ich möchte nur noch ein Zweites ganz kurz sagen. Hier ist wiederum das unglückliche Wort vom Wahlkampf gefallen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Rede hat mit dem Wahlkampf gar nichts zu tun gehabt.

(Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!)

-- Sie können lachen, soviel Sie wollen — hier ist von Sachverhalten geredet worden; diese Sachverhalte habe ich Ihnen dargelegt. Wenn Sie die Sachverhalte nicht gern zur Kenntnis nehmen, kann ich daran nichts ändern. Aber das war keine Agitation für die Wahl. Ich habe keine Wahlreden in Nordrhein-Westfalen gehalten. Ich habe auch nicht gegen das Land Nordrhein-Westfalen und seine Regierung so im Wohnungsbaukampf gestanden wie der Herr Bundeswohnungsbauminister.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Czaja: Sie hätten aber in diesem Kampf stehen sollen!)

— Ich bin der Meinung, Herr Dr. Czaja — wahrscheinlich im Unterschied zu Ihnen und einigen Kollegen von Ihnen, auch zum Herrn Bundeswohnungsbauminister —, daß gerade die Wohnungsversorgung der noch zu versorgenden zwei Millionen Familien es nicht verträgt, daß man diese Aufgabe mit der Frage, welche Wohnformen man bauen soll, in den Wahlkampf hineintreibt.

(Beifall bei der SPD.)

Ich möchte noch etwas sagen, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich bin sehr schnell fertig, wenn Sie mich zu Ende reden lassen. Aber wenn Sie Weiteres wissen wollen, stehe ich Ihnen auch gerne noch bis heute abend zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD.)

Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat hier erklärt, meine Fraktion habe im 2. Bundestag gegen die Einfügung des Absatzes, nach dem die Mittel für die jungen Familien bestimmt sein sollen, Stellung genommen. Ich habe nicht die Ehre gehabt, dem 2. Bundestag anzugehören. Ich kann



Dr. Brecht
Ihnen im Augenblick nicht darlegen, wie das gewesen ist. Ich habe mich nur kurz bei meinen Freunden erkundigt, und diese haben mir erklärt, daß hier ein Mißverständnis vorliegen müsse. Gerade auch die SPD hat im 2. Bundestag bei der Beratung des Wohnungsbaugesetzes darum gerungen, daß keine Degression einsetzt, sondern daß die Mittel erhöht werden. Ja, sie hat den Antrag gestellt, statt '700 Millionen DM 1 Milliarde DM zu geben, um auch den Wohnraumbedarf der Notleidenden, namentlich der notleidenden jungen Familien voll decken zu können.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304008500
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0304008600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fairneß gebietet, festzustellen, daß zwischen den Fraktionen für die Beratung des Haushalts des Bundeswohnungsbauministeriums eine längere Begründung und auch, von der Begründung ausgehend, eine etwas breitere Aussprache auf dem Gebiet der Wohnungspolitik verabredet worden war. Der Herr Kollege hat infolgedessen von den Möglichkeiten dieser interfraktionellen Vereinbarung mit Recht Gebrauch gemacht.

(Beifall bei der SPD. — Zustimmung bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304008700
Ich danke dem Herrn Kollegen Rasner. Aber diese Spezialabmachung war mir nicht bekanntgegeben worden. Ich bitte um Entschuldigung.
Wird das Wort weiterhin gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Umdruck 152 auf. Mir ist mitgeteilt worden, eine Begründung solle nicht erfolgen.
Dann stelle ich diesen Antrag zur Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen also zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 139, den der Kollege Brecht begründet hat, und zwar zunächst der Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 139 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —

(Abg. Dr. Menzel: Na, Herr Wuermeling? Das ist für die jungen Ehen! — Abg. Niederalt: Darüber haben wir ja lange genug gesprochen, Herr Menzel!)

Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ebenfalls abgelehnt.
Ich rufe zur Abstimmung den Änderungsantrag auf Umdruck 152 auf. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Nachdem hier eine Änderung stattgefunden hat, muß der gesamte Einzelplan 25 mit der so geschaffenen Änderung zur Abstimmung aufgerufen werden. Wer dem Einzelplan 25 mit der soeben durch die Annahme des Antrages auf Umdruck 152 beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Einzelplan 32, Bundesschuld. Dazu liegt vor der Antrag Umdruck 158 Ziffer 1. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Vogel. Er bittet das Haus um die Ermächtigung, die weiteren auf Umdruck 158 gestellten Anträge schon mitbegründen zu dürfen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0304008800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 158 sieht etwas vor, was alljährlich am Schluß der Haushaltsberatungen vorgenommen werden muß, nämlich die Einfügung des veränderten Zahlenbildes in verschiedene Einzelpläne. Durch die Annahme von Anträgen gibt es gewisse Zahlenveränderungen in den Einzelplänen 32 und 60. Ferner muß infolgedessen das Zahlenwerk in § 1 des Haushaltsgesetzes eine neue Fassung erhalten. Sie finden die durch die Beratungen in der zweiten und dritten Lesung herbeigeführten Zahlenveränderungen hier insgesamt verankert. Eine materielle Veränderung des Haushalts findet aber dadurch nicht statt. Lediglich der Ordnung halber muß diese Änderung beschlossen werden, damit die bereits beschlossenen Veränderungen des Haushalts hier ihren Niederschlag finden können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304008900
Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor. Ich schließe hiermit die Debatte.
Zu Einzelplan 32 rufe ich zur Abstimmung auf den Umdruck 158 Ziffer 1. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Einzelplan 32 mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer diesem Einzelplan mit der soeben beschlossenen Änderung im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Enthaltungen? — Auch im ganzen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Einzelplan 35, Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 140 vor. Darf ich fragen, ob der Antrag begründet wird?

(Zurufe von der SPD: Nein!)

— Dann ist die Debatte damit eröffnet. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0304009000
Ich möchte eine Erklärung zu diesem Antrag abgeben. Am 24. Juni 1958 ist im Einvernehmen zwischen den



Bundesfinanzminister Etzel
Vertragsparteien einerseits und den Hauptquartieren aller beteiligten Streitkräfte andererseits über den materiellen Inhalt des Tarifvertrags Einigkeit hergestellt worden. Die Beteiligten sind zur Zeit damit beschäftigt, den Vertrag redaktionell zu überprüfen. Es ist damit zu rechnen, daß die endgültige Zustimmung der Streitkräfte in Kürze erteilt wird. Danach kann der Vertrag von den Parteien unterzeichnet und in Kraft gesetzt werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304009100
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Bitte, Herr Kollege Mommer.

(Abg. Mommer: Dann wird der Antrag zurückgezogen!)

— Der Antrag ist zurückgezogen. Ich schließe die Debatte hierzu. Weitere Abstimmungen zu Einzelplan 35 kommen daher nicht in Frage.
Ich rufe auf den Einzelplan 36, Zivile Notstandsplanung. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag auf Umdruck 130 vor. Wird der Antrag begründet? — Herr Kreitmeyer hat das Wort.

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0304009200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir in der zweiten Lesung den Einzelplan 36 sehr kurz behandelt haben und ich Sie als Berichterstatter gebeten habe, auf weitere Berichterstattung zu verzichten, so möchte ich jetzt zum Schluß das Hohe Haus in dieser Minute doch noch an eine sehr entscheidende Sache erinnern. Sie werden hoffentlich nicht das Haus verlassen unter dem Gefühl, daß wir im Einzelplan 14 bereits eine finanzielle Ausgabe mit unbekannten außerordentlichen Größen vor uns haben. Ich darf Sie daran erinnern: wenn wir bis zum 31. März 1961 die nach innen und außen bekanntgegebenen Ziele für diesen Einzelplan erfüllen wollen, werden wir vor unerhörten Ausgaben und Aufgaben stehen. Dieser Einzelplan, der in seiner unscheinbaren Größe von 123 Millionen vor uns liegt, beinhaltet Milliardenbeträge bis zu demselben Umfang, wie wir ihn bis zum 31. März 1961 für den Einzelplan 14 mit 52 Milliarden vorgesehen haben.
Aus diesem Grunde muß das Hohe Haus endlich einmal erfahren, in welchem Verhältnis Wirtschaftskraft, Finanzkraft und Volkskraft zu den Aufgaben stehen, die wir uns hier vorgenommen haben. Nur wenn wir die Relation richtig erkennen, ist es möglich, sowohl die Rüstung als auch den zivilen Bevölkerungsschutz sinnvoll aufzubauen; andernfalls laufen wir Gefahr, das an Wirtschafts-, Finanz- und Volkskraft, was wir in zehn Jahren mühevoll aufgebaut haben, selber zu zerstören. Bisher ist uns eine Analyse in dem erforderlichen Umfange weder in der Außenpolitik noch in der Rüstungspolitik, noch in der Verteidigungspolitik gegeben worden. Wir halten es daher für erforderlich, daß Sie uns jetzt an Hand dieses Planes gegeben wird.
Meine Damen und Herren, es wäre bedauerlich, wenn Sie sich zur Ausschußüberweisung entschließen würden. Die Regierung brauchte dann nämlich
nicht sofort an die Arbeit zu gehen; sie brauchte bis zum Haushaltsplan 1959 nicht die erforderliche Rechenschaft über diesen gesamten Komplex zu geben. Das berührt uns doch alle, ganz gleichgültig, ob wir in der Regierungskoalition oder in der Opposition sind.
Ich darf Sie deshalb im Namen der Fraktion der Freien Demokraten bitten, diesen Antrag anzunehmen.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304009300
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0304009400
Ich beantrage Ausschußüberweisung zur Prüfung der Zweckmäßigkeit.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304009500
An welchen Ausschuß?

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0304009600
An den Ausschuß für Inneres.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304009700
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0304009800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Haus, dem Antrag des Herrn Kollegen Rasner auf Ausschußüberweisung nicht stattzugeben. Es bedarf keiner langen Überlegung, um zu erkennen, wie zweckmäßig, wie vernünftig, wie notwendig ein solcher Beschluß ist. Eine Ausschußüberweisung wäre nur Zeitvergeudung. Die Regierung muß an der Sache dranbleiben. Das geschieht nur, wenn das Haus möglichst einstimmig seinen dahingehenden Willen bekundet.

(Beifall bei der SPD und FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304009900
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0304010000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Vorbringen der FDP-Fraktion ist so begründet, daß ich unsere Koalitionsfreunde von der CDU/CSU bitten möchte, von einer Ausschußüberweisung abzusehen und dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall rechts und links.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304010100
Weitere Wortmeldungen? — Ich darf fragen, Herr Kollege Rasner: Gemeint ist wohl Ausschußüberweisung zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Herausgabe eines Weißbuches, nicht der Zweckmäßigkeit des Antrags?

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0304010200
Nur zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Herausgabe eines Weißbuches.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304010300
Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht vor. Ich muß ihn daher zuerst zur Abstimmung stellen. Wer dem Antrag



Vizepräsident Dr. Becker
auf Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zwecks Prüfung der Zweckmäßigkeit der Herausgabe eines Weißbuches zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Enthaltungen? — Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Diejenigen, die dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß zuzustimmen wünschen, bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte diejenigen, die gegen diesen Antrag sind, sich zu erheben. — Ich bitte diejenigen, die sich enthalten wollen, sich zu erheben. Wir glauben, daß das erste die Mehrheit war.

(Zurufe: Glauben?)

Der Antrag ist also nach unserer Auffassung angenommen.
Zu Einzelplan 60 bitte ich den Antrag Umdruck 158 Ziffer 2 zur Hand zu nehmen. Wird hierzu das Wort gewünscht?

(Abg. Dr. Vogel: Er ist begründet!)

— Herr Kollege Dr. Vogel hat hierzu gesprochen. Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache hierzu ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 158 Ziffer 2 zu Einzelplan 60 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Enthaltungen? — Angenommen.
Nunmehr kommen wir zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan 60 mit der soeben beschlossenen Änderung. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan 60 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Nun kommen wir zur Abstimmung über das Gesetz selbst. Hierzu liegt der Antrag Umdruck 158 Ziffer 3 vor, welcher eine Änderung des § 1 des Gesetzes vorsieht. Der Antrag liegt Ihnen vor.
Ich rufe § 1 des Gesetzes mit dem soeben genannten Änderungsantrag Umdruck 158 Ziffer 3 auf. Wortmeldungen liegen hierzu nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 1 des Gesetzes in der Formulierung des Antrags Umdruck 158 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
§ 8 ist in der zweiten Beratung gestrichen; das ist bekannt. Es ist auch bekannt, daß in der zweiten Beratung § 10 a eingefügt wurde.
Zu § 15 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 158 Ziffer 4 vor. Er betrifft den Kreditermächtigungsbetrag. Wird zur Begründung des Antrags das Wort gewünscht? — Er ist bereits begründet. Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.
Wer dem § 15 Abs. 2 in der durch den Antrag Umdruck 158 Ziffer 4 geänderten Formulierung, im übrigen nach dem Text der Ausschußvorlage, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf das Gesetz mit den Änderungen zu den §§ 1 und 15, wie sie soeben beschlossen wurden, nebst sämtlichen Einzelplänen, wie sie in der dritten Lesung festgestellt wurden, soweit in der dritten Lesung keine Änderungen beschlossen wurden, in der Fassung der zweiten Lesung. Ich rufe ferner die Einleitung und die Überschrift auf.
Vor der Abstimmung ist das Wort zur Abgabe einer Erklärung gewünscht worden. Wer will die Erklärung abgeben? — Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0304010400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor der Abstimmung über das Haushaltsgesetz und damit über den gesamten Etat habe ich namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgende Erklärung abzugeben.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion lehnt den Haushalt des Bundes für das Rechnungsjahr 1958 ab. Zur Begründung erklärt sie im einzelnen:
Die Außen- und Verteidigungspolitik der Regierung gehören eng zusammen. Mit Bekenntnissen zur Entspannung, Abrüstung und Wiedervereinigung auf den Lippen hat die Bundesregierung mit ihrer Bundestagsmehrheit einen Beschluß für die atomare Aufrüstung gefaßt, der nur eine Herausforderung zur Verschärfung des Wettrüstens und Ausrüstung immer weiterer Armeen mit Atomwaffen sein kann. Für das geteilte Deutschland heißt dies: vertiefte Spaltung und im Falle eines Kriegs totale Vernichtung. Mit Atomwaffen kann Deutschland nicht verteidigt, sondern nur zerstört werden. Einer solchen Politik können wir nur immer erneut den Kampf ansagen.
Nach den Erfahrungen auf dem Gebiet der innenpolitischen Entscheidungen während dieser Haushaltsberatung erklärt meine Fraktion: Das deutsche Volk, das einmal zu den führenden Nationen auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik gehörte, gerät immer mehr in Gefahr, hier den Anschluß an die Entwicklung in der Welt zu verlieren. Aber die Bundesregierung hat noch immer nicht erkannt, welche Bedeutung der kulturellen Fortentwicklung unseres Volkes im Hinblick auf unsere wirtschaftliche Zukunft und unsere Sicherheit zukommt. Es wird deshalb immer mehr eine Frage unserer nationalen Existenz, das Mehrfache von dem, was dieser Haushalt vorsieht, für die Förderung unseres gesamten Erziehungs- und Bildungswesens einzusetzen. Wir handeln fahrlässig, wenn wir nicht ebenso wie andere Nationen kraft- und planvoll darangehen, allen Begabungen in unserem Volke die Möglichkeit freier Entfaltung zu geben. Deshalb ist es gefährlich für unser Volk, daß Sie hier unsere Anträge zugunsten der Schule und der Wissenschaft so gedankenlos abgelehnt haben.

(Beifall bei der SPD. — Lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien.)




Ritzel
Der Innenminister hat es unterlassen, zum Schutze der freiheitlich-demokratischen Ordnung allen Bestrebungen entgegenzutreten, erneut eine Partei mit dem Staate gleichzusetzen. Er hat es auch unterlassen, gegen die Zersetzung der Grundlagen der parlamentarischen Demokratie durch die autoritären und separatistischen Bestrebungen der Abendländischen Akademie und ähnlicher Gruppen einzuschreiten.

(Beifall bei 'der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

Statt dessen konzentriert sich 'der Innenminister auf Verdächtigungen und Verleumdungen der Sozialdemokratie. Während er als Verfassungsminister der SPD Aushöhlung des Grundgesetzes vorwirft, bescheinigt ihm 'das oberste deutsche Gericht, daß diese Regierung und 'diese Mehrheit seit 1954 in verfassungswidriger Weise ihre politische Propaganda finanziert hat.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie auch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Durch Umwandlung der Macht des Geldes in politische Macht wurde die Demokratie in diesem Staate verfälscht.

(Erneuter Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

Zu den Fragen der Wirtschaftspolitik erkläre ich namens meiner Fraktion: In der letzten Zeit zeigen sich in verschiedenen Wirtschaftsbereichen Schwächeerscheinungen, die eine erhöhte wirtschaftspolitische Aktivität der Bundesregierung erfordern. Meine Fraktion bedauert daher, daß die Bundesregierung keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen hat, um weitere Preissteigerungen zu verhindern.

(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

Eine aktive Preispolitik der Regierung erscheint uns zur Zeit als die wirksamste, wenn nicht die einzige Möglichkeit, um über eine Mengenkonjunktur neue Auftriebskräfte in 'der Wirtschaft auszulösen.

(Zuruf rechts: Frei sprechen!)

— Dem Herrn Zwischenrufer, der „Frei sprechen!" ruft, darf ich in Erinnerung bringen, daß die Geschäftsordnung die Abgabe einer Erklärung an Hand eines gebundenen Textes erlaubt.

(Unruhe in 'der Mitte und rechts.)

Die sozialdemokratische Fraktion hat zudem mit Erstaunen feststellen müssen, daß der Bundeswirtschaftsminister aus Angst vor konjunkturpolitischer Aktivität darauf verzichtet, für den Fall ernsthafterer wirtschaftlicher Rückschläge auch nur vorbereitende Maßnahmen auszuarbeiten und der Öffentlichkeit bekanntzugeben.

(Zurufe von der Mitte.)

Nach unserer Ansicht würde es die Konjunktur entscheidend stützen, wenn Unternehmer und Verbraucher wüßten, daß die Bundesregierung willens und in der Lage ist, jedem Rückschlag mit konkreten und wirksamen wirtschaftspolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken.
Die Sozialdemokratie bedauert die Auswüchse der Konzentrationsbewegung in der Wirtschaft. Die Steuerpolitik der Bundesregierung, insbesondere auch die kürzlich beschlossene weitere Entlastung der Kapitalgesellschaften, hat diese Entwicklung immer wieder begünstigt. In zunehmendem Maße werden kleine und mittlere Unternehmen durch Großunternehmen und Konzerne aufgesaugt und wird 'die Bewegungsmöglichkeit der verbleibenden weiter eingeschränkt. Diese Entwicklung führt allmählich zu einer stetigen Aushöhlung der Marktwirtschaft.

(Lachen in der Mitte. — Zurufe von der CDU/CSU: Die Verteidiger der freien Marktwirtschaft! — Nur so weiter!)

An die Stelle des freien Wettbewerbs tritt privater und unkontrollierter Dirigismus großer Unternehmensgruppen. Die Kosten dieser Entwicklung trägt zuletzt immer der Verbraucher mit überhöhten Preisen.
Ein Wort zum Wohnungsbau. Angesichts der Tatsache, daß in den nächsten fünf Jahren mindestens 3 Millionen Wohnungen, insbesondere für junge Familien und für Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen, gebaut werden müssen, lehnen wir die von der Bundesregierung und den Regierungsparteien gegen den sozialen Wohnungsbau getroffenen schädigenden Maßnahmen entschieden ab. Wir verlangen, daß die öffentliche Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht durch Abbau der öffentlichen Mittel, durch Entzug für Wohnungsbauprämien, durch eine einseitige Begünstigung von bestimmten Wohnformen und einen einseitigen Abbau von Steuerbegünstigungen vermindert wird.

(Zuruf von der Mitte: Wahlaufruf!)

Zur Frage der Sozialpolitik eine Erkenntnis unserer Fraktion aus diesen Beratungen: Schon in diesem Haushalt fängt der massive Block der Rüstungslasten an, die kulturellen und sozialen Ausgaben zusammenzudrücken. Zum erstenmal seit Bestehen der Bundesrepublik sind die Ansätze im Sozialhaushalt niedriger als im Vorjahr. Das ist im Hinblick auf die Lage der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, der langfristig Arbeitslosen, der Lastenausgleichsempfänger, der Heimatvertriebenen. der Flüchtlinge und Aussiedler, deren Interessen durch die Bundesregierung immer wieder unzulänglich und schleppend berücksichtigt worden sind, und der Millionen, die trotz Rentenneuregelung immer noch eine unzureichende Rente erhalten, ein alarmierender Tatbestand.
Die Erklärungen des Bundesarbeitsministers lassen befürchten, daß seitens der Regierung und der Regierungsparteien nichts geschehen wird, um sozialen Härten und Ungerechtigkeiten zu begegnen.

(Unruhe in der Mitte und rechts.)

Im Gegenteil, aus den Plänen des Bundesarbeitsministers zur Krankenversicherungs- und Unfailversicherungsreform ergibt sich, daß auf die Bevölke-



Ritzel
rung auch von dieser Seite erhebliche neue finanzielle Belastungen zukommen.
Zum Ausgleich des Bundeshaushalts folgende Feststellung: Der Ausgleich des Bundeshaushalts 1958 ist nur unter Anwendung von Mitteln und Methoden möglich geworden, die unsere Zustimmung nicht finden können.

(Zuruf von der Mitte: Brauchen wir nicht!)

Eine Deckungslücke von fast 1 Milliarde DM führte zu einer erneuten globalen Kürzung der eben erst in den Einzelberatungen bewilligten Titel und zu einer gesteigerten Verweisung notwendiger Dekkungsmaßnahmen in den außerordentlichen Haushalt, in dem eine Schuldenaufnahme von nahezu 2 Milliarden DM vorgesehen ist. Diese Methoden lehnen wir um so schärfer ab, als sehr ernst gemeinte Kürzungsanträge der sozialdemokratischen Opposition besonders auf dem Gebiet der Rüstungslasten von der Mehrheit des Hauses abgelehnt worden sind.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht mit besonderer Sorge den Bundeshaushalten der kommenden Haushaltsjahre entgegen. Weitere Steigerungen des Rüstungshaushalts stehen offensichtlich bevor. Sie können nur mit inflationären Methoden oder kräftiger Andrehung der Steuerschraube finanziert werden.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304010500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0304010600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Freunde von der CDU/CSU erkläre ich, daß meine Fraktion es ablehnt, am Schluß der Debatte auf ein solches Sammelsurium von Unterstellungen, unbewiesenen Behauptungen und Wahlpropaganda einzugehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Der vorliegende Haushalt in seiner Größenordnung von 37,8 Milliarden DM ist ein Dokument des entschlossenen Willens der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses, aus der verfügbaren Steuerkraft des deutschen Volkes das Äußerste für ein wohlabgewogenes und maßvolles System der Befriedigung der Bedürfnisse in der Bundesrepublik herauszuholen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir lehnen es besonders entschieden ab, daß hier, nachdem in so vielen Reden der Opposition vorher ein angebliches „Ja" zur Verteidigung gesagt worden ist, jetzt am Schluß der Mehrheit dieses Hauses unterstellt wird, sie habe die Verteidigungsausgaben zu Lasten anderer Ausgaben für die Bedürfnisse des deutschen Volkes bewilligt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir stellen weiter fest, daß diesem Hohen Hause trotz unserer Beschwöruggen und Anrufe durch die Opposition kein Verteidigungsprogramm vorgelegt worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Wir stellen am Schluß dieser Beratungen weiter fest, daß das, was die Bundesregierung an Verteidigungsausgaben ausgebracht hat, das darstellt, was wir als einen unerläßlichen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung der freien Welt bezeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir glauben, daß sich das deutsche Volk von niemandem in seiner Pflicht zum Beitrag für die Verteidigung der Freiheiten beschämen lassen will, denen auch Sie, meine Damen und Herren der Opposition, hier Ihre Debattenfreiheit im Bundestag verdanken.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Wir sind weiter überzeugt, daß darüber hinaus in diesem Haushalt und auch in den kommenden Haushalten diejenigen sozialen Leistungen verankert sind, die, worüber wir uns freuen, im vergangenen Jahr durch die Rentenreform zu einem großartigen Aufschwung geführt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir stellen fest: der Wohnungsbauminister hat am Schluß der Debatte dokumentiert, daß die Wohnungsbauausgaben in diesem Haushaltsjahr mit 3,8 Milliarden DM höher sind als in irgendeinem anderen vorangegangenen Haushaltsjahr.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir verschließen keineswegs unsere Augen und Ohren vor den zahllosen Wünschen und der Not, die heute noch in Deutschland — 12 Jahre nach der größten Niederlage Deutschlands — vorhanden ist. Aber wir glauben, daß nur ein sinnvolles Maßhalten und ein Abwägen zu der Gerechtigkeit in der Bewilligung der Ausgaben führen kann, die immer der Stolz der Mehrheit dieses Hauses und meiner Fraktion gewesen ist. Wir glauben, daß wir allen Anlaß haben, auch auf die neun Jahre, die nun hinter uns liegen, auf diesen beispiellosen Aufstieg des deutschen Volkes alle miteinander gemeinsam stolz zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte auch diesen Anlaß hier nicht vorübergehen lassen, ohne noch einmal das Gemeinsame herauszustellen, das uns alle einen soll: Wir lassen uns nicht übertreffen in unserem unbeirrbaren Willen, die Wiedervereinigung Deutschlands herbeizuführen, und wir lassen uns ebensowenig übertreffen in unserem Willen, nicht nur die soziale, sondern darüber hinaus auch die militärische Sicherheit unseres Volkes und damit seine Zukunft sicherzustellen.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304010700
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz (Trossingen).




Hans Lenz (FDP):
Rede ID: ID0304010800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten erlaube ich mir, nach vielen Wochen angestrengter Arbeit im Haushaltsausschuß und den Beratungen in diesem Hohen Hause an den Beginn meiner kurzen Erklärung ein Wort von Immanuel Kant zu setzen. Es steht am Ende des vorletzten Hauptstückes des zweiten Teils der „Träume eines Geistersehers" und heißt folgendermaßen:
Wen die bisherigen Betrachtungen ermüdet haben, ohne ihn zu belehren, dessen Ungeduld kann ich nunmehro damit aufrichten, was Diogenes, wie man sagt, seinen gähnenden Zuhörern zusprach, als er das letzte Blatt eines langweiligen Buches sah: Courage, meine Herren, ich sehe Land.

(Heiterkeit und Beifall.)

Meine Damen und Herren, es ist ein durchaus legitimes Recht, einer Regierung, in der man nicht vertreten ist, die Mittel nicht zu bewilligen. Meine Fraktion hat trotzdem einer großen Zahl der Einzelpläne — Wirtschaft, Landwirtschaft, Wohnungsbau — zugestimmt aus der inneren Haltung heraus, daß sie große Teile dieser Politik billigt, daß sie ebenso große Teile dieser Politik ablehnt. Wenn sie nun trotzdem den Gesamthaushalt ablehnt, so geschieht es vor allem aus den Gründen, die ich in der dritten Lesung darzulegen die Ehre hatte. Wir haben große Bedenken und große Sorgen bezüglich der Entwicklung der Behandlung unseres Budgetrechts. Außerdem sehen wir zu große Risiken in der Haushaltsgebarung auf uns zukommen, als daß wir zuzustimmen vermöchten.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304010900
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0304011000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei muß ich die demagogischen Unterstellungen des Kollegen Ritzel auf das allerentschiedenste zurückweisen.

(Abg. Dr. Mommer: Ja, ja!)

Wir bedauern, daß Herr Kollege Ritzel den übrigen Kollegen dieses Hauses Gedankenlosigkeit bei der Verabschiedung dieses Etats unterstellt hat. Wir stehen nicht an, Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, zu bescheinigen, daß Sie ebenso eifrig und sachlich an der Gestaltung dieses Haushalts mitgearbeitet haben wie auch die übrigen Fraktionen dieses Hauses. Ich glaube allerdings, daß wir hier im Bundesetat in vieler Hinsicht vielleicht etwas behutsamer mit den Steuergeldern umgegangen sind, als es in manchen sozialdemokratisch geführten Ländern der Fall ist.
Der vorliegende Etat ist geeignet, die innere und äußere Freiheit unseres Volkes sicherzustellen. Wir werden uns auch nicht durch das Verlesen von Wahlaufrufen — wie hier durch den Kollegen Ritzel —

(Zuruf von der SPD: Hören Sie bloß auf!)

von unserer richtigen Politik abhalten lassen, von einer Politik, die Frieden, Freiheit und Freundschaft mit anderen Völkern sichergestellt hat. Unsere vornehmste Aufgabe wird es sein, im deutschen Volke hier in Westdeutschland das Bewußtsein zu erhalten, daß bei Fortsetzung dieser Politik, Frieden, Freiheit und Arbeitsplatz auch weiterhin für jeden gesichert bleiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304011100
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz einschließlich Einleitung und Überschrift und aller Einzelpläne in der zuletzt angenommenen Fassung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Damit ist das Haushaltsgesetz mit allen Einzelplänen angenommen.
Wir haben noch eine Reihe Entschließungen zum Gesetz zu bescheiden. Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP Umdruck 135. Wird dieser Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zu Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 135 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 141. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Conrad.

Kurt Conrad (SPD):
Rede ID: ID0304011200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht zur Sache selbst sprechen, sondern dem Hohen Hause nur mitteilen, daß die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, die miteinander Fühlung genommen haben, damit einverstanden sind, daß dieser Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen wird, damit er dort weiter bearbeitet werden kann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304011300
Herr Abgeordneter Fritz hat das Wort.

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0304011400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Kollegen Conrad zu mit der Einschränkung, daß der Antrag an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß — federführend — und an den Außenpolitischen Ausschuß — mitberatend — überwiesen wird.
Im übrigen verzichten wir auf eine Diskussion der Saarfrage, weil in der nächsten Plenarsitzung in Berlin die Saarfrage sowieso auf der Tagesordnung steht und weil sich außerdem der Wirtschaftspolitische Ausschuß, der vor einigen Wochen in Saarbrücken war, erneut mit der Saarfrage befassen muß.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304011500
Es liegt vor der Antrag auf Überweisung an ,den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — und an den Aus-



Vizepräsident Dr. Becker
Schuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend —. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 142. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0304011600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor über einem Jahr hat sich das Haus aus Anlaß der Verabschiedung des Krankenpflegegesetzes mit der Notlage der Krankenanstalten beschäftigt und die Bundesregierung am 24. Mai 1957 beauftragt, baldmöglichst einen Bericht über die Notlage der Krankenhäuser vorzulegen.
Dieser Bericht liegt bis heute noch nicht vor. Die Bundesregierung hat sich bisher darauf beschränkt, auf Tagungen die Notlage ,der Krankenanstalten zu würdigen. Es ist deshalb notwendig — und diese Absicht verfolgen wir mit Ziffer 1 unseres Antrags —, der Regierung nunmehr einen Termin zu setzen, bis zu dem sie diesen Bericht vorlegen und dabei ihre grundsätzlichen Vorstellungen über eine Finanzierungshilfe für die Krankenhäuser entwikkeln soll.
Ziffer 2 unseres Antrags sieht eine Übergangsregelung vor. Die Länder und Gemeinden bringen seit Jahren erhebliche finanzielle Opfer für die Krankenhäuser. Der Bund darf sich dieser Aufgabe nicht länger entziehen. Die SPD beantragt deshalb, die Regierung zu beauftragen, bis zum 1. Oktober dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den bis zu einer grundsätzlichen Neuregelung der Krankenhausfinanzierung auf Grund des Art. 120 des Grundgesetzes durch Gewährung von Zuschüssen zur Sozialversicherung eine finanzielle Erleichterung für die Krankenhäuser erreicht wird.
Es gibt nicht viele Aufgaben, für die öffentliche Mittel sinnvoller eingesetzt werden können als für die Hilfe für die Kranken. Lassen Sie Ihren vielen guten Worten über die Krankenhäuser jetzt endlich die Taten folgen, indem Sie unserem Antrag zustimmen und so einen ersten Schritt zur Hilfe für die Krankenhäuser tun.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304011700
Das Wort hat der Abgeordnete Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0304011800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten wird diesem Antrag zustimmen. Ich möchte jedoch im Hinblick auf die Ziffer 2 des Antrags unser Ja etwas modifizieren. Die vorgesehenen Maßnahmen sind zwar augenblicklich unvermeidlich, weil nach den Versäumnissen des Gesetzgebers die Situation der sozialen Krankenkassen im allgemeinen und ,des Krankenhauswesens im besonderen verbessert werden muß, aber sie entsprechen nicht unserer Konzeption einer Verbesserung des Krankenhauswesens schlechthin.
Wir sehen daher die beantragten Maßnahmen auch nur als eine Notlösung an, stimmen also nur unter der Voraussetzung zu, daß es sich um eine Übergangslösung und nicht etwa eine endgültige Regelung handelt, die eine Neuordnung der sozialen Krankenversicherung und ebenso dringend
notwendig — der Pflegesatzverordnung überflüssig
macht.
Im übrigen werden wir unseren Standpunkt zur Neuregelung des Krankenhauswesens in der Bundesrepublik sehr eingehend darlegen, wenn die Regierung entsprechend dem hier zu fassenden Beschluß am 1. Oktober ihren Bericht vorlegt.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304011900
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0304012000
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei hat sich für die Lösung des Krankenhausproblems bereits im 1. und 2. Bundestag durch ihre Anträge eingesetzt. Sie wird der Überweisung an den Ausschuß zustimmen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, zu gestatten, daß die Stellungnahme zu diesem Antrag von uns schriftlich zu Protokoll gegeben wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304012100
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.

Josef Schüttler (CDU):
Rede ID: ID0304012200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation der Krankenhäuser ist uns durchaus bekannt. Es liegt uns ebensosehr wie der Opposition, die den Entschließungsantrag eingebracht hat, am Herzen, eine Lösung zu finden und die Dinge in Ordnung zu bringen. Es ist aber wohl nicht angebracht, heute in aller Ausführlichkeit auf diesen Antrag einzugehen. Wir sind der Ansicht, daß das ganze Problem einer gründlichen Beratung bedarf.
Der genannte Termin — 1. Oktober — ist, da die Ferien bevorstehen und sicherlich auch die Regierung ein Anrecht auf Ferien hat, wohl zu kurz. Wir stellen aus diesem Grunde den Antrag, dieses ernste Problem gewissenhaft im Ausschuß zu klären. Wir bitten, den Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik als federführendem Ausschluß und dem Ausschuß für Gesundheitswesen als mitberatendem Ausschuß zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304012300
Es ist beantragt, die Entschließung an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Gesundheitswesen zur Mitberatung zu überweisen. Werden weitere Anträge dazu gestellt? — Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0304012400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist doch zweckmäßig, zumindest die Ziffer 1 hier zu verabschieden. Das Haus hat am 24. Mai 1957 beschlossen, die Bundes-



Dr. Schellenberg
regierung möge baldmöglichst einen Bericht über die Lage der Krankenhäuser vorlegen. Wenn Sie jetzt auch die Ziffer 1 an den Ausschuß überweisen, dann annullieren Sie gewissermaßen den Auftrag, den die Bundesregierung schon längst hätte durchführen sollen. Sie müssen deshalb mindestens der Ziffer 1 zustimmen, damit der Regierung ein Termin gesetzt ist, bis zu dem sie diesem Auftrag des Bundestages nachkommen muß.
Ziffer 2 — da sind wir gemeinsamer Auffassung — spricht ein grundsätzliches Problem an. Wir wären damit einverstanden, daß man Ziffer 2 zum Gegenstand einer Ausschußberatung macht. Aber Ziffer 1 muß angenommen werden, weil das, was als Bericht verlangt wird, Voraussetzung für eine sinnvolle Beratung im Ausschuß ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0304012500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist abgeschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.

(Abg. Dr. Schellenberg: Ich bitte, getrennt abstimmen zu lassen!)

— Sie beantragen getrennte Abstimmung über die Ziffern 1, 2 und 3? Der Antrag auf Ausschußüberweisung hat aber den Vorrang!
Es ist beantragt, den gesamten Antrag an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und den Ausschuß für Gesundheitswesen — mitberatend — zu überweisen. Wer diesem Antrag auf Überweisung des gesamten Entschließungsantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag auf Überweisung ist angenommen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 153, betreffend Änderung des Rechnungsjahres. Wird der Antrag begründet? Das ist wohl schon im Laufe der Gesamtdebatte geschehen.

(Zurufe: Ausschußüberweisung! — Haushaltsausschuß!)

— Es wird beantragt, den Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Keine Gegenstimmen! Der Antrag auf Überweisung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP, Umdruck 156. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache — und schließe sie.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Damit sind alle Entschließungsanträge zum Haushaltsgesetz angenommen.
Am Schluß dieser gesetzgeberischen Arbeit möchte ich — und ich glaube, in Ihrem Namen zu sprechen — allen Referenten, insbesondere aber allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses unseren herzlichen Dank aussprechen.

(Allgemeiner lebhafter Beifall.)

Allen denjenigen, die sich am Biertisch so oft über die Arbeit des Bundestages mokieren, möchte ich wünschen, daß sie einmal eine Sitzung des Haushaltsausschusses von morgens um 9 Uhr bis abends um 10 oder 12 Uhr mitmachten; dann würden sie anders darüber denken.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wir haben noch einige wenige Punkte der Tagesordnung zu erledigen. Ich bitte dazu um Ihre Geduld und Aufmerksamkeit. In Ruhe geht alles sehr schnell.
Eingeschoben sind die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der DP Drucksachen 504, 505 und 506.
Ich rufe zunächst auf den
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Bundesregierung auf Feststellung, daß das Land Hessen die Bundestreue verletze (Drucksache 504).
Ist das Haus über den Antrag im Bilde?

(Zustimmung.)

Eine Debatte wird wohl nicht gewünscht. — Das Haus verzichtet auf eine Debatte.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 504 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen ist der Antrag Drucksache 504 angenommen.
Ferner liegt vor ein
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des hamburgischen Gesetzes betreffend die Volksbefragung über Atomwaffen vom 20. Mai 1958 (GVBl. S. 141) (Drucksache 505).
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 505 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des bremischen Gesetzes betreffend die Volksbefragung über Atomwaffen vom 20. Mai 1958 (GVBl. S. 49) (Drucksache 506).



Vizepräsident Dr. Becker
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht — eine Debatte, nehme ich an, wird auch hier nicht gewünscht —, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Jetzt komme ich zu der Ihnen gedruckt vorliegenden Tagesordnung zurück.
Punkt 6, Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Drucksache 70),
ist abgesetzt.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagungsordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an andere Bezieher als den Bund hier: Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau-AG GroßBerlin (Gewobag) (Drucksachen 326, 509).
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Krappe. Ich darf wohl annehmen, daß auf Berichterstattung verzichtet wird. Der Antrag des Ausschusses — Drucksache 509 — liegt Ihnen vor. Wer dem Antrag des Ausschusses, dem Antrage Drucksache 326 gemäß § 47 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung zuzustimmen, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehem. fliegertechnischen Vorschule in Bremen-Hemelingen, Saarburger Straße 50-60, an die Stadtgemeinde Bremen (Drucksachen 381, 510).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hilbert.

(Zuruf: Verzichtet!)

— Der Berichterstatter verzichtet auf das Wort. Ich frage, ob sonst das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses — Drucksache 510 — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 132).
Der Antrag, von sämtlichen Fraktionen gestellt, lautet auf Überweisung des Antrages Drucksache 433 an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Wir sind damit am Schluß der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Ausdauer und Geduld. Ich wünsche Ihnen allen recht gute Erholung in den Sommerferien, damit wir mit gestärkten und frischen Nerven und großer Ruhe wieder hierherkommen können.
Vielleicht überlegen Sie sich — alle Fraktionen -in der Sommerfrische einmal die Frage, die in manchen Privatgesprächen der letzten Tage aufgeworfen worden ist, ob es nicht möglich wäre, die Landtagswahlen in sämtlichen Ländern auf einen bestimmten Tag zu legen.

(Beifall bei allen Parteien.)

Die Initiative kann nach Lage der Dinge und nach unserer Verfassung nur von den Fraktionen und den einzelnen Parteien ausgehen.
Zum Schluß bitte ich dann, in den Ferien noch einmal das Lied Friedrich von Schillers „An die Künstler" zur Hand zu nehmen, wo es am Schluß heißt: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben; bewahret sie!"
Ich wünsche Ihnen noch einmal gute Erholung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages nach Berlin, Technische Hochschule, zum 1. Oktober 1958, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.

(Beifall.)