Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 27. Sitzung des Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Bausch, Dr. Schöne, Berendsen, Rümmele, Jahn , Dr. Dr. h. c. Pünder, Dr. Königswarter, Kriedemann, Goldhagen, Dr. Kopf, Schröter (Wilmersdorf), Zühlke, Varelmann, Frau Friese-Korn, Diel, Frau Pitz, Demmelmeier, Dr. Atzenroth, Dr. Deist, Wehner, Dr. Elbrächter, Samwer, Keuning, Struve und Dr. Hellwig.
Danke schön!
Meine Damen und Herren! Ich habe darauf hinzuweisen, daß gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung die Punkte 10 und 11 der heutigen Tagesordnung vor Punkt 1 erledigt werden sollen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Im übrigen erinnere ich daran, daß die Abstimmung über die Anträge, die gestern zu den Punkten 2 und 3 der gestrigen Tagesordnung gestellt worden sind, heute um 13 Uhr stattfinden soll.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 26. April 1954 die Kleine Anfrage 46 der Abgeordneten Kemper , Richarts und Genossen betreffend Entschädigung für Verlust von Grund und Boden durch Errichtung militärischer Anlagen — Drucksache 407 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 494 vervielfältigt.
Ich rufe zunächst den Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien vom 4. September 1953 über die Wiederherstellung der durch den zweiten Weltkrieg betroffenen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 323).
Wegen der Berichterstattung darf ich den Punkt 11 gleich mit aufrufen:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan vom 8. Mai 1953 über den Schutz durch den zweiten Weltkrieg beeinträchtigter Rechte auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 324).
In beiden Fällen ist Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. Löhr. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gegenstand der Berichterstattung sind das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten
von Brasilien vom 4. September 1953 über die Wiederherstellung der durch den zweiten Weltkrieg betroffenen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte und das Abkommen zwischen Deutschland und Japan vom 8. Mai 1953 über den Schutz durch den zweiten Weltkrieg beeinträchtigter Rechte auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes.
Diese Abkommen wurden im Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht in dessen Sitzung vom 25. Februar 1954 beraten. Dieser mitberatende Ausschuß stimmte beiden Entwürfen zu, ohne eine Änderung oder Erweiterung vorzuschlagen und empfahl sie dem federführenden Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Annahme. In seiner 5. Sitzung vom 11. März 1954 befaßte sich der Außenhandelsausschuß mit diesem Abkommen.
Da die deutsche Bundesrepublik nicht zu den Signatarstaaten des Neuenburger Abkommens vom 8. Februar 1947, betreffend die Erhaltung und Wiederherstellung der durch den 2. Weltkrieg zu Schaden gekommenen gewerblichen Schutzrechte gehört, ist sie genötigt, in zweiseitigen Abkommen die durch die Kriegswirren eingetretenen Rechtsverluste und Rechtsbeeinträchtigungen auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes auszugleichen. Den entsprechenden Verträgen mit der Schweiz, Schweden und Italien, der Übereinkunft mit Österreich durch korrespondierende gesetzliche Maßnahmen und der einseitigen Berechtigungserklärung in Dänemark und Großbritannien schließen sich nunmehr die Vertragswerke mit Brasilien und Japan an.
Art. 59 Abs. 2 — zweite Alternative des Bonner Grundgesetzes — schreibt für Verträge, welche sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung — im Gegensatz zur Bundesverwaltung — beziehen, die Mitwirkung der Gesetzgebungskörperschaften des Bundes in der Form eines Bundesgesetzes zwingend vor. Sowohl das Übereinkommen mit Brasilien als auch das mit Japan enthalten materiellrechtliche Bestimmungen. So sollen gemäß Art. 7 bis 11 des Brasilien-Abkommens und Art. 1 des JapanAbkommens Prioritätsfristen verlängert und gemäß Art. 3 Brasilien- und Art. 5 Japan-Abkommen der Schutz von Warenzeichen erneuert werden, Bestimmungen also, die in die Rechtsstellung der Betroffenen einwirken. Somit ist die Zuständigkeit des Hohen Hauses als eines der Gesetzgebungsorgane des Bundes gegeben. Sowohl in den Abkommen als auch in den Ratifikationsgesetzen wird auf die Notwendigkeit der Beschlußfassung ausdrücklich hingewiesen.
Das auf Anregung der Bundesregierung zustande gekommene Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Brasilien bezweckt einerseits die rechtliche Regelung der 1942 beschlagnahmten deutschen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte; andererseits will das Abkommen aber auch das Rechtsschutzverfahren der nach dem Kriegsende neu entstandenen gewerblichen Schutzrechte regeln. Durch die brasilianische Kriegsgesetzgebung wurden die Schutzrechte dem brasilianischen Staatsvermögen zugeschlagen und teilweise in der Folgezeit veräußert, im besonderen Falle einer Stiftung übertragen. Diesen Rechtsbeeinträchtigungen soll in dem Abkommen möglichst abgeholfen werden, um so die Voraussetzungen für die zukünftigen Rechtsbeziehungen zwischen den vertragschließenden Ländern auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts zu schaffen.
Art. 1 hebt daher die Kriegsgesetzgebung Brasiliens in bezug auf die deutschen gewerblichen Schutzrechte auf. Art. 2 ordnet die Herausgabe dieser Rechte an den deutschen Berechtigten an, soweit sie sich noch im brasilianischen Staatsvermögen befinden.
Den Kreis der Berechtigten umschreibt Art. 12. Wenn auch das Abkommen grundsätzlich nichts über die von Dritten erworbenen Schutzrechte enthält, so werden diese Bedenken doch beschwichtigt durch die Tatsache, daß die an Dritte veräußerten gewerblichen Schutzrechte nicht sehr zahlreich und in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht sehr erheblich sind. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, die von Dritten erworbenen Rechte diesen zu belassen, befindet sich in Art. 2 Abs. 3 für die schenkungsweise, also unentgeltlich übertragenen Rechte in dem erwähnten Fall der Stiftung.
Der Ausschuß für Außenhandelsfragen wertete in diesem Zusammenhang besonders die Erklärung der brasilianischen Regierung, schon vom Tage der Unterzeichnung des Abkommens an von weiteren Verwertungsmaßnahmen Abstand zu nehmen. In die bestehenden, öffentlich beurkundeten Nutzungsverträge soll der deutsche Rechtsinhaber gemäß Art. 5 mit allen Rechten und Pflichten eintreten.
Die Art. 7 bis 11 befassen sich mit der bereits erwähnten Verlängerung von Prioritätsfristen.
Auch die Übereinkunft mit Japan verfolgt den erwähnten Zweck, die Kriegsschäden auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes zu beseitigen. Das Abkommen befaßt sich in den Art. 1, 2 und 4 unter Bezugnahme auf Art. 4 der Pariser Verbandsübereinkunft von 1883 mit den Prioritätsfristen, d. h. mit der Verlängerung der Zeiträume, innerhalb deren ein in einem der Verbandsländer angemeldetes gewerbliches Schutzrecht in den beteiligten Ländern bei Wahrung des zeitlichen Vorranges hinterlegt werden kann. Diese Regelung bezieht sich auf die neu einzutragenden Rechte und enthält insofern gegenüber dem Brasilien-Abkommen ein Weniger, als sich das Japan-Abkommen nicht mit den alten, bei Kriegsende noch bestehenden Berechtigungen befaßt.
Im Ausschuß wurde daher die Frage an den Regierungsvertreter gestellt, was in Japan mit den alten deutschen Warenzeichen geschehen sei. Die Antwort lautete dahingehend, daß die deutschen Warenzeichen nunmehr gelöscht und innerhalb eines Jahres vom Zeitpunkt der Löschung an von den früheren Inhabern oder ihren Rechtsnachfolgern neu angemeldet werden können; dies allerdings nur unter der Bedingung, daß von keiner alliierten Person innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der bevorstehenden Löschung des Warenzeichens Rechte an ihm geltend gemacht werden, die der betreffenden Person auf Grund der alliierten Kriegsgesetzgebung zustehen. In seinen übrigen Formulierungen lehnt sich das Abkommen mit Japan an seine Vorgänger mit anderen Staaten an.
Der Außenhandelsausschuß hat die Abkommen zusammen mit den Vertretern des Bundesministeriums der Justiz eingehend besprochen. Die Beratung führte zur einstimmigen Annahme. Namens des Ausschusses für Außenhandelsfragen habe ich daher dem Hohen Hause vorzuschlagen, der Drucksache 91 in Verbindung mit Drucksache 323 sowie der Drucksache 92 in Verbindung mit Drucksache 324 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Im Ältestenrat ist eine Vereinbarung zustande gekommen, daß auf eine Aussprache der zweiten und dritten Beratung verzichtet werden kann.
Ich rufe zunächst auf zur zweiten Beratung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien. Ihnen liegt die Drucksache 323 mit dem Antrag des Ausschusses für Außenhandelsfragen in Verbindung mit der Drucksache 91 vor.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Artikeln, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Diese Artikel, Einleitung und Überschrift sind einstimmig angenommen worden.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Aussprache soll entfallen. Eine Einzelaussprache entfällt, da Änderungsanträge nicht gestellt sind. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien vom 4. September 1953 insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Da es sich um einen internationalen Vertrag handelt, entfällt eine Schlußabstimmung.
Ich komme zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan, Drucksache 324 in Verhindung mit Drucksache 92.
Ich ruff- auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Auch diese Artikel, Einleitung und Überschrift sind einstimmig angenommen worden.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz betreffend das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Japan vom 8. Mai 1953 insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen. Die Schlußabstimmung entfällt.
Damit, meine Damen und Herren, können wir zu Punkt 1 der Tagesordnung kommen:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954
.
Ich weise darauf hin, daß laut Beschluß des Haushaltsausschuses die damit verbundenen, in der Tagesordnung enthaltenen Berichte über die Anträge betreffend Aufbauhilfe für die Stadt Kehl und Beteiligung des Landes Baden-Württemberg an den Bundesmitteln für Grenzbezirke (Drucksachen 400, 294) heute nicht beraten werden sollen. Ich darf annehmen, daß das Haus von diesem Beschluß des Haushaltsausschusses Kenntnis nimmt.
In der Reihe der noch nicht beratenen Haushaltspläne kommen wir zunächst zum
Einzelplan 32 — Haushalt der Bundesschuld .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wacker. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 32 — Bundesschuld — für das Rechnungsjahr 1954 enthält neben den Verwaltungseinnahmen und -ausgaben der Bundesschuldenverwaltung in Bad Homburg und des Archivs der Bundesschuldenverwaltung in Berlin insbesondere die Ausgaben für die Verzinsung der fundierten und schwebenden Schuld des Bundes sowie die Ausgaben für Tilgung, den An- und Rückkauf von Schuldurkunden und den Garantiefonds für die Inanspruchnahme des Bundes aus Bürgschaften, Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen.
Unter Berücksichtigung der im Haushaltsgesetz vorgeschriebenen allgemeinen Kürzung von 4 % schließt der Einzelplan 32 im ordentlichen Haushalt mit einem Zuschußbedarf von rund 949 Millionen DM ab. Das bedeutet gegenüber dem Haushalt 1953 eine Mehrausgabe von rund 38 Millionen DM. Die Mehrausgabe ist im wesentlichen auf die allgemeinen Ausgaben der Bundesschuldenverwaltung und auf die Ausgaben für die Verzinsung der langfristigen Schuld zurückzuführen.
Bei den allgemeinen Ausgaben handelt es sich um das Disagio, das bei der Begebung von Schuldbuchforderungen und Bundesanleihen eingeräumt werden muß, sowie um die Bankenprovision und die sonstigen Kosten, die bei der Begebung einer Bundesanleihe entstehen. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, diese Ausgaben nicht im ordentlichen Haushalt, sondern im außerordentlichen Haushalt auszubringen. Diesem Vorschlag kann nach Auffassung des Haushaltsausschusses nicht zugestimmt werden, denn diese Ausgabe stellt wirtschaftlich eine Zinsvorauszahlung dar. Sie ist infolgedessen ebenso wie die Zinsen und die Bankenprovision und andere Unkosten im ordentlichen Haushalt auszubringen. Die Ausbringung im außerordentlichen Haushalt würde dazu führen, Zinsen und Unkosten durch Kreditmittel zu finanzieren, was den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Finanzwirtschaft widersprechen würde. Diese Ansicht vertritt neben dem Haushaltsausschuß auch der Bundesschuldenausschuß.
Für die Verzinsung der langfristigen Schuld mußten bei verschiedenen Ansätzen, bei denen im Vorjahr nur Halbjahresbeträge angesetzt worden sind, 1954 volle Jahresbeträge veranschlagt werden.
Der Ansatz für die Verzinsung der schwebenden Schuld, der in der Regierungsvorlage 100 Millionen DM betrug, soll nach Empfehlung des Haushaltsausschusses auf 50 Millionen DM mit Rücksicht darauf herabgesetzt werden, daß der EVG-Vertrag erst später, als ursprünglich in Aussicht genommen, in Kraft treten wird und daher voraussichtlich Betriebsmittelkredite nicht in dem zunächst angenommenen Ausmaß benötigt werden. Die Regierung hat sich mit dieser Kürzung einverstanden erklärt, um eine Deckung für die Mehrausgaben für Berlin zu finden. Die vom Bundesrat vorgeschlagene weitere Kürzung dieses Titels auf 10 Millionen DM erschien dem Haushaltsausschuß dagegen nicht vertretbar.
Die Personalausgaben der Bundesschuldenverwaltung in Bad Homburg haben sich um rund
150 150 000 DM erhöht. Diese Mehrausgaben beruhe
im wesentlichen auf der gesetzlichen Besoldungsverbesserung und auf einer Vermehrung der Beamtenstellen um 13 Köpfe. Diese Vermehrung, der ein
Abgang von 41 Stellen bei den beamteten Hilfskräften und den Angestelltenstellen gegenübersteht, ist durch die Erweiterung des Arbeitsgebietes der Bundesschuldenverwaltung in hoheitsrechtlicher Beziehung erforderlich. Beim Archiv der Bundesschuldenverwaltung in Berlin, das keine Beamten, sondern ausschließlich Angestellte beschäftigt, haben sich die Personalausgaben nur um 23 000 DM erhöht, weil der tariflichen Gehaltsverbesserung das Ausscheiden eines Angestellten nach Sondertarif gegenübersteht, dessen Stelle, weil entbehrlich, nicht wieder besetzt wurde. Im übrigen wurde ein Zusatz in die Zweckbestimmung des Personaltitels aufgenommen, daß beim Archiv freiwerdende Stellen nur mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen wieder besetzt werden dürfen.
Die im außerordentlichen Haushalt veranschlagten Einnahmen aus Anleihen betragen rund 2 020 Millionen DM. Von diesen Einnahmen werden voraussichtlich 512 Millionen DM dadurch aufkommen, daß in dieser Höhe Schuldbuchforderungen des Bundes zugeteilt werden für die Erstattung eines Teiles der Aufwendungen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für Arbeitslosenfürsorgeunterstützungen und zur Erfüllung eines Teils der den Trägern der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten zustehenden Forderungen.
Ferner sind bestimmt für Transaktionen des Internationalen Währungsfonds 18,5 Millionen DM, die durch die Aufnahme eines Kredits bei der Bank deutscher Länder beschafft werden, sowie für die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler und Sowjetzonenflüchtlinge 225 Millionen DM und für Investitionen 1 264,9 Millionen DM, die grundsätzlich durch Begebung von Bundesanleihen auf dem Kapitalmarkt aufzubringen sind.
Abschließend noch ein Wort zur Verschuldung des Bundes. Die „Fundierte Schuld" belief sich am 31. März 1953 — ohne die Ausgleichsforderung für die Postsparkassen, die noch nicht feststeht — auf insgesamt 9,9 Milliarden DM und am 31. Dezember 1953 auf 16,9 Milliarden DM. Es sind insbesondere die Verpflichtungen auf Grund des Londoner Schuldenabkommens und der damit zusammenhängenden Verträge für die Nachkriegswirtschaftshilfe hinzugekommen. Die Auslandsverpflichtungen sind aber noch nicht vollständig erfaßt, da das Bereinigungsverfahren erst teilweise durchgeführt ist. Die „Schwebende Schuld" betrug am 31. März 1953 rund 980 Millionen DM. Sie ist für den 31. Dezember 1953 auf rund 800 Millionen DM, also um 180 Millionen DM zurückgegangen.
Der Haushaltsausschuß hat mich beauftragt, das Hohe Haus zu bitten, diesem Einzelplan zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Besprechung der zweiten Beratung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 373 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Einzelplan angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan 35 — Haushalt der Verteidigungslasten — .
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt entsprechend der Geschäftsordnung ein Schriftlicher Bericht in der Drucksache numeriert zu 374*) vor, so daß eine mündliche Berichterstattung über diesen Einzelplan entfallen kann.
Wird das Wort gewünscht?
— Zu diesem Einzelplan Herr Abgeordneter Arndgen, bitte schön, und dann Herr Abgeordneter Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktionsfreunde habe ich zu diesem Einzelplan folgenden Antrag zu stellen:
In Kap. 3511 erhält die Zweckbestimmung des Tit. 303 folgende Fassung:
Besatzungsschäden aus der Zeit bis zum Inkrafttreten der Verträge, soweit nicht bei Tit. 304 zu buchen ist.
Weiter erhält in Kap. 3511 die Zweckbestimmung des Tit. 306 folgende Fassung:
Deutsche Beteiligung bei neuen Schäden
durch amerikanische, britische, dänische und
norwegische Streitkräfte in Höhe von 25
vom Hundert der Entschädigungsbeträge. Dieser Antrag ist notwendig geworden, weil über Schadensersatzansprüche bei Schäden, die von den amerikanischen Streitkräften verursacht sind, bisher von amerikanischen Dienststellen entschieden worden ist. Nach einer Vereinbarung, die zwischen der Bundesrepublik und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen werden soll, sollen künftig die deutschen Behörden zur Entscheidung über die vorerwähnten Ersatzansprüche befugt sein, soweit die schädigenden Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen dienstlicher Verrichtungen begangen worden sind. Die beabsichtigte Zuständigkeitsänderung soll sich auch auf Schäden beziehen, die von den in Berlin stationierten Streitkräften verursacht werden. Die Übertragung der Entschädigungsbefugnisse auf die deutschen Behörden ist mit einer Interessenquotenbeteiligung des Bundes in Höhe von 25 vom Hundert der Entschädigungsbeträge verbunden. Um die Buchung der Anteile des Bundes im Haushalt der Verteidigungsfolgekosten in Fällen zu ermöglichen, in denen die Schäden von in Berlin stationierten Streitkräften verursacht werden, bedarf es der Änderung der bisherigen Fassung der Titel 303 und 306 in Kap. 3511. Da der Umdruck dem Hohen Hause noch nicht vorliegt, gestatte ich mir, diesen Antrag dem Herrn Präsidenten zu überreichen.
Meine Damen und Herren, Sie haben von diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zum Einzelplan 35 Kenntnis genommen.
Herr Professor Gülich, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ja ein merkwürdiger Plan, der Einzelplan 35, der bei nur mäßig besetztem Hause beraten wird! Er enthält nur einen Titel, 300. Dieser lautet: „Beitrag der Bundesrepublik an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft 9 Milliarden". Neuntausend Millionen D-Mark stehen hier unter einem Globaltitel, der nicht weiter aufgegliedert ist.
*) Siehe Anlage 1 Seite 1183.
Diese 9 Milliarden machen ein Drittel des gesamten Finanzvolumens der Bundesrepublik aus. Dabei sind diese 9 Milliarden noch nicht der gesamte Beitrag, sondern dazu kommen die Besatzungskosten in Berlin, die Auftragsausgaben in Berlin, die Verkehrsleistungen, der Bundesgrenzschutz, die Landespolizei, die Dienststelle Blank, der Interims-ausschuß; also alle die Dinge, die mit dazu gehören und in anderen Ländern auch dazu gerechnet werden. Wir kommen dann auf die Summe von mindestens 12 Milliarden DM. Das sind 44 1/2 % des gesamten Haushaltsvolumens.
Die Bundesrepublik gibt damit 66,9, sagen wir, pro Kopf der Bevölkerung rund 67 DM für etwas aus, was hier „Verteidigung" genannt ist. Mehr geben aus: Großbritannien mit rund 86 DM pro Kopf der Bevölkerung, Frankreich mit rund 69 DM pro Kopf der Bevölkerung, und die USA geben über 300 DM pro Kopf der Bevölkerung aus. Diese Zahl ist allerdings nicht ganz vergleichbar. Vergleicht man nämlich die Kaufkraft, dann dürfte vielleicht nur die Hälfte eingesetzt werden. Der Beitrag der Bundesrepublik liegt über den Aufwendungen in Belgien, die etwa 53 DM pro Kopf der Bevölkerung betragen, über denjenigen in Norwegen, wo sie 50 DM betragen, in den Niederlanden 47, in Luxemburg 45, in Dänemark 36,5 und in Italien 16,5 DM. Man sieht also, daß die Aufwendungen in den westeuropäischen Ländern sehr verschieden sind.
Dieser Vergleich pro Kopf der Bevölkerung sagt aber nicht genug aus. Man muß mit dem Sozialprodukt vergleichen. Noch ungünstiger liegt die Zahl für die Bundesrepublik, wenn man sie mit der Zahl der schaffenden Hände vergleicht. Pro Kopf der schaffenden Hand kommt etwas ganz anderes heraus. Entscheidend ist nicht, was absolut für die Verteidigung pro Kopf ausgegeben wird, sondern was der Bevölkerung eines Staates nach Abzug der Verteidigungslasten zur Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse übrigbleibt. Dazu ist zu sagen, daß alle anderen Länder im Vergleich zu ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft wesentlich weniger ausgeben als die Bundesrepublik.
Was nun aber den Steuerzahler, was den deutschen Staatsbürger, was den Deutschen Bundestag interessieren muß, ist die Frage: Dienen diese enormen Mittel wirklich und ausschließlich der Verteidigung? Was von diesen Beträgen sind Ausgaben für die Verteidigung? Was von diesen Beträgen sind Ausgaben für Besatzungskosten? Was ist von den Besatzungskosten Besatzungsluxus, und was ist davon Besatzungsleerlauf? Wenn wir diese Frage einmal untersuchen, kommen wir zu ganz betrüblichen Ergebnissen. Selbstverständlich hat sich der Besatzungsluxus gemildert, weil die Zahl der Dienststellen verringert worden ist. In den vorhandenen Dienststellen aber wird der Besatzungsaufwand, den man getrost mit Besatzungsluxus bezeichnen kann, ungeniert fortgesetzt, und zwar aus der Mentalität heraus: Will man dem Sieger untersagen, die Früchte seines Sieges zu genießen? Ich will die Diskussion bei der Beratung der Bonner und Pariser Verträge nicht aufleben lassen. Aber Sie erinnern sich, es zieht sich wie ein roter Faden durch diese Verträge, durch den Truppenvertrag, durch den Finanzvertrag, durch den EVG-Vertrag hindurch, daß den fremden Truppen in Deutschland eine wesentlich bessere Position eingeräumt wird als den fremden Truppen in anderen Ländern Europas. Diese Verträge befreien die auf deutschem Boden stationierten Besatzungssoldaten und deren Angehörige sogar von den kleinen Verbrauchsteuern. Und das haben Sie für 50 Jahre beschlossen!
Selbstverständlich gehen auch wir von der Voraussetzung aus, daß die Bundesrepublik einen angemessenen Beitrag zu ihrer Verteidigung leisten soll und leisten will. Wir wollen aber, daß jede Mark wirklich auch für ihren Zweck — und nur für diesen Zweck — ausgegeben wird und daß diese Zwecke sinnvoll sind. Wir haben Sorge, wenn Militärs entscheiden, wenn mit militärischem Übergewicht die Höhe unseres finanziellen Beitrags festgelegt wird, wenn nach einem uns unbekannten NATO-Verfahren Beiträge festgelegt werden, die wir aufzubringen haben und die, wie ich Ihnen einleitend gesagt habe, ganz anders aussehen als in anderen Ländern. Es widerspricht dem Wesen einer Verteidigungsgemeinschaft, nach wie vor in Sieger und Besiegte aufzuteilen. Bei einem Militärbündnis, wie es die EVG darstellt, muß die Gleichberechtigung die Voraussetzung, nicht das Ergebnis des Bündnisses sein. Wir wissen ja, daß sie nicht einmal ein Ergebnis ist, sondern daß durch die Vorbehaltsklauseln und durch die Vorrechte, die den Besatzungsmächten eingeräumt worden sind, tatsächlich diese Unterscheidung in Sieger und Besiegte geblieben ist. Der Standpunkt der Hohen Kommissare ist uns neulich wieder einmal klargemacht worden: Ihr könnt kein Wehrergänzungsgesetz ohne unsere Zustimmung beschließen. Man erinnere sich an die Äußerungen Schumans nach der Überreichung der Ratifikationsurkunde in Paris. Das waren Äußerungen, die man einem subalternen Staat, nicht aber einem gleichberechtigten Staat gegenüber macht und die man nicht gebraucht angesichts einer weltpolitischen Situation, in der doch weiß Gott ganz Westeuropa in einem Boote sitzt, nur mit dem Unterschied, daß wir an der äußersten Kante sitzen. Natürlich war Schuman in diesem Falle kein befugter Sprecher des gesamten Rates; aber er ist ein Repräsentant Frankreichs, und es beunruhigt uns, wenn er verkündet, daß wir demnächst statt 9 Milliarden 14,4 Milliarden DM zu zahlen haben würden.
Wir haben bei den Beratungen der Bonner und Pariser Verträge zum erstenmal gehört, — es handelte sich um den Verzicht auf das deutsche Auslandsvermögen —: „Wir haben das hingenommen." Dieser Ausdruck: „Wir nehmen hin" findet sich dann auch später sehr häufig. Das heißt, wir erkennen zwar äußerlich an, sind aber innerlich nicht einverstanden; „wir nehmen also hin".
Der Herr Bundesfinanzminister hat am 22. Januar in seiner Haushaltsrede, als er von dem Überhang sprach, der durch die Nichtabrufung der Besatzungskosten in Höhe von 1750 Millionen DM entstanden war, gesagt, daß es leider nicht möglich gewesen sei, diese Beträge oder einen Teil davon vorübergehend der deutschen Wirtschaft zuzuleiten. Er hat erklärt, daß Verhandlungen mit den Finanzvertretern der Alliierten stattgefunden hätten, mit dem Ergebnis, daß niemand die Hoffnung haben könne, die rückständigen Besatzungskosten würden nicht abgehoben und könnten dem Bunde verbleiben. Die Finanzvertreter hätten ausgeführt, daß sie Verpflichtungen für den gesamten Kredit eingegangen seien. Er hat weiter gesagt, der gesamte Überhang von damals 1750 Millionen DM sei also haushaltsrechtlich gebunden und es sei nicht möglich, diese Gelder anderswo einzusetzen. Man habe sich um einen Zahlungsplan bemüht, habe aber einen solchen nicht erreichen können.
Dazu ist, meine ich, zweierlei zu sagen. Erstens: Wenn die Alliierten bei so großen Beträgen Verfügungen getroffen, also Aufträge gegeben haben, dann sind solche Aufträge auch an Termine gebunden worden. Liegen Termine vor, so kann ein Zahlungsplan bekanntgegeben werden. Wenn die Finanzvertreter der Alliierten keinen Zahlungsplan haben vorlegen können, so haben sie entweder nicht über die Summe verfügt oder aber sie machen es sich bequem — das letzte ist wohl anzunehmen — und orientieren ihren Partner nicht. Das scheint uns ein bedenkliches System zu sein. Zweitens: Angesichts der enormen Bedeutung einer solchen Summe für die deutsche Volkswirtschaft hätte man die Verhandlungen auf beiden Seiten nicht den Finanzvertretern überlassen dürfen, sondern da hätte sich wohl der Herr Bundeskanzler selbst mit der Hilfe des Herrn Bundesfinanzministers um die Regelung dieser Fragen kümmern müssen. Wir haben aber den Eindruck, daß der Herr Bundeskanzler von der Richtigkeit seiner Integrationsideen derart überzeugt ist — nach den herben Erfahrungen der letzten Wochen haben wir ihn ja gestern erneut gehört —, daß er für die Bedeutung und das Gewicht finanzieller Probleme den rechten Maßstab verloren hat.
Wir wollen also nicht sagen, daß wir keine Verteidigung wollen, sondern wir erklären: wir wollen jede Mark der öffentlichen Finanzwirtschaft sinnvoll ausgeben und wir wollen das in einer Weise tun, daß das Parlament, welches das Budgetrecht als sein vornehmstes Recht hat, erfährt, um was es sich dabei handelt.
Ich sagte schon, daß die Höhe der finanziellen Leistungen nach einem uns unbekannten Verfahren festgestellt wird, daß uns die Grundsätze dieses Verfahrens, nach dem berühmten NATO-Fragebogen, geheim bleiben. Ich habe früher einmal von dieser Stelle ausgeführt: einem Oberregierungsrat im Finanzministerium, der keine Verantwortung trägt, ist der Fragebogen bekannt, aber den Abgeordneten, die über so enorme Summen zu verfügen haben, ist er nicht bekannt. Das Merkwürdige scheint mir dabei zu sein, daß die enormen „Verteidigungsbeiträge" in allen Ländern, um die es hier geht, von den Vertretern der Exekutive beschlossen werden. Dabei ist interessant, daß die Vertreter der Exekutive die Geheimhaltung vor den Vertretern der Legislative beschließen, die das Geld aufzubringen und zu bewilligen haben. Die Vertreter der Exekutive schließen also die Vertreter der Legislative von ihrem ureigensten Recht aus.
Die Organe der Exekutive haben sich hiermit die Parlamente vom Halse geschafft. Das ist die Tatsache, das ist unser Problem. Und was machen die Parlamente damit? Was macht der Deutsche Bundestag damit? Wollen auch wir das hinnehmen, und wollen wir das weiterhin hinnehmen? Wollen wir uns weiterhin nicht für den Einzelplan 35 interessieren, für die Festsetzung und die Verwendung von Summen, die wir seit zwei Jahren ganz überwiegend fälschlicherweise als „Verteidigungskosten" zahlen?
Nun kommt das Entscheidende. Wer den wir verteidigt? Garantieren diese enormen Aufwendungen, die 44 % unseres gesamten Finanzvolumens ausmachen, unsere Sicherheit? Erhöhen sie unsere Sicherheit, oder wird nicht vielmehr unsere Sicherheit dadurch vermindert? Immer
wieder kommen beunruhigende Nachrichten zu uns. Gruenther — mein Freund Ollenhauer hat das gestern schon zitiert — sagte vor 14 Tagen, die deutschen Divisionen sollten den Schirm bilden, unter dem sich die Amerikaner zurückziehen könnten. Gruenther sagt, der nächste Krieg finde auf deutschem Boden statt. Die Militärs sagen: Es ist eine alte Erfahrung, daß der Krieg da wieder anfängt, wo er aufgehört hat. Wenn man amerikanische und engliche Zeitschriften liest, kann es einem wirklich grauen, mit welcher Offenheit und manchmal mit welchem Zynismus diese Dinge besprochen werden und die Rolle der Deutschen dargestellt wird. Wir sind ja auch das einzige Land in der westlichen Welt, welches es hingenommen hat, daß links des Rheins mit der Richtung nach dem Osten Atomkanonen aufgestellt worden sind, die eine Reichweite von 40 km haben, — Atomwaffen, die von hier 40 km weit in das Gebiet der Bundesrepublik hineinfeuern können!
Wir haben Zweifel, daß die strategische Konzeption, nach der wir angeblich verteidigt werden sollen, uns in unserer Lage wirklich schützt.
Ich will Ihnen einmal ein, ich glaube nicht uninteressantes Beispiel nennen. Im Haushaltsausschuß erfuhr ich neulich zu meinem wirklichen Erstaunen, daß Kosten für die Verlegung des britischen Hauptquartiers von Bad Oeynhausen hinter den Rhein erforderlich sind. Da erinnerte ich mich sofort, daß am 9. Dezember 1952 im Britischen Unterhaus eine Anfrage gestellt worden ist — am 9. Dezember 1952! —: Was hat die Verlegung des britischen Hauptquartiers von Bad Oeynhausen hinter den Rhein bisher gekostet? Wer hat diese Kosten für die Verlegung des Hauptquartiers bezahlt, und aus welchen Gründen ist die Verlegung erfolgt? — Der Herr Kriegsminister antwortete: Die Kosten haben bisher — also am 9. Dezember 1952 — ungefähr 130 Millionen DM betragen;
die Verlegung erfolgte aus strategischen Gründen.
Aber der englische Kollege Frager war mit dieser Antwort nicht zufrieden und meinte, das sei ja eine ganz enorme Summe und es sei sehr befriedigend, zu hören, daß nicht die Engländer diese enormen Kosten aufzubringen hätten, sondern die Deutschen. Er fragte, warum denn eine solche Verlegung nötig sei — aus strategischen Gründen? —, das müsse man doch etwas genauer wissen. Darauf antwortete der Kriegsminister noch einmal und sagte, daß es sich hier um eine gewisse Anzahl von Faktoren handle, die er nicht im Detail betrachten könne. Er wolle nur soviel sagen — und das wolle doch wohl der ehrenwerte und tapfere Gentleman begreifen —, daß das britische Hauptquartier sich nicht in der umgekehrten Rolle des Duke of Plaza-Toro befinden könne, — worauf denn das Haus verstand und in schallende Heiterkeit ausbrach. Was ist mit dem Duke of Plaza-Toro? Jeder Engländer kennt die komische Gestalt — ein Don Quichotte oder ein Eulenspiegel —, der Duke of Plaza-Toro - „Plaza-Toro" heißt eigentlich „Stierkämpfer" — ist eine Figur, die in der komischen Oper „The Gondoliers" von Artur Sullivan und William Schwenk Gilbert auftritt. Den Abgeordneten fiel also prompt der schöne Vers aus dieser komischen Oper ein:
In enterprise of martial kind, When there was any fighting, He led his regiment from behind —
He found it less exciting.
But when away his regiment ran,
His place was at the fore, O —
That celebrated,
Cultivated,
Underrated
Nobleman,
The Duke of Plaza-Toro!
Man kann die Heiterkeit der britischen Abgeordneten verstehen und man kann verstehen, daß der Kriegsminister sagte: Wenn wir das Hauptquartier nicht verlegen, dann wäre es ja genau im Gegenteil der Rolle des Duke of Plaza-Toro, nämlich im Gefecht wäre der Stab nicht hinter der Front, wohin er gehört, sondern vorn,
und beim Fortlaufen, auf der Flucht wäre er nicht vorn, sondern hinten. Der General würde also als erster geschnappt. So kann man verstehen, daß der Engländer es „less exciting", weniger aufregend findet, seine Truppe von hinten zu führen.
Was ist nun mit Oeynhausen? Ich bin vor ein paar Tagen mal eben von der Autobahn abgefahren und bin mal so ein bißchen in Oeynhausen herumgegangen. Was ich dort gesehen habe, wäre wert, daß der Herr Bundesfinanzminister sich einmal darum bekümmerte, sowohl um das, was da alles weggekommen ist, wie um den Brand des Badehauses II und um den Brand des Kurhauses. Die Verlegung hat zwar bis zum 9. Dezember 1952 nach Angabe der Engländer schon 130 Millionen DM gekostet, aber die Verlegung ist noch keineswegs fertig, sondern Oeynhausen sitzt noch ganz schön voll, und jedermann auf der Straße weiß, was sich in Oeynhausen ereignet hat.
Soll man nicht angesichts dieser Tatsachen von schwerer Sorge bedrückt sein? Der Herr Bundesinnenminister hat neulich bei der Beratung des Antrags meiner Fraktion auf Einrichtung des Luftschutzes von der exzeptionellen Lage der Bundesrepublik gesprochen, die ein einziger Grenzstreifen sei. In diesem Grenzstreifen leben wir. Es ist das deutsche Schicksal, zwischen Ost und West zu leben, und wir k innen die geographische Lage Deutschlands nicht verändern. Wir müssen aber danach trachten, daß unsere starken finanziellen Aufwendungen für Maßnahmen gemacht werden, die dieser geographischen Lage Rechnung tragen, und uns gegen eine Auffassung wenden, die die Bundesrepublik von vornherein nicht verteidigen will, sondern die von vornherein als selbstverständlich annimmt, daß ein zukünftiger Krieg auf deutschem Boden ausgefochten werden würde. Ich habe die schwere Sorge, daß der Politik der Stärke, die wir seit einigen Jahren betreiben,
die Politik. der verbrannten Erde folgen könnte. — Nein, Kollege Mommer, stärker sind wir nicht geworden. Wir zahlen nur, und wir wünschen, daß wir in diesen Zahlungsplan endlich Einblick gewinnen.
Gebe Gott, daß der Herr Bundeskanzler mit seiner Auffassung recht hat; gebe Gott, daß ich mit meinen Befürchtungen unrecht habe.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, Sie haben die beiden Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU gehört, die Herr Abgeordneter Arndgen vorgetragen hat.
Ich lese den Änderungsantrag, soweit er Tit. 303 betrifft, vor, und zwar soll folgende Fassung beschlossen werden:
Besatzungsschäden aus der Zeit bis zum Inkrafttreten der Verträge, soweit nicht bei Tit. 304 zu buchen ist.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Zu Tit. 306 wird von der Fraktion der CDU/CSU folgende Fassung beantragt:
Deutsche Beteiligung bei neuen Schäden durch amerikanische, britische, dänische und norwegische Streitkräfte in Höhe von 25 vom Hundert der Entschädigungsbeträge.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegenprobe, bitte! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich komme dann unter Berücksichtigung dieser beschlossenen Änderung zum Antrag des Ausschusses Drucksache 374, der Ihnen vorliegt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Titel, dem Antrag Drucksache 374 entsprechend, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen worden.
Ich rufe auf:
Einzelplan 40 - Haushalt der sozialen Kriegsfolgeleistungen — .
Auch hier, meine Damen und Herren, liegt Ihnen ein Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses*) vor, erstattet vom Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Gengler, und zwar auf Drucksache zu 375.
Herr Abgeordneter Gengler wünscht lediglich einige ergänzende Bemerkungen zu machen. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Berücksichtigung der Vielgestaltigkeit und großen Bedeutung der in Einzelplan 40 — Haushalt der sozialen Kriegsfolgeleistungen — enthaltenen Sachgruppen mit einem Zuschußbetrag von 7,2 Milliarden DM, wie auch im Hinblick auf die Geschäftslage in der heutigen Sitzung habe ich meinen Bericht schriftlich vorgelegt. Ich erlaube mir darauf zu verweisen.*)
Nun noch eine kurze Ergänzung, veranlaßt durch eine Reihe uns zugegangener Schreiben. Das erste betrifft den Ansatz für Versorgungsbezüge in Kap. 4009, Kriegsopferversorgung, Tit. 300. Die Herabsetzung betrifft im ordentlichen Haushalt lediglich den Erstattungsbetrag an die Rentenversicherungsträger nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes, der in Tit. 304 in Höhe von 156 362 000 DM festgesetzt ist. Im Haushaltsausschuß wurde festge-
*) Siehe Anlage 2 Seite 1185
stellt, daß die Bundesregierung in den verflossenen Rechnungsjahren an die Rentenversicherungsträger bereits beträchtliche Zahlungen, nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums beträchtliche Überzahlungen, geleistet hat. Die endgültige Höhe der Schuld des Bundes konnte bis jetzt auch nicht annähernd ermittelt werden.
Bei den in Frage kommenden Doppelrenten ist es auch sehr schwierig, festzustellen, welches Ereignis zur Invalidität geführt hat, ob das Kriegsereignis oder die sonstige Neigung des Berechtigten zur Invalidität. Es bedarf daher noch eingehender Untersuchungen, da hier die Kalkulationen auseinandergehen. Dies betrifft also nur die Höhe des Erstattungsbetrages an die Rentenversicherungsträger nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes für die Doppelrenten. Daraus geht gleichzeitig hervor, daß die Rentenhöhe selbst durch den Ansatz nicht berührt wird. Würde der Rentenansatz nicht ausreichen, müßte die Rentenzahlung an die Kriegsopfer dennoch, erforderlichenfalls auf dem Wege der Haushaltsüberschreitung, geleistet werden.
In diesem Zusammenhang darf ich auf den weiteren zusätzlichen Ansatz im außerordentlichen Haushalt Kap. A 4009 Tit. 304 hinweisen, Abschlagszahlungen an die Rentenversicherungsträger nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes: 250 Millionen DM. Das ist bei der Gesamtbetrachtung der Leistung mit zu berücksichtigen.
Das zweite betrifft die Frage des Rentenrückstandes und der Rentenbearbeitung. Die Zahl der Anspruchsberechtigten in der Kriegsopferversorgung betrug am 31. März 1954 rund 4 343 000 gegenüber rund 4 347 000 am 31. Dezember 1953. Es ist also ein kleiner Rückgang von etwa 4 000 zu verzeichnen. Bei den Abgängen stehen voran die Waisen mit rund 23 000. Bei den anderen Sparten sind noch Zugänge zu verzeichnen.
Die Zahl der unerledigten Versorgungsanträge ist mit rund 470 000 noch groß. Sie hat aber erfreulicherweise im ersten Vierteljahr 1954 gegenüber dem Stand vom 31. Dezember 1953 um rund 74 000 abgenommen. Berücksichtigt man, daß im ersten Vierteljahr 1954 noch ein Zugang von 71 000 Neuanträgen zu verzeichnen war, so ergibt sich daraus, daß die Versorgungsämter im ersten Vierteljahr 1954 über 145 000 Anträge erledigt haben. Daß eine solch große Anzahl von Anträgen neben der Durchführung der Zweiten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz erledigt werden konnte, wollen wir als Leistung der Bediensteten der Versorgungsämter dankbar anerkennen. In Zukunft wird die Zahl der Neuanträge nicht mehr so hoch sein. Wir dürfen daher hoffen, daß im Laufe dieses Jahres noch eine starke Reduzierung der unerledigten Versorgungsanträge eintritt.
Im übrigen verweise ich hierzu, wie zur Personallage, auf meinen Schriftlichen Bericht nebst Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache 375.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für diese ergänzenden Bemerkungen.
Meine Damen und Herren, es liegen zu diesem Einzelplan eine Reihe Änderungsanträge vor. Zu Ihrer Information stelle ich sie noch einmal zusammen, damit Sie verfolgen können, ob sie Ihnen auch vorliegen:
Zunächst der Umdruck 51, Antrag der Fraktion der SPD, der bereits am 8. April beim Einzelplan 12 begründet worden ist. Es handelt sich um die
450 Millionen DM zur Abdeckung der der Deutschen Bundesbahn auferlegten betriebsfremden Aufwendungen.
Sodann die Änderungsanträge Umdruck 45 — Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kap. 4009 Tit. 104 —, Umdruck 59 — Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Petersen, Dr. Stammberger, Schneider und Genossen —, Umdruck 43 — Antrag der Fraktion der SPD betreffend Versorgungsbezüge —, Umdruck 70 Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Kap. 4010 Tit. 300 —, Umdruck 44 — Antrag der Fraktion der SPD betreffend Schaffung einer Abteilung für hirnverletzte Kriegsbeschädigte mit 100 Betten in Tübingen — und weiterhin noch Umdruck 62, ein Entschließungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei, der in der dritten Beratung zur Abstimmung kommt.
- Bitte!
Es liegt noch ein weiterer Antrag vor, der heute morgen eingegangen ist, nämlich in Kap. 4010 Tit. 300 den Zweckbestimmungsvermerk zu streichen.
Der Antrag lag mir bisher noch nicht vor, aber ich habe ihn jetzt vor mir: Umdruck 72 — Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kap. 4010 Tit. 300.
Damit haben wir, glaube ich, alle vorliegenden Änderungsanträge zusammengestellt.
Umdruck 51*) braucht nicht noch einmal begründet zu werden; das ist bereits geschehen.
Zur Begründung der Anträge der Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Rasch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich gut, daß der Haushalt der sozialen Kriegsfolgeleistungen gleich im Anschluß an den Haushalt der Verteidigungslasten beraten wird. Ich glaube, wir haben alle größte Ursache, einmal darüber nachzudenken und uns letzten Endes auch dazu zu bekennen, daß es notwendig ist, in der Bundesrepublik immer eine Politik zu betreiben, die dem Frieden dient und die verhindert, daß wir in den allernächsten Jahren bezüglich der sozialen Kriegsfolgeleistungen vielleicht vor eine neue Situation gestellt werden. Nach meiner Ansicht ist es unbedingt notwendig, diese beiden Einzelpläne einander gegenüberzustellen und miteinander zu vergleichen. Es ist auch notwendig, dabei auf die Presseberichte hinzuweisen, wonach das Amt Blank einen Fragebogen für diejenigen herausgebracht hat, die freiwillig der neuen deutschen Wehrmacht beitreten wollen. Ich stelle nur fest, daß bei diesem Fragebogen eines fehlt: die Frage, wieviel der kommende Soldat glaubt beanspruchen zu müssen, wenn ihm in der kommenden deutschen Wehrmacht durch Dienstunfall oder Krankheit irgend etwas geschieht.
Meine verehrten Damen und Herren, der Haushalt „Soziale Kriegsfolgeleistungen" beschäftigt sich in seinen Hauptfaktoren mit der Frage der Kriegsopferversorgung schlechthin. Dazu muß einmal vor diesem Hause festgestellt werden, daß seit dem Jahre 1950 keine Erhöhung der Grundrenten für die deutschen Kriegsopfer erfolgt ist. Wenn wir diesen großen sozialen Unruhekomplex in der Bundesrepublik beseitigen wollen, ist es, glaube ich,
*) Siehe Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der
24. Sitzung Seite 929 und Begründung Seite 849 D.
auch für dieses Haus notwendig, sich dazu zu bekennen, daß die soziale Lage der deutschen Kriegsopfer verbessert werden muß, und zwar in einem Maße, daß man tatsächlich von dem Bundesversorgungsgesetz als einem Gesetz der wirklichen Versorgung sprechen kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich erklären, daß, wahrscheinlich durch ein Mißverständnis, die große breite Masse der Kriegsopfer im Lande durch ein Interview im „Industriekurier" aufgebracht worden ist und daß das noch gesteigert wurde durch eine Pressekonferenz oder Presseverlautbarung einer Kriegsopferorganisation. Der Herr Bundesarbeitsminister soll hierbei erklärt haben, — —
Der Herr Bundesarbeitsminister soll hierbei erklärt haben, Herr Kollege Arndgen, —
Das spielt hier gar keine Rolle, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich habe nicht behauptet,
der Herr Bundesarbeitsminister habe erklärt, sondern ich habe nur gesagt: „er soll erklärt haben".
Es wäre im Interesse der deutschen Öffentlichkeit
und im Interesse der Kriegsopfer gut, wenn der Herr Bundesarbeitsminister von dieser Stelle aus erklären würde, daß seine Ausführungen nicht dem entsprochen haben, was die Presse nun einmal geschrieben hat.
Das wäre eindeutig und klar.
Herr Kollege Arndgen, Sie glaubten, eine Zwischenbemerkung machen zu müssen. Ich möchte trotzdem den „Industriekurier" einmal zur Hand nehmen und auf etwas Bezug nehmen, was der Herr Arbeitsminister nicht dementiert hat. Es heißt hier:
Durch Zustrom junger Menschen aus dem Osten will er eine günstigere Altersposition für die deutsche Rentenversicherung herbeiführen.
Ich möchte hier für meine Fraktion eindeutig sagen: Wir glauben aus vollem Herzen daran, daß Deutschland wieder vereinigt wird. Wir glauben dagegen nicht daran, daß es möglich ist, mit dieser Zahl von jungen Menschen das ganze Rentensystem wieder in eine geregelte Bahn und gerechte Ordnung zu bringen. Ich darf den Herrn Arbeitsminister vielleicht auch darauf hinweisen, daß jährlich auch zehntausend junge Deutsche in die Fremdenlegion hineingehen und daß die Zehntausende von Auswanderern doch zumindest auch aus den Kreisen der jungen Deutschen kommen. Ich meine, man soll es sich nicht so leicht machen und sich nicht durch manchmal vielleicht auch falsch ankommende Worte und Formulierungen in der deutschen Öffentlichkeit eine Blöße geben.
Ich darf zu dem Haushalt der Sozialen Kriegsfolgeleistungen auch einmal an folgendes erinnern. Ich möchte hier die Begründung der Bundesregierung zum Bundesversorgungsgesetz aus dem Jahre 1950 zitieren. Da heißt es, meine Damen und Herren:
Die Finanzlage des Bundes und der Länder ermöglicht es nicht, alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zu befriedigen. Das neue Gesetz kann nur in einem beschränkten Maße einen Ersatz wirtschaftlichen Schadens leisten.
In den letzten Jahren hat man von einem Wirtschaftswunder gesprochen. Ich bin daher der Meinung, daß man auch den deutschen Kriegsopfern nunmehr ihren Anteil an diesem deutschen Wirtschaftswunder zukommen lassen sollte.
Ich darf auch hier einmal an die Regierungserklärung vom Oktober vergangenen Jahres erinnern, in der es heißt, daß die Bundesregierung alles tun werde, um die im Schatten lebenden Menschen endlich auch einmal an den Erfolgen der Wirtschaftspolitik in unserer Bundesrepublik teilnehmen zu lassen, und ich möchte hier ganz klar und eindeutig feststellen, daß nicht Reden, Entschließungen und Formulierungen den Hunger stillen, sondern daß man auch bereit sein muß, sozial zu handeln und die Dinge sozial zu gestalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der deutschen Kriegsopfer beträgt zur Zeit 4 1/2 Millionen, eine enorm hohe Zahl. Ich glaube, daß wir in der Vergangenheit mit der notwendigen Mäßigung und der notwendigen Sachlichkeit an die Lösung dieser Dinge herangegangen sind. Aber ich habe in den letzten Wochen und Monaten erfahren müssen, daß auch Parlamentarier manchmal nicht wissen, wie „hoch" eigentlich die Grundbezüge der deutschen Kriegsopfer sind, und ich glaube, es ist zweckmäßig, das hier einmal hervorzuheben. Ich möchte feststellen: ein Kriegsbeschädigter mit einer Handversteifung links erhält im Monat 15 DM, ein Kriegsbeschädigter mit einer Handversteifung rechts 20 DM; bei dem Verlust eines Unterschenkels erhält er 25 DM und bei dem Verlust eines Oberschenkels 45 DM. Eine deutsche Kriegerwitwe erhält als Grundrente pro Monat 40 DM, eine Halbwaise 10 DM und eine Vollwaise 15 DM.
Es erscheint mir notwendig, hier auszusprechen, daß diese Bezüge dringend einer Aufbesserung bedürfen, und wir sollten . uns nicht den Forderungen gegenüber verschließen, die alle deutschen Kriegsopferverbände zu Recht erheben, nämlich die Grundrenten zu erhöhen.
Eine Erhöhung der Grundrenten ist jedoch nur dann möglich, wenn wir hier die Ansatzposition der Bundesregierung im Bundeshaushaltsplan beibehalten und es nicht dazu kommen lassen, daß im Einzelplan 40 unter Kap. 4009 Tit. 300 255 Millionen gestrichen werden. Der Herr Berichterstatter hat zwar ausgeführt, daß diese gestrichenen Mittel im außerordentlichen Haushalt wieder für die Inanspruchnahme nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes zur Verfügung stehen; aber damit ist keine Gewähr dafür gegeben, daß wir in der allernächsten Zeit eine Erhöhung der Grundrenten für die deutschen Kriegsopfer erreichen. Ich darf in diesem Zusammenhang einmal an die Rede des Herrn Bundesfinanzministers vom 2. Juli vergangenen Jahres erinnern, in der er betont hat, daß die seinerzeit zur Debatte stehenden Anträge Ausgaben von 380 Millionen bzw. 900 Millionen zur Folge haben würden. Ich muß hier feststellen, daß der Voranschlag der Bundesregie-
rung für die Versorgung der Opfer des Krieges noch niemals überschritten worden ist. Es ist eine Tatsache, daß all das, was das Parlament beschlossen hat, auch durch die Voranschläge in den Haushaltsplänen gedeckt werden konnte.
Man macht uns immer den Vorwurf, daß wir Wahlanträge stellen.
Ich wäre glücklich gewesen, Herr Kollege Arndgen, wenn Sie Ihren Antrag, den Sie am 2. Juli vergangenen Jahres stellten, wobei Sie erklärten, daß es möglich sei, am 1. April dieses Jahres die Grundrenten um 20 % zu erhöhen, heute durch Ihre Fraktion hätten einbringen lassen.
Es ist meines Erachtens auch nicht gut, wenn man in einer bestimmten Situation einen Antrag einbringt wie seinerzeit durch die Kollegin Frau Dr. Probst auf Umdruck 1034. Der Antrag war von einigen Mitgliedern ihrer damaligen Fraktion unterschrieben. Wie wir in der namentlichen Abstimmung feststellten, haben sich die Antragsteller der Stimme enthalten,
und einer der Antragsteller hat sogar dagegen gestimmt.
Wenn das keine Wahlpropaganda ist, meine Damen und Herren, und wenn Sie etwas anderes dazu zu sagen haben, dann lasse ich mich selbstverständlich gern belehren.
Aber nun das Entscheidende für unsere Forderung auf Erhöhung der Grundrenten. Der Herr Bundesarbeitsminister ist ja kein Freund von Beiräten oder von wissenschaftlichen Institutionen, aber ich möchte ihn hier doch einmal darauf aufmerksam machen, daß sein von ihm berufener Beirat für Versorgungsrecht beim Bundesarbeitsministerium, der sich aus Vertretern der deutschen Länder, der Kriegsopferverbände und aus sozial erfahrenen Persönlichkeiten zusammensetzt, am 16. Februar dieses Jahres einstimmig beschlossen hat, dem Arbeitsminister zu empfehlen, in Anbetracht der seit 1950 veränderten Lohn- und Preisverhältnisse die Grundrenten zu erhöhen.
Ich würde es in diesem Zusammenhang begrüßen, wenn der Herr Minister sich auch einmal zu dem Beschluß seines Beirats äußern würde.
Was uns allerdings nachdenklich stimmt, ist ein Satz, der in dem Deckblatt zum Einzelplan enthalten ist. Da heißt es, daß durch die Nachuntersuchungen von Kriegsbeschädigten eine ganz erhebliche Summe eingespart wird. Ich glaube, Sie sollten einmal nach draußen horchen, um festzustellen, was man in den deutschen Landen davon denkt und was die alten Veteranen des ersten Krieges dazu sagen, die mit 60 und mehr Jahren zur Nachuntersuchung zitiert werden, nachdem sie seit 1920 oder 1923 eine Kriegsopferrente erhalten. Ich glaube, auch hier einmal im Gegensatz zu mancher Ministererklärung feststellen zu müssen: Für die Sozialdemokratische Partei ist der Ausbau der Versorgung noch nicht abgeschlossen.
Wenn man schon von Versorgung spricht, dann soll
man sich auch zu einer wahren Versorgung be-
kennen und soll es den Menschen ersparen, den zusätzlichen Weg zur Fürsorge zu machen. Es ist eine Tatsache, daß 20 % der deutschen Ausgleichsrentenempfänger zusätzlich Fürsorgeunterstützung in Anspruch nehmen müssen.
Ich möchte zum Schluß kommen. Man kann Haus und Hof wieder ersetzen, und wir als Sozialdemokraten hoffen mit heißem Herzen, daß wir die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie wieder in unser gemeinsames Deutschland aufnehmen können. Ich muß hier aber einmal feststellen, daß wir auch eine soziale, sittliche und moralische Pflicht haben, für die Witwen des Krieges, für die Beschädigten des Krieges zu sorgen. Denn ihr Opfer währt ihr ganzes Leben lang und ist durch keine Macht der Welt wieder zu beseitigen.
Was denkt man sich dabei, wenn man es in dieser Stunde, wo die Frage der Versorgung der Kriegsopfer noch nicht abgeschlossen ist, den Gesunden wieder zumutet, erneut Waffendienst zu tun?
Ich glaube, wenn wir hier schon einmal offen und ehrlich darüber sprechen, müssen wir uns auch alle gemeinsam dazu bekennen, daß die Opfer zweier Weltkriege eine ansprechende Versorgung erhalten.
Nun noch ein Vergleich, der in mancher Beziehung vielleicht nicht immer zutrifft und nicht stimmen kann, weil die Verhältnisse in den übrigen Ländern der Welt immerhin anders sind. Aber Tatsache ist, daß die Kriegsopferversorgung Deutschlands verglichen mit den übrigen Ländern der Welt mit am Ende rangiert. Ich glaube, man soll nicht nur gemeinsam die freie Welt verteidigen, sondern man soll auch dafür sorgen, daß die Vorzüge, Freiheiten und Möglichkeiten der Welt auch einmal den Deutschen zugute kommen.
Ich habe hier eine Mitteilung eines Presseinformationsdienstes der FDP gelesen, in der der Abgeordnete Kühn ausführt, daß auch nach seiner Auffassung eine Erhöhung der Grundrenten notwendig sei. Wenn Sie die Grundrenten erhöhen wollen, meine Damen und Herren, dann stimmen Sie dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu. Sonst wird es uns im Laufe der nächsten Zeit nicht möglich sein, die Grundrenten für Kriegsopfer zu erhöhen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, im Namen meiner Fraktion, in dieser Frage, wo es um die deutschen Kriegsopfer geht, wieder einmal eine einheitliche Auffassung des Hauses zur Geltung zu bringen, und ich bitte Sie im Interesse der deutschen Kriegsopfer, unseren Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Abgeordneten R a sch dankbar dafür, daß er diese leidige Angelegenheit mit dem „Industriekurier" hier zur Sprache gebracht hat. Der „Industriekurier" hat tatsächlich unter dem 3. April unter der Überschrift „Interview mit dem Bundesarbeitsminister" eine Meldung gebracht, die, na, ich möchte beinahe sagen, soweit es die Kriegsbeschädigten angeht, ein mehr als starkes Stück ist. Ich habe diesen Artikel des „Industriekurier" nicht gelesen, bis mir jetzt auf einmal die Entschließung
des VdK zu Ohren kam. Ich habe daraufhin beim „Industriekurier" angefragt, wer mich denn interviewt habe. Soviel mir bekannt sei, habe nur ein Gespräch über die Erhöhung der Altrenten in der Sozialversicherung stattgefunden, und am Rande habe mich dann die Vertreterin dieser Zeitung gefragt, was denn nun eigentlich bei der ganzen Erörterung der Frage der allgemeinen Sozialreform herauskomme und ob es nicht zweckmäßig sei, diese kleinen Renten bei denjenigen Menschen, die ein volles Einkommen hätten, zu beseitigen. — Ich habe darauf geantwortet, daß es für mich sinnlos sei, über dieses Problem zu verhandeln oder zu sprechen, weil diese Rentenregelungen im Bundesversorgungsgesetz festgelegt seien und weil ich wisse, daß, selbst wenn ich es wollte - was aber nicht zutreffe —, das Parlament mir bei einer derartigen gesetzlichen Neuordnung der Dinge nicht folgen werde. Es habe also gar keinen Zweck, darüber auch nur ein Wort zu reden.
Im „Industriekurier" von gestern finden Sie nun eine Notiz „Falscher Akzent", in der anscheinend nach den tatsächlichen stenographischen Aufzeichnungen der Vertreterin dieser Zeitung die Wahrheit geschrieben wird. Dort sagt man:
Der Bundesarbeitsminister ist sich, wie wir uns versichert haben, völlig darüber im klaren, daß allgemein an den Kriegsbeschädigtenrenten nichts geändert werden kann und soll. Selbst wenn er es wollte, was keineswegs der Fall ist, wäre dafür eine Mehrheit im Parlament nicht zu erreichen.
Es erübrige sich deshalb, darüber noch weiter zu sprechen.
Ich bin nun nicht dazu berufen, angesichts einer derartigen Berichterstattung für den „Industriekurier" Erklärungen abzugeben. Das muß die Zeitung selber tun. Ich bin aber der Meinung, daß man das den Kriegsbeschädigten draußen in aller Offenheit sagen sollte. Denn in dem angeblichen Interview steht ganz klar, ich hätte die Äußerung getan: wenn es nach mir ginge, würden die Grundrenten allgemein beseitigt und zur Aufstockung der Leistungen bei besonders schwierigen Fällen verwandt, d. h. also, einem Schwerbeschädigten oder Schwerstbeschädigten würden 80 DM, vielleicht noch mehr, von seiner Rente genommen. Wohl alle Kenner der Verhältnisse wissen, daß dies für mich eine Unmöglichkeit ist.
Dann bin ich gefragt worden, was ich zu dem Beschluß des Beirats in meinem Ministerium meine. Es ist ganz selbstverständlich, Herr Abgeordneter Rasch, daß alle Beschlüsse oder Entschließungen, die der Beirat faßt oder annimmt, in meinem Ministerium sehr ernst genommen werden, und zwar vor allen Dingen dann, wenn es sich um die Versorgung der Kriegsopfer handelt. Denn ich weiß, welche besondere Tragik und Schwierigkeiten es nun einmal bei dieser Menschengruppe gibt. Aber jede Erhöhung der Renten erfordert natürlich eine Finanzierung. Meines Erachtens kann man jedoch diese Finanzierung nicht so sicherstellen, wie Sie sich das vorstellen, nämlich Überansätze aufstellen und nachher sagen: Das Geld wird da ja gar nicht gebraucht, deswegen können wir es hierherschieben! Nach meiner Ansicht muß der Bundeshaushalt ehrlich sein. Er muß die Leistungen, die durch gesetzliche Bestimmungen gegeben sind, auch in bezug auf die Finanzierung sicherstellen, darf aber nicht gesetzliche Regelungen für die Zukunft treffen. So kann man es nicht machen! Wenn Sie den Antrag stellen, das, was bezüglich dieses Haushalts im Haushaltsausschuß vereinbart worden ist, wieder zu ändern, dann beachten Sie doch folgendes. Die Rentenversicherungsträger bezahlen zur Zeit an 250 000 Kriegsbeschädigte eine Invalidenrente. Wir bezahlen an 350 000 Kriegerwitwen aus den Mitteln der Sozialversicherung Witwenrenten und für 970 000 Kriegerwaisen Waisenrenten. Nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes ist der Bund verpflichtet, den Rentenversicherungsträgern diese Aufwendungen zu erstatten. Das ist eine ganz klare gesetzliche Bestimmung, an der auch dieses Hohe Haus nicht vorbeigehen kann.
Man hat nunmehr in den Etat annähernd das, was die Rentenversicherungsträger vom Bund zu beanspruchen haben, eingesetzt. Ich bin der Meinung, daß alle Abgeordneten dieses Hauses, ganz gleichgültig, auf welcher Seite sie sitzen, ein Interesse daran haben, daß den Rentenversicherungsträgern ihr Recht wird, damit sie auch ihren anderen Versicherten, den alten und invaliden Menschen, ihr Recht zuteil werden lassen können. Wenn sich hier eine Kluft von einer viertel Milliarde DM aufgetan hat, dann ist es klar, daß man die Rechtsansprüche, die die Versicherten durch ihre Beitragszahlungen erworben haben, einfach nicht befriedigen kann. Ich bin also der Meinung, daß es sich hier um einen echten Etatansatz handelt, der für die Erfüllung des § 90 des Bundesversorgungsgesetzes einfach notwendig ist.
Meine Damen und Herren, den Änderungsantrag Umdruck 59*) wünscht Herr Abgeordneter Petersen zu begründen. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Antragsteller habe ich zum Umdruck 59 folgendes zu erklären. Bei den zahlreichen Problemen der Kriegsopferversorgung, die zu lösen sind, erfüllt uns mit ernster Besorgnis die Tatsache, daß seit Jahren ein ungeheures Ausmaß an unerledigten Rentenanträgen vorliegt. Ende 1952 waren rund 810 000 unerledigte Anträge vorhanden. Durch die Einstellung von 859 Aushilfsangestellten im Jahre 1953 war es möglich, diese Rückstände auf 544 000 Rentenanträge zurückzuschrauben.
Wir haben im Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen einmütig festgestellt, daß es dringend notwendig ist, von seiten des Bundesfinanzministers eine Erhöhung des Personalbestandes der Versorgungsämter sicherzustellen. Deshalb haben wir dem Haushaltsausschuß die dringende Empfehlung zugeleitet, es nicht nur bei dem alten Personalbestand zu belassen, sondern einen Personalbestand von rund 1000 Aushilfsangestellten vorzusehen. Der Haushaltsausschuß hat aber unseren Ratschlägen leider nicht Folge geleistet. Er hat im Gegenteil die Zahl der Aushilfsangestellten auf 750 zurückgeschraubt. Ich muß dabei allerdings feststellen, daß diese Schmälerung im wesentlichen dadurch ausgeglichen ist, daß 109 Angestellte in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen worden sind.
Im Haushaltsausschuß ist von seiten eines Kollegen das berühmte Wort „Rationalisierung" gefallen. Er hat gesagt, man solle nicht mit einer Erhöhung des Personalbestandes, sondern mit einer Rationalisierung der Arbeit die ungeheuren
Rückstände auszugleichen trachten. Nun bin ich der
Meinung, daß Rationalisierung immer dort am *) Siehe Anlage 7 Seite 1192
Platze ist, wo noch Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeit auszuschöpfen sind. Bei den Versorgungsämtern ist das aber im wesentlichen nicht der Fall. Wir haben im Ausschuß übereinstimmend festgestellt, daß die Aushilfsangestellten ihre Pflicht erfüllt haben. Es war aber ein Übermaß an Arbeit vorhanden, das über ihre Kräfte hinausging. Ein Vergleich mit den Verhältnissen nach dem ersten Weltkrieg in dieser Beziehung gibt uns recht. Die Umstellung nach dem Reichsversorgungsgesetz nach dem ersten Weltkrieg dauerte rund drei Jahre, obwohl der Arbeitsvorgang damals wesentlich einfacher war, weil wir eine einheitliche Rente hatten. Die Umanerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz dauerte nur anderthalb Jahre. Der Aktenanfall nach dem ersten Weltkrieg betrug rund 450 Akten für einen Sachbearbeiter. Jetzt ist das Soll auf 500 festgelegt. In der Praxis haben die Sachbearbeiter jedoch fast rund 700 bis 800 Aktenanträge zu bearbeiten. Das geht über ihre Kräfte und greift den Gesundheitszustand erheblich an. Es hat außerdem dazu geführt, daß zahlreiche Mitarbeiter nicht ihren Urlaub haben nehmen können.
Von den Damen und Herren in diesem Hause wird sich niemand der Erkenntnis verschließen können, daß es notwendig ist, die halbe Million Rentenanträge im laufenden Haushaltsjahr zu erledigen. Es kann sich also nur um die Frage handeln, was wir tun müssen, um das zu erreichen. Wir haben unser gemeinsames Anliegen zum Ausdruck gebracht, den Personalbestand bei den Versorgungsämtern zu erhöhen. Uns bewegt nicht allein die Sorge um die Erledigung dieser Anträge, sondern es ist uns auch ein dringendes Anliegen, den Staat vor weiteren Verlusten zu bewahren. Es ist nämlich erwiesen, daß in den letzten Jahren Rentenüberzahlungen in Höhe von rund 84 Millionen DM vorgekommen sind, und zwar einfach deswegen, weil die Meldungen von veränderten Einkommens- und Personalverhältnissen ein Jahr oder anderthalb Jahre lang von den Versorgungsämtern nicht haben bearbeitet werden können. Die Renten sind in alter Höhe weitergezahlt und natürlich von den Empfängern verbraucht worden, weil sie des Glaubens gewesen sind, daß die Sache in Ordnung sein werde, wenn trotz der Meldung die Rente in alter Höhe geleistet wurde. Von den 84 Millionen DM Rentenüberzahlungen haben nur rund 57 Millionen DM zurückgefordert werden können. Auf den Rest ist nicht mehr zu hoffen. Wenn wir dem gegenüberstellen, daß die Unkosten für eine Erhöhung des Personals auf etwa 1000 Aushilfsangestellte nur 1,3 Millionen DM ausmachen, liegt klar auf der Hand, wie hier auch nach fiskalischen Gesichtspunkten zu handeln ist.
Wir können feststellen, daß sich der Herr Arbeitsminister und auch der Herr Finanzminister dieser Argumentation nicht haben verschließen können. Mit Genugtuung haben wir davon Kenntnis genommen, daß der Herr Finanzminister in mündlichen Besprechungen, aber auch in einem Schreiben an den Herrn Arbeitsminister vom 29. April 1954 seine Bereitschait erklärt hat, über die angesetzten 750 Aushilfsangestellten hinaus so viele Kräfte zu bewilligen, daß die Rentenantragsrückstände im laufenden Haushaltsjahr aufgearbeitet werden können. Wir sprechen vor diesem Parlament die Hoffnung aus, daß nun der Herr Arbeitsminister die Kräfte anfordert, damit die Rückstände erledigt werden und der außerordentliche soziale Notstand der Kriegsopfer in diesem Punkt behoben wird.
Mit Rücksicht auf die Zusage des Herrn Finanzministers darf ich daher im Namen der Antragsteiler den Antrag Umdruck 59 zurückziehen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir verfahren zweckmäßigerweise so, daß zunächst die vorliegenden Anträge, soweit sie noch nicht begründet sind, begründet werden und wir dann in die Aussprache über die Anträge und in die Einzelbesprechung der Zweiten Beratung eintreten.
Herr Abgeordneter Traub wünscht die Anträge Umdrucke 44*) und 45**), wenn ich recht verstanden habe, zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion darf ich die Änderungsanträge auf den Umdrucken 44 und 45 begründen. Zunächst zu Umdruck 44, bei dem es sich darum handelt, daß für eine Abteilung für hirnverletzte Kriegsbeschädigte in einem Krankenhaus in Tübingen im Etat 1954 zunächst einmal 150 000 DM als verlorener Zuschuß eingesetzt werden sollen. Dieser Antrag hat folgende Vorgeschichte. Dem Haushaltsauschuß lagen ein Schreiben des Herrn Arbeitsministers von Baden-Württemberg und auch ein Schreiben des Verbandes der Kriegsbeschädigten vor, die besagten, daß wir im Haushalt 1954, wie gesagt, 150 000 DM zunächst als erste Rate für die Schaffung eines HirnverletztenKrankenhauses in Tübingen einsetzen sollten. Der Herr Berichterstatter hat ja in dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses zu Drucksache 375 auf Seite 3 unten darauf hingewiesen, daß dieser Antrag noch nicht etatreif ist. Ich hätte es außerordentlich begrüßt, wenn Herr Abgeordneter Gengler in seinem Schriftlichen Bericht dasselbe zum Ausdruck gebracht hätte wie im Haushaltsausschuß. Dort hat er sich nämlich positiv zu diesem Antrag ausgesprochen und hat dort gesagt, daß wir es, glaube ich, vom Haushaltsausschuß begrüßen sollten, wenn diesem Wunsche Rechnung getragen würde und wenn der Haushaltsausschuß die Bundesregierung, nämlich den Herrn Bundesarbeitsminister und den Herrn Bundesfinanzminister, beauftragen würde, Verhandlungen mit der Berufsgenossenschaft in dieser Hinsicht aufzunehmen.
— Herr Kollege Krammig, die Ansicht des Ausschusses war doch wohl dieselbe; denn es ist der Ansicht des Herrn Kollegen Gengler nicht widersprochen worden. Ich hätte es begrüßt, wenn man, um die Verhandlungen des Haushaltsausschusses wiederzugeben, dies zum Ausdruck gebracht hätte.
Welche Bewandtnis hat es nun mit dem Antrag? Nach 1945 haben die Franzosen die chirurgische Klinik in Tübingen belegt und in Anspruch genommen. Das Land Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren Verhandlungen geführt, um diese chirurgische Klinik wieder frei zu bekommen, weil dort bekanntlich wieder ein Lehrstuhl für Chirurgie errichtet werden sollte. Die Franzosen waren damit einverstanden, und man ist nach langen Verhandlungen dazu gekommen, daß die Franzosen sagten: Gut, wenn ihr uns ein Ausweichquartier zur Verfügung stellt, sind wir bereit, diese Klinik zu räumen. Das Land Baden-Würt-
*) Siehe Anlage 5 Seite 1190 **) Siehe Anlage 6 Seite 1191
temberg ist mit der Besatzungsmacht dann darüber einig geworden, das Versorgungskrankenhaus, das dort in der Nähe liegt, zur Verfügung zu stellen. Das bedeutete natürlich, daß die Abteilung für Hirnverletzte, die in dem Versorgungskrankenhaus untergebracht ist, praktisch nun keinen Platz mehr gehabt hätte. Die Franzosen haben gesagt: Wir müssen aber den Teil fein säuberlich von dem übrigen Versorgungskrankenhaus abtrennen. Das ist auch geschehen. Es sind Mittel zur Verfügung gestellt worden, ich glaube 187 000 DM, und im Mai wollen nun die Franzosen den Umzug in diesen Teil des Versorgungskrankenhauses vornehmen. Dieses Verhandlungsergebnis ist mit Billigung der Bundesregierung zustande gekommen. Die Frage war: was geschieht nun? Zunächst war daran gedacht, für die Franzosen in Tübingen eine neue Klinik aus Mitteln des Besatzungskostenhaushalts zu errichten. Das hat der Herr Bundesfinanzminister abgelehnt.
Der zweite Gedanke war, eine neue Abteilung für die Hirnverletzten in Tübingen mit 100 Betten zu bauen. Auch diese Verhandlungen sind nicht zum Abschluß gekommen , weil zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister Schwierigkeiten entstanden sind.
Nun kam der dritte Plan, mit dem wir uns heute zu beschäftigen haben. Die gewerblichen Berufsgenossenschaften haben nämlich gesagt, sie seien bereit, in Tübingen ein Krankenhaus mit 220 Betten für die Unfallverletzten zu errichten — die Kosten sollen 6,8 Millionen DM betragen — und dem Bund bzw. dem Land davon 90 bis 110 Betten für die Unterbringung der Hirnverletztenabteilung zur Verfügung zu stellen. Bedingung ist aber, daß der Bund sich bereit erklärt, zu den entstehenden Kosten in Höhe von 2,8 bis 3 Millionen DM einen verlorenen Zuschuß im Betrage von 1,5 Millionen DM zu geben. Die Bauabschnitte werden sich ungefähr auf drei Jahre erstrecken, und so soll im ersten Jahr, 1954, zunächst nur ein Betrag von 150 000 DM ausgesetzt werden.
Es ist eine Tatsache, daß wir im Südwestraum heute ungefähr 8- bis 10 000 Hirnverletzte haben und daß gerade in Tübingen bzw. in Baden-Württemberg die Industrie sich sehr darum bemüht hat, diese Hirnverletzten nachher auch in der Industrie unterzubringen und ihnen einen Arbeitsplatz zu verschaffen. Deshalb müssen wir selbstverständlich Wert darauf legen, daß nach Ablauf der zweieinhalb oder drei Jahre, wenn das Versorgungskrankenhaus geräumt werden soll, auch wieder eine Abteilung zur Verfügung steht, wo diese Hirnverletzten untergebracht werden können.
Ich sagte eben schon, zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister ist eine Einigung nicht erzielt worden. Ich habe vom Arbeitsministerium Baden-Württemberg eine Mitteilung bekommen, wonach diese Verhandlungen jetzt so weit abgeschlossen sind, daß die Berufsgenossenschaften im August dieses Jahres mit dem Bau ihrer Klinik mit 220 Betten beginnen wollen, wenn der Bund grundsätzlich seine Einwilligung dazu gibt, daß der verlorene Zuschuß in mehreren Raten zur Verfügung gestellt wird. Es wäre noch ein Vertrag mit den Berufsgenossenschaften abzuschließen.
Wir haben in unserem Antrag auf Umdruck Nr. 44 vorgeschlagen, für diese 150 000 DM zunächst einen Sperrvermerk einzusetzen, denn wir wünschen ja nicht, daß die Gelder ausbezahlt werden, bevor diese Verhandlungen abgeschlossen sind und mit dem Bau angefangen wird, sondern wir bezwecken mit unserem Antrag lediglich, daß der Deutsche Bundestag seine Bereitschaft zum Ausdruck bringt, diesen Betrag für die Unterbringung der Hirnverletzten zur Verfügung zu stellen. Das muß jetzt geschehen, denn die Berufsgenossenschaft beginnt mit dem Bau erst, wenn der Deutsche Bundestag seine Zustimmung dazu gegeben hat, daß diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir hören ja bei jeder Gelegenheit immer wieder, wir sollten doch unsere Anträge bei den Haushaltsberatungen stellen. Deshalb wollen wir heute diesen Beschluß des Bundestages herbeiführen.
Noch etwas anderes hat mich dazu bewogen, heute diesen Antrag im Namen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zu stellen. Ich hatte die Ehre, als Vertreter an der Bundestagung der Hirnverletzten in Tübingen teilzunehmen. Als Vertreterin der CDU/CSU-Fraktion war meine verehrte Kollegin Rösch dort anwesend, und ich habe es außerordentlich begrüßt, daß Frau Rösch den Mut aufgebracht hat, diesen gordischen Knoten einmal zu durchhauen, indem sie gesagt hat: Ich erkläre hiermit, ich möchte Ihnen in voller Verantwortung das Versprechen geben, daß das Haus mit Unterstützung des Bundes hier gebaut wird. Frau Kollegin Rösch hat noch zum Ausdruck gebracht: In dem Moment, wo die Planung Gestalt gewonnen hat und die Arbeit beginnt, ist der Kriegsopfer -und Haushaltsausschuß, sicher auch der Bundestag zusammen mit der Bundesregierung bereit, alles Erforderliche zu tun usw. Ich habe mich außerordentlich darüber gefreut, daß die Dinge auf diese Weise einmal geregelt werden. Hier kann man, glaube ich, einmal das alte schwäbische Sprichwort anwenden, Frau Kollegin Rösch: Ein wackerer Schwabe fürcht sich nicht. In diesem Falle war es eine wackere Schwäbin. Es wird dankbar anerkannt werden, wenn Sie nun im Etat die Dinge auf diese Weise regeln.
Ich darf Sie also bitten, meine Damen und Herren, dem Antrag auf Umdruck 44 Ihre Zustimmung zu geben; denn der Deutsche Bundestag sollte nach meiner Auffassung nicht davor kapitulieren, daß der Herr Bundesarbeitsminister und der Herr Bundesfinanzminister bisher keine Vereinbarung zustande bringen konnten, wie nun diese Hirnverletztenabteilung in Tübingen geschaffen werden soll. Wenn heute der Bundestag erklärt, er wolle grundsätzlich, daß diese Hirnverletztenabteilung in Tübingen erhalten bleibt — wir müssen das tun —, dann können Sie, meine Damen und Herren, dem Antrag auf Umdruck 44 auch Ihre Zustimmung geben.
Nun darf ich noch den Änderungsantrag Umdruck 45 begründen. Es handelt sich hier darum, daß statt, wie vorgesehen, 750 Aushilfsangestellten wieder der alte Ansatz des Jahres 1953 mit 859 Angestellten eingesetzt wird. Herr Kollege Petersen hat vorhin den Antrag Umdruck 59 auf Grund eines Schnellbriefs, der dem Herrn Bundesminister für Arbeit von dem Herrn Bundesminister der Finanzen zugegangen ist, zurückgezogen. Ich werde dazu nachher noch einige Worte sagen. Was hat es mit diesem Antrag für eine Bewandtnis? Bei der Etatberatung ist uns ein Deckblatt vorgelegt worden, aus dem ersichtlich war, daß im Jahre 1953 859 Aushilfsangestellte zusätzlich bewilligt waren und daß für das Jahr 1954 statt 859 nur noch 750 Planstellen vorgesehen
sind. Auch ich habe es bedauert, daß der Herr Berichterstatter in seinem Bericht nicht zum Ausdruck gebracht hat, daß Frau Kollegin Probst einmal einen Antrag gestellt hat, die Zahl dieser Aushilfsangestellten auf 1000 zu erhöhen. Nachdem dieser Antrag, ich glaube, mit 8 gegen 9 Stimmen abgelehnt wurde — ich selbst habe ihn unterstützt —, habe ich einen Eventualantrag gestellt, es doch bei dem alten Ansatz für 859 Angestellte zu belassen. Dieser Antrag wurde bei Stimmengleichheit abgelehnt. Das Plenum des Deutschen Bundestages sollte davon unterrichtet sein, daß diese Anträge im Haushaltsausschuß gestellt worden sind.
Der Herr Berichtertatter weist in seinem Bericht darauf hin, daß der Status quo des Jahres 1953 in der Frage des Personals erhalten geblieben sei. Meine Damen und Herren, ich bin anderer Auffassung. Der Status quo ist nicht erhalten geblieben. Der Herr Berichterstatter hat sich in seinem Bericht schon selbst widersprochen, indem er hier sagt, es seien nur 29 Stellen für Beamte mehr geschaffen worden, und dann weiter erklärt, es seien 150 Stellen für Angestellte für das Vorverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz genehmigt worden. Meine Damen und Herren, wir haben doch bereits im Haushaltsausschuß eingehend darauf hingewiesen, daß diese 150 Stellen in gar keiner Weise mit dem bisherigen Personal in Verbindung gebracht werden dürfen. Es handelt sich hier um die Durchführung eines neuen Gesetzes, es handelt sich darum, daß das Vorverfahren überhaupt durchgeführt werden kann. Dafür sind 150 Kräfte erforderlich. Die haben mit dem bisherigen Personal der Kriegsopferversorgungsverwaltung überhaupt nichts zu tun. Wir wollen das hier ganz klar feststellen, damit nachher keine Mißverständnisse entstehen.
Nun, meine Damen und Herren, ich sagte gerade, daß die beiden Anträge im Haushaltsausschuß mit knapper Mehrheit oder bei Stimmengleichheit abgelehnt wurden. Ich habe damals schon zum Ausdruck gebracht, daß wir im Plenum diese Anträge unbedingt wiederholen müssen, weil wir der Auffassung sind, daß wir im Augenblick nicht daran gehen können, das Personal der Kriegsopferversorgungsverwaltung abzubauen. Es ist doch eine Tatsache, daß heute, neun Jahre nach einem solch totalen Zusammenbruch, noch ungefähr eine halbe Million Rentenanträge unerledigt sind. Diese Tatsache wurde auch im Haushaltsausschuß bekanntgegeben, und vor ihr können wir doch die Augen nicht verschließen, wenn wir nicht erreichen wollen, daß die Kriegsopfer draußen an der Gerechtigkeit in unserem demokratischen Staat zweifeln. Denn diese Menschen wollen doch endlich einmal einen Bescheid haben, wie es mit ihren Anträgen steht.
Herr Kollege Gengler hat vorhin anerkennend erwähnt, daß das Personal der Kriegsopferversorgungsverwaltung in den letzten Jahren Großes geleistet habe. Auch ich möchte das von dieser Stelle aus feststellen. Auch ich weiß aus Kenntnis der Dinge, daß in Versorgungsämtern das Personal 12 und 15 Stunden herangezogen wurde, um die Gesetze, die der Deutsche Bundestag verabschiedet hat, überhaupt einigermaßen durchführen zu können. Man hat also praktisch diese Menschen ausgebeutet. Dabei handelt es sich bekanntlich großenteils um Kriegsbeschädigte, die dort beschäftigt sind. Es kommt hinzu, daß auch die Zweite Novelle
zum Bundesversorgungsgesetz in verschiedenen Versorgungsämtern zum großen Teil noch nicht durchgeführt ist. Deshalb darf auf keinen Fall ein Personalabbau erfolgen.
Wir haben im Haushaltsausschuß darüber gesprochen, ob es nicht möglich wäre, daß sich der Bundesrechnungshof einmal damit beschäftigt, festzustellen, wieviel Personal in den einzelnen Versorgungsämtern überhaupt noch notwendig ist. Wir haben es sehr bedauert, daß das Bundesarbeitsministerium im Haushaltsausschuß keine genauen Zahlen darüber bekanntgeben konnte, was an Personal noch erforderlich ist, um eine reibungslose Durchführung der Gesetze zu ermöglichen. Die Tatsache, daß uns keine konkreten Zahlen genannt werden konnten, war wohl auch der Grund dafür, daß die Anträge im Haushaltsausschuß abgelehnt wurden. Es wurde hier schon darauf hingewiesen, daß 80 Millionen DM an Renten überzahlt worden sind. Wenn das Bundesarbeitsministerium dem Bundestag gesagt hätte: Wir brauchen noch ein paar hundert Angestellte, um zu erreichen, daß diese Rentenüberzahlungen endlich einmal aufhören, — ich glaube, dann hätte man mit einem geringen Teil dieser Rentenüberzahlungen das geschafft, was hier angestrebt wird.
Wir haben nun den Antrag gestellt, es bei dem alten Ansatz von 859 Angestellten zu belassen. Das besagt aber nicht, daß wir der Auffassung sind, diese 859 Angestellten reichten aus, die Bundesversorgungsverwaltung personell richtig auszustatten, sondern dieser Antrag besagt, daß wir zunächst einmal diese Zahl erhalten wissen wollen. Auf Grund der Erhebungen, die wir in den letzten drei Wochen angestellt haben, sind wir zu der Oberzeugung gekommen, daß mindestens 1500 Personen erforderlich wären, und zwar Dauerangestellte, um das Bundesversorgungsgesetz wirklich durchzuführen, um die Bundesversorgungsverwaltung personell richtig auszustatten. Ich glaube, man ist bei der Schaffung des Organisationsgesetzes auch von falschen Voraussetzungen ausgegangen, wenn man, wie früher beim Reichsversorgungsgesetz, die Zahl 500 als Aktenzahl zugrunde gelegt hat. Heute ist es doch so — das kam auch im Ausschuß zum Ausdruck —, daß auf einen Sachbearbeiter 700 bis 800 Akten zur Bearbeitung entfallen. Eine Akte nach dem Bundesversorgungsgesetz ist außerdem nicht gleich einer Akte nach dem Reichsversorgungsgesetz.
Meine Damen und Herren! Denken Sie einmal daran, daß es nach dem Jahre 1919 ungleich leichter war, die ganzen Unterlagen zu beschaffen, als es nach einem Zusammenbruch wie dem des Jahres 1945 möglich war. Was sind denn heute alles für Erhebungen erforderlich! Was ist heute notwendig, um für die Heimatvertriebenen, die wir bekommen haben, die Unterlagen zusammenzusuchen! Das ist doch ungleich schwerer, als es nach dem ersten Weltkriege der Fall war. Wir sind der Auffassung, daß man für einen Sachbearbeiter heute nicht mehr als 425 Akten zur Bearbeitung heranziehen dürfte.
Bei der Etatberatung wurde nun noch auf die Art. 83 und 84 des Grundgesetzes hingewiesen. Diese beiden Artikel besagen, daß wohl der Bund die Auslagen für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zu tragen hat, daß er aber die Durchführung den Ländern übertragen soll. Hier wurde nun beanstandet, daß der Bund zu wenig Einblick in die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes hat.
Mit dieser Frage sollten wir uns, glaube ich, heute nicht mehr beschäftigen. Das Finanzanpassungsgesetz sieht ja vor, daß künftig die Länder die Kosten für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zu tragen haben. Wenn Sie sich dieses Finanzanpassungsgesetz einmal durchgelesen haben, dann werden Sie festgestellt haben, daß der Herr Bundesfinanzminister zum Ausdruck bringt, er wünsche auf gar keinen Fall, daß eine zahlenmäßige Reduzierung der Angestellten in der Versorgungsverwaltung eintrete; er wünsche, daß es gewährleistet sei, daß in den Ländern die Bundesversorgungsverwaltung reibungslos durchgeführt werde und die nötigen. Mittel zur Verfügung gestellt würden. Das hat die Versorgungsverwaltungen in den Ländern außerordentlich aufgebracht, weil sie sagen: Während uns der Bundesfinanzminister in seinem Etat die Mittel für die Angestellten kürzt, sagt er in seinem Finanzanpassungsgesetz genau das Gegenteil; dort verlangt er nämlich von den Ländern, daß sie diese Aufgaben unbedingt durchführen und das nötige Personal zur Verfügung stellen. Er droht sogar mit dem Bundeszwang, wenn diese Aufgaben nicht durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren! Ich will damit zum Schluß kommen. Ich darf Sie bitten, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 45 Ihre Zustimmung zu geben Ich glaube, Sie vergeben sich damit gar nichts. Wir können mit dem Schreiben des Bundesfinanzministers, das uns hier vorgelegt wurde, nichts anfangen. Wenn hier in der Ziffer 1 zum Ausdruck gebracht wird, daß d. e 750 Aushilfsangestellten entsprechend den Arbeitsrückständen auf die einzelnen Länder verteilt werden sollen, so würde das die Gefahr bedeuten, daß die Versorgungsämter, die sich bisher große Mühe gegeben und Tag und Nacht gearbeitet haben, um die Gesetze durchzuführen, und die jetzt vielleicht etwas weiter sind als diejenigen, die nur ihren normalen Arbeitsablauf erledigt haben, jetzt dafür bestraft würden, indem man ihnen die Angestellten abzieht, statt daß man ihnen diese Leute läßt, damit sie in diesem Jahr jetzt wirklich einmal die Akten vollends sichten können. Wir waren im Haushaltsausschuß der Auffassung, daß wir uns in diesem Sommer einmal die Bundesversorgungsverwaltung ansehen wollen, um uns über den Stand der Arbeiten in den einzelnen Versorgungsämtern ein Bild zu machen.
Was unter Ziffer 2 des genannten Schreibens steht, genügt uns nicht. Wir wollen es nicht dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister überlassen, die nötigen Kräfte zur Verfügung zu stellen, sondern wir meinen, der Deutsche Bundestag soll als Gesetzgeber hier beschließen, daß 859 Angestellte eingesetzt werden müssen. Denn sonst erleben wir das, was wir schon einmal erlebt haben, nämlich daß es zu keiner Einigung zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister kommt. Und wer sind dann die Leidtragenden? Diejenigen, die draußen auf ihre Renten warten!
Wir können uns also mit diesem Schnellbrief nicht einverstanden erklären.
Ich darf zum Schluß noch sagen, daß wir dem Antrag der Deutschen Partei auf Umdruck 62, für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes auch ältere Angestellte einzustellen, unsere Zustimmung geben werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nicht auf alle Ausführungen des Herrn Abgeordneten Traub eingehen; das würde wahrscheinlich zu weit führen. Aber eines scheint mir richtig: daß ich dem Hohen Hause einen Tatsachenbericht über die Verhältnisse in Tübingen gebe.
Wir haben in Tübingen von früher her ein Versorgungskrankenhaus mit 240 Betten. Von diesen stehen uns heute noch 80 zur Verfügung, und von diesen 80 Betten sind im Durchschnitt 60 bis 70 belegt.
Die Zahl derjenigen unter den Hirnverletzten, die klinische Behandlung brauchen, geht weiter zurück. Wir haben uns deshalb die Frage vorzulegen: Was wollen wir für diese Menschen tun? — Ich selbst bin der Meinung, daß die gesamte Einrichtung und Ausstattung der uns in Tübingen zur Verfügung stehenden Räume nicht ausreicht, und bin deshalb schon vor zwei Jahren mit dem Arbeitsministerium in Württemberg-Baden in Verhandlungen gewesen, um hier eine Änderung herbeizuführen. Ich habe damals bereits gesagt, man sollte einen größeren Betrag zur Verfügung stellen, um gerade für die Hirnverletzten in Tübingen ein Spezialkrankenhaus zu errichten.
Neuerdings ist aber die Sache so, daß V_ den größten Prozentsatz der schwer Hirnverletzten oder der Hirnverletzten überhaupt aus den Verkehrsunfällen und den Betriebsunfällen haben. Deshalb haben wir uns mit den Berufsgenossenschaften in Verbindung gesetzt, um ein modernes Haus für Hirnverletzte in Tübingen entstehen zu lassen. Ich bin mir mit dem Herrn Bundesfinanzminister völlig klar darüber, daß es bei diesem Hausbau an der Hilfe des Bundes nicht fehlen soll. Ich habe nur die große Befürchtung, daß wir in diesem Jahre nicht mehr zum Baubeginn kommen. Sollte es anders kommen, würde mich das besonders freuen. Sie dürfen sicher sein, daß auch ohne den beantragten Etatansatz von 150 000 DM diese Gelder von uns zur Verfügung gestellt werden, wenn es gelingt, das ganze Objekt nun in Wirklichkeit zum Tragen zu bringen.
Ich bin also der Meinung, daß es nicht notwendig ist, dem Änderungsantrag auf Umdruck 44 zu entsprechen. Wir kommen genau so weit ohne einen solchen Etatansatz, von dem wir wissen, daß er wahrscheinlich in diesem Jahre überhaupt nicht ausgeschöpft werden kann.
Bitte! — Abgeordneter Traub hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich darf zu den Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers eines sagen. Er hat hier zum Ausdruck gebracht, daß er sich seit zwei Jahren bemüht, eine Einigung über diese Angelegenheit herbeizuführen. Daß es ihm in diesen zwei Jahren doch nicht gelungen ist, diese Einigung wirklich herbeizuführen, haben doch die Verhandlungen im Haushaltsausschuß und hat unser heutiger Antrag gezeigt. Deshalb bin ich der Auffassung, daß wir nicht vielleicht noch einmal zwei oder drei Jahre
warten können, bis eine Einigung stattfindet. Wir wünschen, daß der Bundestag heute beschließt, daß dieses Haus in Tübingen gebaut wird. Es ist ein Sperrvermerk angebracht. Es passiert überhaupt nichts; über die Gelder kann gar nicht verfügt werden, solange die Dinge nicht abgeschlossen sind. Aber immerhin bringen wir mit einem solchen Beschluß zum Ausdruck, daß wir wünschen, daß die Mittel, deren Zurverfügungstellung der Herr Bundesarbeitsminister hier eben zugesagt hat, jetzt schon im Haushaltsplan eingesetzt werden, und zwar im außerordentlichen Haushalt. Wir haben bisher keine Deckungsvorschläge für solche Dinge gemacht, wir wollen es deshalb auch in diesem Falle für die 150 000 DM nicht tun.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie im Interesse der Hirnverletzten, die in drei Jahren ohne Heim dastehen, bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wurde vorhin wegen der Einrichtung der Hirnverletztenabteilung in Tübingen zitiert. Ich kann auch heute nichts anderes sagen als das, was ich bei der Bundeskundgebung der Hirnverletzten in Tübingen gesagt habe, daß der Bund sicher, wenn die Sache spruchreif ist — das ist zu betonen —, nicht anstehen wird, den Zuschuß zum Unfallkrankenhaus für die Einrichtung einer Abteilung für hirnverletzte Kriegsbeschädigte in diesem Krankenhaus zu geben. Es ist völlig unmöglich, in dieser vorgerückten Stunde der Haushaltsberatung noch eine Änderung im Haushalt vorzunehmen, und es ist auch nicht nötig; denn Träger dieses Krankenhauses sind und bleiben die Unfallberufsgenossenschaften, und der Baubeginn wird von diesen bestimmt. Es ist völlig unwichtig, ob dabei die Gelder im außerordentlichen Haushalt mit Sperrvermerk stehen oder nicht. Die Regierungskoalition wird deshalb zur dritten Lesung eine Entschließung einbringen, damit im Haushalt 1955 die notwendigen Mittel als Zuschuß für die Einrichtung der Abteilung für hirnverletzte Kriegsversehrte im Unfallkrankenhaus Tübingen eingesetzt werden. Ich glaube, damit haben wir wirklich bewiesen, daß es uns ernst ist mit dem Wunsch, den Kriegsopfern und unter ihnen in erster Linie den Hirnverletzten zu helfen, damit sie ihre Betreuungsstelle in Tübingen nicht verlieren. Ich kann daher nicht empfehlen, dem Antrag der SPD auf sofortige Einsetzung eines Betrages von 150 000 DM in dem vorliegenden Haushaltsplan die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte zu der, wie ich glaube, mir richtig bekannten Tatsache, daß man die Mittel für 300 Festangestellte in Berlin nicht mehr hergeben will. Was wird der Effekt sein? Diese Leute werden arbeitslos, oder es muß irgendwie versucht werden, sie anderswo unterzubringen, und es entstehen weiterhin die Kosten für die Renten, die nicht bearbeitet werden können. Wir haben schon vorhin gehört, daß erhebliche Kosten immer wieder dadurch anfallen, daß umbearbeitete Renten ausgezahlt werden, die erst später rückrevidiert werden können.
Woher sind die Zustände in Berlin so, daß wir ganz erhebliche Rückstände an zu bearbeitenden Renten haben? Der Grund liegt einmal in der 2. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz mit der Vorschrift der Umrechnung. Wir haben in Berlin etwa zwei Drittel Rentenberechtigte, deren Renten immer wieder umgerechnet werden müssen. 63 % der Rentner sind in Berlin Ausgleichsrentenbezieher. Der Grund für diese im Gegensatz zu den Bundesländern merkwürdig hohe Ziffer liegt meines Wissens darin, daß die Wirtschaftsstruktur in Berlin auch heute noch weitgehend anders ist als im Bund, durch unsere viel größere Arbeitslosigkeit. Die Umbearbeitung der Rentenanträge nur etwa durch Aushilfskräfte vornehmen zu lassen, weil man das höhere Entgelt für die eingearbeiteten Angestellten nicht ausgeben will, scheint mir unter diesen Umständen der verkehrte Weg zu sein.
Ein zweiter Grund für den großen Arbeitsanfall, der mit weniger Angestellten in Berlin nicht bewältigt werden kann, liegt meines Wissens darin, daß wir nach dem Sozialgerichtsgesetz ein Vorverfahren haben, durch welches sehr viele Widerspruchsverfahren ausgelöst werden.
Der dritte Grund liegt vielleicht darin, daß im Zusammenhang mit dem Sozialgerichtsgesetz eine große Anzahl von Klagen bei den Sozialgerichten erhoben werden. Hierbei sind die Versorgungsbehörden die Beklagten, und soviel ich weiß, stehen in Berlin zur Zeit etwa 12 000 solcher Klagen gegen die Versorgungsbehörde an. Außerdem scheint uns, daß die Schlüsselzahlen, die für Berlin zugrunde gelegt werden, zwar für das alte Reichsversorgungsgesetz und die alte Reichsversorgungsverwaltung brauchbar gewesen sind, daß aber die Berechnung für die völlig andere Konstruktion des Bundesversorgungsgesetzes nicht mehr paßt und daß das Bundesversorgungsgesetz aus sich heraus eine große Zunahme der Versorgungsbürokratie veranlaßt hat. Weiter macht uns Sorge das Kostenverrechnungsverfahren, das überaus umständlich ist, Mehrarbeit und mehr Angestellte erfordert. Jeder einzelne Krankenschein, der ausgegeben werden muß, durchläuft sehr viele Stellen. Hieran ist, wie ich ausdrücklich sagen möchte, nicht die Berliner Krankenversicherungsanstalt schuld, wie es manchmal bei anderen Gelegenheiten der Fall gewesen ist. Was uns aber ganz besonders wenig erfreut, ist die ablehnende Haltung des Bundesfinanzministers. Ob er sich mit dem Herrn Arbeitsminister einigen kann oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Das ist vielleicht eine Temperamentssache, vielleicht auch eine reine Geldsache.
— Na ja, Geld und Temperament hängen manchmal auch zusammen.
— Aus Temperament Geld machen? Dann würden Sie Linter Umständen sehr reich werden!
Aber nun wollen wir zu dem Herrn Bundesfinanzminister zurückkehren. Herr Bundesfinanzminister, es ist ganz und gar nicht hübsch von Ihnen gewesen, daß Sie uns in Ihren früheren Ausführungen bei den Verhandlungen über dieses Kapitel unterstellt haben, die Länder forderten eine Vermehrung der Stellen nur, weil sie die Kosten für dieses Personal nicht aufzubringen hätten. Nein, Herr Minister, ich kann Ihnen versichern:
Berlin handelt ganz bestimmt nicht nach dem alten Studentenlied, das Ihnen ja bekannt sein dürfte, daß immer keiner von beiden zahlen wollte, weil nämlich der andere nicht zahlte. So ist das bei uns nicht. Sie haben sogar, wenn ich richtig unterrichtet bin, behauptet, daß die Länder in dem Augenblick, in dem sie die Verwaltungskosten für die Versorgungsverwaltung allein tragen müßten, diese schlechter mit Personal ausstatten würden. Ich glaube, Herr Minister, es ist unerfreulich für eine Verwaltung, die sich so ungeheure Mühe gibt, wie es die Versorgungsverwaltungen in ganz Deutschland tun und wie es auch die Versorgungsverwaltung in Berlin tut, wenn man ihr solche Motive für die Bitte um Erhöhung des Personals unterstellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Bundesevakuiertengesetzes — die Fürsorgekosten für Evakuierte gehören zu den Ausgaben für Kriegsfolgenhilfe, Kap. 4003 — hat im Ausschuß für innere Verwaltung eine eingehende Aussprache darüber stattgefunden, wie verhindert werden könne, daß das Bundesevakuiertengesetz auf dem Papier stehenbleibe. Die baldige Beschaffung des erforderlichen Wohnraums zu tragbaren Mieten ist damals als dringendes Problem herausgestellt worden. Dieses Problem ist bisher leider nicht befriedigend gelöst. Leider haben die Damen und Herren der Regierungskoalition unseren Antrag Anfang April abgelehnt, 20 Millionen für Darlehen zum Bau von Wohnungen für rückkehrwillige Evakuierte in den Haushalt des Bundeswohnungsbauministers einzusetzen.
Aber noch ein anderes Problem harrt seiner Lösung, und für dessen Lösung bestehen für die Bundesregierung bei einigermaßen gutem Willen keinerlei Schwierigkeiten, zumal die Ausrede, daß erhöhte Ausgaben entstünden, in diesem Falle nicht gegeben ist. Bei der erwähnten Ausschußberatung waren sich alle Parteien darüber einig, daß und wie die Rückführung auch der sozial schwachen Evakuierten zu erleichtern und sicherzustellen sei. Zunächst war ins Auge gefaßt worden, eine vom Deutschen Städtetag und vom Deutschen Landkreistag vorgeschlagene Regelung ins Gesetz aufzunehmen. Nur aus Gründen der Systematik ist davon Abstand genommen worden. Aber alle Fraktionen haben dem Hause damals gemeinsam den Entschließungsantrag Umdruck Nr. 965 vorgelegt, der in der Sitzung vom 12. Juni 1953 einstimmig angenommen wurde. Diese Entschließung lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Um auch die Rückführung der sozial schwachen Evakuierten in ihre Ausgangsorte zu erleichtern und sicherzustellen, ersucht der Bundestag die Bundesregierung, baldigst im Rahmen der Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Überleitungsgesetz folgendes zu bestimmen:
Die Fürsorgekosten für Evakuierte, die an den Ausgangsort zurückgekehrt sind, gelten auch weiterhin als Kosten der Kriegsfolgenhilfe
a) in den ersten drei Jahren nach der Rückkehr,
b) unbefristet bei über 70 Jahre alten Personen und bei solchen, die in der geschlossenen Fürsorge betreut werden.
Meine Damen und Herren, gerade in letzter Zeit sind mir lebhafte Klagen darüber zugegangen, daß diese vom Bundestag einstimmig geforderte Regelung bisher nicht erfolgt ist. Die betroffenen Evakuierten und auch die Kommunalverwaltungen haben kein Verständnis für diese Behandlung der sozial schwachen Evakuierten und für die Mißachtung des einstimmig bekundeten Willens des Bundestags.
Die sozialdemokratische Fraktion erwartet, daß der Herr Minister auch Verständnis für die Forderung dieses Personenkreises auf baldigste Rückführung beweist. Soweit es sich um Evakuierte im vorgerückten Alter handelt, haben besonders sie mit Recht den dringenden und sehnlichen Wunsch, ihren Lebensabend in ihrem Heimatort oder bei ihren Familienangehörigen zu verbringen. Gerade ihnen aber wird durch die Nichtausführung des einstimmigen Verlangens des Bundestags die Rückkehr sehr erschwert, verzögert oder gar unmöglich gemacht. Wir erwarten vom Herrn Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, daß er sich nachdrücklich und zäh für die berechtigten Forderungen der Evakuierten und für die Durchführung des einstimmig am 12. Juni 1953 gefaßten Beschlusses des Bundestags einsetzt, den ich vorhin verlesen habe, zumal eine Erhöhung des Haushaltsansatzes dadurch nicht bedingt wird. Aber, Herr Minister Oberländer — ich bitte, ihm unsere Forderung zu überbringen —, es darf nicht noch weiterhin monatelang oder vielleicht jahrelang „erwogen" werden. Sonst sterben viele Evakuierte darüber hin. Die sozialdemokratische Fraktion fordert, daß nun endlich gehandelt und dem Verlangen des Bundestags unverzüglich entsprochen wird.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Der Deutsche Bundestag der 1. Legislaturperiode hat es sich zur Ehre angerechnet, das Recht der deutschen Kriegsopfer einmütig über die Parteien hinweg zu gestalten, und zwar unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß alle Glieder dieses Hohen Hauses in gleicher Weise ehrlich bemüht sind, die Wunden des Krieges heilen zu helfen, sich beugend in Ehrfurcht vor der Größe des von den Kriegsopfern für die deutsche Allgemeinheit gebrachten Opfers. Heute hat es einer unserer Kollegen von der Opposition für nötig gefunden, diesen guten Willen anzuzweifeln. Damit ist ein Weg beschritten worden, den ich für die Mehrheit des Hohen Hauses zurückweisen muß; denn es ist ein Weg, der des Deutschen Bundestages unwürdig ist.
Ich darf sagen, daß man nicht durch Anträge, die praktisch den Haushalt sprengen, Lösungen positiver Art auf sozialpolitischem Gebiet unmöglich machen und auf der anderen Seite gleichzeitig Vorwürfe erheben kann. Erinnern wir uns an die letzten Stunden des alten Bundestags! Da haben wir erlebt, daß von seiten der Opposition gestellte Anträge auf Gewährung von Mitteln bis zur Höhe von mehreren Milliarden D-Mark vorlagen;
auf der anderen Seite sind durch diese Haltung der
Opposition Lösungen, die wir erstrebt haben, in
diesem Augenblick einfach unmöglich geworden.
Wenn von Gewerkschaftsseite an die deutsche Bundesregierung der Antrag gestellt wird, die Unfallversicherung auf die Höhe der Sätze des Bundesversorgungsgesetzes in 12 Punkten anzuheben, so bedeutet dies zweierlei. Einmal wird der Eindruck erweckt, die deutsche Kriegsopferversorgung sei überhöht. Zweitens ist dazu zu sagen, daß diese Anhebung 1 Milliarde DM kostet. Wenn man dann aber draußen hingeht und sagt, diese unsoziale Regierung, diese unsoziale Mehrheit des Deutschen Bundestags verhindere Lösungen, so stelle ich dazu fest, daß hier eine Divergenz vorliegt, die einmal aufgezeigt werden muß.
Wir befinden uns heute in einer Haushaltsdebatte, und ich darf nüchtern die Dinge auf das Maß zurückführen, das der Wahrheit entspricht.
Der § 90 des Bundesversorgungsgesetzes ist Rechtens. Das Hohe Haus hat den § 90 im Oktober 1950 einstimmig beschlossen. Die Vorschriften dieses Paragraphen müssen erfüllt werden. Das sind wir auch den Sozialversicherungsträgern schuldig. 70 % der deutschen Kriegsopfer sind zugleich Empfänger von Sozialversicherungsrenten. Ich bitte, auch das einmal sehen zu wollen.
Infolgedessen ist es absolut richtig — und es war auch von vornherein in das Volumen des Ansatzes einkalkuliert —, daß die Vorschrift des § 90 erfüllt wird. Es ist also gar nichts Außergewöhnliches. Das ist kein Vorgang, der draußen aufgebauscht werden könnte, etwa mit dem Motto: Hier wird von den Renten der Kriegsopfer etwas weggenommen. Das ist einfach falsch.
Ich halte es für sehr bedenklich, wenn ein Kriegsopferverband draußen mit Millionen- und -zigMillionenbeträgen jongliert und sagt: Das steckt ja alles noch hier drin! Das ist eine Gefährdung des Etats. Ich darf doch einmal fragen: Wissen wir denn, welchen Aufwand die 550 000 Anträge, die leider bis heute noch nicht bearbeitet sind, beinhalten? Ich glaube, daß wir bis zu dem Tage sehr vorsichtig sein müssen, an dem wir den tatsächlichen Umfang des Haushalts der Kriegsopferversorgung — völlig eliminiert von Nachzahlungen, von noch nicht bearbeiteten Rentenanträgen — in voller Haushaltswahrheit und -klarheit erkennen. Erst dann können Schlüsse gezogen werden, heute noch nicht. Es tut den Kriegsopfern am allerwehesten und schadet ihnen am allermeisten, wenn draußen eine künstliche Beunruhigung geschaffen wird.
Ich darf noch hinzufügen, meine lieben Freunde, es hat sich doch am 6. September gezeigt, daß die Mehrheit des deutschen Volkes solche Methoden einfach ablehnt
und daß das deutsche Volk diese Methoden durchschaut.
Ich möchte noch einmal sagen dürfen, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, daß wir nur dann eine fruchtbare Sozialpolitik treiben können, wenn wir zu den Methoden zurückkehren, die sich in der Vergangenheit des Deutschen Bundestages bestens bewährt haben, nämlich zur echten Zusammenarbeit über die Parteien hinweg.
Die Kriegsopferversorgung ist kein Tummelplatz für parteipolitische Propaganda.
Ich darf dazu erklären, daß wir nach wie vor zu der Erhöhung der Grundrenten stehen, und zwar in einer Weise, daß die Struktur des Bundesversorgungsgesetzes, die heute einseitig zugunsten der Ausgleichsrenten verschoben ist, wiederhergestellt wird. Forderungen auf eine 40%ige Erhöhung sind propagandistisch wundervoll; sie bedeuten aber in der Tat eine Sabotierung des Charakters der Grundrenten. Denn dadurch würden die Grundrenten im Verhältnis zur Ausgleichsrente in solch außerordentlicher Weise höher entwickelt werden, daß sie ihren Charakter als ein Äquivalent für den anatomischen Schaden, als eine Leistung, die unantastbar ist und bleiben muß, verlieren.
Es geht darum, daß wir unser Kriegsopferrecht, das wir gemeinsam geschaffen haben, organisch fortentwickeln. Ich bekenne mich feierlich zu dieser Fortentwicklung des Kriegsopferrechts. Das Reichsversorgungsgesetz konnte auch nicht an einem Tage geschaffen werden; das möchte ich einmal zum Ausdruck bringen.
Ich möchte ferner sagen, das Bundesversorgungsgesetz muß als Ganzes gesehen werden. Es geht nicht an, immer nur einzelne Teilstücke des Gesetzes zum Gegenstand der Beratung zu machen.
Das Gesetz hat in seinen Bestimmungen über die soziale Fürsorge, über die Leistungen der Berufsfürsorge, der Umschulungs- und Erholungsfürsorge, über die Erschließung des rechten Arbeitsplatzes, über die Erziehungsbeihilfen, über die Heilbehandlung — die wir auf den bestmöglichen Stand modernster Erkenntnisse bringen wollen — Möglichkeiten, die wir nicht außer acht lassen dürfen, wenn wir das Gesamtvolumen des Bundesversorgungsgesetzes beleuchten. Ich muß zur Ehre der deutschen Sozialpolitik sagen, daß es nicht zutrifft, daß die Leistungen im ganzen gesehen im Vergleich mit anderen Ländern an der tiefsten Stelle liegen.
Mir hat erst in der vergangenen Woche bei einer internationalen Tagung in Basel die Bearbeiterin der MRP für die Kriegsopferversorgung in Frankreich, Mme. Touquet, gesagt, daß unsere Leistungen im ganzen gesehen höher lägen als die Leistungen, die Frankreich zu geben imstande sei.
Ich beschäftige mich zur Zeit mit diesem Problem. Ich habe mir die Gesetzentwürfe — ich sage: die Gesetzentwürfe — kommen lassen, um einmal wirklich grundlegende Studien und einen echten Vergleich durchzuführen. Dieser ist sehr schwierig, weil die Gesetze recht verschiedenartig sind. Ich
lehne es aber ab, daß vorzeitige Schlüsse mit propagandistischer Note gezogen werden.
Ich muß noch etwas zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Rasch bemerken. Die Kriegsopfer haben wie kein anderer Personenkreis des deutschen Volkes einen Anspruch auf Sicherheit,
auf Sicherheit der Währung, Sicherheit eines ausgeglichenen und klaren Haushalts, aber auch Sicherheit der Gesamtlage des deutschen Volkes. Das dauernde Ausspielen, hier Verteidigungslasten, auf der anderen Seite Sozialpolitik, torpediert die Sicherheit der Sozialempfangenden.
Wir haben einen Unsicherheitsfaktor höchsten Grades in unserem Haushalt: das sind die Besatzungslasten, die Besatzungskosten, auf die wir heute
noch keinen Einfluß haben, weder der Höhe nach,
noch bezüglich der Verwendung der Gelder. Wir
müssen das höchste Interesse daran haben, einen
solch bedeutenden Posten unseres Haushalts in
unsere eigene Regie — wenn ich mich so ausdrücken darf — zu bekommen. Es geht darum, daß
wir endlich einmal Herr im eigenen Hause werden.
Infolgedessen sehe ich eine klarere Position darin, über die eigenen Aufwendungen ganz klar selbst bestimmen zu können, als heute diesen in seiner Höhe ständig schwankenden Besatzungslastenetat tragen zu müssen, was im Gesamtvolumen des deutschen Haushalts eine echte Beunruhigung darstellt.
Zu der Frage der Verwaltungsausweitung darf ich sagen, daß mein Antrag im Haushaltsausschuß praktisch deshalb zu Fall gekommen ist, weil von der andern Seite des Hauses, besonders auch von Herrn Professor Gülich, deutlich erklärt worden ist: „Die sollen doch mal rationalisieren in den Versorgungsämtern, dann kommen sie schon hin",
und weil der weniger weitgehende Alternativantrag
des Herrn Kollegen Traub zu früh gekommen und
Ich begrüße die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers, daß er mit einem überplanmäßigen Ausgleich dem Bedarf entsprechen wird, damit noch in diesem Jahr die 550 000 unbearbeiteten Rentenanträge endlich erledigt werden können; denn das ist das Ziel. In diesem Sinne sehen wir das Begehren unseres Antrages als erfüllt an, und die schriftlich gegebene Erklärung des Bundesfinanzministers betrachten wir, wenn ich so sagen darf, als einen klagbaren Titel.
Wir werden im Laufe des Jahres sehr wachsam sein und die Entwicklung verfolgen, damit diese furchtbare Hypothek der noch nicht erledigten Anträge in diesem Jahr getilgt wird.
Ich möchte abschließen, indem ich mich nochmals zur Fortentwicklung des Rechts der deutschen Kriegsopfer bekenne.
Sie haben vor dem ganzen deutschen Volk Anspruch auf eine Kriegsopferversorgung, die ihnen durch Gewährleistung einer entsprechenden Kaufkraft Anteil an dem wachsenden Sozialprodukt des deutschen Volkes gibt.
Noch ein letztes Wort. Es ist völlig klar, daß gar kein Junktim hinsichtlich der derzeitigen Höhe des Haushaltsansatzes und einer Weiterentwicklung des Rechts besteht. Wenn hier in diesem Hohen Hause Ausgaben beschlossen werden, müssen sie auch dotiert werden. Man kann mit dem heutigen Haushalt nicht Beschlüsse vorwegnehmen, die das Hohe Haus, wie wir mit Sicherheit erwarten, in absehbarer Zeit fassen wird. Wir sind uns aber darüber klar, daß das Recht in jedem Fall gewährleistet werden muß und werden wird.
Wie ich schon gesagt habe, ziehen wir unseren Antrag auf Erhöhung der Zahl der Aushilfsangestellten zurück, da wir ihn in dem dargelegten Sinne als erfüllt betrachten. Wir stimmen dem Haushalt der Kriegsopferversorgung zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.
Ehret die Frauen, sie flechten und weben himmlische Rosen ins irdische Leben,
knüpfen der Liebe beglückendes Band.
Sagen Sie, Frau Probst, warum sind Sie eigentlich so böse mit uns? Warum sind Sie so böse und giftig?
Herr Abgeordneter, der Ausdrück „giftig" entspricht nicht parlamentarischer Übung.
Herr Präsident! ich nehme das zur Kenntnis. Ich werde ihn also nicht wieder gebrauchen.
Ich verstehe nicht recht, warum man so böse ist und so zur Opposition spricht.
Ich muß Ihnen das erklären, was ich im Haushaltsausschuß gesagt habe, damit es nicht so aussieht, als ob ich mich dort gegen die Kriegsopferversorgung ausgesprochen hätte. Nach den Ausführungen der Vertreter der Behörden und Ministerien, die dort auftraten, war es ganz klar und offensichtlich, daß die Behörden der Kriegsopferversorgung ein wenig rationeller arbeiten könnten. Von einem Präsidenten, der dort gehört wurde, ist uns gesagt worden: „Wenn eine Nachricht kommt, daß ein Versorgungsberechtigter seinen Sohn abmeldet, der inzwischen großjährig geworden ist, oder wenn die Nachricht kommt, daß jemand gestorben ist, dann können mangels genügender Arbeitskräfte solche Anträge überhaupt nicht bearbeitet werden, und dann werden oft monatelang" — ja, er hat gesagt —, „oft jahrelang die Bezüge weitergezahlt." Nun, ich bitte Sie, meine Damen und Herren, wenn die Nachricht kommt, daß einer gestorben ist, geht diese Nachricht an den Karteiführer, und dann wird die Zahlung mit dem nächsten Monatsersten gestoppt! Das
sind doch unmögliche Dinge, die man uns dort vorgetragen hat.
Deswegen habe ich ausdrücklich gesagt: Wir sind sehr dafür, daß die rückliegenden Anträge schneller bearbeitet werden. Aber nach den Darlegungen, die wir gehört haben, werden sie durch die weiterhin angeforderten Aushilfsangestellten auch nicht schneller bearbeitet,
sondern dann soll man herkommen und zunächst einmal die Büros rationalisieren! Die Frage ist nicht: Vermehrung von Arbeitskräften, sondern: Rationalisierung und Intensivierung der Arbeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit mein befreundeter Gegner, Herr Abgeordneter Arndgen, zu meinen Ausführungen nicht wieder sagt, ich hätte mit einem Augenaufschlag zu den Tribünen hin gesprochen, möchte ich ihm sagen: auf meinen Vorschlag hat der Herr Präsident vor zwei Jahren eine Uhr an der Stirnwand der Tribüne anbringen lassen; und mein Blick geht oft dahin, damit ich meine Redezeit nicht überschreite. Es ist also kein Augenaufschlag zu den Tribünen, sondern ein Augenaufschlag zu der Uhr, wobei ich dann eben zur Tribüne hinaufschauen muß.
Nun zu meiner Streiterin, die mich hier auf den Kampfplan gerufen hat, Frau Dr. Probst. Aber Frau Dr. Probst , wir sind uns doch darüber einig: wer in der Kriegsopferversorgung tätig ist, muß Geduld haben und noch mehr Liebe dabei aufbringen;
und liebevoll muß man dabei auch die Opposition umfassen!
Wir wissen gar nicht mehr, wie wir es — nach Ihrem Rezept — anstellen sollen. Wenn es bei der zweiten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz etwas hart auf hart ging, das hat doch unserer persönlichen Hochachtung nicht geschadet, die wir füreinander empfinden. Der Herr Bundesfinanzminister sagte damals: „Warum kommen Sie mit Ihren Anträgen jetzt? Bringen Sie sie doch beim Haushalt unter! Wenn die Haushaltsdebatte ist, werden wir darüber reden." Wir haben dem Vorschlag des Herrn Bundesfinanzministers Folge geleistet, und nun ist es auch wieder nicht recht. Wann sollen wir denn eigentlich zu den Dingen Stellung nehmen?
Sollten wir uns nicht abgewöhnen, gerade bei diesem Problem immer von parteipolitischer Voreingenommenheit zu reden? Schließlich hat der Mann, der mit Blut und mit seiner Gesundheit gezahlt hat, Anspruch darauf, daß sich a 11 e Parteien um ihn bemühen!
Ich bitte, unterstellen Sie uns, daß die Opposition,
wenn sie zu diesen Dingen ihre Vorschläge entwickelt, das dann in der redlichen Absicht tut, zu helfen.
— Frau Dr. Probst, war das richtig, was ich gehört habe? Sagten Sie, das sei ein Wahlmanöver?
Ich sehe zu meinem Leidwesen meinen alten Freund Schäffer nicht auf der Tribüne.
— Er ist da; gut, dann bin ich sehr glücklich darüber. Ich habe nämlich heute zum erstenmal die Gelegenheit, ganz und gar der Meinung des Herrn Bundesfinanzministers zu sein. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns nämlich in der Sitzung des Kriegsopferausschusses vom 15. Januar 1953 folgendes gesagt:
Ich erkläre mich jedoch bereit, um der Kriegsopfer willen den Grundsatz des Ausgleichs des Gesamthaushalts zu durchbrechen und die im Kriegsopferetat erzielten Ersparnisse ausschließlich nur für die Kriegsopfer zur Verfügung zu halten.
Sehen Sie, Herr Minister, weiter wollen wir doch im Augenblick nichts. Sie haben weiter keine konkreten Anträge von uns zu erwarten als den, daß wir diese Viertelmilliarde D-Mark wieder in den ordentlichen Haushalt, wo sie zunächst drinstand, zurückhaben wollen, weil es sonst geht wie mit dem Alkohol, der sich aus einer offenen Flasche verflüchtigt, die man nicht wieder zugepfropft hat. Wir wollen, daß Ersparnisse, die bei einem Teil des Haushalts erzielt werden, der für die Kriegsopfer bestimmt ist, wieder im Interesse der Kriegsopfer verwendet werden.
Ich lese in einer Kriegsopferzeitung, daß der Herr Bundeskanzler auf einer Schaffer-Mahlzeit ausgeführt hat, daß vor allen Dingen den Kriegsopfern geholfen werden soll. Wir sind gern bereit, bei dieser ganzen Geschichte mitzuwirken und mitzuhelfen. Wir können doch — darüber bestehen unsererseits durchaus keine Meinungsverschiedenheiten — nach der Richtung hin die Reform des Bundesversorgungsgesetzes anpacken, und wir werden Gelegenheit nehmen, in der nächsten Zeit mit konkreten Vorstellungen vor dieses Haus zu treten.
Aber eines in aller Klarheit und Deutlichkeit: ich habe hier die Feststellung zu treffen, daß alle Voraussagen über die finanzielle Entwicklung der Kriegsopferversorgung, die vom Kriegsopferausschuß ausgingen, richtig gewesen sind und daß die Finanzverwaltung mit ihren Schätzungen danebengehauen hat. Man kann sich im Leben irren, das kann auch einmal die Finanzverwaltung.
Was wir wollen, ist: was den Kriegsopfern einmal zugebilligt worden ist, soll auch in dieser Zweckbestimmung bleiben, weil wir dann eine gewisse Vervollständigung des Bundesversorgungsgesetzes durchführen können. Wir haben durchaus nicht das Rechnen verlernt; wir wissen, daß die CDU in diesem Haus eine Stimme Mehrheit hat und letzten Endes eine große Verantwortung für die Weiterentwicklung der deutschen Kriegsopferversorgung trägt. Aber wir wollen diese Verantwortung mittragen, wir wollen die Hand zum Besseren an-
legen im Interesse der Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen. Wir lassen diese helfende Hand nicht von Ihrer Seite zurückstoßen.
Es sind keine Redner mehr vorgemeldet. Wir können zur Abstimmung kommen, zunächst über Änderungsanträge. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 51 ab. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. —
— Ja. Es handelt sich um den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 51:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 4007 ist ein neuer Tit. 340 zu bilden und in diesem Titel ein Betrag in Höhe von 450 000 000 DM zur Abdeckung der der Deutschen Bundesbahn auferlegten betriebsfremden Aufwendungen einzustellen.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag der SPD-Fraktion Umdruck 45: „In Kap. 4009 Tit. 104 . . . . ". Bestehen keine Zweifel, worüber wir jetzt abstimmen? — Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag Umdruck 59 ist zurückgezogen.
Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 43*), Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Wer für diesen Änderungsantrag ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Antrag der CDU/CSU-Fraktion Umdruck 70**): „In Kap. 4010 Tit. 300 wird der Zweckbestimmung folgender Absatz angefügt . . .". Besteht Klarheit darüber, worüber abgestimmt wird?
— Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Umdruck 72***), Antrag der Fraktion der SPD ebenfalls über einen Zweckbestimmungsvermerk. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 44, Antrag der Fraktion der SPD. Es handelt sich um das Hirnverletztenheim in Tübingen. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 62, Antrag Schneider, Dr. von Merkatz und Fraktion.
— Verzeihung, das sind Entschließungen. Wir können darüber erst in der dritten Beratung abstimmen. Ich bitte um Entschuldigung. Damit ist über sämtliche Änderungsanträge abgestimmt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 40 in zweiter Beratung. Wer für die An*) Siehe Anlage 4 Seite 1189 **) Siehe Anlage 9 Seite 1194 ***) Siehe Anlage 8 Seite 1193
nahme des Einzelplans 40 in der nunmehrigen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf:
Einzelplan 49 — Haushalt der Deutschen Vertretung der Beratenden Versammlung des Europarates und der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl .
Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor.*) Berichterstatter ist Abgeordneter Dr. Graf Henckel.
— Wird auf Berichterstattung verzichtet?
Von sämtlichen Fraktionen?
Nachdem auf Berichterstattung verzichtet wird, eröffne ich die Aussprache. Wortmeldungen? — Wortmeldungen liegen nicht vor. Änderungsanträge sind nicht angekündigt.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Einzelplans 49, so wie er in Drucksache 377 vorliegt, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf:
Einzelplan 50 — Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandte Gebiete .
Es sollte ein Berichterstatter erst bestimmt werden. Ich nehme an, daß das Hohe Haus auch hier auf Berichterstattung verzichtet.
Sind alle Fraktionen einverstanden?
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Änderungsanträge sind nicht angekündigt.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Einzelplans 50 in der Fassung der Drucksache 378 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 60 — Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung .
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister zur Abgabe einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 49**) soll nicht begründet werden. Ich bin aber gebeten worden, eine Erklärung abzugeben, welchen Sinn das sogenannte Junktim, um das es sich hier handelt, hat. Bekanntlich ist der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit 42 % festgelegt. Davon sollten ein Betrag von 120 Millionen DM für Grenzlandhilfe, 70 Millionen DM für Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge und 50 Millionen DM für das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz zur Verfügung gestellt werden.
Der Antrag, um den es sich hier handelt, geht nach meiner Überzeugung auf das Mißverständnis
*) Siehe Anlage 3 Seite 1188
**) Siehe Anlage 12 Seite 1196
zurück, das im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen in meiner Abwesenheit entstanden ist, daß ein innerer Zusammenhang zwischen diesen 120 Millionen DM Grenzlandhilfe mit dem in der Plenarsitzung vom 2. Juli 1953 behandelten Antrag über Hilfe für die Zonengrenzgebiete bestehe. Ich möchte feststellen, daß das nicht richtig ist. Der Antrag über die Hilfe für Zonengrenzgebiete sieht in fast allen einzelnen Punkten ein Benehmen mit den Ländern und eine Beteiligung der Länder vor. Soweit das nicht vorgesehen ist, hat der Bund das. was er aus eigener Zuständigkeit tun kann, auf diesem Gebiet bereits getan. Es käme hier nie ein Betrag von 120 Millionen DM in Frage. Der Betrag von 120 Millionen DM ist deshalb gewählt, weil nach Überzeugung der Bundesregierung der innere, horizontale Finanzausgleich unter den Ländern nicht dazu ausreicht, den Ländern, in denen diese Grenzgebiete liegen, die nötige wirtschaftliche Kraft zu geben, um diesen Grenzgebieten genügend Hilfe zu leisten.
Nun dürfte bekannt sein — und das ist ein Novum, das gegenüber dem Datum vom 7. April besteht —, daß sich die Hoffnungen, ohne Inanspruchnahme des Vermittlungsausschusses die Frage des Bundesanteils 1954 zwischen Bund und Ländern regeln zu können, leider Gottes nicht erfüllen lassen, weil nur ein Teil der Länder bereit war, den Vorschlägen der Bundesregierung zuzustimmen. Es werden also die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß erfolgen müssen. Ziel muß dabei sein, auf der einen Seite die Abgleichung des Haushalts, den wir heute beschließen, zu erreichen, auf der anderen Seite zu erreichen, daß die Länder, in denen diese Grenzgebiete liegen, über den Bund die Mittel zu einer Verstärkung einer Hilfe im Jahre 1954 erhalten.
Ich möchte bei dieser Situation glauben, daß dieser Antrag genau das Gegenteil von dem erreichen würde, was er wünscht. Er würde nämlich die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß gefährden. Infolgedessen ist es empfehlenswert, sich doch auf die vorgeschlagene Regelung zu einigen. Dazu möchte ich hier eine feste Erklärung abgeben. Falls die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß dazu führen, daß die Abgleichung des Bundeshaushalts erreicht wird und ein Nachtragshaushalt nicht geschaffen zu werden braucht, ist die Bundesregierung bereit, von sich aus dieses Junktim zwischen Grenzlandhilfe und Hilfe für die Zonengrenzgebiete einerseits und der Einnahme andererseits zu lösen. Das war wohl der eigentliche Sinn und Zweck des Antrags, und ich glaube, daß mit dieser meiner Erklärung dem Willen der Antragsteller entsprochen ist.
Wird der Antrag zurückgezogen?
— Umdruck 49 wird zurückgezogen.
Wir haben nun zunächst die Berichterstattung entgegenzunehmen. Herr Abgeordneter Wacker ist Berichterstatter. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — stellt das Dach des Haushalts im gesamten dar. Es sind dort diejenigen Einnahmen und Ausgaben festgelegt, die nicht einem einzelnen Verwaltungszweig zufallen, sondern die Gesamtheit der Bundesverwaltung betreffen. Zu den Einnahmen gehören insbesondere die Umsatz- und Beförderungsteuer, die Zölle und Verbrauchsteuern, die Abgabe Notopfer Berlin, der Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Lastenausgleichsabgaben sowie die sonstigen allgemeinen Einnahmen. Die Einnahmen sind entsprechend der zu erwartenden Steigerung des Sozialprodukts geschätzt. Ich darf das Hohe Haus mit einigen wichtigen Einnahmezahlen vertraut machen.
Aus der Umsatzsteuer erwartet man eine Einnahme in Höhe von 9 200 000 000 DM. Der Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ergibt sich aus der Gesamtsumme der Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist bei 42010 des Gesamtaufkommens auf 5040 Millionen DM festgelegt. Die Einnahmen aus den Zöllen sollen den Betrag von 1260 Millionen DM ergeben. Aus der Tabaksteuer erwartet man eine Einnahme von 2350 Millionen DM, aus der Zuckersteuer 375 Millionen DM, aus dem Branntweinmonopol 570 Millionen DM. Die Mineralölsteuer soll einen Betrag von 825 Millionen DM erbringen. Insgesamt schließen die Einnahmen mit 24 070 Millionen DM ab.
Der Haushaltsausschuß hat sich mit den Einnahmepositionen eingehend beschäftigt. Auf Antrag wurde die Umsatzausgleichsteuer um 30 Millionen DM heruntergesetzt, dagegen die Einnahme aus Zöllen um 30 Millionen DM erhöht.
Dem Vorschlag des Bundesrates, die Einnahmen aus Zöllen um insgesamt 130 Millionen DM zu erhöhen, konnte der Haushaltsausschuß nicht beitreten.
Eingehend hat sich der Haushaltsausschuß mit Tit. St. 9, Anteil des Bundes an der Einkommen-und Körperschaftsteuer, befaßt. Die Verwaltung hat hier 42% von dem Gesamtaufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer festgelegt. Der Haushaltsausschuß hat an diesem Prozentsatz festgehalten und hat es nicht für richtig gehalten, den Ansatz der Regierungsvorlage zu ändern.
Eine besonders eingehende Prüfung fand die Frage, ob die Verbindung der erhofften Mehreinnahmen an Einkommen- und Körperschaftsteuer mit bestimmten Bundesausgaben für Grenzlandzonen. Heimkehrer und Sowietzonenflüchtlinge aufgehoben werden sollte. Das Ergebnis dieser Beratung des Haushaltsausschusses liegt Ihnen vor.
Der Haushaltsausschuß hat sich veranlaßt gesehen, die Einnahmen aus der Schaumweinsteuer um 2 Millionen DM von 14 auf 16 Millionen DM zu erhöhen. Es wurde mit Bedauern festgestellt. daß die erhoffte Erhöhung der Einnahmen durch die Senkung der Kaffee- und Teesteuer nicht eingetreten ist. Durch die Senkung dieser Steuer entsteht dem Bund ein Einnahmeausfall in Höhe von 247 Millionen DM.
Auch mit dem Notopfer Berlin hat sich der Haushaltsausschuß eingehend beschäftigt. Nach der zur Zeit noch bestehenden Rechtslage kann das Notopfer Berlin nur bis 31. Dezember 1954 erhoben werden, so daß der Ansatz für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1955 der Grundlage entbehren würde. Da jedoch die Bundesregierung gleichzeitig ein Verlängerungsgesetz eingebracht hat, hat sich der Haushaltsausschuß nicht in der Lage gesehen, diesen Posten zu beanstanden.
Die durchlaufenden Mittel für den Lastenausgleich zeigen eine erfreuliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 280 Millionen DM.
Im Rahmen des Kap. 6002 sind die Gewinne aus Beteiligungen des Bundes und die Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilrechten eingehend erörtert worden. Aus dem erheblichen Beteiligungsvermögen des Bundes, das in der Anlage zum Einzelplan 60 im Rahmen des erstmalig vorgelegten Nachweises über das Vermögen und die Schuld des Bundes auf über eine Milliarde D-Mark beziffert ist, sollten größere Erträgnisse erzielt werden. Bei eingehender Erörterung der Beteiligungen des Bundes, die im einzelnen in den allgemeinen Vorbemerkungen des Haushaltsplans aufgeführt sind, hat sich ergeben, daß eine angemessene Dividende nur aus der Viag erzielt werden wird. Ob die Veba eine Dividende wird ausschütten können, ist noch nicht zu übersehen. Mit Rücksicht auf die großen Finanzierungsbedürfnisse der der Veba angeschlossenen Tochtergesellschaften ist jedoch anzunehmen, daß ein Gewinn von der Veba nicht ausgeschüttet werden kann.
Die sonstigen Beteiligungen des Bundes betreffen zum größten Teil Unternehmen, die an der Ausschüttung von Gewinnen durch noch vorhandene Kriegsschäden verhindert sind oder bei denen die erzielten Gewinne zum Ausbau der Produktionsanlagen verwendet werden müssen. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Unternehmen im Salzgittergebiet erinnern, die auch in diesem Jahr nach dem außerordentlichen Haushalt noch Zuschüsse erhalten sollen.
Die Einnahmen dieses Kapitels belaufen sich auf 317 Millionen DM. Dem stehen im gleichen Kapitel Ausgaben in Höhe von 872 Millionen DM gegenüber.
Besonders betont muß werden, daß ein Ertrag des Volkswagenwerks in diesem Kapitel nicht enthalten ist. Das Volkswagenwerk ist ehemaliges DAF-Vermögen und wird auf Grund Besatzungsrechts vom Land Niedersachsen im Auftrag und nach den Weisungen der Bundesregierung verwaltet. Über die Eigentumsfrage wird der Bundestag zu entscheiden haben. Das Finanzministerium hat die Angelegenheit noch nicht vorangetrieben, weil der Volkswagenprozeß noch nicht entschieden ist. Die Verwaltung nimmt an, daß, wenn das Werk, das an sich sehr rentabel arbeite, einmal Bundeseigentum sei, mit der Auschüttung einer größeren Dividende wahrscheinlich nicht gerechnet werden könne. Wahrscheinlich werde es verpflichtet sein, Rückstellungen für Ansprüche der Volkswagensparer vorzunehmen.
Neben den neuen Grenzlandmitteln aus dem Tit. 950 steht wiederum der gleiche Betrag wie im Vorjahre in Höhe von 50 Millionen DM für die Notstandsgebiete zur Verfügung.
Der Haushaltsausschuß hat es für erforderlich gehalten, in einem neuen Ansatz einen Beitrag des Bundes zur europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung vorzuschlagen. Es handelt sich hierbei um eine Gemeinschaftsarbeit, die es den einzelnen europäischen Ländern ermöglicht, an der kernphysikalischen Forschung teilzunehmen, ohne daß jedes Land selbst die für eine Gesamtanlage erforderlichen, sehr viel höheren Mittel aufbringt.
Den größten Ausgabeansatz dieses Kapitels bringt der Tit. 695. Hierbei handelt es sich um die haushaltsmäßige Auswirkung der gemäß § 4 des Haushaltsgesetzes allgemein bei allen Kapiteln durchgeführten 4 %igen Kürzung. Über die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme, die des Haushaltsausgleichs wegen nötig ist, haben im Haushaltsausschuß sehr eingehende Beratungen stattgefunden. Da in dem vergangenen Haushalt bei vielen Fonds eine Kürzung von 10 % vorgesehen war, ist anzunehmen, daß die jetzige generelle 4 %ige Kürzung bei allen Fonds mit Ausnahme der aus zweckgebundenen Einnahmen zu leistenden Ausgaben und der Ausgaben, die wegen einer internationalen Rechtsverpflichtung oder aus ebenso unabweisbaren Gründen zwangsläufig sind, zu einem Erfolg führt. Die Bundesfinanzverwaltung hat die von der Kürzung freizugebenden Posten annähernd ermittelt und den bei diesen Posten fortfallenden Kürzungsbetrag in Höhe von 680 610 900 DM in Tit. 695 als Ausgabe angesetzt.
Entsprechend dem Wunsche des Bundestages ist in Tit. 950 ein Betrag von 120 Millionen DM für die Steigerung der Wirtschaftskraft und Beseitigung von Wirtschaftsschäden in den Grenzgebieten des Bundesgebietes ausgeworfen worden. Zusammen mit diesem Titel hat der Haushaltsausschuß die beiden Anträge Drucksachen 285 und 294 beraten. Die Berichterstattung über diese Anträge sollte ursprünglich im Zusammenhang mit Einzelplan 60 erfolgen, kann jedoch heute nicht stattfinden, weil der Finanz- und Steuerausschuß zu diesen Anträgen noch nicht Stellung genommen hat.
Der Ausschuß hat sich auch mit Kap. 6003 befaßt. In diesem Kapitel sind, wie im vergangenen Jahr, die Versorgungsbezüge, die dem Bund zur Last fallen, ausgebracht worden. Entsprechend der Steigerung der Ruhegehälter und der langsam steigenden Zahl der Versorgungsberechtigten der Bundesverwaltung weist dieses Kapitel eine Steigerung der Ausgabe auf 112 069 000 DM aus.
Die vielfachen Sonderleistungen des Bundes, die sich insbesondere aus der Abwicklung der Kriegsfolgen ergeben, sind in diesem Jahr in dem Kap. 6004 zusammengefaßt. Hervorzuheben ist der Tit. 311 mit 66 600 000 DM — Leistungen des Bundes nach dem Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung —. Die Entschädigung dieses Personenkreises läuft auf Grund des Bundesgesetzes vom 18. September 1953 an. Bei den Beratungen zu diesem Titel wurde der Wunsch offenbar, daß die Verfahren bei den Ländern so schnell wie möglich durchgeführt werden sollten.
Mit dem Ansatz Tit. 541 — Darlehen an die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen — hat sich der Haushaltsausschuß auch in diesem Jahr sehr eingehend beschäftigt. Der Plan, die Pensionskasse durch ein Bundesgesetz auf eine neue Grundlage zu stellen, hat, wie aus der Diskussion im Ausschuß hervorging, auch die Fraktionen beschäftigt. Die sachlichen Schwierigkeiten scheinen sehr groß zu sein. Der Ausschuß hat sich deshalb entschlossen, an die Regierung den Appell zu richten, die endgültige Regelung dieser Angelegenheit mit Nachdruck voranzutreiben.
Für die Erhaltung deutscher Kriegsgräber im Ausland wird in diesem Jahr erstmalig ein sehr hoher Betrag in Höhe von 4 1/2 Millionen DM ausgeworfen. Nachdem in den vergangenen Jahren eine Pflege der Gräber im Ausland wegen der internationalen Verhältnisse noch nicht möglich war, soll jetzt durch Abkommen mit verschiedenen Staaten die Pflege und die Erhaltung der Gräber gesichert werden. Es ist zu hoffen, daß der dringende Wunsch der Öffentlichkeit auf würdige Ge-
staltung der deutschen Grabstätten nunmehr erfüllt wird.
Neu sind die Ansätze zu Tit. 681 und 682. Es handelt sich hier um Folgerungen aus den mit der Schweiz abgeschlossenen Verträgen zur Regelung der deutschen Vermögensverhältnisse in der Schweiz und Abdeckung der deutschen Schuld aus der sogenannten Clearing-Milliarde.
Dieses Kapitel schließt ab mit einer Gesamtausgabe von 658 883 500 DM.
Im außerordentlichen Haushalt finden wir als sehr wesentlichen Ausgabeposten ein Darlehn von 225 Millionen DM an den Lastenausgleichsfonds. Dieses Darlehn findet eine Grundlage in dem Gesetz über die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler in den Aufnahmeländern und des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin. Das Darlehn ist inzwischen mit Zustimmung des Haushaltsausschusses vorfinanziert worden.
An Darlehen bzw. Zuschüssen an das Land Schleswig-Holstein zur Steigerung seiner Wirtschaftskraft sind dieses Jahr 50 Millionen DM ausgebracht worden. Der Haushaltsausschuß hat sich der Ansicht angeschlossen, daß die Wirtschaft dieses Landes ohne eine solche Leistung nicht auskommt.
Für das Gebiet Watenstedt-Salzgitter befinden sich vier Ausgabeposten in den Tit. 620, 621 und 623 sowie 890. Es handelt sich hierbei um Mittel zur Beseitigung kommunalpolitischer Notstände, Zuschüsse für Kirchenausbauten sowie für Umsiedlungszwecke und den Betrag von 5 Millionen DM für die Erhöhung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft für Berg- und Hüttenbetriebe, die das demontierte Stahlwerk im Interesse der Beschäftigung von Arbeitslosen wiederaufbauen muß.
Die Subskriptionszahlung an die Weltbank mit 33 020 000 DM ergibt sich aus der Satzung der Weltbank.
Für den Neu-, Um- und Ausbau von Dienstgebäuden in Bonn ist der Betrag von 2 945 000 DM ausgeworfen worden. Hierbei handelt es sich um die Mittel für die Erweiterung des Bundesfinanzministeriums, die Errichtung einer Sammelkraftfahrzeughalle und die Erweiterung des Bundeshauses. Der Ausschuß stellte sich hier auf den Standpunkt, daß es sich um Bauten handelt, deren Durchführung unabweisbar ist, und hat für diese Ausgaben die Zustimmung gegeben.
Der außerordentliche Haushalt schließt unter Berücksichtigung eines Einnahmepostens von 20 Millionen DM, der nur als durchlaufender Posten zu betrachten ist, mit 301 489 000 DM ab.
Die Behandlung des Bundesvermögens wurde zurückgestellt. Hierzu hat der Ausschuß ein Gutachten vom Finanzministerium angefordert. Nach Vorliegen des Gutachtens soll ein Unterausschuß gebildet werden, der sich mit dieser Materie noch befassen soll.
Im Auftrag des Haushaltsausschusses habe ich die Ehre, das Hohe Haus zu bitten, diesem Einzelplan zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers haben mich interessiert, aber nicht beruhigt. Wir ziehen deshalb unsern Antrag Umdruck 67.*) auf Streichung des Dispositivs in Kap. 6002 Tit. 950 nicht zurück. Herr Minister Schäffer führt hier aus, daß ein innerer Zusammenhang zwischen der Gewährung von 120 Millionen DM an die Notstandsgebiete und dem Beschluß des Bundestags vom 2. Juli vorigen Jahres, diesen Notstandsgebieten durch besondere Maßnahmen zu helfen, nicht bestünde. Herr Kollege Schäffer, ein formaler Zusammenhang besteht nicht; aber es besteht selbstverständlich ein innerer Zusammenhang. Materiell ist der Zusammenhang ganz klar; denn der Bundestag wollte nach einer ausführlichen Debatte, die wir nach eingehenden Vorbereitungen des zuständigen Ausschusses geführt haben, in der Tat den Notstandsgebieten, insbesondere den Zonenrandgebieten helfen. Diese Zonenrandgebiete warten nach wie vor auf Hilfe; denn nur ein sehr kleiner Teil der damaligen Beschlüsse des Bundestags ist verwirklicht worden.
Es besteht also ein innerer Zusammenhang, und das hat auch der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen durch seinen Beschluß zugegeben, bei den Einnahmen in St. 9 die Dispositivbemerkung zu streichen, wonach die Einnahmen aus einem höheren Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer als 40 % zweckgebunden sind und zur Deckung der Ausgaben bei Kap. 6002 Tit. 950, „Steigerung der Wirtschaftskraft und Beseitigung von Wirtschaftsschäden in den Grenzbezirken des Bundesgebiets", dienen. Allerdings, nachdem auch der Haushaltsausschuß diesen Beschluß mit Mehrheit gefaßt hatte, erschien zehn Minuten später Herr Minister Schäffer — denn sein Nachrichtendienst funktioniert zweifellos gut — und machte dem Haushaltsausschuß mit beredten Worten klar, daß er eben diesen Vermerk brauchte, um bei den Ländern eine stärkere Position zu haben. Nun, auf dies unglückliche Verhältnis Bund-Länder will ich hier in diesem Zusammenhang nicht eingehen.
— Das ist die Ursache, und wir werden ja über diese Ursache bei der ersten Beratung der Finanzreformgesetze, die hoffentlich noch in diesem Monat stattfinden wird, sehr ausführlich zu sprechen haben. Aber Herr Schäffer kann doch im Ernst nicht glauben, daß er durch dieses Junktim auf die Länder, deren Hartnäckigkeit uns wahrhaftig hinlänglich bekannt ist, irgendeinen Eindruck machen könnte. Da ich fest überzeugt bin, daß er die 42 % Bundesanteil von den Ländern nicht bekommt — daß das kein Handelsobjekt ist, wissen Sie auch —, bin ich der Meinung, daß beide Bemerkungen in St. 9 und in Tit. 950 gemäß unserem Antrag Umdruck 67 gestrichen werden müssen. Wir haben uns damals im Haushaltsausschuß eingehend darüber unterhalten, und Herr Kollege Schäffer glaubte zum Schluß, nachgewiesen zu haben, daß seine Auffassung vernünftig sei, nachdem ich dieses Junktim als unmoralisch bezeichnet hatte. Ich möchte es noch einmal als unmoralisch bezeichnen. Wie kann man, wenn man sich verpflichtet fühlen muß und wenn ein Bundestagsbeschluß vorliegt, den Zonenrandgebieten zu helfen, gerade die Hilfe für die Zonenrandgebiete und die Hilfe für die Heimkehrer an die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf über 40 % knüpfen. Ich empfinde das als nicht moralisch. Herr Schäffer meinte, da es vernünftig sei, sei es nach Sokrates auch moralisch. Ich habe dann den Gegenbeweis zu führen versucht, daß es unvernünf-
*) Siehe Anlage 11 Seite 1195 B
tig und somit auch unmoralisch sei. Ich bitte also das Haus dringend — auch diejenigen Damen und Herren, die vorhin ihren Antrag zurückgezogen haben —, unserem Antrag zuzustimmen, daß die Hilfe für die Zonenrandgebiete in jedem Fall geleistet und nicht von diesem Junktim abhängig gemacht wird.
Mehr wollte ich zum Einzelplan 60 nicht sagen, aber der Herr Kollege Wacker als Berichterstatter hat mich etwas herausgefordert, nachdem ich mich häufig durch die Mitteilungen, die der Herr Bundesfinanzminister an die Presse gibt, unangenehm berührt fühle. Da das Haus schwach besetzt ist und seine Mitglieder ermüdet sind, will ich der Versuchung widerstehen, mich bei dieser Gelegenheit mit ihm über die Politik in bezug auf die Verbrauchsteuern auseinanderzusetzen. Das erste Experiment der Senkung einer Verbrauchsteuer, das der Bundestag unternommen hat, ist gelungen, die Senkung der Schaumweinsteuer. Sie wurde nicht im Interesse der Sekttrinker, sondern im Interesse der Weinbauern und im Interesse der Arbeitslosen gemacht. Wir haben jetzt 16 Millionen DM Sektsteueraufkommen eingesetzt. Wir haben, glaube ich, bis Ultimo März ein Aufkommen von rund 16,5 Millionen DM erreicht, und es ist damit zu rechnen, daß es weiter steigt, so daß, wie ich damals als Berichterstatter des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen gesagt habe, der Effekt eingetreten ist, daß das gesamte Steueraufkommen für die öffentliche Finanzwirtschaft nicht geringer geworden ist.
Dasselbe gilt für die Kaffee- und Teesteuer. Der Herr Bundesfinanzminister hat neulich eine Mitteilung an die Presse gemacht, und Herr Kollege Wacker hat heute darauf Bezug genommen. Da ich sehr um die Senkung der Kaffee- und der Teesteuer gekämpft habe — wir haben sie dann auch erfolgreich durchgeführt —, fühle ich mich doch veranlaßt, dazu ein paar Worte zu sagen. Es sind auf dem Konto Kaffeesteuer ohne Zoll und Umsatzausgleichsteuer eingegangen vom 1. April 1953 bis 28. Februar 1954 415 Millionen DM. Um den Monat März habe ich mich leider nicht gekümmert, weil ich dazu nicht sprechen wollte; deswegen habe ich die Abschlußzahlen nicht. Aber Herr Minister Schäffer wird sie haben. Schätzen wir den März mit 30 Millionen DM, dann sind insgesamt an Kaffeesteuer, Zöllen und Umsatzausgleichsteuer eingegangen von April bis August 1953 325,3 Millionen DM, vom September 1953 bis März 1954 —— davon ist der März mit 30 Millionen DM geschätzt —312,1 Millionen DM, was also ein Gesamtaufkommen von 637,4 Millionen DM ergibt. Schäffers Voranschlag belief sich auf Kaffeesteuer 520 Millionen DM, Zölle 83 Millionen DM, Umsatzausgleichsteuer 35 Millionen DM, gesamter Voranschlag 638 Millionen DM, der mithin erreicht worden ist.
In der Mitteilung an die Presse argumentiert nun der Bundesfinanzminister so: Der Verbrauch stieg damals vor der Senkung der Steuersätze schon ständig an. Das Aufkommen hätte, wenn die Steuer nicht gesenkt worden wäre, mindestens 610 Millionen DM im Rechnungsjahr betragen.
Das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn dieser imaginäre Steuerausfall bei der Kaffeesteuer unter Zugrundelegung eines Satzes von 10 DM für das Kilo Rohkaffee soll nunmehr nach Schäffer 170 Millionen DM betragen haben. Aber der Schäffersche Denkfehler liegt in der Nichtberücksichtigung der inzwischen auf dem Weltmarkt und auf dem Inlandsmarkt erheblich gestiegenen Rohkaffeepreise. Wäre die Steuer nicht gesenkt worden, würde ein Pfund Röstkaffee in den niedrigsten Konsumpreislagen heute mindestens 18,50 bis 19 DM kosten. An eine Mengenkonjunktur und einen Konsumanstieg wäre ohne Steuersenkung überhaupt nicht zu denken gewesen.
Ich empfinde es deshalb als schade, ich empfinde es wirklich immer wieder als schade, daß solche Mitteilungen aus dem Bundesfinanzministerium an die Presse gegeben werden. Denn — ich habe das neulich schon gesagt — durch solche Mitteilungen machen sich das Bundesfinanzministerium und der Bundesfinanzminister selber unglaubwürdig; und das ist schade, wenn der Bundesfinanzminister nicht glaubwürdig ist.
Nun habe ich vorhin zum erstenmal in meinem parlamentarischen Leben eine Zurechtweisung erhalten, als ich einen Ausdruck gebrauchte, der vom Herrn Präsidenten als nicht parlamentarisch gerügt wurde. Ich weiß nicht, ob der Ausdruck Rabulistik parlamentarisch ist. Ich hätte sonst gesagt, daß der zweite Absatz dieser Mitteilung des Bundesfinanzministeriums eine typisch Schäffersche Rabulistik ist. Sollte aber der Ausdruck Rabulistik unparlamentarisch sein, dann würde ich sagen: Das ist die Methode in den finanzpolitischen Mitteilungen, die ich hier und da mit großem Bedauern zur Kenntnis nehme. Es wäre sehr schön, wenn Sie das anders machten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Begründung der Anträge, die zu diesem Einzelplan gestellt sind.
Zunächst der Antrag auf Umdruck 67 der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zu Kap. 6002 Tit. 950. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr Umdruck 66, Antrag Kunze und Fraktion zu Kap. 6003 Tit. 154. Der Ansatz soll um 55 000 DM gekürzt werden. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu heben. —
— Antrag Umdruck 66 zu Einzelplan 60. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich habe den Eindruck, daß Zweifel darüber bestanden haben, worüber abgestimmt wurde.
Ich lasse noch einmal abstimmen. Es handelt sich um Umdruck 66. Ich verlese den Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Ansatz bei Kap. 6003 Tit. 154 um 55 000 DM zu kürzen.
Anmerkung:
Der Betrag dient zum Ausgleich der Mehrausgabe für die Zulage der Richter des Bundesverfassungsgerichts.
Wer für diesen Kürzungsantrag ist, den bitte ich,
die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Ich stelle
einstimmige Annahme fest. Damit sind die Änderungsanträge erledigt.
Wir stimmen nunmehr über Einzelplan 60 in der in zweiter Beratung festgestellten Fassung ab. Wer Einzelplan 60 nach Drucksache 379 annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 60 ist angenommen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Beratung der Drucksachen 399 betreffend Aufbauhilfe für die Stadt Kehl und 400 betreffend Beteiligung des Landes Baden-Württemberg an den Bundesmitteln für Grenzbezirke zurückgestellt werden. Besteht Einverständnis darüber?
Wir kommen nunmehr zur Beratung des Haushaltsgesetzes Drucksache 350. In Nachfolge des vorgesehenen Berichterstatters Schoettle, der erkrankt ist, wird Herr Abgeordneter Ohlig den Bericht erstatten. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Bundeshaushaltsplans ist dem Haushaltsausschuß nach der ersten Lesung am 22. Januar, 4. und 5. Februar vom Plenum des Bundestags überwiesen worden. Der Haushaltsausschuß hat den Haushaltsplan in ununterbrochener Arbeit in 24 meist ganztägigen Sitzungen beraten. Zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 — Haushaltsgesetz 1954 —, Drucksache 200, hat der Haushaltsausschuß die in der Drucksache 350 niedergelegten Beschlüsse gefaßt.
Im einzelnen ist zu berichten: Der § 1 muß lauten:
Der diesem Gesetz als Anlage beigefügte Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1954 wird in Einnahme und Ausgabe auf
27 173 779 900 Deutsche Mark festgestellt, und zwar
im ordentlichen Haushalt auf
25 133 418 700 Deutsche Mark an Einnahmen
und die gleiche Summe Deutsche Mark an Ausgaben,
im außerordentlichen Haushalt auf
2 040 361 200 Deutsche Mark an Einnahmen
und auf die gleiche Summe Deutsche Mark an Ausgaben.
Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß sich die Einnahmen- und Ausgabenansätze während der Beratungen im Haushaltsausschuß nicht unwesentlich geändert haben. Auf beiden Seiten sind im ordentlichen Haushalt rund 29 Millionen DM, im außerordentlichen Haushalt rund 31,1 Millionen DM, zusammen rund 60,1 Millionen DM hinzugekommen. Die Erhöhung des Volumens geht im wesentlichen auf das Konto des erhöhten Bundeszuschusses für das Land Berlin. Beim außerordentlichen Haushalt liegen erhöhte Ansätze für Seehäfen, Kanalbauten und Wohnungsbau vor.
In § 2 wird der Versuch unternommen, in einer übersichtlicheren Form als im Vorjahr die verschiedenen Arten der Deckungsfähigkeit zu gliedern. Abs. 1 zählt die unter die gegenseitige Dekkungsfähigkeit, Abs. 2 die unter die einseitige Dekkungsfähigkeit fallenden Titel auf, während Abs. 3 die übertragbaren Titel wiedergibt, die nach näherer Maßgabe der jeweiligen Haushaltsvermerke deckungsfähig sind. Die aus dem Mündlichen Bericht ersichtlichen Änderungen haben nur redaktionelle Bedeutung.
§ 3 ist unverändert geblieben.
§ 4. Die Frage der 4%igen Kürzung aller Haushaltsansätze war Gegenstand langer Erörterungen. Es ist zu bemerken, daß alle aus zweckgebundenen Einnahmen zu leistenden Ausgaben der Kürzung nicht unterliegen. Alle übrigen Ausgabeansätze sind grundsätzlich um 4 % gekürzt.
Nach Abs. 2 kann der Bundesfinanzminister eine Befreiung des einzelnen Haushaltsansatzes von der 4%igen Kürzung zulassen, wenn die Ausgabe bis zur vollen Höhe des Ausgabeansatzes wegen einer internationalen Rechtsverpflichtung oder aus ebenso unabweisbaren Gründen zwangsläufig ist. Bei der Erörterung dieser Bestimmung im Haushaltsausschuß haben es seine Mitglieder für erforderlich erachtet, daß sich der Haushaltsausschuß bei der Zulassung von Befreiungen einschaltet. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, den zweiten Absatz durch folgenden Satz 2 zu ergänzen:
Befreiungen über 300 000 Deutsche Mark
bedürfen der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß die in den Vorjahren übliche Sperre von 10 % weggefallen ist.
Die §§ 5 bis 7 sind unverändert geblieben.
§ 8 ist ebenfalls unverändert geblieben. Die frühere Vorschrift des § 8, die sich auf die haushaltsmäßigen Folgerungen aus der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts an öffentlichen Bediensteten bezog, ist diesmal weggefallen, da sie nicht in ein Haushaltsgesetz gehört. Sie wird durch eine besondere Bestimmung an anderer Stelle ersetzt werden.
Die §§ 9 und 10 sind unverändert.
§ 11 ist von besonderer Wichtigkeit. Hier wird wiederum die Vorschrift der Reichshaushaltsordnung über die haushaltsmäßige Einsetzung des Defizits aus Vorjahren auch für das Rechnungsjahr 1954 außer Kraft gesetzt. Damit wird leider eine auch nach der Auffassung der Bundesregierung bedenkliche Praxis fortgesetzt, die in den Vorjahren unter dem Druck des Haushaltsausgleichs begonnen worden war. Die Vorschrift bedeutet, daß in den Haushaltsplan 1954 das Defizit aus 1952 nicht eingestellt wird. Auch das Defizit aus dem Rechnungsjahr 1951 ist bisher in den Haushaltsplan nicht eingestellt worden.
§ 12 ist unverändert.
§ 13 sieht vor, daß gewisse dem Bundesminister der Finanzen erteilte Kreditermächtigungen wirksam bleiben. In diesem Zusammenhang ist folgendes zu bemerken: Der Bundesschuldenausschuß hat gewünscht, daß die früheren Kreditermächtigungen immer ausdrücklich außer Kraft gesetzt werden. Für die mit dem Haushaltsgesetz 1953 erteilten Kreditermächtigungen entspricht das jetzige Haushaltsgesetz bereits diesem Wunsch. Die im Vorjahre erteilten Ermächtigungen fallen am Schluß des laufenden Rechnungsjahres weg.
In Abs. 2 ist entsprechend den Beschlüssen des Haushaltsausschusses die Summe zu ändern. Statt 1 233 754 200 ist der Betrag von 1 264 881 200 Deutsche Mark einzusetzen.
Die folgenden Änderungen entsprechen den Beschlüssen des Haushaltsausschusses zu den einzelnen Haushaltsansätzen und haben keine grundlegend andere Bedeutung als früher.
In Abs. 3 sind unter a) am Schluß die Worte „oder nötigenfalls" zu streichen und durch das Wort „und" zu ersetzen. Unter b) ist das Wort „Abdeckung" zu streichen und durch das Wort „Erfüllung" zu ersetzen; die Worte „nach dem Rentenzulagengesetz vom 10. August 1951 zu erstattenden Mehraufwendungen" sind zu streichen und durch die Worte „zustehenden Forderungen" zu ersetzen.
Die §§ 14 bis 16 sind unverändert geblieben. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, den Antrag auf Drucksache 350 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf: §§ 1, — 2, —3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,-11,-12.
— Zu § 13 ist ein Änderungsantrag angekündigt. Wird er aufrechterhalten?
— Dann lasse ich über die §§ 1 bis 12 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Zu § 13 liegt der Änderungsantrag Umdruck 41 Ziffer 1 vor, der lautet:
§ 13 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes 1954 wird gestrichen.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe weiter auf und stelle zur Abstimmung: §§ 13, — 14, — 15, — 16, — Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Diese Bestimmungen sind in zweiter Beratung angenommen. Wir haben damit die zweite Beratung abgeschlossen.
Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD bitten um eine Sitzungspause von 30 Minuten. Während dieser Zeit werden Fraktionssitzungen abgehalten. Die dritte Beratung wird nach den Abstimmungen zur gestrigen Debatte erfolgen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 13 Uhr 10.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 8 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
— Daß es so spät geworden ist, ist nicht meine Schuld.
Zunächst möchte ich bekanntgeben: durch interfraktionelle Vereinbarung ist festgelegt worden, daß die dritte Lesung des Haushaltsplanes heute nicht mehr, sondern — als erster Punkt der Tagesordnung — in der Sitzung am 6. Mai, also in der nächsten Woche, stattfinden soll. Ich unterstelle,
daß das Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Einem Beschluß von gestern entsprechend kommen wir nun auf die Punkte 2 und 3 der gestrigen Tagesordnung zurück:
2. a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Saarfrage ,
b) Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betreffend Entwicklung der außenpolitischen Lage ;
3. a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Auswirkungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf die Wirtschaft der Bundesrepublik ,
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Bildung eines Ausschusses zur Beratung von Vorschlägen gemäß Artikel 96 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl .
Diese Punkte waren durch einen Beschluß miteinander verbunden worden. Davon sind die Punkte 2a, 2b und 3a durch die Aussprache erledigt.
Zu Punkt 3 b frage ich, ob noch eine Begründung gewünscht wird. Sie ist ja wohl gestern erfolgt.
— Also nicht.
Wir kämen dann zur Abstimmung.
— Ich bitte, mich aussprechen zu lassen. Ich schlage dem Hause vor Überweisung dieses Antrages an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß. Ist das Haus damit einverstanden?
— Das ist der Fall. Die Überweisung ist beschlossen.
Es liegen mir nun zu diesen beiden Punkten der Tagesordnung noch zwei Entschließungsanträge vor, die Sie auf Drucksache 493 — ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD — und auf Drucksache 501 — ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP — vorfinden. Schließlich ist mir jetzt noch ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, des GB/BHE und der DP zum Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zugegangen. Sollen diese Entschließungsanträge begründet werden?
Der Änderungsantrag hat folgenden Wortlaut; ich darf ihn vorlesen:
Zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP wird beantragt, den Abs. 2 Satz 2 wie folgt zu fassen:
Die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung über das Verhältnis Deutschlands zur Saar macht sich der 2. Deutsche Bundestag zu eigen.
Das hat ja nur einen Sinn, wenn man den ganzen zweiten Absatz liest. Der zweite Absatz lautet:
Der 1. Deutsche Bundestag hat durch die Entschließung vom 2. Juli 1953 zu der Behandlung
der Saarfrage Grundsätze aufgestellt. Die
— jetzt folgt eben die Änderung —
darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung über das Verhältnis Deutschlands zur Saar macht sich der 2. Deutsche Bundestag zu eigen.
Sollen die Anträge begründet werden? SPD? — Nicht der Fall.
Der Änderungsantrag soll auch nicht begründet werden?
Meine Damen und Herren, dann muß ich nach der Übung, die wir hier gehabt haben, entscheiden, da j a beides Entschließungsanträge sind, welcher von den Entschließungsanträgen der weitergehende ist. Ich entscheide dahin, daß der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP der weitergehende ist, weil er in seinem ersten Absatz die ganze Europapolitik grundsätzlich umfaßt. Darf ich unterstellen, — — —
— Bitte, Herr Mommer, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der langen Unterbrechung der Sitzung ist unsere Fraktion jetzt in dieser Minute in den Besitz des Änderungsantrags der CDU/CSU-Fraktion gekommen.
Bisher mußte sie glauben, daß ein anderer Text, der ihr vorher bekanntgegeben wurde, der Abstimmung zugrunde liegen würde.
Ich möchte das hier bemerken; denn ich glaube, daß das anders hätte laufen können und unsere Fraktion hätte informiert werden müssen, damit wir in voller Kenntnis der Texte, die hier vorgelegt wurden, hätten abstimmen können.
Nun haben wir hier den Text des Antrags der FDP-Fraktion und den des Antrags der SPD-Fraktion vor uns. Wir sind der Überzeugung, daß unser Text der weitergehende ist. In ihm werden in der Tat die Grundsätze — —
— Das ist nicht entschieden! Ich melde mich zur Geschäftsordnung, und wir haben das Recht, diese Geschäftsordnungsfrage hier zu diskutieren. Wir sind der Meinung, daß ein Antrag, der Grundsätze aufzählt, weitergehend ist als ein Antrag, der sich auf eine Drucksache bezieht, die Grundsätze enthält, die j a auch dem Leser einer solchen Entschließung nicht bekannt sein können, es sei denn, daß er den umständlichen Weg einschlägt, sich diese Drucksache des Bundestages zu beschaffen. In dieser Auffassung, daß unsere Entschließung die weitergehende ist, befinden wir uns sicher in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler und seiner Fraktion. Schon immer waren manchen die Grundsätze jener Entschließung viel zu gründlich, und wenn sie jetzt auch noch ausdrücklich vom Deutschen Bundestag wiederholt werden sollen, dann findet das der Herr Bundeskanzler entschieden zu weitgehend! Unser Antrag ist der weitergehende.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nur zu der ersten Feststellung des Herrn Kollegen Mommer äußern. Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Mommer, daß dieser Änderungsantrag, den ich für die Fraktionen der CDU/CSU, des GB/BHE und der DP eingebracht habe, im Augenblick fertig geworden ist. Wenn Sie Gelegenheit haben wollen, diesen Antrag noch einmal zu prüfen, würde ich selbstverständlich einer Aussetzung der Sitzung nicht widersprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird der Antrag gestellt? — Das ist nicht der Fall.
Wir bitten um absatzweise Abstimmung. Ich darf zum ersten Absatz ums Wort bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte! Der Abgeordnete Mommer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste Absatz ist in dieser Fassung für die SPD-Fraktion nicht annehmbar. Vorher haben wir einen Text der CDU-Fraktion gehabt, der annehmbar war, weil in ihm die Worte „die Fortsetzung dieser Europa-Politik" fehlten. Diese Worte können im Zusammenhang nur so gedeutet werden, daß eine ganz bestimmte Europa-Politik — die der Integration — gemeint ist, die wir nicht billigen können. In dem Text der CDU-Fraktion fehlte dieser Bezug, und es war in ihm nur das Bekenntnis zu der Einigung Europas auf der Grundlage gleicher Rechte und gleicher Pflichten enthalten. Diesem Absatz hätten wir zustimmen können. Wir bedauern, daß das bei der jetzt vorliegenden Formulierung nicht möglich sein wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter von Brentano!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst feststellen, daß ein anderer Antrag seitens meiner Fraktion bisher nicht gestellt worden ist, so daß ich nicht weiß, auf welche Formulierung der Herr Kollege Mommer Bezug nimmt, vielleicht auf Entwürfe. Aber, meine Damen und Herren, wenn hier ein Bekenntnis zur Europa-Politik abgelegt wird, dann darf ich vielleicht fragen — ich möchte nicht die Übung der Opposition aufnehmen —,
ob ich eventuell die Drucksache Nr. 1193 vom 19. Juli 1950 erneut einbringen soll, damit darüber abgestimmt wird. In dieser Entschließung hat sich der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen der CDU, SPD, FDP, BP, DP und des Zentrums — der Antrag trägt die Unterschrift des Herrn Kollegen Ollenhauer und Fraktion — zu der Politik der europäischen Integration und zur Schaffung eines europäischen Bundespaktes unter Einschluß der Bundesrepublik bekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte! Der Abgeordnete Mende hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herrer ! Ich darf zur Geschäftsordnung bemerken, daß unser gegen 13 Uhr eingereichter Antrag Drucksache 501 zum gleichen Zeitpunkt allen Fraktionen des Hauses, also auch der Opposition, zugeleitet wurde, so daß nach unserer Auffassung genügend Zeit vorhanden war, auch zu der politischen Seite des ersten Absatzes Stellung zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte ja schon entschieden — und es ist mein Recht als Präsident, darüber zu entscheiden —, welcher von mehreren vorliegenden Anträgen der weitergehende ist. Ich habe mich dahin entschieden, daß der Entschließungsantrag der FDP der weitergehende ist. Ich komme darüber zur Abstimmung. Ich glaube, das Haus hat nichts dagegen, daß wir dem Antrag der SPD stattgeben und absatzweise abstimmen.
Ich rufe also jetzt den ersten Absatz der Entschließung der Fraktion der FDP — Drucksache 501
— auf. Wer diesem ersten Absatz zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Abs. 1 des Antrages Drucksache 501 ist in der vorliegenden Fassung angenommen.
Ich komme nun zum Abs. 2.
Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.
Ich stelle im Namen meiner
Fraktion folgenden Änderungsantrag zu Abs. 2: Der letzte Satz wird gestrichen. An Stelle des Punktes tritt ein Komma.
Es folgt dann der Text — — Ich will ihn im Zusammenhang lesen:
Der 1. Deutsche Bundestag hat durch die Entschließung vom 2. Juli 1953 zu der Behandlung der Saarfrage Grundsätze aufgestellt,
— und jetzt kommt die Änderung —
die unverzichtbar sind und für die Bundesregierung weiterhin bei ihren Verhandlungen über die Saarfrage maßgebend bleiben müssen.
Meine Damen und Herren! Bei dieser langen Diskussion sollte nicht das herauskommen, was man im französischen politischen Leben einen „weißen Neger" nennt. Man soll hier klar sprechen. Die Diskussion ist nicht klar gewesen.. Der letzte Satz des Entschließungsentwurfs der CDU, der uns vorgelegt wurde, trifft sachlich nicht zu. Es war keine einheitliche Meinung darüber zu finden, ob jene Grundsätze noch gelten sollen oder nicht. Um alle Zweifel zu zerstreuen für das deusche Volk, das sich Sorge um dieses Problem macht, und für das Ausland, das auf uns schaut, sollten wir uns klar ausdrücken. Daher dieser klare Änderungsantrag.
Wir beantragen namentliche Abstimmung über diesen Änderungsantrag.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Becker!
Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag der SPD stimmt allerdings wörtlich überein mit dem Beschluß vom vorigen Jahre. Damals wurde unter Ziffer 2 als Grundsatz aufgestellt,
daß die zur Zeit im Saargebiet bestehende Ordnung Bestandteil der inneren Organisation Deutschlands ist, welche die Besatzungsmächte in Ausübung der von ihnen vorübergehend übernommenen höchsten Gewalt eingerichtet haben.
Damit wird erklärt, daß der jetzige Zustand an der Saar ein Teil der inneren Ordnung Deutschlands ist. Wir legen Wert darauf, festzustellen, daß dieser Satz heute für uns nicht annehmbar ist. Deshalb wurde die allgemeine Formulierung gewählt, die in unserem Antrag enthalten ist. Wir können aber unmöglich diesen Grundsatz, daß die jetzige Ordnung an der Saar als innere Ordnung Deutschlands anzusehen ist, als unverzichtbar erklären.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin erstaunt über die Interpretation, die soeben gegeben worden ist. Es scheint mir doch seltsam, daß man uns unterstellen konnte, daß wir
— und mit uns der ganze Bundestag — die an der Saar heute herrschende sogenannte verfassungsmäßige Ordnung für einen Teil der deutschen Rechtsordnung ansehen wollten. Was in diesem Absatz gesagt ist, ist doch ganz einfach dies, das das Saargebiet nicht Ausland ist, daß die Ordnung, in die das Saargebiet gestellt werden muß, eine innere deutsche Ordnung ist, daß keine völkerrechtlichen Beziehungen zum Saargebiet bestehen, sondern daß das Verhältnis zum Saargebiet ein Stück der Ordnung Deutschlands ausmacht. Das ist es, was in dem Absatz gesagt wird.
Ich glaube, Herr Kollege Becker, daß ich damit auch Ihre Auffassung von unserem Verhältnis zum Saargebiet getroffen habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben vom Herrn Kollegen Professor Schmid vorgetragene Ansicht ist in der Entschließung in den Punkten 1 und 3 zum Ausdruck gebracht. In Punkt 2 handelt es sich aber um einen bösen redaktionellen Fehler, von dem ich offen bekenne, daß wir ihn damals übersehen haben. Die innere Ordnung, die auf Grund Ihres Zusatzantrags als unverzichtbar erklärt werden soll, bedeutet nämlich die von der Besatzungsmacht auferlegte Verfassung an der Saar, die in ihrer Präambel den Grundsatz der Abtrennung des Saargebiets vom deutschen Gesamtstaat enthält. Wir sind nach dem Gang der Verhandlungen unter gar keinen Umständen in der Lage, diesen Fehler,
der gewiß nicht beabsichtigt war, aber in diesem Dokument steht, in einem zweiten Beschluß des Bundestags zu wiederholen.
Aus diesem Grunde haben wir uns auf die Rechtsgrundsätze und Auffassungen, die in unserem Änderungsantrag im Anschluß an die Resolution von 1953 zum Ausdruck gebracht werden sollen, beschränkt; das ist der Sinn unseres Änderungsantrags.
— Sie zwingen uns, diesen Fehler des 1. Bundestags darzulegen! Es kann nicht Aufgabe des 2. Bundestags sein, in einem Beschluß den redaktionellen Fehler des 1. Bundestags sozusagen zu versteinern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin erstaunt, daß der Herr Kollege Mommer den Änderungsantrag nicht verstehen zu können glaubt. Wir bringen darin die Auffassung so klar zum Ausdruck, wie es seinerzeit vielleicht nicht geschehen ist. Ich verweise auf die Ziffern 1 und 3 der Entschließung vom 2. Juli 1953. Der Änderungsantrag, den wir gestellt haben, lautet: „Die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung über das Verhältnis Deutschlands zur Saar macht sich der 2. Bundestag zu eigen." Wer die Entschließung vom 2. Juli liest, in der es heißt, daß das Saargebiet nach deutschem und internationalem Recht ein Teil Deutschlands innerhalb der Grenzen von 1937 ist, und die Interpretation sieht, die wir heute geben und derzufolge wir uns diese Rechtsauffassung zu eigen machen, kann nicht mehr den Zweifel äußern, den der Kollege Mommer ausgesprochen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.
Es ist sehr interessant, was den Menschen alles einfällt, wenn sie in Verlegenheit sind.
Jener Antrag hat anderthalb Jahre im Auswärtigen Ausschuß gelegen. Dann ist er in mehreren Sitzungen beraten und einstimmig vom Auswärtigen Ausschuß angenommen worden. Hier im Hause ist er gegen die Stimmen der wenigen Kommunisten, die da saßen, einstimmig angenommen worden. Heute um 3 Uhr, nachdem man sich drei Stunden um diese Entschließung herum gedreht und gewendet hat, fällt Ihnen ein, daß hierin die Anerkennung des Saarregimes enthalten sei.
Mein Kollege Schmid hat schon gesagt, wie dieser Absatz zu verstehen ist. Die Organisation im Saargebiet ist ein Teil der Besatzungsorganisation, der von den Besatzungsmächten in Deutschland eingerichteten Organisation. In unserem ursprünglichen Antrag stand, daß der Vertreter Frankreichs an der Saar nicht als ein Vertreter der französischen Regierung, sondern als ein Vertreter der
Alliierten Hohen Kommission zu betrachten sei. Damit sollte eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, daß wir uns im Verhältnis zum Saargebiet nicht in einem Verhältnis zum Ausland befinden, sondern in dem gleichen Verhältnis wie zur DDR. Diese DDR ist j a eine Realität, die wir nicht anerkennen; sie ist trotzdem auch ein Teil der, inneren Organisation Deutschlands unter den vier Besatzungsmächten. Darum drehen und wenden Sie sich jetzt.
Wir beharren auf unserem Antrag. Wenn Sie uns aber sagen würden, daß sie ihm bei Verschwinden des Punktes 2 aus der alten Resolution zustimmten, würden wir uns das überlegen und die Sitzung noch einmal für eine Viertelstunde unterbrechen. Dann kämen wir vielleicht zu einer einstimmigen Entschließung. Das würde sich dann gelohnt haben.
Aber bei dem, was Sie von der CDU in Ihrem Änderungsantrag jetzt vorschlagen — daß sich der Deutsche Bundestag die Rechtsauffassung jener Entschließung zu eigen macht —, entfällt ein interessanter und entscheidender Punkt jener Entschließung, nämlich der Punkt 3, der keine Rechtsauffassung enthält, sondern eine politische Direktive. Dieser Punkt heißt — ich darf ihn verlesen —:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei der weiteren Behandlung der Saarfrage von folgenden Grundsätzen auszugehen:
3. daß bei Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen durch die Bundesrepublik im Hinblick auf das Saargebiet das Recht in dem Sinne wiederherzustellen ist, daß
a) innerhalb des Saargebietes freiheitliche demokratische Zustände geschaffen werden;
b) der De-facto-Abtrennung des Saargebietes von Deutschland ein Ende gemacht und seine Zugehörigkeit zu Deutschland beachtet wird.
Das ist mehr als eine Rechtsauffassung, das ist ein politischer Auftrag des Bundestags an die Bundesregierung gewesen; und diesen Auftrag möchten wir heute wiederholen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Schmid. — Verzichtet.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine sehr geehrten Herren Kollegen, insbesondere sehr verehrter Herr Kollege Schmid, ich habe wahrhaftig nicht unterstellt, daß Sie das zum Ausdruck hätten bringen wollen. Vielmehr hat der Kollege Merkatz schon mit Recht gesagt, daß man damals die Tragweite, also das, was aus diesem Satz 2 geschlossen werden kann, nicht beachtet hat.
— Ich stelle fest, daß Sie mir soeben Spiegelfechterei vorgeworfen haben. Ich verbitte mir das!
Zum zweiten. Herr Mommer hat zu Beginn gesagt: Was den Leuten doch alles einfällt, wenn sie sich in Verlegenheit befinden!
Verehrter Herr Kollege Mommer, wenn Sie die
Haltung unserer Fraktion in dieser Debatte beachtet haben, dann wissen Sie ganz genau, daß wir
schon lange wissen, was wir wollen, und daß wir
uns nicht in irgendeiner Verlegenheit befinden.
Zum dritten. In der Ziffer 3 Ihres Absatzes ist doch auch von. dem Recht die Rede,
nämlich von dem Recht auf die Herstellung freiheitlich demokratischer Zustände und dem Recht darauf, daß die De-facto-Abtrennung des Saargebiets ein Ende findet und daß es wieder mit Deutschland vereinigt wird. Diese Rechtsgrundsätze sind die, die wir gestern in der Debatte ausdrücklich vertreten haben. Das sind die Rechtsgrundsätze, die, längst ehe diese Entschließung hier vorlag, über den Draht in die Hauptstädte der anderen Länder gelangt, schon durch die Berichte über die gestrige Debatte dorthin gedrungen sind. Ich glaube, daß wir sagen können, daß mit dem Wort „Rechtsgrundsätze" eine Wiederholung des Früheren vermieden wird — weiter gar nichts —, aber das unterstrichen wird, was wir an wirklichen Rechtsgrundsätzen im Beschluß vom Juli 1953 und in der Debatte festgelegt haben. So ist es auch, und das ist unsere — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter!
Herr Kollege Becker, darf ich Ihnen eine Frage stellen. Halten Sie eine Rechtsauffassung für identisch mit dem Prozeß der Wiederherstellung des Rechts? Das letzte ist ein politischer Prozeß, die Rechtsauffassung hat mit diesem Akt, mit diesem Prozeß doch gar nichts zu tun.
Die Rechtsauffassung geht dahin, daß es wiederhergestellt werden muß, weil es Recht ist.
: Warum wollen Sie es denn
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Carlo Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Herrn Dr. Becker aufs neue widersprechen muß. Es ist nicht so, daß man diese Ziffer 2 in der Weise interpretieren könnte, wie von einigen Mitgliedern des Hauses gefürchtet zu werden scheint. Diese Ziffer ist ganz eindeutig. Sie sagt, daß die zur Zeit im Saargebiet bestehende Ordnung Bestandteil der inneren Organisation Deutschlands ist, welche die Besatzungsmächte in Ausübung der von ihnen vorübergehend übernommenen höchsten Gewalt seinerzeit eingerichtet haben. Genau so, wie die Besatzungsmächte einst die Länder abgegrenzt haben, die jetzt die Bundesrepublik ausmachen, haben sie in Deutschland den Bereich „Saargebiet" abgegrenzt und ihm eine Organisation gegeben. In Ziffer 2 wird gesagt, daß, was in Saarbrücken als verfassungsmäßige Ordnung eines neuen Staates ausgegeben wird, das nicht ist, sondern nichts als eine spezielle Regulierung der inneren Verhältnisse eines Teiles Deutschlands durch die Besatzungsmächte. Das wollten wir sagen, und wir haben seinerzeit alle gewußt, daß wir das sagen wollten und nichts anderes.
Ich glaube, daß seit der Fassung dieses Beschlusses nicht so viel Zeit vergangen ist, daß man annehmen dürfte, es sei vergessen worden, was wir seinerzeit mit dem Beschluß gemeint haben. Ich kann verstehen, Herr Dr. Becker, daß Sie politische Gründe haben, diesen Beschluß nicht zu wollen. Dann sagen Sie aber bitte, daß Sie ihn aus politischen Gründen nicht wollen!
Aber sagen Sie doch bitte nicht, daß Sie ihn nicht wollen, weil Sie fürchten, durch eine Wiederholung dieses Beschlusses würde der Bundestag der Welt erklären, daß er die Verfassung von Saarbrücken einschließlich von Herrn Hoffmann für einen Teil der deutschen staatlichen Ordnung halte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Ich kehre zurück zur Abstimmung über den Abs. 2 des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP Drucksache 501. Hier hat die SPD-Fraktion einen Änderungsantrag gestellt.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin jetzt wieder in der schwierigen Situation — —
— Bitte, lassen Sie mich aussprechen, bitte nicht voreilig! — Ich fasse es so auf: der Änderungsantrag der SPD bedeutet im Materiellen die Änderung des ersten Satzes des Abs. 2 der aufgerufenen Entschließung, indem er beantragt, daß der erste Satz nicht bei „aufgestellt" mit Punkt aufhört, sondern da weiter anknüpft:
die unverzichtbar sind und für die Bundesregierung weiterhin bei ihren Verhandlungen über die Saarfrage maßgebend bleiben müssen.
Die Annahme dieses Änderungsantrags — für den namentliche Abstimmung beantragt ist — würde bedeuten, daß dann logischerweise der zweite Satz, wie er jetzt noch, ehe ich über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion habe abstimmen lassen, besteht, wegfallen müßte.
Ich kann also logisch nicht anders vorgehen, als daß ich zuerst über den Änderungsantrag zum Satz 1, den die SPD gestellt hat, abstimmen lasse. Da namentliche Abstimmung beantragt ist, bitte ich die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, muß noch jemand in der eben vorgenommenen namentlichen Abstimmung seine Stimmkarte abgeben? — Dann bitte ich, das gleich zu tun.
Ich frage noch einmal: Muß noch jemand die Stimmkarte abgeben? —Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich das Einverständnis des Hohen Hauses unterstellen, daß ich die Zeit bis zur Feststellung des Ergebnisses der Zählung dazu benutze, noch einige Punkte der heutigen Tagesordnung durch Überweisung zu erledigen? Ist das Haus damit einverstanden?
— Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 2:
Erste Beratung des von der Fraktion CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ermächtigung der Landesregierungen zur Verlängerung der Wahlperiode der ehrenamtlichen Mitglieder der Finanzgerichte .
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Aussprache.
Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnungen für die Rechnungsjahre 1949 und 1950 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (Drucksache 396).
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Aussprache.
Ich schlage dem Hause vor Überweisung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5a und b:
a) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betreffend Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1950 — Einzelplan XX — ;
b) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betreffend Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1951 — Einzelplan XX — .
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich schlage dem Hause vor, beide Drucksachen an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder .
Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Seelotswesen .
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 168 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung .
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung.
Ich schlage dem Hause Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe noch Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 205).
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Dresbach das Wort.
Ich stelle den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Berichterstatter stimmt zu. Das Haus hat den Antrag gehört. Ist das Haus damit einverstanden, daß dieser Gesetzentwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zurückverwiesen wird? — Das ist der Fall; die Rücküberweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .*)
Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überweisungen sind einstimmig erfolgt.
Ich kehre nunmehr zurück zu den Abstimmungen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 412. Ja 163. Nein 242. Enthaltungen 7. Das Ergebnis der Abstimmung bei den Berliner Abgeordneten: abgegebene Stimmen 17. Ja 9. Nein 8. — Damit ist der von der SPD gestellte Änderungsantrag zum ersten Satz des Abs. 2 der Drucksache 501 abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU,
*) Siehe Anlage 14 Seite 1198.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1203, 1. Abstimmung.
GB/BHE und DP, wonach der zweite Satz des Abs. 2 der Drucksache 501 lauten soll:
Die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung über das Verhältnis Deutschlands zur Saar macht sich der 2. Deutsche Bundestag zu eigen.
Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Abs. 2 unter Berücksichtigung dieser Abänderung. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zur Gesamtabstimmung
über den so abgeänderten Antrag Drucksache 501.
— Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Ich beantrage namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat zur Abstimmung der Abgeordnete Professor Dr. Carlo Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens der Fraktion der SPD folgende Erklärung abzugeben.
Wir konnten dem Abs. 2 des Entschließungsentwurfs zustimmen, denn in diesem Absatz werden die Rechtsgrundsätze des Beschlusses vom 2. Juli letzten Jahres erneut bekräftigt. Wir bedauern, daß man sich mit einer platonischen Erklärung begnügt hat, die der Bundesregierung nach unserer Meinung zuviel Möglichkeiten der Interpretation läßt.
Wir hätten es lieber gesehen und wir hatten erwartet, daß der Bundestag die Bundesregierung für ihre Verhandlungen an die einzelnen Feststellungen dieses Beschlusses gebunden hätte. Damit hätte der Bundestag politisch gehandelt. Seine Aufgabe ist es nicht in erster Linie, Rechtsgutachten abzugeben und Rechtsauffassungen zu bekräftigen, sondern seine Aufgabe ist es, der Regierung, die ihm verantwortlich ist, in Fragen, bei denen es um den Bestand der Nation geht, die oberen und die unteren Grenzen für ihr Ermessen zu ziehen.
Wir haben dem Abs. 1 nicht zustimmen können. In diesem Absatz wird die Billigung der sogenannten Integrationspolitik des Europa zu Sechsen verlangt, die wir bekämpft haben und die wir bekämpfen, weil wir sie für verhängnisvoll halten; und wir halten sie für verhängnisvoll, weil wir meinen, daß dadurch die Chancen für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands schwer gekränkt werden.
Weil wir diese Politik für falsch halten und weil die Entschließung eine Billigung dieser Politik mit verlangt, werden wir, obwohl wir für den Abs. 2 gestimmt haben, gegen das Ganze der Entschließung stimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde werden der gesamten Entschließung zustimmen, und ich möchte auch erklären, warum wir dem Ergänzungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht zugestimmt haben.
Wir haben ihm nicht zugestimmt, weil wir es nicht für das Recht und die Aufgabe des Bundestages, zum wenigsten der Opposition, halten, — —
— Meine Damen und Herren, ich bin über den Protest erstaunt. Sie haben protestiert, bevor ich überhaupt gesagt habe, was — —
Ich wiederhole: ich halte es nicht für das Recht des Bundestages und zum wenigsten der Opposition, die verfassungsmäßige Handlungsfreiheit der Bundesregierung vorwiegend aus innerpolitischen Gründen zu beschränken. Die Entscheidungsfreiheit liegt bei der Bundesregierung, und gerade wenn hier gesagt worden ist, daß es sich um Fragen handelt — ich zitiere den Herrn Kollegen Schmid wörtlich —, in denen es um das Interesse der ganzen Nation geht,
dann sind wir nicht der Meinung, daß es zulässig und möglich ist, der Bundesregierung die Hände zu binden.
— Herr Kollege Heiland,
ich glaube, Sie sollten sich bessere Aperçus suchen als Vergleiche mit Hitler; das ist dumm!
Die Erklärung, meine Damen und Herren, die wir nun zu beschließen bereit sind, gibt der Bundesregierung eine klare Richtlinie.
Sie vermittelt der Bundesregierung die Rechtsauffassung der Mehrheit des Deutschen Bundestages
und vermittelt der Bundesregierung auch das Recht
und die Pflicht, im Rahmen dieser Rechtsauffassung
zu handeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.
Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich zu erklären, daß wir der gemeinsamen Entschließung zustimmen. Wir haben darauf verzichtet, eine eigene Entschließung einzubringen, weil wir der Auffassung sind, daß in dieser Frage von höchster Bedeutung für Deutschland und das deutsche Volk eine Entschließung auf mög-
liehst breiter Grundlage gefunden werden sollte. Wir stimmen dieser Entschließung auch zu
aus der Erwägung, daß es zu den wahrhaften
Pflichten einer Regierung gehört, die als Treuhänderin die deutsche Souveränität wahrzunehmen
hat, die Zustände, die für Volk und Gebiet an der
Saar eingetreten sind, zugunsten dieses deutschen
Volksteiles zu wenden und alles dafür zu tun, damit nicht eine Lage herausgefordert wird, die die
Gefahr in sich schließt, daß die gegenwärtigen Zustände an der Saar noch in zehn Jahren herrschen.
Es gilt hier, deutschem Land und deutschem Volk
zu helfen und ihm auf den Wegen einer konstruktiven Politik durch Beseitigung eines Konflikts die Lebensmöglichkeiten zu erschließen, auf die Volk und Gebiet an der Saar als Teil Deutschlands einen Anspruch hat. t
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Carlo Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere die Erklärung über die Rechte des Parlaments der Regierung gegenüber, die Herr Kollege von Brentano hier abgegeben hat.
Wenn wir dieser Auffassung folgten, dann würden wir mit unserer Verfassungswirklichkeit zurückgehen bis zu den Zeiten der konstitutionellen Monarchie,
mit dem Unterschied, daß wir eben keinen Monarchen von Gottes Gnaden mehr haben. Aber die Befugnisse des Parlaments in der konstitutionellen Monarchie waren genau die, die Herr von Brentano hier aus dem Grundgesetz glaubt ableiten zu können. Es ist das Wesen der parlamentarischen Demokratie — und das wir durch das Grundgesetz eine solche gewollt haben, Herr von Brentano, das sollte unter uns keine Kontroverse sein! —,
daß sich das Parlament nicht nur darauf zu beschränken hat, Gesetze zu beschließen und den Haushalt zu beschließen, kurz und gut: gesetzgeberisch tätig zu sein,
sondern daß es auch die Aufgabe hat, die Regierung zu kontrollieren u n d ihr Impulse zu geben.
Das ist das Wesen der parlamentarischen Demokratie,
und dazu genügen bloße Bekenntnisse zu Grundsätzen, insbesondere wenn sie so platonisch formuliert sind, wie Sie es in Ihrer Entschließung tun, nicht. Wenn Sie der Meinung sind, Herr von Brentano, daß der Bundesregierung überhaupt keine obere und untere Grenze für ihr Verhandlungsermessen gegeben werden soll, — warum haben Sie sich dann die Mühe gemacht, diese Grundsätze
zu votieren? Es genügt nicht, platonische Bekenntnisse abzulegen —
wir sollten hier konkrete Politik machen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem gemeinsamen Antrag der Koalitionsparteien zustimmen.
Sie ist überzeugt, daß der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung
ihrer Pflicht, das deutsche Interesse zu wahren, in jeder Beziehung nachkommen werden, und daß sie nicht nur das deutsche Interesse und den Bestand der deutschen Nation bei ihren Verhandlungen im Auge haben werden, sondern auch das europäische Interesse, auf das in diesem Zusammenhang ebenfalls geachtet werden muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der FDP erklären, daß wir dem so abgeänderten Antrag unserer Fraktion auf Drucksache 501 zustimmen werden.
Wir bedauern allerdings, daß die Debatte der letzten halben Stunde zu gewissen Mißverständnissen Anlaß gegeben hat.
Dankenswerterweise haben sich unserem Antrag auch die anderen Fraktionen der Regierungskoalition angeschlossen. Leider war die Fraktion der Opposition nicht in der Lage, sich ihm — mit Ausnahme des zweiten Absatzes — anzuschließen. Wir erklären nach wie vor, daß wir in der Interpretation an dem festhalten, was gestern die Sprecher unserer Fraktion hier festgestellt haben,
und daß unser Standpunkt, den wir gestern und auch heute hier zum Ausdruck gebracht haben, nach wie vor unverrückbar ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für eine Reihe von Freunden, die von der Saar stammen und diese Auseinandersetzung mit tiefster Bewegung beobachtet haben, darf ich vielleicht auch das Bedauern über die in der letzten halben Stunde entwickelte Form zum Ausdruck bringen. Mit dieser Form wird der Saar nicht geholfen und wird der Saarbevölkerung nicht geholfen.
Wir stimmen — ich meine damit die mir persönlich durch landsmannschaftliche Verbundenheit besonders nahestehenden Freunde — der jetzt beantragten Entschließung vollinhaltlich zu. Ich will auch erklären, warum ich und andere zu dem Änderungsantrag der Opposition nein gesagt haben.
— Ich darf zunächst sagen warum; dann können Sie weiter fortfahren. Wir haben nein gesagt, weil wir den Eindruck hatten, daß es bei diesem Änderungsantrag gar nicht um die Saar, sondern um ganz andere Auseinandersetzungen ging.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Da namentliche Abstimmung beantragt ist, bitte ich die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
Ich frage die Damen und Herren, ob noch Abstimmungskarten zur letzten namentlichen Abstimmung abzugeben sind. — Ich frage noch einmal: Ist noch jemand im Saal, der seinen Stimmzettel bei der letzten namentlichen Abstimmung noch nicht abgegeben hat? Wenn ja, dann bitte ich, den Stimmzettel gleich abzugeben. — Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen insgesamt 411, Ja 275, Nein 135, 1 Enthaltung. Die Berliner Abgeordneten: Abgegebene Stimmen 17, 9 mit Ja und 8 mit Nein. Damit ist der Antrag auf Drucksache 501 in der abgeänderten Form mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den
Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 493.
— Es wird namentliche Abstimmung beantragt.
— Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Mende!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist durch den eben angenommenen Antrag konsumiert. Es kann in dieser Sache nicht noch einmal abgestimmt werden. Ich beantrage daher, diesen Antrag durch die eben erfolgte Abstimmung als erledigt anzusehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man könnte durchaus dieser Meinung sein; aber da der jetzt angenommene Antrag nicht ausdrücklich den Satz enthielt, der ursprünglich vorgesehen war, daß damit der Antrag Drucksache 493 erledigt ist, so steht dieser formell noch im Raum. Aber ich möchte es nicht allein entscheiden. Ich frage das Haus: Wer der
1 Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1203, 2. Abstimmung.
Meinung ist, daß dem Antrag des Kollegen Mende, daß der Entschließungsantrag Drucksache 493 erledigt ist, — —
— Professor Carlo Schmid zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es handelt sich hier um einen Fall, in dem der Herr Präsident entscheiden muß, ob abgestimmt werden soll oder nicht. Das Haus kann zwar entscheiden, ob es dieses oder etwas anderes t u n will; aber man kann nicht auf Grund einer Mehrheitsentscheidung dieses Hauses die Geschäftsordnung auslegen. Das geht nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gut. Ich hatte mich ja vorhin schon dahin schlüssig gemacht, daß der Antrag Drucksache 501 der weitergehende ist. Das umschloß ja schon, daß ich der Auffassung war, daß, wenn der angenommen ist, dieser Antrag erledigt ist. Ich entscheide dahin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hätten jetzt noch von der heutigen Tagesordnung abzuwickeln — —
— Bitte, Herr Abgeordneter Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten die parlamentarischen Sitten nicht so strapazieren. Es ist ein unmögliches Verhalten, was hier an den Tag gelegt wird. Ich muß sagen: Ich bedauere, daß der Herr Präsident, der eben schon zur Abstimmung aufgerufen und auf meinen Hinweis, daß wir namentliche Abstimmung verlangen, erklärt hatte: „Es wird namentlich abgestimmt", jetzt eine andere Entscheidung fällt. Das ist unmöglich. Diese Meinungsänderung ist auch verspätet. Der Herr Präsident hatte entschieden: es findet namentliche Abstimmung statt. Dabei muß es bleiben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe nun anders entschieden und kann nicht wieder rückwärts drehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage das Haus, ob wir weiter die Tagesordnung abwickeln sollen. Ich denke nicht.
Es stehen noch ein Punkt mit Debatte auf der Tagesordnung und drei Immunitätssachen.
Ich frage das Haus, ob jetzt Schluß gemacht werden soll oder nicht.
Es war ja auch ursprünglich — —
— Ach ja. Abgeordneter Mommer hat noch das Wort zu einer persönlichen Erklärung. Ich bitte um Verzeihung, daß ich nicht gleich daran gedacht habe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Hellwig hat mich persönlich und jeden in unserer Fraktion, insbesondere diejenigen, denen wie mir und meinem Kollegen Trittelvitz das Schicksal der deutschen Saar immer besonders am Herzen gelegen hat, beleidigt.
Meine Damen und Herren, wenn es um das Schicksal von einer Million Deutschen geht, wenn es damit indirekt um das Schicksal der deutschen Grenzen im Osten geht,
wenn es sich darum handelt, ob Recht Recht und das, was deutsch ist, deutsch bleiben soll, wenn es darum geht, ob wir eine Politik des Rechtes und der Freiheit in Europa betreiben oder ob wir ein Europa der Sieger aufbauen sollen, dann, meine Damen und Herren, ist Grund genug gegeben, sich darüber Gedanken zu machen, welche Barrieren man aufbauen kann, damit die Gefahren, die wir alle sehen und die Sie, Herr Hellwig, ganz besonders sehen, nicht realisiert werden. Sie kennen den Herrn Bundeskanzler, den listen- und taktikenreichen, besser als wir.
Es ging uns bei unserem Änderungsantrag darum, hier eine Barriere aufzubauen, über die auch der listen- und taktikenreiche Bundeskanzler nicht springen könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Hellwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich brauche nicht zu versichern, daß hier kein einziger der Kollegen von mir irgendwie in seiner persönlichen Ehre angegriffen werden sollte.
Ich darf aber daran erinnern, daß ich davon gesprochen hatte, daß ich und einige meiner Freunde einen bestimmten Eindruck hatten. Das darf ich wohl von dieser Stelle aus feststellen.
Ich darf noch einmal klarstellen, daß es mir darum ging, zu kennzeichnen, daß wir in der Saarfrage, die wir zum Besten der Saarbevölkerung lösen wollen, nicht mit Lärmszenen weiterkommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Schmid zu einer persönlichen Bemerkung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich fühle mich durch Herrn Hellwig persönlich beleidigt.
Er hat mit seinem Schlußwort nichts anderes gesagt,
als daß die Mitglieder des Hauses, die den Änderungsantrag eingebracht haben, der soeben abgelehnt wurde, nicht aus patriotischen Gründen gehandelt haben, sondern aus anderen, also aus nichtpatriotischen, mindestens aus zwielichtigen Gründen.
Dieser Methode gegenüber sollte man sich mit der Methode des Niedrigerhängens begnügen können. Da wir aber wissen, wie manche Leute aus solchen unwidersprochen gebliebenen Beleidigungen politisches Kapital geschlagen haben, haben wir die Tribüne bestiegen und haben Herrn Hellwig geheißen, was er geheißen gehört.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich die Sitzung schließe, darf ich bekanntgeben, daß gebeten wird, die Unterlagen zur dritten Beratung des Haushalts wieder mitzubringen, da die Verwaltung nicht in der Lage ist, sie noch einmal zu drucken.
Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste, die 28. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 6. Mai 1954, vormittags 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.