Protokoll:
18236

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 236

  • date_rangeDatum: 31. Mai 2017

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:50 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/236 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 236. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 31. Mai 2017 Inhalt: Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . 23903 A Ausschussüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23903 B Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen Drucksache 18/12377 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23903 D Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des § 103 des Strafgesetzbuches ‒ Beleidi- gung von Organen und Vertretern auslän- discher Staaten ‒ Drucksache 18/10980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23903 D Tagesordnungspunkt 3: Befragung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stickstoffeintrag in die Biosphäre; weitere Fragen . . . . . . . . . . . . 23904 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23904 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23904 C Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23904 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23904 D Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23905 A Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 23905 B Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23905 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23905 C Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23905 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 23906 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23906 A Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23906 B Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23906 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23906 D Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23906 D Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23907 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23907 B Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23907 C Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23907 C Peter Bleser, Parl . Staatssekretär BMEL . . . . . 23907 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 23908 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23908 B Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23908 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017II Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23908 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23908 C Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23908 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23909 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23909 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23909 C Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23909 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23910 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23910 B Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23910 C Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23910 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23910 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23910 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23911 A Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23911 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23911 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23912 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23912 B Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23912 C Tagesordnungspunkt 4: Fragestunde Drucksache 18/12501 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23912 D Mündliche Frage 1 Niema Movassat (DIE LINKE) Situation der Plantagenarbeiter des kongo- lesischen Unternehmens Feronia Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23913 A Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23913 B Mündliche Frage 4 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bemühungen der Bundesregierung für eine breite finanzielle und politische Basis des UN-Beweissicherungsmechanismus IIIM Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23914 C Zusatzfragen Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23915 A Mündliche Frage 5 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beisteuerung ausstehender Mittel zur Si- cherung einer finanziellen und politischen Basis des UN-Beweissicherungsmechanis- mus IIIM Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23915 D Zusatzfragen Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23916 A Mündliche Frage 7 Andrej Hunko (DIE LINKE) Reform des NATO-Programms „Partner- schaft für den Frieden“ Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23916 D Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23917 A Mündliche Frage 8 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verstöße der libyschen Küstenwache gegen das Nichtzurückweisungsprinzip in den Jahren 2016 und 2017 Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23918 A Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23918 B Mündliche Frage 11 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß der Dublin-Verordnung durch das Bundes- amt für Migration und Flüchtlinge seit 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 III Antwort Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23919 B Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23919 C Mündliche Frage 12 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zumutbarkeit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit bei Einbürgerung von Drittstaatsangehörigen Antwort Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23920 A Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23920 B Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Zwölfter Bericht der Bundesre- gierung über ihre Menschenrechtspolitik (Berichtszeitraum 1. März 2014 bis 30. Sep- tember 2016) Drucksachen 18/10800, 18/10924 Nr . 1 .15, 18/12467 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23921 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bre- men), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für den Men- schenrechtsschutz in Deutschland – Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter reformieren und stärken Drucksache 18/12544 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23921 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Raum – Anti-NGO-Gesetze stoppen, Men- schenrechtsverteidiger stärken Drucksachen 18/7908, 18/10625 . . . . . . . . . . 23921 B Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23921 B Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23923 C Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23925 A Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23927 A Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23929 A Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23930 A Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 23931 D Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Dr . Frithjof Schmidt, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: G20-Afrikagipfel – Gleichberechtigte Partnerschaft für nachhaltige Entwick- lung Drucksache 18/12543 . . . . . . . . . . . . . . . . 23933 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr . Gerhard Schick, Anja Hajduk, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Staaten vor illegitimen Rück- zahlungsansprüchen sogenannter Geier- fonds wirksam schützen Drucksachen 18/10639, 18/12343 . . . . . . . 23933 D c) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Kai Gehring, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Marktver- sagen beenden, Innovationen fördern – Globaler Forschungsfonds für bessere Gesundheit weltweit Drucksache 18/12383 . . . . . . . . . . . . . . . . 23934 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Katja Kipping, Dr . Gesine Lötzsch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rechenschaftspflicht und entwicklungs- politisches Mandat der Deutschen In- vestitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG stärken Drucksachen 18/8657, 18/10612 . . . . . . . . 23934 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Inge Höger, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechtsverletzungen von Un- ternehmen verbindlich sanktionieren – UN-Treaty-Prozess unterstützen Drucksachen 18/12366, 18/12567 . . . . . . . 23934 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017IV f) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Globalabkommen mit Mexiko aussetzen Drucksache 18/12548 . . . . . . . . . . . . . . . . 23934 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Renate Künast, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: „UN Binding Treaty“ ambitioniert unterstützen Drucksache 18/12545 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23934 B Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23934 C Charles M . Huber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23935 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23937 A Dr . Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23938 A Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23939 A Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Reichtum gerechter verteilen – Vermögensteuer als Millionärsteuer wieder erheben Drucksache 18/12549 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23940 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 23940 B Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23941 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 23942 C Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23943 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23943 B Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23944 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 23945 A Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 23945 B Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . 23945 D Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 23947 A Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23947 C Tagesordnungspunkt 5: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 Drucksache 18/12310 . . . . . . . . . . . . . . . . 23948 B b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: 16. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2016 Drucksache 18/10851 . . . . . . . . . . . . . . . . 23948 B Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23948 C Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23950 A Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23951 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23952 C Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) . . . . . . 23954 A Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23955 A Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 23956 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23957 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 23959 A Anlage 2 Mündliche Frage 2 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beschäftigungsdauer und Vergütung im Rahmen der Beschäftigungsinitiative Nah- ost Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23959 B Anlage 3 Mündliche Frage 3 Inge Höger (DIE LINKE) Intervention der Bundesregierung gegen die Inhaftierung des Journalisten Ismail Alexandrani in Ägypten Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23959 C Anlage 4 Mündliche Frage 6 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus dem Ausschluss der An- tikorruptionsorganisation MANS für die EU-Beitrittsverhandlungen mit Montene- gro Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23960 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 V Anlage 5 Mündliche Frage 9 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Möglicher Tod eines nach Afghanistan ab- geschobenen Asylbewerbers Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 23960 C Anlage 6 Mündliche Frage 10 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Überstellungen von Flüchtlingen von Grie- chenland nach Deutschland im Jahr 2017 Antwort Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23961 A Anlage 7 Mündliche Frage 13 Katrin Werner (DIE LINKE) Zugang zu Informationen zur Bundestags- wahl für Menschen mit Behinderungen Antwort Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23961 D Anlage 8 Mündliche Frage 14 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Möglicher Aufbau eines Netzwerks durch den türkischen Nachrichtendienst MIT sowie protürkische Organisationen in Deutschland Antwort Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23962 B Anlage 9 Mündliche Frage 15 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) V-Personen des Verfassungsschutzes in der rechtsextremistischen Organisation „Blood & Honour“ Antwort Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23962 D Anlage 10 Mündliche Frage 16 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der im Juli 2017 zu bedienenden Ver- bindlichkeiten Griechenlands sowie der an- gekündigten Finanzhilfen der Troika Antwort Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23963 A Anlage 11 Mündliche Frage 17 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Anzahl der Riester-Verträge im Jahr 2016 Antwort Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23963 B Anlage 12 Mündliche Frage 18 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Vorzeitig aufgelöste bzw. beitragsfrei ge- stellte Riester-Verträge in den Jahren 2010 bis 2016 Antwort Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23963 C Anlage 13 Mündliche Frage 19 Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bekämpfung der Auswirkungen durch die Marktkonzentration im agrochemischen Sektor Antwort Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23963 D Anlage 14 Mündliche Frage 20 Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung von Umweltschutzzielen im Rahmen zukünftiger Fusionen im agro- chemischen Sektor Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017VI Antwort Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23964 A Anlage 15 Mündliche Frage 21 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkung der Kündigung bilateraler In- vestitionsschutzabkommen durch Ecuador Antwort Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23964 C Anlage 16 Mündliche Frage 22 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des geplanten Freihandels- abkommens mit Neuseeland auf den Agrar- sektor Antwort Peter Bleser, Parl . Staatssekretär BMEL . . . . . 23964 C Anlage 17 Mündliche Frage 23 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veränderungen durch das geplante Frei- handelsabkommen mit Neuseeland hin- sichtlich der Importmengen von Milchpro- dukten und Rindfleisch Antwort Peter Bleser, Parl . Staatssekretär BMEL . . . . . 23965 A Anlage 18 Mündliche Frage 24 Katrin Werner (DIE LINKE) Barrierefreiheit der neuen Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses Antwort Ingrid Fischbach, Parl . Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23965 B Anlage 19 Mündliche Frage 25 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Differenzierung nach Flugzeugtypen und Spreizung der Tag- und Nachttarife bei lärm abhängigen Flughafenentgelten im Luftverkehrsgesetz Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23965 D Anlage 20 Mündliche Frage 26 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Prüfung von Fahrzeugen im Rahmen des „Schadstoff-Anti-Doping-Tests“ Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23966 A Anlage 21 Mündliche Frage 27 Herbert Behrens (DIE LINKE) Abschalteinrichtungen für die Regulierung des sogenannten Thermofensters Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23966 A Anlage 22 Mündliche Frage 28 Herbert Behrens (DIE LINKE) Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen zur Wirksamkeit der freiwilli- gen Umrüstaktionen Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23966 B Anlage 23 Mündliche Frage 29 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Subventionierung neuer Dieselautos Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23966 C Anlage 24 Mündliche Frage 30 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zu Maßnah- men zur Luftreinhaltung Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23966 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 VII Anlage 25 Mündliche Frage 31 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wettbewerbssituation im Schienenperso- nenfernverkehr Antwort Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . . 23967 A Anlage 26 Mündliche Frage 32 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung einer weltweiten CO2-Beprei- sung Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23967 B Anlage 27 Mündliche Frage 33 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mängelbeseitigung an der deutschen Bot- schaft in Washington, DC Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23967 D Anlage 28 Mündliche Frage 34 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung der Bundesregierung an grenz- überschreitenden Umweltverträglichkeits- prüfungen zu Laufzeitverlängerungen für ukrainische Kernkraftwerke Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23968 A Anlage 29 Mündliche Frage 35 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausgleich für frustrierte Investitionen der Kernkraftwerkbetreiber Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23968 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 23903 236. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 31. Mai 2017 Beginn: 13 .01 Uhr
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    Dr. Claudia Lücking-Michel (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 23959 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31 .05 .2017 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 31 .05 .2017 Färber, Hermann CDU/CSU 31 .05 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 31 .05 .2017 Glöckner, Angelika SPD 31 .05 .2017 Groth, Annette DIE LINKE 31 .05 .2017 Jung, Andreas CDU/CSU 31 .05 .2017 Kipping, Katja DIE LINKE 31 .05 .2017 Kolbe, Daniela SPD 31 .05 .2017 Lach, Günter CDU/CSU 31 .05 .2017 Notz, Dr . Konstantin von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31 .05 .2017 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31 .05 .2017 Vries, Kees de CDU/CSU 31 .05 .2017 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 31 .05 .2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 31 .05 .2017 Wiese, Dirk SPD 31 .05 .2017 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 31 .05 .2017 Anlage 2 Antwort des Parl . Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 2): Wie lange wurden Menschen in Maßnahmen (Cash for Work) der Beschäftigungsinitiative Nahost durchschnittlich beschäftigt (bitte nach Ländern auflisten), und welche durch- schnittliche Vergütung erhalten die Beschäftigten (bitte je- weils in Relation zum Durchschnittseinkommen des Landes und – sofern vorhanden – Mindestlohn des Landes setzen)? Im Rahmen der Beschäftigungsoffensive Nahost hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung (BMZ) im Jahr 2016 mehr als 61 000 Flüchtlinge und Bewohnerinnen und Bewohner der aufnehmenden Gemeinden in Beschäftigung ge- bracht . Bei rund zwei Dritteln dieser Jobs handelt es sich um klassische mittelfristige Cash-for-Work-Jobs mit ei- ner Beschäftigungsdauer von je zwei bis drei Monaten . Hinzu kommen durch die Finanzierung von Lehrkräften in der Türkei und Jordanien rund 14 000 längerfristige Beschäftigungsverhältnisse für das gesamte Schuljahr . Bei weniger als 10 Prozent der geschaffenen Jobs handelt es sich um kurzfristige Cash-for-Work-Jobs mit einer Be- schäftigungsdauer unter einem Monat . Die Entlohnung für die Arbeiten im Rahmen der Be- schäftigungsoffensive Nahost orientiert sich generell am jeweiligen nationalen Mindestlohn und den nationalen Regelungen für Cash-for-Work-Vorhaben . Ein Beispiel: Ein Lehrer erhält im Rahmen unserer Beschäftigungsof- fensive Nahost für den Unterricht syrischer Flüchtlings- kinder an einer jordanischen Schule monatlich 230 jor- danische Dinar Lohn (rund 290 Euro), was etwas mehr als der jordanische Mindestlohn ist . Anlage 3 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/12501, Frage 3): In welcher Form hat die Bundesregierung (wie der Familie Alexandranis von der deutschen Botschaft vor Ort nach meiner Kenntnis versprochen) im Falle des internierten freien Journa- listen Ismail Alexandrani interveniert, der nach seiner Rück- kehr aus Deutschland, wo er dem Auswärtigen Amt als Exper- te zur Verfügung stand, nach Ägypten im November 2015 am Flughafen Hurghada festgenommen wurde, und wie will die Bundesregierung ausschließen, dass damals wie auch nach der kürzlich erfolgten Verabschiedung des Sicherheitsabkommens mit Ägypten durch den Deutschen Bundestag Informationen deutscher Sicherheitsbehörden nicht von den ägyptischen Ge- heimdiensten genutzt werden, um freie Journalisten und poli- tische Aktivisten festzuhalten und zu misshandeln? Unmittelbar nach der Festnahme des Journalisten Ismail Alexandrani im November 2015 hat das Auswär- tige Amt per Verbalnote die ägyptische Seite um Erläute- rung der Gründe für die Verhaftung gebeten . Dabei wur- de ausdrücklich die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass Teilnehmer Einladungen der Bundesregierung, von deutschen Stiftungen oder deutschen NGOs folgen kön- nen, ohne dass sie davor oder danach Repressionen durch ägyptische Behörden befürchten müssen . Parallel wurde der Fall von Herrn Alexandrani hoch- rangig seitens der deutschen Botschaft Kairo im ägyp- tischen Außenministerium angesprochen . Die deutsche Botschaft verfolgt den Fall in Abstimmung mit anderen EU-Partnern weiterhin und spricht ihn gegenüber ägypti- schen Regierungsvertretern immer wieder an . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 201723960 (A) (C) (B) (D) Der Fall von Herrn Alexandrani wird zudem gemein- sam mit anderen Menschenrechtsfällen auch von Vertre- terinnen und Vertretern der Bundesregierung bei hoch- rangigen politischen Gesprächen thematisiert . Zum zweiten Teil Ihrer Frage bezüglich des Sicher- heitsabkommens zwischen Deutschland und Ägypten: Die Ausgestaltung des Sicherheitsabkommens verhin- dert, dass bei seiner Umsetzung Menschenrechtsverlet- zungen Vorschub geleistet wird . Sämtliche Maßnahmen gemäß Artikel 1 des Abkommens sind nur im Rahmen und auf der Grundlage des jeweiligen nationalen Rechts zulässig . Es enthält zudem eine allgemeine Vorbehalts- klausel zur Ablehnung der Zusammenarbeit, wenn diese im Widerspruch zu dem innerstaatlichen Recht einer Ver- tragspartei steht . Für deutsche Sicherheitsbehörden gelten damit die in Deutschland anwendbaren Rechtsgrundlagen und Be- schränkungen . Diese müssen also im Einzelfall prüfen, ob die Zusammenarbeit im Widerspruch zu deutschem Recht steht . Der Prüfungsmaßstab umfasst damit auch die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Men- schenrechte . Dabei wird die Entwicklung der Menschen- rechtslage in Ägypten ebenso Berücksichtigung finden wie Erfahrungswerte aus vorangegangener Zusammen- arbeit . Hinsichtlich der Übermittlung von Informationen sieht das deutsche Recht eine strikte Einzelfallprüfung vor und untersagt beispielsweise die Übermittlung perso- nenbezogener Daten, wenn eine Verletzung von Grund- und Menschenrechten zu befürchten ist . Die Übermittlung personenbezogener Daten richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die interna- tionale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sowie nach den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in straf- rechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) . Anlage 4 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Ab- geordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/12501, Frage 6): Welche Konsequenz hat nach Kenntnis der Bundesre- gierung der Ausschluss der zivilgesellschaftlichen Antikor- ruptionsorganisation MANS durch die Entscheidung des montenegrinischen Europaministers aus der Arbeitsgruppe zu Kapitel 23 (siehe Pressemitteilung von Transparency In- ternational vom 3 . Mai 2017) für den Fortgang der Beitritts- verhandlungen Montenegros mit der EU, und wird sich die Bundesregierung im Rahmen der EU und bilateral hochrangig gegenüber der montenegrinischen Regierung, etwa im Rah- men der Westbalkan-Außenministerkonferenz am 31 . Mai 2017 in Berlin, dafür einsetzen, dass dieser Ausschluss zivil- gesellschaftlicher Organisationen aus den Beitrittsverhandlun- gen rückgängig gemacht wird? Montenegro hat zu allen Verhandlungskapiteln der EU-Beitrittsverhandlungen Arbeitsgruppen gebildet, in denen auch NGOs vertreten sind . Anders als Transparen- cy International schreibt, war die NGO MANS (The Net- work for Affirmation of NGO Sector) – die profilierteste und auch lautstärkste NGO des Landes zum Thema Kor- ruption – bisher nicht Teil der AG zum Rechtsstaatskapi- tel 23 . Vielmehr hatten sich vier NGOs, darunter MANS, neu um eine Teilnahme beworben . Zunächst hatte das montenegrinische Kabinett der Bewerbung von MANS nicht zugestimmt . Der deutsche Botschafter in Montenegro hat Euro- paminister Pejovic im Rahmen eines Gesprächs über die EU-Beitrittsverhandlungen Montenegros am ver- gangenen Mittwoch auch hierauf angesprochen . Einen Tag später, am 25 . Mai, hat die Regierung Montene- gros mit Kabinettsbeschluss entschieden, nun auch den MANS-Vorsitzenden Maras in die AG aufzunehmen . Das Problem hat sich also gelöst . Die Bundesregierung unterstreicht die ganz erhebli- che Bedeutung der Korruptionsbekämpfung im Rahmen der Beitrittsverhandlungen . Sie spricht das Thema regel- mäßig gegenüber Vertretern Montenegros an . Die EU berücksichtigt Fortschritte in Kapitel 23 auch bei allen Entscheidungen über anstehende Schritte in den Verhandlungen . Anlage 5 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/12501, Frage 9): Welche Informationen hat die Bundesregierung dazu (oder kann sie sich beschaffen), dass ein aus Nordrhein-Westfalen am 22 . Februar 2017 abgeschobener Afghane namens Farhad Rasuli in Herat in Afghanistan am 10 . Mai 2017 Opfer eines Ta- liban-Anschlags geworden sein soll (vergleiche https://www . unsere-zeitung.at/2017/05/15/abgeschobener- fluechtling-in- afghanistan-getoetet/; bitte im Detail darlegen, auch welche Bemühungen die Bundesregierung zur Überprüfung der vor- liegenden Informationen unternommen hat), und welche kon- kreten Konsequenzen ergeben sich nach Auffassung der Bun- desregierung hieraus in Bezug auf die bisherige Prüfpraxis im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), entspre- chende Gefahreneinschätzungen (Herkunftsländerleitsätze) und politische Vorgaben zu Abschiebungen nach Afghanistan (Abschiebestopp usw .) (bitte ausführlich antworten)? Am 22 . Februar 2017 ist kein afghanischer Staatsan- gehöriger namens Farhad Rasuli von Deutschland nach Afghanistan zurückgeführt worden . Zum Verbleib des am 27 . März 2017 zurückgeführ- ten afghanischen Staatsangehörigen ähnlichen Namens – Faridon Rasuli – liegen der Bundesregierung keine eige- nen Erkenntnisse vor . Die deutsche Botschaft in Kabul bemüht sich bei den zuständigen afghanischen Behörden um eine Aufklärung des Falls . https://www.unsere-zeitung.at/2017/05/15/abgeschobener-fluechtling-in-afghanistan-getoetet/ https://www.unsere-zeitung.at/2017/05/15/abgeschobener-fluechtling-in-afghanistan-getoetet/ https://www.unsere-zeitung.at/2017/05/15/abgeschobener-fluechtling-in-afghanistan-getoetet/ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 23961 (A) (C) (B) (D) Anlage 6 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/12501, Frage 10): Wie viele Überstellungen von Griechenland nach Deutsch- land gab es in den Monaten Januar, Februar, März, April und bisher im Monat Mai 2017 (bitte nach Monaten getrennt auf- listen), und wie ist es mit diesen Angaben vereinbar, dass es laut Angaben des Pressesprechers des Bundesministeriums des Innern, Dr . Johannes Dimroth, auf der Pressekonferenz am 19 . Mai 2017 „mitnichten“ eine „starre Obergrenze“ bei Überstellungen von Familienangehörigen im Rahmen der Dublin-Verordnung geben soll, obwohl mir glaubhafte Infor- mationen darüber vorliegen, dass auf Betreiben des Bundes- innenministeriums Ende März 2017 die Zahl der Überstellun- gen ab dem 1 . April 2017 auf maximal 70 Personen im Monat begrenzt worden sein soll, was unter anderem auch dadurch erreicht wird, dass seit Februar 2017 keine freiwillig selbst- initiativ betriebenen Überstellungen nach Deutschland mehr möglich sein sollen, weil angeblich keine Laissez-passer mehr ausgestellt werden (bitte ausführlich antworten und die ge- nannten Informationen gegebenenfalls korrigieren, falls sie falsch sein sollten)? Deutschland erfüllt auch weiterhin seine Aufnahme- verpflichtungen im Rahmen der Dublin-VO. Die Anzahl der Überstellungen aus Griechenland im bisherigen Jahr 2017 stellt sich folgendermaßen dar: Monat in 2017 Überstellte Personen aus GRC Januar 163 Februar 325 März 490 April 180 Mai (bis einschl . 24 .5 .) 64 Darüber hinaus hat Deutschland aus Griechenland im Rahmen der Umsiedlungsbeschlüsse (Relocation) im bisherigen Jahr 2017 folgende Asylantragsteller aufge- nommen: Monat in 2017 Umsiedlungen aus GRC Januar 487 Februar 425 März 473 April 394 Mai (bis einschl . 19 . Mai) 520 Wie bereits mehrfach dargelegt, sind allein im März mit drei Charterflügen aus Griechenland mehrere Hun- dert Personen im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Deutschland überstellt worden . Die Nutzung solcher Charterflüge für Dublin-Überstellungen ist neu und be- deutet sowohl zur Umsetzung der Umsiedlungsbeschlüs- se als auch der Dublin-Verfahren mit mehreren Personen für die weitere Verteilung der ankommenden Asylantrag- steller auf die zuständigen Stellen in den Ländern zur Aufnahme einen erheblichen logistischen Koordinie- rungsaufwand für die Landes- und Bundesbehörden . Aus diesem Grunde hat der Bundesminister des Innern seinen griechischen Amtskollegen bei beiden Verfahren um eine engere Abstimmung in Bezug auf die Durch- führung der Dublin- und Umsiedlungsverfahren und die Anzahl der zu überstellenden Personen zwischen den be- teiligten Behörden gebeten . Hierdurch soll insbesondere den besonderen Umständen jedes Antragstellers sowie den sich bereits im Bundesgebiet aufhältigen Familien- angehörigen angesichts der teilweise begrenzten Betreu- ungs- und Unterbringungskapazitäten Rechnung getra- gen werden . Im Rahmen der Abstimmungen zwischen den zuständigen Behörden sollen auch Überstellungen trotz etwaiger Verfristungen nach Artikel 29 Dublin-VO stattfinden. Das Bundesministerium des Innern wird je- doch darauf achten, dass das BAMF so weit wie möglich Dublin-Überstellungen aus Griechenland beschleunigt bearbeitet, sofern dies im Einzelfall geboten ist . In welcher Weise freiwillige Überstellungen ermög- licht werden können und dabei die Pflichten des über- stellenden Mitgliedstaats eingehalten werden, muss jeder Mitgliedstaat selbst identifizieren und festlegen. Dies be- inhaltet die Abstimmung des Überstellungstermins, der Überstellungsart und der Ausstellung der Ausweisdoku- mente (Laissez-passer) . Die Ausstellung der Laissez-pas- ser-Papiere obliegt den griechischen Behörden . Zu der Frage, ob sich hier die Praxis der griechischen Behörden seit Februar 2017 geändert hat, liegen der Bundesregie- rung keine Erkenntnisse vor . Anlage 7 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Günter Krings auf die Fra- ge der Abgeordneten Katrin Werner (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 13): Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um Menschen mit Behinderungen einen gleichbe- rechtigten Zugang zu Informationen zur Bundestagswahl zu ermöglichen? Informationen zur Bundestagswahl stellen die Bun- desregierung und Stellen der Bundesregierung zur Verfü- gung, soweit es um den Ablauf der Bundestagswahl und die Möglichkeiten zur Teilnahme an der Bundestagswahl geht . Über die Positionen der Parteien informieren die Parteien selbst durch barrierefreie Angebote sowie die verschiedenen Medienangebote in Fernsehen, Rundfunk und Presse . Allen Wahlberechtigten wird seit der letzten Bundestagswahl nach der vom Bundesministerium des Innern erlassenen Bundeswahlordnung von der Gemein- de bereits mit der Wahlbenachrichtigung mitgeteilt, ob ihr jeweiliger Wahlraum barrierefrei ist . Zugleich enthält die Wahlbenachrichtigung seitdem die Telefonnummer, unter welcher die Wahlberechtigten von der Gemeinde erfahren können, welcher Wahlraum im eigenen Wahl- kreis barrierefrei ist und für sie gegebenenfalls als Alter- native in Frage kommt (§ 19 Absatz 1 Nummern 2 und 7 der Bundeswahlordnung – BWO) . Zum Ablauf der Bundestagswahl stellt der Bundes- wahlleiter auf seiner Internetseite Informationen in leich- ter Sprache zur Verfügung . Für gehörlose und hörbehin- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 201723962 (A) (C) (B) (D) derte Menschen erleichtert ein zentrales Einstiegsangebot die Orientierung auf der Internetseite durch zentrale In- formationen in Gebärdensprache . Des Weiteren infor- miert er auf seiner Internetseite über die Barrierefreiheit bei den Wahlen (barrierefreier Zugang zu Wahlräumen, Hilfspersonen, Stimmzettelschablonen) . Wie bei der Bundestagswahl 2013 wird es einen Link von der Homepage des Bundeswahlleiters zu der von der Bundesvereinigung Lebenshilfe e . V . erstellten Broschü- re in leichter Sprache in aktualisierter Fassung geben . Ebenso werden zudem die beiden Veröffentlichungen des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten Bundeskompetenzzentrums (jetzt Bundesfachstelle Barrierefreiheit) „Barrierefreiheit von Wahlräumen“ und „Tipps für Wahlhelfer beim Umgang mit Wählerinnen und Wählern mit Behinderung“ mit der Homepage des Bundeswahlleiters verlinkt . Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet ge- meinsam mit der SoVD-Jugend Informationen zur Bun- destagswahl 2017 in einfacher Sprache als Publikation an . Die Publikation „einfach POLITIK: Bundestagswahl 2017 . Heft in einfacher Sprache“ sowie das Plakat zur Publikation „einfach POLITIK: Bundestagswahl 2017 . Plakat in einfacher Sprache“ werden in diesen Tagen über die Bundeszentrale für politische Bildung bestellbar und lieferbar sein . Auf Grundlage dieser Broschüre wird es zudem ein Informationsvideo zur freien Verwendung geben . Dieses wird demnächst auf YouTube verfügbar sein . Die Publi- kation „einfach POLITIK: Bundestagswahl 2017 . Heft in einfacher Sprache“ wird zur Zeit auch als Audioversion (Hörbuch) eingesprochen und wird Ende Juni über die Homepage der Bundeszentrale verfügbar sein . Ebenfalls auf der Homepage der Bundeszentrale verfügbar ist der Videoclip „Ohrenkuss: Politisches einfach erklärt“, in dem Menschen mit Downsyndrom das Thema „Wählen gehen“ erklären . Informationen über den Inhalt der Stimmzettel, die eine selbstständige Stimmabgabe im Wahllokal oder im Rahmen der Briefwahl ermöglichen, erhalten blinde und sehbehinderte Wähler durch die von den Blindenverbän- den erstellten Wahlschablonen, deren Kosten vom Bund erstattet werden (§ 50 Absatz 4 des Bundeswahlgeset- zes – BWahlG) . Anlage 8 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Günter Krings auf die Fra- ge der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 14): Inwieweit hat die Bundesregierung (auch nachrichten- dienstliche) Kenntnisse darüber, dass der türkische Nach- richtendienst MIT, die Union Europäisch-Türkischer Demo- kraten (UETD), Islamisten, die rechtsextremistischen Grauen Wölfe sowie die „Osmanen Germania“-Rocker im Südwesten Deutschlands ein Netzwerk aufgebaut haben, und inwieweit hat die Bundesregierung (auch nachrichtendienstliche) Kennt- nisse darüber, dass illegale Waffenlieferungen aus der Schweiz nach Deutschland stattgefunden haben (unter anderem Ma- schinenpistolen des tschechischen Typs „Skorpion“), deren Empfänger sowohl die Osmanen Germania als auch die Ro- ckergruppe Hells Angels waren (www .stuttgarter-nachrichten . de/inhalt .die-uetd-im-suedwesten-das-netz-page1 .89dd4ced- bd1d-4d1a-adf2-b99323665e52 .html)? Der Bundesregierung liegen keine über die Pressebe- richterstattung hinausgehenden Informationen zu einem angeblichen Netzwerk im Sinne der Fragestellung vor . Bislang konnten lediglich Hinweise auf einzelne Ver- bindungen zwischen den genannten Organisationen er- langt werden . Die Mitglieder des „Osmanen Germania BC“ sind überwiegend dem türkisch-nationalistischen Spektrum zuzuordnen . Einzelpersonen können der tür- kisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung zugeordnet werden, andere wiederum unterhalten lediglich Kenn- verhältnisse . Zudem sind der Bundesregierung einzelne Verbindungen zwischen der UETD und dem „Osmanen Germania BC“ bekannt . So waren Mitglieder des „Os- manen Germania BC“ bereits als Sicherheitspersonal für UETD-Veranstaltungen tätig . Einzelne Führungsper- sonen des „Osmanen Germania BC“ unterhalten zudem Kontakte zu UETD-Funktionären . Die Bundesregierung hat die genannten Gruppierun- gen und deren Aktivitäten auf deutschem Boden fest im Blick . Wir werden es nicht zulassen, dass von diesen Gruppierungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht . Der Bundesregierung liegen im Übrigen keine Er- kenntnisse über die in der Presseberichterstattung er- wähnte vermeintliche Waffenlieferung aus der Schweiz nach Deutschland vor . Anlage 9 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Fra- ge 15): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu V-Per- sonen der Verfassungsschutzämter des Bundes bzw . der Bun- desländer in der rechtsextremistischen Organisation Blood & Honour in Deutschland zwei Jahre vor und nach deren Verbot durch das Bundesinnenministerium (bitte Zahl, Name und Verpflichtungszeitraum angeben), und welche Erkenntnisse zum NSU-Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, insbeson- dere zu deren jeweiligem Aufenthaltsort nach deren Untertau- chen im Jahr 1998, erlangten die Verfassungsschutzämter aus diesen Quellen von diesen V-Personen? Die Beantwortung der mündlichen Frage kann nicht erfolgen, da die rechtsextremistische Szene daraus Rück- schlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbe- hörden ziehen und ihre weitere Vorgehensweise gezielt danach ausrichten könnte . Es bestünde die Möglichkeit, in der Szene etwaig eingesetzte V-Personen zu identifi- zieren . Dabei ist zu beachten, dass sich V-Personen in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewe- gen . Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unver- sehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre . Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.die-uetd-im-suedwesten-das-netz-page1.89dd4ced-bd1d-4d1a-adf2-b99323665e52.html http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.die-uetd-im-suedwesten-das-netz-page1.89dd4ced-bd1d-4d1a-adf2-b99323665e52.html http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.die-uetd-im-suedwesten-das-netz-page1.89dd4ced-bd1d-4d1a-adf2-b99323665e52.html Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 23963 (A) (C) (B) (D) der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahr- scheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Personen ausgeschlossen werden . Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garan- tierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultie- renden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesre- publik Deutschland, der Gefährdung für die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden sowie etwaiger hinweisgebender V-Personen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ein- sehbar wäre, ausscheidet . Im Hinblick auf den Verfas- sungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Be- deutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann . Anlage 10 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 16): Welche Angaben macht die Bundesregierung einerseits zur Höhe der Verbindlichkeiten (bitte nach Gläubigern aufschlüs- seln), die Griechenland im Juli 2017 ablösen soll, und ande- rerseits zur Höhe der Finanzhilfen, die Griechenland von der Troika in Aussicht gestellt worden sind? Nach dem gegenwärtigen Informationsstand der Bun- desregierung muss Griechenland im Juli 2017 Anleihen in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro zurückzahlen und eine Rückzahlung an den Internationalen Währungs- fonds in Höhe von rund 0,3 Milliarden Euro leisten . So- weit bekannt ist, werden von den fälligen Anleihen rund 3,9 Milliarden Euro von Mitgliedsbanken des Eurosys- tems gehalten . Die verbleibenden rund 2,4 Milliarden Euro werden von im Einzelnen nicht bekannten Markt- teilnehmern gehalten . Zur Höhe einer möglichen dritten Kredittranche des ESM-Anpassungsprogramms haben die Institutionen bisher keinen schriftlichen Vorschlag unterbreitet . Münd- lich wurde eine Größenordnung von 7 bis 10 Milliarden Euro genannt . Anlage 11 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Michael Meister auf die Fra- ge der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 17): Wie viele Riester-Verträge gab es im Jahr 2016 nach Kennt- nis der Bundesregierung, und wie hoch war der Anteil an Ver- trägen mit steuerabzugsfähigen Sonderausgaben unterhalb des Mindesteigenbeitrags von 4 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen (§ 86 EStG)? Der Bestand an Altersvorsorgeverträgen belief sich am Ende des Jahres 2016 auf rund 16,5 Millionen Ver- träge . Diese Zahl aus der Riester-Vertragsstatistik des Bun- desministeriums für Arbeit und Soziales lässt keine un- mittelbaren Rückschlüsse auf die Anzahl der Personen zu, die laufend einen Riester-Vertrag „besparen“ und eine staatliche Förderung erhalten . Dies liegt daran, dass eine Person mehrere Riester-Verträge abschließen kann (Mehrfachanwartschaften) und Riester-Verträge auch dauerhaft ungefördert bleiben können, zum Beispiel, wenn sie von einer nicht förderberechtigten Person ab- geschlossen werden . Im Beitragsjahr 2012 erhielten circa 1,85 Millionen Personen der rund 10,7 Millionen geförderten Personen sowohl die Zulage nicht in voller Höhe – Mindesteigen- beitrag wurde nicht erbracht – als auch einen Sonderaus- gabenabzug . Dies entspricht circa 17 Prozent . Für jüngere Zeiträu- me liegen aufgrund der noch nicht abgelaufenen Verjäh- rungsfrist für die steuerliche Veranlagung noch keine endgültigen Zahlen vor . Anlage 12 Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Michael Meister auf die Fra- ge der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 18): Wie viele Riester-Verträge wurden nach Kenntnis der Bun- desregierung jeweils in den Jahren von 2010 bis 2016 vor- zeitig aufgelöst und wie viele beitragsfrei gestellt (bitte auch deren prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der Riester-Ver- träge ausweisen)? Die Vertragsdatenstatistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales basiert auf Meldungen der Ver- bände . Die Meldungen sind bereits um Vertragsabgänge bereinigt . Daher liegen keine Informationen zur Zahl der stornierten Verträge vor . Anhand von Angaben der Bundesanstalt für Finanz- dienstleistungsaufsicht (BaFin) wird der Anteil der ru- hend gestellten Riester-Verträge aktuell auf rund ein Fünftel geschätzt . Anlage 13 Antwort des Parl . Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 19): In welcher Form wird die Bundesregierung den negativen Auswirkungen entgegenwirken, die eine zunehmende Markt- konzentration im agrochemischen Sektor, bedingt durch die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 201723964 (A) (C) (B) (D) Fusionen der Unternehmen Bayer/Monsanto, ChemChina/ Syngenta und DuPont/Dow Chemical auf die Ernährungssou- veränität von Nationen hat, da der Zugang zu Saatgut durch immer weniger multinationale Konzerne kontrolliert wird (https://www .boell .de/sites/default/files/konzernatlas-2017 . pdf?dimension1=ds_konzernatlas)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass die Fusionen der Unternehmen ChemChina/ Syngenta und DuPont/Dow in Bezug auf den Zugang zu Saatgut negative Auswirkungen auf die Ernährungssitu- ation von Nationen haben . Die Fusion Bayer/Monsanto ist bisher noch nicht bei der Europäischen Kommission angemeldet . Die Bundesregierung wird die Auswirkun- gen der Zusammenschlüsse auf die Ernährungssituation beobachten . Anlage 14 Antwort des Parl . Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 20): Hält die Bundesregierung es für grundsätzlich sinnvoll, dass Umweltschutzziele im Rahmen zukünftiger Fusionen im Agrarchemiesektor von der EU-Kommission berücksichtigt werden und, wenn nein, warum nicht? Die Verordnung (EG) Nr . 139/2004 des Rates vom 20 . Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmens- zusammenschlüssen (Fusionskontrollverordnung) ent- hält in Artikel 2 Absatz 1 Beurteilungskriterien, mit denen auch Umweltschutzbelange indirekt mit berück- sichtigt werden können . Anhand der gesetzlichen Kri- terien beurteilt die Europäische Kommission, ob durch den geplanten Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert würde, ins- besondere durch Begründung oder Verstärkung einer Marktbeherrschung, und die Fusion deshalb nach Arti- kel 2 Absatz 3 Fusionskontrollverordnung zu untersagen ist . Ist das nicht der Fall, muss sie den Zusammenschluss genehmigen (Artikel 2 Absatz 2 Fusionskontrollverord- nung) . Stellt also die Europäische Kommission fest, dass ein Zusammenschluss zu einer Beschränkung der genannten Wettbewerbsparameter führt, und haben diese Beschrän- kungen auch Einfluss auf Umweltschutzbelange, so wer- den diese Umweltbelange von der Europäischen Kom- mission mit berücksichtigt . Beispielsweise entspricht der in Frage 19 angesprochene Zugang zu Saatgut dem in Artikel 2 Absatz 1 Fusionskontrollverordnung genannten Beurteilungskriterium der Wahlmöglichkeiten der Ab- nehmer, also ihrem Zugang zu den Beschaffungsmärk- ten . Nur soweit Umweltziele keinem der Beurteilungs- kriterien zugeordnet werden könnten, besteht Raum für die gestellte Frage . Für die Bundesregierung ist darüber hinaus bisher kein Anlass ersichtlich, von der herrschenden Rechts- auffassung zur Gesetzeslage nach der Verordnung (EG) Nr . 139/2004 des Rates vom 20 . Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Fusi- onskontrollverordnung) abzuweichen . Anlage 15 Antwort des Parl . Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 21): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Ankündigung Ecuadors, alle bilateralen Investitionsschutzab- kommen kündigen zu wollen (vergleiche https://amerika21 . de/2017/05/175583/ecuador-investition), und welche Auswir- kungen würde die Kündigung mit sich bringen, beispielsweise in Bezug auf den Investitionsschutz oder den Ratifizierungs- prozess bezüglich Ecuadors Beitritt zum EU-Handelsüberein- kommen mit Kolumbien und Peru? Ecuador hat seine 16 Investitionsschutzverträge ge- kündigt, darunter am 22 . Mai 2017 auch den bilateralen Investitionsschutzvertrag mit Deutschland . Die Bundes- regierung bedauert dies . Sie befürchtet, dass sich die Kündigung negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung Ecuadors auswirken wird . Viele deutsche Unternehmen investieren nur in Ländern, für die ein Investitions- schutzvertrag besteht oder für die Investitionsgarantien des Bundes übernommen werden. Es ist offen, ob die Bundesregierung dies auch künftig tun kann . Der Beitritt Ecuadors zum Handelsabkommen der EU mit Kolumbi- en und Peru ist hiervon nicht betroffen. Anlage 16 Antwort des Parl . Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 22): Welche Erkenntnisse, auch von bundeseigenen Forschungs- einrichtungen, liegen der Bundesregierung zu den möglichen Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens mit Neuseeland auf dem Agrarsektor, mit besonderer Berücksich- tigung von Milchprodukten, Zucker und Rindfleisch, vor, und welche Ergebnisse zeigen diese Analysen in Bezug auf mög- liche Produktionsrückgänge bei Milch und Milchprodukten (einzeln aufgelistet) in Deutschland? Die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland haben weder begon- nen noch wurde bisher ein Verhandlungsmandat erteilt . Inhalte eines möglichen Ergebnisses sind noch völlig of- fen . Vor diesem Hintergrund wären konkrete Aussagen zu den tatsächlichen Auswirkungen eines Freihandelsab- kommens rein spekulativ . Um rechtzeitig für die Sensibilitäten im Agrarbereich geeignete Lösungen entwickeln zu können, hat die Bun- desregierung das Thünen-Institut (TI) beauftragt, eine Analyse der Auswirkungen einer vollständigen Handels- liberalisierung (= Extremszenario) mit Neuseeland und Australien auf den europäischen und deutschen Agrar- markt zu erstellen . Australien und Neuseeland sind in der Baseline des Thünen-Instituts gemeinsam als Ozeanien abgebildet . Laut der Analyse lägen die Produktionsrückgänge in Deutschland bei einer vollständigen Liberalisierung mit Neuseeland und Australien rein rechnerisch zwischen minus 3,3 Prozent und minus 3,9 Prozent bei Rohmilch https://www.boell.de/sites/default/files/konzernatlas-2017.pdf?dimension1=ds_konzernatlas https://www.boell.de/sites/default/files/konzernatlas-2017.pdf?dimension1=ds_konzernatlas https://amerika21.de/2017/05/175583/ecuador-investition https://amerika21.de/2017/05/175583/ecuador-investition Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 23965 (A) (C) (B) (D) sowie minus 3,9 Prozent und minus 4,5 Prozent bei Milchprodukten . Dies ist jedoch davon abhängig, inwie- weit Ozeanien tatsächlich in der Lage ist, die Milchpro- duktion zu steigern . Einzelbetriebliche Überlegungen zeigen, dass die gleichzeitige Produktionsausdehnung Ozeaniens nur bei einer Anpassung der Produktionssys- teme möglich wäre . Ferner ist aufgrund von klimatischen Schwankungen nicht mit einer kontinuierlich höheren Milchproduktion zu rechnen . Zudem könnten steigende Umweltauflagen in Neuseeland die Produktionsausdeh- nung verteuern und aufgrund der Verringerung der Kos- tendifferenz den Exportanreiz in die EU reduzieren. Bei Rindfleisch wäre bei einer vollständigen Libera- lisierung mit Ozeanien rechnerisch in Deutschland ein Produktionsrückgang von minus 1,7 Prozent möglich . Wegen der bestehenden großen Anzahl an Exportmärk- ten für neuseeländisches und australisches Rindfleisch sowie der Transportkosten ist laut der Analyse jedoch nicht mit einem deutlichen Anstieg der Exporte in die EU zu rechnen . Mit Blick auf Zucker ist kein Produktionsrückgang zu erwarten . Anlage 17 Antwort des Parl . Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 23): Welche Veränderungen sind durch das geplante Freihan- delsabkommen mit Neuseeland hinsichtlich der Importmen- gen von Milchprodukten (einzeln aufgelistet) und Rindfleisch zu erwarten (in Menge und Wert)? Konkrete Veränderungen der Importmengen kön- nen derzeit nicht beziffert werden, da der Ausgang der Verhandlungen zwischen der EU und Neuseeland noch völlig offen ist, insbesondere auch in welcher Form die Sensibilitäten im Agrarbereich berücksichtigt werden . Die Analyse des Thünen-Instituts zu einer vollständi- gen Liberalisierung mit Ozeanien, das heißt Australien und Neuseeland, kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass wegen der großen Anzahl an Exportmärkten und der hohen Transportkosten mit keinem deutlichen Anstieg der Exporte von Rindfleisch und Zucker zu rechnen ist. Konkrete Zahlen zu den möglichen Importmengen von einzelnen Milchprodukten liegen der Bundesregierung aus den oben benannten Gründen nicht vor . Anlage 18 Antwort der Parl . Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Fra- ge der Abgeordneten Katrin Werner (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 24): Was ist, bezugnehmend auf die Antwort der Bundesregie- rung auf meine schriftliche Frage 12 auf Bundestagsdruck- sache 18/12441 bezüglich der Barrierefreiheit des Neubaus des Gemeinsamen Bundesausschusses, nach Auffassung der Bundesregierung konkret eine „ausreichende Anzahl von barrierefreien WCs und PKW-Stellplätzen für Menschen mit Behinderung“? Wie in der Antwort auf die schriftliche Frage darge- legt, ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nicht Bauherr, sondern Mieter des neuen Objekts . Für die An- mietung von Gebäuden ist § 8 Absatz 4 Satz 1 Behin- dertengleichstellungsgesetz (BGG) einschlägig, wonach der Bund einschließlich der bundesunmittelbaren Kör- perschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts verpflichtet ist, die Barrierefreiheit bei Anmietun- gen der von ihm genutzten Bauten zu berücksichtigen . Diese Vorgabe wurde, wie dargelegt, vom G-BA beach- tet . Er hat Wert darauf gelegt, dass die Anforderungen an die Barrierefreiheit – wie unter anderem hinsichtlich der Anzahl der barrierefreien WCs und PKW-Stellplätze für Menschen mit Behinderungen – erfüllt werden . Nach Auskunft des G-BA wird jedem öffentlich zugänglichen Konferenzbereich je ein barrierefreies WC zugeordnet sein; die Anzahl der PKW-Stellplätze für Menschen mit Behinderungen wird circa ein Drittel der gesamten PKW-Stellplätze betragen . Soweit die Konkretisierung der einzelnen Anforde- rungen erst im Rahmen der Bauausführung erfolgt, wird der G-BA Entscheidungen immer unter Berücksichti- gung der Belange der Barrierefreiheit treffen. Im Hinblick auf die Umsetzung der Anforderungen an die Barrierefreiheit hat der G-BA zudem versichert, dass er sowohl die Schwerbehindertenvertretung des G-BA als auch die maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V einbezieht . Dies sind der Deutsche Be- hindertenrat (DBR), die BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP), die Deutsche Arbeitsge- meinschaft Selbsthilfegruppen e . V . und der Verbraucher- zentrale Bundesverband e . V . Anlage 19 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Fra- ge 25): Wie hat die Bundesregierung das Ziel des Koalitionsver- trages zwischen CDU, CSU und SPD umgesetzt, im Luftver- kehrsgesetz „eine stärkere Differenzierung nach Flugzeugty- pen und eine deutlichere Spreizung der Tag- und Nachttarife bei lärmabhängigen Flughafenentgelten“ (Seite 42) zu veran- kern, und inwiefern plant die Bundesregierung, die zuletzt im Jahr 2003 angepasste „Bonusliste für startende und landende Flugzeuge“ noch in dieser Legislaturperiode zu aktualisieren? Die Bundesregierung begrüßt die Anstrengungen der Flughäfen und der Bundesländer, auf Grundlage des § 19b Absatz 1 Luftverkehrsgesetz eine stärkere Sprei- zung bzw. Differenzierung der lärmabhängigen Flugha- fenentgelte vorzunehmen . Des Weiteren behält sich die Bundesregierung vor, gegebenenfalls durch Änderung der Rechtslage nachzusteuern . Die Novellierung der Bo- nusliste wird angestrebt und derzeit geprüft . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 201723966 (A) (C) (B) (D) Anlage 20 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Fra- ge 26): Wie viele Fahrzeuge wurden im Rahmen der vom Bundes- verkehrsminister Alexander Dobrindt angekündigten „Schad- stoff-Anti-Doping-Tests“ bislang geprüft, und wie viele weite- re Prüfungen sollen im Jahr 2017 insgesamt stattfinden? Seit der Veröffentlichung des Berichtes der Untersu- chungskommission „Volkswagen“ wurden 29 weitere Fahrzeuge im Rahmen der Feldüberwachung geprüft . Für das Jahr 2017 sind im Rahmen der Feldüberwachung derzeit weitere 36 Fahrzeuge für eine Prüfung vorgese- hen . Die Prüfungen werden sowohl durch unabhängige Technische Dienste als auch mit eigenen Messanlagen des Kraftfahrt-Bundesamtes durchgeführt . Anlage 21 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Fra- ge des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 27): Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die Zu- sage der Hersteller, „Maßnahmen zu ergreifen, um das Ther- mofenster auf das notwendige Maß zu reduzieren“ (Bericht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruk- tur zur Gemeinsamen Konferenz der Verkehrs- und Straßen- bauabteilungsleiter der Länder am 30 . und 31 . März 2017 zu TOP 4 .8), den vorherigen Einsatz nicht notwendiger und da- mit illegaler Abschalteinrichtungen voraussetzt und daher ein verpflichtender Rückruf wie im Falle der Volkswagen AG die angemessene Reaktion der Genehmigungs- bzw . Aufsichts- behörde wäre (bitte begründen), und wenn ja, welche Konse- quenzen zieht die Bundesregierung daraus? Bei einem Teil der im Rahmen der Felduntersuchung des Kraftfahrt-Bundesamtes überprüften Fahrzeugtypen bestanden seitens der Untersuchungskommission des BMVI Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der verwen- deten Abschalteinrichtung (siehe Bericht der Untersu- chungskommission „Volkswagen“) . Anlage 22 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Fra- ge des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 18/12501, Frage 28): Mit welcher Begründung gilt gemäß dem Bericht der Un- tersuchungskommission „Volkswagen“, dass nach erfolgten freiwilligen Umrüstungen „Zweifel an der Zulässigkeit der Abschalteinrichtung aus Motorschutzgründen nicht weiter bestehen“ (Bericht der Untersuchungskommission „Volkswa- gen“, unter anderem Seite 72), und nach welchen Kriterien bzw . mit welchen Methoden bewertet die Bundesregierung bzw . die zuständige Behörde die Wirksamkeit der freiwilligen Umrüstaktionen? Die Begründung ergibt sich aus den Darstellungen im Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“ vom 22 . April 2016 . Die Prüfungen des Kraftfahrt-Bundesamtes fanden im Labor im direkten Vergleich mit dem vorherigen Se- rienstand bei niedrigeren Temperaturen und unter Va- riation der Prüfabschnitte sowie auf der Straße mittels PEMS(Portable Emission Measurement System)-Fahr- ten statt . Anlage 23 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 29): Teilt die Bundesregierung den Vorschlag zur Subventionie- rung von neuen Dieselautos aus dem „Maßnahmenpaket zur Luftreinhaltung“ aus der Bayerischen Staatskanzlei (siehe www . spiegel .de/auto/aktuell/horst-seehofer-fordert- kaufpraemie- fuer-euro-6-dieselautos-a-1148536 .html) (bitte begründen), und welche eigenen konkreten Vorschläge zur Luftreinhaltung in Städten – und damit zur Umgehung von möglichen Fahrver- boten – prüft die Bundesregierung derzeit konkret (bitte ein- zeln benennen unter Angabe des Zeitfensters der Umsetzung)? Die Meinungsbildung in der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen . Es ist Ziel der Bundesregierung, die Stickstoffdio- xidbelastung in den Ballungsgebieten deutlich zu redu- zieren . Zu den Maßnahmen der Bundesregierung zur Luftreinhaltung in den Städten wird auf die Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 1 und 9 der Kleinen Anfrage 18/11474 „Steigende Stickoxid-Werte in deut- schen Städten“ verwiesen . Anlage 24 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 30): Wie begründet es die Bundesregierung, dass sie zu Frage 4 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/11998, die wirksame Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Städten und die Wirksamkeit der Umrüstung von Bussen, Taxis und Carsharing-Fahrzeugen thematisierte, antwortete: „Zu dieser Fragestellung gibt es keine abgestimmte Position der Bundes- regierung“, das Bundesverkehrsministerium aber gegenüber den Stuttgarter Nachrichten aussagt, dass alternative Antriebe für ebendiese Fahrzeuge wirkungsvoller seien als die Einfüh- rung der blauen Plakette (siehe Stuttgarter Nachrichten vom 13 . Mai 2017), und auf welche Wirksamkeitsstudie kann sich die Bundesregierung mit dieser Aussage stützen? Eine abgestimmte Position der Bundesregierung zu dieser Fragestellung liegt weiterhin nicht vor . Das Bundesministerium für Verkehr und digitale In- frastruktur und das Bundesministerium für Umwelt, Na- turschutz, Bau und Reaktorsicherheit äußern sich inner- halb ihrer jeweiligen Zuständigkeit in der Öffentlichkeit. http://www.spiegel.de/auto/aktuell/horst-seehofer-fordert-kaufpraemie-fuer-euro-6-dieselautos-a-1148536.html http://www.spiegel.de/auto/aktuell/horst-seehofer-fordert-kaufpraemie-fuer-euro-6-dieselautos-a-1148536.html http://www.spiegel.de/auto/aktuell/horst-seehofer-fordert-kaufpraemie-fuer-euro-6-dieselautos-a-1148536.html Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 23967 (A) (C) (B) (D) Anlage 25 Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 31): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass im Schienenpersonenfernverkehr in Deutsch- land offenbar Markteintritte von neuen Unternehmen nicht dauerhaft erfolgreich sind und somit ein tatsächlicher Wettbe- werb im Verkehrssegment Schienenpersonenfernverkehr nicht besteht (Hinweis: Das Schienenpersonenfernverkehrsunter- nehmen locomore musste im Mai 2017 einen Insolvenzantrag stellen, siehe Stuttgarter Nachrichten vom 13 . Mai 2017), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die Deutsche Bahn AG als faktischer Monopolist (Marktanteil der Deutschen Bahn AG bei mehr als 99 Prozent des Marktes, vergleiche Prognos AG: Wettbe- werber-Report Eisenbahn 2015/2016, Seite 50, https://www . prognos .com/uploads/tx_atwpubdb/151100_Wettbewerber_ Report_2015_2016 .pdf) im Schienenpersonenfernverkehr ihre Fernverkehrszüge zunehmend weniger eigenwirtschaftlich be- treibt, sondern mit den Ländern Modelle auf der Grundlage von Zuschüssen vereinbart, bei denen Regionalisierungsmit- tel des Bundes zum Einsatz kommen (Beispiele: Moselstre- cke, Gäubahn, Strecke Bremen–Norddeich Mole, vergleiche Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10 . April 2017)? Die Bundesregierung hält an der mit der Bahnre- form getroffenen Unterscheidung zwischen eigenwirt- schaftlichem Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) und gemeinwirtschaftlichem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) fest . Sie ist der Überzeugung, dass ein Wettbe- werb im SPFV entstehen wird . Der Ermöglichung von Wettbewerb im SPFV dienen unter anderem die massiv verstärkten Infrastrukturinvestitionen und die mit dem Eisenbahnregulierungsgesetz geschaffenen gesetzli- chen Maßnahmen . Nicht zuletzt wird auch die mit dem 4. EU-Eisenbahnpaket erreichte Öffnung der nationalen Netze der Mitgliedstaaten neue Möglichkeiten schaffen. Der Einsatz der Regionalisierungsmittel obliegt aus- schließlich den Bundesländern . Die beschriebenen Ge- schäftsmodelle müssen transparent sein und den An- forderungen des geltenden Rechts, insbesondere der Verordnung (EG) Nr . 1370/2007, entsprechen . Anlage 26 Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Fra- ge 32): Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung für die Umsetzung einer weltweiten CO2-Bepreisung konkret in den kommenden Monaten angehen, für die die Bundeskanz- lerin Dr . Angela Merkel auf dem Petersberger Klimadialog (siehe www .energate-messenger .de/news/174392/merkel- befuerwortet- weltweite-co2-bepreisung) warb, und würde Deutschland bei Widerstand aus anderen Ländern auch im Rahmen einer Vorbildfunktion eine CO2-Bepreisung notfalls auch national einführen (bitte begründen)? Die Bundesregierung unterstützt die Entwicklung des globalen Kohlenstoffmarkts und die weltweite Beprei- sung von CO2 derzeit auf mehreren Ebenen: Einerseits unterstützt die Bundesregierung Entwick- lungs- und Schwellenländer bei der Einführung von Kohlenstoffmarktinstrumenten und CO2-Steuern auf na- tionaler und subnationaler Ebene (Partnership for Market Readiness, PMR) . Darüber hinaus fördern wir technische Dialoge zur ETS-Harmonisierung und Verknüpfung mit Ländern, die bereits Emissionshandelssysteme eingeführt haben (In- ternational Carbon Action Partnership, ICAP), und kurz- fristige Unterstützungsleistungen innerhalb des Projekts „Capacity Building zum Emissionshandel“ in Form von technischen Workshops, Delegationsreisen und Exper- tenberatungen . Langfristige bilaterale Capacity-Building-Projekte im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) zur Unterstützung bei der Einführung von Emissionshandelssystemen gibt es zum Beispiel mit China (seit 2012, verlängert bis Mit- te 2019), der Türkei (seit 2013, verlängert bis 02/2018), Mexiko (Projektstart geplant in 2017; Laufzeit bis 2020, Vorgängeraktivitäten über die Mexikanisch-Deutsche Klimaallianz) und der Ukraine (Projektstart geplant in 2017; Laufzeit bis 2019) . Auch die Förderung des Dialogs zur Schaffung inter- nationaler Standards und Regelungen für die Nutzung von Kohlenstoffmärkten, zur Sicherstellung von Effek- tivität, Qualität und Klimaintegrität – politische Dis- kussionen vor allem in der DEU G-7-Initiative „Carbon Market Platform“ und der NZL-Initiative „Ministerial Declaration on Carbon Markets“ – gehört dazu . Die Bundesregierung bemüht sich im Rahmen der G-20-Präsidentschaft, das Dialogforum „Carbon Market Platform“ auf die G-20-Staaten auszuweiten . Durch den europäischen Emissionshandel haben wir in Deutschland im Energie- und Industriesektor einen EU-weiten CO2-Preis für die Bereiche Energieerzeugung und Industrieprozesse . Die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich für eine Reform des Emissionshandels ein, mit der die Anreizwirkung des Emissionshandels kurz- und langfristig gestärkt wird, sodass die derzeiti- gen Zertifikateüberschüsse durch die Markstabilitätsre- serve abgebaut und damit sachgerechte Knappheitspreise herbeigeführt werden . Genauso wichtig ist uns ein ange- messener Schutz der Industrie im internationalen Wettbe- werb vor Carbon Leakage . Anlage 27 Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 33): Wann wird die Mängelbeseitigung an der deutschen Bot- schaft in Washington, DC, abgeschlossen sein, und mit wel- chen Gesamtkosten rechnet die Bundesregierung? https://www.prognos.com/uploads/tx_atwpubdb/151100_Wettbewerber_Report_2015_2016.pdf https://www.prognos.com/uploads/tx_atwpubdb/151100_Wettbewerber_Report_2015_2016.pdf https://www.prognos.com/uploads/tx_atwpubdb/151100_Wettbewerber_Report_2015_2016.pdf http://www.energate-messenger.de/news/174392/merkel-befuerwortet-weltweite-co2-bepreisung http://www.energate-messenger.de/news/174392/merkel-befuerwortet-weltweite-co2-bepreisung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 201723968 (A) (C) (B) (D) Die deutsche Botschaft in Washington hat das Kanz- leigebäude nach einer 26-monatigen Sanierungsphase am 4 . Juli 2014 bezogen und den Botschaftsbetrieb wie- der aufgenommen . Die Umsetzung des Fertigstellungskonzeptes zur Mängelbeseitigung erfolgt kontinuierlich seit dem Jahr 2015 . Die förmliche Übergabe in die Betriebsfüh- rung durch das Auswärtige Amt erfolgt abschnittsweise ab dem 2 . Halbjahr 2017 . Ziel ist es, alle Anlagen, die frei von betriebshemmenden Mängeln sind, danach suk- zessive in einen vollumfänglichen Betrieb zu überführen . Die sukzessive Übergabe – einschließlich weitestgehen- der Beseitigung der Mängel – soll bis Mitte 2018 abge- schlossen sein . Für die Baumaßnahme sind Kosten in Höhe von rund 103 Millionen Euro eingeplant, genau 103 335 000,00 Euro . Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) erwartet, die Maßnahme im Rah- men dieses Budgets abschließen zu können . Anlage 28 Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 34): Wird sich die Bundesregierung mit Verweis auf Arti- kel 3 Absatz 7 der Espoo-Konvention und die UVP-Richtli- nie (2011/92/EU) um eine Beteiligung bei den grenzüber- schreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungen mit einer geplanten Öffentlichkeitsbeteiligung von Juli bis Septem- ber 2017 bezüglich der Laufzeitverlängerungen der ukraini- schen Atomkraftwerke Südukraine und Saporischja bemü- hen, und wird sie vor diesem Hintergrund bei der nächsten Espoo-Vertragsstaatenkonferenz in Minsk vom 13 . bis 16 . Juli 2017 eine klare rechtliche Regelung für eine grundlegende Anwendung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeits- prüfungen bei Laufzeitverlängerungen fordern (bitte erläu- tern)? Wie der Bundesregierung vor kurzem informell be- kannt geworden ist, hat die Ukraine andere Staaten bezüglich der Laufzeitverlängerung der ukrainischen Atomkraftwerke Südukraine und Saporischja notifiziert. Deutschland ist von der Ukraine nicht notifiziert worden. Die Entscheidung, ob von der Ukraine eine grenzüber- schreitende Umweltverträglichkeitsprüfung mit Deutsch- land eingefordert werden soll, liegt nach § 9b Absatz 1 UVPG bei den zuständigen Behörden der Länder . Die Bundesregierung wird die Länder über den Vorgang unterrichten und, sofern dort eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung gewünscht wird, beim weiteren Vorgehen in geeigneter Weise unterstützen . Auch bei dem Espoo-Vertragsstaatentreffen in Minsk wird sich die Bundesregierung nachdrücklich für eine Klarstellung der Rechtslage einsetzen . Im Übrigen möchte ich an unsere kürzlich gemachten Ausführungen hierzu in den Vorbemerkungen der Bundesregierung zu der Antwort auf die Kleine Anfrage „Atomvorhaben in Europa“ in Bundestagsdrucksache 18/11376 erinnern . Anlage 29 Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/12501, Frage 35): Welche grundsätzlichen Optionen bzw . Ansätze können aus Sicht der Bundesregierung für den vom Bundesverfas- sungsgericht mit Urteil vom 6 . Dezember 2016 geforderten und gemäß dem Urteil bis zum 30. Juni 2018 zu schaffenden „angemessenen Ausgleich“ für frustrierte Investitionen der Atomkraftwerkebetreiber im Zeitraum 8 . Dezember 2010 bis 16 . März 2011 sowie für konzernintern nicht mehr abfahrbare Reststrommengen der Atomkraftwerke infrage kommen, und inwiefern liegen ihr bereits Erkenntnisse zum Umfang der ge- nannten frustrierten Investitionen vor? Mit seinem Urteil vom 6 . Dezember 2016 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das nach den Ereignissen von Fukushima in 2011 verabschiedete Drei- zehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes im We- sentlichen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Einklang steht . Soweit das Gericht verfassungsrechtliche Defizite festgestellt hat, betreffen diese laut dem Wort- laut des Urteils lediglich Randbereiche der angegriffenen Regelungen. Zu der Frage, wie die aufgezeigten Defizite beseitigt werden können, eröffnet das Gericht dem Ge- setzgeber einen breiten Gestaltungsspielraum und be- nennt in Randnummer 404 des Urteils vom 6 . Dezember 2016 folgende Optionen: „Dem könnte etwa mit einer entsprechenden Verlängerung der Laufzeiten einzelner konzerneigener Kernkraftwerke Rechnung getragen wer- den . Für diesen Weg ist jedoch kein Vorrang durch die Verfassung vorgegeben, er liegt wie auch andere Aus- gleichsmöglichkeiten im politischen Gestaltungsermes- sen des Gesetzgebers . Eine Kompensation der Verstro- mungsdefizite könnte womöglich auch durch gesetzliche Sicherstellung einer Weitergabemöglichkeit von nicht mehr verstrombaren Elektrizitätsmengen an Konzerne mit überschießenden Verstromungskapazitäten zu öko- nomisch zumutbaren Bedingungen erfolgen . Insbeson- dere bleibt es dem Gesetzgeber aber auch unbenommen, einen angemessenen finanziellen Ausgleich für aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht verstrombare Rest- strommengen vorzusehen, zumal mit der gesetzgeberi- schen Entscheidung für den Atomausstieg die Aufgabe des Bestands der Kernkraftwerke ohnehin feststeht . Der Ausgleich braucht auch nur das zur Herstellung der An- gemessenheit erforderliche Maß zu erreichen, das nicht zwingend dem vollen Wertersatz entsprechen muss .“ Der Bundesregierung liegen keine konkreten Infor- mationen über den Umfang von im Vertrauen auf das Elfte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes getätigte und insoweit möglicherweise frustrierte Investitionen in dem vom Bundesverfassungsgericht benannten Zeit- raum vor . Die Bundesregierung weist darauf hin, dass nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20 . Dezember 2016 zur Berichtigung des Urteils vom 6 . Dezember 2016 der relevante Zeitraum die Zeit vom 28 . Oktober 2010 bis zum 16 . März 2011 umfasst . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 236 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 31 . Mai 2017 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 236. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Bekämpfung von Kinderehen TOP 2 Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten TOP 3 Befragung der Bundesregierung TOP 4 Fragestunde TOP 8, ZP 1,2 Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung TOP 6, ZP 3 Entwicklungspolitik TOP 7 Vermögensteuer TOP 5 Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823600000

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich . Ich könnte Sie alle jetzt auch namentlich be-
grüßen, ohne dass das eine unvertretbar lange Zeit in An-
spruch nehmen würde .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun wir das doch!)


Ich möchte Sie zu Beginn davon in Kenntnis setzen,
dass es eine interfraktionelle Vereinbarung gibt, dass
der Tagesordnungspunkt 5 – das ist der Bundesbericht
Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 – und der Tages-
ordnungspunkt 8 – da geht es um den Menschenrechts-
politikbericht der Bundesregierung – unter Beibehaltung
ihrer Debattenzeiten ihre Plätze tauschen . Sie bleiben
also auf der Tagesordnung und werden nur in umgekehr-
ter Reihenfolge behandelt .

Außerdem sollen die Beschlussempfehlung auf der
Drucksache 18/10625 – hier geht es um zivilgesellschaft-
liches Engagement – und der Antrag mit dem Titel „Für
den Menschenrechtsschutz in Deutschland – Die Nati-
onale Stelle zur Verhütung von Folter reformieren und
stärken“ zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 8 be-
raten werden .

Des Weiteren soll in Verbindung mit dem Tagesord-
nungspunkt 6 der Antrag mit dem Titel „,UN Binding
Treaty‘ ambitioniert unterstützen“ aufgerufen werden .

Dann soll der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschrif-
ten auf der Drucksache 18/12041 dem Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz, dem Innenausschuss, dem
Ausschuss für Wirtschaft und Energie, dem Finanzaus-
schuss sowie dem Ausschuss für Ernährung und Land-
wirtschaft zur Mitberatung überwiesen werden .

Schließlich sollen die Unterrichtungen der Bundesre-
gierung zu den Stellungnahmen des Bundesrates auf den
Drucksachen 18/12478, 18/12479, 18/12480, 18/12481
und 18/12497 zu den bereits überwiesenen Gesetz-
entwürfen auf den Drucksachen 18/12049, 18/12037,

18/12048, 18/12041 und 18/12051 an die entsprechenden
federführenden und mitberatenden Ausschüsse überwie-
sen werden .

Das leuchtet Ihnen allesamt sicher sofort ein, sodass
mit größeren Einwänden nicht zu rechnen ist . – Es gibt
sogar demonstrative Zustimmung, für die ich mich be-
sonders bedanke . Damit ist das jedenfalls so beschlossen .

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1:

Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be-
kämpfung von Kinderehen

Drucksache 18/12377
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Eine Aussprache ist dazu heute nicht vorgesehen, aber
wir müssen die Überweisung dieses Gesetzentwurfs be-
schließen .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf der Drucksache 18/12377 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . – Anderweitige
Vorschläge sehe ich nicht . Dann ist die Überweisung so
beschlossen .

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe-
bung des § 103 des Strafgesetzbuches
‒ Beleidigung von Organen und Vertretern
ausländischer Staaten ‒

Drucksache 18/10980
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt ist eine Aus-
sprache heute nicht vorgesehen .






(A) (C)



(B) (D)


Der Gesetzentwurf auf der Drucksache 18/10980 soll
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
überwiesen werden . – Einwände sind nicht erkennbar .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3:

Befragung der Bundesregierung

Die Regierung hat als Thema der heutigen Kabinetts-
sitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung zum
Stickstoffeintrag in die Biosphäre.

Dazu wird, unserer ständigen Übung folgend, nun die
zuständige Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit einen einleitenden Bericht
geben, zu dem auch schon Fragen bei mir angemeldet
werden können, so es sie denn gibt . – Frau Ministerin,
bitte schön .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Hohe Emissionen reaktiver Stickstoffverbindungen in
der Umwelt stellen nach wie vor ein bedeutendes Um-
weltproblem dar . Das gilt zum Beispiel für Nitrate im
Grundwasser oder Stickstoffoxide und Ammoniak in der
Luft . Seit Mitte des 19 . Jahrhunderts hat sich die jährli-
che Freisetzung reaktiven Stickstoffs durch menschliche
Tätigkeit verzehnfacht . Die höchsten Zuwächse gab es
dabei in den industrialisierten Ländern und auch in den
Transformationsstaaten .

Mir ist selbstverständlich bewusst, dass zum Beispiel
der Einsatz organischer und mineralischer Stickstoff-
dünger zur Steigerung von Erträgen dazu geführt hat,
die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln
zu versorgen . Leider hat dies jedoch – das gehört zur
Wahrheit eben auch dazu – nicht nur Nutzen gebracht,
sondern auch zu erheblichen negativen Folgen für Men-
schen, Umwelt und Wirtschaft geführt . Vorliegende
Schätzungen für die Europäische Union besagen, dass
sich die Folgekosten der Stickstoffemissionen zu knapp
zwei Dritteln auf gesundheitliche Schäden beziehen und
zu etwa einem Drittel auf Schäden an den Ökosystemen .
Trotz der erzielten Minderungserfolge werden verschie-
dene stickstoffbezogene Umweltqualitätsziele nicht ein-
gehalten . Der Handlungsbedarf ist somit evident .

Die Bürgerinnen und Bürger sind sich der Tragweite
des Problems und der eigenen Betroffenheit häufig gar
nicht bewusst . Es herrscht also nicht nur Handlungs-,
sondern auch Aufklärungsbedarf . Der jetzt vorgelegte
Bericht dient ebendiesem Zweck . Er informiert die Bür-
gerinnen und Bürger sowie alle beteiligten Akteure, zum
Beispiel aus den Bereichen Mobilität, Landwirtschaft,
Industrie und Energiewirtschaft, über den Sachstand, die
Ursachen und die Folgen sowie über die Lösungsansätze .
Er verdeutlicht zudem die Notwendigkeit ressortüber-
greifenden Handelns, um die Einträge in Luft, Boden,
Wasser und die Ökosysteme zu reduzieren .

Da es sich um ein systemisches Umweltproblem han-
delt, setzen wir auf einen integrierten Ansatz zur Stick-
stoffminderung, bei dem alle Verursacherbereiche in den
Blick genommen werden . Unser Ziel ist es, die Emissio-

nen reaktiven Stickstoffs in allen Umweltmedien auf ein
verträgliches Maß zu reduzieren . Wir wollen weiteren
Schaden abwenden, übrigens auch in Form von Vertrags-
verletzungsverfahren der Europäischen Kommission .

Mit der Vorlage des Stickstoffberichts möchte ich
Ihnen allen die Dringlichkeit dieses Themas vor Augen
führen und darf mich ausdrücklich bei allen mitwirken-
den Ressorts für die konstruktive Zusammenarbeit be-
danken .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823600100

Ich bedanke mich für den knappen, prägnanten Be-

richt . – Die erste Nachfrage hat der Kollege Lenkert .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823600200

Frau Ministerin, vielen Dank für die Kurzeinführung

in den Bericht . – Mich würde interessieren: Wie hoch
konkret sieht die Bundesregierung das Minderungspo-
tenzial in den einzelnen Bereichen in der Bundesrepu-
blik, und wie möchte die Bundesregierung dieses Po-
tenzial zukünftig erschließen? Wie möchte sie vor allen
Dingen dabei sicherstellen, dass die Verursacher, die
Urverursacher wie zum Beispiel die Autoindustrie, von
den Maßnahmen der Bundesregierung betroffen sind und
nicht eventuell Geschädigte?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Ja, es gibt Abschätzungen, wie viel welche Sektoren
zum Stickstoffeintrag tatsächlich beitragen. Selbstver-
ständlich sind hier diejenigen, die uns bekannt sind, etwa
die Bereiche Mobilität oder auch Landwirtschaft, dieje-
nigen, die am meisten verursachen; selbstverständlich
gehört dazu auch die Industrie .

Wir als Bundesregierung haben uns jetzt darauf ver-
ständigt, dass wir gemeinsam feststellen, welchen Hand-
lungsbedarf es gibt . Das ist insofern neu . Das haben
frühere Bundesregierungen bisher nicht geschafft. Aller-
dings wird es diese Bundesregierung nicht mehr schaf-
fen, tatsächlich noch einen Stickstoffminderungsplan
aufzulegen . Das bleibt der nächsten Bundesregierung
vorbehalten .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823600300

Kollege Meiwald .


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823600400

Vielen Dank, Frau Ministerin . Vielen Dank, Herr

Präsident . – Zunächst einmal stellt sich uns die Frage,
warum wir uns heute mit der Problembeschreibung be-
fassen müssen . Sie haben dargestellt, dass das Kabinett
heute eine wichtige Entscheidung getroffen hat, indem es
sich darauf geeinigt hat, dieses Problem zu beschreiben;
aber der SRU hat uns ein Gutachten zu diesem Thema ei-
gentlich schon 2015 vorgelegt . Uns stellt sich die Frage:
Müssen wir dankbar dafür sein, dass das Kabinett nach
zwei Jahren feststellt, dass der SRU recht hat, oder gibt
es weiter gehende Erkenntnisse?

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Die entscheidendere Frage ist: Was leitet sich daraus
ab? Der SRU hat eindeutig eine nationale Stickstoff-
strategie gefordert . Sie haben gerade gesagt: Die wird
es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben . – Aber
die Frage ist: Wie wollen wir die Ziele erreichen, die
definiert sind und die auch die Bundesregierung offen-
sichtlich jetzt für sich anerkennt? Wie wollen wir auch
die Biodiversitätsziele bis 2020 aus unserer Nachhaltig-
keitsstrategie noch erreichen, wenn wir eine gemeinsame
Stickstoffstrategie nicht haben?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

In der Tat dient dieser Bericht der Vorbereitung einer
ressortübergreifenden integrierten Strategie zur Stick-
stoffminderung – mit konkreten Maßnahmen auch zur
Minderung der Stickstoffbelastung in der kommenden
Legislaturperiode . Handlungsbedarf gibt es in mehre-
ren Bereichen . Wir haben in der Zwischenzeit durchaus
Fortschritte erzielt; ich muss das jetzt nicht im Einzelnen
ausführen . Wir haben zum Beispiel die Novelle der Dün-
geverordnung und des Düngegesetzes erst vor wenigen
Monaten in diesem Haus verabschiedet . Natürlich trägt
dies dazu bei, die Stickstoffeinträge zu vermindern.

Es gibt noch andere Bereiche, in denen wir tätig wer-
den müssen . Zum Beispiel müssen wir die Pilotanfrage
der Europäischen Kommission zur Wasserrahmenrichtli-
nie sachgerecht beantworten, indem wir auch in dem Be-
reich vorankommen . Wir haben ein Vertragsverletzungs-
verfahren der EU-Kommission zur Nitratrichtlinie . Auch
dies liegt natürlich an übermäßigem Stickstoffeintrag.
Bei der sogenannten NEC-Richtlinie, also der Richtlinie
zu nationalen Emissionshöchstmengen, wie auch bei der
Richtlinie zu nationalen Emissionsminderungsverpflich-
tungen sind wir letztlich säumig .

Dies alles muss zügig angepackt werden . Der Wider-
streit der Interessen in der Koalition ist da nicht von der
Hand zu weisen – das ist eigentlich auch normal –, aber
gut ist, dass wir jetzt anerkannt haben, dass wir alle je-
weils in unserem Verantwortungsbereich etwas tun müs-
sen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823600500

Frau Tackmann .


Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823600600

Vielen Dank . – Frau Ministerin, es ist anerkannt – das

haben Sie auch erwähnt –, dass die Landwirtschaft in die-
sem Kontext eine besondere Verantwortung hat, dass es
einerseits um Nahrungssicherung geht und andererseits
um die Frage der Emissionen und der Reduzierung der
Emissionen . Gerade in der Tierhaltung ist das ein zentra-
ler Punkt . Sie wissen, dass die Bundesregierung nach wie
vor eine Exportstrategie hat, das heißt, dass die Tierhal-
tung sich nicht an dem orientiert, was zur Nahrungssiche-
rung hier vor Ort gebraucht wird, sondern dass man ex-
portieren will . Irgendwie hat das miteinander zu tun, die
Produktionsmenge oder die Menge der gehaltenen Tiere
und die Emissionen . Welche Strategie verfolgen Sie da?
Welche Ideen haben Sie, wie wir einerseits der Tierhal-

tung eine Zukunft geben können, andererseits aber Ihre
Ziele, die ich teile, erreichen können?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Die Agrarpolitik hat in der Tat die Zielrichtung der
Exportstrategie, aber nicht die Bundesregierung hat die
Zielrichtung der Exportstrategie . Das Umweltministe-
rium sieht das anders . Es gibt also keine Bundesregie-
rungsstrategie zum Export landwirtschaftlicher Güter .
Ich kann verstehen, dass man das in der Agrarpolitik so
vorantreiben will; unter Umweltgesichtspunkten gibt
es einen Widerstreit . Ich persönlich glaube – ich denke
auch, dass es wissenschaftlich abgesichert ist –, dass wir
wieder zu einer stärkeren Flächenbezogenheit bei der
Tierhaltung kommen müssen . Die Frage, wie viele Groß-
vieheinheiten pro Hektar zulässig sind, ist eine Grund-
satzfrage .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823600700

Kollege Krischer .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823600800

Herzlichen Dank, Herr Präsident . – Frau Ministerin,

zunächst einmal: Es ist natürlich ein Problem, Fragen
zu einem Bericht der Bundesregierung zu stellen, wenn
man den Bericht nicht kennt . Wir haben gestern in Ihrem
Haus nachgefragt, hätten gern diesen Bericht bekommen,
damit man ihn vorher lesen kann . Das war nicht mög-
lich . Insofern ist es ein bisschen lächerlich, das hier zum
Thema einer Regierungsbefragung zu machen . Aber es
scheint ja so zu sein, dass in dem Bericht nichts Neu-
es steht . Es scheint für Sie schon ein Phänomen zu sein,
dass die Bundesregierung sich überhaupt auf einen Be-
richt verständigen kann .

Sie haben im Sommer 2016 – darüber gibt es eine
Reihe von Presseberichterstattungen – eine umfassende
Stickstoffminimierungsstrategie für diese Wahlperiode
angekündigt . Gerade haben Sie gesagt: Die wird es nicht
mehr geben; das muss die nächste Bundesregierung ma-
chen . – Sie haben nun einen Bericht vorgelegt, in dem
nichts Neues ist . Mich würde interessieren: Woran liegt
es, dass eine solche Stickstoffminimierungsstrategie in
dieser Wahlperiode nicht vorgelegt worden ist? Wer oder
was ist die Ursache dafür?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Mit diesem Bericht ist tatsächlich erstmals eine res-
sortübergreifende Verständigung erreicht worden, so-
wohl zum Problemverständnis als auch zum politischen
Handlungsbedarf und der Notwendigkeit weiterer Min-
derungsbemühungen . Das ist ein Erfolg . Das ist richtig:
Das ist nicht das, was ich angekündigt habe .

Gleichwohl ist dieser Schritt ein Erfolg . Der Bericht
ersetzt nicht die von mir angekündigte Stickstoffstrate-
gie; das ist so . Unsere strategischen Arbeiten zur Stick-
stoffminderung setzen sich aus vielen Einzelschritten zu-
sammen . Der vorliegende Bericht ist ein Baustein dieser
Arbeiten . Die ressortübergreifende Befassung soll über

Peter Meiwald






(A) (C)



(B) (D)


dieses wichtige Thema informieren und den politischen
Diskurs vorantreiben, sodass Maßnahmen zur Minde-
rung der Stickstoffbelastung in der kommenden Legis-
laturperiode konkretisiert werden können . – Ja, in dieser
Legislaturperiode ist dieser Schritt noch nicht gelungen .
Aber der Schritt, den wir bis jetzt gegangen sind, ist erst-
malig für eine Bundesregierung .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823600900

Frau Bulling-Schröter .


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823601000

Danke schön . – Sehr verehrte Ministerin, mich wür-

de interessieren: Stickstoffemissionen kommen nicht nur
aus der Landwirtschaft, sondern auch aus dem Verkehr .
Ich denke, darüber wird aus bekannten Gründen wenig
diskutiert . Mich würde interessieren: Gibt es für den Ver-
kehrsbereich vonseiten der Bundesregierung eine Min-
derungsstrategie? Wie könnte sie aussehen, und welche
Zeitspanne wird noch benötigt, bis sie beginnen kann?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Ja, der Verkehr ist natürlich ein Hauptverursacher
von Stickstoffeinträgen. Das ist vollkommen klar. In den
Städten ist es der Verkehr, der für zu hohe Stickstoffbe-
lastungen sorgt, auf dem Land ist es im Wesentlichen die
Landwirtschaft, um es vereinfacht zu sagen . Aber es ist
nicht ganz falsch, wenn ich es so vereinfacht sage . Wir
brauchen natürlich auch eine neue Mobilitätsstrategie
unter dem Gesichtspunkt von Klima und Luftverträglich-
keit . Ich denke, dass dies auch eine Aufgabe der nächs-
ten Legislaturperiode sein muss . Ich bin absolut sicher,
dass wir bei den Automobilen zu Nachrüstungen kom-
men müssen, im Wesentlichen natürlich bei den Diesel-
fahrzeugen, die Hauptverursacher der Stickstoffeinträge
sind . Aber das kann natürlich zunächst einmal nur unter
Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten der Au-
tomobilindustrie geschehen .

Das gilt zum einen für die neu zugelassenen Automo-
bile . Hier haben wir neue europäische Regeln, die schon
beschlossen sind und ab September wirksam werden . An
anderen Regeln wird auf europäischer Ebene gearbeitet .
Ganz wichtig ist aber zum anderen auch, dass wir den
jetzigen Bestand ins Auge fassen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823601100

Frau Lemke .


Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823601200

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie hatten heute eine

Pressekonferenz, auf der Sie die Rote Liste gefährde-
ter Biotoptypen und damit der Öffentlichkeit sozusagen
eine relativ vernichtende Bilanz Ihrer eigenen Arbeit
vorgestellt haben . Sie sagen, dass knapp zwei Drittel
der 863 Biotoptypen in Deutschland in Gefahr sind . Be-
sonders dramatisch sei die Entwicklung bei Wiesen und
Weiden, während sich nach Ihren eigenen Aussagen an
einzelnen Biotopen, Flüssen und Seen, positive Entwick-

lungen abzeichnen, die primär auf die Verbesserung von
Klärstufen in den Kläranlagen zurückgehen .

In einer Regierungsanfrage von mir haben Sie vor we-
nigen Wochen geantwortet, dass ein Großteil der Feldvö-
gel in Deutschland vom Aussterben bedroht und ein re-
levanter Teil schon verschwunden ist . Das heißt, das Ziel
der Bundesregierung, das Artensterben bis 2020 zu stop-
pen, das vor mehreren Jahren festgelegt worden ist, wird
weit verfehlt . Was sind die konkreten Maßnahmen? Sie
sagen: Das alles kann erst die nächste Bundesregierung
machen. Das habe ich noch nicht geschafft abzuarbeiten.
Das muss meine Nachfolgerin bzw . mein Nachfolger ma-
chen . – Sie hinterlassen dem nächsten Bundesumweltmi-
nister also Ihre eigene Negativbilanz .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin, dies weise ich zurück, und zwar ent-
schieden . Ich habe heute nicht eine Negativbilanz meiner
eigenen Arbeit vorgelegt . Vielmehr ist das die dritte Auf-
lage des Berichts zur Roten Liste gefährdeter Biotopty-
pen. Die erste Auflage gab es im Jahr 1994, die zweite
im Jahr 2006 . Das, was seit 2006 passiert ist, umfasst
natürlich deutlich mehr als meine Zeit in der Ressort-
verantwortung . Wir haben in der Tat Verschlechterungen
festzustellen, insbesondere im Bereich der Biodiversität
bei Weiden und Wiesen . Darauf haben Sie richtig hin-
gewiesen . Auf der anderen Seite haben wir aber auch
Verbesserungen festzustellen, insbesondere bei Fließge-
wässern, Wäldern und Waldrändern . Wir haben selber,
zum Beispiel durch die Beschlussfassung über das Blaue
Band – das ist neu –, positiv darauf eingewirkt, dass es
in der Zukunft besser wird . Wir haben die Situation bei
den Auenwäldern verbessert – auch sie ist in den letz-
ten Jahren besser geworden . Ja, es gibt auch noch viel zu
tun – das ist nicht zu bestreiten –, und es hat insbesondere
mit der Wirtschaftsweise in der Landwirtschaft zu tun .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823601300

Herr Lenkert .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823601400

Frau Ministerin, welche konkreten Maßnahmen hat

die Bundesregierung seit der Veröffentlichung des Gut-
achtens des Sachverständigenrats für Umweltfragen in
Angriff genommen, um die zu hohen Stickstoffeinträge
zu reduzieren? Welche Handlungsempfehlungen und
Lösungsansätze des Sachverständigenrats für Umwelt-
fragen haben Sie als Bundesregierung verfolgt, und was
halten Sie von dem Vorschlag, eine Stickoxidabgabe ein-
zuführen?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Ganz wesentlich ist – darauf habe ich ja eben schon
hingewiesen –, dass wir uns nach wirklich langen Vorar-
beiten und kräftigen Auseinandersetzungen auch inner-
halb der Bundesregierung und in diesem Parlament auf
ein neues Düngegesetz und eine neue Düngeverordnung
verständigen konnten . Das ist ein wesentlicher Schritt in

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


Richtung der Minderung der Stickstoffeinträge. Es ist der
wichtigste Schritt, den wir seit der Veröffentlichung des
Sachverständigenrats für Umweltfragen gegangen sind .
Man sollte es nicht negieren . Es hat mehr als fünf Jahre
gedauert, bis wir das haben durchsetzen können – im-
merhin einvernehmlich . Es ist eben manchmal nicht so
einfach . Aber ist es der wichtigste Schritt, den wir seither
gegangen sind .

Wir haben keine Position zur Erhebung einer Stick-
stoffabgabe. Ich halte dies zurzeit nicht für nötig, sondern
halte es für sinnvoller, in Zusammenarbeit mit denjeni-
gen, die Verursacher von Stickstoffeinträgen sind – man
muss auch mal sagen, dass diese Einträge nicht vollstän-
dig vermeidbar sind; die Verursacher sind ja nicht bös-
willig –, die Arbeitsweisen unter vernünftigen Konditi-
onen zu ändern .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823601500

Kollege Ebner .


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823601600

Danke schön . – Frau Ministerin, Sie haben gerade

von Ihrer Erfolgsbilanz – Düngegesetz und Düngever-
ordnung – gesprochen. Da möchte ich die Stoffstrombi-
lanz – oder, wie wir es gerne nennen, Hoftorbilanz – an-
sprechen, die ein Mittel sein sollte und aus unserer Sicht
auch ein geeignetes Instrument sein könnte, um Stick-
stoffeinträge zu regeln, zu regulieren und zu reduzieren.
Allein, es fehlt ja eine Regelung . Die Düngeverordnung
regelt die Frage der Stoffstrombilanz leider nicht; das
wurde in die entsprechende Stoffstrombilanzverordnung
ausgelagert . Da – wurde uns heute im Ausschuss berich-
tet – weiß man nichts Genaues, da gibt es keine konkre-
ten Ergebnisse von Gesprächen, und niemand weiß, in
welche Richtung die Gespräche gehen . Vielleicht können
Sie uns etwas dazu sagen, was denn hier eigentlich er-
reicht werden soll, mit welchen konkreten Festlegungen
Sie jetzt die Reduzierung von Stickstoffeinträgen an der
Stelle erreichen wollen .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Herr Kollege Ebner, wir als Bundesregierung haben
ja gemeinsam mit den Ländern ein sogenanntes Dün-
gepaket auf den Weg gebracht, das sich durchaus sehen
lassen kann und ganz sicher zu einer Verbesserung der
Situation bezüglich der zu hohen Stickstoffeinträge aus
der Landwirtschaft führen wird . Im Rahmen des Pakets
haben wir auch beschlossen – wie Sie richtig sagen –,
eine Stoffstrombilanz zunächst für größere Betriebe
einzuführen. Damit sollen alle Nährstoffzuströme und
Nährstoffabflüsse eines Betriebes genau erfasst werden,
und die entsprechende Verordnung ist in Arbeit . Ich gehe
davon aus, dass wir das parlamentarische Verfahren jetzt
rasch einleiten und noch abschließen können .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823601700

Kollege Meiwald .


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823601800

Vielen Dank . – Da muss ich einfach direkt nachfragen:

Heißt das, dass Sie hoffen, das parlamentarische Verfah-
ren noch innerhalb der beiden uns nach dieser Sitzungs-
woche verbleibenden Sitzungswochen „abschließen zu
können“? Ich würde gerne konkret hören, ob wir dann
mit der Vorlage der Stoffstrombilanzverordnung rechnen
dürfen .

Meine andere Frage geht auf das Gutachten des Sach-
verständigenrats für Umweltfragen zurück . Er hat vorge-
schlagen, die Anforderungen an Tierhaltungsanlagen zu
verschärfen und in der TA Luft dazu klare Vorgaben zu
machen . Gibt es seitens des Ministeriums Bestrebungen,
in der Richtung tätig zu werden und die TA Luft entspre-
chend nachzuschärfen?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Ich gehe zunächst auf Ihre zweite Frage ein . – Was die
TA Luft anbelangt: Ja, wir haben einen Entwurf in Arbeit,
der aber nicht mehr fertig wird; das werden wir in die-
ser Legislaturperiode nicht mehr schaffen. Wir müssen
das Thema fachlich noch genauer durchdringen, als wir
das bisher tun, und zwar in gemeinsamer Verantwortung
von Landwirtschaftsseite und Umweltseite . Wir müssen
Tierwohl und Emissionsrecht in Einklang bringen; denn
es kann nicht sein – um es einmal überspitzt zu formu-
lieren –, dass wir alle Tiere in verschlossenen Kästen
halten . Ich will gerne ein entsprechendes Gesetz auf den
Weg bringen, aber es bedarf noch wissenschaftlicher Ar-
beit und auch der Zusammenarbeit der verschiedenen In-
stitute, zum Beispiel zwischen dem Thünen-Institut und
UBA .

Was die Stoffstrombilanz und den augenblicklichen
Stand der Beratungen angeht, würde ich – wenn Sie ein-
verstanden sind, Herr Präsident – den Kollegen Bleser
bitten, das Wort zu ergreifen; denn die Federführung liegt
beim BMEL . Wir sind zwar in Verhandlungen, aber Herr
Bleser weiß aktuell mehr als ich .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823601900

Wenn es nicht nur eine aktuelle, sondern auch eine

konkrete Auskunft gibt, ist uns diese Ergänzung sehr
willkommen . – Bitte schön, Herr Kollege Bleser .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Letzteres wird nicht der Fall sein! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind schon voller Erwartung!)


P
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1823602000


Vielen Dank .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Bleser, die Spannung steigt!)


Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


Wir befinden uns zurzeit in der Tat in den Beratungen.
Es geht letztlich um die technische Umsetzung der Dün-
geverordnung, darum, wie das im Detail geregelt wird .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht immer um die technische Umsetzung!)


Uns liegt daran, das Vorhaben praxistauglich zu gestal-
ten, insbesondere ohne unnötigen Bürokratieaufwuchs,
was letztlich aber nicht ganz zu vermeiden sein wird .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823602100

Darauf wäre fast keiner gekommen .


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zeitplan? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Satz hätte ich auch sagen können! Konkret ist aber anders, Herr Bleser! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Habe ich es nicht gesagt?)


Die nächste Frage stellt Frau Bulling-Schröter .


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823602200

Danke schön. – Stickstoffverbindungen sind klimare-

levant . Wir stehen vor der dringenden Aufgabe – ich sage
einmal: bei Strafe des Untergangs –, die Pariser Beschlüs-
se einzuhalten . Meine Frage lautet: Können Sie sich vor-
stellen, gerade auch die Problematik der Stickstoffver-
bindungen in einem zukünftigen Klimaschutzgesetz zu
regeln? Wir halten es für sinnvoll, ein Klimaschutzgesetz
mit entsprechenden Untergesetzen und Verordnungen zu
machen; denn das hätte sicher eine gute Wirkung . Aller-
dings muss man sagen: Gesetze sind immer nur so gut,
wie sie überwacht werden .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin, in der Tat: Andere klimaschädliche
Gase wie Ammoniak oder Methan sollten sinnvollerwei-
se Gegenstand eines Klimaschutzgesetzes sein .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823602300

Frau Kotting-Uhl .


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823602400

Frau Ministerin, ich habe Sie vorhin so verstanden,

dass, was jetzt von der Bundesregierung aufgrund der
Empfehlungen des SRU geleistet wurde, immerhin die
Gemeinsamkeit war, festzustellen, dass Handlungsbedarf
besteht; das muss angesichts der Ausrichtung des Land-
wirtschaftsministeriums wahrscheinlich tatsächlich als
Erfolg bezeichnet werden .

Sie haben auf die Frage von Herrn Lenkert – er hat
zum Vorschlag des SRU hinsichtlich einer Stickstoff-
überschussabgabe gefragt – geantwortet, dass man in der
Bundesregierung nichts davon hält . Ich würde Sie gerne
zu anderen Vorschlägen des SRU fragen, zum Beispiel,
wenn es darum geht, die Anforderungen an Tierhal-
tungsanlagen zu verschärfen, in der TA Luft klare und
anspruchsvolle Vorgaben für Tierhaltungsanlagen zu

schaffen oder auch Reduktionsziele für den Gesamtein-
trag von reaktiven Stickstoffverbindungen aufzustellen
oder die Hintergrundbelastung reaktiver Stickstoffver-
bindungen zu reduzieren . Das sind einige der relevanten
Vorschläge des SRU . Wie bewerten Sie diese, und haben
Sie vor, neben dem Bericht, den Sie jetzt vorgelegt ha-
ben, vielleicht auch eine Empfehlung für ganz bestimmte
Maßnahmen – wem auch immer: im Umweltministerium
und in der zukünftigen Bundesregierung – zu hinterlas-
sen?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich hatte schon ausge-
führt, dass wir in meinem Haus gerade an der Umsetzung
der TA Luft im Zusammenhang mit Tierhaltungsanlagen
arbeiten .


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die anderen Punkte?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823602500

Kollege Krischer .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823602600

Herzlichen Dank, Herr Präsident . – Frau Ministerin,

Sie haben eben wieder folgendes Spiel gespielt – dies-
mal mit Herrn Bleser –: Frau Hendricks kündigt etwas
an, und die anderen Häuser bzw . der Rest der Bundes-
regierung setzt es nicht um oder blockiert . Ich möchte
deshalb eine Frage zu Ihrem eigenen Zuständigkeitsbe-
reich stellen: Anfang Mai hat die EU-Kommission unter
anderem für Stickoxide aus Kohlekraftwerken, die eine
wesentliche Ursache für Stickstoffeinträge in die Umwelt
sind, Grenzwerte auf Basis der besten verfügbaren Tech-
nik festgelegt . Medienberichten war zu entnehmen, dass
Deutschland versucht hat, zusammen mit Polen, Tsche-
chien und anderen, diese Verschärfung der Grenzwerte
zu verhindern . Dieser deutsche Bremsversuch ist Gott sei
Dank nicht gelungen . Können Sie mir erklären, warum
Sie als Umweltministerin bei einer schärferen Gesetzge-
bung, die durchaus im Sinne Ihres formulierten Zieles –
Reduzierung des Stickstoffeintrags – wäre, auf EU-Ebe-
ne gebremst haben?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Erstens habe ich an der Stelle nicht auf EU-Ebene
gebremst . Damit hat sich ein anderes Gremium befasst,
nämlich, soweit ich weiß, der AStV .

Zweitens . Wir waren zunächst in guten Gesprächen
mit Vertretern der Europäischen Kommission und wa-
ren an einer Stelle der Auffassung, dass das, was von
der Kommission vorgeschlagen wurde, technisch nicht
regelungsfähig ist . Die Kommission hatte angedeutet,
dass man darüber noch einmal reden wolle . Wir wur-
den dann davon überrascht, dass die Beschlussfassung
schon am 28 . April 2017 herbeigeführt worden ist; denn
am 27 . April sind wir noch davon ausgegangen, dass die
Beschlussfassung verschoben würde . Insofern hat uns
die Beschlussfassung überrascht . Da wir fachlich ande-

Parl. Staatssekretär Peter Bleser






(A) (C)



(B) (D)


rer Auffassung waren, haben wir tatsächlich nicht zuge-
stimmt. Unsere Auffassung wurde übrigens durch das
UBA bestätigt, welches bei Ihnen normalerweise nicht
im Verdacht steht .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823602700

Herr Lenkert stellt jetzt die letzte Frage zu diesem

Themenkomplex .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823602800

Frau Ministerin, ich möchte das Thema Lebensmittel-

verschwendung ansprechen . Auch das Wegwerfen von
Lebensmitteln hat Einfluss auf die Stickstoffbilanz. Nun
hat der Handel natürlich kein Interesse daran, weniger
Lebensmittel zu verkaufen . Dann würde ja auch der Um-
satz sinken . Vor diesem Hintergrund frage ich: Welche
Maßnahmen wollen Sie seitens der Bundesregierung in
den Bereichen Handel und Produktion ergreifen, um die
Verschwendung von Lebensmitteln zu bekämpfen und
die damit verbundenen Stickstoffeinträge zu reduzieren?
Ich möchte die Zahl noch einmal nennen – Sie kennen
sie sicher –: 11 Millionen Tonnen Lebensmittel werden
in Deutschland pro Jahr als Abfall entsorgt .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Kollege Lenkert, diese Zahl muss uns alle erschre-
cken . Dem wollen wir sicherlich gemeinsam entgegen-
treten . Allerdings ist es schwierig, auf das individuelle
Konsumentenverhalten einzuwirken . Wir als Bundesre-
gierung haben eine Strategie zum nachhaltigen Konsum
aufgelegt, die auch den Bereich Lebensmittel umfasst –
selbstverständlich nicht nur diesen Bereich, aber auch
diesen –; letztlich führen aber Konsumentenentscheidun-
gen dazu, dass Lebensmittel verschwendet werden .

Ich würde es für sinnvoll halten – darauf hat ja auch
der Ernährungsminister schon einmal hingewiesen –,
dass man auf den Verpackungen nicht nur das Mindest-
haltbarkeitsdatum angibt, sondern auch das Datum, bis
zu dem der Verzehr unbedenklich ist . Das würde sicher-
lich helfen, weil viele Menschen sich von den Mindest-
haltbarkeitsdaten beeinflussen lassen, im Sinne von: Das
werfe ich jetzt mal weg . – Faktisch weiß man, dass das
nicht nötig ist . Ich zum Beispiel trinke kleine Mengen
Vollmilch in meinem Kaffee. Ich nutze die Milch immer
noch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums, weil
ich ja gar nicht so viel davon verbrauche . Da passiert
nichts . Ich glaube, es wäre vernünftig, beide Daten anzu-
geben . Über diesen Punkt sollte man mit der Lebensmit-
telindustrie verhandeln, oder man müsste eine entspre-
chende Vorschrift erlassen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823602900

Vielen Dank . – Wir schließen jetzt diesen Teil der Re-

gierungsbefragung ab .

Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
binettssitzung? – Das ist nicht der Fall . Sonstige Fragen
an die Bundesregierung gibt es aber reichlich . Zunächst
erteile ich dem Kollegen Beck das Wort .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823603000

Vielen Dank . – Meine Frage berührt den Geschäfts-

bereich des Bundesministers des Innern . Herr Lothar
de Maizière war letztes Jahr in Kairo und hat dort den
Großscheich Ahmad al-Tayyib besucht . Diesen hat er
jetzt auf dem Kirchentag erneut getroffen. Er wurde dort
als großer Friedensvisionär und moderater Muslim gefei-
ert . Ich möchte wissen, ob der Bundesregierung bekannt
ist und wenn ja, warum es nicht Gesprächsthema wurde,
dass Herr al-Tayyib hinsichtlich Israel fragt: „Wenn man
die religiöse Decke abnimmt, welche Berechtigung hätte
denn Israel in dieser Region?“, und damit die Existenz
dieses Staates infrage stellt . In 2002 soll er gesagt haben,
dass Selbstmordattentate in Israel zu 100 Prozent isla-
misch seien .

Warum geht man bei einer öffentlichen Veranstaltung
nicht kritisch damit um? Ich finde, ein Dialog mit dem
Islam ist richtig, aber Dialog heißt auch, dass man solche
Äußerungen benennt und zurückweist . Durch das Ver-
schweigen solcher Probleme schafft man schließlich nur
falsche Vorbilder; denn er hat jetzt nach diesem Auftritt
sozusagen das Prüfsiegel des Bundesinnenministeriums
und der Bundesregierung . Ich möchte wissen, wie Sie
das wieder geraderücken wollen .

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823603100


Darf ich?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823603200

Ja, klar . Bitte schön . Es besteht sogar eine gewisse

Erwartung, dass eine Antwort auf die Frage erteilt wird .

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823603300


Die Erwartung enttäusche ich ungern, insbesondere
nicht diejenige des Bundestagspräsidenten .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823603400

Das wollen wir einmal festhalten .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823603500


Herr Kollege Beck, ich gehe davon aus, dass Sie nicht
Lothar de Maizière meinten, den letzten Ministerpräsi-
denten der DDR, auch wenn Sie ihn eben genannt haben .
Sie meinten bestimmt Thomas de Maizière . Aufgrund
dieses Versprechers hatte ich gezögert und mich gefragt,
ob mein Haus wirklich zuständig ist, diese Frage zu be-
antworten . Aber das setze ich jetzt einfach voraus .

In der Tat hat Thomas de Maizière auf dem Kirchen-
tag an einer Diskussionsrunde, die ich selbst leider nicht
besuchen konnte, teilgenommen . Sie war Teil des Dia-
logs, der dort – ich finde, vollkommen zu Recht; da sind
wir uns wahrscheinlich einig – zwischen Christen und
Muslimen, zwischen dem deutschen Staat und muslimi-
schen Vertretern gepflegt worden ist. Allerdings kann ich
mitnichten sehen, dass man hierdurch einer Person, auch

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


wenn sie in der islamischen Lehre noch so hochgestellt
ist und vielleicht eine der höchsten islamischen Lehrauto-
ritäten ist, ein Gütesiegel oder Ähnliches erteilt . Auf dem
Kirchentag gab es viele Diskussionsrunden, bei denen
Vertreter unterschiedlicher Parteien, auch Ihrer Partei,
mit anderen diskutiert haben . Wenn man dies jedes Mal
als eine Art Gütesiegel interpretieren würde, dann könnte
man wahrscheinlich viele Diskussionen nicht mehr füh-
ren oder müsste sich gut überlegen, ob man teilnimmt .


(Zuruf des Abg . Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Dialog ist wichtig, und er hat stattgefunden . Das
Zitat, das Sie genannt haben und das offenbar aus dem
Jahr 2002 ist, bezieht sich, soweit mir bekannt ist, auf
einen Artikel in der New York Times, den dann das AJC
übernommen hat . Wie belastbar dieses Zitat ist, kann ich
Ihnen hier wirklich nicht sagen .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber warum spricht man das bei so einer Gelegenheit nicht an?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823603600

Frau Leidig .


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823603700

Vielen Dank . – Ich möchte die Gelegenheit nutzen,

noch eine Frage an Frau Ministerin Hendricks zu rich-
ten . Hierbei geht es um das Luftverkehrskonzept, das
wir heute im Verkehrsausschuss andiskutiert haben . Die
Zuständigen der Bundesregierung haben deutlich formu-
liert, dass das Ziel dieses Konzeptes ist, den Luftverkehr
zu steigern, also mehr Flugverkehr in Deutschland zu
organisieren, auch um im internationalen Wettbewerb
mehr Anteile zu gewinnen . Das ist eine Strategie, die den
Klimaschutzzielen deutlich im Wege steht . Sie entspricht
auch nicht den Zielen und Verabredungen, über die in
den Ländern diskutiert worden ist, und auch nicht den
Vorstellungen der Posch-Kommission, die angeregt hat,
sich auch mit Fragen des Lärmschutzes usw . intensiver
zu beschäftigen . Mich würde interessieren, ob Sie bei der
Erstellung dieses Konzeptes involviert sind, ob Sie eine
Meinung dazu haben und wie Sie Ihre Position einbrin-
gen werden .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Das Luftverkehrskonzept dient nach der Aussage des
Bundesverkehrsministeriums der Steigerung der Wettbe-
werbsfähigkeit des Luftverkehrs . Das Luftverkehrskon-
zept des Bundesverkehrsministeriums ist nicht mit uns
abgestimmt worden . Dies habe ich bereits bedauert .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine tolle Bundesregierung hier! Sie wissen ja genauso wenig wie wir!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823603800

Kollege Ebner .


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823603900

Ich wollte Frau Ministerin Hendricks noch etwas fra-

gen . Frau Ministerin, Sie haben sich ja in Sachen Gly-
phosat engagiert und gesagt, dass man diesen Stoff nicht
zulassen kann . Gestern war in einem BR-Beitrag zu hö-
ren, dass Sie einer Zulassung wohl mit strengen Anwen-
dungsbestimmungen zustimmen .

Professor Christopher Portier, ehemaliger Direktor
des National Institute of Environmental Health Sciences
der USA, hat aber die ganzen Rohdaten und Original-
studienberichte analysiert und dabei festgestellt, dass nur
20 Prozent aller Krebseffekte in Betracht gezogen wur-
den, dass bei der Bewertung durch die EFSA und ECHA
acht signifikante Krebseffekte komplett übersehen wur-
den und dass sich wesentliche Hinweise auf die krebser-
regende Wirkung von Glyphosat in den offiziellen euro-
päischen Bewertungen in keiner Weise widerspiegeln .
Deshalb meine Frage an Sie: Welche Konsequenzen zie-
hen Sie, zieht die Bundesregierung aus diesen neuen Er-
kenntnissen? Wie werden Sie die Analyse von Professor
Portier bei der Abstimmung über die Wiederzulassung
berücksichtigen, oder bleiben Sie bei den lediglich stren-
gen Anwendungsbestimmungen?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Herr Kollege, ich habe meine Entscheidung noch
nicht endgültig gefällt . Die Berichterstattung darüber ist
insofern nicht zutreffend.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823604000

Kollege Movassat .


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823604100

Danke, Herr Präsident . – Meine Frage richtet sich

an das Auswärtige Amt . Es gab ja heute in Afghanis-
tan einen schrecklichen Anschlag, bei dem mindestens
80 Menschen gestorben sind, und es gab über 350 Ver-
letzte . Die Bundesregierung hat richtigerweise von ei-
ner niederträchtigen Tat gesprochen . Meine Frage zielt
darauf, welche Konsequenz das für die Bewertung der
Sicherheitslage in Afghanistan hat . Die Bundesregierung
hat ja immer die Auffassung vertreten, dass es in Afgha-
nistan sichere Gebiete gibt . Dazu wurden auch Teile Ka-
buls gezählt . Der Anschlag fand in Kabul statt . Von daher
meine Frage an das Auswärtige Amt, ob dieser Anschlag,
der ja nun zeigt, dass selbst bestens gesicherte Viertel in
Afghanistan Ziel von Anschlägen werden können, für Sie
Anlass sein wird, die Einstufung der Sicherheitslage zu
überprüfen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823604200

Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823604300

Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Kollege Movassat,

das sind bestürzende Nachrichten, die wir heute aus Ka-
bul übermittelt bekommen haben . Wir sind angesichts
dieses furchtbaren Anschlages fassungslos, bei dem in
der Tat ungefähr 80 Menschen ums Leben gekommen

Parl. Staatssekretär Dr. Günter Krings






(A) (C)



(B) (D)


sind und es etwa 300 Verletzte gegeben hat . Ich muss
Ihnen aber in einem Punkt widersprechen: Die Bundes-
regierung und auch das Auswärtige Amt haben die Si-
cherheitslage in Afghanistan niemals als generell sicher
eingestuft, ganz im Gegenteil . Die Gefährdungslage
bleibt in hohem Maße volatil und hat sich natürlich durch
diesen verheerenden Terroranschlag mitnichten verbes-
sert . Das Gegenteil ist der Fall . Wir werden natürlich im
Lichte von solch furchtbaren barbarischen Ereignissen
die Sicherheitslage immer wieder überprüfen .

Einen konkreten Hinweis möchte ich im Rahmen die-
ser Regierungsbefragung noch mitgeben: Der Bundesin-
nenminister hat heute Morgen vor dem Hintergrund des
Anschlages entschieden, die zentrale Rückführung nach
Kabul, die heute erfolgen sollte, auszusetzen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1823604400

Kollege Ströbele .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Frage betrifft das gleiche Thema. Das drängt
sich ja auf . Ich gehe davon aus, dass sich die Bundes-
regierung in der heutigen Sitzung mit diesem grauen-
haften Anschlag beschäftigt hat . Kabul ist der Ort, der
immer wieder als relativ sicher bezeichnet worden ist .
Ich war selber mehrfach in Kabul und kenne die Gegend
in der Nähe der deutschen Botschaft, wo jetzt der An-
schlag stattgefunden hat . Die deutsche Botschaft soll ja
auch erheblich betroffen sein. Sie ist durch meterdicke
Betonmauern gesichert . Trotzdem sind dort Scheiben ka-
puttgegangen und offenbar auch Menschen zu Schaden
gekommen; es gab wahrscheinlich einen Toten und meh-
rere Verletzte .

Will die Bundesregierung nach diesem Ereignis –
nachdem es im eigentlich sichersten Bereich in Kabul,
in dem Bereich, in dem sich auch die Abgeordneten
aufhalten sollen, weil es dort relativ sicher ist, zu einem
Anschlag gekommen ist – nicht doch ihre Auffassung im
Hinblick auf sichere Bereiche in Afghanistan überprüfen
und sagen: „In Afghanistan ist es nirgendwo mehr sicher,
schon gar nicht in Kabul“?

Ich bin dankbar, dass Sie, Herr Staatsminister, ange-
sprochen haben, dass die für heute geplante Abschiebung
nach Kabul gestoppt worden ist und dass es sich hierbei
nicht um einen einmaligen Stopp handelt, sondern dass
zunächst einmal alle Abschiebungen nach Afghanistan
gestoppt werden und die Lage dort völlig neu beurteilt
werden muss .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823604500

Kollege Ströbele, ich bitte darum, jetzt das Fragezei-

chen zu setzen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, nur noch diesen Satz . – Mir stellt sich die Fra-
ge: Was muss in Afghanistan noch passieren, damit die

Bundesregierung zu einer realistischen Gefährdungsein-
schätzung kommt?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823604600

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, der Anschlag ist

in unmittelbarer Nähe der deutschen Botschaft in Kabul
verübt worden . Ich habe noch keine detaillierten Infor-
mationen . Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass
die Zahlen, die ich nenne, und die Aussagen, die ich tref-
fe, unter einem gewissen Vorbehalt stehen . Ich habe ja
eben auch Zahlen genannt: 80 Tote, circa 300 Verletzte .
Das Botschaftsgebäude selbst ist sehr schwer beschädigt
worden . Unsere Kolleginnen und Kollegen, die in Kabul
im Einsatz sind, und auch die Kräfte vor Ort sind in Si-
cherheit . Es gibt aber eine Verletzte, die zum Team der
deutschen Botschaft gehört .

Entgegen anderslautenden Diskussionen in der Öffent-
lichkeit gibt es keine pauschal als sicher zu bewertenden
Regionen in Afghanistan . Bei jeder Rückführung wird
jeweils die individuelle Situation der betreffenden Per-
son überprüft . In der Tat ist es so, Herr Kollege Ströbele,
dass die Lage in Kabul bislang als relativ sicher einge-
stuft wurde . Aber auch dies muss immer in Anbetracht
der individuellen Situation geschehen .

Lassen Sie mich das an einem Beispiel belegen . Wenn
jemand als Paschtune nach Kabul zurückkehrt, galt und
gilt das bislang als relativ sicher . Wenn aber jemand als
zum Christentum konvertierter Afghane nach Kabul
kommt, ist die Lage differenzierter zu bewerten. Das
macht deutlich, dass ich hier keine pauschalen Antwor-
ten zu geben vermag, sondern nur im Hinblick auf den
jeweils individuellen Fall eine Bewertung vornehmen
kann .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823604700

Ich lasse die zwei noch angemeldeten Fragen zu, bitte

aber die Fragesteller und die Antwortenden, sich kurz-
zufassen .

Die Kollegin Haßelmann hat das Wort .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823604800

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Auch ich möchte auf

die Sicherheitslage und die Sicherheitseinschätzung in
Afghanistan zu sprechen kommen . Herr Roth, erst ein-
mal danke für Ihre Ausführungen . Sie können einen aber
nicht zufriedenstellen; denn die Bundesregierung hat uns
monatelang erklärt, dass es in Afghanistan sichere und
nicht sichere Regionen gibt und dass man deshalb nach
Afghanistan abschieben kann . Wir können gerne heraus-
arbeiten, was für Antworten die Bundesregierung uns
dazu gegeben hat .

Zu der Aussage, dass man sich jeden Fall einzeln an-
sieht und dabei die spezifische Herkunftssituation be-
rücksichtigt, muss ich sagen: So ist es doch nicht . Das
weiß jeder, der sich damit befasst . Meine Frage ist: Wie
lange wollen Sie uns eigentlich noch mit der Aussage
hinhalten, dass Sie die Sicherheitslage neu einschätzen
und überprüfen? Das hören wir als Parlament seit dem
Anschlag auf Masar-i-Scharif vor über drei Wochen . Die

Staatsminister Michael Roth






(A) (C)



(B) (D)


Dramatik potenziert sich durch den aktuellen Anschlag
natürlich .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823604900

Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823605000

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Kollegin

Haßelmann, die Sicherheitslage wird natürlich gene-
rell im Lichte aktueller Entwicklungen überprüft; dazu
sind wir schlicht verpflichtet. Aber die Lage ändert sich.
Sie ist in Afghanistan – darauf habe ich bereits hinge-
wiesen – als in höchstem Maße volatil einzustufen . Ich
verwahre mich aber gegen den Vorwurf, dass es in den
vergangenen Monaten oder auch Jahren zu pauschalen
Rückführungen gekommen ist . Die relativ geringe Zahl
von Rückführungen macht deutlich, dass es jeweils
zu einer individuellen Überprüfung der Situation der
Menschen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus in
Deutschland haben und in ihr Heimatland zurückgeführt
werden, kommt . Das macht ja nicht die Bundesregierung
im Auftrag der Bundesländer . Vielmehr sind für die ein-
zelnen Überprüfungen in Deutschland die Bundesländer
zuständig, und sie müssen ihrer Verantwortung auch ge-
recht werden .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wann wollen Sie die Sicherheitslage neu einschätzen?)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823605100

Die nächste Frage stellt der Kollege Beck .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823605200

Gleiches Thema, anderes Ressort: In der letzten Wo-

che gab es im Auswärtigen Amt eine Konferenz zur Frie-
densverantwortung der Religionen. Ich finde, das ist ein
wichtiger Ansatz . Dort waren auch äußerst problemati-
sche Gäste zugegen. Auch das finde ich grundsätzlich
erst einmal richtig, weil in den Dialog auch die mit ein-
bezogen werden müssen, bei denen wir noch Überzeu-
gungsarbeit leisten müssen . Trotzdem möchte ich ger-
ne wissen, warum weder beim Einführungsvortrag von
Herrn Gabriel noch beim Einführungspanel diese Proble-
matik thematisiert wurde und in welcher Form die Positi-
onen dieser Leute in der Veranstaltung klar und deutlich
benannt und zurückgewiesen wurden .

Ich beziehe mich hier zum einen auf den Vertreter des
IZH, das vom Landesamt für Verfassungsschutz beob-
achtet wird, Herrn Hamid Reza Torabi, der in der Ver-
gangenheit zu den Teilnehmern und Organisatoren der
Berliner Al-Quds-Demonstrationen gehörte, einer anti-
israelischen und auf die Vernichtung Israels ausgerich-
teten Veranstaltung, und zum anderen auf Herrn Seyed
Abdolhassan aus Ghom, der dort an einer islamistischen
Kaderschmiede lehrt . Ich könnte Ihnen jetzt die Äuße-
rungen dieser Akademie und dieser Person zur Homose-
xualität, zur Außenpolitik usw . vortragen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823605300

Das wird jetzt nicht mehr gelingen .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823605400

Das will ich nicht tun . Ich möchte aber wissen, wie

deutlich gemacht wurde, dass wir zwar einen Dialog mit
ihnen führen, dass unser Standpunkt aber die Zurückwei-
sung ihrer Positionen ist. Im öffentlichen Panel war das
nämlich nicht vernehmbar .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823605500

Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823605600

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Kollege Beck,

zunächst einmal freue ich mich sehr darüber, dass Sie die
Bemühungen des Auswärtigen Amtes, einen Beitrag zum
interreligiösen Dialog zu leisten, anerkennen . Genau das
war das Ziel dieser Konferenz . Ich selbst habe das Ab-
schlusspanel geleitet . Wir haben den dort Anwesenden
zugehört und dann einen entsprechenden Auftrag für die
Zukunft erarbeitet .

Ich bin sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist,
über 100 Repräsentantinnen und Repräsentanten der un-
terschiedlichen Religionsgemeinschaften und Kirchen
zusammenzubringen . Es handelte sich hierbei insbeson-
dere um Repräsentantinnen und Repräsentanten des Is-
lams, des Judentums und des Christentums, aber auch an-
derer Religionen . Wir haben uns dort weniger als Richter
aufgespielt, sondern vor allem den interreligiösen Dialog
befördern wollen . Dabei ging es um die ganz zentrale
Frage: Welchen Beitrag können und müssen Religions-
gemeinschaften leisten, um dem Frieden in der Welt zu
dienen? Dieser Dialog ist von den Teilnehmenden in ho-
hem Maße begrüßt worden .

Sie haben von Herrn Torabi gesprochen . Er ist in der
Tat als einer von 1 000 Gästen eingeladen worden, hat
aber an der Konferenz nicht teilgenommen . Wir haben
Herrn Torabi deshalb eingeladen, weil wir nicht nur
sunnitische Vertreterinnen und Vertreter des Islams in
Deutschland einladen wollten . Herr Torabi ist einer der
wichtigen – durchaus auch umstrittenen – Repräsentan-
ten des schiitischen Teils des Islams in Deutschland . Herr
Kollege Beck, ich darf Ihnen noch einmal versichern,
dass wir uns als Bundesregierung und erst recht als Aus-
wärtiges Amt nicht irgendwelche antisemitischen oder
dem Frieden nicht dienlichen Aussagen von einzelnen
Teilnehmenden zu eigen machen, ganz im Gegenteil . Es
war eine Einladung zum Dialog, und dieser Einladung
zum Dialog haben viele Folge geleistet, aber nicht Herr
Torabi .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823605700

Danke, Herr Staatsminister . – Ich beende die Regie-

rungsbefragung .

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4:

Fragestunde

Drucksache 18/12501

Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich
darauf verständigt, dass der folgende Tagesordnungs-

Britta Haßelmann






(A) (C)



(B) (D)


punkt 8 um 14 .30 Uhr aufgerufen werden soll . Die Fra-
gestunde verkürzt sich entsprechend .

Ich rufe nun die mündlichen Fragen auf Drucksa-
che 18/12501 in der üblichen Reihenfolge auf .

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung . Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
zur Verfügung .

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Movassat auf:
Inwiefern sind die Bundesregierung und die Deutsche In-

vestitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) darüber
informiert, dass bereits 2015 ein Plantagenarbeiter des kon-
golesischen Unternehmens Feronia an den Folgen der Folter
durch Sicherheitskräfte von Feronia ums Leben gekommen
sein soll, seine Frau wenig später bei Protesten gegen dieses
Vorgehen von der kongolesischen Polizei erschossen wor-
den sein soll sowie insgesamt in den Plantagengebieten von
Feronia sowohl durch die kongolesische Polizei als auch die
Sicherheitskräfte von Feronia ein repressives Verhalten ge-
genüber der Bevölkerung und den Plantagenarbeiterinnen und
Plantagenarbeitern an den Tag gelegt wird, wie ein Kommu-
niqué der kongolesischen NGO-Informationsplattform RIAO
vom 3 . Mai 2017 (RIAO-RDC N°002/EQ/2017), das mir
vorliegt, berichtet, und welche Konsequenzen ziehen Bun-
desregierung und DEG aus diesen Berichten für die weitere
Finanzierung von Feronia bzw . dessen Tochterunternehmen
Plantations et Huileries du Congo (PHC)?

Bitte, Herr Staatssekretär .

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1823605800


Der Bundesregierung und dem Finanzierungskonsorti-
um, dem auch die DEG angehört, ist durch die angespro-
chene Berichterstattung im Kommuniqué das Folgende
bekannt: Im Jahr 2015 kam ein Ehepaar aus Boteka ums
Leben . Dabei handelt es sich um einen Vorgang zwischen
der lokalen Polizei und dem Ehepaar aufgrund eines
Konflikts zwischen den Ehepartnern. Das Unternehmen
Feronia war daran nicht beteiligt . Der Mann war als Gärt-
ner bei dem Unternehmen unter Vertrag .

Die Bundesregierung und die DEG bedauern diesen
Vorgang sehr . Dem darüber hinausgehenden Vorwurf
eines repressiven Verhaltens ist die DEG nach Kenntnis
der Bundesregierung nachgegangen . Belege oder kon-
krete Ansatzpunkte liegen uns nicht vor .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823605900

Danke . – Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823606000

Danke schön, Frau Präsidentin . – Herr Staatssekre-

tär, hierzu gibt es unterschiedliche Informationen . Sie
haben offenbar eine andere Information als die, die mir
vorliegt . Die mir vorliegende Information ist, dass der
Plantagenarbeiter durch Folterung der Sicherheitskräfte
des Unternehmens Feronia umgebracht wurde und sei-
ne Frau durch kongolesische Sicherheitskräfte erschos-
sen worden ist, nachdem sie gegen die Ermordung ihres
Mannes protestiert hatte .

Das sind zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen . Ich
würde mir schon wünschen, dass die Bundesregierung
diesem Fall intensiver nachgeht; denn das ist schon ein
sehr schwerwiegender Vorwurf . Wenn Ihre DEG die Fir-
ma Feronia im Kongo finanziert und diese Plantagenar-
beiter umbringt, dann ist das, wenn das stimmen sollte,
ein handfester Skandal . Deshalb ist meine Frage: Welche
Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das aufzuklären?
Werden Sie es bei dem belassen, was Ihnen jetzt bekannt
ist, oder werden Sie weitere Maßnahmen ergreifen, zum
Beispiel den kongolesischen Staat unterstützen oder auf-
fordern, die Sache juristisch intensiv zu verfolgen?

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1823606100


Ich darf hier noch einmal betonen, dass wir allen kon-
kreten Hinweisen und Ansatzpunkten über die DEG bzw .
die anderen Finanziers des Konsortiums nachgehen, und
zwar schon aus Reputationsgründen . Wir legen Wert da-
rauf, dass solche Dinge aufgeklärt werden, auch wenn
in diesem Fall der Vorwurf, der hier vorgetragen wurde,
möglicherweise nicht zutrifft. Es geht auch darum, dass
deutsche Firmen, die am Konsortium beteiligt sind, oder
hier die DEG daran interessiert sind, in solche Dinge
nicht hineingezogen zu werden .

Ich darf Ihnen sagen: Die DEG steht im engen Aus-
tausch mit Feronia . Das Unternehmen zeigt sich sehr ko-
operativ bei der Aufklärung. Aus dem Kommuniqué geht
kein Fehlverhalten eines Feronia-Mitarbeiters hervor .
Vielmehr wird deutlich, dass die Sicherheitskräfte von
Feronia nicht an Folterung oder Erschießung beteiligt
gewesen sind . Das ist bereits sehr gründlich untersucht
worden . Ich bitte darum, das zur Kenntnis zu nehmen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823606200

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823606300

Herr Staatssekretär, wir werden das selbstverständlich

überprüfen . Ich nehme Ihre Worte mit . Wir werden se-
hen, was am Ende stimmt .

Unabhängig von dieser Fragestellung gibt es zum The-
ma Feronia noch andere Kritikpunkte, zum Beispiel, dass
Feronia das geltende Recht der Demokratischen Repu-
blik Kongo verletzt . Nach kongolesischem Recht ist die
Verpachtung großer Flächen an ausländische Unterneh-
men untersagt . Feronia schreibt in seinem Finanzbericht
ganz offen, dass es dieses Gesetz ignoriert. Daher frage
ich Sie: Wie können Sie über die DEG ein Unternehmen
finanzieren, das offenbar geltendes Recht der Demokrati-
schen Republik Kongo verletzt?

Zweitens . Wir wollten als Abgeordnete mit Vertretern
der DEG, der Bundesregierung und von NGOs ein Fach-
gespräch zu diesem Thema durchführen, finanziert von
der DEG . Das hatten Sie auch zugesagt, Herr Fuchtel; es
hat aber nicht stattgefunden . Mich würde interessieren,
woran es gescheitert ist; denn damit könnten wir auch
solche Fragen wesentlich besser klären .

Vizepräsidentin Petra Pau






(A) (C)



(B) (D)


Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1823606400


Das ist zunächst einmal an der Zeit gescheitert . Wir
sind bis jetzt noch nicht dazu gekommen .

Was das Zweite angeht, das hier im Raum steht, müs-
sen die Zuhörerinnen und Zuhörer Folgendes wissen: Die
DEG ist der private Zweig der KfW. Sie finanziert Firmen
im Ausland und trägt dazu bei, Arbeitsplätze zu schaffen.
Hier ging es darum, dass im Jahr 2015 9 000 Arbeitsplät-
ze zur Disposition standen . Die DEG ist gemeinsam mit
anderen bzw . mit einem Konsortium in die Finanzierung
hineingegangen, um diese Arbeitsplätze zu erhalten .

Wir haben heute Diskussionen der Qualität, wie sie
gerade vorgetragen wurde, was wir als Demokraten na-
türlich akzeptieren . Aber wir möchten auch darauf hin-
weisen, dass es für manche politischen Kräfte, die in sol-
chen Diskussionen mitwirken, offensichtlich erst dann
interessant wurde, als sich die DEG aus Deutschland an
der Finanzierung beteiligt hat . Wir haben das nicht ge-
macht, um Ärger zu haben,


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Wollen Sie die Frage beantworten? Das wäre ganz nett!)


sondern wir haben es gemacht, um die Arbeitsplätze von
9 000 Menschen zu sichern .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist nicht die Frage!)


Wenn wir darüber reden, dass wir nicht noch mehr
Flüchtlinge und andere aufnehmen möchten, dann ist es
auch eine große Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass es
Arbeitsplätze vor Ort gibt . Wir mussten dieses Signal set-
zen, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen
vor Ort Arbeit und Perspektiven haben .

Die anderen Fragen können wir gerne in anderen Dia-
logen noch einmal erörtern .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Aber Sie haben jetzt nichts zum Land Grabbing gesagt! Das war die Frage! Sie haben nicht die Frage beantwortet!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823606500

Wir sind aber im Moment tatsächlich in der Frage-

stunde und treten nicht in den Dialog . Ich weiß, das ist
manchmal schwer abgrenzbar .

Die Frage 2 des Kollegen Uwe Kekeritz soll schrift-
lich beantwortet werden . – Herzlichen Dank, Herr Staats-
sekretär .

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amts . Zur Beantwortung der Fragen steht der
Staatsminister Michael Roth zur Verfügung . Die Frage 3
der Kollegin Inge Höger soll schriftlich beantwortet wer-
den .

Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Dr . Franziska
Brantner auf:

Welche konkreten Bemühungen hat die Bundesregierung
bisher „in bilateralen Gesprächen sowie im Rahmen multilate-
raler Foren“ unternommen, um – wie in ihrer Antwort auf mei-

ne schriftliche Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/12441
angekündigt – den VN-Beweissicherungsmechanismus IIIM

(bitte detailliert auflisten)

erfolgreich abgeschlossen sein (bitte Zeitrahmen angeben)?

Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823606600

Frau Präsidentin, vielen Dank . Ich danke Ihnen auch,

dass Sie diesen komplizierten Namen einer wichtigen In-
stitution schon vorgetragen haben . Dann erspare ich mir
das . Wir haben uns im internationalen Rahmen darauf
verständigt, von IIIM zu sprechen .

Da die Abgeordnete Brantner zwei Fragen zu demsel-
ben Sachverhalt gestellt hat – die zweite Frage bezieht
sich auf die finanzielle Dimension –, würde ich jetzt in
der Beantwortung der ersten Frage konkrete finanzielle
Aspekte außen vor lassen . Ich will das nur deshalb jetzt
an den Anfang stellen, damit die Kolleginnen und Kolle-
gen nicht irritiert sind, dass ich mich noch nicht zu kon-
kreten Summen äußere .

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat
diesen Mechanismus am 21 . Dezember 2016 eingerich-
tet . Der IIIM soll Beweise für schwerste Kriegsverbre-
chen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in
Syrien seit März 2011 begangen worden sind, sammeln,
konsolidieren, aufbereiten und analysieren, und es sollen
erste Ermittlungsakten vorbereitet werden, die eine un-
abhängige Strafverfolgung durch nationale und interna-
tionale Tribunale oder Gerichtshöfe unterstützen sollen .

Die Bundesregierung hat die Bemühungen, den inter-
nationalen IIIM auf eine breite finanzielle, aber auch po-
litische Basis zu stellen, auf ganz verschiedenen Ebenen
unterstützt . Insbesondere nutzt die Bundesregierung die
multilateralen Gremien und Sitzungen, um andere Staa-
ten zu ermuntern, sich ebenso zu engagieren .

Ich will nur einige wenige Beispiele nennen, Frau Kolle-
gin Brantner . Am 15 . Mai dieses Jahres hat Deutschland
in New York in der offenen Debatte des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen zum Thema „Sexuelle Gewalt
in bewaffneten Konflikten“ verstärkte Bemühungen zur
Abkehr von einer Kultur der Straflosigkeit gefordert und
in diesem Zusammenhang auf unsere politische und fi-
nanzielle Unterstützung des IIIM hingewiesen . Des Wei-
teren weise ich noch einmal auf das Jahrestreffen der
sogenannten Focal Points hin, bei dem es um die Schutz-
verantwortung geht: „Responsibility to protect“, Sie alle
kennen dieses Prinzip. Dieses Treffen fand am 24. und
25 . April 2017 in Doha, Katar, statt . Auch dort haben wir
die vertretenen Staaten aufgefordert, einen substanziel-
len, finanziellen und politischen Beitrag zur Unterstüt-
zung des IIIM zu leisten .

Natürlich haben wir uns auch auf der EU-Ebene in
den entsprechenden Ratsarbeitsgruppen dafür eingesetzt,
dass möglichst viele Staaten freiwillige Beiträge zusa-
gen . Wir werden dazu am 1 . Juni in der Ratsarbeitsgrup-
pe „Völkerrecht“ einen weiteren Meinungsaustausch
haben. Die Frage der Rechenschaftspflicht bezüglich
Syrien ist in politischen Gesprächen immer wieder Ge-






(A) (C)



(B) (D)


genstand . Hierbei spielt natürlich auch die Einrichtung
und die Unterstützung des IIIM eine ganz wichtige Rolle .

Auch auf nationaler Ebene werben wir bei nationalen
Akteuren, zum Beispiel bei der Strafjustiz und bei Nicht-
regierungsorganisationen, für eine aktive Unterstützung
des neuen Mechanismus, gerade auch im Rahmen der
Zusammenarbeit und des Wissensaustauschs .

Darüber hinaus steht die Bundesregierung in einem
regelmäßigen Dialog mit dem Hochkommissar für Men-
schenrechte. Auch hier drängen wir darauf, die finanziel-
le und politische Unterstützung des IIIM auf eine breitere
Basis zu stellen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823606700

Danke, Herr Staatsminister . – Ich mache uns alle da-

rauf aufmerksam, dass wir für dieses Format die Verab-
redung haben, dass die erste Antwort auf zwei Minuten
und die folgenden Fragen und Antworten dann jeweils
auf eine Minute beschränkt sein sollen . Ich sage das auch
im Interesse der nachfolgenden Kolleginnen und Kolle-
gen, damit wir bis 14 .30 Uhr noch möglichst viele der
eingereichten Fragen beantworten können .

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Frau Präsidentin . – Ich habe natürlich noch
eine Nachfrage . Sie haben in Ihrer ursprünglichen Ant-
wort an mich geschrieben, Sie hätten auch bilaterale Ver-
suche zur Unterstützung gestartet . Jetzt haben Sie lauter
multilaterale Versuche erwähnt . Können Sie bitte auch
präzise einzelne bilaterale Gespräche nennen, mit wel-
chen Ländern Sie in welchen Momenten Gespräche ge-
führt haben, um finanzielle und politische Unterstützung
zu gewinnen?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823606800

Ich habe natürlich insbesondere die multilateralen Be-

mühungen hervorgehoben, gleichzeitig aber auch auf die
Ratsarbeitsgruppe des Ministerrates der Europäischen
Union hingewiesen. In diesen Zusammenhängen finden
natürlich immer auch noch einmal bilaterale Gespräche
statt . Da muss noch Überzeugungsarbeit geleistet wer-
den . Ich kann gerne im Nachgang konkret die Staaten
benennen, mit denen wir am Rande auch informelle Ge-
spräche geführt haben .

Es ist aber, glaube ich, auch wichtig, auf multilateraler
Ebene die Akzeptanz für diesen wichtigen Mechanismus
zu erhöhen . Deswegen fokussieren wir uns ganz stark da-
rauf .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823606900

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber am Ende kommt das Geld natürlich jeweils von
den individuellen Mitgliedsländern . Von daher macht es
schon Sinn, da auch bilateral nachzuhaken . Sie werden

uns die Liste schriftlich zur Verfügung stellen . Das ist
gut .

Sie haben ja in Bezug auf die politische Unterstützung
gesagt, dass Sie darauf warten, dass noch mehr Länder
mitmachen . Von daher meine Frage: Ist es für Sie po-
litisch wichtiger, dass vielleicht noch ein weiteres Land
hinzukommt oder dass mit dem Beweissammlungsme-
chanismus begonnen werden kann, wohl wissend, dass
Beweise verloren gehen können und es zur Straffreiheit
kommen kann, wenn die Beweissammlung nicht recht-
zeitig stattfindet? Also noch einmal: Ist es für Sie wichti-
ger, dass ein Land mit dazukommt oder dass endlich mit
dem Sammeln von Beweisen angefangen wird?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823607000

Für uns spielt dieser Mechanismus eine ganz heraus-

gehobene Rolle . Ich würde ungerne das eine gegen das
andere ausspielen wollen . Beides ist wichtig . Ich kann
Ihnen nur – das insinuiert ja Ihre Frage – zustimmen:
Die Arbeit muss losgehen . Wir sollten da auch nicht wei-
ter zuwarten . Gleichzeitig macht es aber auch nur dann
politisch Sinn, wenn möglichst viele Staaten diesem
Mechanismus beitreten und ihn auch unterstützen . Nur
das erhöht die Glaubwürdigkeit dieses Mechanismus .
Nur das erhöht auch die Durchsetzungsfähigkeit dieses
Mechanismus . Deswegen würde ich das gerne parallel
verstanden wissen wollen und keine Priorisierung vor-
nehmen wollen, ob neue Staaten, die beitreten, wichtiger
sind, als sofort mit der Arbeit zu beginnen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823607100

Danke . – Dann kommen wir zu Frage 5 der Kollegin

Dr . Franziska Brantner:
Ist die Bundesregierung bereit, im Falle eines ausbleiben-

den Erfolgs ihrer Bemühungen den VN-Beweissicherungs-
mechanismus IIIM auf eine breite finanzielle und politische
Basis zu stellen bzw . die noch ausstehenden Mittel doch selber
beizusteuern, oder stellt sie sich auf den Standpunkt, dass das
„notwendige hohe Maß an Legitimität und Akzeptanz“ für den
IIIM nur erreicht werden kann, wenn möglichst viele weitere
Staaten, insbesondere aus der Region, zur Errichtung des IIIM

(siehe die Antwort auf meine schriftliche Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/12441)


Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823607200

Danke, Frau Präsidentin . – Jetzt geht es ans Einge-

machte, Frau Kollegin Brantner . Ich habe das eben etwas
abstrakter dargestellt . Nun muss ich mich aber beeilen,
um in zwei Minuten fertig zu werden .

Deutschland gehört gemeinsam mit den Niederlanden
und Finnland, die jeweils 1 Million Euro zur Verfügung
stellen, zu den drei größten Gebern . Die Bundesregie-
rung ist der Ansicht, dass dieser Mechanismus nur dann
als unabhängig, neutral und objektiv bestehen kann – ich
hatte das schon kurz erwähnt –, wenn seine Finanzierung
nicht nur von wenigen Staaten gewährleistet wird . Des-
wegen bemühen wir uns, weitere Staaten insbesondere
aus der betroffenen Region zu finanzieller und politi-
scher Unterstützung zu bewegen . So wollen wir diesen
Mechanismus auf eine noch breitere Basis stellen . Die-

Staatsminister Michael Roth






(A) (C)



(B) (D)


ses Anliegen teilt im Übrigen das Hochkommissariat der
Vereinten Nationen in Genf, das zusätzlich intensiv nach
weiteren Geldgebern sucht .

Uns wurden bislang von 25 Staaten freiwillige Bei-
träge in Höhe von 6,5 Millionen US-Dollar zugesichert .
Darüber hinaus gibt es eine Reihe mündlicher Zusagen .
Dann wären wir bei insgesamt 9 Millionen US-Dollar .
Für das Jahr 2017 sind erst einmal rund 4,5 Millionen
US-Dollar für die Arbeit veranschlagt worden . Das
heißt, die Basisfinanzierung ist gesichert. Bislang läuft
das Ganze auf der Basis von freiwilligen Beiträgen . Un-
ser Ziel ist, dass das Ganze irgendwann einmal in den
UN-Haushalt überführt wird .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823607300

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, dass die poli-
tische Unterstützung von allen garantiert werden muss .
Aber diese ist eigentlich gegeben; denn der Mechanis-
mus entstand durch die Verabschiedung einer Resolution
durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen .
Mehr politische Unterstützung, als dass alle Mitglieds-
länder in der Generalversammlung zustimmen, kann man
weltweit gar nicht bekommen . Sie haben des Weiteren
gesagt, dass wir Akteure aus der Region brauchen . Die
Türkei und Katar sind dabei . Katar hat nun eine zweite
Unterstützungstranche angekündigt und legt somit noch
einmal drauf . Will Deutschland nicht nachziehen und ge-
nauso wie Katar noch etwas drauflegen?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823607400

Frau Kollegin, an uns ist dezidiert nicht der Wunsch

herangetragen worden, die Mittel noch einmal zu erhö-
hen . Unter den Niederlanden, Finnland und Deutschland
herrscht große Zufriedenheit . Ich will meine Anregung
verstärken . Politische Unterstützung, die abstrakt geäu-
ßert wird, ist sicherlich wichtig . Aber noch wichtiger ist,
dass sich Staaten durch freiwillige Geldleistungen kon-
kret dazu bekennen, diesen so wichtigen Mechanismus
mit Leben zu füllen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823607500

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass für Sie nur Geld Ausdruck von Unterstützung ist,
ist etwas verwunderlich; denn viele Staaten dieser Welt
sind in wirtschaftlicher Hinsicht nicht so stark wie wir .
Die Europäische Union spricht ständig davon, dass es in
Syrien keine Straffreiheit geben darf, egal wer welche
Kriegsverbrechen begangen hat . Deswegen lautet meine
eindringliche Frage an Sie: Glauben Sie nicht, dass es
notwendig wäre, hier Gelder draufzulegen? Wir reden
nicht über große Millionenbeträge . Die infrage stehen-
den Beträge bereiten Herrn Finanzminister Schäuble si-
cherlich keine schlaflosen Nächte. Aber das Geld wäre

gut investiert . Wir haben schließlich eine gewisse Ver-
antwortung, wenn wir den Krieg schon nicht beenden
können . Warum sind Sie nicht bereit, eine halbe Million
draufzulegen?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823607600

Frau Kollegin Brantner, ich habe schon darauf hin-

gewiesen, dass bislang nicht der Wunsch an uns heran-
getragen wurde, die Mittel noch einmal aufzustocken .
Vielmehr werden wir vom Hochkommissariat in Genf
ausdrücklich in unserem Bemühen unterstützt, die Zahl
der Staaten, die sich nicht nur abstrakt, sondern auch
konkret finanziell für diesen Mechanismus einsetzen, zu
erhöhen. Wir wollen uns nicht aus der finanziellen Ver-
antwortung ziehen . Vielmehr geht es darum – das wis-
sen Sie vermutlich genauso gut wie ich –, dass die Neu-
tralität, die Objektivität und die Unabhängigkeit dieses
Mechanismus vor allem dann gewährleistet sind, wenn
sich ganz viele Mitgliedstaaten daran beteiligen . Wenn
wir bei einer relativ kleinen Zahl von derzeit 25 Staaten
bleiben, dann kann die Arbeit zwar begonnen werden .
Aber man darf nicht vergessen, dass dieser Mechanis-
mus zu schwerwiegenden Konsequenzen führen wird. Es
wird nicht jedem gefallen, was dieser Mechanismus an
den Tag bringt; denn das hat auch strafrechtliche Kon-
sequenzen, wenn es in Tribunale und in strafrechtliche
Verfahren überführt wird . Insofern ist es wichtig, dass
dieser Mechanismus von Anfang an eine hohe Legitimi-
tät besitzt .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823607700

Die Frage 6 des Kollegen Sarrazin soll schriftlich be-

antwortet werden .

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Andrej Hunko auf:

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung hinsicht-
lich der Reform des NATO-Programms „Partnerschaft für den
Frieden“, wonach die existierenden Partnerschaften mit insge-
samt 41 Ländern nicht mehr im Paket, sondern mit allen teil-
nehmenden Ländern einzeln vereinbart werden, was von der
Türkei genutzt wird, um Österreich für die Entscheidung zu
bestrafen, kein Kriegsmaterial oder keine Verteidigungsgüter
mehr an die Türkei zu liefern, was zur Folge hat, dass österrei-
chische Soldaten sich nicht mehr an NATO-Trainings beteiligen

(www .heute .at vom 24 . November 2016, „Österreich beschließt Waffenembargo gegen Türkei“; derStandard .at vom 23 . Mai 2017, „Türkei will Österreich in der NATO weiter blockieren“)

im Vorfeld oder auf den jüngsten NATO-Gipfeln hinsichtlich
der Reform positioniert?

Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823607800

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Kollege Hunko,

das wird jetzt ein bisschen komplizierter; ich bitte um
Verständnis . Die „Partnerschaft für den Frieden“ ist der
regionale, 22 euroatlantische Partner umfassende Rah-
men der Partnerschaftszusammenarbeit mit der NATO .
Dieses übergreifende Programm besteht seit 1994 . Ös-
terreich ist seit 1995 Teil dieser Gruppe . Daneben gibt es
weitere, geografisch anders zusammengesetzte Partner-
schaftsformate .

Staatsminister Michael Roth

http://www.heute.at
http://www.derStandard.at





(A) (C)



(B) (D)


Das Partnership Cooporation Menu, PCM, ist ein
allen Partnern im Grundsatz offenstehender Trainings-
kurskatalog, zu dessen Reform die NATO-Alliierten
vergangene Woche eine Einigung erzielt haben . Die Re-
form stellt den Trainingskurskatalog auf ein effektive res
Datenbankmanagement um . Darüber hinaus müssen die
NATO-Alliierten die Ablehnung der Teilnahme eines
Partners im Konsens, das heißt einstimmig, beschließen .
Vor der Reform, die jüngst beschlossen wurde, war es
genau andersherum: Die Teilnahme eines jeden Partners
musste im Konsens beschlossen werden . Voraussetzung
für die Teilnahme an Kursen im Rahmen des PCM ist
ein gültiges bilaterales Partnerschaftsprogramm zwi-
schen der NATO und dem jeweiligen Partner . Aus die-
sem Grund hat die NATO die Verlängerung aller Partner-
schaftsprogramme vorgezogen .

Über den Abschluss des Programms mit Österreich
konnte allerdings im Allianzkreis keine Einigung er-
zielt werden . Die Gespräche hierzu dauern noch an . Die
Bundesregierung setzt sich selbstverständlich dafür ein,
dass für die kommenden Jahre erneut ein solches Partner-
schaftsprogramm mit Österreich zustande kommt .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823607900

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608000

Vielen Dank, Herr Staatsminister Roth . – Das ist ein

ungeheuerlicher Vorgang, über den wir reden . Sie haben
es dargestellt: Es gibt die NATO, und es gibt „Partnership
for Peace“, so heißt das; das ist, wenn man so will, eine
NATO light oder ein weicheres Format um die NATO
herum . Erdogan ist es durch Druck gelungen, dass Ös-
terreich aus den „Partnership for Peace“-Programmen
ausgeschlossen wurde . Das ist ein Vorgang, der mir prä-
zedenzlos erscheint .

Wie auch immer man die Programme beurteilt, ich
finde es ein starkes Stück, dass das möglich ist und es
offenbar auch in Zukunft so bleiben wird, dass Öster-
reich ausgeschlossen ist . Ich habe mir gerade noch ein-
mal österreichische Medien angeschaut; dort ist das na-
türlich ein großes Thema . Ist es tatsächlich so und wird
die Bundesregierung das so hinnehmen, dass auf Druck
von Erdogan Österreich von den PfP-Programmen aus-
geschlossen bleibt?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608100

Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823608200

Herr Kollege Hunko, die NATO arbeitet nach dem

Konsensprinzip, das heißt, alle müssen mit an Bord
sein; es gibt keine Mehrheitsabstimmungen . Das ist lei-
der auch kein präzedenzloser Fall . In der jüngeren Ver-
gangenheit hat es schon zwei Fälle gegeben, bei denen
NATO-Partner zeitweise von Partnerschaftsaktivitäten
ausgeschlossen waren . Das gilt namentlich für Israel und
Ägypten; diese beiden Fälle kann ich konkret benennen .

Selbstverständlich führen wir weiterhin Gespräche .
Wir wollen uns mit diesem unbefriedigenden Zustand,
Herr Kollege, dezidiert nicht abfinden. Wir haben auch
gegenüber der türkischen Regierung klargemacht, dass
bestehende bilaterale Differenzen zwischen der Türkei
und Österreich doch bitte schön im direkten Gespräch
einvernehmlich gelöst werden sollen . Die Aktivitäten der
NATO zur Erreichung gemeinsamer Ziele dürfen durch
solche bilateralen Konflikte nicht belastet werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608300

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608400

Vielen Dank . – Ich vermute, bei Israel und Ägypten

ging es wahrscheinlich um Menschenrechtsverletzungen
in diesen Ländern . Das ist bei Österreich nun überhaupt
nicht der Fall .

Meines Wissens – das habe ich von österreichischen
Abgeordneten – ist der Grund für diesen Ausschluss aus
PfP faktisch durch die türkische Regierung die einstim-
mige Entscheidung des Nationalrats vom November letz-
ten Jahres, keine Waffen mehr in die Türkei zu liefern,
eine Entscheidung, die ich für sehr nachvollziehbar halte
und von der ich wünschte, dass sie auch von Deutschland
getroffen würde. Können Sie das aus Gesprächen bestä-
tigen? Man liest in deutschen Medien immer, es gehe um
die EU-Beitrittsverhandlungen . Direkt aus Österreich
habe ich gehört, dass die Isolationsstrategie der türki-
schen Regierung mit der einstimmigen Entscheidung des
Nationalrats eingesetzt hat, ein Waffenembargo gegen
die Türkei zu verhängen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608500

Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823608600

Herr Kollege Hunko, ich kann das so nicht bestätigen .

Ich möchte darüber auch nicht spekulieren . Ich könn-
te – aber dafür ist jetzt hier nicht die Zeit und nicht der
Raum – eine Reihe von Punkten benennen, die offenkun-
dig zu einem Beschwernis in den bilateralen Beziehun-
gen zwischen der Türkei und Österreich geführt haben .
Wir finden uns aber damit nicht ab – das ist der wichtige
Punkt –, weil die Bundesregierung natürlich auch ihrer
Verantwortung gerecht werden möchte, alles dafür zu
tun, dass bilaterale Konflikte eben nicht in die NATO hi-
neingetragen werden .

Deswegen möchte ich Sie gerne noch darüber infor-
mieren, dass wir mit Abschluss der Reform auch einen
Kommentarbrief an den internationalen Stab der NATO
initiiert haben, der von insgesamt 17 Nationen unter-
zeichnet wurde . Dieser Brief appelliert an die Werte und
an das Solidaritätsprinzip innerhalb der Allianz . Das ist
ein sehr deutliches Zeichen . Zur Erneuerung des bilatera-
len Programms dauern die Gespräche noch an . Ich bleibe
zuversichtlich, dass wir doch noch eine Lösung finden
werden, um zu dem notwendigen Konsens zurückzukeh-
ren, den wir dringend brauchen, damit auch Österreich
wieder Teil dieses Programms wird .

Staatsminister Michael Roth






(A) (C)



(B) (D)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608700

Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Hunko:

Welche Fälle sind der Bundesregierung aus den Jah-
ren 2016 und 2017 bekannt, in denen die libysche Küstenwa-
che gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstieß, nachdem
Geflüchtete unter anderem im Rahmen von Einsätzen, in de-
nen europäische Organisationen als „On-Scene-Koordinator“
einen Rettungseinsatz leiteten, zurück in libysche Gewässer
gebracht wurden, und was ist der Bundesregierung aus ihrer
Mitarbeit in der Frontex-Mission Triton, der Militärmission
EUNAVFOR MED oder aus der Aufklärung durch die NATO
und das US-Kommando AFRICOM über die Verantwortli-
chen für Schüsse auf Geflüchtete während eines Rettungs-
einsatzes der deutschen Organisation Jugend Rettet e . V . am
23 . Mai 2017 bekannt, die ebenfalls dazu führten, dass Boots-
insassen von unbekannten Uniformierten wieder nach Libyen
verschleppt wurden (http://gleft .de/1IR)?

Bitte, Herr Staatsminister .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823608800

Danke, Frau Präsidentin . – Herr Kollege Hunko, das

völkerrechtliche Zurückweisungsverbot, Non-Refoule-
ment-Prinzip, besagt, dass Staaten Flüchtlinge aus ande-
ren Ländern unter ganz bestimmten Bedingungen nicht
zurückweisen dürfen . Das völkerrechtliche Zurückwei-
sungsverbot ist aber nicht anwendbar auf die Situation,
um die es hier geht und die Sie in Ihrer Frage konkret
benannt haben . Wenn Personen auf einem libyschen
Schiff aus Libyen kommen und durch die libysche Küs-
tenwache aus Seenot gerettet und nach Libyen zurück-
gebracht werden, dann ist das keine Zurückweisung im
völkerrechtlichen Sinne . Zu dem angesprochenen Vor-
fall am 23 . Mai liegen der Bundesregierung keine über
die Presseberichterstattung hinausgehenden eigenen Er-
kenntnisse vor . Wir sind im Rahmen von EUNAVFOR
MED Operation Sophia präsent, aber der im Rahmen
dieser Mission eingesetzte deutsche Tender „Rhein“ be-
fand sich zum Zeitpunkt des Vorfalls mehrere Hundert
Kilometer entfernt .

Der Umgang mit Seenotrettungssituationen spielt
eine ganz große Rolle im Rahmen der Ausbildung durch
EUNAVFOR MED. So wurden im März 20 Offiziere
der libyschen Küstenwache als sogenannte Vor-Ort-Ko-
ordinatoren darin geschult, Seenotrettungseinsätze mit
mehreren beteiligten Seenotrettern als Verantwortliche
anzuleiten .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823608900

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823609000

Vielen Dank . – Herr Staatsminister, ich will auf mei-

nen letzten Punkt zuerst eingehen . Es geht um die uner-
träglichen Zustände bei der Überfahrt von Flüchtlingen
von Libyen aus und auch um die unerträglichen Vorgän-
ge, die zum Teil im libyschen Militär stattgefunden ha-
ben .

Sie sagen jetzt, dass EUNAVFOR MED, die Militär-
mission der EU, die auch von der Bundesregierung unter-
stützt wird, jetzt den libyschen Militärs Menschenrechte,
humanitäres Völkerrecht, internationales Seerecht, pro-
fessionelle Durchführung von Seerettungsmaßnahmen

beibringen soll . Da würde mich schon interessieren, ob
das tatsächlich der Fall ist; ich habe da meine Zweifel .
Kürzlich wurden drei libysche Schiffsbesatzungen von
EUNAVFOR MED ausgebildet . Dennoch haben Kapi-
täne und Besatzungsmitglieder vergangene Woche zwei-
mal die Waffe gezogen und Flüchtlinge bedroht, Boote
außerhalb der 24-Meilen-Zone zur Umkehr gezwungen .
Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung eva-
luiert, dass eine solche Ausbildung tatsächlich stattfindet
und funktioniert .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823609100

Herr Kollege Hunko, wir sind noch weit von den Ver-

hältnissen entfernt, die wir uns alle wünschen, dass beim
Küstenschutz die völkerrechtlichen Prinzipien strikt ein-
gehalten werden und dass vor allem auch den menschen-
rechtlichen Aspekten durchgängig Geltung verschafft
wird. Umso wichtiger ist für uns die qualifizierte Ausbil-
dung, die sich vor allem an den rechtsstaatlichen Fragen
bemisst und nicht nur rein technischer Natur ist .

Wir sehen natürlich mit großer Sorge, dass die Schleu-
ser, die kriminellen Banden, ihr gesamtes Geschäftsmo-
dell auf die unmittelbare Seenotrettung durch die ver-
schiedenen Akteure ausrichten . Viel zu viele Menschen
werden einer großen Gefahr für Leib und Leben ausge-
setzt, indem sie auf nicht seetaugliche Boote mit völlig
unzureichender Ausstattung verbracht werden . Damit
riskieren die Schleuser auf skrupellose Weise das Leben
von Tausenden von Menschen . Allein durch die Bundes-
wehr konnten 20 000 Menschenleben gerettet werden .
Die Seenotrettung ist ein Prinzip, dem wir alle verpflich-
tet sind . Aber genauso sind wir auch dem Prinzip ver-
pflichtet, alles dafür zu tun, dass dieses Geschäftsmodell
endgültig beendet wird . Da ist die Ausbildung im Rah-
men des Küstenschutzes für uns ein ganz wichtiger As-
pekt . Da stehen wir erst, Herr Kollege Hunko, am Anfang
unserer Bemühungen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823609200

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage, Herr

Hunko . – Ich mache darauf aufmerksam, dass wir für
die Fragestunde noch sieben Minuten Zeit zur Verfügung
haben . Ich bitte also um die entsprechende Kürze, damit
wir noch eine Frage aufrufen können .


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823609300

Vielen Dank . – Herr Roth, es ist ja nun einmal so – das

ist wahrscheinlich auch Ihnen bekannt –, dass sich zu-
mindest Teile der sogenannten Schleuser wiederum aus
den Militär- und Polizeikreisen in Libyen rekrutieren . Es
gibt also nicht eine sozusagen chinesische Mauer dazwi-
schen; das nur als Anmerkung .

Ich wollte noch einmal zum Non-Refoulement-Prin-
zip nachfragen, das Sie vorhin erwähnt haben . Libyen
ist dem Internationalen Übereinkommen von 1979 über
den Such- und Rettungsdienst auf See 1979 beigetreten,
kommt den Verpflichtungen aus diesem Abkommen aber
nicht nach . Das Land hat weder eine Seenotrettungsleit-
stelle benannt noch die Grenzen seiner Seenotrettungs-
zone bekannt gegeben; das wissen Sie . Deshalb werden

http://gleft.de/1IR





(A) (C)



(B) (D)


sämtliche Einsätze außerhalb der libyschen Hoheitsge-
wässer von der Seenotrettungsleitstelle in Italien koor-
diniert . Wenn die libysche Küstenwache von dort zur
Seenotrettung angewiesen wird, weil deren Schiff am
schnellsten zum Unfallort eilen kann, ist das aus mei-
ner Sicht eine europäische Rettungsmission . Wie sehen
Sie das? Sie haben vorhin mit dem Verweis „Das ist
eine libysche Angelegenheit“ gesagt: Das Non-Refoule-
ment-Prinzip greift nicht .


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1823609400

Ich habe deutlich gemacht, dass die Rückführung von

libyschen Staatsbürgern durch libysche Staatsinstitutio-
nen nicht dem Non-Refoulement-Prinzip unterliegt . Ihrer
Bewertung, dass Libyen zwar dem Internationalen Über-
einkommen von 1979 über den Such- und Rettungsdienst
auf See beigetreten ist, seinen Verpflichtungen jedoch
überhaupt nicht nachkommt, kann ich nur ausdrücklich
zustimmen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823609500

Danke, Herr Staatsminister . – Die Frage 9 der Kolle-

gin Jelpke soll schriftlich beantwortet werden .

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern . Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings zur
Verfügung .

Die Frage 10 der Kollegin Ulla Jelpke wird schriftlich
beantwortet .

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Volker Beck auf:
In wie vielen Fällen hat das Bundesamt für Migration und

Flüchtlinge in den Jahren 2016 und 2017 das Selbsteintritts-
recht gemäß der Dublin-Verordnung aus welchen Gründen

(bitte unter Angabe einzelner typisierender Fallgruppen nach Monaten aufschlüsseln)


Bitte, Herr Staatssekretär .

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823609600


Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Lieber Herr Kollege
Beck, wenn wir beide uns ganz doll zusammenreißen,
schaffen wir vielleicht auch beide Fragen von Ihnen.

Ich muss eine kurze Vorbemerkung zum Begriff des
Selbsteintrittsrechts machen . Eigentlich besteht – das
wissen Sie – in der übergroßen Mehrzahl aller Fälle
keine originäre deutsche Zuständigkeit im Rahmen des
EU-Asylsystems . Ich spreche nur von einem Selbstein-
trittsrecht im engeren Sinne, das heißt von denjenigen
Fällen, in denen die Zuständigkeit eines anderen Mit-
gliedstaates nicht nur objektiv begründbar wäre, sondern
in denen unsere Behörden diese auch nachweisen konn-
ten . Dann ergeben sich folgende Zahlen:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
BAMF, hat im Jahr 2016 in 39 741 Fällen und von Januar
bis April 2017 in 2 872 Fällen das Selbsteintrittsrecht,
wie ich es gerade definiert habe, gemäß Dublin-Verord-
nung ausgeübt .

Sie wollten es auch für die einzelnen Monate wissen .
Das ist im mündlichen Vortrag immer etwas schwierig;
ich sage es Ihnen dennoch ganz schnell: Auf die ein-
zelnen Monate des Jahres 2016 verteilen sich die Fälle
wie folgt: Januar: 2 295, Februar: 4 607, März: 5 483,
April: 4 732, Mai: 3 327, Juni: 3 603, Juli: 3 180, Au-
gust: 3 502, September: 4 252, Oktober: 2 473, Novem-
ber: 1 527, Dezember: 760 . Im Jahr 2017 hat das BAMF
im Monat Januar 660, im Februar 691, im März 933 und
im April 588 Selbsteintritte erfasst .

Das BAMF erfasst das Selbsteintrittsrecht statistisch
weder nach Gründen noch nach Fallgruppen; daher kön-
nen insoweit keine Angaben gemacht werden .

Ich habe mein Bestes getan, damit es schnell geht .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823609700

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823609800

Es hätte mir natürlich sehr weitergeholfen, wenn Sie

das auch bezogen auf Fallgruppen gehabt hätten . Ich ver-
stehe: Was Sie nicht haben, das haben Sie nicht . – Aber
ich will erläutern, vor welchem Hintergrund ich frage .

Mir wurde zugetragen, dass das BAMF früher in
manchen Härtefällen das Selbsteintrittsrecht ausge-
übt hat, dies aber seit Amtsantritt von Frau Cordt nicht
mehr macht . Insbesondere in Fällen von absoluter Risi-
koschwangerschaft oder in Fällen der Art „in Italien zur
Prostitution gezwungen“ wurde früher das Selbstein-
trittsrecht bejaht . – Jetzt soll das nicht mehr so sein . Wie
bewerten Sie das?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823609900


Frau Präsidentin! Herr Kollege, ich kann die Praxis
nicht bewerten, weil ich sie nicht kenne . Ich kann auch
nicht bestätigen, was Sie gesagt haben . Allerdings: Die
Zahlen, die ich genannt habe, sprechen für sich . Sie zei-
gen, dass wir in sehr vielen Fällen vom Selbsteintritts-
recht Gebrauch machen .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht aber runter!)


Wenn wir sozusagen noch mehr recherchieren würden,
würden wir noch weitere selbsteintrittsfähige Fälle fin-
den; ich habe dargelegt, dass nur die Fälle in der engen
Definition, die ich genannt habe, zugrunde liegen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823610000

Ihre zweite Nachfrage .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823610100

Was ist diesbezüglich die Weisungslage beim BAMF?

Hat sie sich seit Amtsantritt von Frau Cordt – das war am
1 . Februar 2017 – verändert?

Andrej Hunko






(A) (C)



(B) (D)


D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823610200


Ich kann gern anbieten, Frau Präsidentin, Herr Kol-
lege, dass wir nachschauen, ob es da eine Weisungslage
gibt . Nach dem, was ich über diesen Themenkomplex
weiß, kann ich mir nicht vorstellen, dass es hierzu eine
Weisungslage aus dem BMI gibt .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823610300

Gut . Dann nehmen wir das als Verabredung zur

Kenntnis .

Wenn Sie beide sich weiter genauso anstrengen wie
jetzt, kann ich noch die Frage 12 des Kollegen Volker
Beck aufrufen:

Inwiefern hält es die Bundesregierung für zumutbar, die
Einbürgerung von Drittstaatsangehörigen von dem Verzicht
auf die ausländische Staatsangehörigkeit oder ihrem Verlust
abhängig zu machen, wenn die Eltern der Einbürgerungsbe-
werberinnen und Einbürgerungsbewerber weiterhin im Her-
kunftsland leben, pflegebedürftig sind oder es möglicherweise
in Zukunft werden, die Einreise deutscher Staatsangehöriger
in das Herkunftsland visumpflichtig ist oder es möglicherwei-
se in Zukunft sein wird und der Nachzug ausländischer Eltern
zu volljährigen deutschen Staatsangehörigen allenfalls in den
engen Grenzen des § 36 des Aufenthaltsgesetzes möglich ist,
und inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die
Einbürgerung in solchen Fällen attraktiver zu gestalten und
zugleich das Fortbestehen menschenrechtlich geschützter fa-
miliärer Beziehungen im internationalen Kontext zu gewähr-
leisten?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823610400


Genau; das war unser Ziel, Frau Präsidentin .

Eine Einbürgerung setzt gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1
Nummer 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes grundsätz-
lich die Aufgabe oder den Verlust der bisherigen Staats-
angehörigkeit voraus . Ausnahmen davon kommen gemäß
§ 12 Absatz 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes
nur in Betracht, wenn die Aufgabe der anderen Staatsan-
gehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen
Bedingungen möglich ist . Die mit der Aufgabe der bis-
herigen Staatsangehörigkeit gegebenenfalls verbunde-
nen Einreise- und/oder Aufenthaltserschwernisse in den
Herkunftsstaaten werden von den Ausnahmeregelungen
des § 12 Absatz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, der
Zumutbarkeitserwägungen zum Gegenstand hat, nicht
erfasst . Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit auch
keine Änderungen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823610500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823610600

Die Rechtslage war mir wohlbekannt . Vor diesem

Hintergrund habe ich gerade gefragt, wie die Tatbestände
im Rahmen dieser Rechtslage zu bewerten sind und ob
das bei Familien, deren Eltern im Herkunftsland leben
und die pflegebedürftig oder hilfsbedürftig sind, zu einer
Abwägung führt . Dann geht es nämlich um die Frage:
Welche Auswirkungen hat die Staatsbürgerschaft bei
Ein- und Ausreisen? Unter Umständen kann eine Versor-

gung von Eltern zeitnah nicht mehr vorgenommen wer-
den, weil Fristen im Visaverfahren anderer Staaten und
dergleichen zu beachten sind . Dies kommt auf die neu-
en deutschen Staatsbürger nur deshalb zu, weil sie den
Pass, den sie hatten, aufgrund unseres Verlangens abge-
ben mussten . Halten Sie eine Abwägung aus humanitären
Gründen zum Schutz von Ehe und Familie – Ihnen als
christlicher Partei immer ein Anliegen – für geboten?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823610700

Bitte, Herr Staatssekretär .

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823610800


Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Natürlich beantworte
ich die Frage als Vertreter der Bundesregierung und nicht
als Vertreter meiner Partei . Ich will aber auch deutlich
machen, dass ich meinen letzten Satz ausdrücklich gesagt
habe; er ist mehr als eine rechtliche Bewertung: Es sind
derzeit keine Änderungen geplant . Wichtig ist bei den
Fällen, auf die Sie hinweisen, die menschlich schwierig
sind, dass wir auf die Staaten einwirken müssen, damit
sie diese Praxis ändern .

Das ist unsere zentrale Aufgabe . Daran wirken wir
gerne mit . Im Übrigen muss man das Problem schon
perspektivisch im Blick haben . Deutschland ist das
Land, dessen Reisepass weltweit am meisten ohne Vi-
sum akzeptiert wird . Es gibt regelmäßig eine Studie von
Henley & Partners . Hier werden regelmäßig von 199 Na-
tionalitäten Reisepässe analysiert . In 176 Länder der Welt
reisen Deutsche visafrei ein . Es gibt kein Land auf der
Welt, dessen Bürger so einfach in fast alle Länder einrei-
sen können .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823610900

Wären Sie bereit, der Überlegung näherzutreten,

dass wir für die Länder, bei denen wir keine Visafreiheit
für unsere schönen Pässe durchgesetzt haben, dann die
Abwägungsentscheidung im Staatsangehörigkeitsrecht
einführen, wenn eine besondere familiäre Situation auf-
grund pflegebedürftiger Angehöriger im Herkunftsland
vorliegt? Ich glaube, das können Sie auch im Rahmen
des geltenden Rechts mit entsprechenden Auslegungs-
hinweisen durchaus bewirken . Ich frage gar nicht nach
einer Gesetzesänderung .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823611000

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1823611100


Herr Kollege, wenn Sie hier Fälle haben, dann bin ich
gerne bereit, sie mir anzuschauen . Wenn Sie uns diese
Fälle geben – an uns ist dieses Thema noch nicht heran-
getragen worden –, dann schaue ich mir das gerne noch
einmal an und lasse es durch mein Haus prüfen . Ich sage
dazu aber: Wichtig ist mir, dass wir auch die Staaten, die
solche, ich sage einmal, menschlich schwierigen Rege-
lungen haben, nicht aus der Pflicht lassen, hier etwas zu
ändern . Wir müssen dann zumindest zweigleisig fahren .






(A) (C)



(B) (D)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823611200

Ich bedanke mich ganz ausdrücklich . – Ich beende die

Fragestunde .

Die übrigen Fragen werden entsprechend unseren Re-
geln schriftlich beantwortet .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 sowie die Zusatz-
punkte 1 und 2 auf:

8 . Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Zwölfter Bericht der Bundesregierung über
ihre Menschenrechtspolitik

(Berichtszeitraum 1 . März 2014 bis 30 . September 2016)


Drucksachen 18/10800, 18/10924 Nr. 1.15,
18/12467

ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Tom
Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck

(Bremen), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für den Menschenrechtsschutz in Deutsch-
land – Die Nationale Stelle zur Verhütung von
Folter reformieren und stärken

Drucksache 18/12544
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-
Asche, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Zivilgesellschaftliches Engagement braucht
Raum – Anti-NGO-Gesetze stoppen, Men-
schenrechtsverteidiger stärken

Drucksachen 18/7908, 18/10625

Zu dem Zwölften Bericht der Bundesregierung liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Frank Schwabe für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1823611300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Verehrte Damen und Herren! Der zwölfte Menschen-
rechtsbericht der Bundesregierung gibt die Gelegenheit,

zum Ende der Legislaturperiode noch einmal intensiv zu
diskutieren, ein bisschen Bilanz zu ziehen zur Menschen-
rechtspolitik in dieser Legislaturperiode und vielleicht
einen Ausblick zu wagen . Da gleich Tom Koenigs redet
und ich auch Christoph Strässer sehe, will ich noch ein-
mal sagen, wie sehr ich die Arbeit schätze – beide schei-
den aus dem Parlament aus –, die sie mit immer klugen
Beiträgen und einem überragenden Engagement als Par-
lamentarier und Mitglied der Bundesregierung gemacht
haben, sozusagen als eine Institution zum Thema Men-
schenrechte . Vielen herzlichen Dank dafür .


(Beifall – Michael Brand [CDU/CSU]: „Immer“ würde ich nicht sagen!)


Die Lage der Menschenrechte weltweit, aber auch in
Deutschland – auch hier ist nicht alles gut, wenn auch
besser als in manchen anderen Ländern der Welt – steht
im Mittelpunkt eines Menschenrechtsberichts und einer
solchen Debatte . Mittlerweile stehen die Menschenrech-
te weltweit, aber auch in Europa – also ziemlich nah dran
an uns – unter massivem Druck . Wir erleben es in Debat-
ten in der Europäischen Union, aber auch im Rahmen der
47 Länder des Europarats .

Wir haben mittlerweile in vielen Ländern nicht nur eine
Ignoranz gegenüber Menschenrechtsfragen, sondern eine
geradezu aggressive Abwendung von Menschenrechten
und ein aggressives Vorgehen gegen diejenigen, die sich
Menschenrechten besonders verpflichtet fühlen. Es gibt
Agitation und finanzielle Einschränkungen gegenüber
Menschenrechtsorganisationen, aber auch Agitation ge-
genüber denjenigen, die solche Organisationen unterstüt-
zen . In Ungarn haben wir es zum Beispiel gerade am Fall
der Universität erlebt, die von George Soros finanziert
wird . Er gilt für einige bei solchen Fragen als die Aus-
geburt des Übels . Man kann über George Soros und sein
Engagement durchaus diskutieren; aber ich frage mich,
wer eigentlich sonst solche Menschenrechtsinstitutionen
unterstützen würde . Wenn es andere geeignete Geldgeber
gäbe, dann könnten wir darüber reden. Ansonsten, finde
ich, sollte man die Agitation einstellen .

Es darf bei Menschenrechten keinen Rabatt geben .
Wir brauchen eine wertebasierte Außen- und Europapo-
litik, und wir brauchen klare Ansagen . Gerade in solchen
Zeiten, in denen es schwieriger geworden ist, brauchen
wir klare Ansagen gegenüber NATO-Partnern wie der
Türkei, aber auch innerhalb der Europäischen Union . Es
braucht klare Ansagen an Regierungen, dass es eine Ein-
schüchterung der Zivilgesellschaft – das, was internati-
onal als Shrinking Space bezeichnet wird – nicht geben
darf .

Es ist wichtig, dass auch deutsche Vertreter da, wo sie
es können, klar Position beziehen, wie es zum Beispiel
Sigmar Gabriel als Außenminister in Israel getan hat, als
es darum ging, die Organisationen Betselem und Brea-
king the Silence zu treffen. Am Ende war das ein Stück
weit ein Lackmustest dafür, ob man solche Organisatio-
nen noch treffen kann oder nicht. Insofern war es wichtig,
dort Flagge zu zeigen . Man muss nur wissen, es war nicht
der letzte Test, es werden weitere solcher Tests kommen .
Insofern ist wichtig, dass wir klarmachen – bei aller Kri-
tik und bei aller Auseinandersetzung –: Wir müssen in der






(A) (C)



(B) (D)


Lage sein, zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit
zu treffen. Wenn jemand nach Deutschland kommt, dann
kann er sie entsprechend auch treffen.

Es ist nicht nur die Türkei, es ist nicht nur Israel, es
sind viele Staaten – aktuell Ägypten, China, Russland,
Indien, Ungarn –, mittlerweile an die 100 Staaten welt-
weit, die versuchen, die Zivilgesellschaft zu drangsa-
lieren . Es wird im Übrigen durch das, was in den USA
vor sich geht, nicht besser, durch die Zeichen, die Herr
Trump setzt oder nicht setzt, etwa wenn er nach Sau-
di-Arabien fährt und dortige Menschenrechtsverletzun-
gen nicht benennt .

Es darf also keinen Rabatt geben . Ich richte da auch
einen Appell an uns alle . Wir haben manche Länder und
manche Regierungen, die uns vielleicht näher stehen
als andere . Umso wichtiger ist es, dass wir diesen Län-
dern keinen Rabatt geben . Die Sozialdemokratie muss
und wird Korruption in Rumänien anprangern . Wenn es
dort Regierungen gibt, die sich mit der Aufklärung von
Korruption schwertun, dann muss man das benennen .
Genauso muss die CDU Probleme in Ungarn und Ma-
zedonien klar benennen . Die Linke, die sich in der Regel
durch eine engagierte Menschenrechtsarbeit auszeichnet,
muss auch bei den Ländern, die ihr nahestehen, entspre-
chend Kritik üben . Ich würde da mal Kuba, Venezuela,
Nordkorea und Russland nennen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nordkorea steht uns nicht nah! Sorry all about it! Noch nie! Das war aber richtig heftig! Das muss ich zurückweisen! Mit Nordkorea haben wir nichts am Hut!)


– Es ist gut, dass das so benannt wird . Aber ich habe ein
paar Debatten im Menschenrechtsausschuss erlebt, in
denen jedenfalls ich den Eindruck hatte, dass es Staaten
gibt, bei denen man schon mal weniger darüber redet als
bei anderen Staaten . Ich habe ja auch sehr selbstkritisch
ein von Sozialdemokraten geführtes Land genannt .

Ich möchte an dieser Stelle ein super Programm loben,
das wir hier beim Deutschen Bundestag haben: das Pro-
gramm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ . Ich
werde nicht müde, es zu erwähnen . Denn es geht darum,
da, wo wir es können, mitzuhelfen und eine Schutzfunk-
tion für Abgeordnete, aber auch für Menschenrechtsakti-
visten aus anderen Ländern zu übernehmen .

Ich habe nur auch da manchmal den Eindruck, dass
es ein bisschen darum geht, sich die Leute entsprechend
politischer Konstellationen auszusuchen, je nachdem,
wer gerade an der Regierung ist und wer nicht . Ich will
an dieser Stelle einen Doppelaufruf starten . Zum einen
rufe ich dazu auf, dass mehr Kolleginnen und Kollegen
bei dem Programm mitmachen, zum anderen dazu, sich
im Rahmen des Programms nicht nur mit den Ländern
zu befassen, mit deren Regierungen man Probleme hat,
sondern gerade auch mit den Ländern, mit deren Regie-
rungen man befreundet ist, und Leute aus diesen Ländern
ins Programm aufzunehmen . Ich glaube, dass das eine
größere Wirkung hat, als wenn wir es andersherum ma-
chen . Wir sollten uns alle überlegen, ob wir hier nicht
entsprechend ansetzen können . Es ist ein wunderbares
Programm. Ich will aber darauf hinweisen, dass es finan-

ziell und personell unterausgestattet ist . Wir müssen im
nächsten Deutschen Bundestag das Programm finanziell
besser ausstatten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben das PsP-Programm auf der Habenseite, das
in dieser Legislaturperiode deutlich ausgeweitet wurde .
Auf der Habenseite haben wir auch das Deutsche Insti-
tut für Menschenrechte mit dem entsprechenden Gesetz,
das wir nach längerer Debatte verabschiedet haben . An
der Debatte waren viele beteiligt, aber nicht alle haben in
dieselbe Richtung gezogen . Meine Fraktion – das kann
man durchaus selbstbewusst sagen – war immer relativ
klar . Ich will meinen Dank aber auch an diejenigen rich-
ten, die mitgeholfen haben, zum Beispiel Dr . Fabritius,
aber auch Michael Brand . Es wäre gut, wenn es uns jetzt
gelingt, ein gemeinsames Verständnis für das zu entwi-
ckeln, was das Institut aktuell macht .


(Beifall des Abg . Dr . Bernd Fabritius [CDU/ CSU])


Da sind wir auf einem guten Weg . Durch das Gesetz über
die Rechtsstellung und Aufgaben des Deutschen Instituts
für Menschenrechte haben wir dafür gesorgt, dass das
Institut die Präsidentschaft der Institute für Menschen-
rechte weltweit übernehmen konnte, also eine hohe Re-
putation hat .

Selbstverständlich ist es wichtig, den Blick nach au-
ßen zu richten – das war immer wieder Debattengegen-
stand –, aber wir brauchen auch den Blick nach innen,
weil eben nicht alles gut ist in Deutschland . Das gibt
uns die Legitimation, entsprechende Vorkommnisse zu
benennen und anzuprangern . Es ist eine Aufgabe für die
nächste Legislaturperiode, darüber nachzudenken, wie
die Mehraufgaben, die wir gesetzlich festgelegt haben,
am Ende finanziell und organisatorisch abgebildet wer-
den können . Das heißt, das Institut braucht eine bessere
Ausstattung. Ich finde überhaupt, dass wir die nächste
Legislaturperiode dazu nutzen sollten – vielleicht schon
im Koalitionsvertrag –, die Menschenrechtsarchitektur,
die wir am Anfang des letzten Jahrzehnts geschaffen ha-
ben, zu bearbeiten, zu renovieren und auf den aktuellen
Stand zu bringen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt für die Funktion der Beauftragten für Menschen-
rechte und möglicherweise auch für die Rolle des Aus-
schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe .

In den nächsten vier Jahren wird es unsere Aufgabe
sein, zu beobachten, was in den USA passiert . Es werden
von Trump ja nicht nur die falschen Signale ausgesen-
det, sondern es besteht auch die Befürchtung, dass Men-
schenrechtsarbeit von den USA weniger finanziert wird.
Das heißt, wir müssen eine Diskussion darüber führen,
wie man die fehlenden Mittel substituieren kann, damit
bestimmte Organisationen und zivilgesellschaftliches
Engagement in vielen Teilen der Welt nicht ausbluten .

Frank Schwabe






(A) (C)



(B) (D)


Beim Thema bürgerliche Menschenrechte habe ich
den Eindruck, dass wir uns über die Fraktionen hinweg
einigermaßen einig sind . Hohe Uneinigkeit besteht beim
Thema soziale und wirtschaftliche Menschenrechte .
Ich muss an dieser Stelle in Richtung Koalitionspartner
blicken; denn ich glaube, hier tun Sie sich besonders
schwer . Natürlich geht es um Meinungsfreiheit, um kör-
perliche Unversehrtheit, Pressefreiheit, um all das; aber
es geht ebenso um das Recht auf eine Lebensgrundlage,
auf Nahrung und auf eine saubere Umwelt . Wir führen
weltweit eine Debatte über solche Rechte . Ich glaube,
dass wir in Deutschland besser sein könnten, auch in der
Umsetzung internationaler Vereinbarungen . Ich wünsche
mir wirklich, dass die Blockade aufgehoben wird, die
insbesondere von Ihnen ausgeübt wurde, zum Beispiel
bei der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-So-
zialpakt, aber auch bei der Ratifizierung der ILO 169 für
die Rechte der indigenen Bevölkerung . Das wäre mein
Wunsch für die nächste Legislaturperiode .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Inge Höger [DIE LINKE] – Michael Brand [CDU/ CSU]: Das BMAS bremst! Frau Nahles bremst!)


Wir haben mit dem Nationalen Aktionsplan „Wirt-
schaft und Menschenrechte“ eine akzeptable, vielleicht
auch gute Grundlage für die weitere Arbeit geschaffen;
denn deutsche Unternehmen tragen weltweit mittelbar
oder unmittelbar zu Menschenrechtsverletzungen bei .
Das ist einfach so . Ich will gar nicht unterstellen, dass das
irgendjemand bewusst tut, aber es passiert . Deswegen
brauchen wir eine vernünftige Regelung in Deutschland,
gerne freiwillig, aber wenn es sein muss, auch gesetzlich .
Deswegen ist es wichtig, dass die Evaluierung des Natio-
nalen Aktionsplans ordentlich vonstattengeht .

Zum Schluss noch ein Appell zum Thema Todesstra-
fe . Die Todesstrafe ist unmenschlich und barbarisch . In
den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es eine positive
Entwicklung . In vielen Ländern ist die Todesstrafe ab-
geschafft oder zumindest ausgesetzt worden. Es ist dra-
matisch, dass in der Türkei eine Debatte über die Wie-
dereinführung der Todesstrafe geführt wird . Es ist völlig
klar: Das ist ein Ausschlusskriterium für die Europäische
Union, aber auch für den Europarat .

Ich will an dieser Stelle aber auch die USA nennen .
In Richtung des Bundesstaates Arkansas möchte ich sa-
gen: Wenn man versucht, in eine wirtschaftlich stärkere
Kooperation mit Deutschland einzutreten – das wird ver-
sucht, auch durch ein Büro, das dieser Bundesstaat hier
in Berlin betreibt –, dann kann man uns nicht gleichzeitig
hintergehen – anders kann man das gar nicht nennen –
und mit Medikamenten, die dazu da sind, Menschenle-
ben zu retten, Menschen hinrichten . Das ist völlig inak-
zeptabel, und das muss sofort aufhören .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823611400

Das Wort hat die Kollegin Inge Höger für die Fraktion

Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823611500

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Der zwölfte Menschenrechtsbericht der Bundesregie-
rung geht an vielen Stellen an der Realität vorbei,


(Stefan Rebmann [SPD]: Was?)


insbesondere wenn es um die Lage der Menschenrechte
hier in Deutschland geht .

Seit fast 60 Tagen befindet sich der politische Gefan-
gene Yusuf Tas im Hungerstreik für Kommunikation in
seiner Muttersprache . Yusuf Tas war politischer Gefan-
gener in der JVA Heimsheim in Baden-Württemberg und
wurde vor kurzem in das Gefängniskrankenhaus Hohen-
asperg verlegt .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ein „politischer Gefangener“?)


Dass ihm das Reden und die Lektüre in seiner Mutter-
sprache von der JVA verwehrt werden, ist Diskriminie-
rung und eine Form struktureller Gewalt, die gegen ele-
mentare Menschenrechte verstößt .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist ein aktuelles Beispiel . Sie können jetzt sagen:
Das ist erst passiert, nachdem der Menschenrechtsbericht
geschrieben worden ist . Dieses Beispiel zeigt aber be-
stimmte Benachteiligungen, die es in Deutschland gibt,
aber nicht geben sollte .

Ein anderes Beispiel ist, dass die Praxis des Racial
Profilings, also der polizeilichen Kontrolle anhand äu-
ßerlicher Merkmale wie Hautfarbe oder ethnischer Zu-
gehörigkeit, keine Erwähnung in dem Bericht findet.
Diesen tief verankerten Rassismus in staatlichen Institu-
tionen und Behörden spart die Bundesregierung einfach
aus, und das, obwohl Deutschland im Berichtszeitraum
wegen Racial Profiling gerügt worden ist, zum Beispiel
vom Menschenrechtskommissar des Europarates, vom
UN-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung und
vom Deutschen Institut für Menschenrechte . Dazu dür-
fen wir nicht schweigen .


(Beifall bei der LINKEN)


Leider ist der Bericht weitgehend darauf beschränkt,
Verordnungen, Vorschriften und Einzelaktivitäten auf-
zuzählen, die die Bundesregierung im Berichtszeitraum
eingeführt oder anerkannt hat. Eine umfassende qualita-
tive Bewertung fehlt .

Im innenpolitischen Teil fehlt insbesondere eine tie-
fer gehende Untersuchung der sozialen Menschenrechte
in Deutschland . Gerade die neoliberale Spar- und Kür-
zungspolitik der letzten Jahre führte zu gravierenden
Menschenrechtsverletzungen .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wir geben doch mehr Geld aus als im letzten Jahr! – Frank Schwabe Manfred Grund [CDU/CSU]: 30 Milliarden Euro jedes Jahr!)





(A) (C)


(B) (D)


Deren Auswirkungen sind steigende soziale Ungleich-
heit, zunehmende Verarmung und erschwerter Zugang zu
gesellschaftlicher Teilhabe . 1,7 Millionen Kinder leben
in Armut; das hat ein heute veröffentlichter Bericht von
Eurostat ergeben . Auch die Wohnungslosigkeit nimmt
zu . Angesichts eines Privatvermögens von 10 Billionen
Euro in Deutschland ist diese zugespitzte Armutssituati-
on untragbar .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke fordert, die reale Entwicklung der wirt-
schaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte in
Deutschland im nächsten Bericht ausführlich zu reflek-
tieren und zielgerichtete Lösungsansätze zu entwickeln,
besonders hinsichtlich der Armutsbekämpfung .


(Beifall bei der LINKEN)


In dem Bericht wird die Situation von Asylsuchen-
den und Geflüchteten beschönigt. Insbesondere die
menschenrechtlichen Folgen von Abschiebung werden
nicht untersucht . Heute Vormittag wurden bei einem der
schwersten Anschläge in Kabul mindestens 64 Menschen
getötet und mehr als 300 verletzt . Afghanistan ist kein si-
cheres Herkunftsland . Stoppen Sie die Abschiebung nach
Afghanistan!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im außenpolitischen Teil des Berichts ist die Mit-
verantwortung der deutschen Außenhandels- und Ent-
wicklungspolitik bei Menschenrechtsverletzungen in
Drittstaaten unzureichend beleuchtet worden . Neolibe-
rale Handels- und Investitionsschutzabkommen, Roh-
stoffausbeutung oder der Export subventionierter Le-
bensmittel gefährden die soziale Menschenrechtslage in
Drittstaaten . Auch Menschenrechtsverletzungen, die auf
die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik zurückzu-
führen sind, ignoriert der Bericht . Deutsche Rüstungs-
exporte und auch die militärische Beteiligung der Bun-
deswehr an Auslandseinsätzen wirken wie Öl im Feuer
zahlreicher Kriegsgebiete und Krisenherde . Das EU-
Grenzre gime einschließlich der EU-Militärmission im
Mittelmeer dient der Kontrolle der Fluchtrouten und der
Abwehr von Geflüchteten. Das Sterben im Mittelmeer ist
eine Folge dieser Abschottungspolitik der EU, spielt im
Bericht aber keine Rolle . Das tausendfache Sterben im
Mittelmeer darf uns nicht egal sein .

Die Linke fordert eine objektive Analyse der men-
schenrechtspolitischen Folgen der deutschen Außenpoli-
tik und vor allem die Beendigung aller Auslandseinsätze,
einen Stopp von Rüstungsexporten und ein Ende der aus-
beuterischen Außenhandelspolitik .


(Beifall bei der LINKEN – Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und den Austritt aus der NATO! – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU], an SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gerichtet: Und mit denen wollt ihr koalieren?)


Es geht weiter . In der Beschlussempfehlung des Men-
schenrechtsausschusses, die gegen die Stimmen der
Oppositionsparteien angenommen wurde, findet sich
die Forderung, in den nächsten Menschenrechtsbericht
„die Menschenrechtslage auch von befreundeten Staaten
künftig in den Länderteil zu integrieren“ . Die Aufnahme
der bisher fehlenden westlichen Industrienationen fordert
die Linke schon lange . Beispielsweise haben die USA
als einziges UN-Mitglied die Kinderrechtskonvention
nicht unterzeichnet . Sie stehen wegen Kinderarbeit, der
Prügelstrafe an Schulen und der Diskriminierung armer
Kinder bei der Essensausgabe in der Kritik . Das sind Zu-
stände, die untragbar sind .

Was bedeutet es, von befreundeten Staaten zu spre-
chen? Heißt das, dass Länder wie zum Beispiel Brasilien,
Indien, Montenegro oder Kenia verfeindete oder jeden-
falls nicht befreundete Staaten sind?


(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sowjetunion!)


Die Linke hofft auf eine kritische Analyse der Lage der
Menschenrechte in allen Staaten im nächsten Bericht .

Sehr positiv an dem Bericht ist, dass die äußerst pro-
blematische menschenrechtspolitische Situation der pa-
lästinensischen Bevölkerung infolge der israelischen
Besatzung angesprochen wird . Kritisiert werden unter
anderem die Administrativhaft, die Lage minderjähriger
Palästinenser in israelischen Haftanstalten, die Zerstö-
rungen von palästinensischen Privathäusern und huma-
nitärer Infrastruktur sowie die unverhältnismäßige und
teils tödliche Gewaltanwendung gegen Zivilisten durch
israelische Sicherheitskräfte . Der israelische Siedlungs-
bau wird konsequent für völkerrechtswidrig erklärt.

Jedoch wird die humanitäre Katastrophe in Gaza al-
lein der Hamas zugeschoben . Dabei schneidet die seit
zehn Jahren andauernde Blockade dieses dicht bewohnte
Gebiet komplett von der Außenwelt ab . Die israelische
Regierung lässt an Nahrung und Medikamenten nur das
einführen, was sie selbst zum Überleben für absolut not-
wendig empfindet.

Auch die ägyptische Regierung behindert Hilfsliefe-
rungen an der Grenze . Infolgedessen fehlt etwa ein Drit-
tel dringend benötigter Medikamente und Hilfsmittel,
und die gesundheitliche Versorgung jedes dritten Patien-
ten bzw . jeder dritten Patientin ist bedroht . Solche Hand-
lungen sollten im kommenden Bericht mitgedacht und
von der Bundesregierung entsprechend kritisiert werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich empfehle, dem Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke zuzustimmen .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Alles andere wäre eine Überraschung!)


Für die umfassende Verwirklichung der universellen
Menschenrechte sind Frieden und soziale Sicherheit die
wichtigsten Voraussetzungen . Der Einsatz für Frieden
und soziale Gerechtigkeit sollte daher auch oberste Auf-
gabe einer jeden deutschen Bundesregierung sein .

Inge Höger






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823611600

Das Wort hat der Kollege Michael Brand für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1823611700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Evangelische Kirchentag am vergangenen Wochen-
ende stand in diesem Jahr ganz unter dem Eindruck des
500-jährigen Reformationsjubiläums . Viele Tausend
Gläubige haben sich in Berlin und auch in Wittenberg
getroffen, um ein Fest des Glaubens und der Toleranz zu
feiern . Die Religionsfreiheit ist eine zentrale Frage heu-
tiger Menschenrechtspolitik . Der Umgang eines Staates
mit der Religionsfreiheit zeigt im Besonderen, wie es
dort um die Menschenrechte steht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der zwölfte Menschenrechtsbericht zeigt, dass das
Recht auf Religionsfreiheit zunehmend gefährdet ist .
Deshalb fordern wir in unserer heutigen Entschließung
erneut und explizit eine umfangreichere Befassung mit
dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit im nächsten
Menschenrechtsbericht der Bundesregierung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


2016 wurde auf Initiative der CDU/CSU erstmals ein
Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der
Religions- und Weltanschauungsfreiheit vorgelegt und
darüber diskutiert . Kurz vor Ende der Legislaturperiode
möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, bei Ihnen allen
für eine Verstetigung und Weiterentwicklung des Religi-
onsfreiheitsberichtes zu werben . Für uns bleibt auch für
die kommende Wahlperiode dieses Thema ein zentrales
Anliegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bahai, Ahmadiyya, Rohingya, Jesiden, Schabak, Ale-
viten, Juden, Muslime, Schiiten und Sunniten, Tibeter,
Uiguren sowie Christen aller Konfessionen und Tradi-
tionen werden Opfer von gezielter Gewalt und Terro-
rismus . Die Christen sind die weltweit größte verfolgte
Religionsgruppe . Vor wenigen Tagen starben bei einem
Angriff auf koptische Christen in Ägypten erneut Dut-
zende Menschen . Die Terrormiliz des sogenannten „Isla-
mischen Staats“ hat die Tat für sich reklamiert . Die mit
Abstand meisten Opfer des IS sind weiterhin Muslime .
Das dürfen wir nicht übersehen, und wir dürfen uns auch
nicht spalten lassen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im aktuellen Men-
schenrechtsbericht sind Themen hervorgehoben, die uns
im Parlament vielfach beschäftigen: so der Schutz von
Menschenrechtsverteidigern und die Folgen repressiver
NGO-Gesetze, die die Handlungsspielräume der Zivilge-
sellschaft in immer mehr Ländern massiv einschränken .
Der Brennpunkt „Shrinking Space“ zeigt deutlich, welch
enorm wichtige Rolle eine handlungsfähige Zivilgesell-

schaft für Menschenrechte und Demokratie hat . Deshalb
ist es von Bedeutung, offenzulegen, wie, manchmal ganz
offen und manchmal sehr subtil, Regime die Daumen-
schrauben anziehen . Im „Aktionsplan Menschenrechte“
verweist der Bericht auf Zielvorgaben und Strategien in
den kommenden Jahren und benennt konkret 22 Schwer-
punkte und Maßnahmenbündel zu deren Umsetzung . Als
Große Koalition formulieren wir im Entschließungsan-
trag zehn konkrete Forderungen an die Bundesregierung:
vom konkreten Monitoring des Nationalen Aktionsplans
„Wirtschaft und Menschenrechte“ bis hin zu einem
Brennpunktthema, das sich dem weltweiten Problem des
illegalen Organhandels widmen soll .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist der chi-
nesische Regierungschef in Berlin zu Gast . Die traurige
Wahrheit ist: Die Menschenrechtslage in China hat sich
seit dem Amtsantritt von Xi Jinping sogar noch weiter
verschlechtert . Es gibt noch brutaleres Vorgehen gegen
Menschenrechtsanwälte und -aktivisten sowie gegen
Blogger, hohe Haftstrafen und Repression, NGOs wer-
den durch neue Sicherheitsgesetze an die Kette gelegt,
die Internetzensur wird weiter verschärft . Wer mehr Frei-
heit fordert und dies nur öffentlich äußert, wird jahrelang
weggesperrt .

Besonders dramatisch bleibt die Lage für Uiguren
und Tibeter . Die systematische Zerstörung von religiösen
Heiligtümern der Tibeter, aktuell der bedeutenden Lehr-
anstalt Larung Gar, und die brutale Unterdrückung dieser
einzigartigen Kultur des für seine Friedfertigkeit bekann-
ten Volkes ist einer so alten und großen Kultur wie der
chinesischen völlig unangemessen und trägt nicht zur
Verbesserung des Ansehens von China in der Welt bei .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Bundesregierung sollte neue Möglichkeiten
nicht vorbeiziehen lassen und jetzt eine aktivere Rolle
in den Beziehungen zu China spielen – bei den Themen
Freihandel, Klimawandel und auch die Chance nutzen,
ein neues Kapitel im Bereich Menschenrechte aufzu-
schlagen – ohne zu poltern den Finger in die Wunde le-
gen . Dramatische Berichte über brutale Umerziehungs-
und Zwangsarbeitslager, das Wissen über die weltweit
meisten Hinrichtungen und der Handel mit Organen
von Strafgefangenen müssen auch von Berlin deutlicher
angesprochen werden . Wir haben uns zum Ziel gesetzt,
noch einen Antrag auf den Weg zu bringen – wir haben
ja nur noch zwei Sitzungswochen –, der genau das, den
illegalen Organhandel, in den Fokus nimmt . Im Übri-
gen sollten wir die Zeit bis Ende Juni auch nutzen, ein
Zeichen für die Opfer der sogenannten früheren Colonia
Dignidad zu setzen – auch daran arbeiten wir gerade –;
denn Deutschland hat hier eine moralische Mitverant-
wortung .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zurück zu China . Ende 2016 fand der
14 . Menschenrechtsdialog zwischen China und Deutsch-
land statt . Für die chinesische Seite sind diese Runden
inzwischen sehr bequem geworden: Kritik wird zwar an-
gesprochen, befürchten muss man bislang aber wenig . –
Dialog – das will ich in aller Deutlichkeit sagen – darf

Inge Höger






(A) (C)



(B) (D)


nicht zum Selbstzweck werden . Dialog ohne echte Kon-
sequenzen ist wirkungslos. Dass Peking dem Menschen-
rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, übrigens im
Gegensatz zum Wirtschaftsausschuss, weiter keine freie
Einreise erlaubt, ist ein anhaltender Tiefpunkt in unse-
ren diplomatischen Beziehungen, der nun wirklich nicht
länger akzeptiert werden darf . Wir erwarten hier von der
Bundesregierung eine aktivere Rolle .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage das auch, weil ich glaube, wenn man bei den
chinesischen Gesprächspartnern nicht völlig das Gesicht
verlieren möchte, dann muss deutsche Diplomatie auch
vorzeigbare Ergebnisse bringen . Wenn die vielbeschwo-
rene „stille Diplomatie“ im Falle Chinas angeblich so
zielführend ist, dann muss man sich schon die Frage stel-
len, warum die Lage der Menschenrechte in China immer
dramatischer wird .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer dramatischer
ist auch die Lage in der Türkei geworden: Verhaftungs-
wellen, Abschaffung der Demokratie, Drohungen mit
der Einführung der Todesstrafe, die Axt am Recht von
Meinungs- und Pressefreiheit, Deniz Yücel, dessen Pate
übrigens ich bin . Ich will an Frank Schwabe anknüpfen
und an die Abgeordneten appellieren, eine Patenschaft
im Rahmen des PsP-Programms des Bundestages zu
übernehmen . Deniz Yücel ist sicherlich kein großer An-
hänger der CDU/CSU, aber ich finde, genau das, was du
gesagt hast, ist wichtig, nämlich dass man nicht nur nach
seinen Leuten schaut, sondern auch nach Leuten, die ei-
nem vielleicht nicht immer passen, von denen man nicht
alles teilt . Aber dafür, dass sie ihren Job machen können,
ihre Meinung sagen dürfen und ihre Freiheit als Journa-
listen haben, kämpfe ich auch im Falle von Deniz Yücel,
der natürlich freigelassen werden muss . Nennen will ich
auch die deutsche Journalistin Mesale Tolu und die rund
150 weiteren Journalisten und Verlage . Auch hier dürfen
wir nicht nachlassen, deutlich eine Änderung von der
Türkei einzufordern .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will auch an die Attacken nach der Armenien-Re-
solution erinnern, von DITIB bis hin zu den unakzepta-
blen türkischen Geheimdienstaktivitäten in Deutschland
und dem irren Vorgang in Incirlik . Ein solches Verhal-
ten, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat es bislang im
NATO-Bündnis nicht gegeben; das ist einzigartig . Auch
dieser Punkt muss endlich weggeräumt werden . Ich wün-
sche dem Außenminister bei seinen Gesprächen viel Er-
folg . Aber es muss klar sein, dass nur ein grundsätzlicher
Zugang für uns Parlamentarier akzeptabel ist und dass
die Spielchen endlich ein Ende haben müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bei grundlegenden Fragen von Menschenrechten
darf man sich nicht wegducken . Das gilt gerade in der
Tagespolitik . Es ist im Übrigen auch nicht die wichtig-
ste Frage, ob wir Menschenrechtsverletzungen anderswo
ertragen . Ich glaube, zuallererst ist die Frage, ob die Un-

terdrückten und Verfolgten in den jeweiligen Ländern,
ob in der Türkei oder andernorts, dies ertragen können –
denn sie zahlen doch in Wahrheit den bitteren Preis für
das Wegducken hier, und sie erwarten von uns zu Recht
Haltung und aktive Unterstützung .

Diplomaten bei uns und in der EU müssen sehr auf-
passen, dass manches Wegnuscheln nicht als Feigheit
missverstanden wird und die Falschen sogar noch ermun-
tert werden . „Europa muss ein Akteur sein, der sich auch
einmischt international“, hat unsere Bundeskanzlerin
gestern beim Besuch des indischen Premiers formuliert
und wenige Tage zuvor gefordert, die Europäer müssten
ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen . Ja, die Zeiten,
in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die
sind ein Stück vorbei .

Ich will Sie auch deshalb fragen: Wie ernst soll man
denn eine EU-Kommission nehmen, die sich im Fall
Erdogans nach dem Verfassungsreferendum in Wort-
akrobatik übt, indem sie von roten Linien in unterschied-
lichen Färbungen spricht und die Todesstrafe als die
„röteste aller roten Linien“ bezeichnet? Ich halte das für
zynischen Hohn gegenüber den Mutigen in der Türkei,
die sich noch trauen, den Mund aufzumachen . Auch hier
gilt es, stärker Flagge zu zeigen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will einen letz-
ten Punkt ansprechen . Frank Schwabe hat zu Recht ge-
fordert, beim Thema Menschenrechte auch nach innen
zu schauen . Es braucht diesen Blick nach innen . Unser
Land, unser Grundgesetz, unsere Werte werden immer
wieder bedroht . Stellung beziehen und sich nicht wegdu-
cken ist entscheidend, egal woher die Angriffe auf unse-
re freiheitliche Gesellschaft und unsere Werte kommen .
Dazu gehören Menschen, die den Untergang des Abend-
landes beschreien, aber in Wahrheit auf aggressive Aus-
grenzung setzen . Dazu gehört links- wie rechtsextreme
Gewalt . Dazu gehören Erdogan-Anhänger in Deutsch-
land, die hierzulande alle Freiheiten genießen und von
hier aus helfen, die Demokratie in der Türkei abzuschaf-
fen . Da gibt es Menschen, die zu uns gekommen sind und
hier gegen Christen, Jesiden oder Juden hetzen und sie
einschüchtern. Dass Konflikte aus anderen Ländern zu
uns getragen werden, darf unser Staat nicht akzeptieren .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat
geurteilt, dass die Scharia mit den fundamentalen Prinzi-
pien der Demokratie und der Europäischen Menschen-
rechtskonvention unvereinbar ist . Die Gleichberechti-
gung von Frau und Mann ist bei uns nicht verhandelbar .
Und es ist gut, dass der Deutsche Bundestag in dieser
Woche konkrete Regeln auf den Weg bringt, um Kin-
derehen zu bekämpfen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823611800

Kollege Brand .


Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1823611900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschenrechte

sind nicht verhandelbar . Oder wie es unser früherer Bun-

Michael Brand






(A) (C)



(B) (D)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1823612000
„Jede Politik ist
auch Menschenrechtspolitik .“

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823612100

Das Wort hat der Kollege Tom Koenigs für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen .


Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823612200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir haben es schon gehört: Die Menschenrechte
stehen unter Druck, innen und außen, im Osten und im
Westen: innen durch rechtspopulistische Strömungen,
die Migranten hassen, außen durch religiöse Fanatiker,
die Staaten bilden wollen, im Osten durch stalinistische
Autokraten – Putin, Erdogan – und im Westen durch Ten-
denzen, sich aus den Institutionen zurückzuziehen, zum
Beispiel England, das aus dem Europäischen Menschen-
rechtsgerichtshof austreten will, oder die Vereinigten
Staaten aus dem Menschenrechtsrat oder auch nur Staa-
ten, die ihre Finanzen zurückziehen oder zurückfahren
wollen .

Für uns Grüne sind die Menschenrechte der wich-
tigste Maßstab für die Entwicklung und den Erfolg von
Gesellschaften . Wir haben da eine eindeutige Position,
nehmen die Menschenrechte ernst und stellen sie an die
erste Stelle, das heißt, wir fordern von den Staaten – von
jedem Staat, von jeder Regierung, auch von jeder Koali-
tion –, dass sie die menschenrechtlichen Staatenpflich-
ten ernst nehmen, nämlich Menschenrechte beachten,
Menschenrechte schützen und Menschenrechte fördern –
durch Institutionen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass sie die Menschenrechte an die erste Stelle setzt
oder auch nur ernst nimmt, das kann man von der CDU
wirklich nicht sagen, wenn Sie es zwölf Jahre zugelassen
haben, dass eine AfD-Tante Ihre Menschenrechtspolitik
vertritt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr . Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Die AfD gibt es noch nicht so lange, Herr Kollege!)


Zwölf Jahre! Und dann sehen Sie, wo sie hingekommen
ist . Es sind ja viele von Ihren Vorkämpfern zur AfD ge-
gangen . Aber da sehen Sie es mal!

Oder: Was war das für eine Qual, das Institut für Men-
schenrechte in den Status zu versetzen, in den es gesetz-
lich versetzt werden muss! Das ging ja nicht einfach, und
dann haben wir es letzten Endes geschafft, dann stellt
sich der Herr Fabritius hierhin und saut sie wieder runter .
Das ist CSU!

CSU auch so: Menschenrechtlich gibt es keinen Ra-
batt, hat Herr Brand gerade gesagt . Obergrenze für Asyl-
gewährung: Da sollten Sie mal Ihrem CSU-Vorsitzenden

sagen, dass die Obergrenze verfassungswidrig ist, men-
schenrechtswidrig ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Hat die Kanzlerin gesagt!)


Es gibt keine Obergrenze . Da war die Kanzlerin sehr viel
eleganter .

Aber wenn man die Menschenrechte runterzieht und
so tut, als gäbe es nichts – auch nur an einem einzigen
Punkt –, dann beschädigt man die ganzen Menschenrech-
te . Fragen Sie mal bei Herrn Seehofer nach! Und die SPD
hat das in der Koalition dann alles immer mitgemacht .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Na, hallo!)


Flüchtlingspolitik: Da wird der Familiennachzug für
zwei Jahre ausgesetzt . Sie haben das doch auf dem Kir-
chentag gehört, was die Bürgerinnen und Bürger – gerade
auch diejenigen, die für die Flüchtlinge etwas machen –
Ihnen dazu sagen . Dann machen Sie da einfach mit!

Oder Aktionsplan: Das ist ein Passivplan, den Sie da
letzten Endes gemacht haben . Da wird nichts aktiviert .
Die Ruggie-Prinzipien sind einstimmig in der ganzen
Welt verabschiedet worden, und da gibt es eben unter-
nehmerische Achtungspflichten, staatliche Schutzpflich-
ten und den Zugang zur Abhilfe . Und dann kommen Sie
da mit einem Mäuschen von einem Aktionsplan und ver-
teidigen den dann hier noch!

Sie haben darin einen hervorragenden Menschen-
rechtsbeauftragten verschlissen . Der hat das Handtuch
geworfen . Das ist kein Aktionsplan, das ist ein Reakti-
onsplan .

Wir wollen die Institution des Menschenrechtsbeauf-
tragten stärken, und wir sagen es auch ganz deutlich: Wir
wollen die Institution des Menschenrechtsbeauftragten
zu einem Kabinettsposten machen, zu einem Staatsmi-
nister, der dann auch für die Kohärenz in der ganzen Re-
gierung sorgt,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


sodass dann nicht auf der einen Seite Friedensprojekte
gefördert werden und auf der anderen Seite Rüstungsgü-
ter verkauft werden .

Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Wenn die CDU auf
dem rechten Auge blind ist, dann sind Sie auf dem öst-
lichen Auge blind . Die neue Ostpolitik, die Sie wollen –
übrigens: deutscher Sonderweg mit den Russen –: Haben
Sie sich mal die Innenpolitik in Russland angesehen?
Haben Sie mal gesehen, dass da der Gulag fortgesetzt
wird? Haben Sie mal gelesen, was die von Pussy Riot,
die Nadja Tolokonnikowa, geschrieben hat, die nach ih-
rem Punk-Gebet zwei Jahre im Gulag gewesen ist? Die
hat das sehr genau beschrieben, und das kommt bei Ihnen
nicht vor .


(Karin Binder [DIE LINKE]: Aber wirtschaftliche Beziehungen mit Saudi-Arabien oder weiß der Himmel mit wem!)


Michael Brand






(A) (C)



(B) (D)


Eben haben Sie sich zu Recht über die Verhältnisse
in Gaza beschwert . Aber haben Sie mal was über das
Terrorregime der Hamas gehört? Haben Sie da mal was
kritisiert? Nein, Sie fahren auf der Fregatte da mit und
versuchen, die Blockade zu durchbrechen, die illegal ist .


(Inge Höger [DIE LINKE]: Das war ein einstimmiger Beschluss im Bundestag, diese Blockade!)


Menschenrechte heißt, nicht mit zweierlei Maß zu
messen, heißt, Menschenrechte überall zu vertreten, und
heißt, sich vor allem gegen jede Diskriminierung zu weh-
ren . Diskriminierungen haben immer zu größeren Kon-
flikten geführt, letzten Endes auch zu Krieg. Jeder der
internationalen Konflikte hat einen Diskriminierungs-
tatbestand dahinter . Die Diskriminierungstatbestände
gibt es auch im Innern: Racial Profiling. Es ist die erste
Staatenpflicht, dass man Menschenrechte beachtet. Oder
wenn man zusieht, wie Flüchtlingsheime brennen . Das
ist die zweite Staatenpflicht: der Schutz der Bürger. Das
gilt eben für alle Menschen, nicht nur für die Deutschen .

Schließlich: Auch das Institut der Ehe ist eine Förde-
rung der Nichtdiskriminierung . Ehe für alle: Das hat ja
nicht euer Schulz erfunden .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Warum haben wir die Verpartnerung und nicht die gleich-
geschlechtliche Ehe seit der schönen rot-grünen Zeit?
Weil eben Ihr Kanzler das nicht wollte . Das ist an der
SPD gescheitert . Die CDU hat sowieso dagegengestimmt
und hat gewütet und getobt .


(Michael Brand [CDU/CSU]: Wir sind für die Verfassung, Artikel 6!)


Aber Ehe für alle gäbe es seit 2001, wenn Sie damals
mitgemacht hätten . Gucken Sie sich das mal an!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen eine menschenrechtsgeleitete Außenpo-
litik . Das heißt Verantwortung übernehmen, soweit der
Arm des Staates reicht, und zwar auch über die deut-
schen Unternehmen im Ausland . Wir wollen die Men-
schenrechtsverteidiger schützen . Unsere Botschaften
sollen Anlaufstellen für Menschenrechtsverteidiger sein .
Und notfalls sollen wir ihnen dann auch ein humanitä-
res Visum geben, wenn sie das unbedingt benötigen, wie
Edward Snowden .

Wir sollten intensiver in den internationalen Organisa-
tionen arbeiten . Da sind wir aber nur glaubwürdig, wenn
wir die internationalen Menschenrechtskonventionen
auch ratifizieren, und zwar alle: das Zusatzprotokoll zum
Sozialpakt, das Abkommen zum Schutz indigener Völ-
ker oder auch die Konvention zum Schutz der Wanderar-
beiter. Die Chinesen haben das auch nicht ratifiziert. Die
brauchten es aber dringend, und die sagen: Wir ratifizie-
ren nicht, weil das die Deutschen ja auch nicht machen . –
Das wäre ein Weg, durch eine symbolische Ratifizierung
weiterzukommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Schwabe [SPD])


Die CDU sagt immer: Deutschland ist nicht Nordko-
rea . – Richtig! Aber auch bei Ihnen und auch bei Ihrem
Lieblingsthema Religionsfreiheit gibt es Tendenzen von
antimuslimischen Untertönen: „Wir sind nicht Burka .“
Ich bin auch nicht Schlips .


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Brand [CDU/CSU]: Doch!)


Was will der Innenminister da eigentlich sagen? Übri-
gens: Im Deutschkurs fallen ja die meisten durch .


(Heiterkeit – Dr . Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Aber ohne Schlips! – Michael Brand [CDU/ CSU]: Das sagt der Hesse!)


Also, Deutsch wäre irgendwas anderes . Was will er da
sagen? Das ist ein Ausschluss . Hätte er im nächsten Satz
gesagt: „Der Islam gehört zu Deutschland“ – die einzige
große Leistung eines Ihrer Präsidenten –, dann hätte das
anders geklungen .


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Das ist wahr!)


Aber klingt nicht bei dem „Wir sind nicht Burka“ auch
ein antimuslimischer Unterton mit?


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Nur wenn man ihn hören will! – Dr . Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Nur wenn man Burka und Muslime gleichsetzt! – Michael Brand [CDU/ CSU]: Burka ist nicht gleich Muslim!)


Ich frage . Überlegen Sie mal, wie sich das anhört für je-
mand, der Muslim ist .

Der Menschenrechtsschutz braucht starke Institutio-
nen . Deshalb wollen wir weiter das Innere stärken . Wir
wollen den Beauftragten für Menschenrechte stärken,


(Michael Brand [CDU/CSU]: Wo ist denn eigentlich die Menschenrechtsbeauftragte? Wäre gut, wenn die Menschenrechtsbeauftragte da wäre! Jedes Mal das gleiche Spiel!)


aber auch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter .
Immerhin soll diese Stelle 13 000 Institutionen des Frei-
heitsentzuges überwachen . Wir stehen an der Seite der
Menschenrechtsverteidiger, deren Arbeit immer schwie-
riger wird, und die müssen das auch wissen .


(Michael Brand [CDU/CSU]: Bis auf die Menschenrechtsbeauftragte!)


Wir müssen auch dieses Stehen an der Seite der Men-
schenrechtsverteidiger in die Regierungsverhandlungen
einbringen . Das muss ein wesentlicher Faktor bilateraler
Beziehungen sein, und seien es Beziehungen mit der Po-
lizei .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823612300

Kollege Koenigs, ich bitte, auf die Redezeit zu achten .


Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823612400

Ein letzter Satz: Mit den Grünen in einer Bundesre-

gierung wird es eine klare Menschenrechtsorientierung

Tom Koenigs






(A) (C)



(B) (D)


geben: in allen Bereichen und in allen möglichen Kon-
stellationen und Koalitionen . Wir setzen die Menschen-
rechte an die erste Stelle .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823612500

Das Wort hat der Kollege Dr . Karamba Diaby für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])



Dr. Karamba Diaby (SPD):
Rede ID: ID1823612600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor
zwei Jahren besuchte ich eine Asylunterkunft in meinem
Wahlkreis in Halle . Dort lernte ich eine iranische Fami-
lie kennen . Damals sprachen wir noch Englisch mitei-
nander. Heute spricht die Tochter fließend Deutsch, und
auch mit den Eltern kann ich mich problemlos über mei-
ne parlamentarische Arbeit unterhalten . Die Tochter be-
sucht mittlerweile ein Gymnasium in Halle . Der Vater hat
eine Stelle in einem halleschen Unternehmen gefunden .
Derzeit wartet er auf die Anerkennung seiner Berufsab-
schlüsse, um wieder als IT-Experte arbeiten zu können .

Seit ihrer Ankunft in Deutschland genießt die Familie
Menschenrechte, das Recht auf Bildung, das Recht auf
Arbeit und das Recht auf soziale Sicherheit . Es ist eine
Errungenschaft, dass unser Land auch Menschen, die zu
uns flüchteten, diese Rechte garantiert. Und das ist gut
so .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Inge Höger [DIE LINKE]: Aber nicht allen!)


In dieser Wahlperiode haben wir nicht zuletzt im Be-
reich der Arbeitsrechte viel erreicht. Wir haben den flä-
chendeckenden gesetzlichen Mindestlohn eingeführt .
Wir haben ein Gesetz beschlossen, um die Lohnlücke
zwischen Frauen und Männern zu verringern . Für Asyl-
bewerber haben wir den Zugang zum Arbeitsmarkt er-
leichtert . Wichtig ist auch: Seit 2012 regelt das Aner-
kennungsgesetz die Anerkennung der Gleichwertigkeit
ausländischer Berufsqualifikationen. Wir erkennen damit
die vorhandenen Kompetenzen der Menschen an .

Auch im Bereich der sozialen Sicherung haben wir
Verbesserungen erreicht . Wir haben die Rente mit 63
eingeführt . Wir haben die Mütterrente aufgestockt, um
Frauen vor Armut zu schützen, liebe Kollegin . Wir haben
den steuerlichen Freibetrag für Alleinerziehende erhöht,
um das Armutsrisiko zu senken .


(Inge Höger [DIE LINKE]: Trotzdem nimmt die Armut zu!)


Um zu meinem Beispiel zurückzukommen: Die ge-
nannte Familie ist ein Symbol dafür, dass die Rechte der
verschiedenen Menschenrechtspakte eng miteinander
verbunden sind . Das zeigt auch der vorliegende Men-
schenrechtsbericht der Bundesregierung . Bildung gilt
dabei als Schlüssel, auch für die Umsetzung der übrigen
Menschenrechte .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Men-
schenrecht auf Bildung ist kein Recht zweiter Klasse .
Auch in diesem Punkt sind wir in dieser Wahlperiode
vorangekommen, zum Beispiel bei den öffentlichen Bil-
dungsausgaben . Der Anteil der Bildungsausgaben am
Bundeshaushalt stieg kontinuierlich . Mittlerweile liegt
er bei sage und schreibe 17 Milliarden Euro . Durch die
Lockerung des Kooperationsverbotes wird der Bund
mit 3,5 Milliarden Euro die Sanierung von Schulen und
Turnhallen fördern .

Allein diese Punkte zeigen, dass wir auf einem guten
Weg sind, das Menschenrecht auf Bildung noch besser
umzusetzen . Aber wir müssen auch klar feststellen: Der
rote Bildungsteppich wird noch lange nicht für jedes
Kind in Deutschland ausgerollt . Faktoren wie die soziale
Herkunft, der Aufenthaltsstatus oder eine Behinderung
spielen noch immer eine entscheidende Rolle beim Zu-
gang zu Bildung . Dabei ist der Migrationshintergrund
nicht das ausschlaggebende Kriterium . Nur in Verbin-
dung mit den genannten drei Faktoren spielt er eine Rol-
le . Denn alleine das Aussehen lässt keine Rückschlüsse
auf den Zugang zu Bildung oder den Bildungserfolg zu .

Kinder bildungsferner Familien, egal welcher Her-
kunft, machen seltener Abitur und schreiben schlech-
tere Noten als der Nachwuchs von Anwälten, Lehrern,
Ärzten oder auch Abgeordneten . An deutschen Schulen
entscheidet bis heute die soziale Herkunft über den Bil-
dungserfolg . Hier müssen wir gegensteuern .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg . Manfred Grund [CDU/CSU])


In einer 2016 veröffentlichten Studie fordert das Deut-
sche Institut für Menschenrechte zu Recht die Anpassung
von rechtlichen Regelungen, Bildungsplänen und Unter-
richtsmaterialien . Nur so lässt sich unser Schulsystem
inklusiv und diskriminierungsfrei gestalten .

Ungleichheiten herrschen auch beim Zugang zu Be-
rufsbildung . Hier sind besonders oft Jugendliche mit
Migrationshintergrund betroffen, obwohl sie die gleichen
Abschlüsse wie andere Jugendliche ohne Migrationshin-
tergrund vorweisen können . Ich meine, Chancengleich-
heit sieht anders aus .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was müssen wir also tun? Und wo müssen wir um-
steuern? Wir müssen die Bildungsinvestitionen erhöhen
und stärker in die Qualität der Bildung investieren . Das
heißt auch: die Bildungsinfrastruktur modernisieren, die
Lehrkräfte qualifizieren und die Schulsozialarbeit för-
dern. Wir brauchen eine gerechte Bildungsfinanzierung.
Wir brauchen die Gebührenfreiheit von der Kita bis zum
Hochschulabschluss und bei der Weiterbildung .


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, der Geldbeutel der Eltern
darf nicht über die Bildungslaufbahn eines Kindes ent-
scheiden . Der Ausbau der Ganztagsschulen und die frühe
individuelle Förderung in Kita und Schule sind wichtig,
um den gleichen Zugang zu Bildung für alle zu ermögli-

Tom Koenigs






(A) (C)



(B) (D)


chen. Die berufliche Bildung muss gestärkt werden. Eine
berufliche Qualifikation ist die wichtigste Voraussetzung
für soziale Teilhabe als Erwachsener .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das irani-
sche Mädchen hatte Glück . Unser Land bietet gute Vo-
raussetzungen, und ihre Eltern kennen die Bedeutung
von Bildung für die Zukunft ihrer Tochter . Ich will aber
nicht, dass die Zukunftschancen unserer Kinder vom Zu-
fall abhängen . Alle Kinder und Jugendlichen in unserem
Land brauchen den gleichen Zugang zu Bildung . Das
darf nicht am Geldbeutel scheitern .

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür eintreten,
das Menschenrecht auf Bildung für alle umzusetzen .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823612700

Das Wort hat der Kollege Dr . Bernd Fabritius für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Dr. h.c. Bernd Fabritius (CSU):
Rede ID: ID1823612800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der zwölfte Menschenrechtsbericht der Bundesregierung
stellt einen fast umfassenden Überblick über die Situati-
on der Menschenrechte sowohl international als auch bei
uns in Deutschland dar . Darüber hinaus legt die Bundes-
regierung mit dem Bericht Rechenschaft über ihre Men-
schenrechtspolitik der vergangenen zweieinhalb Jahre
ab – eine Bilanz, die sich durchaus sehen lassen kann,
was ich heute auch der Menschenrechtsbeauftragten der
Bundesregierung sehr gerne gesagt hätte . Ich hätte ihre
Anwesenheit bei dieser Debatte angemessen gefunden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Zitieren wir sie doch mal her!)


Bereits in unserer Debatte zum vorhergehenden elf-
ten Menschenrechtsbericht sind zwei wichtige Themen
angeklungen, die uns auch heute noch beschäftigen . Las-
sen Sie mich mit dem zivilgesellschaftlichen Engage-
ment beginnen, das in vielen Ländern zunehmend einge-
schränkt wird . Ich freue mich, dass die Bundesregierung
der Aufforderung des Bundestages nachgekommen ist,
den „Shrinking Space“ als Schwerpunktthema in ihrem
aktuellen Bericht zu behandeln . Denn selbst wenn zu
den Einschränkungen für NGOs, bei der Meinungs- und
Pressefreiheit oder bei der Rechtsstaatlichkeit auch an
dieser Stelle bereits viel gesagt wurde, sind die Probleme
weiterhin aktuell und so gravierend, dass sie in letzter
Konsequenz Demokratie und Menschenrechte weltweit
gefährden . Deshalb ist es ebenso begrüßenswert, dass die
Bundesregierung die Schaffung und Erhaltung von zivil-
gesellschaftlichen Handlungsspielräumen sowie die Un-
terstützung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern
in ihren Aktionsplan für den laufenden Berichtszeitraum
aufgenommen hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir regen darüber hinaus in unserem Entschließungs-
antrag an, dass die Bundesregierung auch im kommenden
13 . Bericht umfassend auf diese Entwicklungen eingeht .

Das zweite wichtige Thema der vergangenen Jah-
re waren die Flucht- und Migrationsbewegungen nach
Europa und Deutschland . Vom zuständigen Bundesamt
über die Kommunen bis hin zu den vielen freiwilligen
Helfern hat Deutschland mit einem Kraftakt eine große
Anzahl Schutzbedürftiger aufgenommen . Mit der Klar-
stellung, dass wir nur die tatsächlich Verfolgten aufneh-
men können, haben wir dafür gesorgt, dass die Zahl der
Ankommenden deutlich gesunken ist . Das war wichtig,
um einerseits eine Überforderung unserer Bevölkerung
zu vermeiden und andererseits den wirklich Schutzbe-
dürftigen eine menschenwürdige Aufnahme gewähren zu
können .

Welche Konsequenzen ziehen wir aus diesen Ereig-
nissen? Drei Erkenntnisse sind aus meiner Sicht beson-
ders wichtig:

Erstens gilt es weiterhin, gegen die Ursachen von
Flucht und Vertreibung weltweit anzugehen . Unsere
diesbezüglichen Möglichkeiten sind insgesamt gesehen
natürlich begrenzt . Die gute Arbeit von Bundesentwick-
lungsminister Dr . Müller zeigt jedoch auf beeindrucken-
de Art und Weise, dass man mit Beharrlichkeit doch eini-
ges erreichen kann .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zweitens müssen wir diejenigen konsequent zurück-
führen, die nicht verfolgt werden und die deswegen kei-
ne Bleibeperspektive in Deutschland haben . Das gebietet
uns nicht nur unsere Gesetzeslage . Es ist auch im Hin-
blick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung, auf die wir
angewiesen sind und auf die die Flüchtlinge angewiesen
sind, unerlässlich .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die dritte Erkenntnis ist, dass wir grundsätzlicher
über die künftige Ausgestaltung des Asylsystems nach-
denken müssen . Unser Asylrecht und auch die Genfer
Flüchtlingskonvention wurden unter dem Eindruck des
Zweiten Weltkriegs geschaffen. Sie sind unbestritten Teil
unseres humanitären Selbstverständnisses . Gleichzeitig
müssen wir uns aber eingestehen, dass sie nicht für die
Ausmaße der heute stattfindenden dauerhaften Flucht-
und Migrationsbewegungen weltweit geschaffen wur-
den . Wenn wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt in
Deutschland und übrigens auch den innergemeinschaft-
lichen Zusammenhalt in der Europäischen Union nicht
gefährden wollen, muss es hier spätestens mittelfristig zu
spürbaren Anpassungen kommen .

Es ist begrüßenswert, dass die Bundesregierung in
ihrem Bericht auf das Thema Religionsfreiheit eingeht .
So werden beispielsweise die gravierenden Probleme in
Pakistan genannt . Dort ist der bekannte Fall der Chris-
tin Asia Bibi nur die Spitze eines viel größeren Eisbergs .
Erst vor kurzem ereignete sich erneut ein tragischer An-
schlag auf koptische Christen in Ägypten . Der Bericht
thematisiert solche Menschenrechtsverletzungen zwar,
aber nur punktuell und weder erschöpfend noch analy-

Dr. Karamba Diaby






(A) (C)



(B) (D)


sierend . Dabei wäre eine vertiefte Untersuchung dieses
Themas notwendig .

Bemerkenswert ist, dass die Bundesregierung in die-
ser Sache von den Grünen, Herr Kollege Koenigs, mit
dem Argument in Schutz genommen wird, es liege be-
reits ein separater Bericht zur Religionsfreiheit vor . Al-
lerdings übersehen Sie dabei, lieber Kollege Koenigs,
dass sich die Bundesregierung bei der Erstellung des
Religionsfreiheitsberichts auf einen typologischen An-
satz beschränkt und sich damit gegen die Variante, ein-
zelne Länder auf die Wahrung der Religionsfreiheit zu
untersuchen, festgelegt hat . Stattdessen beschrieb sie
abstrakt die beobachteten verschiedenen Arten von Men-
schenrechtsverletzungen . Begründet wurde diese Vorge-
hensweise damals mit Verweis auf andere Berichte; man
wolle Doppelungen vermeiden . Wenn man nun dieser
Argumentation folgt, dann kommt man zu dem Schluss,
dass der vorliegende Menschenrechtsbericht im Länder-
teil die ansonsten völlig unberücksichtigten, nicht ge-
nannten Fakten dringend eingehender und umfassender
behandeln müsste . Darum bitte ich im nächsten Bericht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn man wie wir heute über das Thema Menschen-
rechte in Deutschland spricht, gehört auch das Deutsche
Institut für Menschenrechte mit seiner unbestritten wich-
tigen Arbeit dazu . Im Berichtszeitraum haben wir die in
den Pariser Prinzipien geforderten gesetzlichen Grund-
lagen für das Institut geschaffen. Durch das Gesetz wird
sichergestellt, dass das Institut weiterhin unabhängig ar-
beiten kann . Außerdem wurde damit die Grundlage dafür
geschaffen, dass sich das Institut breiter aufstellt und in
seiner Mitgliederschaft die gesamte Bandbreite unserer
Gesellschaft gespiegelt wird . Dieses Pluralismusgebot
wird von den Vereinten Nationen in den Pariser Prinzipi-
en gefordert, welche die wichtigsten Grundregeln für alle
Menschenrechtsinstitute weltweit festlegen . Herr Kolle-
ge Koenigs, die Vereinten Nationen haben dergleichen
nicht aus einer Laune heraus gefordert . Vielmehr gibt es
viele gute Gründe dafür .

Genauso wie man selbstverständlich die Bundesre-
gierung bei ihrer wichtigen Menschenrechtsarbeit kri-
tisch – möglichst konstruktiv – begleiten muss, sollte man
Verbesserungsbedarf beim Institut nicht einfach ignorie-
ren, sondern sollte ihn klar ansprechen dürfen . Sie, Herr
Koenigs, nennen das „heruntersauen“ und wollen aus dem
Bundestag ein Akklamationsorgan machen . So verstehe
ich unseren parlamentarischen Auftrag nicht . Deutsch-
land gehört zur freien Welt . Wir leben in einer sehr viel-
schichtigen, bunten Gesellschaft . Genau dies spiegelt sich
etwa hier im Parlament wider, wenn ich in die Reihen des
Hohen Hauses blicke . Genau eine solche pluralistische
Gesellschaft ist Grundlage einer aktiven Demokratie .

Über unsere Menschenrechtsarbeit darf ich sagen –
lieber Kollege Frank Schwabe, Sie haben darauf zu Recht
hingewiesen –: Trotz verschiedener Sichtweisen haben
wir alle doch das gleiche Ziel . Wir wollen die Men-
schenrechte in Deutschland und in der Welt wahren und
fördern, so gut und so weit das in unserer Macht steht .
Gleichzeitig ist es legitim – das zeichnet unsere Demo-
kratie aus –, dass wir auf dem Weg dorthin auch einmal

unterschiedliche Prioritäten setzen . Dieser Aspekt fehlte
bisher im Deutschen Institut für Menschenrechte . Des-
wegen war es wichtig, die rechtlichen Grundlagen des
Instituts zu verändern, und deswegen bleibt es wichtig,
dass unser Institut diesem gesetzlichen Auftrag nun nach
und nach Rechnung trägt .

Im Teil C des Berichts wird unter der Überschrift
„Mens chenrechte weltweit“ die Entwicklung der Men-
schenrechtslage in 78 ausgewählten Staaten und Gebie-
ten im Berichtszeitraum dargestellt und in einen Kontext
zur deutschen und europäischen Menschenrechtspolitik
gestellt. Die traurige Entwicklung in der Türkei findet
dort die notwendige Thematisierung. Das finde ich gut
und wichtig, gerade weil unser Institut bisher den Fokus
eher auf die Menschenrechtslage in Deutschland richtet .
Eine derartige Perspektivenerweiterung ist wichtig .

Besorgniserregend finde ich in diesem Zusammen-
hang die Entwicklung der Menschenrechtslage in Tschet-
schenien, meine Damen und Herren, einem zur Russi-
schen Föderation gehörenden Land, in welchem laut
Human Rights Watch und anderen Menschenrechtsor-
ganisationen systematisch Verhaftungen und Tötungen
von Menschen alleine wegen ihrer vermuteten sexuellen
Orientierung erfolgen . Ich bin der Bundeskanzlerin sehr
dankbar, dass sie diese Entwicklung in Sotschi bei ih-
rem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Putin, in
dessen Verantwortungsbereich das alles passiert, deutlich
angesprochen hat . Sie hat Putin aufgefordert, sich für den
Schutz der Menschenrechte in seinem Land einzusetzen
und auch Minderheitenrechten Geltung zu verschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich fände es begrüßenswert, wenn der nächste Men-
schenrechtsbericht der Bundesregierung im internationa-
len Teil auch diese Situation näher beleuchten und Fort-
schritte berichten könnte .

Sie sehen: Es gibt leider weiter viel auf dem Gebiet zu
tun . Packen wir es gemeinsam mit einer konstruktiven
Herangehensweise an .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Frank Schwabe [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823612900

Das Wort hat der Kollege Frank Heinrich von der

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1823613000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! 2015 sind laut der Organisation IOM
3 771 Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht nach
Europa im Mittelmeer gestorben . Ich erinnere mich, wie
schwer mir ums Herz war – das teile ich wahrscheinlich
mit dem einen oder anderen –, als wir am Anfang gewis-
sermaßen nur ohnmächtig vor dieser Situation standen .
Wie erklärt man irgendwann einmal seinen Kindern oder
Enkeln, dass sie jetzt in den Urlaub an einen Ort fahren,

Dr. Bernd Fabritius






(A) (C)



(B) (D)


der zu einem Massengrab geworden ist – und wir viel-
leicht nicht genug unternommen haben?

In meiner Fraktion haben wir damals angefangen, zu
diskutieren . Fluchtursachen, Flüchtlinge, Flüchtlings-
politik: Was wollen wir tun? Dies haben wir zum ersten
Mal über die Disziplinen hinweg getan . Die Aufnahme
von Hunderttausenden Asylsuchenden hat unser Land
finanziell, personell und organisatorisch ziemlich he-
rausgefordert . Aber unser Staat hat bewiesen – der Be-
richt belegt das auf einigen Seiten im Mittelteil, und das
Deutsche Institut für Menschenrechte hat uns das letzte
Woche in der Anhörung noch einmal deutlich bestätigt –,
dass Deutschland seiner Verantwortung entsprechend gut
reagiert hat, wenn auch nicht an allen Stellen richtig, und
wir diesem Anspruch gerecht werden . Das waren mutige
Entscheidungen, die unser Land, die unsere Kanzlerin
getroffen hat; darauf bin ich ziemlich stolz.

Inzwischen geht es aber nicht mehr nur um Deutsch-
land, sondern auch um ein gemeinsames europäisches
Asylsystem . Die Herausforderungen können nur gemein-
sam angegangen werden, zumindest für uns als Europäer .
Das einzig mögliche erfolgreiche Handeln kann nur das
gemeinsame sein .

Wir erleben eine Polarisierung der Gesellschaften – ei-
ner meiner Kollegen hat das eben gesagt –, die die Migra-
tionsströme noch verschärft . Die Wahlen in den USA und
in Frankreich scheinen eine Spaltung unserer Völker im
Inneren aufzuzeigen: Es gibt die Weltliberalen auf der ei-
nen Seite und die sogenannten Patrioten auf der anderen
Seite . Die Anführer der Letztgenannten stellen uns vor
Gefahren, die uns gut in Erinnerung sind: Fremdenfeind-
lichkeit, Populismus, Isolationismus . Das ist das Klima –
Stichwort „Shrinking Space“ –, in dem die Menschen-
rechte unter Druck geraten und in dem sie sich behaupten
müssen, wie das Kollegen bereits dargestellt haben .

Wenn der US-Präsident in diesem Klima bereit ist –
ich habe die Wahl in den USA gerade schon angespro-
chen –, illegale Einwanderer von ihren Kindern zu tren-
nen, wenn er, wie wir seit Beginn der Debatte wissen,
den Klimaschutzkonsens kündigen wird – ich musste
deshalb mein Skript ändern –, was unabsehbare Folgen
wie ausgetrocknete Böden, mangelnde Ernährung und
fehlende Wasserversorgung nach sich zieht, wenn er
während des Wahlkampfes Frauen beleidigt – und wir
könnten noch mehr Punkte aufzählen –, dann sind das
Signale, auf die sich andere Länder gerne berufen . Wir
dürfen mit Blick auf die schon existierenden und auch
auf die bereits angekündigten Menschenrechtsverletzun-
gen nicht schweigen .

Dieses Jahr ist jeder 50 . Flüchtling auf seinem Weg
über das Mittelmeer ertrunken . Fast all diese Menschen
flüchteten aus Nigeria, Eritrea und anderen afrikanischen
Ländern, weil sie dort keine Zukunft sahen .

Ich möchte meine Schwerpunkte auf vier Themen le-
gen . Das erste Thema ist die humanitäre Hilfe . Wir haben
unseren Ausschuss bewusst Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe genannt . Das Ziel Nummer
eins in der Agenda 2030 ist keine Armut .

Das zweite Thema ist Shrinking Space .

Das dritte Thema möchte ich am Beispiel von Afrika
behandeln, einem Kontinent, der unser Nachbarkontinent
ist . Wir müssen – das haben Sie, Herr Koenigs, angespro-
chen – Kohärenz fordern . Da sehe ich tatsächlich noch
Nachholbedarf .

Als letztes Thema nenne ich die Verantwortung . Das
betrifft Kapitel D in dem Bericht der Bundesregierung,
die ich dazu beglückwünsche . Dieses Kapitel behandelt
die Zukunft .

Wir sollten, wenn wir Afrika betrachten, nicht immer
nur Elend und Krieg wahrnehmen . Wir sollten auch das
Positive in Afrika sehen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Afrikanische Union hat 54 Mitgliedsländer . Dort gibt
es inzwischen sehr viele kreative und gebildete Jugend-
liche . Wir haben in vielen Staaten einen Boom . Die di-
gitale Revolution findet dort schneller statt als hier; wir
hinken mittlerweile hinterher . Netzunabhängige Solar-
energiesysteme in kleinstem Maßstab werden dort ent-
wickelt . Es sind afrikanische Lösungen für afrikanische
Probleme . Ich nehme Afrika immer weniger als kleine
Schwester wahr, die wir zu betreuen haben, sondern als
großen Bruder, der uns etwas zu bieten hat . Wir müssen
uns auf Augenhöhe begegnen .

Afrika ist unser Nachbarkontinent . Wir brauchen
nachhaltige Beziehungen, die unsere Kontinente stärken .
Aber natürlich gibt es eine Diskrepanz . Letzten Monat
hat Herr Adesina, der Präsident der Afrikanischen Ent-
wicklungsbank, einigen von uns Folgendes erzählt: Da
ist ein junger Mann in Mali, der einen Job sucht und auch
eine gute Ausbildung hat . Er will seinen Lebensunterhalt
bestreiten, ist motiviert, optimistisch und bereit, viel zu
arbeiten . Aber er wird nicht angestellt, weil ein Hindernis
im Weg steht: Er hat noch keine Erfahrung . Zum wieder-
holten Male bekommt er eine Ablehnung . Dann erfährt
jemand, dass er Arbeit sucht, und sagt ihm: Ich hätte da
etwas . – Der junge Mann freut sich sehr und ist dank-
bar – bis er hört, welche Arbeit der Mann ihm anbietet .
Der Mann sagt: Sie können Terrorist werden . – Auch das
ist ein Grund für Menschen, aus ihren Heimatländern zu
flüchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Regierung
macht – das haben schon einige Kollegen gesagt – sehr
viel richtig . Ich nenne als Beispiel den Marshallplan nicht
für, sondern mit Afrika . Es geht in den afrikanischen
Ländern darum, eine höhere Wertschöpfung zu errei-
chen, durch Ausbildung mehr Beschäftigung zu generie-
ren und Wachstum zu erzielen . Es geht nicht nur darum,
Entwicklungshilfe im engeren Sinne zu leisten . Wenn
aber Entwicklungshilfe geleistet wird, sollte diese an die
Einhaltung der Menschenrechte gekoppelt werden .

Dieses Jahr wird ein Afrika-Jahr werden . Der
G-20-Gipfel in Hamburg wird Afrika eine Priorität ein-
räumen. Im November findet der EU-Afrika-Gipfel in
Abidjan statt . Das BMWi und das Finanzministerium
haben Aktivitäten im Afrika-Jahr entfaltet . Diese Akti-
vitäten müssen unbedingt fortgeführt werden; denn wir
müssen den Shrinking Space verringern .

Frank Heinrich (Chemnitz)







(A) (C)



(B) (D)


Weiterhin wichtig ist der Gedanke der Kohärenz, die
unbedingt erforderlich ist und in den Leitlinien schon
formuliert ist . Die Kohärenz müssen wir noch umsetzen .
Es geht beispielsweise um die Kohärenz in der Entwick-
lungs-, Sicherheits- und Handelspolitik . Ich weiß, dass
Sie von den Linken darüber nicht so froh sind . Aber die-
se Politikfelder müssen stärker miteinander vernetzt wer-
den . Zu diesen Bemühungen kann ich ermutigen .

Aber zur Kohärenz gehört auch, dass es kohärent han-
delnde Konsumenten in unserem Land gibt . Wir dürfen
nicht immer nur den billigsten Kaffee, die billigste Cola
und die billigste Schokolade kaufen, sodass der Bauer
in der Elfenbeinküste für die Rohstoffe, die er verkauft,
kaum einen Erlös erzielt und er seine Kinder in die Skla-
verei verkaufen muss . Es geht nicht, dass wir die Fisch-
gründe vor Westafrika leerfischen und gleichzeitig den
Menschen vorwerfen, dass sie nach Europa kommen
wollen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht nicht, dass wir Coltan, das für die Produktion
von Handys gebraucht wird, aus dem Ost-Kongo nutzen
und damit die Kriegsökonomie nähren und das Blutbad
verschlimmern . Wir sollten den Handel mit solchen Roh-
stoffen in Verhandlungen zum Thema machen. Wir sind
mit dem Nationalen Aktionsplan vielleicht noch nicht so
weit, wie Sie, Herr Kollege, es gerne hätten, aber die ers-
ten Schritte sind gemacht .

Ich komme zu meinem letzten Punkt . In dem Ausblick
zu dem Bericht steht sehr deutlich, dass wir nicht einfach
sagen können, was in Afrika passieren muss . Das ist auch
die Haltung des Entwicklungsausschusses . Wir müssen
mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten . Die po-
litischen Eliten müssen Verantwortung übernehmen . Da
braucht es schmerzhafte Prozesse . Die afrikanischen Pro-
bleme müssen auf afrikanische Weise gelöst werden .

Da braucht es noch eine ganze Menge an Arbeit . Das
können wir auch nur unterstützen . Deshalb möchte ich
mit zwei Zitaten von Nelson Mandela, einem meiner
Heroes aus Afrika, zum Ende kommen:

Wenn man einen hohen Berg bestiegen hat, stellt
man fest, dass es noch viele andere Berge gibt .

In dem Wissen um die viele Arbeit, die vor uns liegt –
der nächste Bericht wird kommen –, müssen wir das
Schicksal jedes Einzelnen vor Augen haben . Dazu sagte
Mandela:

Einem Menschen seine Menschenrechte verweigern
bedeutet, ihn in seiner Menschlichkeit zu missachten .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823613100

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und

humanitäre Hilfe zu dem Zwölften Bericht der Bundesre-
gierung über ihre Menschenrechtspolitik . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/12467, in Kenntnis der Unterrichtung auf Druck-
sache 18/10800 eine Entschließung anzunehmen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/12553 . Wer stimmt für den Entschließungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen abgelehnt .

Zusatzpunkt 1 . Interfraktionell wird die Überweisung
der Vorlage auf Drucksache 18/12544 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall . Dann
ist die Überweisung so beschlossen .

Zusatzpunkt 2 . Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Menschenrechte und hu-
manitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen mit dem Titel „Zivilgesellschaftliches En-
gagement braucht Raum – Anti-NGO-Gesetze stoppen,
Menschenrechtsverteidiger stärken“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/10625, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/7908 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke
angenommen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 f sowie
den Zusatzpunkt 3 auf:

6 . a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . Frithjof Schmidt, Uwe Kekeritz, Claudia
Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

G20-Afrikagipfel – Gleichberechtigte Part-
nerschaft für nachhaltige Entwicklung

Drucksache 18/12543

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
Dr . Gerhard Schick, Anja Hajduk, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Staaten vor illegitimen Rückzahlungsansprü-
chen sogenannter Geierfonds wirksam schüt-
zen

Drucksachen 18/10639, 18/12343

Frank Heinrich (Chemnitz)







(A) (C)



(B) (D)


c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Kekeritz, Kai Gehring, Kordula Schulz-Asche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Marktversagen beenden, Innovationen för-
dern – Globaler Forschungsfonds für bessere
Gesundheit weltweit

Drucksache 18/12383

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Niema Movassat,
Katja Kipping, Dr . Gesine Lötzsch, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Rechenschaftspflicht und entwicklungspoliti-
sches Mandat der Deutschen Investitions- und
Entwicklungsgesellschaft DEG stärken

Drucksachen 18/8657, 18/10612

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel,
Niema Movassat, Inge Höger, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE

Menschenrechtsverletzungen von Unterneh-
men verbindlich sanktionieren – UN-Trea-
ty-Prozess unterstützen

Drucksachen 18/12366, 18/12567

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike
Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Globalabkommen mit Mexiko aussetzen

Drucksache 18/12548
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Federführung offen

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Renate
Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

„UN Binding Treaty“ ambitioniert unterstüt-
zen

Drucksache 18/12545

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kolle-
ge Dr . Frithjof Schmidt für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die meisten von uns, die sich in der Außen- oder Ent-
wicklungspolitik engagieren, teilen eine Erfahrung: Wir
haben seit vielen Jahren immer und immer wieder auf
die große Bedeutung der Entwicklung in Afrika hinge-
wiesen und mehr entwicklungspolitisches Engagement
der internationalen Gemeinschaft gefordert . Das Ergeb-
nis kennen Sie alle: im positiven Fall schulterklopfende
Zustimmung, im negativen Fall mitleidiges Lächeln über
den Gutmenschen . Aber passiert ist in jedem Fall lange
fast nichts .

Deswegen ist es notwendig und richtig – wir begrü-
ßen das ausdrücklich –, wenn die Partnerschaft mit Afri-
ka ein Schwerpunkt der deutschen G-20-Präsidentschaft
ist . Die Idee von einem großen internationalen Plan, ei-
nem Marshallplan für Afrika, wie zum Beispiel Minister
Müller sagt, hört sich erst einmal gut an .


(Charles M . Huber [CDU/CSU]: Partnerschaft mit Afrika! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/ CSU]: Partnerschaft mit Afrika, das ist etwas ganz anderes!)


– Mit Afrika, ja .

Viele Länder Afrikas haben in den letzten 20 Jahren
positive wirtschaftliche und soziale Entwicklungen er-
reicht, aber Megatrends wie der demografische Wandel
und die Urbanisierung stellen zugleich enorme Heraus-
forderungen dar . Der Kontinent ist in extremem Maße
von der Klimakrise betroffen, die insbesondere in der
Sahelzone als Brandbeschleuniger für die gesellschaftli-
chen Konflikte in den ärmsten und fragilen Staaten wirkt.
Auch die wachsenden Migrations- und Fluchtbewegun-
gen zeigen all das deutlich an .

Gerade jetzt, wo die G 7 in Taormina bei der Umset-
zung der lange versprochenen Hilfsmaßnahmen für die
Hungerregionen so kläglich versagt haben, sind neue Ini-
tiativen dringend geboten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dabei muss eines klar sein: Auf die fragilen Regionen
und Staaten müssen sich die internationalen Anstrengun-
gen zur Unterstützung und Zusammenarbeit besonders
konzentrieren . Die OECD fordert dies ganz klar .

Leider vertritt die Bundesregierung diese Schwer-
punktsetzung in ihren bisherigen Vorschlägen gerade
nicht . Die Bundesministerien produzieren verschiedens-
te Konzepte, die bei näherer Betrachtung aber öffentlich
unterfinanziert sind. Ein Marshallplan ohne ausreichend
öffentliches Geld – das klingt schon nicht mehr so wir-
kungsvoll . Die Förderung und Hebelung privater Investi-
tionen werden quasi als Allzweckwaffe der Finanzierung
präsentiert, und die Konzentration auf einige Länder
mittleren Einkommens wird propagiert .


(Zuruf des Abg . Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Private Investitionen gehen natürlich eher dahin, wo
stabile Marktbedingungen eine sichere Rendite verspre-

Vizepräsidentin Petra Pau






(A) (C)



(B) (D)


chen, und das ist nun mal gerade nicht in den ärmsten und
fragilen Staaten der Fall .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wer faktisch den Marktmechanismen die Entscheidung
über die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenar-
beit überlässt, der macht einen großen Fehler .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die sogenannte „Compact with Africa“-Initiative, die
Herr Schäuble für die G 20 propagiert, hat den gleichen
Konstruktionsfehler . Die ordnungspolitische Leitfunk-
tion öffentlicher Entwicklungshilfe – die Orientierung
an den Standards der Agenda 2030, des Pariser Klima-
abkommens, der Kernarbeitsnormen der ILO, der Men-
schenrechtsabkommen und die Orientierung an der För-
derung der Demokratie – tritt in den Hintergrund, und
das ist schlecht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stattdessen werden fantastische Erwartungen an die fi-
nanztechnische Hebelung privater Investitionen ins Zen-
trum gerückt und wird über die Privatisierung öffentlicher
Infrastruktur in Afrika geredet . Der External Investment
Plan der Europäischen Union umfasst 3,5 Milliarden
Euro an öffentlichen Geldern. Über finanztechnische
Operationen wie Kreditausfallbürgschaften und Ähnli-
ches soll das angeblich auf 44 Milliarden Euro wachsen .
Das sind Voodoo-Economics .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


All das wirkt so, als hätte die Bundesregierung aus dem
Desaster der Verhandlungen über die EU-Wirtschafts-
partnerschaftsabkommen mit Afrika in den letzten Jahren
nichts gelernt .

Meine Damen und Herren von der Koalition, Initiati-
ve ist nötig . Aber sorgen Sie dafür, dass mindestens die
Hälfte der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit in
den ärmsten und fragilen Staaten eingesetzt wird,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg . Christoph Strässer [SPD])


sorgen Sie für gute entwicklungspolitische Konditionen,
wenn Sie private Investitionen subventionieren, und set-
zen Sie sich für wirkungsvolle Maßnahmen gegen die
Steuerflucht von multinationalen Unternehmen aus afri-
kanischen Ländern ein! Das Volumen übersteigt nämlich
nach vielen Expertisen die Höhe der Entwicklungsgelder
inzwischen deutlich . Das gehört deshalb ganz oben auf
die Agenda der G 20 – ebenso übrigens wie die Einlö-
sung der akuten Hilfszusagen der G 7, die sie in Taormi-
na nicht zustande bekommen haben .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823613200

Das Wort hat der Kollege Charles M . Huber für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Charles M. Huber (CDU):
Rede ID: ID1823613300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Liebe Gäste! Meine Mandatszeit geht zu Ende .
Wenn ich alles das Revue passieren lasse, was in der Ent-
wicklungspolitik geschehen ist, muss ich sagen: Es ist
sehr viel geschehen . Ich bin sehr zufrieden, dass sich der
Blick auf Afrika vonseiten der deutschen Politik geändert
hat und dass es die Initiativen für Afrika – Compact with
Africa, Marshallplan mit Afrika – gibt . Auch wenn es
da manchmal einen kleinen Versprecher gegeben hat, so
drückt das nicht aus, denke ich, dass wir den Afrikanern
ein Konzept aufdrängen wollen . Ich glaube, das alles ge-
schieht auf der Ebene eines Angebots .

Es hat sich viel getan . Vor allen Dingen möchte ich
hier ausdrücklich betonen, dass wir es der Kanzlerin zu
verdanken haben, dass durch ihr Engagement auch im
Rahmen des G-7- und G-20-Gipfels – unabhängig davon,
wie der G-7-Gipfel ausgegangen ist – der afrikanische
Kontinent weltweit diese globale Bedeutung erlangt hat,
wie dies im Moment der Fall ist .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, es drängt im Moment jeder nach Afrika, zumindest
finden viele Konferenzen über dieses Thema statt. Auch
Herr Macron, kaum im Amt, redet über eine neue Part-
nerschaft mit Afrika . Das zeigt, sehr geehrte Damen und
Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wichtig
Afrika auch für uns sein wird .

Wir haben die Thematik der Flüchtlingskrise, die The-
matik der Landflucht und der Armutsflucht aus Afrika in
dramatischen Bildern vom Mittelmeer miterlebt . Afrika
braucht 18 Millionen Arbeitsplätze pro Jahr . Im Moment
sind wir bei 3 Millionen . Ihre Rede, lieber Kollege, und
die Anträge der Grünen sind ein Rückschritt in die klas-
sische Entwicklungspolitik, die wir nicht brauchen . Ich
möchte Ihnen sagen: Als ich meine Arbeit als Parlamen-
tarier begann, war eines meiner ersten Treffen mit afrika-
nischen Botschaftern in der ägyptischen Botschaft . Sie
kamen auf mich zu und sagten: Herr Huber, Sie verstehen
uns, Sie haben einen afrikanischen Hintergrund . Helfen
Sie uns doch, dass nach Afrika nicht nur Mittel der Ent-
wicklungszusammenarbeit fließen. Wir wissen, Ihr Land
meint es gut und ist einer unserer größten Geber . Aber wo
sind denn Ihre Investoren?


(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Selle [CDU/CSU]: Genau!)


Ich bin zufrieden, dass wir über die Milchpulver- und
Tomatenproblematik in unserer entwicklungspolitischen
Diskussion hinausgekommen sind und dass wir konkret
über Wirtschaftsentwicklung diskutieren und nicht nur
über Handelspolitik, was aus Ihrer Sicht ja verfehlt ist .
Dazu möchte ich eines sagen, um an das Beispiel Milch-
pulver anzuschließen: Es muss Finanzierungsmittel als
eine Grundvoraussetzung dafür geben, dass Arbeitsplät-

Dr. Frithjof Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


ze in Afrika – wir reden von 54 Ländern – geschaffen
werden können . Wenn Sie beklagen, dass in diesen Län-
dern keine Finanzierungsmittel vorhanden sind, weil
nur in die Länder investiert würde, die bereits ein Wirt-
schaftswachstum haben, dann frage ich: Wie viele Mittel
brauchen Sie denn für alle 54 Länder? Das sollte nicht
unsere Strategie sein .

Sie haben in Ihrer Rede kein einziges Mal über die
Dynamik der Regionalisierung gesprochen – ein wichti-
ges Thema . Sie haben in Ihrem Antrag über die Finanz-
märkte geschrieben und haben versucht, am Beispiel von
Argentinien eine populistische Dynamik in Bezug auf
Geierfonds zu erzeugen . Allein der Name „Geierfonds“
soll schon eine Gier ausdrücken, und dieses Label wol-
len Sie jedem deutschen Unternehmer, der mit einem
ehrlichen Ansinnen nach Afrika gehen will und Exper-
tise nach Afrika bringen will, als Stempel auf den Kopf
drücken .


(Dr . Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)


Wenn Sie ein Wirtschaftsexperte sind und über das
Anleihegeschäft so genau Bescheid wissen, dann wis-
sen Sie auch, wie das Anleihegeschäft, dieser Deal der
Argentinier mit den Geierfonds, abgelaufen ist . Eine ar-
gentinische Regierung hat – Ihr Vergleich mit der Volks-
wirtschaft afrikanischer Länder hinkt – eine Ökonomie
gesteuert, die erfolgreich war und auf einer Ebene mit
Deutschland stand . In Bezug auf die Steuerung einer
Volkswirtschaft über Anleihen muss man feststellen,
dass die Crux in Argentinien nicht der Geierfonds war .
Ein Geier kommt da hin, wo er Aas riecht . Dieses Aas
hat er gerochen, als die argentinische Wirtschaft auf ein-
mal ideologisch gesteuert wurde – so wie Ihre Anträge
ideologisch motiviert und populistisch sind, mit Fokus
auf die ganze Peripherie der NGOs .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für eine wirre Rede?)


Ich muss sagen – es tut mir wahnsinnig leid –: Ein No-
tenbänker, ein Zentralbänker hätte, wenn er einen Vertrag
nach internationalem Recht unterschreibt, wissen müs-
sen, was passieren könnte . Die Geier haben dann zuge-
schlagen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja grauenhaft!)


Meine Damen und Herren, wie sieht es aus, wenn es
darum geht, afrikanische Talente zu finanzieren? Mein
Kollege hat es vorhin angesprochen . Man muss den af-
rikanischen jungen Leuten in Nigeria, in Kenia nichts
über Digitalisierung erzählen . Man muss einem nigeri-
anischen oder einem kenianischen Bänker, die das Ban-
kengeschäft in Afrika beherrschen, auch nichts über An-
leihen erklären .

Ich möchte etwas zum verwegenen Ansatz Ihres An-
trages sagen . Sie haben gesagt, die Engländer seien be-
sorgt gewesen und würden uns vormachen, wie man hier
unter moralischen Gesichtspunkten die Finanzpolitik
gegenüber der gesamtafrikanischen Region gestalte . Ich
kann Ihnen sagen: Die Engländer haben mit Blick auf die
anglofonen Afrikaner ganz andere Interessen . Sie revita-

lisieren das Commonwealth und schaffen praktisch ein
Empire 2 .0 . Das heißt, die Engländer haben hier – des-
wegen nenne ich dieses Beispiel – eine eigene Strategie,
nämlich eine Rohstoffstrategie.

Wenn Sie es den Afrikanern nicht ermöglichen wollen,
normale, entwickelte Volkswirtschaften wie die europäi-
schen aufzubauen und zu gestalten und auch Alternativen
bei der Finanzierung über die Kapitalmärkte in Anspruch
zu nehmen, und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt
stabiler Fremdwährungen – es gab mal eine Initiative
der Europäischen Union, bei der man die Kapitalmärk-
te aufbauen wollte und das Anliegen war, die Emission
von Anleihen unter stabilen Nationalwährungen zu er-
möglichen –, wenn Sie den afrikanischen Ländern nicht
die Möglichkeit geben wollen, sich zu finanzieren und
Kapital für kleinere oder größere Unternehmungen selbst
zu akquirieren – alternativ zu Rohstoffverträgen mit den
Engländern, die mit Anglo American und Australiern Bo-
denschätze abbauen und dann die Konditionen diktieren,
sodass es keine Möglichkeit gibt, parallel andere Finan-
zierungen zu akquirieren –, dann verstehen Sie wenig
von Finanzpolitik, und dann sollten Sie am besten über-
haupt nicht darüber reden .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Es sieht jetzt aber nicht so aus, als ob Sie es verstehen, Herr Kollege!)


– Nee, nee, nee . Sie wollen zum UN Treaty reden;


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Dazu sage ich gleich noch was! Keine Sorge!)


darauf bezieht sich Ihr Antrag . Sie wollen alle möglichen
Standards für Unternehmen einführen . Ein deutscher Un-
ternehmer muss aber nicht nach Afrika .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Will er aber!)


Insofern muss man einen Anreiz setzen, damit ein deut-
scher Unternehmer nach Afrika geht . Sie wissen doch,
dass die deutschen Exporte zu 60 Prozent in die EU und
zu 40 Prozent in die Euro-Zone gehen . Das vermisse ich
bei all Ihren Anträgen – deswegen werde ich diesen An-
trägen nicht zustimmen –: Sie alle setzen keinen Anreiz
für einen deutschen Unternehmer, sich von Deutschland,
aus der EU oder von den Kernmärkten wegzubewegen .
Ich hoffe, dass Sie dieselben verbindlichen Standards
etwa für die Firma RUSAL von Herrn Abramowitsch
vorsehen, die in Guinea tätig ist .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Darum geht es ja bei einem UN Treaty: um internationale Regeln! Vereinte Nationen, internationale Regeln für alle!)


Sie unterstellen deutschen Unternehmen per se, dass sie
die Menschenrechte nicht einhalten .

Meine Damen und Herren, wenn ich in Afrika bin – –


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823613400

Herr Kollege, das ist sicherlich interessant . Aber den-

ken Sie an Ihre Redezeit?

Charles M. Huber






(A) (C)



(B) (D)



Charles M. Huber (CDU):
Rede ID: ID1823613500

Ich denke an die Redezeit .

Ich möchte noch sagen: Ich freue mich und Afrika
freut sich – das ist mir in Gesprächen mit meinen afri-
kanischen Kollegen auf den vielen Dienstreisen klar ge-
worden – auf die 1 200 deutschen kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen, die mit ihrem Know-how im
Rahmen von Capacity Building nach Afrika kommen,
um die Partnerschaft mit Afrika auf neue Füße zu stellen .
Ich danke der Kanzlerin für ihre hervorragende Arbeit
und für ihre hervorragende Unterstützung des afrikani-
schen Kontinents, auch hinsichtlich der Klimafrage .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823613600

Vielen Dank, Kollege Huber . – Einen schönen Nach-

mittag von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen . Der
nächste Redner: Niema Movassat für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823613700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In zwei

Wochen findet hier in Berlin der G-20-Afrikagipfel statt.
Bereits vor über 130 Jahren fand in Berlin eine bedeut-
same Afrika-Konferenz statt, auf der der Kontinent von
den europäischen Großmächten auf dem Reißbrett auf-
geteilt wurde . Was hat das miteinander zu tun? Damals
wie heute ging es nicht um eine eigenständige Entwick-
lung Afrikas . Damals wie heute wurde nicht im Interesse
der Menschen in Afrika gehandelt . Ganz im Gegenteil:
Diese G-20-Afrikakonferenz dient dazu, die Wirtschafts-
interessen reicher Staaten und ihrer Konzerne mithilfe
afrikanischer Märkte abzusichern . Dabei wäre es endlich
an der Zeit, aufzuhören, Afrikas Staaten und Menschen
auszubeuten .


(Beifall bei der LINKEN)


Aber die Ausbeutung soll weitergehen . Dafür
spricht die neueste Afrika-Initiative, die Finanzminister
Schäuble vorgelegt hat, der Compact with Africa . Dieses
Afrika-Konzept, der Compact, enthält viele krude Ideen,
viel neoliberale Ideologie, Herr Kollege Huber . Afrika-
nische Länder sollen die Märkte weiter öffnen, sie sollen
ihre Sozialausgaben kürzen, die öffentliche Daseinsvor-
sorge, also Wasser, Telekommunikation und Energie, soll
privatisiert werden, und man will auch auf PPPs, also auf
öffentlich-private Partnerschaften setzen.


(Charles M . Huber [CDU/CSU]: Das machen die NGOs!)


Private Schiedsgerichte sollen sicherstellen, dass Inves-
toren ihre Interessen auch gegen politischen Widerstand
nach einem Regierungswechsel durchsetzen können . Der
Compact with Africa soll Konzernen neue Profitmög-
lichkeiten verschaffen. Menschenrechte wie der Zugang
zu Wasser oder zu Gesundheitsversorgung bleiben dabei

völlig auf der Strecke . Das ist die völlig falsche Politik,
wenn man Armut bekämpfen will .


(Beifall bei der LINKEN)


Schäubles Afrika-Initiative will privates Kapital auf
den Kontinent locken, und alle politischen Aufgaben sol-
len diesem Ziel untergeordnet werden .


(Charles M . Huber [CDU/CSU]: Richtig!)


So soll die öffentliche Hand zum Beispiel vermehrt pri-
vate Investitionen absichern . Gibt es Gewinne, sahnt also
der Konzern ab, und gibt es Verluste, zahlt der Steuer-
zahler . Herr Schäuble hat wahrlich einen neoliberalen
Giftcocktail vorgelegt: gut für die Konzerne in Europa,
schlecht für die Menschen in Afrika . Das ist eine Schan-
de .

Ich mache drei Vorschläge, was Sie als Bundesregie-
rung stattdessen tun sollten .

Erstens . Ergreifen Sie endlich Maßnahmen gegen die
Steuerflucht transnationaler Konzerne. Jedes Jahr verlie-
ren die Länder des Südens circa 100 Milliarden US-Dol-
lar, weil Unternehmen ihrer Steuerpflicht nicht nachkom-
men .


(Charles M . Huber [CDU/CSU]: Steht im Marshallplan!)


Das müssen wir stoppen, damit endlich genug Geld in
Afrika bleibt, um in Bildung, Gesundheit und Infrastruk-
tur zu investieren .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens . Wir brauchen einen menschenrechtsbasier-
ten Ansatz in der Entwicklungspolitik . Beim Compact
with Africa spielt das überhaupt keine Rolle. Die effek-
tive Durchsetzung des Rechts auf Nahrung, Gesundheit
und Bildung muss aber die Grundlage der Entwicklungs-
politik sein .

Drittens . Wir benötigen verbindliche Regeln für das
Handeln von Konzernen im Ausland . Herr Schäuble ist
einer derjenigen, die das verhindern . Im Nationalen Ak-
tionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ hat er jede
Verbindlichkeit streichen lassen . Dank Herrn Schäuble
dürfen deutsche Unternehmen im Ausland Menschen-
rechte und die Umwelt weiter mit Füßen treten .

Werte Bundesregierung, noch haben Sie die Chance,
sich zu korrigieren . Das hat mit einem Prozess auf Ebe-
ne der Vereinten Nationen zu tun . Seit 2014 beschäftigen
sich die UN auf Initiative von Ecuador und Südafrika mit
der Erstellung eines Menschenrechtsabkommens, um
wirtschaftliche Aktivitäten zu regeln; das ist bekannt als
UN-Treaty-Prozess . Das Ziel ist: Opfer von Menschen-
rechtsverletzungen sollen erstmals verbindlichen Schutz
garantiert bekommen . Unternehmen, die Menschenrech-
te verletzen, sollen haftbar werden, und zwar nicht nur
deutsche, Herr Huber, sondern das soll auch auf interna-
tionaler Ebene funktionieren .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])







(A) (C)



(B) (D)


Das ist eine wirklich gute Initiative; aber die Bundesre-
gierung verweigert sich bisher . Zuerst hat sie gegen die
Einrichtung der Arbeitsgruppe gestimmt, dann blieb sie
der ersten Sitzung fern, und zur zweiten Sitzung hat sie
eine Praktikantin geschickt . Es ist echt ein Skandal, wie
diese Bundesregierung mit dem Thema Menschenrechte
umgeht .


(Beifall bei der LINKEN)


Der UN-Treaty-Prozess ist eine historische Chan-
ce . Deshalb bitte ich Sie, werte Bundesregierung, diese
Chance zu ergreifen, und ich bitte dieses Haus, unserem
Antrag dazu heute zuzustimmen .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823613800

Vielen Dank, Kollege Movassat . – Nächster Redner:

Dr . Sascha Raabe für die Sozialdemokraten .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1823613900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Noch immer leben fast 1 Milliarde Menschen in
Hunger und extremer Armut, 70 Prozent davon im länd-
lichen Raum . Der G-20-Gipfel will Fluchtursachen be-
kämpfen und das durch private Investitionen im Rahmen
einer Partnerschaft mit Afrika erreichen . Was bringt das
den Menschen im ländlichen Raum?

2,5 Milliarden Kleinbauern gibt es auf der Welt . Sie
nutzen seit Generationen Land; aber die wenigsten davon
haben Landtitel . Das genau ist das Problem: Wenn pri-
vate Investoren, wenn ausländische Investoren in diese
Länder kommen und großflächig Land pachten – andere
sagen: rauben –, vertreiben sie dadurch die Kleinbauern .
Allein in den letzten fünf, sechs Jahren sind 10 Millio-
nen Hektar Land von ausländischen Investoren geraubt
worden . Ein Kleinbauer verfügt über etwa 1 bis 2 Hek-
tar Land . Da die Geburtenraten nach wie vor sehr hoch
sind, wird das Land immer knapper, wodurch die Proble-
me noch weiter verschärft werden . Es ist dokumentiert,
dass 33 Millionen Menschen auf diese Weise ihr Land
verloren haben . Nur in einem Drittel der Fälle wurde eine
geringe Entschädigung gezahlt .

Wir hatten heute den Präsidenten von Madagaskar –
ein Land, das ein langes Klagelied über Land Grabbing
singen kann – im Ausschuss zu Besuch . Deswegen sage
ich: Wenn auf dem G-20-Gipfel nur das Lied über mehr
private Investitionen gespielt wird, dann bringt das nichts;
denn so wird das Problem verschärft . Dadurch verlieren
die Ärmsten der Armen ihr Land, und das müssen wir
verhindern, meine sehr verehrten Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Von der Welternährungsorganisation sind kluge Leit-
linien zur verantwortungsvollen Landnutzung auf frei-
williger Basis beschlossen worden . Das Problem ist aber,
dass diese Leitlinien nur freiwillig sind . Deswegen halten

sich leider weder die internationalen Unternehmen noch
die meisten Regierungen der Entwicklungsländer daran .
Nur wenn wir wie bei den Konfliktmineralien verbind-
liche Leitlinien schaffen – wir haben durchgesetzt, dass
Unternehmen und Regierungen gezwungen werden, sich
daran zu halten, dass Kinder nicht als Sklaven in Minen
arbeiten und keine Kindersoldaten finanziert werden –
und festlegen, dass nur unter dieser Voraussetzung Han-
del mit diesen Staaten betrieben werden darf, nur dann
können wir Erfolg haben .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit komme ich zum zweiten Punkt, den die G 20
auf der Agenda haben . Sie wollen den freien Handel
ausweiten, weil sie sagen: Dadurch wird Armut vermin-
dert . – Nein, wir brauchen fairen statt freien Handel!


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Niema Movassat [DIE LINKE] und Dr . Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aus Westafrika kommen insgesamt 90 Prozent unserer
Kakaobohnen . Allein aus den Ländern Elfenbeinküste
und Ghana kommen 75 Prozent . Über 2 Millionen Kin-
der arbeiten alleine in Ghana und der Elfenbeinküste auf
den Kakaoplantagen . Wir dürfen nicht sagen: Es inte-
ressiert uns nicht die Bohne, wie die Arbeit auf den Ka-
kaoplantagen aussieht . Ganz im Gegenteil: Wir müssen
uns fragen: Wo kommen die Bohnen her? Wer pflückt
diese Bohnen? Wer macht Gewinne mit diesen Bohnen?
Nur wenn wir endlich erreichen, dass dort keine Kin-
derarbeit mehr stattfindet, dass die Kinder in die Schule
gehen können, die Menschen menschenwürdig arbeiten
können und genug Geld verdienen, bekämpfen wir auch
die Fluchtursachen . Das muss auf die Agenda der G 20,
meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich an dieser Stelle auch Folgendes sagen:
Ich bin enttäuscht von unserem Entwicklungsminister,
Herr Staatssekretär Fuchtel . Ich habe ihn am 3 . Novem-
ber 2014 in einem Schreiben eindringlich davor gewarnt,
das Freihandelsabkommen mit der Westafrikanischen
Wirtschaftsunion zu unterzeichnen; denn zum Beispiel in
Ghana und der Elfenbeinküste müssen Millionen Kinder
schuften . Am 3 . Dezember 2014 hat der Minister es aber
als verantwortliches Kabinettsmitglied unterzeichnet .
Zum Glück können wir das im Bundestag noch stoppen .
Ich sage Ihnen: Es ist schön, wenn der Herr Minister von
fairem Handel redet, aber er muss auch endlich fair und
gerecht handeln .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg . Niema Movassat [DIE LINKE])


Nur wenn wir faire und gerechte Handelsbedingungen
schaffen, können wir Fluchtursachen bekämpfen, kön-
nen wir Armut und Hunger beseitigen . Die G-20-Staaten
können die Rahmenbedingungen dafür setzen; sie sind
mitverantwortlich für diese Zustände . Deshalb sage ich:

Niema Movassat






(A) (C)



(B) (D)


Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit in Deutschland und in
Afrika . Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823614000

Vielen Dank, Sascha Raabe . – Die letzte Rednerin in

dieser Debatte: Gabriela Heinrich für die sozialdemokra-
tische Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Gabriela Heinrich (SPD):
Rede ID: ID1823614100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nichts regt
die Afrodeutschen in meinem Wahlkreis mehr auf, als
wenn wir über Afrika reden, als wäre es eins . Afrika ist
Vielfalt . Deswegen ist es auch so schwer, dieses eine Ent-
wicklungskonzept für Afrika zu finden. Allerdings gibt
es eine Grundbedingung, ohne die Entwicklung nicht vo-
rankommen kann: Die verschiedenen Politikansätze und
Maßnahmen müssen sich ergänzen und bei der Lösung
von Problemen zusammenwirken . – Leider passiert oft
das Gegenteil .

Diese Politikkohärenz ist der entscheidende Faktor,
wenn wir globale Gerechtigkeit voranbringen wollen –
bei der bilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, bei
der Afrika-Politik der EU ebenso wie der G 20 . Gerade
wenn private Unternehmen zum Wohle der Entwicklung
von Partnerländern investieren sollen, dann ist es unab-
dingbar, dass dabei verbindlich soziale, ökologische und
menschenrechtliche Standards eingehalten werden .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen
gehört das Ziel fünf: Gleichberechtigung der Geschlech-
ter . Teil des Ziels ist der Zugang zu selbstbestimmter
Familienplanung . Ich greife das deswegen heraus, weil
Donald Trump die sogenannte Global Gag Rule wieder
in Kraft gesetzt hat . Er will allen Organisationen die Ent-
wicklungsgelder streichen, die mit dem Thema Abtrei-
bung zu tun haben oder auch nur das Wort „Abtreibung“
erwähnen. Das betrifft nicht nur Krankenhäuser oder Ge-
sundheitsdienste. Selbst die Beratung ist betroffen, zum
Beispiel die Beratung für Frauen, die vergewaltigt wor-
den sind, oder für schwangere Frauen, die sich mit dem
Aidsvirus infiziert haben. Aus der Vergangenheit wissen
wir, welche Auswirkungen das hat: Die selbstbestimmte
Familienplanung wird insgesamt eingeschränkt, und die
Abgabe von Verhütungsmitteln wird verweigert .

Die Amerikaner sind hier nicht irgendwer. Sie finan-
zieren den Hauptteil der Hilfen im Bereich Familienpla-
nung in Entwicklungsländern . Es passiert also genau das
Gegenteil von dem, wozu sich die Weltgemeinschaft in
den Nachhaltigkeitszielen verpflichtet hat.

Gag Rule bedeutet: Man spricht nicht darüber . Ich
meine: Doch, gerade über dieses Thema muss beim
G-20-Afrikagipfel und beim nächsten Treffen der Staats-
und Regierungschefs gesprochen werden . Selbstbe-
stimmte Familienplanung ist ein Lackmustest dafür, wie
ernst die führenden Industrieländer die Nachhaltigkeits-
ziele nehmen . Wenn wir es damit nicht so genau nehmen,
was ist dann mit den anderen Nachhaltigkeitszielen?

Frau Bundeskanzlerin, erinnern Sie Donald Trump an
die Verpflichtungen der USA – natürlich beim Klima-
schutz, aber eben auch bei der selbstbestimmten Fami-
lienplanung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823614200

Vielen Dank, Gabriela Heinrich . – Damit schließe ich

die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 18/12543 mit dem Titel „G20-Afrikagipfel – Gleich-
berechtigte Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ .
Wer stimmt für den Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist abgelehnt . Zugestimmt
hat Bündnis 90/Die Grünen . Dagegen waren die CDU/
CSU und die SPD-Fraktion . Enthalten hat sich die Linke .

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6 b . Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Staaten vor illegitimen Rückzahlungsansprü-
chen sogenannter Geierfonds wirksam schützen“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12343, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10639 abzuleh-
nen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen . Zugestimmt haben CDU/
CSU und SPD . Dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen
und die Linke . Damit ist die Beschlussempfehlung ange-
nommen .

Tagesordnungspunkt 6 c . Abstimmung über den An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 18/12383 mit dem Titel „Marktversagen beenden,
Innovationen fördern – Globaler Forschungsfonds für
bessere Gesundheit weltweit“ . Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Antrag ist abgelehnt . Zugestimmt haben Bündnis 90/Die
Grünen und die Linke . Dagegen waren CDU/CSU und
die SPD-Fraktion .

Tagesordnungspunkt 6 d . Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung zum Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Rechenschaftspflicht
und entwicklungspolitisches Mandat der Deutschen In-
vestitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG stärken“ .
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/10612, den Antrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/8657 abzulehnen . Wer stimmt

Dr. Sascha Raabe






(A) (C)



(B) (D)


für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung
ist angenommen . Zugestimmt haben CDU/CSU und die
SPD-Fraktion . Dagegen war die Linke . Enthalten haben
sich die Grünen . Damit ist die Beschlussempfehlung an-
genommen .

Tagesordnungspunkt 6 e . Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung zum Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Menschenrechtsver-
letzungen von Unternehmen verbindlich sanktionie-
ren – UN-Treaty-Prozess unterstützen“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/12567, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/12366 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Keine . Zugestimmt haben CDU/CSU- und
SPD-Fraktion . Dagegen waren die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist damit
angenommen .

Tagesordnungspunkt 6 f . Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 18/12548 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen, wobei die Federführung beim Ausschuss für Wirt-
schaft und Energie liegen soll . Ich nehme an, Sie sind
damit einverstanden . – Dann ist die Überweisung so be-
schlossen .

Zusatzpunkt 3 . Abstimmung über den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12545
mit dem Titel „,UN Binding Treaty‘ ambitioniert un-
terstützen“ . Wer stimmt für den Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist damit abge-
lehnt . Für den Antrag haben Bündnis 90/Die Grünen und
die Linke gestimmt . Dagegen waren CDU/CSU und die
SPD . Damit ist der Antrag abgelehnt .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna
Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Reichtum gerechter verteilen – Vermögen-
steuer als Millionärsteuer wieder erheben

Drucksache 18/12549

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Dazu gibt es
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Plätze
einzunehmen, damit ich die Aussprache eröffnen kann. –
Das tue ich jetzt und gebe Klaus Ernst für die Linke das
Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823614300

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Wir alle wissen: Die Vermögensverteilung – nicht
nur hier in der Bundesrepublik, sondern auch in der
Welt – wird zu einem ökonomischen Problem – nicht nur

zu einem moralischen, sondern auch zu einem ökonomi-
schen Problem . Das stellen die Weltbank, der IWF und
auch Thomas Piketty fest . Wir alle, die wir hier sitzen,
stehen mit dieser Feststellung nicht alleine . Laut Oxfam
besitzen acht Männer so viel wie der Rest der Mensch-
heit, über 3,5 Milliarden Menschen . In der Bundesrepu-
blik sieht die Situation so aus: Das reichste Tausendstel
besitzt 17,3 Prozent des Nettovermögens . Die ärmere
Hälfte hat gerade einmal 2,5 Prozent . Ein Drittel des
Nettovermögens gehört dem reichsten 1 Prozent der Be-
völkerung .

Was wir auch wissen, ist: Diese Verteilungsrichtung
geht weiter . Die Reichen werden reicher – weniger haben
immer mehr –, und je weiter man in die normale Bevöl-
kerung hineingeht, desto kleiner wird der Anteil der Bür-
ger, die überhaupt noch etwas haben .

Was haben Sie eigentlich in Ihrer Regierungszeit un-
ternommen, das zu ändern? – Ich schaue jetzt auch die
Sozialdemokraten an . Dieser Teil meiner Rede ist sehr
kurz: Nichts! Ich kann keine einzige Initiative von Ihnen
erkennen, diese Vermögensverteilung, die exorbitant von
dem abweicht, was notwendig wäre, überhaupt anzuge-
hen. Ihre Untätigkeit ist gesellschaftlicher Sprengstoff.
Reichtum hat nämlich auch eine andere Seite: die Armut .
Im Bericht zur Armutsentwicklung des Paritätischen
Gesamtverbandes wird anschaulich gezeigt, dass die Ar-
mutsquote von 2005 bis 2015 um 6,8 Prozent gestiegen
ist, bei Personen über 65 Jahren sogar um 32,7 Prozent .
Das ist die andere Seite derselben Medaille: Reichtum
auf der einen und Armut auf der anderen Seite .

Sie machen seit Jahren eine Politik zum Schutz der
Vermögenden . Das Deutsche Institut für Wirtschafts-
forschung stellt fest, dass die Einkommen- und die
Unternehmensteuerreform die Reichen deutlich entlas-
tet haben . Nur noch 2,5 Prozent des Gesamtsteuerauf-
kommens kommen aus vermögensbezogenen Steuern .
Nur noch 2,5 Prozent! Im Vergleich zum BIP waren es
im Jahr 2010 nur 0,8 Prozent . 26 OECD-Länder liegen
deutlich darüber . Teilweise holen sie sich mehr als das
Doppelte von ihren Vermögenden wie wir . Zu diesen
Ländern, meine Damen und Herren, gehören die USA,
Kanada, Großbritannien, Frankreich und Japan, um nur
einige zu nennen . Ich fordere Sie wirklich auf: Beenden
Sie diese Untätigkeit! Sie gefährdet die wirtschaftliche
Stabilität des Landes .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen eine wirksame Vermögensteuer, um die-
se himmelschreiende Ungerechtigkeit und diesen ökono-
mischen Unfug zu beenden .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Quatsch!)


Konzepte für die verfassungsgemäße Ausgestaltung ei-
ner Vermögensteuer liegen längst vor . Wir schlagen eine
5-prozentige Vermögensteuer ab einem Vermögen von
1 Million Euro und ab 5 Millionen bei Unternehmen vor .
Keinem Einzigen der Betroffenen tut das weh.

Ein Beispiel: Eine Vermögensteuer von 5 Prozent auf
das Vermögen der Superreichen – nur der Superreichen –
hätte von 2011 bis 2015 umgerechnet über 500 Milliar-
den Euro in die Staatskasse gebracht . Das ist allerdings

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


deutlich weniger, als deren Zuwächse im selben Zeitraum
gewesen sind . Das heißt, sie hätten trotz dieser Steuer
noch immer deutlich mehr .

Ich kenne Ihre Gegenargumente; Sie gucken ja schon
so skeptisch . Sie sagen, das sei Neid . Der Sonnyboy von
der FDP hat gesagt, das seien kleptokratische Züge des
Staates . Welch ein Unfug! Die Einführung einer Vermö-
gensteuer, meine Damen und Herren, gebietet die Moral,
aber auch die ökonomische Vernunft .

Ich schließe mit einem Satz der Journalistin Ulrike
Herrmann . Sie schreibt über die Datenlage derer, die
überhaupt Geld haben:

Würde man eine Vermögenssteuer einführen, wäre
sofort bekannt, wer die fehlenden Billionen besitzt .
Genau deswegen wird die Vermögenssteuer mit al-
ler Macht verhindert – und stets behauptet, dass sich
„der Verwaltungsaufwand nicht lohnen“ würde .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Richtig! Weil sie nicht vollziehbar ist! Ich nehme Sie gerne mal mit in die Finanzämter!)


Er würde sich lohnen, meine Damen und Herren .

Wissen Sie was? Ich sage es Ihnen ganz einfach: Sie
haben nicht den Mut . Sie haben die Hose voll, wenn es
um die Reichen geht . Sie trauen sich nicht, an die heran-
zugehen . Das ist Ihr Problem .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht! Quatsch!)


Die einzige Partei, die das macht, ist die Linke . Deshalb
freue ich mich, dass wir bald Bundestagswahl haben . Im
Wahlkampf werden wir genau diese Themen aufgreifen .

Danke für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823614400

Vielen Dank, Klaus Ernst . – Das war das erste Mal,

dass Sie Ihre Redezeit bei weitem nicht ausgeschöpft ha-
ben .

Nächster Redner: Olav Gutting für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1823614500

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! –

Jetzt muss ich schon husten . Herr Ernst, das muss am
Staub auf dem Antrag, den Sie hier eingebracht haben,
liegen .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn Sie haben ihn 2010 und 2012 schon einmal vor-
gelegt . Jetzt haben Sie die Vermögensteuer wiederbe-
lebt und Ihren Antrag aus der Mottenkiste gezogen . Der
einzige Unterschied ist: Heute wollen Sie nicht nur Pri-
vatvermögen ab 1 Million Euro, sondern auch noch die

Betriebsvermögen ab 5 Millionen Euro mit einem Steu-
ersatz von 5 Prozent jährlich besteuern .


(Dr . Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Ganz genau! Schwachsinn!)


Wir haben das in den letzten Wahlperioden abgelehnt,
und wir werden das auch heute wieder tun . Das, was Sie
hier vorschlagen, war falsch, es ist falsch, und es wird
auch falsch bleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine Vermögensteuer, also eine Substanzbesteuerung,
führt zu Kapitalflucht. Vermögen, aber auch Produkti-
onsstätten und Betriebe sind mobil . Das ist leider so . Sie
können einfach ins Ausland verlagert werden . Mit einer
Substanzbesteuerung provozieren Sie ja geradezu Stand-
ortverlagerungen .


(Zuruf der LINKEN)


– Dann wird es verkauft, und man kauft sich woanders
eines; das ist doch ganz einfach .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dann bleibt es aber da!)


Sie können dem Arbeitnehmer dann zwar erzählen, dass
Sie eine tolle Vermögensteuer eingeführt haben, und Sie
können ihm sagen: „Jetzt können wir endlich einmal den
von uns definierten Reichen ans Portemonnaie gehen“,
dass dabei sein Arbeitsplatz über die Wupper ging, müs-
sen Sie ihm dann aber auch erklären .

Eine Substanzbesteuerung zerstört Wachstum und
kostet Arbeitsplätze . Wenn Sie den Familienunterneh-
men, die ja Gott sei Dank Ertragsteuern bezahlen, auch
noch an die Substanz gehen, dann entziehen Sie den Un-
ternehmen zusätzliche Liquidität, und am Ende bedrohen
Sie damit ihre Existenz .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau das ist es!)


Sie begründen Ihren Antrag ja mit Mehreinnahmen für
die öffentliche Hand. Sie haben vorhin eine Zahl in den
Raum gestellt und von 500 Milliarden Euro gesprochen .
Da bleibt einem tatsächlich die Spucke weg . Sie lassen
aber den bürokratischen Aufwand außer Acht, den Sie
betreiben müssten, um die Vermögensteuer überhaupt
erheben zu können .

Wir haben bereits in den 90er-Jahren die Vermögen-
steuer gehabt .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Richtig!)


Damals betrugen die Erhebungskosten knapp ein Drit-
tel des Aufkommens . Ich glaube, es gäbe keine teurere
Steuer als die Vermögensteuer, wenn sie so ausgestaltet
würde, wie Sie es beabsichtigen . Die Verwaltungskosten
für die Unternehmen, die Bürger, aber gerade auch die
Finanzverwaltungen wären enorm und stünden in kei-
nem Verhältnis zu den von Ihnen versprochenen Mehr-
einnahmen .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Ganz genau!)


Dank guter Rahmenbedingungen sind die Steuerein-
nahmen von Bund, Ländern und Kommunen gegenüber

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


2015 um insgesamt 28 Milliarden Euro gestiegen . Im
letzten Jahr haben wir 648 Milliarden Euro an Steuern
eingenommen . Das ist ein absolutes Rekordniveau . Hin-
zu kommt, dass die Einkommensschere seit Jahren nicht
mehr auseinandergeht, sondern konstant bleibt . Das ist
Ergebnis unserer Politik! Herr Ernst, da Sie gefragt ha-
ben: Das haben wir für die Bevölkerung gemacht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vernünftige wirtschaftliche und steuerliche Rahmen-
bedingungen fördern den Konsum und Investitionen,
und das führt zu Steuermehreinnahmen . Steuerlich fal-
sche Rahmenbedingungen, wie Sie sie hier vorschlagen,
führen am Ende zu einer geringeren Steuer und zu einem
geringeren Anspruch des Staates .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823614600

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung vom Kollegen Ernst?


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1823614700

Ich führe das jetzt zu Ende und weiß auch schon, was

kommen wird . Sie verschweigen nämlich auch immer,
dass wir 1997, als wir auf die Erhebung der Vermögen-
steuer verzichtet haben, andere Steuern erhöht haben, um
den Verlust auszugleichen . Wir haben die Erbschaft-, die
Schenkung- und die Grunderwerbsteuer erhöht, um den
Verlust bei der Vermögensteuer wieder auszugleichen .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Mehrwertsteuer vergessen!)


Die Steuersätze bei der Erbschaftsteuer – Sie haben
vorhin Millionenvermögen genannt – betragen bis zu
50 Prozent, und Sie wissen selbst, dass eine verfassungs-
gemäße Vermögensbesteuerung die Neubewertung des
gesamten Grundbesitzes in Deutschland mit sich brin-
gen würde . Das wäre ein riesiger Aufwand für die Ver-
waltung . Sie müssten die Betriebsvermögen, die starken
Schwankungen innerhalb der Jahre unterliegen, jedes
Jahr mit individuellen Gutachten neu bewerten . Das wäre
eine Mammutaufgabe für die öffentliche Verwaltung,
und diese Mammutaufgabe stünde in keinem vernünfti-
gen Verhältnis zu dem zu erwartenden Ertrag .

Tun Sie bitte auch nicht so, als ob sich die von Ihnen
benannten sogenannten Reichen nicht an der Finanzie-
rung unseres Staates beteiligen würden . Aufgrund der
Progression bei der Einkommensteuer tragen bereits
heute die 10 Prozent, die die höchste Einkommensteuer
zahlen, über 50 Prozent der gesamten Einkommensteu-
er . Die oberen 50 Prozent der Einkommensteuerzahler
spülen 94 Prozent des Gesamtaufkommens der Einkom-
mensteuer in die Kassen . Das ist Umverteilung, und sie
funktioniert .

Es bleibt also festzuhalten: Mit der Einführung der
Vermögensteuer wären Steuergestaltung und Steuer-
flucht ins Ausland vorprogrammiert. Diese Art von Ver-
mögensteuer würde die Volkswirtschaft schädigen . Sie
wäre investitionsfeindlich, bürokratisch und teuer . Sie
würde schon mittelfristig zu weniger Investitionen, zu
mehr Arbeitslosigkeit und wegbrechenden Steuereinnah-

men führen . Aus den eben genannten Gründen bleibt uns
auch dieses Mal nichts anderes übrig, als Ihren wirklich
staubigen Antrag zurückzuweisen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823614800

Vielen Dank, Olav Gutting . – Das Wort zu einer Kurz-

intervention hat Klaus Ernst .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823614900

Danke, Frau Präsidentin . – Herr Gutting, Sie haben

mir vorgeworfen, Argumente aus der Mottenkiste zu ver-
wenden . Die Argumente, die Sie vorgebracht haben, sind
noch älter .

Sie sprechen immer dann von einem bürokratischen
Aufwand, wenn es um irgendeine Form von Gerechtig-
keit geht . Wir kennen das vom Mindestlohn . Da ist es
nicht möglich, aufzuschreiben, wie lange jemand gear-
beitet hat . Jetzt gibt es im Zusammenhang mit der Ver-
mögensteuer keine Lösung, weil man nicht aufschreiben
kann, wie viel Vermögen jemand besitzt .

Herr Gutting, in den USA ist das möglich . Übrigens
gibt es dort sehr viele Reiche . Das einzige Land, in dem
noch mehr Supervermögende als in der Bundesrepublik
leben, sind die USA . In den USA werden aber Menschen
mit Vermögen höher besteuert als hier . Das wird auch
in Großbritannien so gemacht . Sie tun so, als ob nach
der Einführung einer solchen Steuer alle auf gepackten
Rucksätzen sitzen und vielleicht nach Deutschland kom-
men würden, weil wir weniger Steuern verlangen . Das
ist aber nicht so . Ihre Argumente haben mit der Realität
schlichtweg nichts zu tun .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Ihre Argumente zutreffen würden, dürfte es in die-
sen Ländern gar keine Reichen mehr geben . Sie müssten
dann alle schon weg sein, sie sind aber noch da .

Auch der bürokratische Aufwand scheint in anderen
Ländern nicht so hoch zu sein, als dass ihn die Staaten
nicht bewältigen könnten . Die Vermögensteuer wird auch
in Frankreich und Italien erhoben . Die meisten Länder,
mit denen wir in wirtschaftlichen Beziehungen stehen,
stellen deutlich höhere Forderungen an ihre Reichen, als
wir das tun .

Noch etwas . Sie sind ja nicht aus Bayern, aber ich .
Ich bin es übrigens gerne . Ich möchte einen Satz aus der
bayerischen Verfassung zitieren, weil Sie auch die Erb-
schaftsteuer angesprochen haben; Herr Graf Lerchenfeld,
wir wissen das .

In der bayerischen Verfassung steht:

Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die
Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen
einzelner zu verhindern .

Das war jetzt wörtlich . – Das heißt, das Ziel der Men-
schen, die die bayerische Verfassung geschrieben ha-
ben – sie waren damals sehr klug –, war, die Ansamm-
lung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu

Olav Gutting






(A) (C)



(B) (D)


verhindern . Deshalb führten sie eine Erbschaftsteuer
ein . – Auch diese ist Ihnen nicht recht .

Aber wissen Sie, was mich am meisten stört? Ich habe
in Ihren Ausführungen nicht einen einzigen Satz dazu ge-
hört, wie Sie das Problem der ungleichen Vermögensver-
teilung angehen wollen; nicht einen einzigen Satz! Das
heißt, bei Ihnen bleibt alles so, wie es ist: Die Reichen
werden reicher, die Armen werden ärmer . – Wenn das
das Konzept der CDU ist: Klasse! Ich freue mich auf den
Wahlkampf!


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823615000

Herr Gutting, Sie haben das Wort zu einer Replik .


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1823615100

Lieber Herr Kollege Ernst, das ist die typische Rosi-

nenpickerei, die Sie bei internationalen Vergleichen im-
mer wieder vornehmen .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Genau!)


Sie nehmen sich einzelne Steuern heraus . Sie müssen
aber jeweils die Gesamtsteuerbelastung betrachten .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich habe die Gesamtsteuerbelastung genommen!)


Jetzt erzählen Sie mir bitte nicht, dass in Großbritannien
oder in den USA die Gesamtsteuerbelastung für die Bür-
ger höher wäre als in unserem Land .


(Beifall des Abg . Bernhard Kaster [CDU/ CSU] – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es geht um die Besteuerung der Reichen!)


Schauen Sie sich die OECD-Daten an . Dann werden
Sie erkennen, dass wir in Deutschland nach Belgien welt-
weit die zweithöchste Belastung haben . Wenn Ihnen das
nicht reicht: Schön! Sagen Sie Ihre Meinung ruhig wei-
terhin . Dann freuen auch wir uns auf den Wahlkampf .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823615200

So, jetzt sind wir noch im Parlament und im parla-

mentarischen Rahmen . Deswegen: Danke schön, Herr
Gutting . – Der nächste Redner: Dr . Thomas Gambke für
Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vermö-
gensbesteuerung: Das ist gar keine Frage! Wir Grüne – in
großer Einigkeit –


(Olav Gutting [CDU/CSU]: Das gibt es bei den Grünen nicht!)


wollen eine verfassungsfeste, eine umsetzbare und eine
ergiebige Vermögensbesteuerung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Lieber Herr Kollege Gutting, ich denke nicht, dass ich
Ihre Worte gegen die Substanzbesteuerung so verstehen
darf, dass die Union im Wahlkampf die Abschaffung der
Grundsteuer fordern wird, einer Substanzbesteuerung
und sehr effektiven Vermögensbesteuerung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja mal spannend!)


Das heißt, wir haben eine wirksame Vermögensbesteu-
erung, eine Substanzbesteuerung . Ich gehe davon aus,
dass die Union wie alle anderen diese nicht abschaffen
will . Dazu darf ich sagen: Das waren 2015 immerhin
13 Milliarden Euro, und es sind sogar 2,4 Prozent mehr
gewesen als im Jahr 2014 . Wir haben also eine Vermö-
gensbesteuerung .

Wir Grünen wollen zwar eine verfassungsfeste, ergie-
bige und umsetzbare Vermögensbesteuerung, aber bei
der Umsetzbarkeit geht es auch um Verwaltungsaufwand
und Rechtssicherheit, und wir wollen, dass dies berück-
sichtigt wird . Wir wollen auch, dass keine Arbeitsplätze
gefährdet werden . Wir wollen, dass Investitionen, die zu
Innovationen in den Unternehmen führen, nicht einge-
schränkt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dabei hat uns die sehr quälende Debatte über die
Erbschaftsteuer die Schwierigkeiten überaus deutlich
gemacht . Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt,
dass die Erbschaftsteuer, so wie sie seit 2009 existiert,
nicht verfassungsfest ist . Warum nicht? Weil im statis-
tischen Durchschnitt niedrige Vermögen bei der Schen-
kung oder Vererbung am höchsten besteuert wurden – so
war es nämlich – und die großen Vermögen am niedrigs-
ten belastet wurden . Warum? Weil man Verschonungs-
regelungen hatte – die Lohnsummenregelung und die
Unterscheidung zwischen Verwaltungsvermögen und
persönlichem Vermögen – und diese Problematik nicht
so gelöst war, dass das Verfassungsgericht die Regelun-
gen für verfassungsfest erklärt hat .

Die Antwort der Großen Koalition auf das Urteil des
Verfassungsgerichts war kein wirklich großer Wurf .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Gegenteil: Die steuerfreie Übertragung sehr großer
Vermögen wurde zwar eingeschränkt, aber die Gleich-
mäßigkeit und Angemessenheit ist mit Sicherheit nach
wie vor ein Problem . Ich bin mir – wie viele Exper-
ten – relativ sicher, dass diese Regelungen wieder vor
dem Verfassungsgericht landen werden und damit die
zweite wirksame Vermögensbesteuerung, nämlich die
Erbschaftsteuerregelung, eben weil die Problematik so
komplex ist, wieder hier im Hause beraten und entschie-
den werden muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei der Wiederbelebung einer Vermögensteuer müs-
sen wir diese Problematik also in den Blick nehmen und
Lösungen dafür finden. Das ist gar keine Frage.

Bei der Ausgestaltung der Vermögensteuer kommt
eine weitere Schwierigkeit hinzu, die wir bei der Erb-

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


schaftsteuer nicht haben, und zwar der Bereich Alters-
vorsorge und Rückstellungen für das Alter . Das können
Immobilien sein .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Genau!)


Das kann auch eine Pensionszusage sein . Herr Kollege
Ernst, ich gehe davon aus, dass Sie Millionär sind –


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Mehrfacher!)


– ja, mehrfacher, genau –, aber allein aufgrund der Pensi-
onszusagen dieses Hauses .

Es gibt aber auch Wertpapiervermögen, die Selbst-
ständige als Altersvorsorge haben, und die müssen dann
fairerweise entsprechend berücksichtigt werden . In Ih-
rem Antrag findet sich dazu kein Wort. Es findet sich kein
Wort dazu, wie Sie Arbeitsplätze sichern wollen und wie
Sie Innovationen schützen wollen . Ich muss sagen: Sie
stellen hier eine reine Überschriftenforderung auf . Das
ist absolut inakzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das sind Forderungen, denen wir überhaupt nicht zustim-
men können . Sie tun der Vermögensbesteuerung richtig
weh, weil Sie diese auf einen ganz falschen Weg führen .

Die Vermögensteuer müsste bei mehrfachen Millio-
nären ansetzen; das ist gar keine Frage . Sie müsste die
schwierige Frage der Abgrenzung von Privatvermögen
und Betriebsvermögen lösen – das ist ganz schwierig –,
und sie müsste so ausgestaltet werden, dass keine Ar-
beitsplätze, Innovationen oder Investitionen gefährdet
werden .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das kann man doch machen!)


– Ja, aber Sie sagen nichts dazu .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823615300

Und Sie müssten zum Ende kommen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Richtung ist also richtig . Wir brauchen eine wirk-
same Vermögensbesteuerung . Aber wegen der Art und
Weise, die Sie in Ihrem Antrag vorgesehen haben, müsste
man ihn ablehnen . Weil das Thema aber richtig adressiert
ist, werden wir uns enthalten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823615400

Vielen Dank, Thomas Gambke . – Nächste Rednerin:

Cansel Kiziltepe für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Cansel Kiziltepe (SPD):
Rede ID: ID1823615500

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Linke ist die
Vermögensteuer offenkundig ein Heilsbringer. Völlig

klar ist für die Linke auch: Der Steuersatz beträgt für alle
5 Prozent . Das bedeutet: Ein zweifacher Milliardär wür-
de dann den gleichen Steuersatz zahlen wie ein zweifa-
cher Millionär .

Die Vorschläge anderer Institutionen – zum Beispiel
der Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der
es viel klüger und gerechter angeht und dem Vorschlag
von Thomas Piketty folgend einen progressiven Tarif in
der Vermögensteuer fordert – zeigen, liebe Kolleginnen
und Kollegen der Linken: Immer radikaler heißt nicht
gleichzeitig immer besser .


(Beifall bei der SPD)


Nach dem Konzept des Deutschen Gewerkschaftsbundes
ist ein Steuersatz in Höhe von 1 Prozent – er soll für Mil-
liardäre progressiv bis auf 2 Prozent steigen – vorgese-
hen. Das hat Charme und ist, wie ich finde, ein Novum.

Die hysterische Ablehnung der Kollegen aus der Uni-
on und vonseiten der Reichenlobby stellt das andere Ex-
trem in der Debatte dar . Man hört von ihnen auch, eine
Vermögensteuer sei nicht verfassungsfest zu gestalten .
Da muss man sich ja fragen: Warum steht sie im Grund-
gesetz, wenn sie angeblich verfassungswidrig ist? Herr
Gutting, hätten Sie gestern die Tagung des Instituts Fi-
nanzen und Steuern besucht, hätten Sie den erhellenden
Ausführungen des Verfassungsrichters Gaier folgen kön-
nen, der nämlich gesagt hat, auch eine Substanzbesteu-
erung in Form der Vermögensteuer sei verfassungskon-
form .

Zu den Grünen: Die Grünen haben heute ihren Zehn-
Punkte-Plan für die Bundestagswahl vorgestellt . Aber
leider konnte ich in diesem Zehn-Punkte-Plan eine Pri-
orität im Hinblick auf die Vermögensbesteuerung nicht
feststellen . Die Vermögensbesteuerung hat es nicht unter
die Top Ten geschafft. Auch das bedaure ich sehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unstrittig, dass
die Vermögensungleichheit in Deutschland zunimmt .
Dieser Trend beschädigt die Demokratie; denn die sozi-
ale Kluft wird immer größer . Diese Entwicklung ist aber
auch ökonomisch unvernünftig . Wenn man die Zahlen
der OECD vergleicht, dann sieht man, dass die Vermö-
gensbesteuerung in Deutschland unter dem Durchschnitt
aller OECD-Länder liegt . Auch das ist nicht haltbar .

Für uns, für die Sozialdemokratie folgt daraus ein kla-
rer Auftrag . Insoweit möchte ich aus unserem Wahlpro-
gramm, das im Entwurf vorliegt, zitieren:

Für mehr soziale Stabilität werden wir die wachsen-
de Kluft zwischen Arm und Reich verringern . Men-
schen mit hohem Einkommen und Vermögen sollen
dazu einen angemessenen Beitrag leisten .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823615600

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Bemerkung oder Fra-

ge vom Kollegen Pitterle von der Linken?


Cansel Kiziltepe (SPD):
Rede ID: ID1823615700

Gerne .

Dr. Thomas Gambke






(A) (C)



(B) (D)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823615800

Vielen Dank, Frau Kollegin Kiziltepe, dass Sie die

Frage zulassen . – Sie haben ja gerade den Vorschlag des
DGB als sinnvollere Lösung als die, die wir vorschlagen,
gelobt . Kann ich davon ausgehen, dass die SPD diesen
DGB-Vorschlag für die Vermögensteuer übernimmt und
hier einbringt? Denn dann können Sie auf unsere Zustim-
mung hoffen.


(Beifall bei der LINKEN)



Cansel Kiziltepe (SPD):
Rede ID: ID1823615900

Wir sind mitten in der Programmdebatte .


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Vielleicht wissen Sie, dass wir unseren Parteitag Ende
Juni haben . Darüber entscheidet der Parteitag, Herr
Pitterle .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich gibt es
auch Alternativen . Natürlich ist nichts alternativlos . Wer
aber die Vermögensteuer – eine höhere Besteuerung von
Vermögen – will, der kommt auch an höheren Steuern
für Einkommen nicht vorbei . Für eine funktionierende
Besteuerung von großen Erbschaften wäre es natürlich
notwendig, dass wir eine weitere Reform der Erbschaft-
steuer erreichen . Das Problem hierbei ist nur, dass in den
letzten Jahren, also seit 2009, 250 Milliarden Euro steu-
erfrei übertragen wurden – und das, was absurd ist, meist
an minderjährige Enkel und Kinder .

Dieses Instrument ist aber für die kommenden Jahre
bzw . im Hinblick auf die nächste Generation ein stump-
fes Schwert . Deshalb plädiere ich, wenn wir die Vermö-
gensungleichheit in Deutschland vermindern und eine
gerechte Besteuerung herbeiführen wollen, dafür, auch
die Vermögensteuer in Erwägung zu ziehen . Von der
Union sind Bemühungen in dieser Hinsicht, denke ich,
nicht zu erwarten . Das ist bedauerlich; aber das sollte die
Bevölkerung wissen .

Danke .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823616000

Vielen Dank, liebe Kollegin . – Nächster Redner:

Dr . Hans Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1823616100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Woran merkt ein erfahrener Abgeordneter, dass der
Wahlkampf begonnen hat? Er merkt es daran, dass die
Linken – insbesondere linke Kollegen – ganz tief in die
ideologische Mottenkiste greifen . Nun sollen wieder
einmal Milliardäre in Deutschland verboten werden .
Die deutschen Eigentümer, Unternehmer, Sportler und
Künstler sollen noch weiter besteuert werden .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wo steht das denn?)


– Wo das steht? Herr Ernst, Sie müssen nur in der neu-
esten Ausgabe der Welt lesen, was Ihr Fraktionsvorsit-
zender gesagt hat: Ich will einen Staat, der Milliardäre
verhindert .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber nicht verbietet! Verhindern, nicht verbieten! „Verhindern“ ist doch ganz etwas anderes als „verbieten“!)


Sie wissen scheinbar gar nicht, was Ihr Fraktionsvorsit-
zender fordert . Aber Sie unterscheiden sich in der Ge-
samtlösung sicherlich nicht . Es ist jedenfalls sehr frag-
lich, ob Sie dieses Parlament ernst nehmen, wenn Sie
immer wieder die gleichen falschen Forderungen hier
aufstellen . Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
SPD, ich habe leider gehört, dass auch die SPD eine Ver-
mögensteuer nicht ausschließt . Das ist sehr bedauerlich .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Vor allem für die Millionäre und Milliardäre!)


Vielleicht können Sie das noch korrigieren .

Nach dem enormen Anstieg der Steuereinnahmen, der
sich für die nächsten Jahre abzeichnet, fällt Ihnen nicht
mehr ein, als immer wieder eine zusätzliche Vermögen-
steuer zu fordern . Das Bundesverfassungsgericht hat
aber die Vermögensteuer in ihrer Form als nicht verfas-
sungskonform angesehen . Auch das gehört zur Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie ziehen dann irrwitzige Vergleiche mit armen Men-
schen und von Armut gefährdeten Kindern . Das berührt
uns sicherlich ebenfalls . Aber Millionäre und Milliardäre
leben nicht auf Kosten dieser Kinder . Vielmehr leisten die
Millionäre und Milliardäre aufgrund der Steuerprogressi-
on einen großen Beitrag zu der hohen Sozialleistungs-
quote in Deutschland. Diese ist im Übrigen die höchste in
der ganzen Welt . 53 Prozent des Bundeshaushaltes geben
wir für Soziales aus . In diesem Bereich herrscht keine
Ungerechtigkeit . Das sollte einmal festgestellt werden .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823616200

Herr Kollege Michelbach, erlauben Sie eine Zwi-

schenfrage oder -bemerkung vom Kollegen Schlecht von
der Linken?


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1823616300

Ja, gerne .


Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823616400

Herr Kollege, Sie haben eben gesagt, das Verfas-

sungsgericht habe die Vermögensteuer bzw . eine Wieder-
einführung der Vermögensteuer für verfassungswidrig
gehalten . Da sind Sie einem Irrtum aufgesessen . Eine
Zeitlang geisterte in der öffentlichen Debatte der soge-
nannte Halbteilungsgrundsatz herum . Mit diesem wur-
de begründet, dass man bei einer Wiedereinführung der
Vermögensteuer schnell an seine Grenzen stoßen werde .
Ich kann Ihnen nur den Hinweis geben – wahrscheinlich
sind Sie da nicht auf der Höhe der Debatte –, dass das
Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren – das muss
etwa acht Jahre her sein – entschieden hat, dass der Halb-
teilungsgrundsatz, wie er ursprünglich festgelegt wur-






(A) (C)



(B) (D)


de – bezeichnenderweise von einem Herrn Kirchhof –,
nicht mehr der gängigen Rechtsprechung des Gerichts
entspricht und dass es daher keinerlei juristische Grenzen
gibt, wenn es darum geht, eine Vermögenbesteuerung
durchzuführen, und zwar auch dann nicht, wenn die Ver-
mögenbesteuerung eine Substanzbesteuerung darstellt .

Der Grund, warum wir die Vermögensteuer als Milli-
onärsteuer wieder einführen wollen, ist nicht nur die Ge-
rechtigkeit . Vielmehr können damit jedes Jahr 100 Mil-
liarden Euro zusätzliche Einnahmen erzielt werden . Dies
wäre die finanzielle Basis, um nachhaltig in Infrastruktur
und soziale Dienstleistungen zu investieren, und das in
extremer Größenordnung . Dadurch würden mindestens
50 000 Arbeitsplätze in diesem Land geschaffen. So
viel zu dem Argument, eine Wiedereinführung der Ver-
mögensteuer vernichte Arbeitsplätze . Nein, eine Mil-
lionärsteuer, deren Einnahmen der Produktion und den
Dienstleistungen zugeführt werden, würde Arbeitsplätze
schaffen.

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823616500

Herr Michelbach, bitte .


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1823616600

Herr Kollege Schlecht, ich nehme Ihren Beitrag als

Frage .


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Das war eine Aufforderung!)


Ich darf feststellen, dass Sie zwei völlig unterschiedli-
che Dinge miteinander vermischen . Sie stellen Ihre Frage
aber einem Kollegen, der schon lange Abgeordneter ist
und daher weiß, dass das Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts 1994 gefällt wurde und dass die Vermögensteuer
nicht durch Beschluss des Deutschen Bundestages ab-
geschafft wurde, sondern aufgrund dieses Urteils ausge-
laufen ist . Die von Ihnen erwähnte spätere Beurteilung
bezieht sich auf eine ganz andere Steuerfrage . Deswegen
kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind hier im falschen Film .
Die Vermögensteuer ist aufgrund eines Urteils des Bun-
desverfassungsgerichts ausgelaufen . Das ist Tatsache .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: In der Form! Das kann man doch anders machen!)


In Deutschland leisten – das sollte man noch einmal
betonen – heute die 10 Prozent der einkommensstärksten
Steuerzahler über 50 Prozent des Steueraufkommens bei
der Einkommensteuer . Meine Damen und Herren, wir
brauchen keine neuen und höheren Steuern, wenn wir ein
erfolgreiches Land mit Vollbeschäftigung und Wohlstand
für alle bleiben wollen .


(Karin Binder [DIE LINKE]: Wo ist denn der Wohlstand für alle? Ein Drittel dieser Gesellschaft ist arm!)


Seit Ludwig Erhard geht es um höchste Beschäftigung,
um Wohlstand für alle; das ist unser Ansatz . Wir brau-

chen vor allem Steuerentlastungen für alle Arbeitnehmer,
für die hart arbeitende Mittelschicht und natürlich auch
für unsere Betriebe . Diese haben ein Anrecht auf eine
hohe Leistungs- und Wachstumsdividende; denn sie ha-
ben dieses Wachstum erarbeitet .


(Karin Binder [DIE LINKE]: Wer hat es erarbeitet? Die Millionäre doch nicht!)


Mich ärgert immer, wenn Sie von Steuergeschenken
sprechen, meine Damen und Herren . Es ist zunächst ein-
mal das Geld der Leute, die das erarbeitet haben – es sind
keine Geschenke –, und erst dann kommt der Staat .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, für eine gerechte Steuerpo-
litik sind Sie auf dem völlig falschen Dampfer . Deswe-
gen kann ich nur sagen: Wir werden für mehr Netto vom
Brutto sorgen und den Menschen, den Bürgern mehr
Geld in ihr Portemonnaie geben .

Eine Lösung mit einer Abflachung der Tarifkurve,
mit einer Einkommensteuerreform, mit Forschungs- und
Investitionsförderung und mit dem Abbau von bürokra-
tischen Hürden beim Steuerrecht ist wichtig . Das ist so-
ziale Marktwirtschaft, das ist eine stringente Wachstums-
und Beschäftigungsförderung in Deutschland . Das ist die
Steuer- und Finanzpolitik, die die CDU/CSU betreiben
wird . Sie wird auch für unseren Wirtschaftsstandort, für
die Arbeitsplätze wesentlichen weiteren Erfolg erbrin-
gen . Darum geht es, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht doch mal die Forschungsförderung!)


Sie müssen sich einmal vor Augen führen: Vor 40 Jah-
ren galt man für den Fiskus als Topverdiener, wenn man
das 17-Fache des Durchschnittslohns verdient hat .


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war halbwegs fair!)


Heute ist der Spitzensteuersatz bereits fällig, wenn man
das 1,3-Fache, also knapp 54 000 Euro im Jahr, verdient;
das ist die Situation . Deswegen müssen wir gerade die
mittleren Einkommen etwas entlasten und einen neuen
Tarifansatz bringen .


(Karin Binder [DIE LINKE]: Das hätte man schon vor zehn Jahren machen können!)


Letzten Endes benötigen wir eine Lösung . Wir brau-
chen keine Neiddebatte . Was Sie wollen, ist, die Men-
schen in unserem Land in einer Neiddebatte gegenei-
nander aufzuhetzen, weil Sie glauben, daraus politisches
Kapital schlagen zu können .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wie die Weltbank und der IWF! Wir hetzen die Leute aufeinander? Was reden Sie für einen Käse?)


Aber wir werden das nicht mitmachen, wir werden da-
gegenhalten . Wir werden den Menschen sagen: Mit uns
bekommen sie mehr Entlastung, mit uns bekommen sie
mehr Netto vom Brutto, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Michael Schlecht






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823616700

Vielen Dank, Kollege Michelbach . – Letzter Redner

dieser sehr lebendigen Debatte: Lothar Binding für die
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Der hat schon wieder was in der Hand!)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1823616800

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Hans
Michelbach hat gesagt: Das Wachstum wird erarbeitet . –
Das stimmt . Beim Vermögen ist es aber so, dass 80 Pro-
zent des Vermögens aus Erbschaften stammen .

Betrachten wir den Fall „Das Wachstum wird erarbei-
tet“ . Nehmen wir einmal an, man hat ein Unternehmen
mit 3 000 Mitarbeitern . Nur ganz wenige in diesem Un-
ternehmen können sich etwas zurücklegen, wie dieser
prall gefüllte Becher zeigt . Dann gibt es 3 000 Leute in
dem Unternehmen, die sich so gut wie nichts zurücklegen
können . Dazu habe ich den anderen Becher mitgebracht .

Wer sich die Becher einmal genauer anschaut, der
wird sehen, dass hier eine gewisse Ungleichheit herrscht .
Dabei sind diejenigen, die sich nur wenig zurücklegen
können, nicht weniger fleißig als diejenigen, die sich
mehr zurücklegen konnten oder es ererbt haben . Es ist
wichtig, darüber genauer nachzudenken; denn die Un-
gleichheit – das haben wir gelernt – stört nicht nur den
sozialen Frieden, sondern – noch viel schlimmer – auch
die Wachstumsentwicklung . Das müssen diejenigen, die
immer auf Wachstum setzen, wissen .

Das Allerschlimmste aber ist – dazu frage ich einmal
die Reichen unter uns –, dass es auch das Wohlbefinden
stört . Natürlich kann sich ein Reicher eine tolle Villa und
einen Zaun darum herum bauen . Aber ehrlich gesagt:
Wenn ich einen Zaun um meine Villa habe, muss auch
ich immer durch diesen Zaun raus- und wieder reinge-
hen . Vielleicht wäre eine Situation schöner, in der ich
das nicht brauche. Insofern: Lasst uns zum Wohlbefin-
den zurückkehren! Es ist besser, wenn man da gerechter
vorgeht .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Wir haben im Wesentlichen drei Formen: Grundsteu-
er, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer . Ich glaube, alle
Parteien überlegen im Moment, in welcher Kombination
sie hier eine gewisse Gerechtigkeitskomponente schaffen
können .

Es heißt immer, das ist zu viel Bürokratie und man
kann keine Bewertung vornehmen . Dazu sage ich: Wir
haben 20 Jahre lang versäumt, die Bewertungsgesetze
anzupassen . Bei jeder Bilanz, bei jeder Gewinn- und Ver-
lustrechnung und bei jeder Steuererklärung erfolgt eine
jährliche Erklärung . Das ist überhaupt kein Problem . Al-
les wird jährlich bewertet, nur bei der Vermögensteuer
hat man damit plötzlich ein großes Problem .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823616900

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung Ihres Fraktionskollegen?


Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1823617000

Von Christian Petry natürlich gerne .


(Zurufe von der CDU/CSU)



Christian Petry (SPD):
Rede ID: ID1823617100

Herzlichen Dank . – Die Gerechtigkeitskomponente

wurde gerade von dir, Lothar, angesprochen . Ich habe
eine Nachfrage zu dem Verfassungsgerichtsurteil von
1997, als dann die Vermögensteuer ausgelaufen ist . Wie
verhielt es sich damals mit der von dir angesprochenen
Gerechtigkeitskomponente?


Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1823617200

Damals wurden verschiedene Grundsätze formuliert .

In Wahrheit gab es ein Bewertungsproblem . Geldvermö-
gen und andere Vermögensarten wurden unterschiedlich
bewertet . Wegen dieser ungleichen Behandlung der Ver-
mögensarten hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt,
dass die Vermögensteuer so nicht erhoben werden darf .
Seitdem wird die Steuer nicht erhoben, aber das Gesetz
gibt es noch . Deshalb müssten wir uns nur überlegen,
wie wir die Bewertung vornehmen und gerechter ma-
chen . Die Einheitswerte gehen im Moment in den neuen
Ländern auf die von 1935 zurück, in den alten Ländern
auf die von 1964 . Jeder weiß, dass die Zahlen von 1935
und 1964 nicht aktuell sind . Man könnte da etwas nach-
schärfen . Wenn man das tun würde, könnte man die Ver-
mögensteuer relativ mühelos wieder einführen, und zwar
zu ähnlichen Bedingungen wie damals . Es muss nur die
Bewertung von Geldvermögen und anderen Vermögen,
zum Beispiel Grundstücksvermögen, korrekt im Sinne
des Verfassungsgerichtsurteils erfolgen .

Ich möchte noch darauf zurückkommen, was heute
von Cansel Kiziltepe schon einmal gesagt worden ist .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823617300

Kurz .


Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1823617400

Gestern gab es beim BDI eine Podiumsdiskussion . Da

hat Reinhard Gaier, ein Richter, der zwölf Jahre am Bun-
desverfassungsgericht war, gesagt, dass man dann, wenn
man Ungerechtigkeiten und grobe Missverhältnisse bei
der Substanzverteilung sieht, auch in die Substanz ein-
greifen kann .

Nehmen wir einmal an, der volle Becher würde Herrn
Dr . Meister und der leere Becher einer anderen Person
gehören . Vorhin wurde von Umverteilung gesprochen .
Es geht aber nicht um Umverteilung; denn Umverteilung
würde bedeuten, dass man den vollen Becher in den lee-
ren Becher schüttet . Das wollen wir nicht . Wir wollen
nur, dass Herr Dr . Meister zwei Schokolinsen abgeben
soll . Möglicherweise käme er dann noch gut zurecht .
Insofern ist klar: Sie, Herr Dr . Meister, geben zwei ab .
Das wäre fair . Derjenige, dem der andere Becher gehört,
muss nichts abgeben . Das ist gerechter . – Wenn Sie wol-
len, können Sie sich aus dem vollen Becher jetzt etwas
nehmen .






(A) (C)



(B) (D)


Schönen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823617500

Vielen Dank, Kollege Binding . – Ich schließe die Aus-

sprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12549 mit dem
Titel „Reichtum gerechter verteilen – Vermögensteuer
als Millionärsteuer wieder erheben“ . Wer stimmt für den
Antrag? – Wer stimmt dagegen? –


(Karin Binder [DIE LINKE], an die SPD-Fraktion gewandt: Eigentlich hättet ihr zustimmen müssen nach der Rede!)


Wer enthält sich? – Was macht die SPD?


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die stimmen allesamt mit Binding zu! – Dr . h . c . Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die sind noch in der Programmdebatte! – Heiterkeit)


Der Antrag ist abgelehnt . Für den Antrag hat die Linke
gestimmt . Dagegengestimmt haben die CDU/CSU und
mehr oder weniger die SPD .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen . Damit ist der
Antrag abgelehnt .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf:

a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bundesbericht Wissenschaftlicher Nach-
wuchs 2017

Drucksache 18/12310
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

16. Bericht des Ausschusses für die Hoch-
schulstatistik für den Zeitraum 1. Juni 2012
bis 31. Mai 2016

Drucksache 18/10851
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Als erster Rednerin gebe ich der Bundesministerin
Dr . Johanna Wanka das Wort für die Bundesregierung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Simone Raatz [SPD])


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir haben seit 2005 große Milliardenpakete in
den Hochschul- und Wissenschaftsbereich investiert .
Ich denke zum Beispiel an die Exzellenzinitiative, an
den Hochschulpakt, an den Qualitätspakt Lehre und an
viele andere Dinge, über die wir hier gesprochen haben .
Diese hinzugekommenen Milliarden Euro haben dazu
geführt, dass sehr viele zusätzliche – neue, die vorher
nicht vorhanden waren – Arbeitsplätze geschaffen wer-
den konnten, dass wir also sehr viel mehr Beschäftigte
haben . Davon sind sehr viele befristet beschäftigt, und
um die Situation dieses wissenschaftlichen Nachwuchses
geht es .

Wenn man sich die Zahl der befristet Beschäftigten
anschaut, stellt man fest: Der größte Teil davon sind die-
jenigen, die promovieren . Wenn sie promoviert sind und
in die Wirtschaft, in die Verwaltung oder in irgendeine
andere Tätigkeit gehen, dann befinden sie sich – das sagt
dieser Bericht aus – in einer bestimmten Situation: in
Vollbeschäftigung . Das heißt, nach diesem Bericht sind
die allermeisten mit einer Promotion vollbeschäftigt .
Das, glaube ich, ist ein sehr guter Effekt.

Trotzdem muss man sagen: Durch die vielen Gelder
ist das Verhältnis zwischen befristeten und unbefristeten
Stellen etwas aus der Balance geraten . Deswegen bin
ich sehr dafür, dass auch im Mittelbau mehr unbefristete
Stellen geschaffen werden.

Wir haben Artikel 91b des Grundgesetzes verändert;
damit wurden mehr Möglichkeiten für den Bund ge-
schaffen. Das hat aber keine Veränderungen bei den Zu-
ständigkeiten gebracht . Die Grundverantwortung für die
Hochschulen liegt bei den Ländern und nicht beim Bund .
Das heißt, in den Ländern muss entschieden werden .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie recht!)


Obwohl wir, der Bund, nicht die originär Verantwort-
lichen sind, haben wir in dieser Legislaturperiode etwas
getan, was ich seit 1990 nie erlebt habe und auch gar
nicht kenne: Wir, die Bundesregierung, haben Gelder für
unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zur Verfügung
gestellt .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab eine Juniorprofessur-Initiative von Rot-Grün! Das ist doch nicht das erste Mal!)


Wenn man ganz großzügig rechnet, sind das über 12 000
Stellen; es könnten 15 000 Stellen sein . Es kommt darauf
an, wie man sie honoriert . Das Geld für diese – unbefris-
teten – Stellen ist über die BAföG-Entlastung zur Verfü-
gung gestellt worden .

Jetzt schauen wir einmal in die Länder, zum Beispiel,
Frau Gohlke, nach Brandenburg oder nach Thüringen,
wo Sie jeweils in der Regierung sind, also die Möglich-
keit haben, Ihre Vorhaben entsprechend umzusetzen:


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: In Thüringen wurde schon ein neues Nachwuchsprogramm aufgelegt!)


Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


Das ist nicht erfolgt . Dort sind nicht mehr unbefristete
Stellen für den Mittelbau entstanden, und es sind auch
keine höheren Gehälter gezahlt worden .

Ich will das gar nicht kritisieren,


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist auch gut so!)


weil die Entscheidung, was mit diesen Geldern bzw . Stel-
len getan wird, in den Ländern getroffen werden muss.
Wenn man in den Ländern andere Prioritäten setzt, mei-
netwegen in Schulen, Bauvorhaben oder anderes inves-
tiert, dann ist das Sache der Länder . Aber dafür sind wir
hier auf Bundesebene nicht verantwortlich; vielmehr ha-
ben wir lediglich eine Möglichkeit geschaffen.

Nach einer Promotion nicht in den Arbeitsprozess zu
gehen, sondern im akademischen Bereich Karriere zu
machen, das ist anstrengend; denn es geht dann um die
Spitzenpositionen, es geht um die höchsten Leistungsträ-
ger, das heißt um die Professuren .

Ich hatte gesagt: Das Verhältnis zwischen befristeten
und unbefristeten Stellen ist etwas aus der Balance gera-
ten . – Mit dem Tenure-Track-Programm entstehen nicht
nur 1 000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren, sondern
auch 1 000 zusätzliche unbefristete Professuren . Wir ge-
ben dafür 1 Milliarde Euro in 15 Jahren aus, und dann
müssen die Länder die Finanzierung dieser Professuren
übernehmen . Hinzu kommt, dass die Tenure-Track-Pro-
fessuren immer wieder neu ausgeschrieben werden . Ten-
ure Track bedeutet Planungssicherheit, Karrieresicher-
heit, frühzeitig, etwa mit 32, zu wissen: Du bleibst hier
im System und bleibst oder wirst Professor . – Das ist et-
was, was ein Mangel war in Deutschland . Das hatten wir
nicht . Das gewährleistet das Tenure-Track-Programm .

Für mich ist eine Weiterentwicklung der Juniorprofes-
sur, die ich sehr begrüßt habe, die ich immer noch gut
finde, zwar sinnvoll, aber Planungssicherheit, Rechts-
sicherheit waren damit nicht verbunden, und genau das
gibt es jetzt . Das heißt, wir haben etwas angestoßen, was
über die Jahre eine positive Strukturveränderung für den
wissenschaftlichen Nachwuchs bedeutet .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Jetzt zum Thema der Vereinbarkeit von wissenschaft-
licher Tätigkeit von Nachwuchswissenschaftlern und
Familie; das war ein zweiter wichtiger Komplex . Ich
sage allen, die nach mir reden: Wenn Sie aus dem Be-
richt zitieren, dass Nachwuchswissenschaftler häufiger
kinderlos bleiben als der Durchschnitt aller Hochschul-
absolventinnen und Hochschulabsolventen,


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, hatte ich vor!)


dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen: Das sind die
Zahlen von 2006 . Herr Gehring, das war das Ergebnis
am Ende Ihrer Amtszeit – also als Regierung .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


– Das war ein Versprecher; klar .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erheben Sie denn auch neue Zahlen?)


– Dazu komme ich jetzt, wenn Sie mich reden lassen und
nicht dazwischenrufen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja toll, wenn wir neue Zahlen von Ihnen hätten! Das ist ja Ihr Bericht! Das wäre ganz toll, wenn Sie das erheben würden!)


Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel getan,
zum Beispiel beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz . Wir
wissen aber noch nicht: Wie hat sich das aufs Kinderha-
ben ausgewirkt? Wie sind die Größenordnungen? Also
muss man das untersuchen, dringend, und das tun wir
auch .

Was wir im Bericht haben, sind Befragungen derer,
die jetzt in dem Bereich sind, und zwar dazu, wie sie
die Arbeitsbedingungen im wissenschaftlichen Bereich
empfinden. Sie finden sie attraktiv. Was das Thema „Ver-
einbarkeit mit Familie“ angeht, kann man, jedenfalls
nach dem, was die Wissenschaftler für den Bericht he-
rausbekommen haben, nicht sagen, dass sie das beson-
ders schlecht finden, aber auch nicht, dass sie das beson-
ders günstig finden.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, doch! Trotz Kinderwunsch! Der Kinderwunsch ist doch auch erhoben worden!)


Das ergibt sich eindeutig aus der Studie . Der einzige
Unterschied ist, dass diejenigen, die Familie haben, die
Kinder haben, die Eltern sind, die Situation viel positi-
ver beurteilen als die anderen . Die haben vielleicht die
Sorge: Wie wird es?

Weil wir nicht genügend Daten haben, ist es so wich-
tig, dass wir das Hochschulstatistikgesetz novelliert ha-
ben .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


In Zukunft, Herr Rossmann, werden wir viel bessere Da-
ten haben, etwa zur Vorqualifikation, zu der Frage: Wer
wird Professor?


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch über Kinder?)


Speziell für den wissenschaftlichen Nachwuchs haben
wir in unserem Haus ein Forschungsförderprogramm
aufgelegt . Es werden die unterschiedlichsten Aspekte
von Karrieremöglichkeiten für junge Wissenschaftler
untersucht . Dazu laufen zurzeit acht große Projekte . Von
daher hoffe ich, dass wir bald wissen: Wie ist das denn
zum Beispiel mit den Kindern?


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gut!)


Wie hat sich das, was wir gemacht haben, ausgewirkt?
Was müssen wir anders machen? – Deswegen freue ich
mich sehr, und ich freue mich auch auf die Debatte .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823617600

Vielen Dank, Ministerin Wanka . – Nächste Rednerin:

Nicole Gohlke für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1823617700

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Kolleginnen und

Kollegen! Arbeit im Dienst der Wissenschaft, akademi-
sche Forschung und Lehre als Beruf – für viele klingt
das so attraktiv, dass sie dafür zahlreiche Entbehrungen
auf sich nehmen . Das zeigt der Bundesbericht zum wis-
senschaftlichen Nachwuchs . Wer sich für den Verbleib
in der Wissenschaft entscheidet, tut dies vor allem aus
Leidenschaft .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja!)


Karriereperspektive oder Arbeitsplatzsicherheit spielen
für den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs
nur eine untergeordnete Rolle . Glücklicherweise ist das
so – das muss man fast schon sagen –; denn im Wis-
senschaftsbetrieb sind beide Begriffe bislang regelrecht
Fremdworte, und das muss sich endlich ändern .


(Beifall bei der LINKEN)


Der Umfang des wissenschaftlichen Personals an
Hochschulen unterhalb der Professur ist in der Zeit von
2000 bis 2014 um 76 Prozent auf 145 000 Beschäftigte
angewachsen – eine gute Entwicklung, so könnte man
meinen, vor allem natürlich angesichts der rasant ge-
stiegenen Studierendenzahlen . Aber im selben Zeitraum
stagnierte die Zahl der unbefristet Beschäftigten . An den
Universitäten ist deren Zahl sogar leicht gesunken . Das
ist der große Skandal: Sage und schreibe 93 Prozent des
sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchses an Hoch-
schulen, also fast alle wissenschaftlich Beschäftigten un-
ter 45 Jahren,


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das können die Länder doch ändern!)


verfügten im Jahr 2014 nur über eine befristete Anstel-
lung . Das ist eine ungeheuerliche Zahl .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Fakt ist: Die Wissenschaftspolitik der vergangenen Jahr-
zehnte und insbesondere die Umstellung der Finanzie-
rung auf Drittmittel haben den Wissenschaftsbetrieb re-
gelrecht prekarisiert . Die Beschäftigten müssen jetzt die
Folgen dieser Politik ausbaden . Es ist mittlerweile fast
die Regel, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler auf mehreren Teilzeitstellen gleichzeitig arbeiten,
dort jeweils mehr Stunden investieren, als sie eigentlich
bezahlt bekommen, und dann auch noch schlecht be-
zahlte Lehraufträge annehmen, um den Betrieb an den
Hochschulen überhaupt aufrechtzuerhalten . Kein Wun-
der also, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
an Universitäten im Schnitt doppelt so häufig kinderlos
bleiben – trotz Kinderwunsches – wie der Durchschnitt
aller Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolven-
ten! Ich denke, die herrschende Wissenschaftspolitik ist
familienfeindlich . Das ist ein zentraler Befund dieses Be-

richts . Nehmen Sie die Auswirkungen Ihrer Politik ein-
mal zur Kenntnis!


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn die Bundesregierung behauptet, dass sie an die-
sem Problem arbeiten würde, dann mag das stimmen, an
einer Lösung arbeitet sie aber wohl eher nicht; denn ihre
Maßnahmen sind halbherzig, und die Wirkung ist frag-
lich . Ziel der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsge-
setzes war angeblich, den Befristungswahnsinn einzu-
dämmen und den befristeten Arbeitsvertrag auf die Zeit
der Qualifizierung, also zum Beispiel auf eine Promoti-
on, zu beschränken .


(Dr . Simone Raatz [SPD]: Genau, das ist doch das Ziel!)


– Ja, es ist gut, dass das noch das Ziel ist, aber an dem
Ziel muss man noch arbeiten .

Auf die Kleine Anfrage der Linken vor einigen Wo-
chen antwortete die Regierung – ich zitiere –:

Der Begriff der Qualifizierung ist der Auslegung zu-
gänglich . So kann im Einzelfall auch im Rahmen
einer kurzen Befristungsdauer ein angemessenes
Qualifizierungsziel verfolgt werden.

Im Klartext: Sie weigern sich, zu definieren, was unter
Qualifizierung zu verstehen ist.


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das entscheiden die Hochschulen selbst! Das machen die Hochschulen!)


Jetzt kann alles Mögliche dazu gemacht werden . Das
nehmen Sie ganz bewusst in Kauf .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Zulasten der Beschäftigten geht auch die folgende
Aussage der Bundesregierung aus der gleichen Kleinen
Anfrage – ich zitiere –:

Es können jedoch auch sinnvolle Teilabschnitte ge-
bildet werden, . . .

Damit öffnet die Bundesregierung kleinteiligen Stückel-
verträgen Tür und Tor . Ist das das, was SPD und Union
unter Bekämpfung des Befristungsunwesens verstehen?
Das kann ja wohl nicht wahr sein .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum Programm für den wissenschaftlichen Nach-
wuchs . Der Umfang des Programms reicht nicht aus,
um Relevanzkarriereperspektiven zu schaffen und vor
allem, um endlich einmal die Betreuung der Studieren-
den zu verbessern . Ganz ehrlich, die Perspektive dieser
1 000 Tenure-Track-Stellen ist auch nicht mehr so sicher;
denn die Fortsetzung des Hochschulpaktes steht in den
Sternen, weil die Union das blockiert . Die Hochschulen
haben überhaupt keine Planungssicherheit . Es stellt sich
die Frage, ob die Tenure-Tracks sicher in eine Professur
münden oder ob die Stellen einer Überarbeitung des Per-
sonalplans zum Opfer fallen oder ob im Gegenzug ande-






(A) (C)



(B) (D)


re Professuren gestrichen werden . Das muss unbedingt
verhindert werden .

Kolleginnen und Kollegen, dass es angesichts dieser
Zustände noch nicht zum regelrechten Aufstand an den
Hochschulen gekommen ist, liegt vor allem am hohen
Enthusiasmus der Betroffenen.


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Über welches Land reden Sie eigentlich?)


Aber ich denke, auch dieser Enthusiasmus hat irgendwo
seine Grenzen . Auf den Demonstrationen des March for
Science in Deutschland haben die meisten Redebeiträge
die unsicheren und ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse
in der Wissenschaft thematisiert und angeprangert . Recht
haben sie . Echte Wissenschaftsfreiheit, echte Wissen-
schaftsautonomie gibt es


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Gibt es in China, gibt es in Nordkorea!)


nur mit guter Arbeit und ökonomischer Unabhängigkeit .
Die Bedingungen dafür herzustellen, ist die Aufgabe von
Politik . Die Linke steht dafür bereit .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823617800

Vielen Dank, Nicole Gohlke . – Nächste Rednerin:

Dr . Simone Raatz für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1823617900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wie viele von Ihnen spreche ich häufig
mit Vertretern von Hochschulen und außeruniversitä-
ren Forschungseinrichtungen. Häufig geht es dabei um
die Situation unseres wissenschaftlichen Nachwuchses .
Vor einigen Tagen erzählte mir ein Professor von seiner
Hochschulleitung, die alles daransetzt, die jungen For-
scher verantwortungsvoll auf ihrem weiteren Weg zu
begleiten. So sollen sich Postdocs weiterqualifizieren.
Sie bekommen Unterstützung beim Beantragen von För-
dermitteln, und der Kontakt mit Partnerhochschulen im
Ausland hat höchste Priorität . So können sich die jungen
Wissenschaftler von Beginn an international vernetzen .

Man unternimmt an dieser Hochschule alles, um die
klügsten Köpfe zu fördern und in der Forschung und
im Land zu halten . Aber auch der Kontakt außerhalb
der Wissenschaft wird gesucht, um Berufsperspektiven
in Wirtschaft und Gesellschaft aufzuzeigen . Man muss
sagen: An dieser Hochschule läuft vieles gut . Man küm-
mert sich um den wissenschaftlichen Nachwuchs . Aber
wir wissen auch alle, dass das kein Normalfall ist . Das ist
leider bis heute eine Ausnahme . Der Bundesbericht Wis-
senschaftlicher Nachwuchs stellt diesmal einmal mehr
fest: Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
in Deutschland sind – und ich zitiere – „hochgradig un-

zufrieden mit den Aufstiegsmöglichkeiten, der Arbeits-
platzsicherheit und der Planbarkeit ihrer Karriere“ .

Wir haben in dieser Legislatur wichtige Gesetzes-
vorhaben verabschiedet; Frau Wanka ist gerade darauf
eingegangen . Mit diesen Maßnahmen wollen wir gegen-
steuern und haben wir gegengesteuert . Wir haben das
Wissenschaftszeitvertragsgesetz novelliert und damit
reformiert. Frau Gohlke, ich gebe Ihnen recht: Qualifi-
zierung zu definieren, war eigentlich unser Wunsch. Das
hat unser Koalitionspartner so nicht mitgetragen . Auf der
anderen Seite muss ich aber auch sagen: Wir haben an
unseren Universitäten und allgemein an unseren Hoch-
schulen intelligente Menschen; sie wissen doch eigent-
lich, was eine Qualifizierung bedeutet. Wir sind ja nicht
die Erziehungsberechtigten unserer Professorinnen und
Professoren .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das stimmt wohl!)


Eigentlich müssen sie von alleine darauf kommen, was
im Wissenschaftsbetrieb unter Qualifizierung zu verste-
hen ist .

Wir haben auch den Pakt für den wissenschaftlichen
Nachwuchs verabschiedet und 1 000 zusätzliche Stellen
geschaffen. Ich hoffe, dass es bei dem Wort „zusätzlich“
bleibt; denn man merkt, dass daran schon wieder gedok-
tert wird .

Eigentlich muss man sagen – das kann man als Quint-
essenz dieser Legislatur gemeinsam feststellen –: Wir ha-
ben wichtige Projekte auf den Weg gebracht, und darauf
können wir stolz sein .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insofern ist es für mich enttäuschend, dass die meis-
ten Zahlen im vorliegenden Bericht hoffnungslos veraltet
sind . Wie kann es zum Beispiel sein, dass es seit 2011
keine Erhebung zur Laufzeit von Arbeitsverträgen mehr
gibt? Dafür fehlt mir das Verständnis . Es sind auch viele
Zahlen von 2014 enthalten . Also, es tut mir leid! Gerade
auch vor dem Hintergrund der Projekte, die wir in dieser
Legislatur beigesteuert haben – darüber haben wir ge-
redet –, sollte man das Bundesministerium für Bildung
und Forschung beauftragen, hier nachzuarbeiten . Ich
habe Sie, Frau Professor Wanka, so verstanden, dass hier
etwas passiert . Aber ich muss sagen: Uns hier so einen
Bericht mit Zahlen von 2011 vorzulegen, finde ich schon
ein bisschen dürftig .

Dennoch – das macht der Bericht deutlich –: Es ist
schwer, die Arbeit in der Wissenschaft mit dem Famili-
enleben zu vereinbaren . Ich muss sagen: Wir sprechen
hier eben nicht über junge Doktoranden mit Ende 20 –
das wird uns ja immer vorgehalten; es wird gesagt: die
jungen Leute qualifizieren sich, sie promovieren noch
usw . –, sondern über bereits promovierte Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler unter 45, von denen immer
noch vier von fünf nur über Zeitverträge beschäftigt sind .
Daher verstehe ich nicht – vielleicht muss man da noch
einmal gemeinsam in den Bericht schauen –, warum un-
sere Ministerin gerade sagte, dass hier Vollbeschäftigung

Nicole Gohlke






(A) (C)



(B) (D)


herrscht . Vielleicht – aber dann auf der Grundlage befris-
teter Verträge .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Außerhalb der Wissenschaft, hat sie gesagt!)


Der angebliche Nachwuchs steht doch längst mitten im
Leben – ich finde den Begriff „wissenschaftlicher Nach-
wuchs“ sowieso ein bisschen schwierig –, und gerade,
wenn man mitten im Leben steht, braucht man Planungs-
sicherheit .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Frau Gohlke ist gerade schon darauf eingegangen:
Ganze 88 Prozent der Wissenschaftler, also so gut wie
alle jungen Wissenschaftler, wünschen sich Kinder . Die
überwiegende Mehrheit schiebt aber dann die Familien-
gründung auf die lange Bank, und am Ende bleibt fast die
Hälfte aller Wissenschaftlerinnen kinderlos . Es ist doch
traurig, dass man in der heutigen Zeit noch abwägen
muss, ob Arbeit oder Familie im Fokus steht . Ich denke,
da müssen wir dringend etwas ändern .


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat mich sehr ir-
ritiert, vor einigen Tagen zu erfahren, dass viele Hoch-
schulleitungen nach wie vor wenig Bedarf für Verän-
derungen sehen . Laut einer aktuellen Umfrage hält die
Mehrheit unserer Rektorinnen und Rektoren eine Befris-
tungsquote von weit über 50 Prozent für absolut ange-
messen, und es stört sie auch nicht, dass inzwischen jede
vierte Lehrveranstaltung an deutschen Hochschulen von
befristetem Personal gehalten wird . Da fragt man sich
doch – ich frage es mich –: Wozu haben wir eigentlich
die Professoren? Was ist denn eigentlich ihre Aufgabe?
Ich dachte, ihre Aufgabe ist auch, Lehre zu halten .

Ich weiß natürlich – ich habe selbst Vorlesungen ge-
halten –: Eine gute Lehrveranstaltung zu konzipieren und
durchzuführen, ist keine Routineaufgabe . Es ist fachlich
anspruchsvoll und insbesondere auch zeitlich aufwendig .
Aber was sollte zu guter Lehre motivieren, wenn damit
kein Blumentopf zu gewinnen ist? Es zählt ja eigentlich
nur, wie viele Drittmittel man eingeworben hat, wie viele
Veröffentlichungen man getätigt hat und wie sie geratet
sind usw .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Beschäfti-
gungsbedingungen und gute Lehre gehen meines Er-
achtens Hand in Hand . Daher wollen und brauchen wir
dringend einen grundlegenden Kulturwandel in unserem
Wissenschaftssystem . Unsere Hochschulen müssen sich
auf den Weg machen, die Studienqualität muss steigen
und die Zahl der Studienabbrüche sinken . Ein Schlüssel
dazu ist die Verbesserung der Betreuungsrelation durch
gute, qualifizierte und langfristig beschäftigte Mitarbei-
ter . Ich habe mich gefreut, eben von Ministerin Wanka zu
hören, dass hier mehr geplant ist . Wir erwarten eigentlich
auch mehr; denn natürlich sind mehr feste Stellen wich-
tig, ebenso verbindliche Konzepte zur Personalentwick-
lung .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Nur so kommen wir zu planbaren Karrierewegen und
transparenten Personalentscheidungen .

Wichtig dafür ist die nachhaltige Verbesserung der
Grundfinanzierung unserer Hochschulen. Ich denke, das
ist uns allen klar . Das ist eine Aufgabe für die nächste Le-
gislatur . Wir, die SPD, wollen dazu beitragen, die befris-
teten Mittel des Hochschulpaktes endlich zu einer ver-
lässlichen und dauerhaften Kofinanzierung zu machen.


(Beifall bei der SPD – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Niemals!)


Zukünftig müssen aber auch Bund und Länder bes-
ser zusammenarbeiten und dürfen nicht nur eifersüchtig
Kompetenzen hin und her schieben . Dann erreichen wir
nämlich, was wir wollen: dass sich die Beschäftigungssi-
tuation unserer jungen Wissenschaftler in Forschung und
Lehre deutlich verbessert .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618000

Vielen Dank, Simone Raatz .


(Dr . Simone Raatz [SPD]: Bitte schön!)


Nächster Redner: Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grü-
nen .


(Beifall des Abg . Dr . Thomas Feist [CDU/ CSU])



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute ist der „Tag des wissenschaftlichen Nachwuch-
ses“ . Das hat er mehr als verdient; denn er ist kreativ,
hoch motiviert und hoch engagiert . Allerdings sind die
Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft nach wie vor
nicht attraktiv genug, und das muss sich dringend ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Bis zu 93 Prozent sind laut Bundesbericht Wissen-
schaftlicher Nachwuchs befristet beschäftigt, in der
übrigen Arbeitswelt sind es etwas mehr als 8 Prozent .
Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein hohes Maß an
Mobilität und Flexibilität in der Wissenschaft üblich ist,
muss man festhalten: Die Beschäftigungsbedingungen
für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind aus
dem Ruder gelaufen . Selbst gestandene Leute müssen
sich noch Jahre nach ihrer Promotion von Halbjahres-
vertrag zu Halbjahresvertrag hangeln . Lehre wird immer
mehr von prekär Beschäftigten geleistet . Die Situation
von Lehrbeauftragten und Privatdozenten ist skandalös .
Auf der Strecke bleibt die Planbarkeit der wissenschaftli-
chen Karriere – die Familienfreundlichkeit sowieso . Das
Befristungsunwesen in der Wissenschaft müssen wir mit
Entschlossenheit wirksam bekämpfen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es gibt viele Möglichkeiten, die Bedingungen für den
wissenschaftlichen Nachwuchs zu verbessern . Es ist ab-
solut enttäuschend, dass Union und SPD keine davon

Dr. Simone Raatz






(A) (C)



(B) (D)


wirklich überzeugend genutzt haben . Nach unendlich
langen Debatten haben Sie eine aus grüner Sicht untaug-
liche Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes be-
schlossen . Mindestvertragslaufzeiten? Fehlanzeige! Und
was beispielsweise unter dem Begriff „Qualifizierung“ zu
verstehen ist, was eine sogenannte „angemessene Befris-
tungsdauer“ bei einem Qualifizierungsschritt sein soll,
das bleibt im Gesetz undefiniert. Durch solche Schwam-
migkeiten und Hintertürchen verfehlen Sie das eigent-
liche Ziel, einen klaren rechtlichen Rahmen für bessere
Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Weil die Novelle wohl kaum wirken wird,


(Dr . Simone Raatz [SPD]: Das wissen wir doch noch gar nicht! – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Abwarten!)


dürfen wir auch nicht bis 2020 mit der Evaluation des
WissZeitVG warten .


(Beifall der Abg . Nicole Gohlke [DIE LINKE])


Sie haben in die Novelle sogar hineingeschrieben: Erst
2020 wird evaluiert . Das würde richtig knapp werden,
wenn man in der nächsten Legislatur


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist ausreichend!)


– wenn man denn gründlich sein will – die schlimmsten
Fehlentwicklungen beheben will . 2020 muss die Über-
arbeitung des vergeigten Gesetzes stehen, nicht erst die
Evaluation .

Wir brauchen mehr Dauerstellen für Daueraufgaben,
klare Mindestvertragslaufzeiten, einen Wegfall der Tarif-
sperre und eine echte Familienkomponente, damit Kin-
der und Wissenschaftskarrieren endlich vereinbar sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


In den letzten Debatten haben Sie so getan, als wenn Sie
das schon erledigt hätten .

Ein zweites Feld, wo Union und SPD Möglichkeiten
versemmelt haben, ist die Modernisierung der Personal-
strukturen . Mit den Wissenschaftspakten, allen voran
der Exzellenzinitiative, haben wir in den letzten Jahren
viele Promovierende angezogen . Nicht alle werden im
Wissenschaftssystem bleiben, aber unser Anspruch muss
doch sein, die besten Köpfe aus dieser Gruppe dauer-
haft für die Wissenschaft gewinnen zu können, statt sie
zu vergraulen . Andernfalls wäre das Geld für die ganzen
Wissenschaftspakte nicht nachhaltig genug angelegt;
denn Wissenschaft wird von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern gemacht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Immerhin: Es gibt ein Programm für 1 000 zusätzliche
Tenure-Track-Professuren an Universitäten – das ist nur
ein Bruchteil der Juniorprofessuren, die schon von Rot-
Grün eingeführt wurden –, und ob dieses Ten ure-Track-
Programm funktioniert, das muss sich erst erweisen . Die
Hochschulen sind davon nicht so begeistert . Und so oder

so: Es bleiben unklare Perspektiven und wenig Planbar-
keit für viel zu viele andere im Alltag .

Von einem „Pakt für den wissenschaftlichen Nach-
wuchs“ in Gänze kann sowieso keine Rede sein, weil an-
dere Personalkategorien wie insbesondere der Mittelbau
außen vor bleiben . Die Fachhochschulen haben Union
und SPD erst einmal auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
vertröstet . Ich denke, das ist viel zu viel Alibi, viel zu viel
Kosmetik und viel zu wenig wirklich beherztes Handeln .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wären schlecht
beraten, wenn Sie sich darauf verlassen, dass sich Nach-
wuchswissenschaftler aufgrund von Motivation und
Selbstlosigkeit endlos ausbeuten lassen . Wenn es im Wis-
senschaftssystem jenseits der Promotion immer weniger
verlässliche Perspektiven gibt, ist der Gang ins Ausland
oder in die Wirtschaft die logische Konsequenz. Damit
gefährden wir das deutsche Wissenschaftssystem insge-
samt . Das darf nicht sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Neugierde und Lust auf Fragen und Zweifel treiben
die Wissenschaft voran, und dafür braucht es Vielfalt .
Ein wichtiger Aspekt sind daher Gleichstellung und
Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft . Wir
brauchen mehr Frauen in der Spitze der Wissenschaft .
Auch das wollte die Koalition voranbringen; aber auch
auf diesem Feld herrscht auf der ganzen Linie schlicht-
weg Enttäuschung . Nichts ist geworden aus der Ansage
im Koalitionsvertrag, in den Programmen verstärkt die
Einhaltung von Gleichstellungsstandards zu verankern .
Beim Pakt für Forschung und Innovation, bei der neuen
Exzellenzstrategie und auch im Tenure-Track-Programm
fehlen klare und harte Gleichstellungsziele . Beim Pro-
fessorinnenprogramm ist, na ja, immerhin eine Absichts-
erklärung herausgekommen . Die Bilanz der Gleichstel-
lungspolitik ist nach vier Jahren Koalition insgesamt
ernüchternd .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hoffe und setze auf die nächste Wahlperiode. Ein
vernünftiges WissZeitVG steht an, damit man mit Sicher-
heit gut forschen kann . Ein Personalprogramm für die
Fachhochschulen steht an. Eine bessere Grundfinanzie-
rung für die Hochschulen steht an . Es geht auch um mehr
Verantwortungsbewusstsein in der Wissenschaft für die
eigene Mitarbeiterschaft in puncto Personalentwicklung
und Karrierewege . Nachwuchswissenschaftlerinnen und
-wissenschaftler benötigen eine Entfristungsoffensive,
klare Karriereperspektiven, mehr Zeit zum Forschen –


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618200

Und wir benötigen das Ende der Rede .


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618300

– deshalb ein letzter Halbsatz –, bessere Arbeitsbe-

dingungen und mehr Familienfreundlichkeit . Wir lassen
nicht locker, dieses Ziel zu erreichen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kämpfen weiter!)


Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618400

Vielen Dank, Kai Gehring . – Nächste Rednerin:

Alexandra Dinges-Dierig für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Gabriele Katzmarek [SPD])



Alexandra Dinges-Dierig (CDU):
Rede ID: ID1823618500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Verehrte Gäste auf den Tribünen! Heute ist für
mich ein ganz besonderer Tag; denn ich halte hier und
heute meine Abschiedsrede im Deutschen Bundestag .
Wie sollte es anders sein? Es ist eine Rede zum wissen-
schaftlichen Nachwuchs . Es ist nicht das erste Mal, dass
wir hier darüber reden und auch streiten . Das haben wir
schon in verschiedenen Sitzungen getan . Es sind sicher
noch viele Verständnisfragen offen, die man in der nächs-
ten Legislatur hoffentlich klären kann.

Warum diskutieren wir immer wieder über den wis-
senschaftlichen Nachwuchs, und warum hier, in diesem
Hause? Es gibt doch so viele andere Themen . Eigentlich
liegt es auf der Hand: Wir wissen ganz genau, dass die
bestmögliche Forschung und die bestmögliche Lehre in
der Zukunft davon abhängig sind, ob es uns gelingt, dem
heutigen wissenschaftlichen Nachwuchs so gute Rah-
menbedingungen zu bieten, dass wir ihn bei uns halten
können oder international anwerben können . Beide Mög-
lichkeiten müssen gegeben sein . Daher ist dieses Thema
für uns existenziell wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auf den Bundesbericht Wissenschaftlicher Nach-
wuchs 2017 will ich hier gar nicht intensiv eingehen;
denn die Daten – viele haben es schon gesagt – sind nicht
ganz aktuell . Es gibt welche aus 2014 – Simone Raatz,
das ist richtig –, aber die meisten sind älter; die meis-
ten stammen aus 2008, einige sogar aus 2006 . Daraus
für 2017 Thesen abzuleiten, finde ich schlichtweg falsch.
Wenn wir die Angaben mit anderen Erkenntnissen, die
wir haben, abgleichen, sehen wir sehr wohl Positives,
aber natürlich auch eine ganze Menge Schatten .

Wie kommen wir weiter? Ich bin davon überzeugt,
dass wir endlich mehr Informationen brauchen; das hat
auch die Bundesministerin schon gesagt . Wir müssen
zum Beispiel endlich wissen, warum jemand ein Studi-
um abbricht, ob er es überhaupt abgebrochen hat oder
nur das Studienfach gewechselt hat . Wir müssen wissen,
wie viele promovieren, wo promoviert wird und welches
Promotionsverfahren angewandt wird . Wir müssen gege-
benenfalls auch wissen, wann die Promotionen abgebro-
chen wurden und warum sie abgebrochen wurden . Wir
brauchen Erkenntnisse über die Vereinbarkeit von Fami-
lie und akademischer Karriere . Ich möchte an dieser Stel-
le klar sagen: Jeder, der an einer Universität eine Promo-
tion vorgelegt hat und dann die Universität verlässt, ist
kein Loser oder Abbrecher, sondern er hat für sein Leben
schlichtweg eine andere Entscheidung gefällt, und auch
die haben wir zu respektieren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dem neuen
Hochschulstatistikgesetz – das hat die Bundesministerin

schon gesagt – wirklich gute neue Erkenntnisse gewin-
nen, um mit Blick auf den Längsschnitt einer beruflichen
Karriere entsprechende politische Maßnahmen aufsetzen
zu können . Aber nichtsdestotrotz haben wir natürlich
nicht gesagt, dass wir warten, bis wir mehr Zahlen ha-
ben, sondern wir haben gehandelt, und zwar da, wo wir
handeln mussten .

Nur ganz kurz – wir alle kennen die Instrumente –:
Über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz wurde eben
sehr viel gesagt . Wir haben damit der Vergabe von
grundlosen und unangemessen kurzen Zeitverträgen
einen Riegel vorgeschoben . Die Umsetzung dauert sei-
ne Zeit . Deshalb gibt es 2020 eine Evaluation . Der Be-
wusstseinswandel an den Hochschulen hat – das merken
Sie, wenn Sie sich heute mit Menschen an den Hoch-
schulen unterhalten – übrigens schon begonnen . Wenn
dazu noch aufgrund der Entlastung der Länder durch die
BAföG-Millionen rund 12 000 unbefristete Stellen an
den Hochschulen geschaffen würden, würden wir hier
keine Diskussionen mehr über befristete Arbeitsverträge
führen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben mithilfe des neuen Tenure-Track-Pro-
gramms einen Karriereweg zur Universitätsprofessur
planbarer gemacht, und wir haben mit den erweiterten
Kooperationsmöglichkeiten auf der Grundlage des ver-
änderten Artikels 91b des Grundgesetzes eine neue Ex-
zellenzstrategie auf den Weg gebracht . Warum ist das für
den wissenschaftlichen Nachwuchs wichtig? Ganz ein-
fach: Für den Spitzennachwuchs gibt es durch die neue
Exzellenzstrategie fantastische Perspektiven .

Wir als Union sind fest davon überzeugt: Qualitäts-
steigerung ist das übergeordnete Ziel . Wir werden es aber
nicht so erreichen, wie die Linken es immer wieder for-
dern: Geld, Geld, Geld in das System, dann wird alles
besser . – So einfach ist das nicht . Wir haben deshalb – das
können Sie sehr gut nachsehen; und deshalb ist die Bi-
lanz auch nicht dürftig, wie Sie, liebe Frau Gohlke, heu-
te Morgen im Ausschuss gesagt haben – bei der Exzel-
lenzstrategie und dem Tenure-Track-Programm folgende
Fördervoraussetzung – wenn diese nicht erfüllt ist, gibt
es kein Geld von den Milliarden, die wir bereitstellen –:
Es müssen ein überzeugendes Personalentwicklungskon-
zept und eine individuelle Personalberatung vorliegen .
Dabei müssen alle Gleichstellungsfragen berücksichtigt
werden . Nur dann können sich die Hochschulen über-
haupt bewerben .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Das ist ein Qualitätsbaustein . Daran werden wir als Uni-
on weiterarbeiten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber wir auch!)


Viele Meilensteine . Wir wollen uns auf diesen Lorbee-
ren aber nicht ausruhen . Wir als Union werden hier mit
Sicherheit weitermachen . Wir werden das Spitzenfeld
der Wissenschaft weiterhin im Auge behalten .






(A) (C)



(B) (D)


Ich wünsche meinen Kolleginnen und Kollegen, die
hier bleiben, und denen, die neu hinzukommen, viel Er-
folg für unseren wissenschaftlichen Nachwuchs, aber
auch für die anderen sehr wichtigen wissenschaftspoliti-
schen Themen und natürlich neben Kompetenz auch eine
glückliche Hand dabei .

Ich bedanke mich für das tolle Miteinander bei allen
Kolleginnen und Kollegen und sage einfach Tschüss .


(Beifall im ganzen Hause)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618600

Vielen Dank, Frau Dinges-Dierig . Ich wünsche Ihnen

eine gute Zukunft, eine gute Zeit auch ohne Ihre parla-
mentarische Familie hier in diesem Haus . Lassen Sie von
sich hören, wo auch immer Sie zukünftig sein werden .

Nächster Redner: Oliver Kaczmarek für die SPD-Frak-
tion .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU])



Oliver Kaczmarek (SPD):
Rede ID: ID1823618700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch

der Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik
steht heute auf der Tagesordnung . Die Ministerin hat zu
Recht auf die wesentlichen Verbesserungen hingewiesen .
Ich möchte meine Rede damit beginnen, dem Ausschuss
für seine Arbeit zu danken; denn durch den Bericht und
die Daten, die uns zur Verfügung gestellt werden, wer-
den wir in der Lage sein, noch besser auf veränderte Bil-
dungsbiografien einzugehen und noch bessere politische
Entscheidungen zu treffen. Herzlichen Dank an den Aus-
schuss für die Hochschulstatistik für seine Arbeit!


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Michael Kretschmer [CDU/CSU])


Es ist hier schon angesprochen worden: Die Situati-
on des wissenschaftlichen Nachwuchses steht in einem
direkten Zusammenhang mit der Finanzausstattung der
Hochschulen . Es gibt eine Kette, die wir durchbrechen
müssen . An ihrem Beginn stehen meistens oder zu oft
befristete Mittelzuweisungen an die Hochschulen . Daran
schließen sich befristete Arbeitsverträge für die Beschäf-
tigten an, an die sich wiederum schlechtere Karrierechan-
cen und schlechtere Planungssicherheit, beispielsweise
wenn man eine Familie gründen will, anschließen; das ist
gerade schon gesagt worden . Diese Diskontinuitäten füh-
ren am Ende dazu, dass wir uns Gedanken machen müs-
sen, ob das nicht auch auf die Qualität der Lehre Auswir-
kungen haben kann . Deswegen, glaube ich, müssen wir
diese Kette durchbrechen . Wir können das mithilfe von
politischen Entscheidungen tun, die wir in der nächsten
Zeit zu treffen haben und bei denen wir klare Positionen
einnehmen .

Ich will einige Beispiele nennen . Wir haben gerade
über Statistik gesprochen . Die Megaherausforderung der
letzten Jahre war die steigende Anzahl von Studienanfän-
gerinnen und Studienanfängern . Ich glaube, wir haben
mit dem Hochschulpakt politisch richtig darauf reagiert;
er ist eine nationale Anstrengung von Bund und Län-

dern . Ich glaube, dass die Herausforderung bleibt . Oder
andersherum: Die Annahme aus der Hochschulpakt-
gründungszeit, dass die Studienanfängerzahlen wieder
sinken werden, wird sich nach allen Prognosen, die wir
kennen, nicht bewahrheiten . Deswegen hilft an der Stelle
langfristig gesehen ein befristeter Pakt nicht weiter . Wir
brauchen eine langfristige Sicherheit für die Hochschu-
len . Deshalb brauchen wir auch eine klare Haltung zu der
in der nächsten Wahlperiode anstehenden Entscheidung,
wie es mit dem Hochschulpakt weitergehen soll .


(Beifall bei der SPD)


Ich will ganz ehrlich sein, Frau Ministerin: Ich hätte
mir anstelle des wiederholten Spielens der BAföG-Leier
gewünscht, von Ihnen zu hören, wie es mit dem Hoch-
schulpakt weitergehen soll, ob Sie beispielsweise die
Haltung, die aus Ihrer Fraktion schon deutlich gewor-
den ist, teilen, dass es nicht mehr um Quantitätsförde-
rung, sondern nur noch um Qualität geht, und was das
eigentlich genau heißt . Wir sind der Meinung, ein Beitrag
des Bundes zur Grundfinanzierung ist unerlässlich. Die
Verstetigung des Hochschulpakts muss in der nächsten
Wahlperiode kommen .


(Beifall bei der SPD)


Wenn man sich einmal ansieht, wie sich die Studie-
rendenschaft zusammensetzt, dann fällt doch auf, dass
sich der Anteil der Studierenden und im Übrigen auch
die Gesamtzahl der Studierenden an Fachhochschulen
und Hochschulen für angewandte Wissenschaften auf
fast 1 Million Menschen deutlich erhöht hat . Das freut
uns; denn die Fachhochschulen leisten einen wichtigen
Beitrag zur Qualifizierung von Fachkräften, zur regio-
nalen Innovationskraft, zum Wissenstransfer . Das alles
sind wichtige Punkte . Deswegen haben wir in dieser
Wahlperiode die Fachhochschulen zu Recht unterstützt,
sowohl bei der Forschungsförderung als auch beim Pro-
gramm „Innovative Hochschule“, wo wir den Transfer
noch stärker in den Blick genommen haben . An der Stelle
müssen wir zukünftig weitergehen und verstärkt die Aus-
bildungsleistung von Fachhochschulen angehen . Dazu
gehört auch, was gerade meine Kollegin Simone Raatz
gesagt hat: Wir brauchen zusätzliche Mittel für die Fach-
hochschulen, um den Karrierewegen, der Personalent-
wicklung und eben der gestiegenen Bedeutung sowie den
Ansprüchen und Anforderungen, dort eine langfristige
Beschäftigung aufnehmen zu können, gerecht zu werden .


(Beifall bei der SPD)


Ein letzter Punkt: Immer mehr Studierende kommen
aus dem Ausland, um hier in Deutschland zu studieren .
Das freut uns; denn das zeigt, dass der Wissenschafts-
standort Deutschland eine hohe Attraktivität hat . Das hat
viele Gründe; da gibt es nicht nur ein Instrument . Aber
sicherlich hat auch die Exzellenzinitiative dazu beigetra-
gen, die internationale Strahlkraft und die Attraktivität
nicht nur an den Exzellenzstandorten, sondern für das
gesamte Wissenschaftssystem zu beleben .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!)


Alexandra Dinges-Dierig






(A) (C)



(B) (D)


Deswegen war es richtig, dass Bund und Länder an der
Stelle gemeinsam und auf Augenhöhe entschieden ha-
ben, dass aus der Initiative eine Strategie wird .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Und es war richtig, dass die Möglichkeiten, die wir im
Grundgesetz neu geschaffen haben, in der Wissenschaft
zwischen Bund und Ländern zu kooperieren, dafür ge-
nutzt worden sind, um die Exzellenzstrategie auf eine
dauerhafte Grundlage zu stellen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass wir diese grund-
gesetzlichen Möglichkeiten auch dazu nutzen müssen,
die Perspektive auf bisher befristete Pakte zu erweitern .
Das muss der nächste Schritt sein . Hochschulpakt und
andere Punkte sind angesprochen worden . Das wird in
der nächsten Wahlperiode auf uns zukommen .

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin . – Wir ha-
ben in dieser Wahlperiode viel geleistet . Darauf blicken
wir als Koalition und natürlich als Sozialdemokraten mit
Zufriedenheit zurück; BAföG und andere Dinge habe ich
hier noch gar nicht erwähnt . Aber die Wissenschaft will
auch wissen, wie es weitergeht . Insbesondere die großen
Finanzströme sind betroffen. Es ist wichtig, dass sich die
Parteien vor der Bundestagswahl hier klar positionieren .
Wir sind der Meinung, dass der Bund weiterhin gemein-
sam mit den Ländern in der Verantwortung für die Brei-
tenförderung ist .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823618800

Vielen Dank, Oliver Kaczmarek . – Die letzte Redne-

rin in der Debatte: Dr . Claudia Lücking-Michel für die
CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU):
Rede ID: ID1823618900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am Schluss der Debatte will ich den Themenbereich auf-
greifen, den der Bericht selbst zum Schwerpunkt seiner
dritten Auflage macht, nämlich die Vereinbarkeit von Fa-
milie und akademischer Karriere . Zu der Notwendigkeit
und dem Bedarf von aktuellen und aussagekräftigen Zah-
len haben wir jetzt genug gehört . Das brauche ich nicht
zu wiederholen, will es aber unterstreichen . Ich möchte
auf einige strukturelle Fragen hinweisen, die mir aufge-
fallen sind und die wir in Zukunft verstärkt in den Blick
nehmen sollten, wenn wir Veränderungen feststellen und
beobachten .

Für mich ist Folgendes interessant: Wenn es um die
Vereinbarkeitsfrage ging, die vom wissenschaftlichen
Nachwuchs als problematisch eingeschätzt wurde, dann
waren es – das war eklatant – vor allen Dingen junge
Frauen, die selbst noch gar keine Kinder hatten, die die-
sen Eindruck geäußert haben . Dieser Eindruck führt dann

dazu, dass sie ausscheiden und den Wissenschaftsbetrieb
verlassen, wenn es um die Familienplanung geht . Darauf
sollten wir in Zukunft genau achten . Zu den Gründen,
die genannt werden, gehört nicht etwa einzig und an ers-
ter Stelle die Befristung von Verträgen; wenn wir das so
adressieren, springen wir zu kurz . Genannt werden auch
die Verfügbarkeitskultur, hohe Mobilitätsanforderun-
gen und nach wie vor der Bedarf an mehr Betreuungs-
möglichkeiten . Auch da müssen wir hinschauen . Mir ist
wichtig, zu sagen: Das alles sollten doch Probleme und
Herausforderungen sein, die sowohl Väter als auch Müt-
ter betreffen. Aber nein, nach wie vor sind praktisch vor
allen Dingen Frauen betroffen.

Da wir gerade bei Zahlen und Phänomenen sind:
Es gibt in dem Bericht von 2016 ein Fundstück, das
ich besonders erwähnen will . Es geht darum, dass sich
eine Vaterschaft positiv auf den Karrierestatus auswirkt,
eine Mutterschaft hingegen negativ . Was genau ist ge-
meint? Es lässt sich nachweisen, dass zum Beispiel in
den USA, so der Bericht, eine familienbedingte Verlän-
gerung der Tenure-Track-Phase bei Assistant Professors
unterschiedliche Folgen hat . Bei Frauen, die sich ein Jahr
lang vorrangig um ihre Kinder kümmern, sank die Wahr-
scheinlichkeit, an eine der 50 Topuniversitäten berufen
zu werden . Bei Männern stieg die Wahrscheinlichkeit un-
ter den gleichen Bedingungen . Angesichts der vielen Fra-
gen und der Zahlen, die wir in Zukunft gerne hätten, will
ich anmerken: Auch darauf hätte ich gerne Antworten .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Alte Statusbilder!)


Ich bin sehr froh, Frau Ministerin, dass Sie angekündigt
haben, schon mehrere Forschungsprojekte auf den Weg
gebracht zu haben, die uns für solche und ähnliche He-
rausforderungen in Zukunft vielleicht interessante Hin-
weise geben werden .

Konzentrieren will ich mich in meiner Rede auf die
Maßnahmen und Projekte, bei denen wir in den letzten
Jahren wirklich viel umgesetzt haben, vor allen Dingen –
wenn auch nicht nur –, wenn es darum ging, die Verein-
barkeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs besser zu
regeln .

Genannt wurde schon – da kann ich mich kurzfassen –
das Tenure-Track-Programm . Natürlich bringt es mehr
Planbarkeit für die Karriere von allen, aber auch und ge-
rade für diejenigen, die Nachwuchs planen .

Außerdem geht es – das ist hier bisher viel zu wenig
vorgekommen; damit möchte ich mich jetzt länger befas-
sen – um das Professorinnenprogramm . Es hat bislang
nicht nur die Berufung von über 500 Professorinnen er-
möglicht, sondern auch – das war uns wichtig – an ganz
vielen Stellen systemisch im Sinne struktureller Gleich-
stellung gewirkt . Wie gut, dass die GWK schon im April
dieses Jahres dafür votiert hat, das Programm fortzufüh-
ren, und dass wir auch aus dem BMBF Signale bekom-
men haben, dass es fortgeführt werden soll .

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Verbesse-
rungs- oder Erweiterungsvorschläge zu machen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verbesserungsvorschläge?)


Oliver Kaczmarek






(A) (C)



(B) (D)


Mir wäre wichtig, dass in Zukunft ganz im Sinne des Po-
sitionspapiers unserer Fraktion mit einem Teil der Mittel
Professorinnen auch Nachwuchswissenschaftlerinnen
einstellen können, zum Beispiel für die Leitung von
Nachwuchsgruppen, um insbesondere die Leaky Pipe-
line direkt nach der Promotion bei den jungen Wissen-
schaftlerinnen zu stopfen und sie im Betrieb zu halten .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Guter Gedanke!)


Wir müssen mit Mitteln und Maßnahmen dafür sor-
gen – auch das steht in unserem Positionspapier –, dass
es einfacher wird, nach der Promotion, wenn man eine
Familienphase hatte, zurückzukehren und in der wissen-
schaftlichen Laufbahn in der Postdoc-Phase anzuschlie-
ßen .

Wir müssen darauf achten – auch das ist sehr wich-
tig –, dass all die vielen Gleichstellungsmaßnahmen, die
wir systemisch fordern, in den Hochschulen wirklich
nachhaltig verankert sind, diese die Verantwortung da-
für übernehmen und die Maßnahmen verbindlich und auf
Dauer gestellt werden . Das heißt – das ist ganz klar –:
Das Professorinnenprogramm braucht in Zukunft deut-
lich mehr Mittel .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Meine Damen und Herren, wir haben es schon oft
gehört – ich will es unterstreichen –: Die beste Wissen-
schaft braucht die besten Männer und die besten Frauen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dass wir daran noch arbeiten müssen, ist deutlich gewor-
den. Aber wir haben auch schon einiges geschafft.

Danke schön .

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1823619000

Vielen Dank, Claudia Lücking-Michel . – Damit

schließe ich die Aussprache .
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

den Drucksachen 18/12310 und 18/10851 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . – Sie sind damit einverstanden . Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen .

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 1 . Juni 2017, 9 Uhr,
ein .

Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen einen
schönen Restabend .