Protokoll:
18176

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 176

  • date_rangeDatum: 9. Juni 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:30 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/176 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 176. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 9. Juni 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abge- ordneten Ulla Jelpke und Hans-Christian Ströbele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 A Begrüßung der neuen Abgeordneten Kathrin Rösel und Iris Ripsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 B Wahl des Abgeordneten Stefan Liebich als ordentliches Mitglied des Stiftungsrates der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dikta- tur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 B Wahl der Abgeordneten Katrin Albsteiger als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17299 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 8, 18, 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17300 B Absetzung des Zusatzpunktes 3 . . . . . . . . . . . 17304 A Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 17300 B Reaktionen auf die Armenien-Resolution . . . . 17300 C Begrüßung des Präsidenten des georgischen Parlaments, Herrn Dawit Usupaschwili . . . . 17323 D Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum besseren Informations- austausch bei der Bekämpfung des interna- tionalen Terrorismus Drucksache 18/8702 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17301 B Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17301 B Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17303 A Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17304 B Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17306 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17308 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 17309 B Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17310 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17311 C Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17312 D Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17314 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17316 A Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 17316 D Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17317 D Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17319 C Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17319 D Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Frank Tempel, Dr . André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Demokratie für alle Drucksache 18/8419 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17320 A b) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz) und zur Einführung eines Gesetzes über das Verfahren bei Volks­ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016II initiativen, Volksbegehren und Volksent- scheid (Bundesabstimmungsgesetz) und zur Änderung weiterer Gesetze Drucksachen 18/825, 18/7972 . . . . . . . . . . 17320 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17320 B Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17322 A Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17323 D Dr . Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17325 A Oswin Veith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17327 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17328 C Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 17329 D Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 17330 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17331 D Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . 17332 B Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17333 B Susann Rüthrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17334 D Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17336 A Tagesordnungspunkt 5: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 2016 Drucksache 18/8300 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17337 D b) Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W . Birk- wald, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Bildung in der beruflichen Bildung umsetzen Drucksache 18/8421 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17338 A c) Antrag der Abgeordneten Beate Wal- ter-Rosenheimer, Kai Gehring, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Jahr 2016 die Berufsbildung fit für die Zukunft machen Drucksache 18/8259 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17338 A Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17338 B Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 17339 C Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17341 A Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17342 C Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17344 B Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 17346 A Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17346 B Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17346 D Uda Heller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17347 C Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17348 D Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17349 D Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Sechs- ten Gesetzes zur Änderung des Straßen- verkehrsgesetzes und anderer Gesetze Drucksache 18/8559 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17351 B b) Antrag der Abgeordneten Elisabeth Schar- fenberg, Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Versorgung durch Heilmittelerbringer stärken – Valide Datengrundlage zur Versorgung und Einkommenssituation von Heilmittelerbringern schaffen Drucksache 18/8399 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17351 B c) Antrag des Präsidenten des Bundesrech- nungshofes: Rechnung des Bundesrech- nungshofes für das Haushaltsjahr 2015: – Einzelplan 20 – Drucksache 18/8460 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17351 C Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Standortauswahlgesetzes Drucksache 18/8704 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17351 C b) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sanktionsregelun- gen für Beförderungsunternehmen, ins- besondere Flug- und Schiffsunterneh- men, abschaffen Drucksache 18/8701 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17351 C Tagesordnungspunkt 33: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbe- treuung für Kinder und des Kinderbe- treuungsfinanzierungsgesetzes Drucksachen 18/8616, 18/8744 . . . . . . . . . 17351 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tieri- sche Nebenprodukte-Beseitigungsgeset- zes und zur Änderung des BVL­Gesetzes Drucksachen 18/8335, 18/8736 . . . . . . . . . 17352 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 III c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Dezember 2015 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und Japan zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und bestimmter anderer Steuern sowie zur Verhinderung der Steuerver- kürzung und -umgehung Drucksachen 18/8516, 18/8726 . . . . . . . . . 17352 C d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. September 2014 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland und der Regierung der Republik Ruanda über den Luftver- kehr Drucksachen 18/8296, 18/8672 . . . . . . . . . 17352 D e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- tät und Geschäftsordnung zu dem An- trag der Abgeordneten Martina Renner, Dr . André Hahn, Dr . Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Dr . Sahra Wa- genknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt, Dr . Anton Hofreiter und weiterer Abgeordneter: Ergänzung des Untersuchungsauftrages des 1. Untersu- chungsausschusses – Hilfsweise: Einset- zung eines Untersuchungsausschusses Drucksachen 18/7565, 18/8683 . . . . . . . . . 17353 A f) Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr öf- fentliche Sicherheit – Für eine bessere Begrenzung und Kontrolle von Schuss- waffen Drucksache 18/8710 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17353 B g)–l) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 321, 322, 323, 324, 325 und 326 zu Petitionen Drucksachen 18/8635, 18/8636, 18/8637, 18/8638, 18/8639, 18/8640 . . . . . . . . . . . . 17353 B Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umweltstatis- tikgesetzes und des Hochbaustatistikgeset- zes Drucksachen 18/8341, 18/8734 . . . . . . . . . . . 17353 D Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über Luftquali- tätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV Drucksachen 18/8340, 18/8461 Nr . 2, 18/8667 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17354 A Tagesordnungspunkt 6: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der Mitglieder des Kura- toriums der Stiftung „Erinnerung, Verant- wortung und Zukunft“ Drucksache 18/8709 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17354 B Tagesordnungspunkt 7: Bericht des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2015 Drucksache 18/8370 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17354 B Kersten Steinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17354 C Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . . 17356 C Kerstin Kassner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17357 C Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17358 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17359 B Antje Lezius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17360 C Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17361 D Dr . Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . 17362 C Martina Stamm-Fibich (SPD) . . . . . . . . . . . . . 17363 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17364 A Iris Eberl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17364 D Heidtrud Henn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17366 A Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17366 D Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17368 B Kerstin Kassner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17368 D Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17369 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016IV GRÜNEN: Reform der Wahl für die obers- ten Bundesgerichte Drucksache 18/7548 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17370 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17370 C Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17371 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17372 B Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17373 D Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17375 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17376 A Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17377 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17378 A Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Die Aufarbeitung der SED-Diktatur konsequent fortführen Drucksache 18/8705 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17379 A Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17379 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17381 B Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17382 B Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17383 D Tagesordnungspunkt 10: Wahl des Bundesbeauftragten für die Un- terlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Re- publik Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17384 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17388 A Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Ulla Jelpke, Martina Renner, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE: Umfassen- des Informations- und Transparenzgesetz schaffen Drucksache 18/7709 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17385 B Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17385 C Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17386 C Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17388 B Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17389 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17390 C Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17391 C Tagesordnungspunkt 12: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Invest- mentbesteuerung (Investmentsteuerre- formgesetz – InvStRefG) Drucksachen 18/8045, 18/8345, 18/8461 Nr . 1 .6, 18/8739 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17392 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/8741 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17392 D Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17392 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17394 D Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 17395 D Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17397 C Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 17398 D Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17399 D Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augs- burg), Dr . Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhal- tige Entwicklungsziele in Deutschland konsequent umsetzen Drucksachen 18/7649, 18/8685 . . . . . . . . . 17400 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Wolf- gang Strengmann-Kuhn, Dr . Valerie Wilms, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltig- keitsziel 1 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Armut in jeder Form und überall beenden Drucksachen 18/6045, 18/7600 . . . . . . . . . 17401 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Land- wirtschaft zu dem Antrag der Abgeord- neten Friedrich Ostendorff, Dr . Valerie Wilms, Nicole Maisch, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 2 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Den Hunger beenden, Ernährungssouverä- nität und eine bessere Ernährung er- reichen und eine nachhaltige Landwirt- schaft fördern Drucksachen 18/6046, 18/8680 . . . . . . . . . 17401 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 V d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein- Schmeink, Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 3 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Ge- sundes Leben für alle ermöglichen und fördern Drucksachen 18/6047, 18/8684 . . . . . . . . . 17401 B e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Be- ate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nach- haltigkeitsziel 4 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern Drucksachen 18/6048, 18/8681 . . . . . . . . . 17401 B f) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 5 in Deutsch- land schon jetzt umsetzen – Geschlech- tergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen Drucksachen 18/6049, 18/8644 . . . . . . . . . 17401 B g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr . Valerie Wilms, Britta Haßelmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 6 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirt- schaftung von Wasser und Sanitärver- sorgung für alle gewährleisten Drucksachen 18/6050, 18/7633 Buchsta- be a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17401 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Ju- lia Verlinden, Dr . Valerie Wilms, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 7 in Deutsch- land schon jetzt umsetzen – Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern Drucksachen 18/6051, 18/7329 . . . . . . . . . 17401 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr . Valerie Wilms, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhal- tigkeitsziel 8 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Dauerhaftes, inklu- sives und nachhaltiges Wirtschafts- wachstum, produktive Vollbeschäf- tigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Valerie Wilms, Kerstin Andreae, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhal- tigkeitsziel 9 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Eine belastbare In- frastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung för- dern und Innovationen unterstützen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr . Frithjof Schmidt, Dr . Valerie Wilms, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeits- ziel 10 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten verringern Drucksachen 18/6052, 18/6053, 18/6054, 18/8437 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17401 D j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tübin- gen), Dr . Valerie Wilms, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nach- haltigkeitsziel 11 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Städte und Siedlungs- flächen inklusiv, sicher, stabil und nach- haltig machen Drucksachen 18/6055, 18/6712 . . . . . . . . . 17402 A k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr . Valerie Wilms, Luise Amtsberg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 12 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Für nachhaltige Konsum- und Produktions- muster sorgen Drucksachen 18/6056, 18/6713 . . . . . . . . . 17402 A l) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Dr . Valerie Wilms, Bärbel Höhn, weiterer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016VI Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltig- keitsziel 13 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und sei- ner Auswirkungen ergreifen Drucksachen 18/6057, 18/8679 . . . . . . . . . 17402 B m) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 14 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwick- lung erhalten und nachhaltig nutzen Drucksachen 18/6058, 18/6714 . . . . . . . . . 17402 B n) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Harald Ebner, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 15 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Nachhaltige Nutzung terrestrischer Ökosysteme schützen, wiederherstellen und fördern, Wälder nachhaltig bewirt- schaften, die Wüstenbildung bekämp- fen, die Bodendegradation aufhalten und umkehren sowie den Verlust der biologischen Vielfalt stoppen Drucksachen 18/6059, 18/7633 Buchsta- be b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17402 C o) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln), Dr . Vale- rie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeitsziel 16 in Deutsch- land schon jetzt umsetzen – Friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz er- möglichen und effektive, rechenschafts- pflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen Drucksachen 18/6060, 18/8743 . . . . . . . . . 17402 C p) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Anja Hajduk, Dr . Valerie Wilms, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: UN-Nachhaltigkeits- ziel 17 in Deutschland schon jetzt um- setzen – Globale Partnerschaft für nach- haltige Entwicklung jetzt wiederbeleben Drucksachen 18/6061, 18/7632 Buchsta- be b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17402 D Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . . . 17402 D Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17403 C Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staats- sekretärin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17404 C Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17405 B Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17406 B Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17407 C Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausüben- den Künstler auf angemessene Vergü- tung Drucksache 18/8625 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17410 C b) Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Renate Künast, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Urhebe- rinnen und Urheber stärken – Urheber- vertragsrecht reformieren Drucksache 18/7518 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17410 C Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17410 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17411 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17412 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17413 C Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17414 C Dr . Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17415 D Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17417 A Tagesordnungspunkt 15: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke, Jan Korte, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgeset- zes und zur Einführung eines allgemei- nen Wahlrechts für alle Einwohnerin- nen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland (Ausländerwahlrechtsge- setz) Drucksache 18/3169 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17418 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 VII b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Frank Tempel, Ulla Jelpke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes Drucksache 18/6877 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17418 A c) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Arti- kel 28 Absatz 1 – Kommunales Auslän- derwahlrecht) Drucksache 18/2088 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17418 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17418 B Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17419 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17420 B Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17421 B Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17421 D Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 17422 D Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung soldatenbeteili- gungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/8298, 18/8735 . . . . . . . . . . . 17424 A Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung zu dem Antrag der Abge- ordneten Kai Gehring, Harald Ebner, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bio- sicherheit bei Hochrisikoforschung in den Lebenswissenschaften stärken Drucksachen 18/6204, 18/8698 . . . . . . . . . . . 17424 B Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17424 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17425 C René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17426 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17427 C Sybille Benning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17428 C Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Achtung der Menschenrechte in Bu- rundi einfordern – Friedensdialog fördern Drucksache 18/8706 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17429 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, Omid Nouri- pour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gewalt in Bu- rundi stoppen – Weitere massive Menschen- rechtsverletzungen verhindern Drucksachen 18/6883, 18/8738 . . . . . . . . . . . 17429 D Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Ab- geordneten Dr . Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäfts- ordnung des Deutschen Bundestages – hier: Ausschussöffentlichkeit Drucksachen 18/3045, 18/8299 . . . . . . . . . . . 17430 A Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wildtierschutz weiter verbessern – Il- legalen Wildtierhandel bekämpfen Drucksache 18/8707 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17430 B Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften Drucksache 18/8620 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17430 B Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches Drucksache 18/8621 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17430 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016VIII Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten Drucksachen 18/8560, 18/8660 Nr . 2 .1, 18/8737 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17430 D Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung berg-, umweltschadens- und wasserrechtlicher Vorschriften zur Umsetzung der Richt- linie 2013/30 EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten Drucksache 18/8703 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17431 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17431 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 17433 A Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl des Bun- desbeauftragten für die Unterlagen des Staats- sicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik teilgenommen ha- ben (Tagesordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . 17433 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung solda- tenbeteiligungs- und personalvertretungsrecht- licher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 17436 A Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17436 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17437 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17437 D Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17438 D Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17439 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Achtung der Menschenrechte in Burundi einfordern – Friedensdialog för- dern – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Ab- geordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz- Asche, Omid Nouripour, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gewalt in Burundi stop- pen – Weitere massive Menschenrechts- verletzungen verhindern (Tagesordnungspunkt 22 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17440 C Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17440 C Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 17441 C Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17443 C Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 17444 D Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17445 C Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- tät und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages; hier: Aus- schussöffentlichkeit (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 17446 C Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17446 C Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17447 A Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17448 B Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17449 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17450 A Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wildtierschutz weiter verbessern – Ille- galen Wildtierhandel bekämpfen (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 17450 C Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17450 C Dr . Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) . . . . . . . 17451 C Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 17452 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 IX Birgit Menz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 17453 A Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17454 A Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staats- sekretärin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17454 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vor- schriften (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 17455 B Thorsten Hoffmann (Dortmund) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17455 B Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 17456 D Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17457 C Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17458 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 17459 C Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17459 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17460 D Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17461 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 17462 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 17462 D Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17463 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Zweite Ver- ordnung zur Änderung der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 17464 B Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17464 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17465 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 17466 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17467 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung berg-, umweltschadens- und wasserrechtlicher Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten (Zusatztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . 17468 A Dr . Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . . 17468 B Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17469 A Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17469 D Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17470 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17299 176. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 9. Juni 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17433 Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik teilgenommen haben (Tages- ordnungspunkt 10) CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr . Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Dr . Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr . Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Axel E . Fischer (Karlsru- he-Land) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .06 .2016 Beckmeyer, Uwe SPD 09 .06 .2016 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 09 .06 .2016 Bülow, Marco SPD 09 .06 .2016 Felgentreu, Dr . Fritz SPD 09 .06 .2016 Ferner, Elke SPD 09 .06 .2016 Gröhe, Hermann CDU/CSU 09 .06 .2016 Lämmel, Andreas G . CDU/CSU 09 .06 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 09 .06 .2016 Leutert, Michael DIE LINKE 09 .06 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .06 .2016 Malecha-Nissen, Dr . Birgit SPD 09 .06 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Murmann, Dr . Philipp CDU/CSU 09 .06 .2016 Özoğuz, Aydan SPD 09 .06 .2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 09 .06 .2016 Rawert, Mechthild SPD 09 .06 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 09 .06 .2016 Scho-Antwerpes, Elfi SPD) 09 .06 .2016 Schulz-Asche, Kordula BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .06 .2016 Spahn, Jens CDU/CSU 09 .06 .2016 Strothmann, Lena CDU/CSU 09 .06 .2016 Tack, Kerstin SPD 09 .06 .2016 Veit, Rüdiger SPD 09 .06 .2016 Wicklein, Andrea SPD 09 .06 .2016 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 09 .06 .2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617434 (A) (C) (B) (D) Alexander Funk Ingo Gädechens Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr . Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr . Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr . Franz Josef Jung Xaver Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr . Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr . Roy Kühne Uwe Lagosky Dr . Karl A . Lamers Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Paul Lehrieder Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr . Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr . Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr . h . c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Dr . Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Gabriele Schmidt (Ühlingen) Ronja Schmitt Patrick Schnieder Dr . Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17435 (A) (C) (B) (D) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr . Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Andrea Nahles Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr . Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr . Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr . Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE. Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W . Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr . Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr . André Hahn Heike Hänsel Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617436 (A) (C) (B) (D) Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr . Alexander S . Neu Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr . Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr . Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr . Tobias Lindner Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Dr . Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Markus Tressel Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungs- rechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 16) Julia Obermeier (CDU/CSU): Wenn jemand seinem Arbeitgeber schwört, das Recht und die Freiheit des deut- schen Volkes tapfer zu verteidigen, muss das ein beson- derer Arbeitgeber sein . Dieser Arbeitgeber ist mit seinen circa 240 000 Mitarbeitern einer der größten in Deutsch- land . Dieser Arbeitgeber ist die Bundeswehr . In den vergangenen 60 Jahren hat die Bundeswehr eine bewegte Geschichte durchlebt . Sie hat sich von ei- ner Armee der ausschließlichen Landes- und Bündnis- verteidigung zu einer Armee der Einheit und weltweiten Einsätze gewandelt . Die Veränderungen haben unseren Soldatinnen und Soldaten insbesondere in den vergange- nen Jahren viel abverlangt . Hier sind vor allem die Aus- setzung der Wehrpflicht, die Strukturreform im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr und die steigende Zahl an Auslandseinsätzen zu nennen . Diese Veränderungsprozesse aktiv zu begleiten und sich an den Entwicklungen zu beteiligen, ist für die Sol- datinnen und Soldaten von herausragender Bedeutung . Denn Mitbestimmung, so weiß man aus zahlreichen Stu- dien, erhöht die Akzeptanz von Veränderungen . In Zeiten des Umbruchs sind Personalräte und Vertrau- enspersonen nicht nur wichtige Mittler, um neue Struk- turen durchzusetzen und Zustimmung für neue Aufgaben zu schaffen . Sie sind auch von großer Bedeutung, um sol- datische Beteiligung an Gestaltungs- und Entscheidungs- prozessen zu ermöglichen . Neben persönlichen Gesprä- chen mit Vorgesetzten, Anträgen und Meldungen sind sie hierfür zentrale Vermittler . Durch Mitbestimmung wird auch die Mitarbeitermotivation gesteigert und die Aufga- benerfüllung verbessert . Darüber hinaus wird die Zufrie- denheit erhöht . Daher möchte ich an dieser Stelle allen Soldatinnen und Soldaten danken, die sich als Vertrauenspersonen oder als Personalräte engagieren . Ihre Arbeit stärkt un- sere Bundeswehr . Heute stimmen wir über die Modernisierung des ge- setzlichen Rahmens der Soldatenbeteiligung ab . Es wer- den unter anderem drei wichtige Anpassungen vorge- nommen: Erstens wird das Soldatenbeteiligungsgesetz an die Neuausrichtung der Bundeswehr angepasst: In den neu- en Führungsebenen der Teilstreitkräfte und der militäri- schen Organisationsbereiche werden zukünftig Personal- räte eingerichtet . Zweitens wird die Soldatenbeteiligung in den Aus- landseinsätzen gestärkt . Und drittens werden die Aufgaben und Befugnisse der Vertrauenspersonen an den Zielen der Bundeswehr als moderner Freiwilligenarmee ausgerichtet . Hierzu wird ihre Stellung gestärkt und ihre Ausstattung verbessert . Darüber hinaus wird ihre Zuständigkeit erweitert: Bei- spielsweise haben sie mehr Mitbestimmungsrechte bei der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst, der Gleichstellung und Gleichbehandlung von Soldatin- nen und Soldaten sowie der Gestaltung der Dienstunter- künfte . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17437 (A) (C) (B) (D) Die genannten Änderungen erhöhen – wir haben es in der ersten Lesung von der Ministerin gehört – die At- traktivität der Bundeswehr als flexibler, moderner und offener Arbeitgeber . Attraktivität heißt auch, Menschen ernst zu nehmen . Dies ist von großer Bedeutung . Denn es werden sich mehr gut qualifizierte und selbstbewusste junge Menschen für eine Karriere bei der Bundeswehr entscheiden, wenn sie wissen, ihre Stimme wird gehört, und sie dringen mit berechtigten Beschwerden oder auch innovativen Anregungen zu den Verantwortlichen durch . Die Modernisierung des Soldatenbeteiligungsgesetzes ist der richtige Schritt . Die Bundeswehr ist mehr als eine Armee, die auf klaren hierarchischen Befehlsstrukturen beruht . Sie ist eine Armee, in der Soldatinnen und Solda- ten an demokratischen Prozessen innerhalb der Bundes- wehr teilhaben und sie aktiv gestalten . Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zum Gesetzent- wurf – damit auch in Zukunft viele junge Männer und Frauen der Bundeswehr als Arbeitgeber schwören, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen . Henning Otte (CDU/CSU): Heute beschließen wir das Gesetz zur Änderung soldatenbeteiligungs- und per- sonalvertretungsrechtlicher Vorschriften . Das vielleicht herausragendste Merkmal, welches die Bundeswehr einzigartig macht, ist das Prinzip der Inneren Führung . Dadurch unterscheidet sich die Bundeswehr von vielen anderen Streitkräften auf der Welt . Vor allem aber un- terscheidet sie sich von undemokratischen Armeen der Vergangenheit . Ich habe mal mit einem ausländischen Soldaten ge- sprochen, der in den 80er-Jahren in einer Armee des War- schauer Paktes sozialisiert wurde und in den 90er-Jahren den deutschen Generalstablehrgang besucht hat . Er er- zählte mir, dass er sich anfänglich schwer tat mit den of- fenen Diskussionen, die in der Bundeswehr gepflegt wer- den . Aber im Laufe der Zeit habe er erkannt, dass seine Heimatarmee ihn zu einem unkritischen Befehlsempfän- ger erzogen habe und die Zeit bei der Bundeswehr ihm geholfen habe zu denken wie ein freier Bürger . Wahr- scheinlich gibt es kein schöneres Zeugnis, das man dem Prinzip der Inneren Führung ausstellen kann . Beteiligungsrechte der Soldaten, etwa durch die Wahl von Vertrauenspersonen und Soldatenvertretern, die wirksames Mitspracherecht bei der Gestaltung des Dienstes haben, das ist ein ganz wesentliches Kernele- ment der Inneren Führung . Hier werden demokratische Prozesse im Truppenalltag erfahrbar . Das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform ist manchmal abstrakt . In den Gremien der Vertrauenspersonen oder Personalvertretun- gen ist es ganz konkret . Die Bundeswehr ist eine Armee im stetigen Wandel . Es gilt, sich laufend auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen einzustellen . Gerade weil die einzelnen Elemente der Inneren Führung so eine große Bedeutung für die Identität und das Wesen der Bundeswehr haben, ist es wichtig, dass wir sie zeit- gemäß halten und damit wirksam halten . Mit den aktuellen Veränderungen im Soldatenbetei- ligungsgesetz haben wir genau das getan . Die bei den Kommandos der Teilstreitkräfte eingerichteten Vertrau- enspersonenausschüsse werden gesetzlich verankert . Die Position der Vertrauenspersonen wird deutlich gestärkt . Ihre Amtszeiten werden von zwei auf vier Jahre verlän- gert . Ihre Ausstattung wird verbessert, und wir schaffen zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten . Beteiligungs- rechte werden fortentwickelt, insbesondere im Hinblick auf die Mitbestimmung bei der Festlegung der Arbeits- zeiten, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei Maßnahmen der Berufsförderung sowie bei der Gestal- tung der dienstlichen Unterkünfte . Bei den Beratungen im Verteidigungsausschuss haben wir außerdem noch weitere Verbesserungen am Gesetz vorgenommen: Wenn geprüft wird, ob Ersatzansprüche gegen einen Soldaten geltend gemacht werden – etwa beim Verlust von Ausrüstung –, kann die Vertrauensper- son hinzugezogen werden, die ein Mitsprachrecht hat . Dieses Recht galt ab einer Schwelle von 500 Euro . Wir haben das auf 250 Euro abgesenkt . Gerade vor dem Hin- tergrund der Besoldung junger Dienstgrade scheint das fair . Bei der Frage, wie viele Personen in den Vertrauens- personenausschüssen bei den Kommandos der Teilstreit- kräfte und Organisationsbereichen sitzen können, haben wir die Anzahl im Falle des Heeres von elf auf 13 erhöht . Für die Luftwaffe sind es sieben, bei Marine und Zentra- lem Sanitätsdienst je fünf . Mit dieser Anpassung werden wir der personellen Stärke des Heeres besser gerecht . Diese Änderungen haben wir als CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit der SPD und den Grünen eingebracht . Dieses gemeinsame Vorgehen unterstreicht die breite po- litische Unterstützung dieses wichtigen Themas . Die Innere Führung ist das Prinzip, durch welches die Notwendigkeiten der militärischen Auftragserfül- lung und freiheitlich-demokratischen Grundordnung aneinander gebunden werden . In diesem Spannungsver- hältnis zu vermitteln, ist ein wesentliches Merkmal der Mitbestimmungsrechte der Soldaten . Mit der heutigen Verabschiedung des Soldatenbeteiligungsgesetzes legen wir eine wichtige Grundlage dafür, dass die Bundeswehr auch zukünftig eine demokratische, leistungsfähige und attraktive Armee ist . Vielen Dank für Ihre Zustimmung . Gabi Weber (SPD): Mit der Novellierung des SBG erfolgt eine Anpassung an die neu eingenommenen Strukturen infolge der Neuorganisation der Bundeswehr . Auch das veränderte, einsatzorientierte Aufgabenspekt- rum macht eine Anpassung nötig . Zudem ist sie ein Bei- trag zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber, indem stärkere Einflussmöglichkeiten der soldatischen Interessenvertretungen geschaffen wer- den . Insbesondere die Vertrauenspersonen erhalten eine kraftvollere Stellung durch eine Erweiterung der Betei- ligungstatbestände . So bestimmen Vertrauenspersonen erstmals bei der Festlegung der täglichen Arbeitszeiten und der Vertei- lung auf die Wochentage mit; vorher wurden sie ledig- lich angehört . Im Sinne einer familienfreundlicheren und attraktiveren Ausrichtung des Dienstes bestimmen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617438 (A) (C) (B) (D) sie außerdem bei Maßnahmen zur Förderung der Verein- barkeit von Familie und Dienst mit . Auch statt lediglich Vorschläge zur Berufsförderung zu machen, hat die Ver- trauensperson nun bei der Entscheidung darüber ein Mit- bestimmungsrecht . Daneben wird die Vertrauensperson zusätzlich angehört bei der Genehmigung von Telearbeit und – mit Vorschlagsrecht – der Gestaltung der dienstli- chen Unterkünfte . Diese Änderungen unterstützen wir, und ich danke den Beteiligten im Ministerium und in der Verwaltung für ihre insgesamt recht ausgewogene Arbeit bei der An- passung des Gesetzes an die veränderten Realitäten . Im Ausschuss haben wir uns den vorgelegten Entwurf nochmals angeschaut und an einigen Stellen Änderungs- bedarf erkannt . Mein Dank geht daher auch an die Kol- leginnen und Kollegen im Verteidigungsausschuss, die konstruktiv und kollegial für die Soldatinnen und Sol- daten wichtige Änderungen unterstützt und umgesetzt haben . Dazu gehört erstens die Absenkung der Summe bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ge- gen Soldaten, ab der die Vertrauensperson mitbestimmen darf, von 500 auf immerhin 250 Euro . Hier hätten wir uns eine weitere Absenkung gewünscht, da es vor der No- vellierung keine Untergrenze gab und die Vertrauensper- son noch grundsätzlich beteiligt wurde . Auch 250 Euro ist viel Geld, wenn Teile der Ausstattung unverschuldet abhandenkommen . Wenigstens eine Anhörung sollte hier stattfinden. Vielleicht lässt sich das ja im täglichen Dienst und Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen gewohnheitsrechtlich etablieren, um es dann später auch gesetzlich wieder einzuführen . Zweitens erhöhen wir die Zahl der Vertrauensper- sonen im Gesamtvertrauenspersonenausschuss für das Kommando Heer von elf auf 13 . Damit wird einerseits die Bewältigung der Fülle an Aufgaben erleichtert und andererseits eine repräsentativere Vertretung des Hee- res in diesem Gremium erreicht, ohne eine zu dominan- te Stellung gegenüber den anderen Teilstreitkräften zu schaffen . Diskutiert haben wir einen weiteren Vorschlag . Die Disziplinarvorgesetzten sollten zu regelmäßigen Fortbil- dungen über das SBG sowie Formen und Verfahren der Beteiligung von Soldatinnen und Soldaten verpflichtet werden . Das Ziel ist allerdings auch erreichbar, indem in alle Offizierslehrgänge eine entsprechende Lehreinheit aufgenommen wird . Entsprechend rufen wir die Ministe- rin auf, das Thema soldatische Beteiligungsrechte in die Offiziersausbildung aufzunehmen. Hinweisen möchte ich auf einen weiteren Punkt, den ich bereits in der ersten Lesung angesprochen habe und der leider weiterhin problematisch bleibt . Die Bundes- wehr ist nach den Artikeln 87a und 87b des Grundgeset- zes strikt in einen zivilen und einen militärischen Bereich getrennt . Diese Trennung ist gut und sinnvoll, denn sie sorgt dafür, dass das Militär nicht allein über seine ge- gebenenfalls kostspielige Ausstattung entscheiden kann, sondern der zivile Teil unserer Gesellschaft in die Ent- scheidungen einbezogen wird . Allerdings hat die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die zivile Dienstposten beispielsweise im für die Rüstung zuständigen Beschaf- fungsamt oder auch im Verteidigungsministerium ein- nehmen, deutlich zugenommen; teils übersteigt sie sogar die Zahl der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eigentlich zivilen Bereichen . Diese schleichende Entwicklung vorbei an unserer Verfassung ist nicht wünschenswert . Ihr sollte langfris- tig entgegengewirkt werden, indem sich das militärische Personal wieder auf seine Kernaufgabe konzentrieren kann, was sich im Rahmenplan zur Trendwende Personal sicher umsetzen lassen sollte . § 60 ermöglicht wie bisher schon Soldatinnen und Soldaten in Kommandos und Stäben mit Führungsaufga- ben und Aufgaben der militärischen Grundorganisation sowie Stäben und Dienststellen der Korps, keine Ver- trauenspersonen, sondern eigene Personalvertretungen nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) zu wählen . Wenn das militärische Personal schon so um- fangreich ist, ist dies grundsätzlich zu begrüßen, um ein Nebenher von zwei Vertretungssystemen in ein und dem- selben Bereich zu vermeiden und dennoch alle Betroffe- nen angemessen zu beteiligen . Problematisch wird es in gemischten Dienststellen, wenn nach dem neuen Absatz 2 zivile und militärische Wahlberechtigte eine gemeinsame Vertretung wählen . Nach den Regeln des BPersVG erfolgt bei weniger als fünf Beschäftigten eine Zuordnung zur nächsten Dienststelle . Durch die militärischen Kolleginnen und Kollegen ergibt sich nun die Möglichkeit, dass in kleinen Dienststellen die Mindestzahl für einen eigenen Perso- nalrat erreicht wird . Im extremen Fall kann dadurch eine militärische Dominanz der zivilen Angestellten erfolgen, beispielsweise bei einem Verhältnis von einem zivilen zu vier militärischen Wahlberechtigten . So lassen sich die negativen Effekte langfristig nur verhindern, indem, wie gerade gefordert, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten auf zivilen Dienstposten deut- lich reduziert und unserem Grundgesetz entsprechend gehandelt wird . Nichtsdestotrotz haben wir mit dem nun vorliegenden Text ein gutes Ergebnis erzielt, mit dem auch die betei- ligten Verbände leben können . Wo es Nachbesserungs- bedarf gibt, werden wir uns für laufende Verbesserungen einsetzen . Gemeinsam mit Vertrauenspersonen, Perso- nalräten, aber auch den Gleichstellungsbeauftragten set- zen wir uns für weitergehende Verbesserungen, stärkere und sinnvolle Beteiligung sowie den Abbau von Hinder- nissen und Diskriminierung ein . Die nächste Novellie- rung kommt bestimmt . Sollte es notwendig sein, werden wir darauf dringen, die bis dahin untergesetzlich verein- barten Maßnahmen und Verbesserungen dann gesetzlich zu verankern . Christine Buchholz (DIE LINKE): Die Änderun- gen der soldatenbeteiligungs- und personalvertretungs- rechtlichen Regelungen unterstützen wir im Grundsatz, denn als Linke ist uns auch die Interessenvertretung der Soldatinnen und Soldaten als Beschäftigte ein wichtiges Anliegen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17439 (A) (C) (B) (D) Die Linke sieht viele der neuen Regelungen positiv, so die gesetzliche Verankerung der Vertrauenspersonenaus- schüsse für die einzelnen militärischen Organisations- bereiche und der von Vertrauenspersonen anberaumten Versammlungen . Auch die Ausweitung der Mitbestim- mungsrechte der Vertrauenspersonen bei der Gestaltung des Dienstbetriebs in § 25 ist zu begrüßen, wie auch die bessere materielle Absicherung der Tätigkeit von Ver- trauenspersonen . In Bezug auf die Änderungen im Bundespersonal- vertretungsgesetz begrüßen wir, dass nun nach mehr als 50 Jahren die gewerkschaftliche Interessenvertretung in den Geheimdiensten erstmals im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, wenn auch in § 86, Nr . 11 noch immer die Zulassung bestimmter Gewerkschaftsmitglieder un- ter dem Vorwand von Geheimhaltungsgesichtspunkten in das Belieben des Leiters des BND gestellt ist . Wir haben aber auch Kritik . Nach § 16 ist es möglich, dass Vertrauenspersonen aus „unvermeidbaren dienstli- chen Gründen“ gegen ihren Willen versetzt werden dür- fen . Das Ministerium sagt, die Hürden dafür seien hoch . Das reicht uns nicht . Des Weiteren zur Soldatenbeteiligung im Bereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG): Wir als Linke haben uns schon in der Debatte um das Bundes- wehrreformgesetz dagegen ausgesprochen, dass immer mehr Soldaten auf Dienststellen eingesetzt werden, auf denen eigentlich zivile Beschäftigte eingesetzt werden müssen . Die neuen Regelungen verstärken diese Ent- wicklung: Es soll jetzt möglich sein, dass bereits beim Vorhan- densein eines oder einer zivilen Beschäftigten in einer Dienststelle von dieser Person und bis zu vier Soldatin- nen und Soldaten ein Personalrat gewählt werden kann . Das kann zu einer Dominanz der Soldatinnen und Solda- ten in den Strukturen der Personalvertretung führen . Überdies bleibt die Frage wieder einmal ungeklärt, wa- rum nicht die Bestimmungen des Bundespersonalvertre- tungsgesetzes (BPersVG) auf die gesamte Bundeswehr im Grundbetrieb ausgedehnt werden . Der Schritt hin zur vollen Gleichberechtigung auch der Soldatenvertre- tungen in den beweglichen Einheiten ist nicht gegangen worden: Die Besonderheiten des militärischen Dienstes würden eine vollkommene Gleichstellung im Sinne des BPersVG nicht zulassen, wie uns im Ausschuss erklärt wurde . Aber worin diese Besonderheiten denn im Grund- betrieb liegen, wurde uns nicht erklärt . Die Begründung für das Gesetz ist durchsichtig . Die Mitbestimmung wird nicht als selbstverständliches Recht gesehen, sondern als Mittel zum Zweck, um die Bundes- wehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen . Die Bundeswehr als Arbeitgeberin hat weiterhin gro- ße Probleme mit der Akzeptanz unter den jungen Leuten . Und das mit Recht: Denn was passiert, wenn Ausland- seinsatzzwang und Soldatenbeteiligung aufeinanderpral- len, kann man u . a . in Kapitel 4 sehen, das alle Formen der Mitbestimmung explizit unter den Vorrang der Auftrags- erfüllung stellt . Damit wird der Willkür von Vorgesetzten im Auslandseinsatz Tür und Tor geöffnet . In § 57 werden die Mitbestimmungsrechte bei der Dienstplanung, die in § 25 neu gewährt wurden, gleich wieder kassiert . Aus diesen Gründen wird Die Linke dieser Novelle trotz der durchaus begrüßenswerten Aspekte nicht zu- stimmen . Ursprünglich hatten die Grünen einen Änderungsan- trag eingereicht, der vorsieht, Dienstvorgesetzte in Fra- gen der Soldatenvertretung zu schulen . Das war offen- sichtlich zu viel des Guten für das Ministerium und die Koalition . Diese Schulungen sollen jetzt untergesetzlich geregelt werden, wie die SPD im Ausschuss zusicherte . Wir hoffen sehr, dass sich die SPD an dieses Versprechen auch hält! Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Verteidigungsausschuss bietet ja leider viel zu selten die Gelegenheit, die Politik der Bundesregierung zu verbes- sern . Denn bei den meisten „großen“ Themen, etwa bei Fragen der Rüstung oder der sicherheitspolitischen Stra- tegie, zeigt sich die Regierungskoalition immer wieder erstaunlich beratungsresistent . Umso erfreulicher sind deshalb jene Momente, in denen sich der Ausschuss mit weniger abstrakten Pro- blemen befasst – mit Problemen, die den Alltag der Sol- datinnen und Soldaten prägen . Dann kommt die Stunde der Sachpolitik . Ich glaube, man kann sagen: Im Falle des Soldatin- nen- und Soldatenbeteiligungsgesetzes haben wir diese Stunde der Sachpolitik gut genutzt . Denn wir haben auf Initiative meiner Fraktion nicht in allen, aber doch in ent- scheidenden Punkten echte Verbesserungen für die Sol- datinnen und Soldaten erreicht . Erstens: Wir haben die Bagatellgrenze bei den Scha- densersatzforderungen gegen Soldatinnen und Soldaten erheblich abgesenkt . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor, dass die Vertrauenspersonen erst dann in das Verfahren einbe- zogen werden müssen, wenn der Soldat oder die Solda- tin mindestens 500 Euro Schadensersatz leisten soll . Ich habe hier schon vor vier Wochen gesagt: Diese Grenze ist viel zu hoch . Denn dass Soldaten und Soldatinnen verlo- ren gegangene Ausrüstungsgegenstände ersetzen sollen, kommt durchaus häufiger vor. Zu Beginn ihrer Ausbildung erhalten die Rekrutinnen und Rekruten mehrere Dutzend Kleidungsstücke und technische Hilfsmittel ausgehändigt . Vieles davon – wie etwa der Tropenhut oder die Zeltbahn – kommt selten bis überhaupt nicht zum Einsatz . Kein Wunder, dass hier und da etwas verschwindet . Dann wird Schadensersatz fällig . Und dann ist es wichtig, dass die Soldatinnen und Soldaten in der Vertrauensperson einen Anwalt an ihrer Seite haben . Meine Fraktion hat deshalb vorgeschlagen, die Scha- densschwelle, ab der die Vertrauensperson einbezogen werden muss, auf 100 Euro abzusenken . 100 Euro sind für die Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten viel Geld . Leider wollten die Koalitionsfraktionen so weit nicht ge- hen . Aber ich bin froh, dass wir uns nun auf 250 Euro Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617440 (A) (C) (B) (D) verständigt haben . Denn damit zeigen wir: Wir lassen die Soldatinnen und Soldaten in kritischen Situationen nicht im Regen stehen . Ein zweiter Triumpf der Sachpolitik ist unser Kom- promiss zum Vertrauenspersonenausschuss beim Kom- mando Heer . Von bisher 17 auf nur elf Vertrauenspersonen wollte die Bundesregierung dieses Gremium verkleinern . Das erschien uns doch sehr radikal . Das Heer stellt mit knapp 60 000 Soldatinnen und Soldaten die größte Teilstreit- kraft . Dementsprechend hat der VPA beim Komman- do Heer ziemlich viel zu tun . Wir haben es gemeinsam geschafft, die Zahl der Mitglieder des Ausschusses auf künftig 13 zu erhöhen . Das ist nicht ganz so viel, wie meine Fraktion sich erhofft hatte . Aber damit sollte ge- währleistet sein, dass der VPA die Interessen der Solda- tinnen und Soldaten auch weiterhin vernünftig vertreten kann . Und darauf kommt es an . Eine wirksame Mitsprache und Mitgestaltung ist wichtig – nicht nur für die Zufriedenheit der Soldatinnen und Soldaten . Sie ist auch unverzichtbar, wenn Innere Führung mehr sein soll als nur ein Lippenbekenntnis . Leider haben insbesondere die Kolleginnen und Kol- legen aus der Union diesen Zusammenhang noch nicht völlig verinnerlicht . Sonst hätten wir das Gesetz sicher- lich noch in zwei weiteren Punkten verbessern können . Eine echte Erschwernis für die praktische Umsetzung der Soldatinnen- und Soldatenbeteiligung besteht näm- lich darin, dass viele Vorgesetzte nicht ausreichend über Umfang und Verfahren der Soldatinnen- und Soldatenbe- teiligung Bescheid wissen . Meine Fraktion hat deshalb vorgeschlagen, im Gesetz festzuschreiben, dass Diszipli- narvorgesetzte entsprechende Seminare und Schulungen zur Soldatenbeteiligung besuchen sollen . Leider hat die Union diesen Vorschlag abgelehnt – und so werden die Vertrauenspersonen an vielen Standorten wohl weiterhin für ihre Einbindung und ihre Rechte kämpfen müssen . Eine zweite Änderung, die wir sehr begrüßt hätten, betrifft die Wahl des Personalrats in gemischten Dienst- stellen: Das neue Gesetz sieht vor, dass in personalrats- fähigen Dienststellen, in denen weniger als fünf zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorhanden sind, künf- tig auch Soldatinnen und Soldaten zu den Wahlberechtig- ten hinzugezählt werden . Die zunehmende Vermischung von zivilen und militärischen Strukturen ist nicht zuletzt unter verfassungsrechtlichen Aspekten sehr fragwürdig . Und deshalb hätten wir gerne auf diese neue Regelung verzichtet . Ich hoffe sehr, dass wir in einem anderen Zusammen- hang einmal die Gelegenheit haben werden, uns grund- sätzlich über das Verhältnis von Streitkräften und Bun- deswehrverwaltung zu unterhalten, werte Kolleginnen und Kollegen aus der Union . Für heute gilt: Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, auf unsere Änderungsanträge einzugehen . Und ich bin si- cher, die Soldatinnen und Soldaten werden unsere Arbeit sehr zu schätzen wissen . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Achtung der Menschenrechte in Burundi einfordern – Friedensdialog fördern – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und huma- nitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gewalt in Burundi stoppen – Weitere massive Men- schenrechtsverletzungen verhindern (Tagesordnungspunkt 22 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU): Burundi ist ein Staat mit einer unruhigen Vergangenheit . Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1962 gab es immer wieder Machtkämpfe und Konflikte, die oftmals auch bewaffnet ausgetragen wurden . Leidtragende war immer die Bevöl- kerung . Wir sprechen über ein Land, das in nahezu sämt- lichen Indizes am unteren Ende rangiert . Nach dem hart verhandelten Friedensvertrag von Arusha im Jahr 2000 kam Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf . Die Menschenrechtslage verbesserte sich, wenn auch sehr langsam . Es bildeten sich Ansätze einer aktiven Zivilgesellschaft heraus und die Presse begann, freier und kritischer zu agieren . Mit der Ankündigung vom Frühjahr 2015, entgegen der Friedensvereinbarung von Arusha nun doch für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, hat Burundis Präsident Pierre Nkurunziza die Fortschritte der letzten Jahre mit einem Schlag wieder zunichte gemacht . Und so befindet sich das Land seit nunmehr über ei- nem Jahr erneut in der Krise, und seine Bürger leiden unter immer wieder aufflammenden Gewaltwellen. In dieser Zeit ist Burundi – um doch noch einen Index zu zitieren – im Human Development Index von Platz 180 auf 184 abgerutscht, wohlgemerkt von 188 insgesamt . 260 000 Menschen sind bereits in die Nachbarländer ge- flüchtet. Die Situation ist also dramatisch, und das Ruder muss dringend herumgerissen werden . Was den Antrag der Grünen anbelangt, möchte ich davor warnen, die heutigen Ereignisse in Burundi mit Völkermord in einem Atemzug zu nennen . Völkermord ist ein klar definierter Tatbestand, der zum Glück aktuell nicht erfüllt ist . Das macht das dortige Geschehen keinen Deut besser . Aber der Sinn eines solchen Begriffes ist es ja gerade, schwerste Vergehen gegen die Menschlichkeit in ihrer Gesamtheit präzise einordnen zu können . Da ist es nicht hilfreich, alle begangenen Kollektivverbrechen reflexartig gleich in die Nähe des Völkermords zu rücken. Gleichwohl ist es absolut richtig und wichtig, wach- sam zu sein und die Augen offen zu halten . Nie wieder darf es zu Tragödien wie 1994 in Ruanda kommen, und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17441 (A) (C) (B) (D) auch in Burundi haben sich die Volksgruppen der Hutu und Tutsi in der Vergangenheit viel Gewalt angetan . Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der gegenwärtige Konflikt eben nicht entlang ethnischer Zugehörigkeiten geführt wird . Es handelt sich um politische Spannungen, und Mitglieder aller Ethnien streiten sowohl auf Seite der Regierung als auch auf Seite der Opposition . Diese Erkenntnis macht die Situation vor Ort nicht weniger kompliziert . Zwar laufen aktuell Friedensge- spräche, die auch dieses Mal im für Burundi schon sym- bolträchtigen Arusha stattfinden. Die Verhandlungen im Nachbarland Tansania verlaufen jedoch zäh . Die Regie- rung ist kaum zu Zugeständnissen bereit; das wichtigste Oppositionsbündnis bezeichnete die Gespräche als – Zi- tat – „Zeitverschwendung“ . Für die Lösung einer so diffizilen und zugleich gefähr- lichen Situation gibt es kein Patentrezept . Die internatio- nale Gemeinschaft hat mit intensiven diplomatischen Be- mühungen versucht, Druck auf die Regierung Burundis auszuüben . Darüber hinaus haben alle großen Geberlän- der ihre regierungsnahe Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt, so auch Deutschland und die EU . Zumindest nach außen hin gibt sich der burundische Präsident davon bislang unbeeindruckt, und in den Frie- densgesprächen behält er seine harte Linie bei . Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass Nkurunziza seine Haltung sehr schnell ändern würde, wenn die Afrikanische Union endlich an einem Strang ziehen und ihm ganz klar seine Grenzen aufzeigen wür- de . Die Afrikanische Union ist vor allen andern internati- onalen Organisationen gefragt, sich um eine nachhaltige Lösung des Konflikts in ihrem Mitgliedsland zu bemü- hen . Die Signale aus Addis Abeba sind jedoch seit Mo- naten zwiespältig . Es steht der Verdacht im Raum, dass manch verbliebener Potentat einen Präzedenzfall vermei- den möchte, der eines Tages auch auf ihn selbst zurück- fallen könnte . Es ist mir unbegreiflich, dass der AU-Ausschuss für Frieden und Sicherheit in der vergangenen Woche seinen Vorsitz an Burundi vergeben hat . Burundi leitet nun also das entscheidende Gremium der Afrikanischen Union, welches federführend mit der Lösung der Krise im eige- nen Land beauftragt ist . Das ist in der Tat ein deutliches Zeichen der Afrika- nischen Union an die Machthaber in Bujumbura – aber leider genau das falsche . Damit liegen die Hoffnungen nun wohl alleine auf den fragilen Friedensgesprächen in Arusha, die in den kom- menden Wochen fortgesetzt werden sollen . Deutschland kann diese Gespräche unterstützen, in- dem es den Druck auf die burundische Regierung auf- rechterhält und sich im Einklang mit der EU eindeutig gegenüber Präsident Nkurunziza positioniert . Darüber hinaus sollten wir zur Verbesserung der Men- schenrechtssituation auch weiterhin bevölkerungsnahe Hilfsprojekte fortführen und die in die Nachbarstaaten geflohenen Menschen unterstützen. Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): In der eng- lischen Version des UNHCR Tracks von Mai 2016 kön- nen wir folgende Aussagen finden – ich zitiere frei –: Nicoles Reise durch die Hölle begann mit den tägli- chen Runden der brutalen Milizen der Regierungspartei, der Imbonerakure, von Tür zu Tür . Sie sah, was passierte, als ihr Vermieter 10 000 burundische Franc den Milizen nicht bezahlen konnte . Er wurde am Kopf aufgeschlitzt und in die Seiten sowie in den Bauch gestochen . Seiner Frau wurden die Brüste abgeschnitten, und sie wurde von den Genitalien bis zum Kopf aufgeschlitzt . Den Kindern wurden die Kehlen durchgeschnitten . Nicole wusste in diesem Moment, sie muss ihre drei Söhne einsammeln und weglaufen . Sie waren fast an der tansanischen Grenze, als eine Gruppe von Polizis- ten, Imbonerakure und lokalen Offizieren sie einfing. Ihre Befehle lauteten, jeden zu töten oder zu verprü- geln, der versuchte, die Grenze zu überwinden . Es gab sogar eine Frau, die ihr Baby auf dem Rücken trug, und sie schlugen sie, bis das Baby starb (indirekt zitiert nach: UNHCR Tracks, Mai 2016, http://tracks .unhcr . org/2016/05/ running-from-rape-in-burundi/) . Nicole wurde verprügelt und im Gefängnis von ei- nem Polizisten vergewaltigt . Danach wurde sie aus der Polizeistation rausgeworfen . Seitdem hat sie ihre Kinder nicht mehr gesehen . Nicole gehört zu den 265 000 burundischen Bürgern, die geflohen sind, seitdem Präsident Pierre Nkurunziza für eine dritte Amtszeit kandidierte . Der Ankündigung folgten Proteste, schärferes Durchgreifen von der Sicher- heitsbehörden und Milizengewalt . Das burundische Verfassungsgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kandidatur von Pierre Nkurunziza, der als Präsident am 21 . Juli 2015 wiedergewählt wur- de . Seither setzen sich Gewalt und Menschenrechtsver- letzungen in unverminderter Intensität fort . Friedliche Demonstrationen wurden gewaltsam unterdrückt, bür- gerliche und politische Freiheiten massiv eingeschränkt . Im Dezember sollten die burundischen Sicherheitskräfte mindestens 87 Menschen getötet haben . Es sollte sich bei vielen dieser Tötungen wohl um willkürliche Hin- richtungen gehandelt haben . Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, alarmierte die internationale Gemeinschaft über die mutmaßliche Existenz von Massengräbern, von Fäl- len sexueller Gewalt, von willkürlichen Verhaftungen, verschwundenen Personen, Folter und Massenhinrich- tungen . Sowohl die Regierung als auch Teile der Opposi- tion setzen gezielt Gewalt ein, um ihre Interessen durch- zusetzen . Letzten Dezember verurteilte das Europäische Parla- ment in einer Entschließung „die Gewalttaten und Zu- nahme von Menschenrechtsverstößen und -verletzun- gen, einschließlich Ermordungen, außergerichtlicher Hinrichtungen, Verletzungen der körperlichen Unver- sehrtheit von Menschen, Folter und anderer grausamer, http://tracks.unhcr.org/2016/05/running-from-rape-in-burundi/ http://tracks.unhcr.org/2016/05/running-from-rape-in-burundi/ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617442 (A) (C) (B) (D) unmenschlicher und/oder erniedrigender Behandlung, willkürlichen Festnahmen und rechtswidrigen Inhaftie- rungen, auch von Kindern, und die Besetzung von Schu- len durch das Militär und die Polizei sowie die Verletzun- gen der Presse- und Meinungsfreiheit und die bestehende Straflosigkeit“ und forderte „eine gründliche und unab- hängige Untersuchung der Tötungen und Verstöße sowie die strafrechtliche Verfolgung der Täter“ . In Burundi sind die Menschen nicht mehr frei . Ein Pfarrer aus dem Wahlkreis unseres Kollegen Uwe Schummer wies mich heute Morgen auf einen Beitrag der Deutschen Welle hin, wonach elf burundische Schüler festgenommen wurden, weil sie in ihren Schulbüchern Fotos von Präsident Pierre Nkurunziza bekritzelt haben . Jetzt drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft . Eine Präsenz der Vereinten Nationen, um die Sicher- heitslage zu überwachen und die Einhaltung der Men- schenrechte zu fördern, sollte möglichst schnell organi- siert werden . Am 1 . April 2016 votierte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig für die Resoluti- on 2279 (2016), die Optionen für die Entsendung einer Polizeimission der Vereinten Nationen darlegt . Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Bemühun- gen, gegenüber der burundischen Regierung auf Rechts- staatlichkeit sowie die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu drängen, fortzuset- zen . Vor Ort hat sich die deutsche Botschaft in Bujumbu- ra unter anderem bei zahlreichen Gelegenheiten für die Durchsetzung der Versammlungs- und Pressefreiheit ein- gesetzt . So wurden zum Beispiel der Menschenrechtsak- tivist Pierre Claver Mbonimpa sowie der Journalist Bob Rugurika nach ihrer jeweiligen Verhaftung mehrmals in der Haft besucht . Letzterer wurde dann im Februar 2015 freigelassen . Er war für die Berichterstattung über die Er- mordung dreier italienischer Nonnen im Zusammenhang mit der Ausbildung der Imbonerakure inhaftiert worden . Wir fordern die Bundesregierung auch auf, sich wei- terhin für einen innerburundischen inklusiven politischen Dialog einzusetzen . Nur ein inklusiver politischer Dialog unter internationaler Vermittlung, der das Abkommen von Arusha und die Verfassung Burundis achtet, wird zu einer Lösung der Krise führen . Die Menschen in Burundi zählen zu den ersten Op- fern dieser Krise . Mehr als 400 Menschen wurden schon getötet und Tausende verletzt . Über 260 000 Menschen, insbesondere junge Frauen und Kinder, sind in die Nachbarländer geflohen. Laut der Vereinten Nationen sind 4,6 Millionen Menschen – gesamte Bevölkerung: 10,8 Millionen – von Ernährungsunsicherheit betroffen . Es ist daher unabdingbar, den Zugang der Bevölke- rung zu grundlegenden Diensten sicherzustellen . Die burundische Zivilgesellschaft muss weiterhin humanitär versorgt werden . Wir fordern die Bundesregierung auf, bei der Unter- stützung der in die Nachbarländer Burundis geflohenen Menschen nicht nachzulassen und dabei Projekten, die Jugendliche im Hinblick auf ihre Bildung und Ausbil- dung fördern, besondere Beachtung zu schenken und sich für den ungehinderten Zugang internationaler und regionaler Hilfsorganisationen zu allen Flüchtlingslagern der Region einzusetzen . Im März 2016 hat die EU die direkte finanzielle Un- terstützung der burundischen Behörden im Rahmen des EU-AKP-Partnerschaftsabkommens (Cotonou-Abkom- men) zwar ausgesetzt, die finanzielle Unterstützung für die Bevölkerung und die humanitäre Hilfe wird aber in vollem Umfang aufrechterhalten . Deutschland gehört mit seinem 2016 geleisteten Bei- trag von 20 Millionen Euro zu den wichtigsten Gebern im Rahmen des Zentralen Nothilfe-Fonds der VN, der allein im Monat März 2016 zwei Millionen US-Dollar für bu- rundische Flüchtlinge in Tansania bereitstellte . Deutsch- land hat dem UNHCR im vergangenen Jahr 3,5 Milli- onen Euro aus den Mitteln der Humanitären Hilfe zur Verfügung gestellt und dem Welternährungsprogramm für die Flüchtlingslager in Tansania weitere 14 Millionen Euro aus der bilateralen finanziellen Zusammenarbeit. Die Teilsuspendierung der deutschen Entwicklungs- hilfe bezieht sich ausschließlich auf die bilaterale staatli- che Entwicklungszusammenarbeit des BMZ . Die Arbeit privater Träger und privates Engagement ist hiervon nicht berührt . Im Gegenteil: Es ist sehr wichtig, dass ins- besondere in diesen für Burundi sehr schwierigen Zeiten deutlich wird, dass die Menschen nicht vergessen werden und dass Deutschland und seine Bürger mit den Burun- diern solidarisch sind . In diesem Sinne ist anhaltendes privates Engagement ein starkes Zeichen internationaler Solidarität . Die Gefahr eines Bürgerkrieges mit potenzieller Eth- nisierung der Auseinandersetzungen und Destabilisie- rung der gesamten Region besteht weiterhin, zumal der elfjährige Bürgerkrieg, der mit dem Frieden von Arusha 2005 endete, noch keine Vergangenheit ist . In den letzten zehn Jahren sind rund 500 000 Burun- dier, die während der Flüchtlingswellen 1972 und 1993 in die Nachbarländer geflohen waren, zurückgekehrt. Die jüngsten unter ihnen lebten in dritter Generation im Ausland mit wenig Beziehung zu ihrem Heimatland . Die Kommission „Nationale des Terres et autres Biens“ (CNTB) wurde 2006 eingerichtet, um Landkonflikte, die im Zusammenhang mit der Rückkehr von Flüchtlingen nach dem Bürgerkrieg standen, zu regeln . Aber durch eine Gesetzesänderung Anfang 2014 wurde die Unab- hängigkeit dieser Kommission infrage gestellt, und es gab Berichte über Enteignungen und gewaltsames Vorge- hen . Letztlich geht es bei der Flüchtlings- und Landpro- blematik um politische Machtkämpfe zwischen aktueller und ehemaliger Regierungspartei . Sie bergen die Gefahr, dass ethnische Ressentiments in der Bevölkerung wieder aufflammen. Die meisten Familien Burundis sind von den Jahr- zehnten des Völkermordes gezeichnet, wie beispielswei- se Erzbischof Simom Ntamwana, einer der wichtigsten Köpfe der afrikanischen Kirche . 1972, als Tutsis Hutus jagten, starben mehr als 60 Menschen aus seiner Familie . Sein Leben hat er der Versöhnung gewidmet . „Nur Ver- söhnung, nicht Rache, hilft“, sagt er . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17443 (A) (C) (B) (D) Pater Maruhukiro aus Burundi, der vor ein paar Wo- chen hier zu Gast war, berichtete über eine bestehende Völkermordideologie . Die Instrumentalisierung der Ethnie berge die Gefahr einer ethnischen Eskalation . Er forderte außerdem unabhängige Untersuchungen des Massakers, das am 11 . und 12 . Dezember 2015 von den Polizeieinheiten und dem Geheimdienst in Bujumbu- ra begangen wurde . In einem Hilferuf der Überleben- den letzten Januar schrieb er: „Die Angehörigen der Verschwundenen – und wahrscheinlich Ermordeten – möchten wissen, wo ihre Kinder begraben werden . Es ist meines Erachtens nach eine Schande für die interna- tionale Gemeinschaft, dass solch eine Barbarei noch im Jahr 2015 vor unseren Augen passieren darf und quasi in Echtzeit über die sozialen Netzwerke begleitet werden kann . Und das, ohne dass die Täter zur Rechenschaft ge- zogen werden können?“ Ein wiederholter Völkermord muss um jeden Preis verhindert werden . Wir fordern die Bundesregierung auf, ihr Engagement für die Ausgestaltung des Konzeptes der Schutzverant- wortung auf internationaler Ebene aktiv fortzusetzen und dabei der Stärkung ihrer präventiven Säule weiterhin be- sondere Aufmerksamkeit zu widmen . Einen Beitrag leistet in diesem Zusammenhang der im Jahr 2012 geschaffene Focal Point für die Schutzverant- wortung (Responsibility to Protect) beim Auswärtigen Amt . Die Schutzverantwortung ist darüber hinaus fest in die Arbeit der VN und der EU integriert . Die Bundesre- gierung unterstützt das Büro des Sonderbeauftragten für die Schutzverantwortung finanziell und setzte sich auch für die nun erfolgte Benennung eines Focal Points der EU ein . Auch innerhalb der Entwicklungszusammen- arbeit werden konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Schutzverantwortung umgesetzt, insbesondere bei der Weiterentwicklung der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur . Die zivile Krisenprävention ist zudem ein fester Bestandteil der Arbeit der Bundesregie- rung, die mit einem Ressortkreis die mit Krisenpräventi- on befassten Bundesministerien integriert und ein Forum für den Austausch über Verfahren zu Krisenprävention und Krisenfrüherkennung bietet . Ein paar wenige Worte möchte ich nur zum dritten Mandat von Präsident Nkurunziza sagen . Denn eine drit- te – von der Verfassung ursprünglich nicht vorgesehene – Amtszeit ist keine Seltenheit in Afrika . Viele Staats- und Regierungschefs missachten die mittlerweile weitgehend kodifizierten Amtszeitbeschränkungen nicht einfach, sondern wählen den Prozess einer Verfassungsreform über das Parlament, ein Referendum oder eine Ausle- gung zugunsten des Präsidenten . Laut Wissenschaftlern lassen sich demnach viele politische Regime in Subsaha- ra-Afrika als elektorale Autokratien charakterisieren . Amtszeitbeschränkungen sind deshalb bedeutsam, weil der wichtigste Mechanismus zur Durchsetzung von Regierungskontrolle – Wahlen – in vielen afrikanischen Staaten nicht funktioniert . Präsidenten, die sich zur Wie- derwahl stellen, gewinnen diese in 85 Prozent der Fälle auch . Die Begrenzung von Amtsperioden soll die Vortei- le der Amtsinhaberschaft korrigieren . Regierungswech- sel – und sei es nur innerhalb der regierenden Partei – haben positive Auswirkungen auf das politische System: Sie stärken dessen Legitimität, Stabilität und Leistungs- fähigkeit . Ist es so, dass Macht in Afrika oft etwas Zirkuläres hat? Dass angenommen wird, dass jemand, der es ganz nach oben geschafft hat, offenbar über eine besondere Kraft verfügt? Und Macht würde sich solcherart selbst legitimieren? Aber an niemandem geht Macht spurlos vorüber . Macht korrumpiert, und absolute Macht kor- rumpiert absolut . Kaum jemand ist davor gefeit . Nach ei- nigen Jahren absoluter Macht werden oft selbst integerste Menschen zu Tyrannen . Stürzt ein solcher Autokrat dann, bricht oft das Chaos aus, nicht weil der Despot unersetz- bar ist, sondern weil er alles politische und gesellschaft- liche Leben außerhalb seiner Herrlichkeit in Schutt und Asche gelegt hat . Ich schwärme oft von Afrika als unserem großen Bru- der oder unserer großen Schwester . Einem Afrika, von dem wir viel zu lernen haben . Einem Afrika, mit dem wir eine bessere Zukunft zusammen aufbauen können . Zu diesem Afrika gehört aber auch eine freie und starke Zivilgesellschaft . Gabi Weber (SPD): Als ich im Februar 2015 Burun- di im Rahmen einer Parlamentariergruppenreise das erste Mal besuchte, erlebte ich bereits ein Land, welches von innerer Unruhe und politischen Zerwürfnissen geprägt war . Die Auseinandersetzung über eine dritte Kandi- datur des Präsidenten Nkurunziza war bereits deutlich zu spüren . Was sich dann in den nächsten Monaten in diesem Land ereignete, machte und macht mich traurig . Es entwickelte sich eine politische Krise, in deren Fol- ge sich nicht nur die Wirtschaftslage und die Sicherheit Burundis, sondern insbesondere die Situation der Men- schenrechte zunehmend verschlechtert hat . Wir sehen ein Land, das in Gewalt und politischer Instabilität versinkt und scheinbar keinen Weg zu einer friedlichen Beilegung des Konfliktes findet. Und das, obwohl es bis vor nicht allzu langer Zeit noch als ein Beispiel für eine gelunge- ne Post-Konfliktstabilisierung nach dem Friedensvertrag von Arusha aus dem Jahr 2000 galt . Hier müssen wir uns selbstkritisch fragen, wo unsere Frühwarnsysteme nicht richtig funktioniert haben beziehungsweise wie Burundis Weg zu einer stabilen Demokratie nach dem verheeren- den Bürgerkrieg hätte besser begleitet werden müssen . Die politisch festgefahrene Situation in Burundi be- schäftigt uns hier in Deutschland, wie ich es seit einem Jahr erleben kann: politisch in Berlin, in Exilgruppen, im Bereich der Nichtregierungsorganisationen und auch sich für die Region engagierende Bürgerinnen und Bürger . An dieser Stelle möchte ich auch dem Auswärtigen Amt danken, das mit anderen EU-Partnern vor Ort und von Berlin aus beharrlich und mit diplomatischem Fein- gefühl an einer Verbesserung der Lage arbeitet . Herzli- chen Dank dafür . Ich bin dem Menschenrechtsausschuss aus diesem Grund sehr dankbar, dass er mit dem vorliegenden Ko- alitionsantrag „Achtung der Menschenrechte in Burundi einfordern – Friedensdialog fördern“ ein Zeichen setzt, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617444 (A) (C) (B) (D) dass wir im Deutschen Bundestag neben den medial be- herrschenden Großkrisen in der Welt auch die scheinbar kleinen Konfliktgebiete nicht vergessen. Das dürfen wir auch nicht. Burundi befindet sich in der politisch nicht wirklich stabilen Region der Großen Seen . Sollte der Konflikt in dem Land außer Kontrolle geraten, dann hat das gravierende Auswirkungen auf Nachbarländer wie den Kongo, Ruanda oder Tansania . Allein seit April 2015 haben über 260 000 Menschen in den Nachbarländern Zuflucht gesucht. Das ist für die diese Länder eine große Herausforderung . Was können wir von Deutschland aus tun? Ich gebe zu, auch mich befällt nach über einem Jahr oft eine gewisse Ratlosigkeit, wenn ich sehe, wie sich vor Ort scheinbar nichts zum Guten wendet. Aber dieser Konflikt ist ein komplizierter und bedarf zu seiner Lösung eines langen Atems . Wir haben es mit Verteilungskämpfen zwischen Bevölkerung und herrschender Elite zu tun, es geht also um soziale und politische Teilhabe . Ich möchte auch noch einmal betonen – es ist kein ethnischer Konflikt, bis jetzt, und das ist eine gute Nachricht . Unser Antrag fordert die Bundesregierung dazu auf, – gegenüber der burundischen Regierung weiterhin auf Rechtsstaatlichkeit sowie die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völker- rechts zu dringen, um die Sicherheit der burundi- schen Bevölkerung zu gewährleisten; – auf Einhaltung der internationalen Verpflichtun- gen im Rahmen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte durch Burundi zu bestehen . Dazu gehört insbesondere die Ach- tung der Grundfreiheiten und die Freiheit der Mei- nungsäußerung sowie die Pressefreiheit; – sich weiterhin für einen innerburundischen und inklusiven politischen Dialog unter internationaler Vermittlung und unter Beachtung des Abkommens von Arusha und der Achtung der Verfassung Bu- rundis einzusetzen; – im Sinne der VN-Resolution 1325 dafür zu sorgen, dass spezielle Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt, insbesondere vor Vergewaltigung und anderen For- men des sexuellen Missbrauchs, ergriffen werden; – im Lichte dieser VN-Resolution sich dafür einzu- setzen, dass Frauen in Verhandlungen in Burundi einbezogen werden, denn sie sind einerseits oft be- sonders Leidtragende des Konflikts, verfügen aber andererseits auch über wertvolle Fähigkeiten und Einfluss, um in Konflikten zu vermitteln und zu tragfähigen Verhandlungslösungen zu gelangen; – sich auch nach der Aussetzung regierungsnaher Programme mit unserem entwicklungspolitischen Instrumentarium sowohl bilateral als auch im EU-Kontext für die weitere Unterstützung der Zi- vilgesellschaft durch bevölkerungsnahe und grund- bedürfnisbefriedigende Projekte einzusetzen; – die Eindämmung des Handels mit Konfliktrohstof- fen weiterhin zu unterstützen, um diese wesentli- che Finanzierungsquelle von bewaffneten Gruppen in der Region auszutrocknen . Hier unterstütze ich die von der Bundesregierung auf EU-Ebene vertre- tene Haltung für eine verantwortungsvolle und ver- pflichtende Zertifizierung bei der Beschaffung von Mineralien aus Konfliktgebieten. Das muss weiter vorangetrieben werden . Unser starkes Engagement für die Ausgestaltung des Konzeptes der Schutzverantwortung auf internationaler Ebene müssen wir aktiv fortsetzen und dabei der Stär- kung ihrer präventiven Säule weiterhin besondere Auf- merksamkeit widmen . Bei der Unterstützung der in die Nachbarländer Bu- rundis geflohenen Menschen ist nicht nachzulassen. Pro- jekten, die Jugendliche im Hinblick auf ihre Bildung und Ausbildung zugutekommen, ist besondere Beachtung zu schenken . Der ungehinderte Zugang internationaler und regionaler Hilfsorganisationen zu allen Flüchtlingslagern der Region ist enorm wichtig und muss gewährleistet werden. Nur so kann die Versorgung der Geflüchteten bedarfsgerecht verbessert werden . Außerdem ließen sich so Meldungen glaubhaft überprüfen, nach denen einige Flüchtlingslager als Anwerbeorte für und von Rebellen- bewegungen genutzt werden . Das darf nicht passieren, egal von welcher Seite . Ich bedauere sehr, dass es nicht zu einem fraktions- übergreifenden Antrag gekommen ist, hoffe aber, dass wir in der Ausschussberatung vielleicht doch noch zu- einanderfinden können. Lassen Sie uns gemeinsam ein starkes Signal nach Burundi senden, dass Deutschland sich weiterhin in der Region engagiert und dieses Land und seine Menschen nicht vergisst . In diesem Sinne hoffe ich auf eine zielführende Beratung des Antrages in den Ausschüssen . Inge Höger (DIE LINKE): Am letzten Freitag wur- den in Burundi elf Schülerinnen und Schüler verhaftet . Angeblich sollen sie in ihren Schulbüchern auf das Bild des Präsidenten Nkurunziza gekritzelt haben . Ihnen dro- hen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Gefäng- nis . Mehr als 300 weitere junge Menschen wurden aus ihren Schulen ausgeschlossen . Seit der Kandidatur von Nkurunziza für eine dritte Amtszeit vor einem Jahr ver- sinkt das Land immer mehr in politischen Unruhen und steht kurz vor einem Bürgerkrieg . 260 000 Menschen sind bereits außer Landes geflohen, und 25 000 sind Bin- nenvertriebene . Was in Burundi in den letzten Jahren passiert ist, ist leider typisch für die kurzsichtige Außenpolitik der EU und Deutschlands . Bereits im Laufe der zweiten Amts- zeit agierte Präsident Nkurunziza immer autoritärer und verabschiedete sich immer mehr von der Grundlagen des Friedens, die mit den Verträgen von Arusha im Jahr 2000 gelegt wurden . Auch die wichtigen internationalen Ko- operationspartner von Burundi haben nicht signalisiert, dass sie diese Basis für einen Frieden politisch ernst neh- men . Stattdessen haben sie die ökonomische, militärische und politische Kooperation intensiviert . Die Erhaltung von Demokratie und Frieden hatte für die Außenpoliti- ker in Berlin und Brüssel keine Priorität, solange die Ko- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17445 (A) (C) (B) (D) operation in anderen Bereichen stabil funktionierte . Erst nachdem im Vorfeld der Wahlen für die dritte Amtszeit klar wurde, wie stark der Widerstand in der Bevölkerung auf diesen Angriff auf die Demokratie Burundis ist und wie brutal der Protest niedergeschlagen wurde, nahmen westliche Staaten die Problematik überhaupt ernst . Seit Jahren schon arbeitet die Bundeswehr eng mit der burundischen Armee zusammen . Diese Strategie ist extrem kurzsichtig . Um burundische Soldaten für die Intervention in Somalia zu haben, werden diese gezielt unterstützt . Dabei ist doch klar, dass es keine Garantien gibt und auch nicht geben kann, dass diese Soldaten und deren Waffen nicht auch in Burundi gegen die eigene Be- völkerung zu Einsatz kommen können . Wir können auch nicht ignorieren, dass die burundi- sche Armee im Moment systematisch unterwandert wird . Die Mitglieder der Jugendliga der Regierungspartei wer- den offensichtlich gezielt angeworben, ausgebildet und dann in die Armee und die Polizei integriert . Diese Ju- gendliga wird von den Experten der UN als Jugendmiliz eingestuft . Dass die Kooperation mit der burundischen Armee dennoch weitergeht, ist ein echter Skandal . Die große Mehrheit der Bevölkerung in Burundi will eine politische Lösung für die akuten politischen Proble- me . Sie haben sich trotz zahlreicher Versuche, vor allem vonseiten der Regierung, den Hass zwischen den Ethnien zu schüren, bisher nicht aufwiegeln lassen . Dennoch lie- gen die Nerven blank, deswegen ist internationale Hilfe beim Suchen nach einer diplomatischen Lösung drin- gend nötig . Die Afrikanische Union und die Ostafrikanische Ge- meinschaft (EAC) bemühen sich bereits um eine inten- sive Pendeldiplomatie . Das braucht politische Anstren- gung und personelle Kontinuität . Durch die Ernennung von Sondervertretern der UN, der Europäischen Union und Deutschlands kann der Friedensprozess substanzi- ell unterstützt werden . Hilfreich ist auch die Entsendung und Finanzierung von mehr Menschenrechtsbeobach- tern, als dies bisher der Fall ist . Alles, was der Vertrau- ensbildung dient, muss unterstützt werden . Dazu gehört auch, dass Friedensgespräche ohne die Opposition wenig Sinn machen . Es ist sonderbar, von einer „Verantwortung zum Schutz“ zu reden, wie es in den Anträgen von Grünen und der Regierungsfraktionen der Fall ist, aber gleichzei- tig nicht in ausreichendem Maße Mittel zur Verfügung zu stellen, um in den Flüchtlingslagern rund um Burundi die Menschen mit dem Lebensnotwendigen versorgen zu können . Dazu gehört übrigens auch eine Investition in Bildungsangebote in diesen Lagern . Dort ist jeweils über die Hälfte der Bewohner unter 18 Jahre alt . Wenn diese keine Bildung bekommen, dann nimmt man ihnen die Zukunft . So entstehen neue humanitäre Katstrophen und noch mehr Nährboden für Bürgerkriege . Das Welter- nährungsprogramm braucht allein für die nächsten sechs Monate 57 Millionen Dollar in den Flüchtlingslagern . Die im Regierungsantrag genannten Summen reichen für diese Aufgabe bei weitem nicht aus . Zudem sind infolge der politischen Krise fast 600 000 Menschen in Burundi auf Nahrungsmittel angewiesen, und die Ernährungssi- cherheit etwa der Hälfte der Bevölkerung ist gefährdet . Anstatt die „Verantwortung zum Schutz“ als ein Ein- fallstor für militärische Interventionen auszubauen, die dann häufig die Grundlagen für weitere Bürgerkriege le- gen, müssen wir ganz konkret dafür sorgen, dass politi- sche Lösungen ernsthaft verfolgt und humanitäre Krisen umfassend beantwortet werden . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Situation in Burundi hat sich seit unserem Antrag zur Menschenrechtslage in diesem Land, den wir im De- zember 2015 in den Bundestag eingebracht haben, nicht verbessert . Nach wie vor verschwinden Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger, werden Menschen will- kürlich verhaftet, gefoltert und ermordet . Die Vereinten Nationen berichten von knapp 500 Toten im vergangenen Jahr; neuere Daten legen nahe, dass bis zu 1 500 Men- schen im Konflikt zwischen Regierung und Regimegeg- nern zwischen April 2015 und April 2016 umgekommen sein könnten, davon 690 Zivilisten . Die privaten Radio- stationen Burundis bleiben geschlossen, viele der noch lebenden burundischen Journalisten, Oppositionellen und Mitglieder der Zivilgesellschaft sind im Exil . Die Angst geht um in der Bevölkerung, Burundi entwickelt sich mehr und mehr zur Diktatur . Versuche der Vereinten Nationen, eine Polizeimissi- on nach Burundi zu bringen, um Zivilisten zu schützen und zumindest die Sicherheitslage zu verbessern, haben noch keine Ergebnisse gebracht . Sie scheitern am Wider- stand der Regierung, die schon seit Jahren daran arbeitet, den Grad ausländischer Einmischung auf ein Minimum zu reduzieren . Sie scheitern aber auch am mangelnden Engagement der Mitgliedstaaten, die einer solchen Mis- sion schon vor ihrer Entsendung den Wind aus den Se- geln nehmen, indem sie nicht das notwendige Personal bereitstellen . Die Afrikanische Union hat von Plänen, eine Friedenstruppe zu schicken, wieder Abstand genom- men, zu groß war das Tabu, gegen den Willen eines Mit- gliedstaates zu intervenieren . Die meisten ausländischen Botschaften und Organisationen haben ihr Personal aus Burundi abgezogen, Entwicklungsgelder wurden einge- froren, Sanktionen verhängt . So befindet sich das Land in einem unheimlichen Stillstand . Die Isolation wächst, Ratlosigkeit scheint sich breitzumachen . Dabei hat sich die internationale Ge- meinschaft Jahrzehnte in Burundi engagiert . Mit Hilfe seiner Nachbarn, der Afrikanischen Union, der Verein- ten Nationen und der EU war es Burundi gelungen, aus dem Zyklus der Gewalt auszusteigen und in Arusha im Jahr 2000 ein inklusives, fortschrittliches Friedensab- kommen zu verhandeln . Auf dem steinigen Weg der Um- setzung wurde es von eben diesen internationalen und re- gionalen Partnern begleitet . Wie konnte dieser Erfolg der Friedenssicherung so schnell zum Misserfolg werden? Diese Frage muss sich auch die Bundesregierung stellen . Die aktuellen Entwicklungen in Burundi zeigen, dass das Friedensabkommen, das zugleich die Grundlage der burundischen Verfassung ist, nie wirklich bei der burundischen Regierung angekommen ist . Immer wie- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617446 (A) (C) (B) (D) der wurden wesentliche Vorgaben nicht umgesetzt, wie zum Beispiel bei der Berufung der Wahrheits- und Ver- söhnungskommission, oder eben den Regeln zur dritten Amtszeit des Präsidenten . Die internationale Gemein- schaft hat die Risse, die sich zeigten, immer wieder igno- riert . Menschenrechtsverletzungen wurden nur leise an- gesprochen, Korruption wurde toleriert . Vor allem nach den Wahlen von 2010, die die Opposition boykottierte, wurde das Land mit der heraufziehenden politischen Kri- se fast allein gelassen . Auch die Bundesregierung hätte sich früher und in aller Öffentlichkeit zur Frage des dritten Mandats positi- onieren können . Man hätte dem Präsidenten gleich nach der letzten Wahl 2010 deutlich machen können, dass die internationale Gemeinschaft ein drittes Mandat nicht mit- trägt . Man hätte die mutigen Menschenrechtsverteidige- rinnen und -verteidiger vor Ort und die Menschenrechts- arbeit der Vereinten Nationen tatkräftiger und vor allem öffentlicher unterstützen können . Man hätte die Men- schenrechtsverletzungen, die schon 2010, 2011, 2012 ge- schahen, anprangern und die burundische Regierung auf die Menschenrechte verpflichten können. Stattdessen hat man gehofft, dass sich die Sache schon irgendwie lösen würde, man hat weiter Entwicklungshilfe gezahlt – die ja auch dringend benötigt wurde –, und man hat sich mit wenig bis gar keiner Rhetorik zufrieden gegeben . Diese Zurückhaltung spiegelt sich auch im Antrag der Koalitionsfraktionen, der uns heute vorliegt . Die For- derungen sind richtig, aber vage, vor allem da, wo die Bundesregierung selbst aktiv werden müsste . Gerade jetzt, wo die Bundesregierung den Aktionsplan Zivile Krisenprävention überarbeiten möchte, muss man aber aus der Situation in Burundi lernen . Unsere Forderungen vom Dezember bleiben daher aktuell . Umso unverständ- licher ist es, dass die Koalition sich einer gemeinsamen Resolution zu Burundi, die in den vergangenen Monaten diskutiert wurde, verweigert und unseren Antrag gestern im Menschenrechtsausschuss abgelehnt hat . Wir wollen, dass die Bundesregierung die Schutz- verantwortung ernst nimmt . Die Amerikaner haben mit ihrem Atrocity Prevention Board eine Struktur geschaf- fen, die die Frühwarnung erleichtert und dafür sorgt, dass Konfliktherde innerhalb der Administration frühzeitig wahr- und ernstgenommen werden, sodass andere Res- sorts darauf entsprechend reagieren und wirksam handeln können . So etwas brauchen wir auch für Deutschland . Wenn Sie heute mit Burundern sprechen, werden sie Ihnen sagen, dass sie von der internationalen Gemein- schaft enttäuscht sind . Sie fühlen sich im Stich gelassen vom Rest der Welt, zu Recht . Der Einsatz für die Men- schenrechte ist in diesem Fall keine ungewollte Einmi- schung von außen, es ist eine Hilfe für diejenigen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Menschenrechte zu verteidigen . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Im- munität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und der Frak- tion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages; hier: Ausschussöffentlich- keit (Tagesordnungspunkt 19) Bernhard Kaster (CDU/CSU): Ja, es ist richtig: Transparenz, Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit politi- scher Entscheidungen sind wichtig und richtig, gerade in der parlamentarischen Demokratie . Der Deutsche Bundestag, so steht es im Grundgesetz, tagt öffentlich . Jedes Gesetz, jeder Antrag wird in öffent- licher Sitzung in erster, zweiter und gegebenenfalls drit- ter Lesung debattiert . Alle Anhörungen werden öffentlich durchgeführt, alle Anträge und Ausschussberichte sind öffentlich für jedermann und jederzeit abrufbar . Die Liste lässt sich beliebig verlängern . Die Beratungsergebnisse nichtöffentlicher Ausschusssitzungen sind ebenfalls öf- fentlich . Jeder Ausschuss kann nach unserer Geschäfts- ordnung beschließen, ob er öffentlich tagt . Über was streiten wir hier überhaupt? Transparenz ist leider zum Kampfbegriff geworden . Totale Transparenz soll ein Maximum an Demokratie verheißen . Unser Grundgesetz verlangt zu Recht keine totale Transparenz der Meinungs- und Willensbildung der Abgeordneten . Es verlangt zu Recht ausdrücklich nicht, dass alle parlamentarischen Gespräche oder alle Gremiensitzungen öffentlich zu machen sind . Nichtöffentliche Ausschusssitzungen – und das darf nicht verwechselt werden – sind keine geheimen Aus- schusssitzungen, oder wie Sie es im Antrag benennen: Da findet etwas im Verborgenen statt. Das freie Mandat braucht schlichtweg auch geschützte Denk- und Kommu- nikationsbereiche . Und deshalb sieht unsere Geschäfts- ordnung die nichtöffentliche Beratung als Regelfall einer Ausschusssitzung vor . Wie oft habe ich hier schon den Satz von Peter Struck gehört: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingegangen ist .“ Da klingt zu Recht immer ein wenig Stolz mit, da wir uns von unserem Selbstverständnis als Arbeitsparlament verstehen . Ich will es gerne an einem Beispiel deutlich machen: Demnächst debattieren wir im Deutschen Bundes- tag und dann auch in den Ausschüssen über ein neues Bundesteilhabegesetz . Schon der Gesetzentwurf, der jetzt veröffentlicht ist, bringt es mit sich, dass sowohl von zahlreichen Behindertenverbänden, aber auch den kommunalen Spitzenverbänden viele Meinungen und Stellungnahmen eingehen, die sehr unterschiedlich, ja gegensätzlich sind . Und da hat es sich eben bewährt – und das hat dem Parlament bisher gut getan – dass dann nach einer wiederum öffentlichen Anhörung im Aus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17447 (A) (C) (B) (D) schuss ohne öffentlichen Druck verschiedenster Seiten diskutiert und beraten werden kann, wobei die Interessen in Ruhe und ohne Schaufensterreden gegeneinander ab- gewogen werden . Es muss möglich bleiben, dass auch bei hochemotio- nalen, strittigen politischen Themen nicht nur wohl abge- wogene, vorgefertigte Reden gehalten werden, sondern wie bisher mit spontanen Diskussionsbeiträgen Kompro- misslösungen angestrebt oder Änderungsanträge spontan gestellt oder auch zurückgezogen werden . Ihr Antrag suggeriert, wie ich finde, in fataler Weise, dass jeder Form vertraulicher Beratung ein Generalver- dacht der Unrechtmäßigkeit beiwohnt . Der repräsentati- ven Demokratie wohnt auch der Gedanke inne, dass Ab- geordnete personale Verantwortung übernehmen . Ihr Antrag, davon bin ich voll überzeugt, wird letzt- lich zu einer Schwächung des einzelnen Abgeordneten führen . Denn, da seien Sie doch ehrlich, es werden dann zumindest mehr Diskussionsprozesse in die Fraktionen verlagert . Der gute Charakter unserer Ausschusssitzungen, der Arbeitscharakter, hat sich über Jahre bewährt . Jeder Aus- schuss ist frei in seiner Entscheidung, auch öffentliche Sitzungen durchzuführen . Es besteht kein Anlass, diese bewährte Regel in der Geschäftsordnung zu ändern und dann letztlich nichtöffentliche Beratungen in andere Gre- mien zu verlagern . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat sich mit dem Antrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen befasst . Dazu führte der Ausschuss auch eine Anhörung von Sachverständigen durch . Im Kern des Antrages geht es um den § 69 der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundestages . In Absatz 1 Satz 1 und 2 des Paragrafen wird festgelegt, dass die „Beratungen der Ausschüsse … grundsätzlich nicht öf- fentlich (sind) . Der Ausschuss kann beschließen, für ei- nen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder Teile des- selben die Öffentlichkeit zuzulassen .“ Es gilt folglich für Ausschusssitzungen der Grund- satz der Nichtöffentlichkeit, in Ausnahmefällen kann die Öffentlichkeit zugelassen werden . Der Antrag der beiden Fraktionen sieht vor, dieses Ausnahmeverhält- nis umzukehren . Demnach würden Ausschusssitzungen grundsätzlich öffentlich sein, es sei denn, der Ausschuss beschließt punktuell etwas anderes . Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge- schäftsordnung empfiehlt, dem Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen nicht zuzustim- men . Zur Begründung dieser Position möchte ich einen verfassungsrechtlichen und einen politischen Blickwin- kel erläutern . Verfassungsrechtlich verweise ich auf Artikel 42 Ab- satz 1 Satz des Grundgesetzes . Dort wird festgelegt: „Der Bundestag verhandelt öffentlich .“ Das Grundgesetz legt also ausdrücklich Wert darauf, dass politische Entschei- dungen transparent ablaufen . „Der Bundestag verhandelt öffentlich“ heißt aber nicht, dass jedes Gremium des Bundestages öffentlich verhandeln muss . Mit anderen Worten: Aus Artikel 42 des Grundgesetzes leitet sich kei- ne Pflicht ab, Ausschusssitzungen öffentlich durchzufüh- ren . Gleiches gilt für Artikel 20 des Grundgesetzes . Auch hier kann ein Transparenzgebot aus dem Demokratie- prinzip nicht auf die Ausschüsse abgeleitet werden . Da- rüber hinaus sieht Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grund- gesetzes vor, dass Abgeordnete nicht „an Aufträge und Weisungen“ gebunden seien und „nur ihrem Gewissen unterworfen“ . Es bleibt letztendlich aber eine Frage des Vertrauens in gewählte Volksvertreter, was das Gewissen des Einzelnen prägt und beeinflusst. Darüber kann keine Öffentlichkeit hergestellt werden . Verfassungsrechtlich kann also keine zwingende Verpflichtung zur Herstel- lung von Öffentlichkeit bei Ausschusssitzungen abgelei- tet werden . Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt diese Position. Öffentlichkeit ist keine Pflicht. Die Befürworter des Antrages können dem nun ent- gegenstellen, dass öffentliche Ausschusssitzungen auch dann sinnvoll sind, wenn die juristische Argumentation es nicht zwingend vorsieht . Der Bundestag ist eine Mi- schung aus Rede- und Arbeitsparlament . Redeparlamen- te, beispielsweise das britische Unterhaus, stimmen über Gesetzentwürfe nach einer Debatte lediglich ab, ohne sie zu verändern . Als Arbeitsparlament hat der Bundestag die Chance, Gesetzentwürfe zu gestalten und zu beein- flussen. Dafür braucht es Kompromisse. Wir alle wissen, dass Politik oft als die Kunst des Kompromisses bezeichnet wird . Weil wir tagtäglich hier im Hohen Haus Kompromisse schließen, werden viel mehr Gesetze streitlos und im Konsens verabschiedet als in der Öffentlichkeit wahrgenommen . Wir alle mögen unterschiedliche parteipolitische Zugehörigkeiten haben . Aber über allen Streit eint uns der Wille, für unser Land die besten Lösungen zu finden. Kompromisse schließen heißt daher auch, dass man aufeinander zugehen muss . Manchmal muss man ein Stück zurückstecken, manch- mal auch auf einer Haltung beharren . Die Nichtöffent- lichkeit dieser Aushandlungsprozesse erlaubt es jedem, bei einer Kompromissfindung das Gesicht nicht zu ver- lieren . Dieser Effekt ist für die Arbeit des Parlaments eindeutig positiv . Es zeigt sich, dass auch das öffentliche Parlament geschützte Räume braucht . Dieser Charakter der Ausschusssitzungen ginge verloren, wenn die Ab- geordneten unter dem ständigen Druck der öffentlichen Darstellung stehen würden . Oft und gern wird der Eindruck erweckt, im Parla- ment, insbesondere in den Ausschusssitzungen, finde Hintergrundarbeit statt . Sogenannte Lobbyisten würden Einfluss auf die Ausschussarbeit nehmen. Richtig ist, dass in den Ausschüssen Experten- und Sachverständi- genanhörungen stattfinden. Dafür werden themenbezo- gen Personen mit entsprechender Expertise eingeladen . Hier haben aber alle Fraktionen die Möglichkeit, entspre- chende Sachverständige zu benennen . Gerade da Abge- ordnete nach Artikel 38 des Grundgesetzes allein ihrem Gewissen unterworfen sind, haben sie das Recht, sich zu treffen, wann und mit wem sie möchten . Das ist Aus- druck des freien Mandats . Die Herstellung einer grund- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617448 (A) (C) (B) (D) sätzlichen Öffentlichkeit bei Ausschusssitzungen könnte dieses Recht nicht beschränken . Offene und nicht für die Öffentlichkeit gedachte Gespräche würden sich aus den Ausschusssitzungen lediglich in den informellen Bereich verlagern . Im Übrigen könnte die Umkehrung des Regel-Aus- nahme-Verhältnisses sogar den gegenteiligen Effekt von Transparenz erzielen . Wenn alle Ausschusssitzungen im Grundsatz öffentlich wären und der Ausschuss eine nichtöffentliche Tagung beschließt, würde er sich in eine Begründungspflicht begeben. Wer es dann so deuten will, könnte dann erst recht behaupten, es gäbe etwas zu ver- bergen . Zudem stellt sich die Frage, was öffentlich letztend- lich heißt . Sollen Sitzungen im Internet oder im Fernse- hen übertragen werden? Sollen Bürgerinnen und Bürger an Ausschusssitzungen teilnehmen können? Auch da wären ja Grenzen gesetzt. Es ist gut, dass Phönix häufig wichtige Debatten im Fernsehen überträgt . Früher aller- dings wurden Bundestagsdebatten unabhängig vom The- ma oder von der Relevanz in voller Länge im Fernsehen übertragen . Damit war der Bundestag für die Menschen präsent . Ich würde mir wünschen, dass wir diese Mög- lichkeit wieder haben . Abschließend fasse ich noch einmal zusammen . Das Grundgesetz erwartet vom Bundestag, öffentlich zu ta- gen. Daraus ergibt sich keine zwingende Pflicht, dass auch alle Gremien des Bundestages öffentlich tagen müssen . Gerade für ein Arbeitsparlament, das an der Gesetzgebung aktiv mitwirkt, ist es wichtig, in einem geschützten Raum Kompromisse zu finden. Es ist im Übrigen durchaus nicht selbstverständlich im Vergleich zu anderen europäischen Parlamenten, dass zu den Aus- schussberatungen begründete Beschlussempfehlungen und Berichte veröffentlicht werden . Jeder Abgeordnete hat zudem das Recht, eine persönliche Erklärung zu ei- ner Ausschusssitzung oder einer Beschlussempfehlung abzugeben . Er hat zudem die Möglichkeit, das Wort auch im Plenum zu ergreifen . Wichtig ist, dass wir ergebnisorientiert letztendlich zu einem Gesetz kommen und dieses Gesetz transpa- rent zustande gekommen ist . Zu dieser Transparenz ist zu sagen: Gesetzentwürfe, die in den Bundestag einge- bracht werden, sind öffentlich . Dann gibt es eine erste Lesung im Bundestag, sie ist öffentlich . Danach beschäf- tigen sich die Bundestagsausschüsse mit dem Gesetz, in diesem Fall nichtöffentlich . Öffentlich ist aber die vom Ausschuss abgegebene Beschlussempfehlung an das Ple- num . Die zweite und die zur Abstimmung führende dritte Lesung im Parlament finden wiederum öffentlich statt. Jeder Abgeordnete kann sich zusätzlich öffentlich äu- ßern . Abgeordnete können sich über Ereignisse nichtöf- fentlicher Sitzungen öffentlich äußern. Definitiv gibt es im Bundestag keine geheimen Vorhaben, keine Geheim- gesetze und keine Geheimanträge, und wir sollten diesen Eindruck auch nicht erwecken . Sonja Steffen (SPD): „Wir wollen mehr Demokra- tie wagen .“ Dieses Zitat aus Willy Brandts erster Re- gierungserklärung im Oktober 1969 kennen wir alle . Interessant ist aber auch, wie das Zitat weitergeht: „Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun . Wir werden da- rauf hinwirken, daß nicht nur durch Anhörungen im Bun- destag, sondern auch durch ständige Fühlungnahme mit den repräsentativen Gruppen unseres Volkes und durch eine umfassende Unterrichtung über die Regierungspo- litik jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken .“ Dieses Zitat zeigt, dass sich die SPD seit über 45 Jah- ren für mehr öffentliche Beteiligung, Interessenvertre- tung und mehr Transparenz im politischen Verfahren ein- setzt! In diesen Jahren haben wir viel erreicht . Allein die Bilanz dieser Legislaturperiode kann sich sehen lassen: Wir haben die Strafbarkeit der Abgeord- netenbestechung geregelt, eine Karenzzeit für ausschei- dende Regierungsmitglieder eingeführt und die Zahl der Bundestagshausausweise begrenzt . In anderen Bereichen wie beispielsweise der Einfüh- rung eines verbindlichen Lobbyregisters konnten wir uns gegenüber unserem Koalitionspartner bisher leider nicht durchsetzen . Die SPD-Bundestagsfraktion steht aber weiterhin für mehr Demokratie und Transparenz . Mit der von Linken und Grünen eingebrachten Ände- rung der Geschäftsordnung zur Ausschussöffentlichkeit soll das demokratische Öffentlichkeitsprinzip gestärkt werden . Dies soll dadurch erreicht werden, dass Aus- schussberatungen grundsätzlich öffentlich stattfinden und nur in Ausnahmen unter Ausschluss der Öffent- lichkeit getagt wird . Es sollen Regelungen zur Echtzeit- übertragung (Livestream) eingeführt sowie Ausschuss- protokolle und Ausschussdrucksachen grundsätzlich veröffentlicht werden . Ich habe schon in meiner ersten Rede zu dem Ände- rungsantrag betont, dass meine Fraktion dem Wunsch nach mehr Transparenz, mehr öffentlichen Ausschusssit- zungen und der Einführung von Livestreams grundsätz- lich offen gegenübersteht . Und die Stoßrichtung Ihres Antrages ist meiner Meinung nach auch nicht verkehrt, aber Sie schießen damit über das Ziel hinaus . Das Öffentlichkeitsprinzip ist in Artikel 42 GG ver- ankert: „Der Bundestag verhandelt öffentlich .“ Dieses Gebot der Sitzungsöffentlichkeit erstreckt sich nach Meinung der meisten Verfassungsrechtler jedoch nur auf das Plenum des Deutschen Bundestages, die Ausschüsse sind hiervon ausgenommen . Auch Dr . Lars Brocker und Dr . Dieter Wiefelspütz, die beide als Sachverständige zu der öffentlichen Anhörung zu dem Änderungsantrag ein- geladen waren, betonten, dass sich der Öffentlichkeits- grundsatz auf die Plenaröffentlichkeit bezieht und sich hieraus kein allgemeines Transparenzgebot ableiten lässt . Ich würde es begrüßen, wenn sich die Abgeordneten in den einzelnen Ausschüssen öfter darauf verständigen würden, öffentlich zu tagen . Andererseits bin ich froh, dass diese Entscheidung bei den betroffenen Abgeordne- ten liegt . Das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Ausschuss- öffentlichkeit in der GO-BT umzudrehen, ist nicht der richtige Weg . Denn es stellt sich die Frage, warum das Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17449 (A) (C) (B) (D) Gebot der Sitzungsöffentlichkeit dann nur auf die Aus- schusssitzungen ausgedehnt werden sollte . Müsste dieser Grundsatz, wenn man ihn weiter fasst, um die politischen Abläufe so transparent wie möglich zu gestalten, nicht auch auf andere Gremien ausgedehnt werden – Frakti- onssitzungen, fraktions- oder koalitionsinterne Arbeits- gruppensitzungen? Ich bin mir auch nicht sicher, ob durch das öffentli- che Tagen der Ausschüsse wirklich mehr Transparenz und damit Vertrauen geschaffen wird . Die Oppositions- fraktionen stellen in der Begründung ihres Antrags selbst fest: „Kompromisse und deren Gründe werden durch den Ausschussbericht an das Plenum, der den wesentlichen Gang der Beratungen wiedergibt, schon jetzt der Öffent- lichkeit preisgegeben .“ Laut Duden bedeutet der Begriff „Transparenz“ Durchschaubarkeit oder Nachvollziehbarkeit . Transpa- renz wird nicht allein dadurch erreicht, dass die Öffent- lichkeit zugelassen ist . Politische Verfahren werden da- durch transparent, dass man sie versteht . Ob die Öffnung aller Ausschusssitzungen für ein breites Publikum dazu beiträgt, Politik verständlicher zu machen, wage ich aber zu bezweifeln . Es sind viel Hintergrundwissen sowie Kenntnisse über die parlamentarischen Abläufe notwen- dig, um eine reguläre Ausschusssitzung zu verstehen . Und die eigentliche Kunst ist es, diese komplexen Ab- läufe und Inhalte auch nach außen hin verständlich zu erklären . Es liegt an uns Abgeordneten, in einem engen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern Politik erleb- bar und verständlich zu machen . Wir müssen die par- lamentarischen Verfahren und Inhalte erklären, unser Abstimmungsverhalten mit Argumenten hinterlegen und Entscheidungen hinterfragen . Wir sind diejenigen, die Politik greifbar machen können . Ein paar mehr öffent- liche Ausschusssitzungen könnten hierbei hilfreich sein, werden aber alleine nicht ausreichen . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Was haben Bayern, Ber- lin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, andere europäische Länder und die Europäische Union gemeinsam? Die Fachausschüsse der Parlamente tagen öffentlich . Neun von sechzehn Bundesländern und das wichtigste Gremium der Europäischen Union lassen Bür- gerinnen und Bürger an den Beratungen ihrer Fachgremi- en teilhaben . Nichts deutet darauf hin, dass der politische Prozess in diesen neun Bundesländern, aber auch im Eu- ropäischen Parlament an seiner Qualität verloren hätte – im Gegenteil. Sind es doch häufig gerade die Fachöffent- lichkeiten, die Interesse an vertieften Debatten zeigen und die Entscheidungsfindung zu „ihren“ ganz speziellen Themen nachverfolgen wollen . Und wenn Fachleute ihre Ideen und Hinweise, ja natürlich auch ihre Interessen in einen solchen Prozess einspeisen, dann kann ihm das nur guttun . Im Grundgesetz steht im Artikel 42 ein einfacher Satz: „Der Bundestag verhandelt öffentlich .“ Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben den Grundsatz der Öf- fentlichkeit als konstituierendes Element des parlamen- tarischen Prozesses in der Verfassung verankert . Wir sind dafür, diesen Grundsatz auf den Bundestag als Instituti- on, nicht nur auf das Plenum des Bundestags zu bezie- hen . Bereits im Satz 3 des genannten Artikels wird auf öffentliche Sitzungen der Ausschüsse verwiesen . Auch das Bundesverfassungsgericht geht selbstverständlich davon aus, dass Bürgerinnen und Bürger Einblick in die Arbeit der Ausschüsse nehmen können müssen . Aber na- türlich müssen wir die Frage, ob wir die Öffentlichkeit als Regelfall für unsere Ausschusssitzungen formulieren, am Ende politisch entscheiden . Bereits zu Beginn dieser Legislatur hat sich unsere Fraktion bei der Konstituierung der einzelnen Ausschüs- se dafür eingesetzt, dass diese in der Regel öffentlich ta- gen . Dieses wurde von der Koalition in allen Ausschüs- sen abgelehnt – auch in einem Ausschuss wie dem für die Digitale Agenda . Das immer wieder vorgebrachte Argument, nur hinter verschlossenen Türen sei eine unvoreingenommene Mei- nungsfindung des Parlaments möglich, trägt angesichts der jahrelangen, erprobten Praxis in anderen Parlamenten nicht . Es ist auch einfach realitätsfremd: Positionen der Fraktionen werden in der Regel vor den Ausschussbera- tungen in entsprechenden internen Fraktionsrunden erar- beitet und bei den parlamentarischen Beratungen nicht mehr grundlegend verändert . Falls mir eine Kollegin oder ein Kollege der Koalitionsfraktion aus dem Stand ein Beispiel nennen kann, bei dem er oder sie zwang- los dem besseren Argument der Opposition gefolgt wäre und sich im Ausschuss hatte umstimmen lassen, melde er oder sie sich jetzt! Das zweite zentrale Argument der Koalition, nur in geschlossen tagenden Ausschüssen sei eine Kompro- missfindung quer über die Parteigrenzen hinweg leichter möglich, trägt aus unserer Sicht ebenfalls nicht . Dieses Argument geht von einer Dualität von Regierung und Parlament aus . Faktisch arbeiten die Regierung und die sie tragenden Fraktionen sehr eng zusammen . Oppositi- onsinitiativen werden so gut wie nie angenommen – auch nicht in Ausschüssen . Es sind eben nicht die Ergebnisse unserer Entscheidungsfindung, die Widersprüche kennt- lich machen, sondern der Beratungsverlauf . Das Vertrauen in politische Prozesse sinkt . Uns Po- litiker und Politikerinnen werden allzu oft Mauschelei und das Handeln aus sachfremden Motivationen, etwa Eigen- oder auch Parteiinteressen, unterstellt . Wenn wir eine neue Legitimation für das Parlament, für unsere Ent- scheidungen als Abgeordnete finden wollen, dann sollten wir Bürgerinnen und Bürger mehr als bisher an diesen Entscheidungen beteiligen . Dazu gehört das Nachvoll- ziehen des Beratungsverlaufs; dazu gehören aber auch all die vertieften Informationen, die die Regierung nur den Ausschüssen zur Verfügung stellt . Gutachten, Stellung- nahmen, Berichte der Bundesregierung für die Fachaus- schüsse – all dies war bisher zumeist nicht öffentlich, ob- wohl es maßgeblich zur Entscheidungsfindung beitrug. Auch diese Dokumente wollen wir in die Freiheit entlas- sen, damit sie zur Aufklärung und zur Kontrolle unserer Arbeit und der der Bundesregierung beitragen können . Angesichts des Umfangs an Ausschussberatungen samt Vorlagen und Protokollen kam in den Debatten auch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617450 (A) (C) (B) (D) das Argument auf, diese Fülle überfordere die Bürger . Ich antworte mit einem Zitat des Sachverständigen Professor Bernhard Wegener aus unserer Anhörung: „Ich denke, wir können und müssen dritten Personen die Ausschuss- öffentlichkeit zumuten . Soweit ich weiß, gibt es ja keine Pflicht, hier zu erscheinen.“ Nein, es ist ein Angebot der Transparenz an die Bürgerinnen und Bürger dieses Lan- des . Annehmen müssen sie es dann selbst . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Zeiten, in denen die Politikverdrossenheit in der Be- völkerung einen Höhepunkt erreicht und das Vertrauen vor allem in die Parteien abnimmt, werden die Schatten- seiten einer großen Koalition in einer parlamentarischen Demokratie offensichtlich . Die Scheu vor Transparenz und Öffentlichkeit ist dieser Regierungskonstellation eingebaut: Wenn 80 Prozent der Abgeordneten einer Drei-Parteien-Koalition angehören, die sich untereinan- der in aller Regel nicht einig ist, dann verlagert sich die politische Auseinandersetzung oft in den vorparlamenta- rischen Raum . Das tut der parlamentarischen Demokratie nicht gut . Der richtige Ort aber, um die unterschiedlichen politi- schen Positionen darzulegen, zu argumentieren und darü- ber öffentlich zu debattieren und zu streiten, ist das Par- lament . Denn die parlamentarische Demokratie lebt von einer lebendigen Debatte, von einem öffentlich erkenn- baren Austausch und Streit um die besseren Argumente und einer transparenten Entscheidungsfindung. Gerade in einer repräsentativen Demokratie ist es es- senziell wichtig, dass die Wählerinnen und Wähler die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse vor allem des Gesetzgebers, also des Parlamentes, nachvollziehen kön- nen . Wollen wir, dass die Bevölkerung wieder mehr Ver- trauen in ihre gewählten Abgeordneten zurückgewinnt, wäre es von zentraler Bedeutung, den Streit um die bes- seren Argumente, die Debatten und die Entscheidungs- findungsprozesse transparenter zu machen. Und diese Transparenz geschieht durch mehr Öffentlichkeit . Gemeinsam mit der der Linken setzt sich die grüne Bundestagsfraktion dafür ein, dass Ausschusssitzungen in Zukunft grundsätzlich öffentlich sein sollen . Das soll- te eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein; ist es hier aber leider nicht . In unserem Grundgesetz steht festge- schrieben: „Der Bundestag verhandelt öffentlich“ . Doch die Geschäftsordnung des Bundestages schränkt diesen Grundsatz ein . Ausschusssitzungen tagen danach grund- sätzlich nichtöffentlich und nur im absoluten Einzelfall öffentlich . Und mehr noch: Union und SPD haben in dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass Ausschüsse, die zuvor im Einvernehmen aller öffentlich getagt haben, nun für die generelle Öffentlichkeit nicht mehr zugäng- lich sind . Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder be- tont, dass Demokratie ohne eine Öffentlichkeit undenk- bar ist . Wenn wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger die demokratischen Prozesse und Entscheidungen besser nachvollziehen und bewerten können, dann sind ver- schlossene Türen der Ausschusssitzungen falsch . Denn die Ausschüsse sind der Ort, an dem wesentliche Teile des demokratischen Prozesses der Gesetzgebung ablau- fen: Hier werden die Gesetzvorlagen inhaltlich beraten, hier findet das Verhandeln von Argumenten und Gegen- argumenten statt, auch über Fraktionsgrenzen hinweg . Die Logik des gemeinsamen Antrags von Linken und der grünen Bundestagsfraktion ist, dass das, was vertrau- lich ist, auch vertraulich bleiben muss . Was nicht vertrau- lich beraten werden muss, das ist öffentlich . Und wer die Nichtöffentlichkeit einer Ausschusssitzung fordert, der muss erklären können, warum . Wer das Herstellen der Öffentlichkeit als „Showver- anstaltung“ abtut, der hat nicht verstanden, worum es uns mit dieser Initiative geht . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wildtierschutz weiter verbes- sern – Illegalen Wildtierhandel bekämpfen (Tages- ordnungspunkt 23) Gitta Connemann (CDU/CSU): Flamingos leben in der Karibik, in Chile . Nicht in einem nebligen Moor in Nordrhein-Westfalen . Das klingt nach einer fabelhaften Geschichte . Die Heimat der subtropischen Vögel stellt man sich nun wahrlich anders vor . Allerdings ist es Tat- sache: Eine Herde Flamingos lebt genau dort im Zwill- brocker Venn . Direkt an der Grenze zu Holland können Besucher die rosa Wasservögel beobachten . Dass das Münsterland nicht die ursprüngliche Heimat der Vögel ist, liegt auf der Hand . Da drängt sich natür- lich die Frage auf: Was hat die Flamingos in den nord- deutschen Sumpf verschlagen? Der natürliche Weg wohl kaum . Sind sie aus Tierparks ausgebrochen, wurden sie ausgesetzt? Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um Vögel aus Zoos und Privathaltung handelt . Diese Tiere haben es geschafft . Sie haben außerhalb ihres ursprünglichen Lebensraums überlebt – ohne Hilfe . Aber das ist die Ausnahme . Die traurige Regel ist: Jeden Tag werden Wildtiere aus ihrer Welt gerissen . Sie wer- den eingesperrt, unter schlimmsten Verhältnissen um den halben Globus gezerrt, verkauft . Viele der neuen Besit- zer wissen nicht, wie diese Lebewesen behandelt werden müssen und was sie brauchen . Ihr Leben ist bedroht . Der illegale Handel mit Wildtieren wächst ebenso wie der legale Import von Wildfängen . Der Markt ist wirt- schaftlich interessant . Denn das Interesse wächst . Ein Panterchamäleon aus Madagaskar im eigenen Wohn- zimmer findet immer mehr Anhänger. Die Burmesische Python im Keller scheint faszinierend . Aber viele Halter sind damit auch überfordert . Sie ernähren ihr Tier falsch oder verlieren das Interesse an ihrem spontan gekauften „Spielzeug“ . Das Tier wird vernachlässigt . Es stirbt lang- sam einen grausamen Tod oder wird einfach ausgesetzt – in einen Lebensraum, an den es nicht angepasst ist . Das können und dürfen wir nicht hinnehmen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17451 (A) (C) (B) (D) Wir haben bereits gehandelt . Bei der letzten Ände- rung des Tierschutzgesetzes haben wir vorgeschrieben, dass der Händler den Käufer schriftlich aufklären muss . Wir haben den Nachweis ausreichender Sachkunde für diejenigen zur Pflicht gemacht, die eine Tierbörse durch- führen wollen . Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben . Ziel ist es, vertiefte Informationen über die Haltung von exotischen Tieren und Wildtieren in Privathand zu erhalten . Die Ur- sachen für mögliche Tierschutzprobleme sollen erforscht werden . Damit haben wir wichtige Maßnahmen zum Schutz von Tier und Käufer auf den Weg gebracht . Über welche Dimensionen reden wir eigentlich? Der illegale Handel mit Exoten und Wildtieren hat sich mit einem geschätzten Jahresumsatz von rund 19 Milliarden US-Dollar zu einem der lukrativsten Schwarzmärkte der Welt entwickelt . So makaber es auch klingt: Noch lukra- tiver sind nur der Drogen- und Menschenhandel sowie die Produktpiraterie . Der illegale Handel mit Wildtieren und Exoten findet nicht nur in dunklen schmuddeligen Seitengassen statt. Weit gefehlt. Häufig findet er direkt in unserer Nachbarschaft statt . Zum Beispiel im Rahmen von Tierbörsen, die zuweilen eine Art „Flohmarkt-Cha- rakter“ haben . Hierbei denke ich ausdrücklich nicht an die Kaninchen- oder Taubenbörsen auf dem Dorffest, sondern an Reptilienbörsen und Ähnliches . Deshalb fordern wir als CDU/CSU-Bundestagsfrakti- on die Bundesregierung auf, durch Einwirkung auf die Länder die Überwachung von Tierbörsen bundesweit zu intensivieren . Auch die Leitlinien zur Durchführung von solchen Veranstaltungen müssen aktualisiert werden . So wollen wir einen Weg aufzeigen, wie eine Rechtsverbind- lichkeit für gewerbliche Anbieter gerichtsfest hergestellt werden kann . Außerdem wollen wir, dass die Bundesre- gierung ein Verkaufsverbot von exotischen Tieren auf ge- werblichen Tierbörsen prüft, da vor allem beim Kauf von Exoten eine qualifizierte fachliche Beratung nötig ist. Besonders bedenklich sind die Importe von Arten, die in ihrem Herkunftsland bereits nationalen Schutzbestim- mungen unterliegen, aber nicht international geschützt sind . Dies kann zur Ausrottung weiterer Tierarten führen . Deshalb fordern wir, auf EU-Ebene eine Regelung nach Vorbild des in den USA geltenden „Lacey Act“ einzufüh- ren . Demnach dürften Arten, für die in deren Ursprungs- ländern ein Exportverbot gilt, nicht in die EU eingeführt werden . Im Sinne der Tiere und auch der Halter müssen wir für mehr Sicherheit beim Kauf und im Umgang mit Wildtie- ren und Exoten sorgen . Nicht nur Krokodile oder Würge- schlangen können gefährlich werden . Es gibt unzählige weitere Sicherheitsrisiken, die bei der Haltung von Wild- tieren entstehen können . Völlig unterschätzt wird zum Beispiel die Anste- ckungsgefahr durch Infektionskrankheiten . Eine Vielzahl an Krankheiten, auch Parasiten können von Schildkröten, Leguanen, Affen und Fledermäusen auf den Menschen übertragen werden . Hepatitis, Tuberkulose, Tollwut sind nur drei Beispiele für schwere Erkrankungen . Rosa Flamingos im Münsterland . Ein traumhaftes Bild . Aber eben auch irreal . Denn ihre Heimat ist Tausen- de Kilometer entfernt . Freiwillig wären die exotischen Vögel nicht nach Deutschland gekommen . Wie schwer muss es für sie gewesen sein, sich an den neuen fremden Lebensraum anzupassen? Lassen wir nicht zu, dass sich das Tag für Tag wiederholt . Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass der Schutz von wilden Tieren und Exo- ten wie diesen wunderschönen Wasservögeln verbessert wird . Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu . Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Der illegale Handel mit Wildtieren ist zu einem lukrativen Geschäft für Akteure geworden, die sonst im Bereich internatio- naler Verbrechen wie dem Drogen-, Waffen- und Men- schenhandel operieren und an der Finanzierung ziviler Konflikte beteiligt sind. Während diese mitunter organi- sierten Banden Jahr für Jahr Milliardengewinne machen, stehen zahlreiche Tierarten vor der Ausrottung . So töten Wilderer in Afrika mehr als 30 000 Elefanten pro Jahr . Wie organisiert beim Wildtierhandel vorgegangen wird, zeigt sich am Beispiel des Borneo-Taubwarans . Diese seltene Art galt als ausgestorben, da sie in Mal- aysia und Indonesien mehrere Jahrzehnte nicht mehr ge- sichtet worden war . Im Jahr 2012 berichteten Forscher in einer Studie über die Wiederentdeckung dieser Art auf Borneo . Bereits im April 2014 wurde die Tier- und Naturschutzorganisation ProWildlife darüber informiert, dass sich Händler aus Deutschland auf den Weg gemacht hatten, um die seltenen Tiere einzusammeln . Nur zwei Monate später gab es die ersten Inserate im Internet und wurden Borneo-Taubwarane auf der Messe Terraristika in Hamm für 10 000 Euro angeboten . Der Handel mit Wildtieren hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen – mit weitreichenden Fol- gen für die Wildbestände und Ökosysteme sowohl in den Herkunfts- als auch in den Importländern . Ich möchte an dieser Stelle in Bezug auf Deutschland einige Zahlen an- führen, welche die Dimension dieser Problematik hierzu- lande verdeutlichen: Jährlich werden 440 000 bis 850 000 lebende Rep- tilien und bis zu 380 000 Süßwasser-Zierfische nach Deutschland importiert . Es muss an dieser Stelle hervor- gehoben werden, dass bei vielen Arten bis zu 50 Prozent bereits während des Transports sterben . Somit ist die absolute Zahl der Tiere, die mit Blick auf Deutschland vom Wildtierhandel betroffen sind, sogar weitaus höher . Der illegale Wildtierhandel stellt somit eine große Gefahr für den Erhalt der Artenvielfalt dar, und die sich aus ihm finanzierenden kriminellen Vereinigungen gefährden die Entwicklung der Herkunftsländer . Es sind allerdings nicht nur die Quellländer, die un- ter den Folgen des Handels mit Wildtieren leiden . Auch für die Zielländer führt der massenhafte Import von Wildtieren, bei denen es sich – wenngleich anders de- klariert – auch um Wildfänge handelt, zu weitreichenden Problemen . Eines dieser Probleme ist die Einschleppung poten- ziell invasiver Arten. Es kommt leider häufig vor, dass die Besitzer überfordert sind oder das Interesse an ihrem exotischen Haustier verlieren und das Tier aussetzen oder dem Tier der Ausbruch aus dem Gehege gelingt . Ist die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617452 (A) (C) (B) (D) betreffende Art in der Lage, sich schnell an die vorherr- schenden Bedingungen anzupassen, so kann dies zur Verdrängung ansässiger Arten und zur Schädigung gan- zer Ökosysteme führen . Als prominente Beispiele sind hier die Rotwangenschmuckschildkröte sowie Guppys, Goldfische und die Agakröte zu nennen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Gesundheits- risiken, die durch Import und Haltung von Wildtieren entstehen – Stichwort Zoonosen . Zwischen 2011 und 2013 starben drei Züchter von Bunthörnchen in Sach- sen-Anhalt an einer Gehirnentzündung . Auslöser war ein neuartiger Bornavirus, mit dem sich die Züchter sehr wahrscheinlich bei ihren Bunthörnchen infiziert hatten. Daneben gilt der Flughund als potenzieller Überträger von Ebola . Mit Blick auf die Haltung von Reptilien sind Salmonellosen die häufigsten auf den Menschen übertra- genen Zoonosen . Doch nicht nur der Mensch ist dem Risiko von Krank- heitsübertragungen durch Wildtiere ausgesetzt . Die ein- heimischen Tierarten sind es ebenfalls . Ein besonders schwerwiegender Fall ist der sogenannte Salamander- pilz . Es handelt sich hierbei um einen tödlichen Haut- pilz, der ursprünglich in Asien vorkommt und über den Lebendtierhandel nach Europa eingeschleppt wurde . In den Niederlanden haben sich seit 2008 99,9 Prozent der Feuersalamander-Populationen mit dem Pilz infiziert und sind gestorben . Neben Salamandern sind Molche eben- falls anfällig für eine Infektion . Aus diesem Grund haben die Schweiz und die USA bereits einen Importstopp für Schwanzlurche beschlossen . Die Europäische Union ist Zielregion für eine Viel- zahl an illegal und legal gehandelten Wildtieren . Sie kann demnach eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den illegalen Artenhandel einnehmen, der sowohl in den Her- kunftsländern entlang der Handelswege als auch in den Nachfrageländern geführt werden muss . Ein erster Schritt soll dahin gehend auf der kom- menden 17 . CITES-Vertragsstaatenkonferenz in Südaf- rika gemacht werden . Die Europäische Union will sich auf dieser Konferenz dafür einsetzen, dass Tier- und Pflanzen arten, für die in den Herkunftsländern nationale Entnahme- und Handelsverbote bestehen, von den be- treffenden Staaten in den Anhang III des CITES-Abkom- mens aufnehmen zu lassen . Im Anschluss soll durch eine Höherqualifizierung der betreffenden Arten in Anhang A und B eine Einfuhrbeschränkung in die Europäische Uni- on geprüft werden . Als ein äußerst wirksames Instrument im Kampf ge- gen den illegalen Wildtierhandel hat sich in den USA der sogenannte Lacey-Act erwiesen . Gemäß diesem US-Bundesgesetz ist der Handel mit Fischen, Wildtie- ren und Pflanzen untersagt, deren Import, Export, Kauf, Verkauf und Transport in irgendeinem Land der Erde verboten ist . Diese Regelung unterbindet den Handel mit Wildtieren bereits, bevor sie durch das Washingtoner Ar- tenschutzabkommen geschützt sind . Wie wichtig ein solcher Mechanismus sein kann, of- fenbart sich am Beispiel des Türkis-Zwerggeckos . Ob- wohl er auf die Roten Listen der Weltnaturschutzunion (IUCN) gesetzt wurde und obwohl Tansania ein Ausfuhr- verbot verhängte, war seine Einfuhr in Europa weder re- gistrierungs- noch genehmigungspflichtig. Dieser schie- fen Rechtslage würde eine Regelung wie der Lacey-Act einen Riegel vorschieben . Leider ist die Etablierung al- lein auf nationaler Ebene nicht möglich, sondern muss von der gesamten Europäischen Union getragen werden . In aktuellen Diskussionen wurde darauf hingewiesen, dass die in dem Antrag vermerkten Definitionen von Haus- und Wildtieren in ihrer Formulierung noch genau- er sein könnten . Dennoch schafft der vorliegende Antrag wichtige Grundlagen, um den genannten Herausforde- rungen entgegenzutreten . Christina Jantz-Herrmann (SPD): „Reptilien im Wohnzimmer“, „Wilderei-Krise von biblischen Aus- maßen“, oder „Stinktier auf dem Sofa“ . So lauten einige Überschriften rund um den Wildtierschutz . Die vielen und regelmäßigen Medienberichte untermauern, wie groß der Handlungsdruck in diesem Bereich ist . Auch bei uns vor Ort hier in Deutschland spüren wir den Hand- lungsdruck, wenn Tierheime und Auffangstationen auf- grund zunehmender Aufnahme exotischer Arten an den Rand ihrer Aufnahmekapazitäten und ihrer finanziellen Möglichkeiten kommen oder wir unhaltbare Zustände auf gewerblichen Wildtier-Börsen beobachten müssen . Der Antrag „Wildtierschutz weiter verbessern – ille- galen Wildtierhandel bekämpfen“, den meine Fraktion gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion einbracht hat, kommt daher zur rechten Zeit . Nicht nur setzen wir da- mit den Koalitionsvertrag in diesem Bereich bestmög- lich um, sondern wir gehen die Missstände rund um den Wildtierschutz auch aktiv an . Das Thema Wildtierschutz umfasst hier im Wesentli- chen drei Elemente: Element 1 ist der Aspekt der Wildfänge . Eine beträcht- liche Anzahl von Wildfängen, also Naturentnahmen, werden jährlich legal nach Deutschland importiert . Element 2 ist der Aspekt des illegalen Wildtierhan- dels . Der illegale Wildtierhandel beläuft sich nach Anga- ben des WWF inzwischen auf 19 Milliarden US-Dollar und ist zu einer Gefahr für den Erhalt der Artenvielfalt geworden . Element 3 schließlich ist die Haltung von Wildtieren in Deutschland . Was zeigt uns diese Aufgliederung nun? Sie zeigt, dass Artenschutz, also der Erhalt einer Art als Ganzes, und Tierschutz, also die individuelle tiergerechte Haltung von Wildtieren, untrennbar miteinander verknüpft sind . Entsprechend war es das richtige Vorgehen, dass der An- trag gemeinsam von Tierschutz- und Umweltpolitikern entwickelt wurde . Und was wollen wir nun mit unserem Antrag zum Wildtierschutz erreichen? Nun, wir setzen entlang der drei Elemente Regulierung der legalen Naturentnahme, Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels und Ver- besserung der Haltungsbedingungen von Wildtieren in Deutschland an . Hervorheben möchte ich an dieser Stel- le insbesondere die Punkte, die wir bezüglich der Ver- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17453 (A) (C) (B) (D) besserung der Haltungsbedingungen von Wildtieren in Deutschland anstreben . So gehen wir das Problem der Exotentierbörsen an . Wir fordern die Bundesregierung auf, ein Verkaufsver- bot für exotische Tiere auf gewerblichen Tierbörsen zu prüfen, und wir fordern die Bundesregierung gleichzei- tig auf, die Leitlinien zur Durchführung von Tierbörsen zu aktualisieren und einen Weg aufzuzeigen, wie eine Rechtsverbindlichkeit für gewerbliche Anbieter gerichts- fest hergestellt werden kann . Auch gehen wir die Sachkunde an . Die Bundesregie- rung wird aufgefordert, einen bundeseinheitlichen Vor- schlag vorzulegen, in welcher Form private Tierhalter einen Fach- bzw . Sachkundenachweis zur artgerechten Haltung von Wildtieren zu erbringen haben . Fach- bzw . Sachkunde sind zentral, um eine artgerechte Haltung si- cherzustellen . Sowohl mit den Zielen des Antrags als auch mit den vorgesehenen Maßnahmen zur Umsetzung sollte sich auch die Opposition identifizieren können, wenngleich ihre Absichten in einigen Bereichen radikaler sein mö- gen . Nichtsdestotrotz bitte ich um Ihre Unterstützung im weiteren Verfahren . Birgit Menz (DIE LINKE): Wilderei und illegaler Wildtierhandel sind ein globales Problem mit vielen Fa- cetten und Faktoren, die es bei der Bekämpfung zu be- achten gilt . Bei der Stärkung des Wildtierschutzes und der Besei- tigung des illegalen Wildtierhandels geht es im Wesentli- chen um die Erhaltung und den Schutz der Artenvielfalt als eine der drei Ebenen der Biodiversität – sprich, der Vielfalt des Lebens . Zu den Hauptgefährdungsursachen für die Artenviel- falt gehören die „Übernutzung“ wildlebender Tier-, aber auch Pflanzenarten, der Bedarf an ihren „Produkten“ und den daraus resultierende Handel . Deutschland ist EU-weit der größte Importeur und Absatzmarkt für lebende Wildtiere . Während es inner- halb Deutschlands, wie auch in anderen europäischen Staaten, grundsätzlich verboten ist, heimische Wildtiere einzufangen, dürfen Tierbestände in Asien, Afrika und Lateinamerika für den Heimtiermarkt in Deutschland immer noch geplündert werden . Die Nachfrage in Deutschland, in den eigenen vier Wänden ein exotisches Tier zu halten, ist riesig . Laut Sta- tistischem Bundesamt werden beispielsweise zwischen 440 000 und 840 000 lebende Reptilien pro Jahr nach Deutschland eingeführt – Tendenz steigend! Deutschland und die EU sind Dreh- und Angelpunkt für den Schmuggel und den Handel mit exotischen Tie- ren und zum anderen ein großer Absatzmarkt für legal und illegal gehandelte Tiere sowie Produkte aus Tieren und Pflanzen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es beispielsweise – und ich zitiere – „Wir verbessern den Wildtierschutz und gehen gegen Wilderei sowie den il- legalen Wildtierhandel und deren Produkte vor; Handel mit und private Haltung von exotischen Wildtieren wird bundeseinheitlich geregelt . Importe von Wildfängen in die EU sollen grundsätzlich verboten und gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagt werden .“ Es ist nun an der Zeit, dass den Worten auch Taten folgen und die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ver- einbarungen so schnell wie möglich umgesetzt werden . Zu diesem Thema liegt uns nun ein Antrag der Gro- ßen Koalition vor . Einige Forderungen erinnern an die Anträge der Grünen und der Linken aus den Jahren 2014 und 2015, und leider hat das eben zitierte Vorhaben zu gewerblichen Tierbörsen an Deutlichkeit verloren . So ist jetzt nur noch die Rede davon, lediglich ein Verkaufs- verbot für exotische Tiere auf gewerblichen Tierbörsen zu prüfen . Tiere sind Lebewesen und keine gewöhnlich zu han- delnde Ware! Gerade bei importierten exotischen Tieren handelt es sich in vielen Fällen um Wildfänge . Wobei es in der Regel schwer nachzuvollziehen ist, wo genau und wie sie gefangen wurden . Auf diese Weise wird auch mit dem Import von exo- tischen Wildtieren dem illegalen Fang, der ökologische und soziale Systeme gefährdet, Tür und Tor geöffnet . Al- lein aus Gründen des Tierschutzes ist ein Importverbot exotischer Tiere aus Wildfängen unbedingt erforderlich . Einmal gefangen landen Tiere beispielsweise über das Internet oder Tierbörsen in Privathand, ohne dass die Käuferinnen und Käufer über die unbedingt notwendige Sachkunde verfügen . Viele Wildtiere haben besonders hohe Ansprüche an Futter und Klima, die im Privathaus- halt kaum erfüllt werden können . Dies führt zur Über- forderung der Halterinnen und Halter und in der Folge oftmals zum Aussetzen der Tiere und somit auch zu stei- genden finanziellen und organisatorischen Herausforde- rungen der Tierheime . Hier sehen wir Bund und Länder in der Pflicht, sich an den entstehenden Kosten und einer artgerechten Unterbringung der ausgesetzten Tiere im Sinne des Tierschutzes zu beteiligen . Zu Beginn meiner Rede sprach ich von den vie- len Faktoren, die Ursachen für Wilderei und illegalen Wildtierhandel darstellen . Mit einem Umsatz von bis zu 19 Milliarden US-Dollar pro Jahr stellt der illegale Wildtierhandel – nach Drogenhandel, Produktpiraterie und Menschenhandel – den viertgrößten illegalen Han- del weltweit dar . Es sind unter anderem kriminelle Banden und terro- ristische Bewegungen, die sich durch die Erlöse aus dem illegalen Wildtierhandel finanzieren. In mehreren zent- ralafrikanischen Staaten trägt somit dieser Handel auch zur Destabilisierung ganzer Regionen bei . Im Umgang mit illegalem Wildtierhandel geht es also nicht nur um die einfache Beschränkung des Handels mit geschützten Tieren und den Erhalt wertvoller Lebens- räume – es geht auch um soziale und gesellschaftliche Dynamiken in anderen Ländern, für die es sinnvolle Lö- sungen braucht . Um aus unserer Sicht den Schutz der Artenvielfalt zu gewährleisten und den illegalen Handel mit Wildtieren Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617454 (A) (C) (B) (D) einzudämmen, ist es unabdingbar, erstens sich auf nati- onaler – so wie es der Koalitionsvertrag vorsieht – und EU-Ebene für ein generelles Importverbot von Wildfän- gen für kommerzielle Zwecke einzusetzen und gegen Wilderei, illegalen Wildtierhandel und deren Produkte konsequent vorzugehen, zweitens gewerbliche Anbie- ter von Tierbörsen auszuschließen und den Verkauf von Tieren zu verbieten, die in der freien Natur eingefangen wurden und drittens den kommerziellen Handel sowie die Haltung von Wildtieren nur für Arten zu gestatten, die Privatpersonen auf Dauer nicht überfordern . Es braucht eine Bundesregierung, die sich für den Er- halt der biologischen Vielfalt und den Tierschutz auf na- tionaler, europäischer und globaler Ebene und vor allem für eine nachhaltige Lösung der Probleme einsetzt . Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor ziemlich genau zwei Jahren haben wir zu ähnlich später Stunde den Antrag zu „Elefanten und Nashörnern“ de- battiert . Ich bin froh, dass uns dieser interfraktionelle An- trag auf unsere Initiative hin gelungen ist . Es zeigt sich aber, dass sich das Umweltministerium gerne auf seinem internationalen Wirken in Bezug auf Wilderei ausruht, wenn es aber darum geht, national etwas umzusetzen, kaum etwas vorzuweisen hat . Wir haben bereits am 2 . Juni 2015 einen Antrag einge- bracht . Und nun, ein Jahr später hat die Große Koalition selber einen Antrag vorgelegt . Leider ist dieser Antrag der Großen Koalition eine Riesenenttäuschung . Die Enttäuschung ist vor allem deswegen so groß, weil im Koalitionsvertrag von 2013 große Erwartungen geschürt wurden . Dort steht: Erstens den Handel mit und die private Haltung von exotischen und Wildtieren bundeseinheitlich regeln, zweitens Im- porte von Wildfängen in die EU grundsätzlich verbieten und drittens gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagen . Diese drei Punkte zeigten, dass die Koalition die mas- siven Probleme in Bezug auf Wildtierhandel anerkennt und sich mit richtigen Maßnahmen der Probleme anneh- men wollte . Leider muss man hier – nach Vorlage dieses Antrags – in der Vergangenheit reden . Die Hoffnung war groß, dass die Bundesregierung dem illegalen Artenhandel im Sinne des Vorsorgeprin- zips einen Riegel vorschieben wird – doch leider findet sich keine der Forderungen aus dem Koalitionsvertrag in dem vorgelegten Antrag wieder . Die Große Koalition sieht den Problemen weiterhin wissentlich zu und versagt beim Wildtierschutz auf ganzer Linie . Statt den Koalitionsvertrag umzusetzen, hat das Bun- deslandwirtschaftsministerium eine Studie in Auftrag gegeben, die über eineinhalb Jahre, also bis mindestens April 2017, untersuchen soll, ob es überhaupt ein Pro- blem gibt . Interessanterweise wird die Studie ohne Betei- ligung von Tier- und Naturschutzorganisationen durch- geführt und beruht auf einer Befragung der Tierhalter, wie wir letzte Woche in einem öffentlichen Fachgespräch im Umweltausschuss zum Thema Wildtierhandel gehört haben . Es ist offensichtlich, dass das Landwirtschaftsmi- nisterium damit die Umsetzung des Koalitionsvertrages ausbremst . Deutschland ist sowohl Dreh- und Angelkreuz für den Schmuggel von Afrika nach Asien als auch Absatzmarkt für legal und illegal gehandelte Produkte von Tieren und lebende Tiere, wobei der Anteil von Wildfängen hoch ist . Gerade Wildfänge schwächen aber in vielen Fällen Ökosysteme, die ohnehin schon bedroht sind . Ganze Po- pulationen werden oftmals bis an den Rand des Ausster- bens gebracht . Vor allem gewerbliche Tierbörsen sind dabei ein Pro- blem . Auf diesen regelrechten „Tier-Flohmärkten“ kann man oft problemlos sogar bedrohte Arten oder in ihrer Heimat streng geschützte Tiere kaufen . Dabei werden die Tiere zum einen oft nicht artgerecht transportiert und gehalten, und zudem werden künftige Halterinnen und Halter auch nicht umfassend über die Ansprüche der Tie- re aufgeklärt . Insbesondere bei gefährlichen Tieren stellt dies ein großes Risiko für Halterinnen und Halter und ihre Umwelt dar . Da die Große Koalition diesem Problem weder mit einem Verbot der gewerblichen Tierbörsen noch mit Positivlisten reagiert, werden die Zahlen von Fund- und Abgabetieren an Tierheime und Auffangstati- onen weiterhin steigen und es zur Überforderung dieser Einrichtungen kommen . Am 20 . Mai 2016 wurden am Flughafen Schönefeld 625 Kilogramm Elfenbein beschlagnahmt – das wäre ein guter Anlass für die Ministerin gewesen, öffentlich Position zu beziehen, um dem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen und zu zeigen, dass auch Deutschland als Exporteur nach Asien Teil des Elfenbeinschmuggels ist . Es ist gut, dass es den Zollbeamten in diesem Fall gelun- gen ist, diese kriminellen Machenschaften aufzudecken . Diese größte Beschlagnahme von Elfenbein in Deutsch- land wäre ein erneuter Anlass gewesen, alle deutschen Elfenbeinbestände endlich zu zerstören: Wenn Elfenbein öffentlichkeitswirksam zerstört wird, trägt das dazu bei, die Nachfrage zu drosseln, Absatzmärkte zu schließen und so die Wilderei einzudämmen . Zuletzt wurden im April dieses Jahres in Kenia 105 Tonnen beschlagnahmtes Elfenbein verbrannt . Das bedeutet mehr als 8 000 tote Elefanten . Mit der weltweit größten Verbrennung von Elfenbein hat Kenia damit er- neut ein deutliches Zeichen gegen illegalen Elfenbein- handel gesetzt und auf das dramatische Ausmaß der Wil- derei von Elefanten aufmerksam gemacht . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Auch ich bin besorgt über die vie- len exotischen Tiere, die im Zuge der Globalisierung für die private Heimtierhaltung importiert werden . Deshalb müssen wir gefährdete Arten besser schützen . Naturentnahmen sollten nur erfolgen dürfen, wenn dies nachhaltig ist . Arten, die durch den internationalen Handel gefähr- det sind, sollten also vor allem in Anhang II CITES des Washingtoner Artenschutzübereinkommens gelistet wer- den. Das bedeutet, dass der Handel nur dann stattfinden http://www.prowildlife.de/PM_Gestohlene_Tiere_fuer_deutsche_Terrarien http://www.prowildlife.de/PM_Gestohlene_Tiere_fuer_deutsche_Terrarien Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17455 (A) (C) (B) (D) darf, wenn freilebende Populationen an Tieren und Pflan- zen nicht beeinträchtigt werden . Wir arbeiten dazu eng mit den betroffenen Ursprungsländern zusammen . Für die nächste Vertragsstaatenkonferenz des Artenschutz- abkommens (CITES COP) im September in Südafrika hat die Europäische Union eine Vielzahl von Listungs- und anderen Anträgen eingereicht . Viele davon gehen auf deutsche Initiative zurück, zum Beispiel exotische Geckos, die für den deutschen Heimtierhandel importiert werden, oder eine afrikanische Holzart, die unter ande- rem in der EU, vor allem aber in China so stark nachge- fragt wird, dass die Art nun stark gefährdet ist . Auch fordert die EU die Ursprungsländer dazu auf, von Anhang III CITES stärker Gebrauch zu machen . Wenn sie diese Arten in diesem Anhang listen lassen, dürfen Tiere und Pflanzen aus diesem Land nur mit einer Ausfuhrgenehmigung international gehandelt werden . Damit kann die Weltgemeinschaft dem betroffenen Ur- sprungsland helfen, seine Exporte besser zu kontrollie- ren . Und die EU setzt sich dafür ein, dass der Handel mit Jagdtrophäen eingeschränkt wird . Wir schulen Naturschutzbehörden und Bundeszoll, damit die Mitarbeiter vor Ort zwischen gezüchteten und wilden Tieren besser unterscheiden können . Schließlich bekämpfen wir den illegalen Artenhandel im Internet . Wir schulen, beraten und unterstützen die Beschäftigten von Internet-Plattformen . Zuletzt möchte ich nochmals, wie schon so oft, beto- nen, dass wir uns aber auch in Afrika und Asien enga- gieren müssen, denn dort sind die Probleme am größten . Daher spielt die Bundesregierung bei der Bekämpfung der weltweiten Wilderei und des illegalen Artenhandels eine führende Rolle, die sich sehen lassen kann . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 24) Thorsten Hoffmann (Dortmund) (CDU/CSU): Heu- te sprechen wir über die erste Änderung des Bundesmel- degesetzes . Das ist eine gute Reaktion auf die praktischen Erfahrungen, die wir in den vergangenen Monaten seit der Einführung sammeln konnten . Wir sind also nah dran an der Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger . Wir bewegen uns in einer sich stetig wandelnden In- formationsgesellschaft . Viele wichtige Entscheidungen unserer Behörden basieren auf dem zuverlässigen Aus- tausch und Abruf von Informationen . Besonders im Hin- blick auf unsere Sicherheitsbehörden wird immer wieder deutlich, wie wichtig der schnelle und zuverlässige Aus- tausch von Informationen ist . Ich werde nicht müde, dies immer wieder zu betonen . Wie in so vielen Lebenslagen werden neue Chancen eröffnet . Wir müssen in unserer Gesellschaft, die so abhängig von sensiblen Daten ist, aber auch unheimlich vorsichtig sein, wenn es um unsere persönlichsten Daten geht . Den Wandel mit dem Umgang unserer Daten kann man schon an einem einfachen Beispiel erkennen: Frü- her musste man im dörflichen, aber auch im städtischen Bereich viele Kilometer fahren, um dringend benötigte Dokumente zu beantragen . Heute ist das nicht mehr not- wendig . Wir haben heute die Möglichkeit, an fast jeder Verwaltungsstelle unsere Dokumente zu beantragen und abzuholen . Die Voraussetzung für ein solch modernes Meldewe- sen ist, dass wir mit einem einheitlichen System arbeiten und die Daten untereinander verständlich ausgetauscht werden können . Früher, als es noch gar kein Internet gab, war das ein Problem . Schwierig wurde es, wenn ein Mitarbeiter aus Schles- wig-Holstein mit einem Mitarbeiter aus Bayern sprechen durfte und beide sich nicht richtig verstanden haben . Aber selbst das haben die Beteiligten meist irgendwie hinbekommen . Beim Datenaustausch kann das schwieriger sein . Wenn eine Behörde ein anderes System und ein anderes Datenformat nutzt als eine andere Behörde, dann kann das zu unheimlichen Schwierigkeiten führen . Die Leid- tragenden sind dann vor allem die Bürgerinnen und Bür- ger . Am Ende des vergangenen Jahres ist das Bundesmel- degesetz in Kraft getreten . Das passierte ohne das große Bohei, das so oft bei anderen Themen gemacht wird, ob- wohl wir alle davon betroffen sind . Es geht jeden von uns an . Wir haben bei diesem wichtigen Gesetz lange um einen Kompromiss gerungen, weil wir die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen wollten . Wir müssen aber auch die Interessen der Unternehmen im Auge haben . Sie haben selbstverständlich eher die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Arbeitsprozesse im Blick . Und natürlich haben auch die Verwaltungen Inte- ressen, an denen wir nicht vorbeigehen dürfen, wenn es darum geht, ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen . Wir wollen viele der bestehenden Abläufe vereinheit- lichen, vereinfachen und digitalisieren . Wir wollen einen modernen Standard schaffen, der das Meldegesetz auf einen modernen Stand bringt und der uns kurze Wege bereitet . Dazu gehörte auch die Zusammenführung des Melderechtsrahmengesetzes mit den Landesmeldegeset- zen . Daten und Datenspeicherung, Schutzrechte, Melde- pflichten, Datenübermittlungen zwischen öffentlichen Stellen, Melderegisterauskünfte, Zeugenschutz und Ord- nungswidrigkeiten laufen nun unter einem bundesein- heitlichen Melderecht für alle Bürger . Dank der Einführung des Bundesmeldegesetzes sind wir unseren Zielen einen großen Schritt näher gekom- men . Wir haben sie noch nicht ganz erreicht, das sage ich ganz ehrlich . Aber wir sind auf dem richtigen Weg . Die Verfahrenswege für alle Beteiligten sind kürzer gewor- den, insbesondere für Bürgerinnen und Bürger . Hier ge- winnen wir Bürgernähe durch technische Entwicklung . Das Gleiche trifft auch auf die Meldebehörden zu . Diesen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617456 (A) (C) (B) (D) wird durch das Gesetz ermöglicht, effizienter miteinan- der zu kommunizieren. Profiteure sind die Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter sowie die Bürgerinnen und Bürger . Wir wollen die Entbürokratisierung für alle Beteiligten vorantreiben, um ihnen das Leben zu erleichtern . Und genau das schaffen wir mit diesem Gesetz . Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das bis- herige Bundesmeldegesetz noch durch weitere Regelun- gen vereinfacht werden kann: Wir sorgen in Zukunft dafür, dass die Abmeldepflicht für Personen, die ins Ausland ziehen, erleichtert wird . Der Vermieter, der bisher den Auszug seines Mieters schriftlich bestätigt hat, wird von dieser Mitwirkung be- freit . Die Abmeldung in diesem Fall kann elektronisch bei der Meldebehörde vom Mieter selbst unternommen werden . Das ist eine unheimliche Erleichterung für die Vermieter, die nicht mehr dem Verzogenen hinterherlau- fen müssen . Schon lange sind wir der Überzeugung, dass viele Abläufe und Abfragen auf elektronischem Wege er- folgen können . Dies ist ein richtungsweisender Schritt in eine sich stetig mehr digitalisierende Gesellschaft . Wir müssen dabei natürlich auch bedenken, dass die Wege sicher sein müssen . Dieser Grundsatz gilt: Wir müssen alles können, aber wir müssen nicht alles machen, nur weil wir es können . Sensible Daten müssen sensibel ge- handhabt werden . Sicherheit hat hier den Vorrang vor der Einfachheit . Wir haben es aber jetzt geschafft, beide Aspekte zusammenzubringen . Das möchte ich an dieser Stelle betonen . Durch die Einführung der elektronischen Abmeldung wird die jährliche Bearbeitungszeit der Bürgerinnen und Bürger um rund 100 000 Stunden reduziert . Durch den Verzicht der Mitwirkungspflicht des Vermieters bei der Abmeldung sparen wir knapp 1,184 Millionen Euro pro Jahr an Bürokratiekosten ein. Das ist der finanzielle Aspekt . Dazu kommt noch die Zeitersparnis . Allein die Zeitersparnis, die wir hier gewinnen, ist enorm . Der bis- herige Abmeldevorgang bei der Meldebehörde dauert im Moment im Schnitt sieben Minuten . Bei der elektroni- schen Bearbeitung sprechen wir von lediglich fünf Mi- nuten . Nicht zu vergessen, dass die Vermieter und Mieter mit dieser Lösung vermutlich sehr zufrieden sein werden . Wir sorgen in Zukunft dafür, dass Behördengänge weiter vereinfacht werden . Deshalb wollen wir heute beschließen, dass die bisher allein zuständigen Landes- behörden andere Behörden für einfache Melderechtsaus- künfte bestimmen können . Wir sorgen in Zukunft dafür, dass das Datum „Ge- schlecht“ wieder in der Melderegisterauskunft eingeführt wird . In unserer vielfältigen Gesellschaft ist es Realität, dass Meldebehörden zunehmend Schwierigkeiten haben, Namen unterschiedlichster Herkunft dem richtigen Ge- schlecht zuzuordnen . Die Ableitung des Geschlechtes aufgrund des Namens ist in vielen Fällen für die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter in den Behörden nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich und deshalb in den Datenbanken häufig falsch hinterlegt. Jeder von uns kennt doch eine Joyce oder einen Joyce, eine Jules oder einen Jules, eine Robin oder einen Robin . Es gibt dafür ja sogar einen schönen Ausdruck: Unisex-Namen . Selbst mein Mitarbeiter aus Dortmund, er heißt Salih, wird oft als Frau angeschrieben . Aus diesem ganz pragmatischen Grund soll das Geschlecht wieder als Suchmerkmal in den Datenbanken eingeführt werden . Das Thema der inneren Sicherheit habe ich bereits angesprochen und betone noch einmal: Das Bundes- meldegesetz ist ein weiteres Mittel in einem Strauß von vielen Möglichkeiten, um vor die Lage zu kommen . Das Meldewesen gewinnt auch im Sicherheitsbereich immer mehr an Bedeutung . Gerne erinnere ich an dieser Stelle an die richtige Entscheidung, den Ersatz-Personalaus- weis einzuführen . Er verhindert die Ausreise von Perso- nen, die unsere innere und äußere Sicherheit durch die Vorbereitung von schweren Gewalttaten in Terrorcamps im Ausland gefährden . Mit dem Personalausweis war die Ausreise, trotz Passentzug, damals noch möglich . Die Ausreise haben wir so unmöglich gemacht . Für unsere Sicherheit ist es unerlässlich, dass die Information über den Reisepassentzug und die Ausstellung des Ersatz-Per- sonalausweises im Meldewesen hinterlegt ist . Eine weitere Anpassung des Bundesmeldegesetzes ist durch die Einführung der doppelten Staatsbürger- schaft notwendig geworden . Kinder ausländischer Eltern können durch die Geburt hier in Deutschland die deut- sche Staatsangehörigkeit erwerben . Für sie entfällt die Optionspflicht. Die Standesämter übermitteln den Mel- debehörden den Erwerb dieses Ius-Soli-Titels . Für die Durchführung des Optionsverfahrens müssen die Melde- behörden und die Staatsangehörigkeitsbehörden zusam- menarbeiten und die Möglichkeit haben, sich bestimmte Daten zu übermitteln . Sie haben nun die Möglichkeit, die Angaben zur Staatsangehörigkeit der gemeldeten Perso- nen zu prüfen . Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie se- hen, ist die Änderung des Bundesmeldegesetzes vernünf- tig und notwendig . Aus diesem Grunde bitte ich um Ihre Zustimmung . Gabriele Fograscher (SPD): Früher gab es ein Mel- derechtsrahmengesetz, innerhalb dessen Vorgaben die Länder eigene Meldegesetze erließen . Seit der Föderalis- muskommission I wurde 2006 dem Bund die ausschließ- liche Gesetzgebungskompetenz übertragen . Deshalb haben wir im Frühjahr 2013 das Bundesmeldegesetz be- schlossen, das überwiegend zum 1 . November 2015 in Kraft getreten ist . Nach einem guten halben Jahr Praxiserfahrung hat sich nun gezeigt, dass das Gesetz an einigen Stellen nachjustiert werden muss . Bisher regelt das Meldegesetz, dass der, der aus einer Wohnung auszieht und keine neue Wohnung im Inland bezieht, verpflichtet ist, sich bei der Meldebehörde ab- zumelden und den Auszug vom Wohnungsgeber bestä- tigen zu lassen . Dieses Verfahren ist sehr aufwendig und bürokratisch . Deshalb soll künftig die Abmeldung auch elektronisch möglich sein . Auf die Wohnungsgeberbestätigung bei der Abmel- dung, egal ob der Meldepflichtige innerhalb Deutsch- lands umzieht oder ins Ausland, wird gänzlich verzichtet . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17457 (A) (C) (B) (D) Die Wohnungsgeberbestätigung, die 2002 im Melde- rechtsrahmengesetz abgeschafft wurde, wurde im Bun- desmeldegesetz wieder eingeführt . Die Begründung war, dass man damit Scheinanmeldungen verhindern wollte . Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass die Bestä- tigung des Wohnungsgebers mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden ist . Dieser kann, so die Begründung des Gesetzentwurfes, nicht damit gerechtfertigt werden, Scheinanmeldungen zu verhindern . Ob dieses Instrument Scheinanmeldungen überhaupt verhindern kann, ist fraglich . Seit der Verabschiedung des Bundesmeldegeset- zes 2013 haben sich andere Gesetze geändert, die Folgen haben für das Meldewesen . Wir haben das Personalausweisgesetz ergänzt, indem wir den Ersatz-Personalausweis eingeführt haben . Dieses muss in § 23 Absatz 1 BMG – Erfüllung der allgemeinen Meldepflicht – und in § 38 Absatz 3 Nummer 5 BMG – automatisierter Abruf – nachvollzogen werden . Ebenso ist nach Verabschiedung des BMG das Staats- angehörigkeitsgesetz im November 2014 geändert wor- den. Die Neuregelung der Optionspflicht in § 29 Staats- angehörigkeitsrecht wird in § 3 Absatz 2 Nummer 5 BMG – Speicherung von Daten – nachvollzogen . Daraus ergeben sich wiederum Änderungen im Staatsangehörig- keitsrecht, die ebenfalls mit diesem Gesetzentwurf gere- gelt werden sollen . Wenn im Rahmen des Optionsverfahrens Daten der Meldebehörden an die Staatsangehörigkeitsbehörden übermittelt werden, werden auch die Auskunftssperren übermittelt . Für die Länder wird es möglich, nicht nur die oberste Landesbehörde, sondern auch eine andere Behörde als Zulassungsbehörde für privatrechtlich betriebene Porta- le zur Durchführung einfacher Melderegisterauskünfte über das Internet zu bestimmen . Damit wird die Flexibi- lität bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben erhöht . Das Bundesamt für Justiz soll in den Katalog der Behörden des § 34 Absatz 4 Satz 1 aufgenommen wer- den, die grundsätzlich Daten bei den Meldebehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben abfragen können . Dies ist notwendig, weil das Bundesamt Aufgaben der Vollstre- ckungshilfe sowie Aufgaben des Strafnachrichtenaustau- sches aufgrund von europäischen Rahmenbeschlüssen wahrnimmt . Das Datum „Geschlecht“ soll als weiteres Datum bei der Registrierung im Melderegister festgelegt werden . Dieses dürfen Behörden beim automatischen Verfahren abrufen . Diese Maßnahme wird damit begründet, dass es nicht sachgerecht sei, auf dieses Datum zu verzichten, da die Bestimmung des Geschlechts aufgrund ausländi- scher Vornamen von Meldepflichtigen oft nicht möglich sei . Dieses Datum sollen die Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben im automatisierten Verfahren des § 38 Absatz 1 BMG abrufen können . Seit Wegfall dieses Da- tums habe sich, so die Begründung des Gesetzentwurfes, die Erfolgsquote automatisierter Melderegisterauskünfte deutlich verschlechtert . Diese Begründung für die Einführung des Geschlechts als abrufbares Datum ist für mich nicht ausreichend . Ich erwarte eine konkretere Begründung in den anstehenden Gesprächen . Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme noch zwei Ergänzungen vorgeschlagen, die § 18 Absatz 2 BMG – Meldebescheinigung – und § 49 Absatz 4 BMG – au- tomatisierte Melderegisterauskunft – betreffen . Diesen Vorschlägen folgen wir . Auch wenn es noch einige wenige Fragen zu klären gibt, halten wir die praxisgerechten Ergänzungen für sinnvoll, sie gestalten das Bundesmeldegesetz bürger- freundlicher . Jan Korte (DIE LINKE): Ab und an lohnt es, sich die Geschichte von Gesetzentwürfen genauer anzusehen . Beim hier zur Debatte stehenden Gesetzentwurf sieht man dann, dass Sie jetzt, offenbar angesichts der ersten Praxiserfahrungen, Ihre am 1 . November 2015, also vor gerade einmal etwas mehr als einem halben Jahr, in Kraft getretenen Änderungen im Bundesmeldegesetz (BMG) bereits nachjustieren müssen . Der Grund: Ihr damaliges Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens war hand- werklich einfach nicht gut gemacht . So weit, so schlecht . Aber man kann es auch positiv betrachten und sagen, dass Sie dies diesmal immerhin schon recht frühzeitig gemerkt haben . Und einige Punkte in Ihrem Gesetzent- wurf gehen auch tatsächlich in die richtige Richtung . Die Erkenntnis, dass der damalige Gesetzentwurf nicht gut gemacht war, kommt allerdings für diejenigen, die zum Beispiel den Sachverständigen in der Ausschuss- anhörung zugehört hatten, nicht wirklich überraschend . Schon vor zwei Jahren haben uns die Datenschutzbeauf- tragten des Bundes und der Länder bereits im Gesetzge- bungsverfahren zum Entwurf des Gesetzes zur Fortent- wicklung des Meldewesens umfassend Empfehlungen gegeben, die dann aufgrund ihrer Abneigung gegen den Datenschutz keinen oder nur zum Teil Eingang in das Gesetz fanden . Schon damals rieten die Datenschützer, die Mitwir- kungspflicht des Wohnungsgebers bei der An- und Ab- meldung ersatzlos zu streichen . § 19 BMG ist nur in den allerwenigsten Fällen geeignet, Scheinanmeldungen zu verhindern, für die Mieterinnen und Mieter und die Woh- nungsgeber jedoch ein enormer bürokratischer Mehrauf- wand . Aber anstatt § 19 in Gänze zu streichen, sieht Ihr Gesetzentwurf nur die Streichung der Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers vor, wenn der Mieter ins Ausland verzieht . Und Sie springen nicht nur hier zu kurz: An die Hotelmeldepflicht, die nichts anderes als eine umfangreiche, verdachtslose Datenerhebung auf Vorrat ist, wagen Sie sich auch diesmal nicht heran . Die Da- tenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben die Hotelmeldepflicht seit jeher als unverhältnismäßig kritisiert und gefordert, dass Hotelgäste nicht pauschal als Gefahrenquellen oder potenzielle Straftäter angese- hen werden dürfen . Meine Fraktion ist deshalb der Mei- nung, dass die §§ 29 bis 31 des BMG abgeschafft werden sollten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617458 (A) (C) (B) (D) Was sind denn aber nun die positiven Seiten Ihres Ge- setzentwurfs? Das Bundesamt für Justiz wird in die Liste nach § 34 Absatz 4 Satz 1 der abrufberechtigten Stellen aufgenom- men, um seinen Aufgaben im Rahmen der EU-Rechtshil- fe nachkommen zu können . Auch die Klarstellung zum bedingten Sperrvermerk (§ 52 BMG), wonach die Speicherung nicht personen- bezogen, sondern zur Anschrift der betroffenen Person erfolgt, erscheint mir richtig . Dass bei der Durchführung des Optionsverfahrens im Staatsangehörigkeitsgesetz die Übermittlung von Aus- kunftssperren auch bei vorzunehmenden Datenübermitt- lungen der Meldebehörden an die zuständigen Behörden aufgenommen wird, ist zu begrüßen . Das war es dann aber auch schon . Einzelne daten- schutzrechtliche Klarstellungen müssen ja nur erfolgen, weil Sie wieder einmal den Umfang der zu speichern- den Daten erhöhen oder wie in § 33 des Staatsangehö- rigkeitsgesetzes (StAG) die im Register staatsangehörig- keitsrechtlicher Entscheidungen zu speichernden Daten ergänzen . Ihre Begründung, warum in die im automati- sierten Verfahren abrufbaren Daten auch das Merkmal „Geschlecht“ wieder aufgenommen werden muss, da es im Zusammenhang mit der steigenden Zahl auslän- discher Namen zu Identifizierungsschwierigkeiten ge- kommen sei, überzeugt mich nicht . Warum hat sich bei der automatisierten Melderegisterauskunft nach § 38 Ab- satz 1 BMG die Erteilungsquote deutlich verschlechtert, weil die abfragenden Stellen das Geschlecht nicht ange- ben dürfen? Darauf hätte ich gerne im weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine nachvollziehbare und auf Fakten basierende Erklärung . Neben diesen sehr überschaubaren Verbesserungen beinhaltet Ihr Gesetzentwurf aber mit der Privatisierung der Melderegisterauskunft noch eine extrem problema- tische Verschlechterung, die meine Fraktion auf keinen Fall mittragen kann: Denn um nichts anderes handelt es sich bei der von Ihnen geplanten Möglichkeit zur „Be- auftragung“ von Privatunternehmen zur Führung des Auskunftsregisters durch Änderung des § 49 Absatz 3 BMG . Wenn die Daten außerhalb der Behörden noch ein zweites Mal gespeichert werden, erhöht das selbst- verständlich das Risiko für die Datensicherheit . Zudem erschließt sich der Sinn nicht, denn die öffentliche Hand kann die Verwaltungskosten für die Registerauskünfte ja über entsprechende angemessene Gebühren ausgleichen, während Privatunternehmen selbstverständlich mit Pro- fitinteresse an so etwas rangehen. Unsicherheiten könn- ten zusätzlich entstehen, wenn ein solches Unternehmen pleitegehen sollte . Die ganzen Daten, die ja einen enor- men Wert darstellen können, wären weiterhin irgendwo gespeichert, aber die Zugriffsrechte würden unklar . Sol- len diese dann Gegenstand eines Insolvenzverfahrens werden, oder wie haben Sie sich das gedacht? Die Linke begrüßt hingegen einige Änderungs- vorschläge des Bundesrates . Der Innenausschuss des Bundesrates empfiehlt in seiner Stellungnahme, eine Möglichkeit zur Auswahl der Daten in einer Meldebe- scheinigung für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, die damit nur genau die erforderlichen Daten preisgeben müssen, und zugleich die möglichen Angaben gegenüber der derzeitigen Rechtslage zu erweitern . Zweitens soll ein Missbrauch der Melderegisterauskunft an Private durch präzisere Regelungen verhindert werden . Diese Vorschläge sind sehr sinnvoll und finden unsere Unter- stützung . Fazit: Die Chance, die Macken des Ausgangsgesetzes auszuräumen, wurde einmal mehr nicht genutzt . Neben einigen Verbesserungen wurde im gleichen Zug an ande- rer Stelle verschlechtert oder neue Probleme geschaffen . Der grundsätzliche Trend zum Aufhäufen und Austau- schen von immer mehr Daten, den Sie mit Ihrer Politik nun schon seit vielen Jahren verfolgen, wird auch mit diesem Gesetzentwurf weiterverfolgt . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Auf den Webseiten des BMI lässt es sich nach- lesen: „Die Mitwirkungspflicht des Vermieters bei der Anmeldung von Mietern wird wieder eingeführt, um Scheinanmeldungen und damit häufig verbundenen For- men der Kriminalität wirksamer zu begegnen .“ Das war 2013 . Gegen unseren ausdrücklichen Rat wurde damals so verfahren . Ebenso wie wir gegen die Wiedereinfüh- rung der Hotelmeldepflicht sowie gegen Melderegister- auskünfte an den Adresshandel als Default-Regelung ge- stritten haben, die die damalige schwarz-gelbe Koalition in einer Nacht-und-Nebel-Aktion während eines Fußball- WM-Spiels der Deutschen Mannschaft terminiert hatte . Heute, knapp drei Jahre später, tritt erneut eine Mer- kel-Regierung mit Hoheit über das Bundesinnenministe- rium wieder den Rückzug an: „Die Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei der Abmeldung wird unter dem Gesichtspunkt der Entbürokratisierung wieder abge- schafft“ (Seite 15 des Regierungsentwurfs, BT-Drucksa- che 18/8620 .) . Aber was bedeutet denn die halbe Rolle rückwärts? Weiterhin sollen Wohnungsgeber und Behör- den aufwendigste „Spurensicherung“ hinsichtlich der Identität von Mieterinnen und Mietern bei der Anmietung betreiben . Diese Indienstnahme Privater für polizeiliche Zwecke, die für das BMI in vielen Bereichen inzwischen ganz unhinterfragt zum Mittel der Wahl avancierte, bleibt also erhalten . Und damit wohl auch im Wesentlichen der Bürokratieaufwand . Nur die Mitwirkung bei der Abmel- dung entfällt . Als grüne Bundestagsfraktion appellieren wir erneut an Sie, diese bürokratischen und kleinlichen Meldepflichten gleich ganz abzuschaffen. Sie stehen in keinem Verhältnis zu den angeblichen Vorteilen bei der Kriminalitätsbekämpfung, zu denen Sie weder willens noch in der Lage sein dürften, eine entsprechende Statis- tik auch nur vorzuhalten . Scheinanmeldungen sind auch durch Mitwirkungspflichten letztlich nicht wirksam zu verhindern . Sicherheit bedeutet, sich auf wesentliche und effektive Linien zu konzentrieren und nicht, auch noch die Meldebehörden mit gewaltigen Datenbergen von Vermietern in ihrer Aufgabenerfüllung zu behindern . Bei der Gelegenheit, das wiederholen wir an dieser Stelle, fordern wir Sie erneut auf, die Hotelmeldepflicht zu streichen, deren „ortspolizeiliche“ Funktion aus dem vorigen Jahrhundert nicht allen Ernstes ein relevantes Mittel der Kriminalitätsbekämpfung darstellen kann . Sie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17459 (A) (C) (B) (D) ist vielmehr eine verdachtslose Datenerhebung und Da- tenspeicherung auf Vorrat . Zutreffend ist allerdings, dass das Melderecht eine immer größere Bedeutung für die Informationsordnung gewonnen hat, nicht allein für die Verwaltung, sondern auch für die Wirtschaft . Man muss das Bundesmelde- recht nicht gleich zum informationellen Rückgrat einer modernen bürgerorientierten Verwaltung stilisieren, um gleichwohl die gewachsene Anzahl der Zugriffsmöglich- keiten und damit der Vernetzung der Meldedatenbestände mit anderen öffentlichen Stellen und Entscheidungspro- zessen zu erkennen . Ein aktuelles Beispiel sind die um- fangreichen Abruf- als auch Einmeldemöglichkeiten sei- tens aller mit Flüchtlingsfragen befassten Behörden nach dem sogenannten Datenaustauschverbesserungsgesetz . Während diese Regelung aus rein datenschutzpolitischer Sicht eine ganze Reihe fragwürdiger Regelungen enthält, zeigt sie doch zugleich auch die Bedeutung des Melde- datensystems. Die mithilfe der Auskunftspflicht von Bür- gerinnen und Bürgern gewonnenen Meldedaten werden genutzt, um sehr unterschiedliche staatliche Aufgaben zu erleichtern, zu optimieren und zu ermöglichen . Durch die Vernetzung der Behörden wird es möglich, Aufgaben zu erledigen, ohne die betroffenen Bürger für die Durch- führung der jeweiligen Aufgaben erneut in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Effizienz, Kosteneinsparung und Bürgerfreundlichkeit ist natürlich ein Riesengewinn, wird mittlerweile von vielen als selbstverständlich erach- tet und stellt beispielsweise im Umgang mit den zu uns kommenden Flüchtlingen auch einen wichtigen Faktor dar, um deren rasche Integration mit zu ermöglichen . Gleichwohl kann und wird es mit dem Melderecht kei- nen multifunktionalen Informationspool geben dürfen, bei dem sich die Behörden oder auch die Wirtschaft nach Belieben ohne Beteiligung der Betroffenen selbst bedie- nen können . Die weiteren Vorschläge Ihres Entwurfes mögen in einer Abwägung auch mit den Grundsätzen der Daten- sparsamkeit vertretbar erscheinen, so etwa die Wieder- aufnahme des Geschlechts in die Suchfunktion bei der automatisierten Meldeauskunft zur Erhöhung der Treffsi- cherheit . Auch für die Öffnung des Betriebs der Landes- portale zur einfachen Melderegisterauskunft auch durch andere Behörden als oberste Landesbehörden mögen Praxiserfahrungen sprechen . Diese sowie die Übermitt- lung der Auskunftssperren an die Staatsangehörigkeits- behörden sind zu begrüßen . Noch wichtiger hingegen bleibt es weiterhin, ganz praktisch die Bürgerinnen und Bürger – gemeinsam mit den völlig unterbesetzten Datenschutzbehörden – auf ihre eigenen Betroffenenrechte und Gestaltungsmöglichkei- ten im Melderecht immer wieder hinzuweisen: So kön- nen sie weiterhin Widerspruchsrechte geltend machen, gegen Wahlwerbebriefe, gegen die Adressweitergabe an Adressbuchverlage oder bei Alters- oder Ehejubiläen an Mandatsträger . Und die Weitergabe von Meldedaten für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels ist weiter- hin nur mit Einwilligung möglich . Und eine solche Ein- willigung kann jederzeit widerrufen werden . Schließlich können alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer gebührenfreien Selbstauskunft gegenüber der Meldebe- hörde erfahren, welche Daten über sie gespeichert sind, woher diese Daten stammen und wer Empfänger regel- mäßiger Datenübermittlungen sind . Auch die Nutzung dieser Betroffenenrechte trägt mit dazu bei, dass die Mel- deregister keine uferlosen Allzweckdatenbanken werden . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches (Tagesordnungs- punkt 25) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Heute findet die erste Lesung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches statt . Dieser Gesetzentwurf dient der Ratifizierung der Vereinbarungen, die auf der Konferenz in Kampala getroffen wurden . Vom 31 . Mai bis 11 . Juni 2010 fand in Kampala in Uganda die erste Überprüfungskonferenz zum Statut des Internationalen Strafgerichtshofs statt . Auf dieser Konfe- renz gelang es den Vertragsstaaten des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, sich auf eine Defi- nition des Tatbestandes der Aggression zu verständigen . Gleichzeitig soll der vorliegende Gesetzentwurf der Verwirklichung des Grundsatzes der Komplementari- tät nach dem Römischen Statut dienen . Der Grundsatz der Komplementarität besagt, dass die Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen Aufgabe des Staates ist, in dem diese Verbrechen stattfinden. Dieser Grundsatz ist in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a des Römischen Status festgehalten und besagt, dass der Gerichtshof entscheidet „dass eine Sache nicht zulässig ist, wenn in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermitt- lungen oder eine Strafverfolgung durchgeführt werden, es sei denn, der Staat ist nicht willens oder nicht in der Lage, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernst- haft durchzuführen“ . Das Prinzip der Komplementarität stellt ein relativ neues Instrument im Völkerrecht dar, um völkerrechtliche und nationale Bestimmungen mit- einander zu verzahnen mit dem Ziel, die strafrechtliche Verfolgung von besonders schwerwiegenden Verbrechen sicherzustellen . Der Internationale Strafgerichtshof kann nur dann tätig werden, wenn der betroffene Staat „nicht willens oder nicht in der Lage“ ist . Ansonsten soll eine effektive Strafverfolgung in den Mitgliedstaaten stattfin- den . Der vorliegende Gesetzentwurf schlägt mithin eine Möglichkeit vor, mit der es gelingen kann, den Tatbe- stand des Verbrechens der Aggression in das deutsche Recht zu implementieren . Bislang regelten § 80 StGB – Vorbereitung eines Angriffskrieges – und § 80a StGB – Aufstacheln zum Angriffskrieg – die Strafbarkeitstatbe- stände im Zusammenhang mit einem Angriffskrieg in Deutschland . Diese Vorschriften sollen nun durch einen neuen, eigenständigen Straftatbestand des Verbrechens der Aggression, der in das Völkerstrafgesetzbuch (VSt- GB) eingefügt wird, ersetzt werden . Es wird mithin ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617460 (A) (C) (B) (D) neuer § 13 VStGB „Verbrechen der Aggression“ geschaf- fen . Ich werde im Folgenden einige Kritikpunkte an der dort vorgeschlagenen Formulierung darstellen . Im Vorlauf zu den jetzt beginnenden parlamentarischen Beratungen er- folgte eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern zu dem Entwurf . Auf diese Stellungnahme hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz geantwortet . Schließlich hat das Bundesministerium des Innern hierauf noch einmal erneut Stellung genommen . Die zu diskutierenden drei Hauptkritikpunkte wurden auch bereits in diesen Schreiben erörtert, sodass man er- kennt, dass intensiv an einer sehr guten Regelung gear- beitet wurde . Im nun beginnenden parlamentarischen Verfahren werden vor allem drei Punkte zu diskutieren sein . Dies ist erstens die Frage, ob es wirklich der Schaffung eines minderschweren Falls des Verbrechens der Aggression bedarf . Zweitens muss geprüft werden, ob die Abschaf- fung des § 80a StGB durch die neue Regelung des § 13 VStGB ausreichend abgefangen werden kann . Drittens ist zu prüfen, ob der Tatbestand der Aggression im deut- schen Strafrecht auch Handlungen durch nichtstaatliche Akteure erfassen soll . In § 13 Absatz 5 VStGB soll nun ein minderschwe- rer Fall geregelt werden . In der Begründung wird hierzu ausgeführt, dass es nur so umsetzbar sei, den abstrakten Unrechtsabstufungen angemessen Rechnung zu tragen, die sich aus den verschiedenen Begehungsvarianten des Artikels 8 bis Absatz 2 Satz 2 IStGH-Statut ergeben . Zu diskutieren wird nun im weiteren parlamentarischen Ver- fahren sein, ob dieses Argument überzeugt . Zwar sind zahlreiche Situationen denkbar, in denen von sehr unterschiedlicher Tatschwere ausgegangen wer- den muss . Der vorliegende Gesetzentwurf bezieht sich aber auf den Wortlaut des IStGH-Statuts . Im IStGH-Sta- tut selbst wird nicht zwischen einer völkerrechtswidrigen Angriffshandlung und dem Verbrechen der Aggression unterschieden . Es wäre somit also auch darstellbar, jede einschlägige Handlung, die unter § 13 VStGB subsu- miert werden kann, auch gemäß einem „normalen“ Fall zu bestrafen . Es bedarf dann keiner Sonderregelung zu einem minderschweren Fall . Hier ist also zu prüfen, ob eine Regelung geschaffen werden muss oder ob sie sich als zumindest nicht notwendig herausstellt . Durch die Streichung des § 80a StGB werden in Zu- kunft alle Fälle, in denen ein Aufstacheln zum Angriffs- krieg vorliegt, unter § 111 StGB geprüft werden müssen . § 111 StGB normiert aber die Strafbarkeit des „Auffor- derns“ und nicht des „Aufstachelns“ . Es wird mithin Un- terschiede bei der Subsumtion geben, und dies kann dazu führen, dass bisher strafbares Verhalten „Aufstacheln“ in Zukunft straflos „Auffordern“ wird. Auch ist die Mindestfreiheitsstrafe bei § 80a StGB im- mer drei Monate . Der Fall des erfolglosen Aufforderns nach § 111 Absatz 2 StGB beinhaltet jedoch keine Min- deststrafe . Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf gilt in Zukunft in diesen Fällen also ein geringeres Strafmaß . Hierüber wird im parlamentarischen Verfahren noch zu diskutieren sein . Eine Strafmilderung sollte durch das vorliegende Gesetz unter keinen Umständen geschaffen werden . In der bereits angesprochenen Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern wird hierzu ausgeführt: Durch § 13 Absatz 3 VStGB werden im Einklang mit dem Völkerrecht nur Angriffshandlungen erfasst, die ei- nem Staat nach den Regeln des Völkerrechts zugerechnet werden können . Der nationale Gesetzgeber kann im Rah- men seiner Jurisdiktion aber weiter gehen, als dies die völkerrechtliche Umsetzungspflicht verlangt. Es besteht ein rechtspolitisches Interesse daran, auch nichtstaatliche Akteure (wie zum Beispiel Terrormilizen) in den Anwen- dungsbereich von § 13 VStGB mit einzubeziehen . Dies gilt zumindest, sofern deren Handlungen mit Aggressi- onshandlungen vergleichbar sind . Rechtstechnisch wäre eine Erweiterung des § 13 VStGB um Handlungen be- waffneter nichtstaatlicher Terrorgruppen, die Anschläge in Deutschland verüben bzw . solche Handlungen planen, denkbar . Alternativ könnten §§ 129a, b StGB um einen solchen Tatbestand ergänzt werden . Dem Vorschlag des Bundesministeriums des Innern, an dieser Stelle eine Erweiterung vorzunehmen, ist zu- zustimmen . Allerdings sollte eine entsprechende Rege- lung nicht in § 13 VStGB eingefügt werden . Vielmehr sollten die §§ 129a, b StGB ergänzt werden . Bei einer Erweiterung des § 13 VStGB auf nichtstaatliche Akteure könnte man nach einem Terroranschlag im Innern zu der Auffassung gelangen, dass bereits ein Angriffskrieg vor- liegt und diesen dann dem Staat, von dem die Terroristen kommen, zurechnen . Dies würde zu einer nicht hinnehm- baren völkerrechtlichen Gefahr für den Frieden führen und muss deshalb abgelehnt werden . Eine Verschärfung der §§ 129a, b StGB ist aber zu begrüßen, um terroristi- sche Angriffe gezielter verfolgen zu können . Der nun vorliegende Gesetzentwurf enthält bereits viele begrüßenswerte Regelungen . Es wird uns sicher gelingen, im parlamentarischen Verfahren noch einige wichtige Verbesserungen anzubringen . Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit in den anstehenden Be- ratungen . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Das Völkerstraf- recht erfasst schwere Verbrechen . Verbrechen des Völ- kermords, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Aggression stel- len die gravierendsten Verbrechen nach dem Völkerrecht dar . Dabei wirkt nicht nur die Schuld des einzelnen Tä- ters schwer . Völkerrechtsverbrechen betreffen die inter- nationale Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit . Für Völkerrechtsverbrechen besteht ein internatio- nales Interesse an der Verfolgung und Aburteilung . Aus diesem Grund wurde im Jahr 1998 durch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs eine Ge- richtsbarkeit geschaffen . Für die Aburteilung der Völker- rechtsverbrechen von Individuen ist seit 2002 der Inter- nationale Strafgerichtshof berufen . Für eine einheitliche Strafbarkeit auf internationaler Ebene und im Interesse der Staatengemeinschaft werden die Tatbestände des Völkerstrafrechts von den Vertrags- staaten des Römischen Statuts gemeinsam festgelegt . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17461 (A) (C) (B) (D) Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit finden sich seither im Römischen Statut definiert. Das Verbrechen der Aggression fand sich bisher nicht darunter . Auf der Konferenz von Kampala gelangen schließlich der Durchbruch und eine wesent- liche Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts . Nach intensiven Beratungen und Verhandlungen wurde eine einheitliche Definition des Verbrechens der Aggression geschaffen . Wie ist der Begriff des Verbrechens der Aggression nun definiert? Nach dem Römischen Statut des Interna- tionalen Strafgerichtshofs wird dies als Planung bis zur Ausführung einer schweren Angriffshandlung gegen die Souveränität eines Staates verstanden . Zugleich muss es sich um eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen handeln. Als konkretes Beispiel fin- det sich bereits heute im Strafgesetzbuch der Straftat- bestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges, an dem die Bundesrepublik beteiligt werden soll . Der Straftatbe- stand wendet sich als Führungsverbrechen gegen Perso- nen eines Staates, die tatsächlich in der Lage sind, das politische oder militärische Handeln zu kontrollieren und zu lenken . Es gilt der Grundsatz der Komplementarität . Die Ver- folgungszuständigkeit für das Verbrechen der Aggression wird vom Internationalen Strafgerichtshof nur ausgeübt, wenn die nationalen Behörden und Gerichte hierzu nicht in der Lage sind . Dies wird vor allem in labilen Staaten ohne eine unabhängige Justiz der Fall sein . Wir können mit Stolz sagen, dass wir in Deutschland nicht betroffen sind . Wir haben einen funktionierenden Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten zur Aburteilung dieser Völker- rechtsverbrechen . Mit dem heutigen Änderungsgesetz zum Völkerstrafgesetzbuch schaffen wir die materi- ell-rechtliche Grundlage zur Verfolgung . Die Ergebnisse der Konferenz von Kampala finden sich nun als neuer Straftatbestand des Verbrechens der Aggression im Bin- nenrecht umgesetzt . Zugleich erfährt das Völkerstraf- recht seine Vervollständigung . Der richtige Ort ist das Völkerstrafgesetzbuch. Dort finden sich auch die anderen aufgezählten völkerrechtlichen Kernverbrechen . Damit kommt das Verbrechen der Aggression als schwere Völ- kerstraftat zur Geltung. In diesem Zusammenhang findet sich der erwähnte Straftatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges nun auch in der Definition des Verbre- chens der Aggression im Völkerstrafgesetzbuch wieder . Gleichwohl können wir uns glücklich schätzen, dass der bisherige Tatbestand der Vorbereitung eines Angriffs- krieges nur wenig praktische Relevanz hat . Anzeigevor- gänge führten regelmäßig schon zu keiner Einleitung eines Ermittlungsverfahrens . Dies zeigt, dass die Bun- desrepublik Deutschland sich derzeit keinen Gefahren durch solche Straftaten ausgesetzt sieht . Dirk Wiese (SPD): Die Idee eines unabhängigen stän- digen Internationalen Strafgerichtshofs zur Aufklärung und Aburteilung völkerrechtswidriger Verbrechen reicht zurück bis in das Jahr 1872, in dem Gustave Moynier, als Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, den ersten förmlichen Vorschlag zur Errichtung eines derartigen Gerichtshofs vorlegte . Die langjährigen Bestrebungen, einen Internationa- len Strafgerichtshof einzuführen, führten schließlich mit dem sogenannten Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17 . Juli 1998 zum Erfolg . Nach diesem Statut verständigen sich die inzwischen 140 un- terzeichnenden Staaten darauf, einen unabhängigen stän- digen Internationalen Gerichtshof als Gerichtsbarkeit über die schwersten Verbrechen, welche die internationa- le Gemeinschaft als Ganzes berühren, zu errichten . Die Beschlüsse von Kampala, die im Jahr 2010 ge- fasst worden sind, ergänzen das Römische Statut des Internationalen als vertragliche Grundlage des IStGH in Den Haag . Mit Gesetz vom 3 . Juni 2013 hat Deutsch- land – neben bislang weiteren 27 Staaten – die Beschlüs- se von Kampala ratifiziert. Damit fehlen die Ratifikation von lediglich zwei Vertragsstaaten sowie ein Beschluss der Vertragsstaaten mit Zweidrittel-Mehrheit nach dem 1 . Januar 2017, um die Gerichtsbarkeit des IStGH akti- vieren zu können . Der vorliegende Gesetzentwurf ist zu begrüßen, da so weitere Voraussetzungen dafür geschaffen werden, unser nationales Strafrecht an die internationale Rechtslage anzupassen . Damit wird sichergestellt, dass Deutschland stets in der Lage ist, in die Zuständigkeit des IStGH fal- lende Verbrechen selbst zu verfolgen . Somit trägt der Ge- setzentwurf dem Grundsatz der Komplementarität Rech- nung, nach dem in die Zuständigkeit des IStGH fallende Verbrechen auch durch nationale Behörden verfolgt wer- den sollen . Der Entwurf verbindet auf der Grundlage des gesi- cherten Völkergewohnheitsrechts die historischen und verfassungsrechtlichen Gegebenheiten Deutschlands und seine Rechtstradition mit möglichst großer Nähe zu den Beschlüssen von Kampala . Gleichzeitig hat er zum Ziel, den Bedürfnissen der Praxis, namentlich des für die Verfolgung von Aggressionsverbrechen zuständigen Ge- neralbundesanwalts, Rechnung zu tragen, ohne falsche Erwartungen der Öffentlichkeit zu wecken . Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Be- schlüsse der Überprüfungskonferenz der Vertragsstaaten des IStGH-Statuts in Kampala, die den Begriff des völ- kerrechtswidrigen Angriffskrieges definieren. Kernstück ist die Einführung eines neuen § 13 in das Völkerstrafgesetzbuch unter Aufhebung des bisherigen § 80 StGB (Vorbereitung eines Angriffskrieges) . Dabei wird neben der Vorbereitung erstmals auch die tatsäch- liche Durchführung eines Angriffskrieges unter Strafe gestellt . Gleichzeitig werden zum Schutz von „einfa- chen“ Soldaten der Täterkreis auf Führungspersonen – politische und militärische Machthaber – beschränkt und völkerrechtlich umstrittene Fälle durch eine Schwel- lenklausel ausgeklammert . Anders als für die bereits im VStGB geregelten Verbrechen (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen) enthält der Entwurf eine Einschränkung des sogenannten Welt- rechtsprinzips . Danach kommt das deutsche Recht nur bei einem eindeutigen Bezug der Tat zu Deutschland zur Anwendung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617462 (A) (C) (B) (D) Das Gesetz soll am 1 . Januar 2017 in Kraft treten, um einen Gleichlauf mit der Gerichtsbarkeit des IStGH zu gewährleisten . Die Gerichtsbarkeit des IStGH kann frühestens nach dem 1 . Januar 2017 aktiviert werden . Voraussetzung ist, dass 30 der 122 Vertragsstaaten die Änderung des Römischen Statuts ratifiziert haben und mindestens zwei Drittel der Vertragsstaaten der Aus- übung der Gerichtsbarkeit zustimmen . Jetzt stehen erst einmal die parlamentarischen Bera- tungen an . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Mittelpunkt der heuti- gen Debatte ist der zukünftige neue Straftatbestand der Aggression im Völkerstrafgesetzbuch . Grundsätzlich beschlossen und definiert wurde dieser Straftatbestand bereits im Jahr 2010 auf einer Konferenz der Vertrags- staaten des Internationalen Strafgerichtshofs in Kampala . Der Gesetzentwurf heute soll das Verbrechen der Aggres- sion nun auch in das deutsche Strafrecht einführen . Als Ziel der Neuregelung wird der Schutz der Souveränität, der territorialen Unversehrtheit und der politischen Un- abhängigkeit von Staaten genannt . Bislang war in Deutschland nur das Vorbereiten eines Angriffskrieges und das Aufstacheln dazu als Straftat er- fasst, nicht aber das Führen eines solchen Angriffskrie- ges . Das ist natürlich ein inkonsequenter Zustand, der jetzt zu Recht korrigiert werden soll . Es ist – nicht nur aus historischer Sicht – richtig und überfällig, dass es endlich eine Definition des Verbrechens der Aggression gibt und dass dieser Straftatbestand Eingang in das inter- nationale und nun auch in das nationale Recht finden soll. Die kritische Frage ist allerdings: Was genau ist un- ter dem Verbrechen der Aggression zu verstehen? Der Gesetzentwurf nennt etwa die dauerhafte Annektierung eines fremden Staatsgebietes oder aber die Unterwerfung eines anderen Staates . Blockaden von Häfen oder Küsten durch fremde Streitkräfte, die Bombardierung oder Be- schießung fremden Hoheitsgebiets oder auch Fälle des gezielten Entsendens bewaffneter Banden oder Söldner in einen anderen Staat sollen künftig als Aggressions- verbrechen verfolgbar sein . Allerdings zeigt die Geset- zesbegründung auch, dass lange nicht jedes gewaltsame Eingreifen von außen ein Aggressionsverbrechen darstel- len soll . Das gilt zum Beispiel für kleinere Grenzschar- mützel . Auch die Linke hält es für sinnvoll, solche nicht gleich unter den Aggressionstatbestand fallen zu lassen . Doch im Gesetzentwurf heißt es auch – ich zitiere – „dass etwa eine humanitäre Intervention oder die präventive Selbstverteidigung in Anbetracht eines bevorstehenden bewaffneten Angriffs tatbestandlich nicht erfasst“ werde . Und das sollte uns aufhorchen lassen; denn hier geht es ans Eingemachte . Als humanitäre Intervention, die vorgeblich dem Schutz der Zivilbevölkerung vor drohenden Massakern oder gar Genoziden dient, wird doch heute nahezu jeder Kriegseinsatz bezeichnet . Auch der brutalste Diktator lässt sich für einen Überfall auf ein anderes Land eine humanitäre Begründung einfallen oder behauptet, er sei einem Angriff durch seine Nachbarn nur rechtzeitig zu- vorgekommen . Ich erinnere nur daran, dass der Jugosla- wien-Krieg, bei dem die Bundeswehr bei der Bombar- dierung der zivilen Infrastruktur des Landes mitmachte, als eine solche humanitäre Intervention gerechtfertigt wurde . Dazu wurden vom damaligen Verteidigungsmi- nister Rudolf Scharping die bekannten Kriegslügen von angeblichen Konzentrationslagern in Fußballstadien be- müht . Und beim Luftkrieg gegen Libyen stützten sich die Aggressoren sogar auf eine UN-Sicherheitsratsresolution zur Herstellung einer Flugverbotszone . Und da sagt die Linke: Sogenannte humanitäre Mili- tärinterventionen dürfen nicht von vornherein einer völ- kerstrafrechtlichen Überprüfung entzogen werden – und das darf auch in einer Gesetzbegründung nicht suggeriert werden . Wir erleben es heute viel zu oft, dass Kriegstrei- ber sich hinter humanitären Phrasen verstecken . Soge- nannte humanitäre Militäreinsätze in Krisenländern sind meist nichts anderes als eine Beteiligung oder ein Vo- rantreiben von Kriegen und gehen nicht zuletzt zulasten der Zivilbevölkerung, deren Opfer dann als „Kollateral- schäden“ verbucht werden . Vor diesem Punkt dürfen wir nicht die Augen verschließen, wenn wir über das Verbre- chen der Aggression sprechen . Täter in diesem Bereich sind auch die Bundesrepublik, die USA, die NATO und die EU, und auch diese Täter dürfen nicht straffrei da- vonkommen! Das Völkerstrafrecht muss für alle gleichermaßen gel- ten . Das möchte ich Ihnen für die weitere Behandlung des Gesetzentwurfes mit auf den Weg geben und noch einmal klarstellen: Die Linke befürwortet die Einführung des Aggressionsstraftatbestandes in das Völkerstraf- gesetzbuch und die damit einhergehende Verurteilung gewaltsamer Eingriffe in Staaten durch andere Staaten . Jede Handlung, die unter diesen Tatbestand fallen könn- te, muss entsprechend kritisch geprüft werden . Und das muss unabhängig davon gelten, ob eine Aggression von einem despotischen Diktator, einem finsteren War- lord, der NATO oder westlichen Staaten ausgeht . Ein Zweiklassenstrafrecht, welches das Völkerstrafgesetz zur neokolonialen Siegerjustiz missbraucht, darf es da nicht geben . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) von 2002 stellt die schlimmsten Menschenrechtsverbrechen unter Strafe: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen . Was bislang fehlt, ist das Verbrechen der Aggression oder auch der „Angriffskrieg“ . Diese Ergänzung unseres Völkerstrafrechts durch den vor- liegenden Gesetzentwurf ist gut und wichtig, denn der Angriffskrieg ist eines der gefährlichsten Verbrechen überhaupt . Dass wir nicht bereits bei der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches das Verbrechen der Aggression mit aufgenommen haben, liegt daran, dass sich die Staa- ten nicht einig waren, was eigentlich das Aggressionsver- brechen ausmacht . Dies wurde in der Internationalen Konferenz von Kampala 2010 endlich geklärt . Das „Verbrechen der Aggression“ ist seitdem im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs definiert als die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17463 (A) (C) (B) (D) offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nati- onen darstellt . Die Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs kann allerdings noch nicht ausgeübt werden, da die ent- sprechende Änderung des Statuts erst ratifiziert und auf einer Folgekonferenz mit einer Mehrheit von zwei Drit- teln aktiviert werden muss . Umso wichtiger, dass wir die indirekte Umsetzung des Völkerstrafrechts auf Grundlage nationaler Strafgesetze jetzt ermöglichen . Leider enthält ihr Vorschlag für den neuen § 13 VStGB drei ganz erhebliche Einschränkungen: Zum einen ist die Planung, Vorbereitung oder Einlei- tung eines Angriffskrieges nur dann strafbar, wenn der Angriffskrieg anschließend tatsächlich stattgefunden hat oder zumindest die Gefahr eines Angriffskrieges herbei- geführt wurde . Damit ist der Tatbestand bei uns enger gefasst als im Statut des internationalen Gerichtshofs . Enger, aber nicht klarer . So wird nicht klar, wie die Ge- fahr auszusehen hat, welches Stadium sie erreicht haben muss und wie konkret sie sein muss . Die zweite Einschränkung betrifft die Ausgestaltung des § 13 VStGB als sogenanntes Führungsdelikt: Täter kann nur sein, wer die tatsächliche Kontrolle über das politische oder militärische Handeln ausüben kann . Han- deln von nichtstaatlichen Akteuren ist damit nur erfasst, wenn sie tatsächliche Hoheitsgewalt ausüben und der Angriff einem Staat völkerrechtlich zugerechnet werden kann . Die dritte Einschränkung des Anwendungsbereichs ist allerdings noch viel gravierender und dafür erst auf den zweiten Blick erkennbar: Nach § 1 VStGB soll der Tatbestand des Angriffskrieges nur in den Fällen gelten, in denen der Täter Deutscher ist oder die Tat sich gegen Deutschland richtet . Bisher beinhaltet § 1 VStGB das uneingeschränkte Weltrechtsprinzip . Danach kann das Völkerstrafgesetz- buch auf alle völkerstrafrechtlich relevanten Sachverhal- te weltweit angewendet werden, unabhängig von Tatort und Nationalität der beteiligten Personen . Das „Korrek- tiv“ für diesen weiten Anwendungsbereich liegt in einer prozessrechtlichen Begleitnorm . Nach § 153f Strafpro- zessordnung kann die Staatsanwaltschaft von der Ver- folgung absehen, wenn Völkerstraftaten ohne Bezug zu Deutschland erfolgen . Das Ermessen, ob eine Strafver- folgung stattfinden soll, liegt in den Fällen bei der Staats- anwaltschaft . Das war bisher schon eine erhebliche Abweichung von unserem für andere Straftaten geltenden Legalitäts- prinzip, nach dem die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung verpflichtet ist. Für das Aggressionsverbrechen gehen Sie jetzt aber noch einen Schritt weiter: Die prozessrechtliche Ein- schränkung durch § 153f StPO reicht Ihnen nicht aus, Sie zementieren die Voraussetzung des Deutschlandbe- zugs für die Tat direkt im Tatbestand . Damit liegt es nicht mal mehr im Ermessen der Staatsanwaltschaft, ob das Verbrechen verfolgt werden soll oder nicht . Ist der Täter kein Deutscher oder ist die Tat nicht gegen Deutschland gerichtet, gilt schlicht der Tatbestand des Angriffskrieges nicht . Nach ihrem neuen Vorschlag könnte auch derje- nige nicht wegen eines Angriffskrieges verfolgt werden, der zum Beispiel dauerhaften Aufenthalt in Deutschland hat . Wer hier in Deutschland lebt und von hier aus einen Angriffskrieg plant, wäre kein Täter nach dem VStGB, wenn er nicht gleichzeitig einen deutschen Pass hat oder sich die Tat gegen Deutschland richtet . Nach Ihrer Vorstellung soll sich in Fällen von be- sonderer außenpolitischer Relevanz der Internationale Gerichtshof des Sachverhaltes annehmen . Das wäre na- türlich wünschenswert, aber es ist keine Lösung, in An- betracht der Tatsache, dass einige der mächtigsten Staa- ten der Welt die Kompetenz des Internationalen Gerichts nicht anerkennen . Der Verdacht liegt nahe, dass Sie also hier nicht agie- ren, um den Internationalen Strafgerichtshof zu stärken, sondern um Ihren Bündnispartnern nicht auf die Füße zu treten . Bereits jetzt können die Fälle des Völkerstrafgesetz- buches von höchster außenpolitischer Relevanz sein . Die Anzeige ausländischer Führungspersönlichkeiten wegen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit kommt in Deutschland durchaus vor . Dass sol- che Verfahren nicht weit kommen, lässt jetzt schon Rück- schlüsse auf das Verhältnis von Rechtsstaatsprinzip und Diplomatie zu . Der Erhalt des Weltrechtsprinzips in unserer Rechts- ordnung für die Verfolgung der schwersten Menschen- rechtsverbrechen ist unverzichtbar . Schade, dass Sie sich nicht so wirklich trauen, mit der notwendigen Ergänzung des Völkerstrafrechts der Straflosigkeit des Angriffskrie- ges den Kampf anzusagen . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die im Jahr 2010 in Kampala gefassten Beschlüsse zum Verbre- chen der Aggression waren ein weiterer Meilenstein bei der Fortentwicklung eines globalen Völkerstrafrechts . Sie schließen eine wesentliche Lücke im Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Verbrechen gegen die inter- nationale Gemeinschaft als Ganzes . Ein Blick auf die ak- tuellen Krisen und Konfliktherde in nahezu allen Teilen der Welt ruft die große Bedeutung des Völkerstrafrechts in das Bewusstsein der Öffentlichkeit . Die Beschlüsse von Kampala verfolgen das Ziel, auch beim Verbrechen der Aggression, also der gezielten Verletzung der terri- torialen Integrität eines anderen Staates durch Einsatz militärischer Gewalt und damit einem der schwersten Völkerrechtsverbrechen überhaupt, Gerechtigkeit herzu- stellen . Deutschland hat sich in besonderer Weise bei der mü- hevollen Ausarbeitung der Kompromisse von Kampala engagiert . Als einer der ersten Staaten hat Deutschland am 3. Juni 2013 die Urkunde zur Ratifizierung der Be- schlüsse bei den Vereinten Nationen hinterlegt . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir dieses Engage- ment fort, indem wir vor allem unter dem Gesichts- punkt der Komplementarität die Voraussetzungen dafür Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617464 (A) (C) (B) (D) schaffen, unser nationales Strafrecht an die internatio- nale Rechtslage anzupassen . Damit ermöglichen wir die Strafverfolgung von Verbrechen der Aggression auch durch deutsche Behörden . Wir haben den Entwurf behutsam und sorgfältig unter breiter Einbindung der völkerstrafrechtlichen Wissen- schaft und Praxis vorbereitet . Es ist uns, wie ich meine, eine ausgewogene und für alle Beteiligten tragfähige Lösung gelungen . Kernstück des Entwurfs ist die Ein- führung eines neuen § 13 in das Völkerstrafgesetzbuch . Damit verdeutlichen wir den Charakter des Verbrechens der Aggression als Völkerstraftat und heben zugleich die Verbindung zu den anderen völkerrechtlichen Kernver- brechen wie etwa dem Völkermord und dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit hervor . Wir haben uns bei der Umsetzung von den folgenden Grundentscheidungen leiten lassen: erstens der umfas- senden Kriminalisierung von der Planung bis zur Aus- führung – damit bestrafen wir erstmals auch die tatsäch- liche Durchführung eines Angriffskrieges –, zweitens der Ausgestaltung als Führungsdelikt, um sich auf die wirklich Verantwortlichen, also die politischen und mili- tärischen Machthaber, konzentrieren zu können, drittens der Beschränkung der Strafbarkeit auf offensichtliche Völkerrechtsverletzungen, viertens der engen Orientie- rung an Kampala bei gleichzeitiger Berücksichtigung unserer bisherigen Rechtstradition, der vor allem die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Artikel 26 unseres Grundgesetzes zugrunde liegen . Damit werden wir in be- sonderer Weise der historischen Verantwortung Deutsch- lands aus zwei verheerenden Weltkriegen für das friedli- che Zusammenleben der Völker gerecht . Ein weiteres Anliegen war es, den Bedürfnissen der Praxis, namentlich des für die Verfolgung von Aggres- sionsverbrechen zuständigen Generalbundesanwalts, Rechnung zu tragen, indem wir – abweichend vom so- genannten Weltrechtsprinzip – seine Verfolgungszustän- digkeit auf Fälle mit Bezug zu Deutschland beschränken . Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die neuen Regelun- gen zum 1 . Januar 2017 in Kraft treten . Damit gewähr- leisten wir einen Gleichlauf mit der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichthofs in Den Haag, der nach den Beschlüssen von Kampala über Verbrechen der Ag- gression frühestens nach dem 1 . Januar 2017 urteilen kann . Gerade mit Blick auf unsere historische Verant- wortung sollten wir dem völkerrechtlichen Grundsatz der Komplementarität sorgsam Rechnung tragen und si- cherstellen, dass Deutschland rechtzeitig in der Lage ist, in die Zuständigkeit des IStGH fallende Völkerrechtsver- brechen auch selbst innerstaatlich zu verfolgen . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie zu der Verordnung der Bundesregierung: Zwei- te Verordnung zur Änderung der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Tages- ordnungspunkt 26) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Die zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten bildet die Grundlage, um noch in diesem Jahr einen weiteren wichtigen Schritt zu gehen, das Energiesystem auf erneuerbare Energien umzustellen und zugleich gerade Verbrauchern eine Möglichkeit zu geben, einen Beitrag zur Flexibilisierung zu leisten . Positiv ist: Der Zubau an erneuerbaren Energien nimmt immer weiter an Fahrt auf, sie sind aus den Kin- derschuhen erwachsen und müssen sich nun dem Markt stellen . Negativ ist: Der Netzausbau hält mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht Schritt . Niedersachsen hat als eines der windreichsten Länder bisher keinen einzigen Kilometer der EnLAG-Leitung genehmigt . Die großen Stromtrassen sollen erst 2029 fertig werden . Deshalb muss der Netzausbau zusätzlich durch intel- ligente Lösungen, wie zum Beispiel Smart Meter, und weitere flexible Maßnahmen flankiert werden, um die Netzstabilität aufrechterhalten zu können . Aus diesem Grund gibt es seit 2013 die Verordnung zu abschaltbaren Lasten . Sie adressiert die Nachfrageseite und bietet einen Anreiz für große Stromabnehmer, einen Teil ihrer Nach- frage kurzfristig zurückzufahren . Wir haben somit ein Instrument geschaffen, das zu- sätzliche Flexibilitäten auf Verbraucherseite in Ergän- zung zu den erneuerbaren Energien ermöglicht . Die Erfahrung aus den letzten Jahren hat gezeigt, dass die Industrie einen entscheidenden Beitrag zur Netzstabilität leisten kann . So stehen aktuell 465 Megawatt als sofort abschaltbare Lasten und 979 Megawatt als schnell ab- schaltbare Lasten zur Verfügung . Alleine bis Mitte Sep- tember 2015 wurde die Abschalt-Option durch die Über- tragungsnetzbetreiber ganze 89-mal gezogen . Damit wird gezeigt, dass unser Energiesystem schon heute die Mobilisierung der großen industriellen Lasten benötigt . Doch lassen Sie uns nicht in die Vergangenheit, son- dern in die Zukunft blicken. Durch die fluktuierenden erneuerbaren Energien sind wir auf die abschaltbaren Lasten aus der Industrie angewiesen . Der Bedarf wird im Zuge des Ausbaus der erneuerbaren Energien sogar noch steigen . Aus diesem Grund schaffen wir heute die Vorausset- zung für das Inkrafttreten der Weiterentwicklung und die Novelle der abschaltbaren Lasten, nämlich die Ermäch- tigungsgrundlage im Energiewirtschaftsgesetz, welche mit dem aktuellen Strommarktgesetz umgesetzt werden soll . Unternehmen und die Menschen im Land müssen nicht nur Planungs-, sondern auch Finanzierungssicher- heit haben . Das ist die Grundlage für das Vertrauen in die Politik . Deshalb ist es heute notwendig, im Sinne ver- lässlicher Rahmenbedingungen für alle Beteiligten eine Regelungslücke zu vermeiden . Die CDU/CSU-Fraktion hat 2013 sehr großen Wert darauf gelegt, dass die Verordnung auf drei Jahre angelegt ist . Es war uns immer wichtig, keinen festen Mechanis- mus zu installieren, sondern ein Instrument zu schaffen, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17465 (A) (C) (B) (D) welches sich an die Veränderungen im Energiesystem anpassen kann . Die Überprüfung der abschaltbaren Las- ten hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode durchgeführt . Die neue Verordnung steht in den Start- löchern . Die Bundesregierung hat sie am 25 . Mai 2016 beschlossen . Netzstabilität ist das A und O einer sicheren und zu- verlässigen Stromversorgung . Die stark schwankenden erneuerbaren Energien machen in Zukunft die Versor- gungssicherheit zu einer noch größeren Herausforde- rung . Deshalb ist es richtig, dass wir Vorsorge treffen und heute die Verordnung zu den abschaltbaren Lasten bis maximal 1 . Oktober 2016 weiterlaufen und entsprechend die neue Verordnung nahtlos anschließen lassen . Die Option, eine große Last kurzfristig und durch den Netzbetreiber gesteuert abschalten zu können, ist ein wertvolles Gut . Die Verordnung zu den abschaltbaren Lasten hat sich zu einem wichtigen Bestandteil der neu- en Energiewelt entwickelt, und sie wird in Zukunft noch wichtiger . Ohne die aktuelle Verordnung würden die Netzbe- treiber nicht freiwillig auf das Potential der industriellen Lasten zurückgreifen . Sie würden im Falle der Fahrläs- sigkeit mit einer Pönale von lediglich 5 000 Euro pro Schadensfall haften . Zusätzlich würden sie im Rahmen des fünfstufigen Abschaltplans ohnehin ohne Vergütung zuerst die industriellen Lasten abschalten . In diesen Um- stand würden wir also ohne Verlängerung reinlaufen . Wenn wir einmal einen Blick nach Europa wagen, dann sehen wir auch, was sich andere europäische Länder vergleichbare Systeme der abschaltbaren Las- ten kosten lassen . Beispielsweise zahlen Niederlande, Frankreich und Spanien eine weitaus höhere Vergütung als Deutschland . Sie sehen also, unsere europäische Kon- kurrenz nimmt das Thema Netzstabilität sehr ernst, und das Instrument hat sich bewährt . Wir müssen also Vorsorge treffen . Dafür verlängern wir heute die Laufzeit der Verordnung . Würden wir die- sen Schritt heute im Deutschen Bundestag nicht gemein- sam gehen, hätte das nicht nur negative Auswirkungen auf die Industrie und Wirtschaft mit großen Lasten, son- dern wir würden unsere Spitzenposition bei der Versor- gungssicherheit in Europa verlieren . Für den Industriestandort Deutschland ist die hohe Stromversorgungsqualität ein entscheidender Standort- vorteil . Ein Blackout würde nicht nur unmittelbar Kosten im mehrstelligen Milliardenbereich auslösen, sondern auch die Attraktivität des Industriestandorts gefähr- den . Dies gilt es zu vermeiden! Das hat für die CDU/ CSU-Fraktion oberste Priorität . Wir wollen durch die Novelle der Verordnung mehr Unternehmen zum Zuge kommen lassen – beispielsweise müssen stromintensive Betriebe künftig nicht mehr min- destens 50 Megawatt Abschaltleistung anbieten, 10 Me- gawatt reichen aus . Somit können auch Unternehmen mit Mittelspannungsanschluss künftig abschaltbare Lasten anbieten . Die vorgesehene Kompensation ist angemessen, da es hier um Flexibilitäten insbesondere in der industriellen Güterproduktion geht, die ihren Preis infolge des Wer- tes ihrer technischen Bereitstellung und der entgangenen Produktion haben . Andere netzstabilisierende Maßnah- men sind weitaus teurere Optionen . Auch schaffen wir heute die Grundlage dafür, dass mit der Novelle in diesem Jahr ein Instrument in Kraft tritt, das die Transparenz bei den abschaltbaren Lasten erhöht. In der neuen Verordnung sind Transparenzpflich- ten vorgesehen, die beispielsweise die Ergebnisse der Ausschreibungen sowie die erfolgten Abrufe öffentlich machen . Deshalb ist es richtig, dass wir heute mit der Verlängerung der Verordnung einen ersten Schritt in Richtung Novelle der abschaltbaren Lasten gehen . Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Wirtschaft- lichkeit ist das Zieldreieck unserer Energiepolitik . Das wollen wir für unsere Bürger und Wirtschaft gewährleis- ten . Mit der vorliegenden Verordnung leisten wir einen weiteren Beitrag dazu . Mit der Verlängerung der Verordnung der abschaltba- ren Lasten und der damit verbundenen Novelle in diesem Jahr sind wir auf dem richtigen Weg, die Energiewende erfolgreich anzupacken und die dafür nötige Netzstabili- tät sowie Flexibilität im Energiesystem zu gewährleisten . Lassen Sie uns den Weg konsequent gemeinsam weiter- gehen! Johann Saathoff (SPD): In Kürze werden wir das Strommarktgesetz verabschieden . Mit dem Strommarkt- gesetz wollen wir den Strommarkt deregulieren bzw . die Strompreisbildung dem freien Spiel der Kräfte am Markt übergeben . Akteure sollen an einem Markt aktiv sein, bei dem Flexibilitäten einen Marktwert haben und bei dem es Leistungspreise für Kapazitäten nicht mehr geben soll . Ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Stroms kommt aus erneuerbaren Energien . In zehn Jahren soll es fast die Hälfte sein . Mit dem Strommarktgesetz wollen wir Flexibilitäten anreizen, für mehr Bilanzkreistreue sorgen, eine Netz- und eine Kapazitätsreserve aufbauen und viele weitere Maßnahmen vollziehen, die für ein Funktionieren des Strommarktes 2 .0 sorgen sollen . Kurz: Wir wollen den Strommarkt fit für die Energiewende machen. Und wir wollen und werden natürlich die Energie- wende fortführen . Das bedeutet nicht nur, dass wir un- seren Strom zunehmend und irgendwann komplett mit erneuerbaren Energien produzieren wollen . Das bedeutet auch, dass wir stets die Versorgungssicherheit gewähr- leisten wollen . Je mehr Erneuerbare wir im Netz haben, eine desto größere Herausforderung stellt diese Aufgabe dar . Wir agieren heute in einem europaweit verbundenen Stromnetz . Wir müssen und wollen deshalb die Versor- gungssicherheit europaweit monitoren . Denn wie wir im November 2006 gesehen haben, kann ein Leitungsausfall in Deutschland auch schon mal halb Europa lahmlegen . Deswegen ist es richtig, dass wir weg von einer nationa- len Leistungsbilanz hin zu einer europäischen Betrach- tung gehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617466 (A) (C) (B) (D) Für die Versorgungssicherheit reicht es aber nicht, die Erzeugung im Auge zu behalten . Man muss auch auf den Verbrauch schauen, um am Ende zu jedem Zeitpunkt die richtige Spannung im Stromnetz zu haben . Das ist ge- meint mit: Wir wollen Flexibilitäten anreizen . Flexibili- täten gibt es in diesem Zusammenhang verschiedene, ob angebots- oder nachfrageseitig: Speicher, einen flexiblen Kraftwerkspark, verschiebbare Lasten, den Netzausbau oder die Sektorkopplung . Den Lasten kommt in diesem Zusammenhang eine immer größere Bedeutung zu . Mit der EnWG-Novelle Ende 2012 haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass auch Anbieter abschalt- barer Lasten für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit vertraglich verpflichtet wer- den konnten . Mittlerweile sind die abschaltbaren Lasten ein eta- bliertes Instrument, das wir nun aber, auch auf Basis des Evaluierungsberichts der Bundesnetzagentur, angemes- sen weiterentwickeln wollen . Wir wissen jetzt, welche Mengen derzeit in den beiden Segmenten an schnell und sofort abschaltbaren Lasten verfügbar sind, und wir wol- len mit der Novelle die Anbieter näher an eine Wettbe- werbssituation heranführen . Dafür werden wir die Regularien zu Mengen, Preisen, Ausschreibungszeiträumen und technischen Vorausset- zungen anpassen und dieses Instrument dadurch gleich- sam wirksam und effizient gestalten. Dadurch können mehr Industriebetriebe einen Beitrag für die Sicherheit des deutschen Stromsystems leisten . Das ist es doch, was wir wollen . Wir wollen, dass Ver- braucher nicht nur Strich fahren, wir wollen, dass Ver- braucher ihr Verhalten immer mehr an den Bedürfnissen des Strommarktes orientieren . Dafür gibt es unterschiedliche Instrumente . Demand Side Management oder Demand Response ist eines die- ser Instrumente . Der Unterschied zu den abschaltbaren Lasten liegt hier vor allem in der Größe der beteiligten Unternehmen . Volkswirtschaftlich ist das äußerst sinnvoll, und ich bin mir sicher, immer mehr Betriebe werden auch den betriebswirtschaftlichen Nutzen erkennen . Dafür müssen wir aber noch viel trommeln, denn diese Signale kom- men in den Betrieben bislang nur unzureichend an . Allerdings bestehen hier auch regulatorische Hemm- nisse, denn die industriellen Netzentgelte reizen gerade- zu ein Strichfahren an – hier besteht also weiterer Hand- lungsbedarf . Bevor diese neue Verordnung zu abschaltbaren Lasten aber in Kraft treten kann, müssen wir übergangsweise aber noch mal die geltende Verordnung um drei Monate verlängern, um die betroffenen Unternehmen nicht un- verschuldeten Härten auszusetzen . „Mutt wieede gaan“ sagt man in Ostfriesland – es muss eben weitergehen, um auch bei den abschaltbaren Lasten keinen Fadenriss zu verursachen . Ein solcher Fa- denriss ist übrigens auch und gerade bei der Offshore- Windenergie unbedingt zu vermeiden . Ich bedaure außerordentlich, dass es bislang im parla- mentarischen Verfahren nicht gelungen ist, Einigungen zu vielen wichtigen Gesetzgebungsvorhaben zu erzielen . Neben dem Strommarktgesetz sind das vor allem das EEG, aber auch das Gesetz zur Digitalisierung der Ener- giewende oder auch die Novelle des § 46 . Ich bin aber zuversichtlich, dass bald auch die novel- lierte AbLaV in Kraft treten können wird . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Zunächst einmal möchte ich unsere Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass die Bundesregierung es nicht geschafft hat, nach der ersten Verlängerung der alten Ver- ordnung rechtzeitig den Entwurf für die Novelle vorzu- legen . Nun muss die erste Verlängerung bis zum 30 . Sep- tember verlängert werden, weil die eigentliche Novelle, die wir heute ebenfalls beraten, zu spät in Kraft treten wird . Viel stärker stellt sich allerdings die Frage, warum das Instrument einer Lastabschalt-Verordnung nicht einfach beerdigt wird? Selbstverständlich brauchen wir in einem immer stärker von schwankender Einspeisung geprägten Ener- giesystem irgendwann auch die Möglichkeit, den Strom- verbrauch zeitweise abrupt und gesteuert zu reduzieren . Aber ist diese Verordnung dafür der geeignete Weg, und brauchen wir abschaltbare Lasten schon jetzt? Die Bundesregierung schreibt zwar in der Verord- nungs-Begründung, in einem dem Bundeswirtschaftsmi- nisterium vorgelegten Bericht von Ende Juni 2015 habe die Bundesnetzagentur festgestellt, abschaltbare Lasten seien sowohl für das Systembilanzmanagement als auch für das Netzengpassmanagement geeignet . Unterschlagen hat die Bundesregierung aber die Aus- sagen der Bundesnetzagentur, die in der Unterrichtung der Bundesregierung an den Bundestag drei Monate später angeführt werden . Und da steht unmissverständ- lich, die Bundesnetzagentur empfiehlt, die Verordnung auslaufen zu lassen, da im Berichtszeitraum kein Bedarf an abschaltbaren Lasten bestand! Mit anderen Worten: Diese Verordnung ist bedeutungslos, wie die Bundes- netzagentur bestätigt . Weiter schreibt die Agentur: „Die derzeitige Verord- nung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten ist darüber hinaus nicht ausreichend geeignet, zusätzliche Potenziale an abschaltbaren Lasten für den Strom- und Regelenergiemarkt zu erschließen.“ Sie empfiehlt wei- ter, abschaltbare Lasten sollten ihre Abschaltleistung ordnungsgemäß am Regelenergiemarkt anbieten – also dort, wo die Schwankungen zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgeglichen werden . Damit stelle man die Liquidität des Regelleistungsmarkts sicher und verhin- dere eine „Kannibalisierung“ des Regelenergiemarktes wie sie durch eine solche Verordnung eintreten könnte, so schreibt die Bundesnetzagentur . Hier wird also offen- bar sogar befürchtet, dass die Verordnung einen gewissen Schaden für den Regelenergiemarkt anrichten könnte . Nach informellen Informationen gilt insbesondere der Bereich der so genannten schnell abschaltbaren Las- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17467 (A) (C) (B) (D) ten als völlig überflüssig in der Verordnung angesiedelt. Denn genau dafür könnte man deutlich preiswerter und bedarfsgerechter ähnliche Dienstleistungen einkaufen . Nun wollen Sie mit der Novelle die Mindestpreise, die offensichtlich überhöht waren, abschaffen . Damit soll das Ganze marktnäher werden . Während de facto bislang nur wenige Aluminiumhütten überhaupt Leistung anbie- ten konnten, wollen Sie jetzt den Kreis der Unternehmen, die anbieten können, Lasten gegen Vergütung abzuschal- ten, erweitern . Es bleibt dennoch die Frage, inwiefern hier nicht ein Parallelmarkt zum Regelenergiemarkt ge- schaffen wird, und wofür das sinnvoll sein soll . Keine Frage, abschaltbare Lasten werden wir irgend- wann brauchen, sie sind ein wichtiges Element eines regenerativen Energiesystems . Gegenwärtig brauchen wir sie aber kaum, und für den geringen Bedarf gibt es bereits einen Markt . Darum fragen wir uns, was sie mit der Verordnung eigentlich vorhaben . Vielleicht bringt die Anhörung etwas Licht in das Thema . Vielleicht können uns aber Bundesregierung und Koalition schon einmal vorab erklären, wozu wir diese Verordnung eigentlich brauchen . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ge- meinsam beraten wir heute über die Verlängerung der Verordnung der Bundesregierung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten . Für uns Grüne ist dabei klar: Bei der Energiewende spielen große Stromverbraucher in der Industrie und dem Gewerbe eine entscheidende Rolle . Deshalb ist es richtig und wichtig, dass energie- intensive Unternehmen gegen eine angemessene Ent- schädigung am Lastmanagement beteiligt werden . In den USA wird dies schon seit Jahren praktiziert . So gehen etwa Rechenzentren großer Internetkonzerne oder Kühl- häuser von Supermarktketten temporär vom Netz . Durch diese minuten- oder stundenweise Abschaltung von gro- ßen Stromverbrauchern bei Industrie und Gewerbe kann das Stromnetz gerade in Zeiten der Höchstlast oder bei wenig Wind oder Sonne stabil gehalten werden . Damit ist Lastmanagement eine Win-win-Situation für die Un- ternehmen und die Netzstabilität . Doch dieser wichtige Pfeiler auf dem Weg zu einer erfolgreichen Energiewende wird von Ihnen – sehr ver- ehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD – nur halbherzig angegangen . Es ist zwar zu be- grüßen, dass nun durch den Zusammenschluss einzelner Unternehmen zu einem Anbieter „gepoolt“ werden darf und die Eintrittsschwelle von 50 Megawatt auf 10 herab- gesetzt wird, doch Sie verpassen es wieder einmal, diese Form des Lastmanagements in ein neues und zukunfts- fähiges Strommarktdesign zu integrieren . Wir brauchen keine Winterreserve, Redispatch-Vereinbarung, Koh- lereserve oder Lastabschalt-Verordnung, sondern ein Strommarktgesetz, was all diese losen Stränge zu einem wirksamen Instrument auf dem Weg hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien vereint . Doch da versagen Sie kläglich . Wir Grünen haben Ihnen im Rahmen der De- batte des Strommarktgesetzes vor wenigen Monaten mit unserem ökologischen Flexibilitätsmarkt konkrete Vor- schläge für ein neues Strommarktdesign gemacht . Doch statt unsere Vorschläge aufzugreifen, verzichten Sie bei Ihrem Strommarktgesetz auf das Potenzial von Lastma- nagement und subventionieren stattdessen mit Milliarden Euro klimaschädliche Kohlekraftwerke . Eine Energiepo- litik der Zukunft sieht anders aus . Die im Jahr 2013 in Kraft getretene Lastabschalt-Ver- ordnung sollte eigentlich nur bis Ende 2015 laufen, wur- de aber gegen das Versprechen der Großen Koalition, bis Ende Juni eine neue Verordnung vorzulegen, um sechs Monate verlängert . Sie läuft zum 1 . Juli aus, soll jetzt aber erneut bis September verlängert werden . Dann soll endlich die neue Lastabschalt-Verordnung in Kraft tre- ten . Aufgrund der Ausgestaltung, die wir schon damals kritisiert hatten, nahmen nur vier Unternehmen aus der chemischen und der Aluminiumindustrie teil . Wettbe- werb sieht anders aus . Doch wir waren nicht alleine . Selbst die dem Bun- deswirtschaftsministerium untergeordnete Behörde – die Bundesnetzagentur – hat die alte Verordnung Ende 2015 massiv kritisiert . Es besteht „kein Bedarf an abschaltba- ren Lasten“, und sie empfiehlt, die Verordnung auslaufen zu lassen . Doch weder auf die Vorschläge aus der Op- position noch auf die Ratschläge Ihrer eigenen Experten hören Sie . Nun legen Sie dem Deutschen Bundestag also eine neue Verordnung zur Fortsetzung von abschaltbaren Lasten vor . Neuerungen betreffen nun unter anderem die Höhe der Vergütung . Dabei ist sie in Leistungs- (maximal 500 Euro/MW) und Arbeitspreis (400 Euro/MWh) ge- gliedert und soll wettbewerblich ausgeschrieben werden . Statt 1 000 MW sollen zukünftig 1 500 MW kontrahiert werden, und Unternehmen mit abschaltbaren Leistungen ab 10 MW – statt bisher 50 MW – können mitbieten . Neuerungen betreffen eine wöchentliche (statt monatli- che) Ausschreibung der Abschaltleistungen, zudem kön- nen einzelne Unternehmen „poolen“ . An der Ausschrei- bung dürfen nur Anbieter teilnehmen, die schnell (das heißt innerhalb von 15 Minuten) und sofort abschaltba- re Lasten anbieten können . Die Abschaltung muss vom Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) durch Fernsteuerung oder automatisch frequenzgesteuert bei Unterschreiten einer vorgegebenen Netzfrequenz herbeigeführt werden können . Die jährlichen Mehrkosten gegenüber der Vorgänger- regelung – circa 30 Millionen Euro im Jahr – entstehen in Höhe von 5 Millionen Euro, was für einen Durchschnitts- haushalt eine jährliche Mehrbelastung von 4 Cent auf dann 29 Cent pro Jahr bedeutet . Doch mit diesen Neuerungen produzieren Sie Stück- werk und kein einheitliches Konzept . Lastmanagement ist für uns Grüne ein wichtiges Mittel zur Stabilisierung und Flexibilisierung einer Stromversorgung, die immer stärker auf schwankender Wind- und Sonnenstromer- zeugung basiert . Insofern unterstützen wir die grund- sätzliche Zielrichtung der Verordnung . Doch die alte Lastabschalt-Verordnung führte nie zu den gewünschten Effekten, sondern entpuppte sich als ein Geschenk für einige wenige Industriebetriebe . Jetzt kommt mit eini- ger Verzögerung endlich ein neuer Verordnungsentwurf . Dieser weist angesichts der großen Kritik an der alten Verordnung erstaunlich wenige Veränderungen auf . Die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617468 (A) (C) (B) (D) Zielsetzung einer Marktentwicklung für Lastmanage- ment-Leistung wird so niemals erreicht . Wie schon bei der alten Verordnung können Sie die konkrete Berech- nungsgrundlage für Leistungs- und Arbeitspreis nicht be- nennen . Damit bleibt das eigentlich gut gemeinte Instru- ment weiter intransparent und wird wohlmöglich nur für große Unternehmen eine zusätzliche Finanzspritze sein . Daher ist für uns klar: Die geplante Lastabschalt-Ver- ordnung wirkt wie alter Wein in neuen Schläuchen . Aber Sie scheinen nicht mehr die Kraft zu haben, die Energie- wende endlich wieder in die Spur zu bringen . So bleibt es wie bei der alten Verordnung leider wieder bei Stückwerk und Flickschusterei, statt mit ganzheitlichem Ansatz die Energiewende voranzutreiben . Wir hoffen darauf, dass im Rahmen der Beratungen im Ausschuss sowie der An- hörung Änderungen aufgenommen werden . In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen dazu . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung berg-, umweltschadens- und wasserrechtlicher Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten (Zusatzta- gesordnungspunkt 6) Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Die „Deep- water Horizon“-Havarie am 20 . April 2010 war eine schreckliche Katastrophe . Elf Menschen kamen dabei ums Leben . Laut Berechnungen eines US-Gerichtes lie- fen 19 Millionen Barrel Öl ins Meer . Es bedurfte meh- rerer Anläufe, um die Leckage abzudichten . Mehr als 2 000 Kilometer Küste wurden verschmutzt . Es handelte sich um eine der schwersten Umweltkatastrophen dieser Art in der Geschichte . „Deepwater Horizon“ war für die Welt ein Wende- punkt . Und selbstverständlich hat auch die Europäische Gemeinschaft umfassend reagiert . Obwohl ein derartiges Unglück in europäischen Gewässern bisher nicht vor- gekommen ist, wurden die Rahmenbedingungen für die Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas im Offshore-Bereich intensiv überprüft . Eine solche Kata- strophe darf nirgendwo wieder passieren . Mit der Richtlinie 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12 . Juni 2013 über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG wurden auf EU-Ebene einheitliche Standards für die Erdöl- und Erdgasförderung festgesetzt . Die Richtlinie soll dazu die- nen, Unfälle im Zusammenhang mit Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten zu verhindern, den Umweltschutz zu erhöhen und die Notfallmechanismen im Falle einen Un- falls zu verbessern . Nur so kann vergleichbaren schwe- ren Unfällen vorgebeugt beziehungsweise können die Auswirkungen gemindert werden . Deutschland hat seit Jahrzehnten eine sehr fortschritt- liche und nachhaltige Umweltpolitik . Wir sind seit Jahrzehnten forerunner . Im Bereich der Erdöl- und Erd- gasförderung haben wir daher bereits sehr strenge Auf- lagen . Das deutsche Bergrecht folgt beispielsweise der Systematik, dass die Verantwortung beim Unternehmen gebündelt wird . Daher entspricht unser deutsches Recht bereits jetzt in vielen Teilen der europäischen Richtlinie . In Deutschland wird aufgrund der geringen Tiefe un- serer Meere nur Flachwassertechnik angewendet . Diese gilt in Fachkreisen als risikoarm . Im deutschen Hoheits- gebiet befinden sich aktuell zwei Erdöl- und Erdgas- plattformen, in europäischen Gewässern insgesamt aber 600 Plattformen . Auch wenn es in Europa, wie bereits eingangs er- wähnt, derartige Havarien wie die der „Deepwater Hori- zon“ nicht gegeben hat, haben wir uns nach dem Unfall im Golf von Mexiko im Jahr 2010 intensiv für den Erlass der EU-Offshore-Richtlinie eingesetzt . Denn einheitliche Standards für Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten zu definieren, muss ein internationales Interesse sein. Die- ses Thema geht uns alle an! Die nationale Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdga- saktivitäten wird größtenteils in einer neuen Offshore- Berg verordnung umgesetzt . Die darin enthaltenen Re- gelungen betreffen vornehmlich das Risikomanagement, Sicherheits- und Umwelterwägungen in Bezug auf die Genehmigungsverfahren sowie die Aufgaben der zustän- digen Behörden und das Berichtswesen . Um Parallelstrukturen zu vermeiden, gehen die bishe- rigen Regelungen zu Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivi- täten, welche in der Festlandsockel-Bergverordnung und im Anhang 3 der Allgemeinen Bundesbergverordnung festgelegt waren, in der neuen Offshore-Verordnung auf . Dadurch werden die Bereiche Risikomanagement, Ar- beits- und Gesundheits- und Umweltschutz zusammen in einer Verordnung gebündelt, was in der in der betriebli- chen Praxis hilfreich ist . Denn da alle Aspekte gemein- sam betrachtet werden müssen, können wir das Risiko für schwere Unfälle minimieren . Selbstverständlich ver- einfacht es auch die die Rechtsanwendung Im Rahmen der Arbeiten an dieser nationalen Off- shore-Verordnung hat sich jedoch ergeben, dass es für die Umsetzung einer Vorgabe der europäischen Richtlinie an einer eindeutigen Ermächtigungsgrundlage im Bundes- berggesetz fehlt . Die europäische Richtlinie sieht vor, dass Unterneh- men eine Vorsorge zur Deckung von Haftungsverbind- lichkeiten zu treffen und die technische und finanzielle Leistungsfähigkeit nachzuweisen haben . Mit dem vor- liegenden Gesetzentwurf schaffen wir nun in § 66 des Bundesberggesetzes mit einer Ergänzung diese Ermäch- tigungsgrundlage . Aufgrund der Rechtssystematik erfolgen außerdem Anpassungen im Wasserhaushaltsgesetz, im Umwelt- schadensgesetz sowie in der Verordnung über die Um- weltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17469 (A) (C) (B) (D) Die europäische Richtlinie über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten erhöht den Schutz der Meeresumwelt und verbessert entscheidend die Notfallmechanismen im Falle eines Unfalls oder ei- ner Havarie . Unser heute zu beratender Gesetzentwurf schafft Rechtssicherheit bei der nationalen Umsetzung . Ich hoffe dabei auf ihre Unterstützung . Johann Saathoff (SPD): Bei dem vorgelegten Ge- setzentwurf geht es um die Schaffung eindeutiger und europaweit einheitlicher Sicherheitsstandards im Bereich der Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten . Der Gesetz- entwurf setzt einen Teil der dazu im Juli 2013 beschlosse- nen EU-Richtlinie um . Die Umsetzung dieser Richtlinie ist aus meiner Sicht aus vielerlei Gründen zu begrüßen . Mehr als 90 Prozent des in Europa geförderten Erdöls und mehr als 60 Prozent des geförderten Erdgases kom- men aus der Offshore-Produktion . Das sind beachtliche Zahlen, besonders vor dem Hintergrund, dass im Jah- re 2015 noch immer mehr als 50 Prozent des Primärener- gieverbrauchs durch Erdöl und Erdgas gedeckt wurde . Diese Zahlen machen die Bedeutung der Offshore-För- derung von Erdöl und Erdgas deutlich, insbesondere auch im Hinblick auf die Frage der Energieversorgungs- sicherheit . Im gleichen Atemzug sollte dann allerdings auch im- mer auf die Frage der Sicherheit der Meeresumwelt und der Küstenregionen eingegangen werden . Diese Frage ist selbstverständlich immer prioritär zu behandeln und gerade im Bereich der Offshore-Erdöl- und -Erdgasak- tivitäten besteht ein Interesse daran, besonders hohe Si- cherheitsstandards zu setzen und einzuhalten . Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir deshalb dazu beitragen, dass der Schutz und die Erhaltung der Umwelt gewährleistet werden können und dass ein vernünftiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen sichergestellt ist . Denn die ersten Assoziationen mit der Offshore-Ge- winnung von Erdöl und Erdgas sind leider allzu häufig Bilder von Katastrophen und Ölteppichen auf See . Bil- der, die in diesem Zusammenhang hängen geblieben sind, sind beispielsweise die vom Unfall 2010 im Golf von Mexiko als die Bohrinsel „Deepwater Horizon“ ex- plodierte und damit eine der bislang schwersten Umwelt- katastrophen in den USA ausgelöst wurde . In direkter Konsequenz dieser Explosion auf der Bohrinsel kamen elf Menschen ums Leben, und die in den folgenden Wochen und Monaten ausgetretene Öl- menge wird auf circa 800 Millionen Liter geschätzt . Dies bedeutete und bedeutet auch heute noch eine enorme Be- lastung für die Umwelt und die Menschen im Golf von Mexiko . Das Öl tötete Hunderttausende Vögel, Fische und Meerestiere im Golf . Die Folgen waren so verhee- rend, dass der Fischereibetrieb im Sommer 2010 in wei- ten Teilen eingestellt werden musste . Das macht auch die wirtschaftlichen Folgen für die Menschen der Region deutlich, in der ein Großteil von der Fischerei lebt . Genau solche schrecklichen Ereignisse gilt es zu verhindern . Mit diesem Gesetz und der Verabschiedung der EU-Richtlinie insgesamt wollen wir also dazu beitragen, dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen und in der Nord- und Ostsee möglichst ausgeschlossen werden . Der Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt dafür zu sorgen, die Zahl der Unfälle bei der Förderung von Offshore-Erdöl und –Erdgas soweit wie möglich zu verringern . Denn stellen Sie sich mal die Auswirkungen eines solchen Ereignisses beispielsweise auf Norderney oder insgesamt an der Nordseeküste vor . Für eine Region, die insbesondere vom Tourismus lebt, würde das einen Scha- den auf Jahre bedeuten . Nicht zu vergessen, dass es sich beim Wattenmeer auch um ein Weltnaturerbe handelt . Dabei möchte ich aber auch deutlich machen, dass es nicht darum geht, die Offshore-Förderung von Erdöl und Erdgas an sich zu verteufeln oder an den Pranger zu stellen . Unfälle wie im Golf von Mexiko sind glückli- cherweise die sehr seltene Ausnahme . Im Regelfall, ins- besondere auch auf den beiden deutschen Offshore-An- lagen, der Bohr- und Förderinsel Mittelplate und der Gasförderplattform A6-A, gelten bereits heute sehr hohe Sicherheitsstandards, sodass ich keine Bedenken hege, dass sich ein vergleichbarer Unfall vor unseren Küsten ereignen wird . Aber man „mutt d’n Alltied n’Oog an hemm’ “ würde man in Ostfriesland sagen, also stets wachsam bleiben . Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass nun einheitliche europäische Rahmenbedingungen und höchste Umwelt- und Sicherheitsstandards geschaffen werden, die sowohl die Meeresumwelt als auch die Wirtschaft in Küstenregi- onen beschützen . Ich bin zuversichtlich, dass uns das mit diesem Ge- setzentwurf gelingen wird . Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Heute diskutieren wir über die Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten, die das Eu- ropäische Parlament und der Rat der Europäischen Union am 12 . Juni 2013 auf Vorschlag der Europäischen Kom- mission erlassen hatten . Ziel ist es – so heißt es in der Richtlinie –, „die Häu- figkeit von schweren Unfällen im Zusammenhang mit Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten so weit wie mög- lich zu verringern und ihre Folgen zu begrenzen …“ Die Richtlinie hätte bereits zum 19 . Juli 2015 in deut- sches Recht umgesetzt sein müssen, und insofern kommt ihre Umsetzung gerade angesichts der Gefahren und Ri- siken von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten und den erfolgten Ereignissen viel zu spät – man denke nur an die Explosion und Öl- und Gasfreisetzung bei der BP-Erdölplattform „Deepwater Horizon“ 2010 im Golf von Mexiko . Der heute vorliegende Antrag der Koalitionsfraktio- nen ist handwerklich korrekt formuliert, geht aber an den Problemen der Offshore-Förderung weit vorbei . Ein Problem ist, dass die erforderliche Umsetzung der EU-Richtlinie eben nicht gesetzlich erfolgt, sondern größtenteils auf dem Weg von Verordnungen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 201617470 (A) (C) (B) (D) Grundsätzlich ist Die Linke der Meinung: Allgemeine Anforderungen müssen im Bundesberggesetz klar festge- legt werden und dürfen nicht in Verordnungen geschoben werden . Doch eine entsprechend notwendige und grund- sätzliche Novellierung des Bundeberggesetzes wird von der Großen Koalition systematisch verhindert . Und selbst wenn man den Weg der Verordnungen geht, sind hier die falschen Verordnungen gewählt . Hätte die Bundesregierung wirklich einen hohen Standard bei der Anlagensicherheit gewollt, hätte sie die Anforderungen der EU-Offshore-Richtlinie in die Störfallverordnung integrieren müssen und so die Tätigkeiten auf Öl- und Gasplattformen unter den Anwendungsbereich der Stör- fallverordnung fallen lassen . Es ist offensichtlich, wa- rum die Koalition das nicht macht: Einmal mehr sollen Öl- und Gaskonzerne privilegiert werden . Denn die an sie gestellten Sicherheitsanforderungen sind bedeutend geringer als im üblichen Recht der Anlagensicherheit . Erst vor knapp zwei Wochen, am 25 . Mai dieses Jah- res hat die Bundesregierung die Änderungsverordnung zu bergrechtlichen Vorschriften beschlossen . Sie liegt jetzt dem Bundesrat zur Beschlussfassung vor . Diese Verordnung hat es in sich: So wird beispiels- weise im § 40 der neuen Offshore-Bergverordnung festgelegt, dass nicht das potenzielle Schadensausmaß, sondern lediglich das Risiko Maßstab für eine Verhinde- rung schwerer Unfälle sein soll . Da das Risiko zentral von Eintrittswahrscheinlichkeiten abhängt, können so große Schadensereignisse mit angeblich geringen Ein- trittswahrscheinlichkeiten als unbeachtlich erklärt wer- den . Zudem wird der Begriff des „vertretbaren Risikos“ verwendet . Da es in Deutschland jedoch keine Risiko- grenzwerte gibt, werden die Öl- und Gaskonzerne selbst bestimmen, was sie für vertretbar halten und welchen Gefahren sie Mensch und Umwelt aussetzen . Darüber hinaus klammert die Bundesregierung in ihren beschlossenen Verordnungsentwürfen einen zen- tralen Bereich der Offshore-Gas- und -Ölförderung vollkommen aus: Das Offshore-Fracking . Fracking ist bereits an Land unverantwortbar . Noch weniger be- herrschbar sind die Folgen von Offshore-Fracking, denn es kombiniert die Gefahren des Frackings an Land mit den klassischen Gefahren der Öl- und Gasgewinnung im Meer. Durch die eingesetzten Frackflüssigkeiten, deren Zusammensetzungen nicht veröffentlicht werden, kann es zu Wasserkontaminationen kommen . Das Aufbre- chen des Untergrundgesteins und das Wiederverpressen des Flowbacks kann Erdbeben hervorrufen . Und durch Leckagen kann in erheblichem Maß das klimaschädliche Treibhausgas Methan entweichen . Während der Sondierungs-, Förder- und Außerbe- triebnahmeaktivitäten kann es außerdem zu schweren Unfällen kommen . Dazu gehören Öl- und Chemikalien- freisetzungen im Falle einer Schiffskollision oder von Pipelineleckagen . Größere Gasfreisetzungen können auf- grund eines Blow-outs erfolgen . Eine mögliche größere Ölpest hätte erhebliche negative Auswirkungen auf das empfindliche marine Ökosystem. Angesichts dieser mög- lichen Folgen ist Offshore-Fracking nicht verantwortbar . Fracking auf hoher See muss auf jeden Fall verboten werden . Das und vieles mehr, was dringend notwendig ist, sieht die Bundesregierung im vorliegenden Offshore- Regelungspaket gar nicht vor . Aus den genannten Gründen fordert die Linke, dass die Bundesregierung dieses Paket zurückzieht und grundlegend überarbeitet . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung möchte mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf die Umsetzung einer europäischen Richtlinie zur Sicherheit von Offshore-Plattformen im Meer, die bei der Förderung von Erdöl oder Erdgas zum Einsatz kom- men, regeln . Der Auslöser für die europäische Initiative war der Unfall der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko . Wir erinnern uns alle noch an die dramatischen Folgen der Explosion auf der Ölbohrinsel, infolge deren ungehindert Tonnen an Erdöl ins Meer flossen. Offiziel- len Angaben zufolge handelte es sich um rund 380 Mil- lionen Liter . Umweltpolitisch war dies ein Super-GAU, der weltweit nach Maßnahmen rief, wie so ein Vorfall in Zukunft zu verhindern wäre . Wir hatten die Hoffnung, dass sich nach dem Unglück einiges verbessern und man aus den Fehlern lernen würde . Es bleibt aber noch viel zu tun . Doch eines steht fest: Ein solches Unglück darf sich nirgendwo wiederholen . Regelungen, die die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solches Ereignisses verringern würden, sind seit- dem nur schleppend verschärft worden . Ob diese tatsäch- lich auch solche Unfälle verhindern können, ist unklar . Was wir brauchen, sind internationale Standards . Alles andere als verständlich sind daher Bestrebungen, in der Arktis nach Öl zu bohren oder andere Rohstoffe in der Tiefsee vor Madagaskar oder im Pazifik zu fördern. Die Bundesregierung will hier ja groß mitmischen . Die Auswirkungen der Aktivitäten sind hier wie dort unklar . Die Gefahr zusätzlicher Umweltkatastrophen wird sich noch deutlich vergrößern . Dort geht es dann nicht nur um Erdöl oder Erdgas, sondern um den Abbau von Erzen und weiterer Rohstoffe . Dadurch wird langfristig vielen Mee- reslebewesen der Lebensraum genommen . Das heißt: Die Meere brauchen internationalen Meeresschutz . Das muss die Bundesregierung auf internationaler Ebene dringend konsequent weiterverfolgen . Noch sechs Jahre nach dem Unglück im Golf von Mexiko sind die Schäden im Meer und an den Stränden sichtbar . Hinweise des Ölkonzerns BP wie „heute sei al- les wieder in Ordnung“ sind nicht nachvollziehbar . Man kann Fischer nach einem solchen Unfall zwar fi- nanziell entschädigen . Aber viele Tiere sind danach aus- gestorben oder Arbeitsplätze von Fischern vernichtet . Es gibt unter anderem Hinweise auf die Vervielfachung der Anzahl toter Delphine nach der Ölpest . Warum legt uns also die Bundesregierung den Gesetz- entwurf mit einer solch derartigen Verspätung von drei Jahren vor? Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richt- linie aus 2013 hätte schon spätestens vor einem Jahr verabschiedet werden müssen . Meine Vermutung für die Schlamperei: Die Bundesregierung scheint eindeutig an- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 176 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 9 . Juni 2016 17471 (A) (C) (B) (D) dere Prioritäten zu setzen . Der Maritime Koordinator ko- ordiniert nicht, und der Verkehrsminister beschäftigt sich lieber mit dem CSU-Steckenpferd Ausländermaut . Ver- antwortliche Politik für unsere Meere sieht anders aus . Es bleibt festzuhalten: Nach Regelungen für Offshore- Anlagen fehlen weiterhin internationale Regelungen für Rohstoffabbau in den Meeren, vor allem für drohenden verstärkten Rohstoffabbau in der Tiefsee . Hier sind in- ternationale Standards erforderlich . Denn mit Nachhal- tigkeit haben die Tiefsee-Bestrebungen des Wirtschafts- ministeriums nichts zu tun . Der Maritime Koordinator im Wirtschaftsministerium müsste hier eingreifen . Dem Rohstoffabbau im Meer lässt er aber auf allen Ebenen freie Bahn . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 176. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung TOP 4 Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid TOP 5 Berufliche Bildung TOP 32, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 33, 20,21 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Wahl Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ TOP 7 Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2015 ZP 4 Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte TOP 9 Aufarbeitung der SED-Diktatur TOP 10 Wahl des Beauftragten für die Stasi-Unterlagen TOP 11 Informations- und Transparenzrecht TOP 12 Reform der Investmentbesteuerung TOP 13 UN-Nachhaltigkeitsziele TOP 14 Angemessene Urheber- und Künstlervergütung TOP 15 Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte TOP 16 Soldatenbeteiligungs- und Personalvertretungsrecht TOP 17 Biosicherheit bei Hochrisikoforschung TOP 22, ZP 5 Menschenrechte in Burundi TOP 19 Geschäftsordnung – Ausschussöffentlichkeit TOP 23 Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels TOP 24 Änderung des Bundesmeldegesetzes TOP 25 Änderung des Völkerstrafgesetzbuches TOP 26 Verordnung zu abschaltbaren Lasten ZP 6 Sicherheit von Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817600000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zu unserer Plenarsitzung .

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich der Kol-
legin Ulla Jelpke zu ihrem heutigen 65 . Geburtstag gra-
tulieren


(Beifall)


sowie noch einmal dem Kollegen Hans-Christian Strö-
bele, der vorgestern seinen 77 . Geburtstag gefeiert hat .


(Beifall)


Alle guten Wünsche des Hauses für das neue Lebensjahr!

Der Kollege Reinhard Grindel und der Kollege Tho-
mas Strobl haben ihre Bundestagsmandate niedergelegt .
Für sie sind die Kollegin Kathrin Rösel und die Kol-
legin Iris Ripsam nachgerückt . Im Namen des Hauses
begrüße ich Sie herzlich und wünsche eine gute Zusam-
menarbeit .


(Beifall)


Wir müssen schließlich ein Mitglied des Stiftungsra-
tes der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
wählen . Die Fraktion Die Linke schlägt vor, als Nach-
folger für den Kollegen Jan Korte den Kollegen Stefan
Liebich als ordentliches Mitglied zu berufen . Können Sie
dem zustimmen? – Das ist offensichtlich der Fall . Dann
ist der Kollege Liebich als ordentliches Mitglied des
Stiftungsrates gewählt .

Schließlich haben wir noch eine Schriftführerwahl
durchzuführen . Die CDU/CSU-Fraktion schlägt vor, für
den Kollegen Florian Oßner die Kollegin Katrin Albst-
eiger als Schriftführerin zu wählen . Sind Sie auch da-
mit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall . Also
können wir so verfahren .

Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tages-
ordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten
Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN:

Unwetter in Deutschland

(siehe 175 . Sitzung)


ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren

(Ergänzung zu TOP 32)


a) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Standortauswahlgeset-
zes
Drucksache 18/8704
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim
Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Sanktionsregelungen für Beförderungsunter-
nehmen, insbesondere Flug- und Schiffsunter-
nehmen, abschaffen
Drucksache 18/8701
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE:

Haltung der Bundesregierung zur Bedrohung
von Bundestagsabgeordneten infolge der Ar-
menien-Debatte






(A) (C)



(B) (D)


ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Reform der Wahl für die obersten Bundesge-
richte

Drucksache 18/7548
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-
Asche, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gewalt in Burundi stoppen – Weitere massive
Menschenrechtsverletzungen verhindern

Drucksachen 18/6883, 18/8738

ZP 6 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung berg-, umweltscha-
dens­ und wasserrechtlicher Vorschriften zur
Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU über
die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erd-
gasaktivitäten

Drucksache 18/8703
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Dabei soll wie immer von der Frist für den Beginn der
Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen werden .

Der Tagesordnungspunkt 8 – hier geht es um Mindest-
qualitätsvorgaben für Internetzugänge – soll abgesetzt
und stattdessen der Antrag auf Drucksache 18/7548 mit
dem Titel „Reform der Wahl für die obersten Bundesge-
richte“ debattiert werden .

Ebenso sollen der Tagesordnungspunkt 18 – hier geht
es um den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arz-
neimittelrechtlicher Vorschriften – und der Tagesord-
nungspunkt 27 – hier geht es um den Antrag zum Thema
„25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag“ – in dieser Woche
abgesetzt werden . Die folgenden Tagesordnungspunkte
der Koalitionsfraktionen rücken jeweils – unter Beibe-
haltung der vorgesehenen Redezeiten – entsprechend auf .

Schließlich sollen die Tagesordnungspunkte 20 – Än-
derung des Umweltstatistikgesetzes und des Hochbau-
statistikgesetzes – und 21 – 39 . Verordnung zur Durch-
führung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – ohne
Debatte zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 33
aufgerufen werden .

Ich mache schließlich noch auf eine nachträgliche
Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktelis-
te aufmerksam:

Der am 3 . Juni 2016 (174 . Sitzung) überwiesene nach-
folgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss
für Recht und Verbraucherschutz (6 . Ausschuss), dem
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

(17 . Ausschuss) und dem Ausschuss für die Angelegen-

heiten der Europäischen Union (21 . Ausschuss) zur Mit-
beratung überwiesen werden:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines In-
tegrationsgesetzes

Drucksache 18/8615
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

Ich frage Sie, ob Sie mit diesen Veränderungen ein-
verstanden sind . – Das ist offensichtlich der Fall . Dann
ist das so beschlossen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider muss ich
noch einmal auf die Armenien-Debatte der vergangenen
Woche zurückkommen, zumal die Morddrohungen und
-aufrufe insbesondere gegen türkischstämmige Kollegin-
nen und Kollegen sich mit unserer Entscheidung über die
Resolution keineswegs erledigt haben, sondern zum Teil
noch heftiger als zuvor fortgesetzt werden . Ich bin daher
von den Vorsitzenden aller Fraktionen gebeten worden,
unsere gemeinsame Position nochmals unmissverständ-
lich zum Ausdruck zu bringen .

Ich bekräftige unsere ganz selbstverständliche Soli-
darität mit allen Kolleginnen und Kollegen, die im Zu-
sammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit bedroht oder
unter Druck gesetzt werden .


(Anhaltender Beifall im ganzen Hause)


Wir stellen uns jeder Kritik, und wir ertragen auch
persönliche Angriffe und Polemik . Doch jeder, der durch
Drohungen Druck auf einzelne Abgeordnete auszuüben
versucht, muss wissen: Er greift das ganze Parlament an .


(Beifall im ganzen Hause)


Wir werden darauf entsprechend reagieren, mit allen
Möglichkeiten, die uns im Rahmen der Gesetze zur Ver-
fügung stehen .

Die zum Teil hasserfüllten Drohungen und Schmä-
hungen sind leider auch durch Äußerungen hochrangiger
türkischer Politiker befördert worden . Dass ein demo-
kratisch gewählter Staatspräsident im 21 . Jahrhundert
seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten
des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren tür-
kischer Abstammung verbindet, ihr Blut als „verdorben“
bezeichnet, hätte ich nicht für möglich gehalten .


(Beifall im ganzen Hause)


Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Und die Verdächtigung von Mitgliedern dieses Parla-
mentes als Sprachrohr von Terroristen weise ich in aller
Form zurück .


(Beifall im ganzen Hause)


Der Dachverband Türkische Gemeinde in Deutschland
hat dies – wie die Morddrohungen gegen Abgeordnete –
zu Recht als abscheulich und absolut deplatziert


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


und der Türkische Bund Berlin-Brandenburg die Reakti-
on auf das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten als
völlig inakzeptabel bezeichnet . Dafür möchte ich mich
ausdrücklich bedanken .


(Beifall im ganzen Hause)


Ich würde mir wünschen, dass auch andere der zum
Teil sehr großen türkischen Organisationen in Deutsch-
land ebenso Partei für die Abgeordneten und unsere De-
mokratie ergreifen,


(Beifall im ganzen Hause)


mit ähnlich klaren und eindeutigen Stellungnahmen, wie
sie bei anderen Gelegenheiten häufig sehr schnell und
sehr lautstark abgegeben werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich rufe nun – –


(Beifall im ganzen Hause)


Ich rufe nun unseren Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zum besseren Informationsaustausch
bei der Bekämpfung des internationalen Ter-
rorismus

Drucksache 18/8702
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss Digitale Agenda

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 77 Minuten vorgesehen . – Dazu besteht
offensichtlich Einvernehmen . Also können wir so verfah-
ren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für
die Bundesregierung dem Bundesinnenminister Thomas
de Maizière .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da
ich nach dem, was Sie, Herr Präsident, gesagt haben,

der erste Redner bin, möchte ich die Gelegenheit nut-
zen, mich – jedenfalls für mich; aber ich denke, auch im
Namen vieler – für Ihre klaren Worte ganz herzlich zu
bedanken .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, der internationale Terro-
rismus wird schon lange nicht mehr nur militärisch vor
Ort oder polizeilich bekämpft . Die Durchführung der
brutalen Anschläge in Paris, in Brüssel oder anderswo
zeigt, dass sich die operative Verantwortung auch auf
kleinere Gruppen verlagert, die vor Ort eigenständig
handeln, aber international vernetzt sind oder im Auftrag
morden . Nur wenn die Sicherheitsbehörden genug über
solche Gruppen und deren Unterstützer wissen, können
sie wirksam gegen sie vorgehen und unsere Bevölkerung
wirksam schützen . Terrorismusbekämpfung ist damit
heute nicht nur eine Frage militärischer Kraft, polizeili-
cher Strafverfolgung, sondern vor allem auch ein Wett-
lauf des Wissens .

Die Festnahme der drei verdächtigen Terroristen in
der vergangenen Woche zeigt, dass wir wachsam bleiben
müssen . Unsere Aufgaben lauten: Radikalisierung ver-
hindern, Netzwerke aufklären – auch international –, Er-
mittlungsverfahren führen, Anschläge verhindern, Straf-
verfolgung ermöglichen . Kein Land der Welt wird diese
Aufgaben alleine meistern können . Sicherheit beginnt
bei uns zu Hause, sie endet dort aber nicht .

Meine Damen und Herren, Deutschland ist im Kampf
gegen den internationalen Terrorismus inzwischen gut
aufgestellt:

Wir haben unser Gemeinsames Terrorabwehrzentrum .
Wir haben die Zusammenarbeit der Verfassungsschutz-
behörden von Bund und Ländern verbessert . Wir haben
endlich die Vorratsdatenspeicherung eingeführt .


(Zurufe des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Im Bundesamt für Verfassungsschutz wurde die Orga-
nisation neu geordnet, und wichtige nachrichtendienst-
liche Befugnisse, die sonst ausgelaufen wären, wurden
verlängert . Wir haben für Klarheit beim Einsatz von
V-Leuten gesorgt .

Wir haben neue Straftatbestände wie das Reisen in ter-
roristischer Absicht und die Terrorismusfinanzierung ge-
schaffen . Das ermöglicht neue Ermittlungsansätze . Wir
entziehen Personalausweise und Pässe und erschweren
dadurch Reisen von Verdächtigen in Kriegsgebiete wie
Syrien und den Irak .

Mit dem Haushalt 2015 haben wir das Bundeskrimi-
nalamt und mit dem Haushalt 2016 die Bundespolizei
erheblich gestärkt . Robuste Einheiten der Bundespolizei
neben der GSG 9 werden aufgestellt . Ich bin zuversicht-
lich, dass auch die Planungen für den Haushalt 2017 mit
guten Nachrichten für mehr Sicherheit in Deutschland
abgeschlossen werden können .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Die Aufgaben beginnen bei uns, aber sie gehen in Eu-
ropa und mit unseren internationalen Partnern weiter . In
Europa, meine Damen und Herren, ist in den letzten Mo-
naten im Kampf gegen den Terrorismus mehr entschie-
den und vorangebracht worden als in den letzten Jahren .
Auch dafür nenne ich einige Beispiele:

Das Smart-Border-System in der EU wird kommen –
eine deutsche Initiative . Das bedeutet: Wir wollen Per-
sonen, die in den Schengen-Raum ein- und aus diesem
wieder ausreisen, besser erfassen und registrieren . Die
Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch .

Wir haben dafür gesorgt, dass Grenzübertritte soge-
nannter ausländischer Kämpfer im Schengener Informa-
tionssystem besser erkannt und verhindert werden kön-
nen .

Die europäische Fluggastdatenrichtlinie PNR kommt .
Das bedeutet, Fluggastdaten werden von den Fluggesell-
schaften an die jeweiligen nationalen Stellen übermittelt,
damit man Reisebewegungen von Verdächtigen besser
aufklären kann .

Europol hat mit dem Europäischen Zentrum für Ter-
rorismusbekämpfung unter deutscher Mitwirkung eine
neue Zentrale für den Informationsaustausch geschaffen .

Das Registrierungssystem Eurodac wird unter Si-
cherheitsgesichtspunkten verbessert . Es soll nun auch
Auskunft über die Namen der Flüchtlinge geben . Bisher
werden dort nur Fingerabdrücke gespeichert, die keinen
Bezug zu Namen haben .

Auch außerhalb von Sicherheitsbehörden und euro-
päischen Partnerschaften haben wir unsere Aktivitäten
nochmals verstärkt; denn Sicherheit ist auch eine Fra-
ge von Prävention und politischer Bildung: Bund und
Länder arbeiten massiv daran, dass Menschen gar nicht
erst in den Extremismus abdriften – in den Beratungs-
stellen und mit den Familien der betroffenen, oft jungen
Menschen zusammen . Die Bundeszentrale für politische
Bildung erarbeitet neue Angebote, um junge Menschen
zu erreichen, die anfällig sind für extremistisches Gedan-
kengut . Wir drängen die großen Internetgesellschaften
dazu, Hassbotschaften, Aufrufe zu Gewalt und Terror,
Bombenbauanleitungen aus dem Netz zu entfernen .

All das führt dazu, dass wir national und europäisch
inzwischen recht gut aufgestellt sind . Deswegen und weil
es oft Kritik gibt – zum Teil auch berechtigte Kritik –,
will ich mich an dieser Stelle auch heute noch einmal
bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Si-
cherheitsbehörden, in den Beratungsstellen, in den Schu-
len, in der politischen Bildung, bei den Polizeibeamtin-
nen und Polizeibeamten von Bund und Ländern für ihre
Arbeit für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland herzlich bedanken .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist also viel geschehen, und das ist gut so . Den-
noch haben wir uns trotz all dieser Maßnahmen, die wir
umgesetzt oder auf den Weg gebracht haben, gefragt:
Was müssen und können wir darüber hinaus noch tun,

um unsere Bevölkerung besser zu schützen? Wo sehen
wir noch Sicherheitslücken? Wie können wir die Sicher-
heitsbehörden bei ihrer immer komplizierter werdenden
Aufgabe noch besser unterstützen? Der heute in erster
Lesung verhandelte Gesetzentwurf ist ein Ergebnis die-
ser Überlegungen . Er hat drei wesentliche Bestandteile .

Der erste ist: Terroristen agieren international . Sie be-
reiten Anschläge länder- und staatenübergreifend vor . Sie
kommunizieren über Staatsgrenzen hinweg . Wenn Ter-
roristen sich international vernetzen, dann müssen sich
auch Sicherheitsbehörden international vernetzen . So
einfach ist das . In Europa brauchen wir eine Sicherheits-
union, und außerhalb Europas brauchen wir Sicherheits-
partnerschaften . All das fängt mit dem Austausch von
Erkenntnissen zwischen den Sicherheitsbehörden und
auch zwischen den Nachrichtendiensten an . Wir wollen
gemeinsame europäische Dateien schaffen, in die Perso-
nen aufgenommen werden, die an Terrororganisationen
beteiligt sind . Die europäischen Nachrichtendienste sol-
len ihre Erkenntnisse auf diese Weise teilen und noch en-
ger zusammenarbeiten .

Nun ist es so: Wenn man hier als Erster spricht, dann
kann man nicht richtig debattieren, weil die Gegenargu-
mente erst noch kommen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Dann tauschen wir das nächste Mal!)


Aber da ich ahne, dass ein bestimmtes Gegenargument
vonseiten der Grünen kommt, will ich versuchen, es vor-
weg aufzugreifen und es hoffentlich zu widerlegen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist sehr freundlich!)


– Ja, das ist sehr freundlich, Herr von Notz . – Ein Ar-
gument gegen diesen Gesetzentwurf wird vermutlich
lauten: Er ist uferlos, betrifft nicht nur Terroristen, er ist
zwar im Ansatz richtig, aber viel zu weitreichend . – So
ähnlich ist es typischerweise doch, oder?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Mann hat recht!)


Deswegen will ich Ihnen den Gesetzestext vorlesen,
damit das ganz klar ist .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ihn gelesen!)


Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann für die
Zusammenarbeit mit ausländischen öffentlichen
Stellen . . .

– also ausländischen Nachrichtendiensten; jetzt kommt
es –

zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten,
die sich auf bestimmte Ereignisse oder Personen-
kreise beziehen, gemeinsame Dateien einrichten,
wenn . . . die Erforschung von erheblichem Sicher-
heitsinteresse für die Bundesrepublik Deutschland
und den jeweils teilnehmenden Staat ist . . .

Bundesminister Dr. Thomas de Maizière






(A) (C)



(B) (D)


Das bezieht sich auf bestimmte Ereignisse und Personen-
kreise und auf erhebliche Sicherheitsinteressen . Das ist
nicht uferlos . Das ist notwendig, geboten und sinnvoll .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817600100

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kol-

legen von Notz zu?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Ja, gern .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man damit anfängt! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann man debattieren!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr de Maizière, vielleicht können Sie, wenn Sie das
schon so antizipieren, abschließend kurz ausführen, was
denn für Gründe, gemäß denen Dateien angelegt und Da-
ten ausgetauscht werden können, ausreichend sind . Es
steht zwar „Terror“ darüber, aber ich glaube, wir sind uns
einig, dass es nicht nur um Terror geht . Vielleicht können
Sie abschließend aufzählen, worum es gehen kann und
was diese Sicherheitsbereiche umfasst, die Sie eben an-
gesprochen haben .

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Sehen Sie, ein Gesetz wird immer so formuliert, dass
man in abstrakter Form Tatbestandsvoraussetzungen – so
nennen wir Juristen das – bestimmt . Dann muss in der
Gesetzesanwendung eine Subsumption stattfinden, also
eine Erläuterung, welche Sachverhalte unter die Begriffe
passen, in diesem Falle: „Bestrebungen oder Tätigkeiten,
die sich auf bestimmte Ereignisse oder Personenkreise
beziehen“ . Das umfasst also nicht das allgemeine Spekt-
rum der Zuständigkeit des Bundesamts für Verfassungs-
schutz,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Ufer?)


sondern betrifft nur bestimmte Ereignisse oder Perso-
nenkreise, also eine abgegrenzte Zahl von Personen
oder Sachverhalten, zum Beispiel so etwas wie dschiha-
distische Bewegung in Deutschland . Dann muss das
Ganze auch von erheblichem Sicherheitsinteresse sein .
So schlimm Ladendiebstahl ist: Die Erforschung von
Bestrebungen oder Tätigkeiten zur besseren Bekämp-
fung von Ladendiebstählen betrifft nicht das erhebliche
Sicherheitsinteresse von Deutschland; somit gibt es da
auch keine gemeinsamen Dateien . – Also stecken Sie
einmal Ihre Kritik weg, und überlegen Sie einmal, ob das
nicht eine klug formulierte Passage ist .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, es kommt hinzu, dass Vo-
raussetzung für die Teilnahme an dieser gemeinsamen
Datei die Gewährleistung gemeinsamer Standards ist,
zum Beispiel beim Datenschutz und bei der Erhaltung
rechtsstaatlicher Prinzipien .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wissen ist Macht .
Und wir wollen den Terroristen in diesem Sinne macht-
voll begegnen . Dafür müssen wir in Europa und mit un-
seren europäischen und internationalen Partnern noch
enger zusammenarbeiten . Dafür brauchen wir gemeinsa-
me Informationen .

Der zweite Punkt: Wir wollen die verschleierte Nut-
zung von sogenannten Prepaidkarten in kriminellen und
terroristischen Strukturen verhindern . Die Regeln des
Telekommunikationsgesetzes erlauben den Sicherheits-
behörden bereits jetzt – bei Verdacht auf Straftaten oder
zur Gefahrenabwehr – Daten über den Urheber eines
Anschlusses abzurufen – sogenannte Bestandsdaten .
Beim Abruf der Daten stellt sich aber oft heraus, dass
die Anschlussinhaber nur mit Fantasienamen – zum Bei-
spiel Donald Duck – erfasst sind. Obwohl die Pflicht zur
Identitätsfeststellung geltendes Recht ist, akzeptieren die
entsprechenden Unternehmen oft diese Fantasienamen
und machen so Strafverfolgung unmöglich . Das wollen
wir beenden . Diese Sicherheitslücke muss geschlossen
werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sehen vor, dass wir im nächsten halben Jahr mit
den Anbietern ein technikoffenes Verfahren und ein für
die Kunden praktikables Verfahren für diese Identitäts-
feststellung entwickeln . Es wird außerdem eine Über-
gangsfrist geben . Wir wahren damit das Interesse der
Kunden und Unternehmen an einer einfachen Anschaf-
fung eines Mobiltelefons; aber es muss auch möglich
sein, zu ermitteln, wem ein Telefonanschluss gehört .
Das ist nicht zu viel verlangt . Das ist ein vernünftiger
Ausgleich, und er bringt einen spürbaren Nutzen für die
Ermittlungen der Sicherheitsbehörden . Bequemlichkeit
ist nicht alles im Leben, wenn es um die Sicherheit der
Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland geht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mein dritter und letzter Punkt: Jede Landespolizei
kann im Rahmen der landesgesetzlichen Befugnisse
verdeckte Ermittler einsetzen – nicht V-Leute, sondern
verdeckte Ermittler . Das sind Beamte, die zum Teil unter
Lebensgefahr in schwierige kriminelle Netzwerke ein-
dringen, um Straftaten zu verhüten und Strafverfolgung
zu ermöglichen . Auch das Bundeskriminalamt kann sol-
che verdeckten Ermittler einsetzen . Nur die Bundespo-
lizei konnte das bisher nicht . Mit diesem Gesetz ermög-
lichen wir jetzt auch der Bundespolizei, insbesondere
in internationale Schleuserorganisationen, Schlepperor-
ganisationen einzudringen, um so diese besonders ab-
scheuliche Form von Kriminalität besser bekämpfen zu

Bundesminister Dr. Thomas de Maizière






(A) (C)



(B) (D)


können . Ich denke, wenigstens das müsste bei allen Zu-
stimmung finden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, der Entwurf, den wir heute
beraten, ist ein Entwurf mit Augenmaß, der den inter-
nationalen Informationsaustausch und die gemeinsame
Analysefähigkeit stärkt, der die Qualität der Telekommu-
nikationsbestandsdaten verbessert und der Bundespolizei
eine zentrale Aufklärungsmöglichkeit einräumt, wie sie
nahezu alle anderen Polizeien in Deutschland haben .

Europa und Deutschland sind durch den internationa-
len Terrorismus bedroht . Das ist Ernst und kein Anlass
für parteipolitische Spielchen, kein Anlass für Panikma-
che, kein Anlass für Aktionismus, aber auch kein Anlass
für Verharmlosungen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt keine Garantie, in Deutschland von einem gro-
ßen Terroranschlag verschont zu werden, aber es gibt den
Auftrag an uns alle, dass uns Mögliche zu tun, damit es
dazu möglichst nicht kommt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817600200

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile,

möchte ich Sie davon unterrichten, dass die Fraktion Die
Linke nach meinen einleitenden Bemerkungen ihren An-
trag auf eine Aktuelle Stunde zum Thema „Bedrohung
von Abgeordneten infolge der Armenien-Debatte“ zu-
rückgezogen hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Der Kollege Frank Tempel hat jetzt für die Fraktion
Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817600300

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrten Damen

und Herren! Bei den Anschlägen von Paris und Brüssel
ist uns noch einmal sehr bitter die Gefahr von Terror-
anschlägen vor Augen geführt worden . In diesen Fällen
waren es Anschläge vonseiten radikaler Islamisten . Wir
wissen aber auch, dass ebenso die Gefahr rechtsextremis-
tisch motivierter Terroranschläge besteht . Für uns erge-
ben sich daraus zwei klare Aufgabenstellungen .

Erstens . Wir müssen alles daransetzen, dass geplante
Terroranschläge nicht stattfinden können. Wir müssen sie
verhindern .

Zweitens . Wir müssen die Ursachen des Terrorismus
thematisieren und wirkungsvolle zivile Prävention dage-
gensetzen .


(Beifall bei der LINKEN)


Zur Prävention und zur Ursachenbekämpfung höre ich
relativ selten etwas von Ihnen, Herr Innenminister . Das
haben Sie aber heute getan, und das, was Sie dazu in Ih-
rer Rede gesagt haben, möchte ich ausdrücklich unter-
streichen .

Aber gucken wir einmal, was in Ihrem Gesetzentwurf
steht. Da finden wir Regelungen mit erheblichen Mög-
lichkeiten zu Grundrechtseingriffen für Geheimdienste
und Polizei, eine üppige personelle und materielle Auf-
rüstung des Bundesamts für Verfassungsschutz . Und:
Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten
wird wie mit dem BKA-Gesetz weiter ausgehöhlt . Da ist
die Frage: Ist dieses Gesetz wirklich geeignet, mehr Si-
cherheit gegen terroristische Anschläge zu bringen?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja!)


Ich behaupte, dass es das nicht ist, und werde das anhand
von drei Beispielen belegen .

Erstes Beispiel: die Schaffung einer gemeinsamen
Datei des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit aus-
ländischen Nachrichtendiensten . Ich darf erinnern: Es
gab bisher eine Kommunikation mit ausländischen Ge-
heimdiensten . Wir bekamen auch immer wieder Terror-
warnungen, die sich aber weitestgehend als Fehlinfor-
mationen oder als unüberprüfbar herausgestellt haben .
Jetzt wollen Sie, wenn wir das richtig verstanden haben,
diesen Zustand sogar noch verstetigen und den Heuhau-
fen, in dem Sie stochern, deutlich höher stapeln . Dafür
brauchen Sie 5,8 Millionen Euro und 27 dauerhafte Plan-
stellen . Das ist nicht schlecht . Auf diese Art tauschen Sie
dann anlasslos Daten von Zehntausenden Bürgern . Zulie-
ferung von Geheimdiensten aus autoritären und diktato-
rischen Staaten nehmen Sie dabei auch in Kauf .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nein! Das ist doch ausgeschlossen! Das steht doch gar nicht im Gesetz! – Uli Grötsch [SPD]: Steht doch gar nicht im Gesetz drin! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stimmt doch nicht!)


Dann gibt es noch den Datenringtausch unter den be-
freundeten Geheimdiensten, Herr Binninger . Die betei-
ligten Geheimdienste haben damit Zugriff auf Daten, die
sie nach nationaler Gesetzgebung gar nicht erheben dür-
fen, und das alles wieder einmal unter dem Deckmantel
der Terrorbekämpfung .

Da müssen wir Sie fragen: Ist das etwa Ihre Konse-
quenz aus den Skandalen um NSU und NSA? Ist das
etwa Ihre Konsequenz aus dem jüngsten Versagen der Si-
cherheitsbehörden? Mehr Geld und Beschäftigte für den
Verfassungsschutz und dafür dann erneut weniger Daten-
schutz? Ein Sicherheitsgewinn wird von der Linken hier
jedenfalls deutlich bezweifelt .


(Beifall bei der LINKEN)


Zweites Beispiel: Sie wollen die umfassende Erfas-
sung und Prüfung für Identitätsdaten der Nutzer von
Prepaidkarten bzw . -telefonen . Das heißt, der normale
Bürger soll sich dem Zugriff des Staates auf seine Kom-
munikationsdaten nicht entziehen können . Ich darf Sie

Bundesminister Dr. Thomas de Maizière






(A) (C)



(B) (D)


erinnern: Personen mit Anschlagsabsichten können ohne
größeren Aufwand den Weg über Drittpersonen oder das
Ausland wählen . Das ist überhaupt nicht schwer . Unse-
re prinzipielle Kritik an der Vorratsdatenspeicherung gilt
also auch dieser Maßnahme . Es ist Massenüberwachung,


(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Überwachung!)


ohne dass ein dem Verhältnismäßigkeitsgebot entspre-
chender Effekt für die Strafverfolgung erkennbar ist .

Meine Damen und Herren, statt die Lehren aus den
Untersuchungsausschüssen des Bundestages zu ziehen,
werden diesem Nachrichtendienst reflexartig immer wei-
tere Kompetenzen und Budgetmittel zulasten der Bür-
ger und der Steuerzahler gewährt. Seit dem Auffliegen
des NSU im Jahr 2011 wurde der Haushalt des Bundes-
amts für Verfassungsschutz von 187 Millionen Euro auf
261 Millionen Euro aufgestockt . 470 Personalstellen gab
es allein in diesem Jahr zusätzlich im Verfassungsschutz-
verbund . Wieso soll jemand annehmen, dass das Bun-
desamt für Verfassungsschutz bei der Bekämpfung von
islamistischem Terror erfolgreicher agiert als bei rechts-
radikalem Terror?

Ein dritter wesentlicher Punkt in Ihrem Gesetzentwurf
ist der Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Poli-
zei . Also, die Bundespolizei soll nun ebenfalls, weil alle
anderen Polizeien das auch dürfen, verdeckte Ermittler
einsetzen, die auch noch aus Eigenschutzgründen ihre
Umgebung technisch abhören können . Als Einsatzbei-
spiel haben Sie auch heute die Schleusung von Flücht-
lingen genannt . Mal ganz abgesehen davon, dass bisher
bekanntgewordene Terroristen in Europa aufgewachsen
sind und sich nur vereinzelt als Flüchtlinge getarnt ha-
ben, ist deren Enttarnung durch verdeckte Ermittler fach-
lich mehr als zweifelhaft . Der Terrorbekämpfung nutzt
diese Maßnahme nach aller Wahrscheinlichkeit jeden-
falls nicht .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, im Namen meiner Frakti-
on darf ich Sie noch einmal mahnen: Es gilt Demokratie
für alle . Sie muss gestärkt und darf nicht bei jeder Gele-
genheit durch den Abbau von Bürgerrechten geschwächt
werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Ihr Schwerpunkt liegt erneut bei der Stärkung der Ge-
heimdienste . Die Linke bleibt dabei: Geheimdienste sind
Fremdkörper der Demokratie, da sie qua Amt zu Des-
information und Unkontrollierbarkeit neigen . Deshalb
gehören sie abgeschafft .


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt, Herr Minister, nachdem wir uns damit beschäf-
tigt haben, was wir an Ihrem Gesetzentwurf nicht gut
finden, nenne ich Ihnen drei Beispiele, die unserer Mei-
nung nach mehr Sicherheit bringen können, wenn – statt
Grundrechte zu beschneiden – Gelder an der richtigen
Stelle eingesetzt werden .

Ich habe hier ja schon häufig etwas zum Personaldefizit
bei der Bundespolizei gesagt . Ich kann es auch heute nur

gebetsmühlenartig wiederholen: Machen Sie dringend
eine Aufgabenkritik, und entlasten Sie die Polizei! Auf-
wendiges Anzeigenschreiben bei Cannabiskonsumenten,
bei „illegal“ eingereisten Flüchtlingen, bei Schwarzfah-
rern, bei einfachen Ladendieben bindet gewaltige Res-
sourcen bei der Polizei . Das ist durchaus auch anders zu
lösen. Weiter muss man dann natürlich definieren, wie
viele Stellen zusätzlich geschaffen werden müssen, da-
mit die Polizei ihren originären Aufgaben, also auch der
Gefahrenabwehr, tatsächlich nachkommen kann .

Jeder Polizist vor Ort – auf der Straße und gerade bei
Menschenansammlungen – ist eine wirkungsvolle An-
titerrormaßnahme . Noch wirkungsvoller ist er, wenn er
gut ausgebildet ist und durch Schulungen in die Lage
versetzt ist, frühzeitig spezifische Verhaltensweisen von
Terroristen zu erkennen und zu identifizieren. Im Nach-
hinein anhand von Videoaufzeichnungen drei Personen
mit großen Koffern und auffälligen Handschuhen zu er-
kennen, ist zumindest für diesen Terroranschlag zu spät .
Wir brauchen geschulte Polizeibeamte, denen so etwas
rechtzeitig auffällt und die Maßnahmen ergreifen kön-
nen, bevor ein Anschlag stattfindet,


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


wohlgemerkt Polizeibeamte, die regelmäßig abgelöst
werden können, also Pausen bekommen und konzentriert
bleiben, und die eine vernünftige Ausrüstung, insbeson-
dere eine gute Sicherheitsausrüstung, haben . Das heißt,
wir brauchen hier Personal, das gut ausgestattet ist .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie reden viel über Kommunikation, Herr Innenmi-
nister . Kommunikation kann tatsächlich sehr entschei-
dend sein; das ist richtig . Aber dafür brauchen wir nicht
noch mehr Daten und noch mehr Befugnisse, sondern
effiziente Kommunikationsschnittstellen und eine ver-
nünftige, kompatible IT . Ich darf erinnern: 2,3 Millionen
Euro hat das Bundeskriminalamt für eine gemeinsame
Ermittlungsdatei von BKA und Landeskriminalämtern
ausgegeben . Zweck sind Ermittlungen im Bereich des
Terrorismus . Aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage
dazu geht hervor: Seit 2011 wurde diese Datei ein Mal
genutzt . Ein Mal!

Schnittstellen zu den EDV-Strukturen der Landes-
kriminalämter bestehen nicht . Dort müssen Daten über
eigene Terminals eingegeben werden . Es existiert keine
gemeinsame IT-Infrastruktur für den Fall eines terroris-
tischen Anschlags oder eines anderen großen Unglücks .
Daten zwischen Bundeskriminalamt und Landeskrimi-
nalämtern müssen noch heute per Fax oder Mail ausge-
tauscht werden . Das kostet einfach Zeit und birgt Rei-
bungsverluste . Da sind Hausaufgaben zu machen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Während Nachrichtendienste immer mehr Befugnisse
und Infrastruktur für den Datenaustausch weit im Vorfeld
erhalten, sind unsere Polizeibehörden von einer moder-
nen Infrastruktur weit entfernt . Tatsächliche Informati-
onen, Hinweise und Sachverhalte müssen über schnelle

Frank Tempel






(A) (C)



(B) (D)


und effiziente Informationswege ohne Reibungsverluste
an die notwendigen Adressaten bei der Polizei kommen,
damit diese auch agieren kann . Die Linke ist ganz klar
kein Freund großer Datensammlungen zum Selbstzweck .
Aber da, wo der Zugriff für polizeiliche Handlungen er-
forderlich ist, sind wir dafür, dass die moderne Technik
genutzt wird, um die Daten schnell an die notwendigen
Stellen zu übermitteln .

Mein dritter Punkt – ich weiß, dass er bis zum Beginn
der Fußballeuropameisterschaft keine Wirkung mehr ent-
falten wird, aber das Thema Terrorbekämpfung wird im
Juli nicht verschwinden –: Was müssen wir aus Paris und
Brüssel lernen? Datensammlungswut und Absenkung
bürgerrechtlicher Standards haben dort kein Mehr an Si-
cherheit gebracht .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Allerdings hat das fast vollständige Versagen der Präven-
tionsarbeit in ganzen Stadtteilen der Radikalisierung zu-
meist Jugendlicher den Boden bereitet . Prävention kann
den Terror nicht verhindern – das wissen wir –, wohl aber
den Nährboden sehr deutlich reduzieren .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In Sachen langfristiger und nachhaltiger Terrorbekämp-
fung ist Prävention mit Abstand die wirkungsvollste
Maßnahme . Ich weiß, dass wir dafür Programme haben .
Aber gerade die zivilen Deradikalisierungsprogramme
sind bisher absolut unzureichend, setzen deutlich zu spät
an und sind letztendlich in ihrer Quantität ein Tropfen auf
den heißen Stein .

Wenn ich zusammenfassen darf: Es gibt Handlungs-
spielräume, um besser auf die Gefahr von Terroranschlä-
gen vorbereitet zu sein . Aber Ihre Vorschläge, Herr Mi-
nister, haben zumindest mit Terrorbekämpfung und mehr
Sicherheit für den Bürger nichts zu tun . Damit sind Sie
nach unserer Auffassung Ihrer Verpflichtung als Innen-
minister erneut nicht nachgekommen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817600400

Uli Grötsch ist der nächste Redner für die SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Uli Grötsch (SPD):
Rede ID: ID1817600500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Kollege Tempel, der Gesetzentwurf, der heute
zur ersten Beratung ansteht, ist kein Selbstzweck . Das
Letzte, was man dieser Koalition im innenpolitischen
Bereich vorwerfen kann, ist, dass wir die Bundespo-
lizei nicht konsolidieren . Wir schaffen in den nächsten
Jahren 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei .
1 000 Stellen pro Jahr! Das ist die maximale Anzahl an

neu einzustellenden und auszubildenden Bewerbern, die
die Bundespolizei überhaupt schaffen kann .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fällt Ihnen aber spät ein!)


Das trägt in einem enormen Maß zur Entlastung der
Bundespolizei bei . Dabei nenne ich noch nicht einmal
die Verbesserung der Sachausstattung, die wir darüber
hinaus bei der Bundespolizei vornehmen . Was den innen-
politischen Bereich betrifft, so ist uns in dieser Koalition
die Bundespolizei ein zentrales Anliegen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es geht bei diesem Gesetz auch nicht um das Daten-
sammeln; es geht um den Datenaustausch . Es geht um
die Optimierung der Verwendung der Daten und nicht
darum, noch zusätzlich Daten zu sammeln; denn wäh-
rend wir hier reden, während wir hier debattieren, nutzen
Terroristen ohne Frage soziale Medien und alle anderen
Kommunikationswege, um Geld, Unterstützung und
Anhänger zu gewinnen und um Anschläge zu planen .
300 Syrien-Rückkehrer alleine in Deutschland, Tendenz
leider steigend .

Dieser Gesetzentwurf, der hier zur ersten Beratung
steht, ist eine unserer vielen guten Maßnahmen als Ant-
wort auf diese Bedrohungslage . Wesentlicher Bestandteil
des Gesetzespaketes ist es, dass wir eine Rechtsgrund-
lage schaffen . Wir haben schon eine Menge aus den
Snowden-Enthüllungen gelernt . Wir schaffen einen kla-
ren rechtlichen Rahmen dafür, dass unsere Nachrichten-
dienste mit ausländischen Partnerdiensten gemeinsame
Dateien errichten können und damit wichtige Informa-
tionen über Terroristen austauschen – nicht sammeln –
können .

Es ist eigentlich kaum vorstellbar: Während Terroris-
ten perfekt vernetzt sind, sind es die Nachrichtendienste
eben nicht . Das werden wir mit diesem Gesetz ändern .
Wir werden den Diensten somit ein zentrales Instrument
im Kampf gegen den internationalen Terrorismus an die
Hand geben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Weil schon Horrorszenarien kursieren: Wir wollen
doch keine Informationen mit Ländern wie etwa Syrien,
Nordkorea oder ähnlichen Staaten austauschen . Hier geht
es um den Austausch mit den europäischen Nachbarn
und um den Austausch mit NATO-Partnern .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da eben so nicht drin!)


– Ich komme gleich noch darauf zu sprechen . – Es geht
darum, Anschläge wie in Paris und Brüssel zu verhindern
und um nichts anderes .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Machen wir uns nichts vor: Wir sind nach wie vor oder
vielleicht sogar so sehr wie noch nie im Fadenkreuz von
Terroristen . Erst letzte Woche ist es den Sicherheitsbehör-
den wieder gelungen, eine Terrorzelle, die in Düsseldorf
ein Blutbad mit möglichst vielen Opfern plante, durch
Festnahmen in drei Bundesländern auszuheben . Auch in

Frank Tempel






(A) (C)



(B) (D)


diesem Fall war der Austausch zwischen Deutschland
und Frankreich ein elementar wichtiger Aspekt, um zum
Erfolg kommen zu können . Das zeigt: Unsere Sicherheit
in Deutschland ist in den besten Händen .

Auch ich schließe mich dem Dank an diejenigen an,
die jeden Tag dafür sorgen, dass wir uns in Deutschland
so sicher fühlen können, wie das der Fall ist .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Auch denen danke ich – lassen Sie mich das noch dazu
sagen –, die richtigerweise im präventiven Bereich alles
für unsere Sicherheit tun . Das sind nicht die, die immer
im Rampenlicht stehen, das sind auch nicht die, über die
in den Medien groß berichtet wird, sondern das sind die-
jenigen, die in diesem Bereich eine unschätzbar wichtige
Arbeit leisten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die derzeitige Situation zeigt uns aber auch: Alles,
was diese Koalition in den letzten Monaten zur Ertüch-
tigung unserer Sicherheits- und Ermittlungsbehörden
gemacht hat, besteht den Praxistest . Dass sich unsere
Maßnahmen bewähren, ist Fakt . Das heißt aber natürlich
nicht, dass wir für alle Zeiten in Deutschland einen An-
schlag ausschließen können . Hundertprozentige Sicher-
heit gibt es nicht, nirgends auf der Welt; aber es ist unser
Bestreben und wir sind auf einem wirklich guten Weg,
das Maximale dafür zu tun, dass sich die Menschen auch
in Deutschland in Zukunft sicher fühlen können .

Sicherlich ist jede Befugniserweiterung für unsere Si-
cherheitsbehörden immer eine Gratwanderung: Freiheit
auf der einen und Sicherheit auf der anderen Seite . Das
eine schließt aber das andere nicht aus, wenn bei den
Befugniserweiterungen mit Augenmaß agiert wird . Wir
werden im Fortgang dieses Gesetzgebungsverfahrens da-
rauf achten, dass auch bei diesem Gesetz mit sehr viel
Augenmaß vorgegangen wird .

Vieles halte ich schon in diesem Entwurf für umge-
setzt . Das Bundesamt für Verfassungsschutz etwa darf
zum Beispiel erst dann eine gemeinsame Datei mit einem
ausländischen Nachrichtendienst einrichten, wenn das
Bundesministerium des Innern zugestimmt hat . Bei Län-
dern, die nicht in der EU sind und die nicht NATO-Mit-
glied sind, muss der Bundesinnenminister persönlich zu-
stimmen . Das heißt, der politisch Verantwortliche, also
der Innenminister, ordnet die Einrichtung einer solchen
Datei an und nicht etwa das Bundesamt für Verfassungs-
schutz in Eigenregie . Ich glaube, das ist auch gut so .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Weiter noch: Der teilnehmende Staat, mit dem das Bun-
desamt für Verfassungsschutz eine gemeinsame Datei
errichtet, muss rechtsstaatliche Prinzipien gewährleis-
ten, und es gelten nach diesem Gesetz unsere deutschen
Datenschutzbestimmungen bei der Datenweitergabe und
nichts anderes .

Wir haben in diesem Gesetz solche und weitere Vor-
kehrungen getroffen, weil wir natürlich keineswegs

blauäugig sind . Wir wissen, dass man vielleicht sogar
innerhalb Europas bei dem einen oder anderen Land, bei
dem einen oder anderen Nachrichtendienst etwas genau-
er hinschauen muss . Ebendeshalb haben wir diese Rege-
lung ins Gesetz aufgenommen .

Aber ich sage Ihnen auch ganz klar: Wer glaubt, dass
es zur intensiven Zusammenarbeit mit europäischen
Partnerdiensten oder mit den Partnerdiensten der NA-
TO-Staaten eine Alternative gibt, der hat die Zeichen der
Zeit nicht erkannt .


(Beifall der Abg . Gabriele Fograscher [SPD] – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt auch niemand, den ich kenne!)


Vorrangig geht es bei den gemeinsamen Dateien um die
Beobachtung und die Aufklärung von dschihadistischen
Strukturen und Netzwerken, die eben staatsübergreifend
agieren und dynamisch sind .

Um noch ein Beispiel zu nennen: Wir wollen auch
Cyberangriffen wirksam entgegentreten . Ein Cyberan-
griff auf unsere kritischen Infrastrukturen, etwa auf unse-
re Wasserversorgung oder auf unsere Stromversorgung,
kann mindestens genauso verheerend sein wie ein realer
Terrorangriff . Damit wir entsprechende Bestrebungen
aufklären und abwehren können, haben wir auch für die-
se und ähnliche Fälle die Errichtung gemeinsamer Datei-
en ermöglicht .

In diesem Gesetzentwurf wollen wir aber auch weitere
Sicherheitslücken in der Terrorismusbekämpfung schlie-
ßen, die sich seit einiger Zeit aufgetan haben . Künftig
verpflichten wir etwa die Anbieter von Telekommuni-
kationsdiensten, die Identität von Kunden mittels Licht-
bildausweis beim Kauf einer Prepaidkarte zu überprüfen .
Eigentlich ist das – das war bei uns im Land auch schon
einmal der Fall – eine Selbstverständlichkeit . Das ist es
in diesen Tagen nicht mehr, und deshalb schließen wir
auch diese Lücke . Ich weiß wohl, dass das auch mit Auf-
wand für die Wirtschaft verbunden ist . Aber ich denke,
die Sache ist es wert . Sie ist es wert, dass auch die Tele-
kommunikationsunternehmen ihren Beitrag zur Sicher-
heit in diesem Land leisten .

Aber ein Problem bleibt natürlich: Wer eine anonyme
Prepaidkarte haben will, der kauft sie sich etwa in Ös-
terreich oder in den Niederlanden . Deshalb wollen wir
hier praktisch mit gutem Beispiel vorangehen . Aber der
zweite und wichtigere Schritt des Bundesinnenministers
ist es jetzt, auch die anderen EU-Staaten von einer euro-
päischen Regelung zu überzeugen, weil uns das Ganze
sonst nur in sehr beschränktem Ausmaß etwas nützt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Ergän-
zung, an die wir mit Besonnenheit und Augenmaß he-
rangehen, betrifft die gemeinsamen Projektdateien von
Polizeien und Nachrichtendiensten in Deutschland . De-
ren Zusammenarbeit und Informationsaustausch bei der
Terrorbekämpfung ist unverzichtbar . Ich glaube, darauf
muss man in diesem Haus nicht extra eingehen . Dass wir
nun die Höchstdauer einer gemeinsamen Projektdatei um
ein Jahr auf dann fünf Jahre erweitern, zeigt auch, dass
wir in diesem Bereich mit sehr viel Augenmaß vorgehen .

Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


Ein Satz noch zum Thema „verdeckte Ermittler bei
der Bundespolizei“ . Ich bin schon der Meinung, lieber
Kollege Tempel, dass illegale Migration – zumindest in
diesen Tagen, eigentlich aber schon immer – mit all ih-
ren abscheulichen Erscheinungsformen eine der schreck-
lichsten, zugleich aber leider auch lukrativsten Formen
der organisierten Kriminalität ist . Wir tun gut daran, die
Bundespolizei dagegen handlungsfähig zu machen .

Ich komme zum Schluss . Wir werden diesen Gesetz-
entwurf natürlich im weiteren Fortgang auch mit Exper-
ten in einer Anhörung beraten; noch vor der Sommer-
pause wollen wir ihn verabschieden . Das ist ein straffer
Zeitplan – ja –; aber ich glaube, das ist machbar . Der
enormen Bedeutung der Sache würde eine schnelle Ver-
abschiedung jedenfalls gerecht werden . Deshalb bitte ich
Sie bereits jetzt sehr herzlich um Ihre Unterstützung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817600600

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Mihalic das Wort .


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817600700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Wir alle sind uns darüber einig, dass die
aktuelle Sicherheitslage äußerst angespannt ist und dass
wir natürlich alles Rechtsstaatliche tun müssen, um die
Bürgerinnen und Bürger vor Terroranschlägen zu schüt-
zen . Genau deshalb brauchen wir eines nicht: mit der
heißen Nadel gestrickte Gesetzespakete, wie sie uns hier
turnusmäßig vorgelegt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Diese Hektik geben Sie dann auch noch ins parlamen-
tarische Verfahren weiter . Vielleicht sollen wir hier im
Parlament ja schon froh sein, dass uns die Gesetzentwür-
fe überhaupt noch vorgelegt werden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Im Innenausschuss hat die Koalition schon längst den
Vorratsbeschluss etabliert, und wir beschließen Anhörun-
gen zu Gesetzentwürfen, noch bevor sie überhaupt ins
Parlament eingebracht worden sind, so wie bei diesem
Paket jetzt . Das ist nicht nur unzulässig, sondern geht
auch auf Kosten der dringend gebotenen Gründlichkeit
und damit auf Kosten der Demokratie, liebe Kolleginnen
und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das Parlament ist doch kein Abnickgremium für die
Bundesregierung; im Gegenteil . Besonders der jetzt hier
vorliegende Gesetzentwurf mit weitreichenden Befug-
nissen für die Nachrichtendienste sollte hier im Haus
doch ganz ausführlich beraten werden; denn er verfehlt
das proklamierte Ziel der Terrorismusbekämpfung, greift
aber massiv in die datenschutzrechtlichen Belange und

die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein, und er
vermischt vollkommen unzulässig die Terrorismusdebat-
te mit der Flüchtlingssituation . Sie schreiben in Ihrem
Gesetzentwurf: „Deutschland ist bevorzugtes Ziel- und
Transitland illegaler Migration .“ Sagen Sie mir einmal,
was die Themen „Schleuserkriminalität“ und „Flucht“
in einem Gesetzentwurf zur Verbesserung des Informati-
onsaustauschs bei der Terrorismusbekämpfung – so steht
es da an der Medienwand – zu suchen haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Kommen wir einmal auf den Kern dieses Gesetzent-
wurfs zu sprechen, auf die gemeinsamen Datenbanken
mit ausländischen Nachrichtendiensten . Herr Minister,
Sie haben vorhin gesagt: Das ist alles nicht uferlos . – Sie
konnten aber nicht deutlich machen, wo eigentlich genau
das Ufer ist . Nach Ihrer Rede wissen wir: Ladendiebe
werden in diesen Datenbanken nicht erfasst .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist ein Erfolg!)


Aber wer da erfasst wird, das konnten Sie uns nicht erklä-
ren, und das konnte auch Herr Grötsch hier nicht sagen .

Grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien – so schrei-
ben Sie in Ihrem Gesetzentwurf – sind die Voraussetzung
dafür, dass solche Datenbanken überhaupt eingerichtet
werden können . Sie haben darauf hingewiesen: Es sollen
Datenbanken mit EU-Ländern sein; es sollen Datenban-
ken mit NATO-Partnern sein . – Dann braucht man doch
nicht das Szenario zu bemühen, dass der Verfassungs-
schutz mit Ägypten oder Syrien oder Libyen Daten aus-
tauscht . Die Türkei ist ein NATO-Partner . Da bedarf es
dann nicht der Zustimmung des Bundesinnenministers,
um diese Datenbank gemeinsam einzurichten . Vorhin
haben wir hier noch darüber gesprochen, welche kruden
Vorstellungen in der Türkei teilweise vorherrschen, was
die Unterstützung von terroristischen Aktivitäten angeht .
Nach der Version sind wir alle hier im Hause verdächtig .
Das kann nicht im Sinne dieser Regelung sein, liebe Kol-
leginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dazu kommt, dass Sie alle Erkenntnisse, die wir in
den Untersuchungsausschüssen zu den Themen NSA und
NSU gewonnen haben, mal einfach so in den Wind schla-
gen . Anstatt illegale Praktiken der Nachrichtendienste zu
beenden, wollen Sie sie legalisieren . Anstatt die Geheim-
dienste in ihren Kompetenzen einzuhegen und wirksame
Kontrollen zu gewährleisten, machen Sie genau das Ge-
genteil . Sie werten die Dienste und vor allem den Ver-
fassungsschutz massiv auf . Sie weiten Befugnisse aus
und schießen Geld in diese Behörde: 2,9 Millionen Euro
jährlich .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rede hier von ge-
nau der Behörde mit dem Chaos in den Panzerschränken .
Ich weiß nicht, was die mit der Kohle machen . Vielleicht
kaufen sie neue Möbel . Das ist der Nachrichtendienst,
bei dem V-Mann-Handys, Datenträger, SIM-Karten, il-
legale Handakten einfach mal eben so zwischen Schrift-
stücken und irgendwelchen persönlichen Gegenständen

Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


herumliegen, bei dem scheinbar jeder machen kann, was
er will, und bei dem der Präsident das nicht in den Griff
bekommt, sodass jetzt die Dienstaufsicht des Innenmi-
nisteriums dort einschreiten muss .

Diese Behörde soll jetzt die Kernkompetenz bei der
Terrorbekämpfung haben . Diese Behörde soll eigen-
verantwortlich große Datenbanken auf internationaler
Ebene aufbauen . Wer kontrolliert aber das Ganze? Die
Dienste selber? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein,
liebe Kolleginnen und Kollegen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf des Abg . Uli Grötsch [SPD])


Wir haben ganz andere Probleme, die Sie dringend
anpacken sollten . Sie sollten hier zum Beispiel möglichst
bald ein verfassungskonformes BKA-Gesetz vorlegen .
Terrorismusbekämpfung braucht einen verbindlichen
Rechtsrahmen und auch verlässliche Akteure, liebe Kol-
leginnen und Kollegen .

Aber das, was Sie hier vorlegen, was Sie hier machen,
stellt die Dinge auf den Kopf . Hier wird nicht die Polizei
in ihrer Kompetenz gestärkt, Terrorismus zu bekämp-
fen . Vielmehr statten Sie die Nachrichtendienste mit der
Möglichkeit aus, uferlose Datenbanken einzurichten .
Das alles geht zulasten der Kontrollierbarkeit, der Trans-
parenz und der Rechte der Bürgerinnen und Bürger und
geht hart an den Erfordernissen der Terrorismusbekämp-
fung vorbei .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817600800

Das Wort erhält nun der Kollege Stephan Mayer für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1817600900

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr verehrte Kollegen! Ich möchte mich, liebe
Frau Kollegin Mihalic, in aller Deutlichkeit gegen Ihren
Vorwurf verwahren, dass dieser Gesetzentwurf, den wir
heute beraten, mit heißer Nadel gestrickt ist .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal ein Argument!)


Das stimmt einfach nicht . Dieser Gesetzentwurf ist
gründlich und intensiv vorbereitet worden, und wir wer-
den auch dieses Gesetzgebungsverfahren mit der erfor-
derlichen Gründlichkeit und Seriosität durchführen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zur Wahrheit gehört auch dazu, dass wir es mit einer
enorm angespannten Bedrohungssituation zu tun haben .
Deutschland ist im Fadenkreuz des islamistischen Ter-
rorismus, genauso wie es Belgien, Großbritannien und
Frankreich sind .

Um es klar zu sagen: Wir dürfen hier nicht zu viel Zeit
verlieren . Wir haben es ja in den letzten Monaten erlebt:
am 13 . November der schreckliche Anschlag in Paris, am
12 . Januar der Anschlag in Istanbul, dem elf deutsche
Staatsangehörige zum Opfer gefallen sind,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren seit zwölf Jahren!)


am 22 . März der Anschlag in Brüssel mit zahlreichen
Todesopfern . Was in Brüssel, was in Paris, was in Istan-
bul, was in Madrid geschehen ist, kann auch jeden Tag
in München, in Frankfurt oder hier in Berlin passieren .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Düsseldorf!)


Wir sind in der Verantwortung und müssen deshalb für
unsere Sicherheitsbehörden die adäquaten und erforder-
lichen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen .

Ich möchte auch deutlich dem Eindruck entgegentre-
ten, dass wir erst heute mit dem Kampf gegen den is-
lamistischen Terrorismus beginnen . Wir haben in den
letzten 18 Monaten gesetzgeberisch vieles erheblich
verbessert und deutlich vorangebracht: Wir haben die
Voraussetzung geschaffen, dass im Bereich der Terro-
rismusfinanzierung die Strafbarkeitsgrenze wesentlich
schneller überschritten ist . Auch die geplante Ausreise
in den Dschihad ist wesentlich frühzeitiger strafbar . Wir
haben die Möglichkeit geschaffen, dass ausreisewilligen
Dschihadisten der Reisepass oder der Personalausweis
entzogen werden kann . Wir haben das Bundesverfas-
sungsschutzgesetz novelliert . Wir haben die Mindest-
speicherfristen zumindest in abgeschwächter Form wie-
der eingeführt .

Unsere Sicherheitsbehörden – um dies hier deutlich zu
sagen – sind gut aufgestellt im Kampf gegen den islamis-
tischen Terrorismus . Man muss aber hinzufügen, dass es
an der einen oder anderen Stelle durchaus noch Verbesse-
rungsbedarf gibt . Und wenn wir jetzt darüber debattieren,
unser Bundesamt für Verfassungsschutz in die Lage zu
versetzen, gemeinsame Dateien mit befreundeten auslän-
dischen Nachrichtendiensten einzurichten, dann hat dies
nichts mit einer uferlosen Ausspähung und Sammlung
von Daten zu tun, sondern dies gehorcht klaren rechts-
staatlichen Gesichtspunkten und Prinzipien .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie bei jedem Ihrer verfassungswidrigen Gesetze!)


Um auch einem anderen Vorwurf den Wind aus den
Segeln zu nehmen: Von Ihrer Seite, Herr von Notz, wur-
de uns ja vorgeworfen, dass diese gemeinsamen Dateien
möglicherweise auch mit Schurkenstaaten geführt wer-
den . Das stimmt einfach nicht . Schauen Sie doch bitte
einmal in den Gesetzentwurf . Darin steht ausdrücklich,
dass alle teilnehmenden Staaten grundlegenden rechts-
staatlichen Prinzipien genügen müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie unsere NATO-Partner! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Und die Türkei?)


Irene Mihalic






(A) (C)



(B) (D)


Das steht da ausdrücklich drin . Eine gemeinsame Datei
mit Syrien, mit Libyen oder mit Ägypten gibt dieses Ge-
setz also nicht her .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte der Innenminister mal sagen sollen! Das hat er nicht gesagt!)


Dieses Gesetz ermöglicht gemeinsame Dateien mit
EU-Mitgliedsländern, mit NATO-Mitgliedsländern, mit
benachbarten Ländern und darüber hinaus mit anderen
Ländern, aber nur unter der Voraussetzung, dass diese
grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien gewährleisten,
und das Ganze steht unter dem persönlichen Genehmi-
gungsvorbehalt des Bundesinnenministers .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817601000

Herr Kollege Mayer, darf der Kollege Tempel eine

Zwischenfrage stellen?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1817601100

Selbstverständlich, sehr gerne .


Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817601200

Herr Kollege Mayer, da Sie das gerade ausführen – ich

habe ja auch in meiner Rede darauf Bezug genommen –:
Was ist denn mit dem NATO-Partner Türkei? Wie stufen
Sie den ein? Sie haben hier ja NATO-Partner aufgezählt
und gesagt, dass unsere Argumente nicht stimmen .


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1817601300

Herr Tempel, ich danke Ihnen herzlich für diese Frage,

weil sie mir die Möglichkeit gibt, noch einmal klar zu
konkretisieren, welche Möglichkeiten durch dieses Ge-
setz geschaffen werden, und festzustellen, dass aber auch
bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen .


(Zuruf von der LINKEN: Frage beantworten!)


Ihre Frage bezüglich der Türkei ist klar so zu beantwor-
ten, dass natürlich gewährleistet sein muss, dass das
teilnehmende Partnerland grundlegende rechtsstaatliche
Prinzipien einhält .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch kleiner kann man es ja nicht formulieren!)


Ob dies in der Türkei der Fall ist oder nicht, dahinter ma-
che ich gerade auch im Lichte der Entwicklungen in den
letzten Monaten ein klares Fragezeichen . Aber um eines
klar zu sagen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist
aufgrund dieser rechtlichen Befugnis nicht verpflichtet,
gemeinsame Dateien mit allen NATO-Mitgliedsländern
zu führen, sondern es gibt die Möglichkeit dazu .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss das ja gar nicht machen!)


Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kautelen, dass
die Rahmenbedingungen, dass die Voraussetzungen aus-

reichend eng gestrickt sind, um klar zu verhindern, dass
personenbezogene Daten in falsche Hände geraten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein
weiterer wichtiger Aspekt ist der Einsatz von verdeckten
Ermittlern . Das ist schon erwähnt worden . Insbesondere
Schleuserbanden arbeiten sehr konspirativ, sehr abge-
schottet . Es ist meistens nur möglich, mit verdeckten Er-
mittlern in diese Banden einzudringen . Deswegen ist es
zeitgemäß und überfällig, dass auch die Bundespolizei in
die Lage versetzt wird, verdeckte Ermittler im präventi-
ven Bereich zur Gefahrenabwehr einzusetzen .

Auch die Verschärfungen bei den Prepaidkarten sind
vollkommen sachgerecht und angemessen . Die Erfah-
rung hat gezeigt: Wenn Terroristen im Vorfeld mit Mo-
bilfunktelefonen telefoniert haben, dann haben sie das
ausschließlich mit Prepaidkarten gemacht . Es gebietet
daher die Seriosität, dass wir den Telekommunikations-
dienstleistern die Verpflichtung auferlegen, dass sie sich
ein Personalausweisdokument, ein Legitimationspapier
von den Kunden vorlegen lassen, um zu verifizieren, wer
der Kunde tatsächlich ist .

Jetzt kommt der Vorwurf: Na ja, das bietet doch keine
hundertprozentige Sicherheit . Man kann sich doch auch
in Österreich oder in den Niederlanden eine Prepaidkarte
besorgen, ohne dass die Identität festgestellt wird . – Das
mag sein . Aber ich sage, meine sehr verehrten Kollegin-
nen und Kollegen, noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir
als nationaler Gesetzgeber haben die Verantwortung und
die Verpflichtung, unsere Sicherheitsbehörden so aus-
zustatten, dass sie das Menschenmögliche unternehmen
können, um einen Anschlag in Deutschland zu verhin-
dern .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es muss doch verhältnismäßig bleiben!)


Deshalb ist der Hinweis, dass es Umgehungstatbestän-
de gibt und dass man ausweichen kann, für mich noch
kein sachgerechtes Argument, hier nicht entsprechend
nachzubessern und die klare gesetzliche Verpflichtung
aufzuerlegen, dass in Zukunft Legitimationspapiere vor-
zulegen sind .

Seitens der Opposition ist immer wieder behauptet
worden, es werde mit heißer Nadel gestrickt, es werde
weit über das erforderliche Maß hinausgegangen . Ich bin
der festen Überzeugung, dass dies ein außerordentlich
wohlüberlegter, angemessener, sachgerechter Gesetzent-
wurf ist,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie bei jedem Ihrer verfassungswidrigen Gesetze seit Jahren, Herr Mayer!)


der die Grundlage dafür sein wird, dass unsere Sicher-
heitsbehörden in Zukunft noch besser auch im Kampf
gegen den islamistischen Terrorismus aufgestellt sind .

Jetzt stellt sich die Frage: Welchen Verbesserungsbe-
darf gibt es vielleicht an der einen oder anderen Stelle?

Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


Hier möchte ich eines ganz deutlich ansprechen: Ende
Februar hatten wir am Hauptbahnhof in Hannover einen
brutalen Angriff einer 15-jährigen Dschihadistin auf zwei
Bundespolizisten . Bei dieser Messerattacke ist ein Poli-
zist lebensgefährlich verletzt worden . Es ist glücklichen
Umständen zu verdanken, dass er überlebt hat, dass er
sich jetzt auf dem Weg der Genesung und Besserung be-
findet. Aber die Ermittlungen bisher haben gezeigt, dass
dieses 15-jährige Mädchen sehr frühzeitig radikalisiert
wurde, dass es in die Hände von Salafisten geraten ist.

Deshalb halte ich es für überlegenswert, im Bun-
desverfassungsschutzgesetz eine ähnliche Regelung zu
schaffen, die es schon in manchen Landesgesetzen gibt,
dass nämlich unter strengen datenschutzrechtlichen Vo-
raussetzungen auch 14- bis 16-Jährige erfasst werden .
Das ist aus meiner Sicht eine sachgerechte, eine notwen-
dige Ergänzung des Bundesverfassungsschutzgesetzes .
Mein Wunsch wäre, dass wir uns jetzt in den parlamen-
tarischen Beratungen offen und vorurteilsfrei mit dieser
Idee auseinandersetzen . Wir müssen leider Gottes erle-
ben, dass die Radikalisierung in Richtung Salafisten im-
mer frühzeitiger, teilweise schon – wie in diesem Fall –
von Kindesbeinen an beginnt . Deshalb ist diese maßvolle
Ergänzung des Bundesverfassungsschutzgesetzes aus
meiner Sicht auf jeden Fall überlegenswert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es wird auch zu überlegen sein, ob wir die Über-
gangsfrist bei der Neuregelung bezüglich der Prepaid-
karten nicht etwas verkürzen . Ich sage ganz persönlich:
18 Monate sind aus meiner Sicht zu lang . Wir betreiben
jetzt notwendigerweise ein sehr zügiges Gesetzgebungs-
verfahren . Ich glaube, dass es den Telekommunikations-
dienstleistern nicht zu viel abverlangt, wenn man die
Übergangsfrist durchaus auf 12 Monate reduziert . Das
ermöglicht auch die entsprechenden Anpassungen . Auch
diese Änderung sollten wir uns jetzt im Gesetzgebungs-
verfahren wohl überlegen .

In diesem Sinne besteht überhaupt kein Grund, jetzt
gegen diesen Gesetzentwurf zu hetzen und ihn als über-
dimensioniert darzustellen . Aus meiner Sicht ist das – an-
knüpfend an das, was wir in den letzten Monaten ohnehin
schon getan haben – eine maßvolle, aber notwendige Er-
gänzung der gesetzlichen Grundlage für die Arbeit unse-
rer Sicherheitsbehörden .

In diesem Sinne freue ich mich auf eine zwar zügige,
aber auch – das möchte ich an dieser Stelle in aller Deut-
lichkeit dazusagen – gründliche und seriöse Beratung im
parlamentarischen Verfahren .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817601400


Der Kollege Ströbele erhält nun das Wort für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister und auch Herr Grötsch, ich will das Selbst-
verständliche vorwegsagen: Niemand hier im Raum und,
ich glaube, niemand in Deutschland will, dass ein An-
schlag deshalb nicht verhindert werden kann, weil ein
Datenaustausch nicht möglich ist, obwohl Daten vor-
liegen, mit denen man ihn möglicherweise verhindern
könnte . Grundsätzlich ist es ja richtig, sich immer wieder
zu überlegen: Wie kann man den Datenaustausch organi-
sieren, auch mit dem Ausland? Wir haben da anlässlich
des Versagens im Zusammenhang mit den Anschlägen in
Paris und Brüssel natürlich Grund, darüber nachzuden-
ken .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Thomas Oppermann [SPD])


Aber wenn wir das tun, dann müssen wir doch eine
Regelung schaffen, die innerhalb der Grenzen unseres
Grundgesetzes funktioniert und die die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfange erfüllt .
Wir können nicht einfach „Bekämpfung des internationa-
len Terrorismus“ obendrüber schreiben, und dann kommt
der Begriff „internationaler Terrorismus“ in dem ganzen
Gesetzeswerk überhaupt nicht mehr vor .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


So geht es nicht .

Herr Minister, an dieser Stelle will ich Ihnen noch et-
was mit auf den Weg geben: Es geziemt sich nicht für ei-
nen Verfassungsminister, das Bundesverfassungsgericht,
wie es nach der Entscheidung vom April geschehen ist, in
der Weise anzugehen, ihm zu unterstellen, es habe nicht
in ausreichendem Maße den Kampf gegen den internati-
onalen Terrorismus im Blick .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hat er doch gar nicht! – Gegenrufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch, hat er!)


Das gehört sich nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)


Hier in diesem Gesetz, mit dem Sie jetzt eine ge-
meinsame Datei mit ausländischen Partnern in der EU
und in der NATO auf den Weg bringen, fehlt die Defi-
nition, in welchen Fällen und wie eingeschränkt dieser
Austausch in den anzulegenden Dateien stattfinden soll.
Ich habe darauf hingewiesen: Der Begriff „internationa-
ler Terrorismus“ fehlt im Gesetzeswerk . – Nun sagen Sie
vielleicht: Er gehört nicht in das Gesetzeswerk . – Aber
schauen Sie doch mal ins Grundgesetz! In Artikel 73
Absatz 9a des Grundgesetzes steht genau so etwas drin:
dass die Bundespolizei zur Abwehr von Gefahren des in-
ternationalen Terrorismus eingesetzt werden kann . Wa-
rum übernehmen Sie so etwas nicht in Ihr Gesetzeswerk?
Dann könnten Sie sich den Vorwurf ersparen, dass wir
hier ein Gesetz beschließen sollen, das uferlos ist und

Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


eine Datensammlung weit über diesen Zweck hinaus zu-
lässt. Denn im Gesetzentwurf selber findet sich keinerlei
Einschränkung, keinerlei Einhegung, sondern danach ist
es zulässig, eine solche Datei einzurichten, wenn „die Er-
forschung von erheblichem Sicherheitsinteresse für die
Bundesrepublik Deutschland“ ist .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


Was ist sind „erhebliche Sicherheitsinteressen“? Das
wird nicht näher definiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie verlangen in dem Gesetzentwurf – das ist auch
löblich –, dass eine solche gemeinsame Datei nur mit
verlässlichen Partnern eingerichtet wird .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist das?)


Das ist ja nett; aber was sind „verlässliche Partner“? Wir
haben gelernt – diese Erfahrung berücksichtigen Sie in
diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht –, dass leider
auch die USA keine verlässlichen Partner sind, auch
Großbritannien kein verlässlicher Partner ist, sondern
sie entgegen ihren Zusicherungen in Verträgen deutsches
Recht brechen und Daten zweckentfremdend nutzen, die
ihnen im Sicherheitsbereich übergeben worden sind . Das
müssen Sie doch berücksichtigen . Sie können doch nicht
so tun, als wenn da nichts gewesen wäre .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Selbst der Europäische Gerichtshof hat das bereits zum
Gegenstand einer Entscheidung gemacht und hat gesagt:
Deshalb dürfen Daten nicht so ohne Weiteres an die USA
weitergegeben werden .

Sie verlangen eine verlässliche schriftliche Vereinba-
rung . Ja, aber Sie müssen auch das tun, was das Bundes-
verfassungsgericht erstmalig in die Entscheidung hinein-
geschrieben hat .


(Beifall des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Die Vereinbarung muss auch überprüft werden . Sie ha-
ben die Verpflichtung – und das gehört in das Gesetz –,
zu überprüfen, ob die Vereinbarung verlässlich ist, ob
die Zweckbindung wirklich eingehalten wird oder ob die
Daten nicht vielleicht doch – wie das beispielsweise im
Drohnenkrieg der Fall ist oder bei anderer Gelegenheit –
für ganz andere Zwecke genutzt werden .


(Beifall des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Sie müssen hinfahren . Sie müssen alle paar Jahre nach-
sehen, ob eine solche Zusicherung überhaupt noch Gül-
tigkeit hat . So verlangt es das Bundesverfassungsgericht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie berücksichtigen nicht – davon steht im Gesetzent-
wurf nichts –, wer eigentlich kontrollieren soll . Welche

Stelle ist zuständig für die Kontrolle, dass die Daten nicht
zweckentfremdend gebraucht werden?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817601500

Herr Kollege Ströbele, Sie berücksichtigen bitte die

Redezeit .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Datenschutzbeauftragte weiß ein Lied davon zu
singen, dass der Versuch, den Datenaustausch mit den
USA zu kontrollieren, beispielsweise in Bad Aibling,
mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden war . In be-
stimmten Bereichen konnte eine Überprüfung überhaupt
nicht stattfinden. Sie wurde ganz einfach verweigert, weil
die USA das nicht machen wollen und weil der BND das
auch nicht zulässt . Sie müssen eine entsprechende Re-
gelung ins Gesetz schreiben, dass der Datenschutzbeauf-
tragte in Deutschland für die Kontrolle zuständig ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich sage abschließend: So geht es nicht . Ein besserer
Datenaustausch mit ausländischen Behörden ja, aber nur
eingehegt auf den Bereich des internationalen Terroris-
mus, und zwar explizit, selbstverständlich rechtsstaatlich
eingegrenzt und – ganz wichtig – unabhängig kontrol-
liert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817601600

Sie haben, Herr Kollege Ströbele, hoffentlich den üp-

pigen Geburtstagszuschlag zu Ihrer Redezeit registriert,


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren wahrscheinlich 7,7 Minuten!)


den ich anderen jetzt nicht in Aussicht stellen kann . –
Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Mittag für die
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Susanne Mittag (SPD):
Rede ID: ID1817601700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Kleiner Themenschwenk: Wir alle haben noch
die Bilder von den 71 Menschen im Kopf, die hilflos in
einem alten Kühllaster in Österreich erstickt sind . Oder
ist das schon zu lange her? Das waren nicht die ersten
Opfer krimineller Schleuser, und es werden wahrschein-
lich leider auch nicht die letzten sein .

Schleuser nutzen die Not von Menschen aus . Sie ver-
sprechen ihnen eine sichere Reise mit Ankunft – der An-
kunft wird sich angeblich noch vorher vergewissert – in
der Europäischen Union und kassieren sie gnadenlos ab .
Dass 3 000, 4 000 Euro oder 10 000 Euro, für ganze Fa-
milien bis zu 90 000 Euro gezahlt werden, ist keine Sel-
tenheit . Von Menschen, die in ihrer Heimat alles hinter

Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


sich gelassen haben, oftmals nur ihr Leben retten konn-
ten, werden solche Summen verlangt .

Die Schleusungen sind in Streckenabschnitte aufge-
teilt . Sie sind dort organisiert . Die Menschen gehen sozu-
sagen von Hand zu Hand . Diese Erkenntnisse dürfen wir
nicht tatenlos hinnehmen .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Wir reden hier über ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung!)


– Ganz entspannt .

Wir müssen endlich in ganz Europa eine vernünftige
Kontingentlösung für Flüchtlinge aus Kriegen und Ver-
sklavung finden. Das kann ja wohl nur zur Zustimmung
führen . Wir müssen sichere Fluchtwege schaffen, um die
Menschen nicht in den Händen von kriminellen Schleu-
sern landen zu lassen .

Ich bin Frank-Walter Steinmeier sehr dankbar, dass
er in Verhandlungen steht, damit die Menschen in ihren
Herkunftsländern noch auskömmliche Bedingungen vor-
finden, dass sie dort überhaupt leben können und nicht
flüchten müssen.

Wir müssen aber auch bei den Kriminellen selbst an-
setzen, und das – jetzt sind wir beim Thema – bewirkt
der vorliegende Gesetzentwurf . Er sieht nämlich vor,
dass die Bundespolizei, die innerhalb der Ermittlungs-
behörden für die Bekämpfung der Schleuserkriminalität
zuständig ist, endlich auch verdeckte Ermittler einsetzen
darf . Das ist gut so und überfällig; denn in diesem Be-
reich sind internationale kriminelle Netzwerke aktiv, die
bis in unser Land reichen und vollkommen abgeschot-
tet arbeiten . Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für
2015 unter der Rubrik „Einschleusen von Ausländern“
immerhin schon ungefähr 11 800 Verfahren auf . Das ist
nicht gerade wenig . Nur wenn wir der Bundespolizei die
Möglichkeit geben, Beamte in diesem Bereich verdeckt
einzusetzen, kann es gelingen, solche Netzwerke zu er-
kennen und Täter zu ermitteln . Das BKA und auch viele
Landespolizeien setzen verdeckte Ermittler ein – nicht
häufig, aber mit Erfolg. Diesen Erfolg wünsche ich mir
auch für die Ermittlungen gegen die Schleuser .

Im November vergangenen Jahres hat die Bundes-
polizei bei einer Razzia mit fast 600 Beamten in drei
Bundesländern 15 Festnahmen durchgeführt . Bei den
Durchsuchungen wurde deutlich, wie gefährlich diese
Gruppierungen sind . Es wurden unter anderem Mache-
ten, Schwerter, Kampfmesser, Munition für Handfeuer-
waffen und 5 Kilogramm Sprengstoff sichergestellt . Das
ist eine Sammlung von Waffen, die nachdenklich stim-
men kann . Ich denke, sie verdeutlicht die Gewaltbereit-
schaft dieser Kriminellen .

Deswegen ist es beim Einsatz von verdeckten Ermitt-
lern unverzichtbar, dass diese zur Eigensicherung auch
in Wohnungen von Tatverdächtigen mit technischen Mit-
teln abhören und aufzeichnen dürfen . Ja, damit wird der
Kernbereich der privaten Lebensgestaltung und damit
ein Grundrecht berührt . Deshalb sind die Aufnahmen
unverzüglich zu unterbrechen, sobald dies ohne Ge-
fährdung des verdeckten Ermittlers möglich ist . Es gilt
also der Grundsatz: So viel und so lange, wie für den
Schutz des Ermittlers nötig, aber so wenige Daten wie

möglich . Die Maßnahmen werden im Normalfall von der
Spitze der Bundespolizei, also dem Präsidenten oder ei-
nem Stellvertreter angeordnet . Nur bei Gefahr im Verzug
können Beamte des höheren Dienstes der Bundespolizei
eine Anordnung aussprechen, die dann unverzüglich von
einem Gericht bestätigt werden muss . Das ist also kein
einfaches Verfahren .

Wir werden in den Ausschussberatungen und der An-
hörung sicher darauf zu sprechen kommen, welche De-
likte und Sachverhalte diesen weitreichenden Eingriff
rechtfertigen . Aber wir sind es den Bundespolizisten
schuldig – ich denke, da können wir uns einig sein –, dass
wir alles möglich machen, um sie bei diesem gefährli-
chen Einsatz zu schützen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mein Kollege Uli Grötsch hat schon einiges zu den
Prepaidkarten gesagt . Es ist wirklich ein schlechter
Scherz, dass seitens des Innenministeriums dieses Pro-
blem erst jetzt geregelt wird . Wir hatten gehofft, dass
das schon eher geregelt wird . Mein Kollege Gerold
Reichenbach mahnt diesen Regelungsbedarf schon seit
Jahren an . Er hat das immer wieder erwähnt . Trotzdem
ist es schön, dass das jetzt passiert .

Kriminelle aller Schattierungen versorgen sich näm-
lich in Deutschland mit SIM-Karten und müssen sich
dabei nicht einmal richtig ausweisen . Dass Comicnamen
zur Anmeldung genutzt werden, hat der Innenminister ja
schon zur Genüge dargelegt . Darauf brauche ich nicht
extra einzugehen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen wir schnell noch machen, bevor es verboten wird!)


Für den Verkäufer und den Käufer könnten die neu-
en Regelungen eventuell etwas unbequemer sein – das
Gesetz sieht ja lange Umsetzungsfristen vor; es wurde
schon vorgeschlagen, sie zu verkürzen –, aber das kann
hier weiß Gott nicht der Maßstab sein . Kriminelle und
Terroristen arbeiten nämlich ähnlich, und der Terroris-
mus finanziert sich unter anderem durch organisierte
Kriminalität, auch in Deutschland . Die Bürgerinnen
und Bürger haben großes Verständnis für kleinere Un-
bequemlichkeiten, wenn sie zu einem Mehr an Sicher-
heit führen . Viele wünschen sich ein größeres Maß an
Sicherheit . Sie fühlen sich von Kriminalität und Terror
bedroht und sind verunsichert . Das subjektive Gefühl der
Menschen sollte auch zählen . Wir als Politik müssen die
Ängste ernst nehmen und uns damit auseinandersetzen .
Wir müssen die reale Faktenlage beurteilen, sei es bei
Terror oder Kriminalität, unsere Schlüsse daraus zie-
hen und Entscheidungen fällen . Sicher sein und sicher
fühlen – das muss der Maßstab für die Politik sein . Wir
wollen vor der Verschlimmerung der Lage agieren und
nicht später verpassten Chancen für mehr Sicherheit und
Ermittlungsmöglichkeiten nachtrauern . Deswegen denke
ich, dass der heute eingebrachte Gesetzentwurf ein guter
Schritt in die richtige Richtung ist .

Susanne Mittag






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817601800

Clemens Binninger erhält nun das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Eva Högl [SPD])



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1817601900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich will zu Beginn meines Beitrages auf die Kritik von
Herrn Ströbele am Bundesinnenminister eingehen, worin
er ihm vorgehalten hat, dass er das Bundesverfassungs-
gericht in unzulässiger Weise kritisiert habe, weil es in
seinem Urteil dem Ziel der Terrorabwehr nicht gerecht
werde . Es war auch die Rede davon, dass das Urteil zum
BKA-Gesetz verfassungsrechtlich überzogen sei und
dass es Probleme bereiten werde, die Anforderungen in
der Praxis umzusetzen, auch davon, dass es nicht in allen
Aspekten dem Ziel einer Terrorabwehr gerecht werde . Ja,
davon war die Rede .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber nicht vom Innenminister! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil er verloren hat, war er beleidigt!)


Allerdings stammen diese Sätze von den beiden Richtern
des Senates, die anderer Auffassung als die Mehrheit des
Senates waren .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! Er hat es nicht gelobt!)


Diese Sätze stammen von zwei Verfassungsrichtern; Sie
können sie nicht dem Minister vorhalten, wenn er sie sich
zu eigen macht .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat also nur aus dem Urteil zitiert, Herr Binninger! Jetzt verstehe ich das!)


Da empfehle ich dann, das Urteil ganz zu lesen, auch die
abweichenden Voten, und nicht nur das zu lesen, was ei-
nem gefällt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich zählt die Mehrheit . Aber wenn Richter dieses
Senates diese Auffassung haben, dann darf, so glaube
ich, ein Minister darauf auch hinweisen . Das ist meines
Erachtens in Ordnung .


(Zuruf des Abg . Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir reden aber heute über ein Gesetz, das wir brau-
chen, weil die Bedrohungslage durch den Terror ernster
denn je ist . Die Zahlen machen es deutlich: 500 Gefähr-
der alleine aus Deutschland, mehrere Tausend aus Euro-
pa . Wenn wir uns die Anschlagsplanungen oder die leider
realisierten Anschläge der letzten Monate anschauen –
Istanbul, Paris, Brüssel, die Pläne hier für Berlin, jetzt

die Pläne für Düsseldorf –, so ist eines fast immer festzu-
stellen, nämlich, dass ein Teil der Täter schon irgendwo
in Europa bekannt war . Es gab schon Erkenntnisse über
diese Leute; aber die Erkenntnisse sind nicht zusammen-
geflossen. Deshalb ist es meiner Meinung nach dringen-
der denn je notwendig, dass wir alles dafür tun, damit wir
wissen: Wo sind Terrorverdächtige? Wo halten sie sich
auf? Wohin reisen sie? Wohin fliegen sie? Mit wem tele-
fonieren sie? Wohin fließt das Geld?

Genau das haben wir mit dem, was wir in der Vergan-
genheit gemacht haben, getan,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


und wir ergänzen es jetzt dort, wo es noch Lücken gibt,
weil wir nur so wirksam gegen den internationalen Ter-
ror vorgehen können . Darauf zu verzichten, wäre mehr
als fahrlässig, und dafür stehen wir und diese Regierung
nicht zur Verfügung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber nicht im Gesetz!)


Jetzt zu den zwei Punkten, die mir wichtig sind, die
im Gesetzentwurf stehen und auf die ich abheben will .
Natürlich funktioniert dieser Zusammenfluss an Infor-
mationen nur, wenn sich Nachrichtendienste in Europa
austauschen dürfen, in einem klar geregelten Rahmen .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So klar ist der aber nicht!)


Wir müssen doch wissen, welche Erkenntnisse die belgi-
schen Sicherheitsbehörden haben, und sie müssen es von
uns genauso wissen . Düsseldorf und Brüssel sind auch
nicht so weit auseinander . Wir müssen wissen, wenn At-
tentäter, die in Paris aufgefallen sind, hier viermal gemel-
det waren .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles unstrittig!)


Dies zusammenzuführen, solche Erkenntnisse in ge-
meinsamen Dateien zusammenzuführen, halte ich für
mehr als notwendig,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bestreitet niemand!)


und anders, als heute Morgen dauernd behauptet wird,
sind diese Dinge in diesem Gesetzentwurf – § 22b Bun-
desverfassungsschutzgesetz – klar geregelt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


Sie mögen darüber streiten, wie Sie ihn verstanden wis-
sen wollen; aber geregelt ist es, nach klaren rechtsstaatli-
chen Prinzipien . Die Voraussetzungen müssen vorliegen,
sonst sind diese Dateien nicht notwendig .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht einmal der Minister kann abschließend sagen, mit wem und mit wem nicht!)


Susanne Mittag






(A) (C)



(B) (D)


Diese Dateien sind wichtig, weil wir sonst vieles nicht
erfahren . Wenn es gelingt, was wir alle nicht hoffen,
dass sich einmal eine Anschlagsgefahr hier in Deutsch-
land realisiert, wird das verheerende Wirkungen auf die
Sicherheitslage haben . Darum tun wir alles, um das zu
verhindern, und die gemeinsamen Dateien sind ein wich-
tiger Punkt .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht im Gesetz etwas von Terrorismus?)


– Es sind die Gefahren beschrieben,


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


und Sie werden ja nicht ernsthaft abstreiten wollen, Kol-
lege Ströbele, dass Bombenanschläge, auch wenn sie
vielleicht nicht unmittelbar terroristisch motiviert sein
mögen, trotzdem erhebliche Gefahren darstellen


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Gefahr!)


und dass die Vorbereitung eines Bombenattentats doch
ein so relevantes Ereignis ist, dass wir nicht darauf ver-
zichten können, Informationen über Tatverdächtige zu
bekommen . Es kann doch niemand ernsthaft erwarten,
dass wir bei Planungen solcher Ereignisse wegsehen . Wir
tun es nicht mehr; deshalb schaffen wir diese gemeinsa-
men Dateien – völlig zu Recht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schreiben es aber nicht rein!)


Der zweite Punkt, der mir wichtig ist, weil hier meines
Erachtens eine Lücke geschlossen wird, geht über das
Thema Terrorismusbekämpfung hinaus und betrifft – zu
Recht – auch die sonstige Kriminalität: Wir machen die
Erfahrung – auch in den Untersuchungsausschüssen und
gerade bei dem zu NSU –, dass für die Kommunikati-
on unter den NSU-Terroristen Prepaidhandys eingesetzt
werden . Wenn die Ermittler dann nachfragen, auf wen
dieses Prepaidhandy zugelassen ist, kommt zwar nicht
Donald Duck heraus, aber irgendeine Adresse, die es
nicht gibt . Man würde ja schon gerne wissen: Mit wem
hatte Beate Zschäpe nach dem 4 . November noch Kon-
takt? Es gibt eine SMS an sie nach dem 4 . November mit
einer Adresse in Stuttgart . Nur existiert sie nicht, weil
derjenige, der damals das Handy gekauft hat, eine falsche
Adresse und einen falschen Namen angegeben hat


(Zuruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und dies nicht überprüft wurde . Genau das verlangen wir
jetzt: Zukünftig müssen diese Daten anhand des Perso-
nalausweises oder ähnlicher Papiere überprüft werden .
Das ist mehr als überfällig, und Kollege Reichenbach,
der schon lange dafür geworben hat, kann sich jetzt auch
durch die Umsetzung bestätigt fühlen . Darauf zu verzich-

ten, wäre wirklich Unfug . Das machen wir nicht . Deshalb
regeln wir das jetzt an dieser Stelle .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gestatten Sie mir noch kurz einen Blick auf die Politik
der Grünen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Mit denen regieren Sie ja in Baden-Württemberg!)


Wo wären wir in diesem Land mit unseren Sicherheitsbe-
hörden, wenn Sie allein – dieser Fall wird nicht eintreten;
das ist hypothetisch – das Sagen hätten? Ich will es an
drei Beispielen deutlich machen .

Als wir 2014 die Antiterrordatei im zweiten Anlauf
nach den Vorgaben von Karlsruhe neu konzipiert haben –
dabei geht es um den Zusammenfluss von Informationen
von Polizei und Verfassungsschutz in Deutschland –,
waren Sie dagegen . Jedoch waren alle hochzufrieden da-
mit . Keiner würde sie missen wollen . Wenn es aber nach
Ihnen gegangen wäre, hätten wir bis heute keine Antiter-
rordatei .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Furchtbar!)


Als wir die Terrorismusbekämpfungsgesetze – sie
stammen aus rot-grüner Zeit – verlängert haben, weil sie
Ende des Jahres 2015 ausgelaufen wären – durch diese
Gesetze erlauben wir den Nachrichtendiensten, bei Ter-
rorverdächtigen Informationen über ihre Reisebewegun-
gen, über die Bankbewegungen und die Telefondaten
einzuholen –,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber strenger kontrolliert!)


waren Sie was? Sie waren dagegen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir Änderungen eingefordert haben! Herr Binninger, so undifferenziert sind Sie doch sonst nicht!)


Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir diese
Gesetze heute nicht mehr . Das müssen Sie sich anhören .
Man kann nicht immer dagegen sein und sich hier einen
schlanken Fuß machen . Man muss sich auch einmal vor-
halten lassen, wo wir dann in diesem Land wären .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das dritte Beispiel .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817602000

Herr Binninger, darf der Kollege Ströbele Ihnen eine

Zwischenfrage stellen?


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1817602100

Ja . Dann habe ich noch eine Sekunde Redezeit . Das

reicht für mein drittes Beispiel . Jetzt wird die Uhr ja an-
gehalten . – Sie dürfen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817602200

Herr Ströbele, bitte .

Clemens Binninger






(A) (C)



(B) (D)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Binninger, ich weiß, dass ich nicht schon
wieder darauf drängen sollte, aber ich stelle die Frage
trotzdem; denn es stimmt einfach nicht . Es ist in der Tat
so, dass wir – auch unter Schmerzen – Antiterrorgesetze
in rot-grünen Zeiten geboren haben, aber sehr restriktiv
und mit erheblichen Einschränkungen . Wir haben danach
bei der Verlängerung nicht zugestimmt, weil Sie diese
Restriktionen weitgehend gestrichen haben .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)


Sollen wir Ihnen das hier im Einzelnen darlegen? Das
war der Grund, warum wir das gemacht haben . Sie konn-
ten es nicht lassen, rechtsstaatliche Garantien abzubauen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen auch noch das beste Gesetz verfassungswidrig, Herr Binninger! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Wo war die Frage?)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1817602300

Bei den Terrorismusbekämpfungsgesetzen war das si-

cher nicht der Fall . Fakt ist: Sie haben diesem Gesetzent-
wurf nicht zugestimmt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie es unzulässig ausgeweitet haben! Sie müssen die Geschichte komplett erzählen!)


Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wären die Gesetze
Ende 2015 ausgelaufen und die Nachrichtendienste hät-
ten ein wichtiges Instrument nicht mehr gehabt . Sie hät-
ten auch keine Antiterrordatei gehabt .

Das dritte Beispiel – ich habe noch eine Sekunde Re-
dezeit, die der Präsident hoffentlich etwas verlängert –:
Uns allen war klar, dass wir die Reisebewegungen von
IS-Kämpfern von Deutschland in Krisengebiete verhin-
dern müssen . Daher haben wir die Möglichkeit geschaf-
fen, Personalausweise von IS-Kämpfern einzuziehen .
Das wird von der Bundespolizei auch angewandt, und
zwar erfolgreich .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird aber gar nicht kontrolliert!)


Wer war dagegen? Die Grünen waren dagegen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Pässe sind denn eingezogen worden, Herr Binninger?)


Hätten wir nach Ihrem Willen gehandelt, hätten wir auch
diese Möglichkeit nicht . Die Dienste hätten weniger Be-
fugnisse .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Personalausweise wurden eingezogen?)


Wir hätten keine gemeinsame Datei, und IS-Terroristen
könnten nach wie vor ungehindert durch Europa reisen .

Das wäre das Ergebnis Ihrer Politik gewesen . Das müs-
sen Sie sich heute schon vorhalten lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb glaube ich, dass wir mit einer Reihe von Bau-
steinen – über diese kann man politisch streiten und über
manche auch rechtlich – in dieser Großen Koalition viel
zur Sicherheit beigetragen haben . Ich will auch sagen:
Vieles wäre mit anderen Koalitionspartnern so nicht
möglich gewesen . Darum einen herzlichen Dank an die
SPD .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Frank Tempel [DIE LINKE]: Mit uns nicht!)


– Das stimmt auch . – Hier haben wir einen guten Beitrag
für die Sicherheit unseres Landes geleistet . Deshalb kann
man diesem Gesetzentwurf nur zustimmen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Frank Tempel [DIE LINKE]: Da haben Sie recht, Herr Binninger! Mit uns wäre der Blödsinn nicht machbar!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817602400

Karl-Heinz Brunner ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1817602500

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen

und Kollegen! Meine Damen und Herren Gäste auf den
Zuschauertribünen! Den Dank kann ich insoweit zurück-
geben .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Damit haben wir den Austausch von Höflichkeiten heute
fürs Erste erledigt .

Die Terroranschläge in Paris, in Brüssel, in Istanbul
und Tel Aviv, um nur einige zu nennen, verändern schlag-
artig das Verhältnis zur Sicherheit, und zwar bei jedem
individuell . Jeder will sicher sein . Jeder will sicher sein
individuelles Leben führen – ein Leben ohne Angst, ein
Leben in Freiheit, und zwar in der Freiheit, der, wenn wir
es genau nehmen, die Anschläge gelten und die uns die
Terroristen nehmen wollen .

Der Herr Präsident hat heute Morgen, wofür ich mich
herzlich bedanke, die Freiheit angesprochen: die Freiheit
der Abgeordneten dieses Hauses, des Hohen Hauses, das
die Freiheit hat, seine Entscheidungen frei zu treffen .
Aber die gleiche individuelle Freiheit ist es, die die Ter-
roristen den Menschen in der Europäischen Union und
in Deutschland nehmen wollen . Deshalb würde ich den
Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaus-
tausch bei der Bekämpfung des internationalen Terroris-
mus eigentlich gerne – das ist der einzige Punkt, in dem






(A) (C)



(B) (D)


ich mit dem Kollegen Ströbele einer Meinung bin – mit
Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaus-
tausch bei der Bekämpfung des organisierten Verbre-
chens überschreiben; denn es geht um die Bekämpfung
des organisierten Verbrechens . Terroristen sind nichts
anderes als Verbrecher, deren Taten geahndet und die
mit der Härte des Gesetzes entsprechend bestraft werden
müssen .

Ich möchte den Blick auf einen weiteren Aspekt, auf
den es auch ankommt, richten, nämlich auf den Konflikt
zwischen Sicherheit und Freiheit . Es ist notwendig, bei-
des zu stärken, und beides gilt es zu bewahren . Gerade
angesichts dieses Spannungsfeldes ist es verständlich,
wenn nicht sofort, quasi aus der Hüfte geschossen, wie
es in Talkshows ja gern geschieht, ein abgewogener, si-
cherheitspolitisch notwendiger, rechtspolitisch sauberer
und gesellschaftspolitisch ausgewogener Vorschlag auf
den Tisch gelegt wird . Der heutige Gesetzentwurf bzw .
das Paket, das heute vorliegt, hält diesen Anforderungen
nach meiner Auffassung sehr wohl stand . Dieser Gesetz-
entwurf erklärt, dieser Gesetzentwurf regelt, und dieser
Gesetzentwurf beinhaltet vernünftige, abgewogene Vor-
schläge .

Niemand, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kann
verstehen, dass Anschläge auf wehrlose Menschen schon
allein deshalb nicht aufgeklärt, geschweige denn verhin-
dert werden können, weil unterschiedliche Behörden und
Dienste ihre Informationen untereinander nicht abglei-
chen, sie nicht verknüpfen und nicht auswerten . Gerade
um dies zu ermöglichen und gleichzeitig unsere Frei-
heitsrechte und unsere Rechte insgesamt zu schützen,
bedarf es klarer Regeln, quasi eines Korridors .

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch ganz klar
sagen: Nicht alles, was technisch machbar ist, und nicht
alles, was aus Sicht der Dienste schön wäre und in man-
chen Talkshows gewünscht wird, kann sich in diesem
Gesetzentwurf wiederfinden. Es findet sich darin auch
nicht wieder, dies schon allein deshalb nicht, weil nicht
alle Mittel durch den Zweck geheiligt werden .

Mit der Schaffung der Counter Terrorism Group und
der Rechtsgrundlagen für die gemeinsame Datennutzung
von EU und NATO – daran beteiligen sich im Übrigen
auch das norwegische Königreich und die Schweizer
Eidgenossenschaft – ist eine leistungsfähige Plattform
geschaffen, eine Plattform, mit der parallel zum Schlie-
ßen von Strafbarkeitslücken die Befugnisse der Bun-
despolizei zu Recht und mit Augenmaß ergänzt und
Regelungslücken, zum Beispiel im Hinblick auf Prepaid-
handys, geschlossen werden .

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
wenn ich in meinem Wahlkreis bin, gehe ich regelmä-
ßig auf den Wochenmarkt . Wenn ich mich dort mit Men-
schen unterhalte und ihnen sage, dass es Terroristen bzw .
Verbrechern nach derzeitiger Gesetzeslage freigestellt
ist, ob sie mit ihrem Handy ermittelt werden oder nicht,
fragen sich viele: Wieso schließe ich dann überhaupt ei-
nen Vertrag bei T-Mobile, Vodafone oder einem anderen
Anbieter ab, wenn ich selbst darüber entscheide? Nein,
es gilt: Es darf auch hier keinen rechtsfreien und schon

gar keinen rechtlosen Raum in unserem Land geben . Er
wird mit diesem Gesetz geschlossen .


(Beifall bei der SPD)


Ich begrüße das nunmehr erzielte Ergebnis ganz aus-
drücklich . Ich begrüße es auch deshalb, weil sich der
Einsatz auch und gerade der beiden Minister de Maizière
und Maas gelohnt hat . Sie haben das Notwendige getan,
ohne dabei über das Ziel hinauszuschießen, und gleich-
zeitig die individuellen Freiheitsrechte des Einzelnen er-
halten .

Der heutige Gesetzentwurf ergänzt die bereits seit
2007 und 2014 bestehenden Antiterrorgesetze sehr maß-
voll und fügt sich in die Sicherheitsstruktur Europas ein .
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit vertieft auf das
Wort „Europa“ eingehen . Europa ist hier gefragt, und un-
sere Gemeinschaft ist hier gefragt . Wer Europa in diesen
Tagen seine Existenzberechtigung und seine Notwen-
digkeit absprechen will, gerade der wird sehen, dass nur
durch die Zusammenarbeit innerhalb Europas – der eu-
ropäischen Dienste, der europäischen Innenminister und
der europäischen Sicherheitsorgane – die Sicherheit, die
wir in Europa benötigen, geschaffen werden kann . Auch
hier gilt also: Wir brauchen mehr und nicht weniger Eu-
ropa, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Gesetzentwurf verdeutlicht gleichzeitig den
hohen Stellenwert unserer Individualrechte . Er schafft
Möglichkeiten zur Terrorismusabwehr, und er schafft
Möglichkeiten, uns auf den neuesten technischen Stand
zu bringen, uns dort zu halten und auf neue Gefährdungs-
lagen mit neuen Instrumentarien zu reagieren . Dies ist
sinnvoll, gute Politik und auch notwendig; denn nur so
kann der Staat, der Garant für Freiheit und Sicherheit,
den größtmöglichen Schutz der Bürger generieren und
grundgesetzlich geschützte Rechte wahren .

Sicherheit und Freiheit sind zwei Seiten einer Me-
daille . Keine kommt ohne die andere aus – wie bei einer
Münze . Keine macht ohne die andere Sinn . Das richtige
Mittelmaß zu finden, das ist unsere Pflicht.

Ich freue mich auf die Beratungen, die sicherlich ein
gutes Ergebnis finden werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817602600

Wolfgang Bosbach ist der letzte Redner zu diesem Ta-

gesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Endlich! Setzt den Helm auf! Jetzt kommt scharfes Geschütz!)



Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1817602700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

brauche den Inhalt des Gesetzentwurfes nicht noch ein-
mal in aller Ausführlichkeit zu schildern; denn das ist

Dr. Karl-Heinz Brunner






(A) (C)



(B) (D)


jetzt schon über eine Stunde lang geschehen . Ich möch-
te mich nur in aller Ruhe und Gelassenheit mit wenigen
Gegenargumenten auseinandersetzen . Ich merke ja auch
selber, dass man mit zunehmendem Alter ruhiger wird,
auch wenn es, Herr Kollege Ströbele, Ausnahmen gibt .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist doch ganz ruhig!)


Ich versuche es einmal betont sachlich .

„Erhebliche Sicherheitsinteressen“ ist angeblich ein
uferloser Begriff, den wir unbedingt näher konkretisieren
müssten .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Der Begriff ist nicht uferlos, und er ist Bestandteil des
geltenden Rechtes, also nicht des Rechtes, das durch die-
sen Gesetzentwurf jetzt geschaffen werden soll; denn er
steht schon im Bundesverfassungsschutzgesetz, nämlich
in § 19 Absatz 3 .

Deswegen kann es nicht um die Allgemeinkriminali-
tät, die Alltagskriminalität, gehen, vielmehr geht es um
Gefahren, die dem Staat und der Gesellschaft drohen, um
Kapitalverbrechen, um schwere Straftaten, die ausgeübt
werden, um Staat und Gesellschaft in ihren Grundfesten
zu erschüttern . Das ist mit dieser Formulierung gemeint .

Sie sagen jetzt, wir dürften in der Rechtsprechung zu-
künftig keine unbestimmten Rechtsbegriffe mehr benut-
zen . Dann könnten wir die Rechtsetzung hier im Deut-
schen Bundestag sofort einstellen .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Genau!)


Es geht in der Juristerei nicht ohne unbestimmte Rechts-
begriffe, die dann konkretisiert werden –


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)


durch die Literatur und die Rechtsprechung .

Herr Kollege Tempel, Ihre Formulierung, dass wir
diesen Gesetzentwurf unter dem „Deckmantel der Ter-
rorbekämpfung“ beschließen, war übel . Ich hoffe, sie ist
Ihnen nur so herausgerutscht . „Unter dem Deckmantel“:
Das heißt nichts anderes, als dass wir nur so tun, als gäbe
es terroristische Gefahren, die es Ihrer Meinung nach in
Wirklichkeit gar nicht gibt . Im Kern ginge es uns um die
Ausforschung von Bürgerinnen und Bürgern .

Wir haben heute eine völlig neue Sicherheitslage, die
sich fundamental von der Sicherheitslage zur Zeit des
Kalten Krieges unterscheidet . Wir haben auch eine völ-
lig andere Sicherheitslage als zur Zeit des RAF-Terrors .
Über 100 Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland sind
in den letzten 15 Jahren, seit dem 11 . September 2001,
Opfer terroristischer Straftaten geworden, und es ist nicht
nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht, im Interes-
se unseres Landes, im Interesse von über 80 Millionen
Menschen, erkennbare Schutzlücken, die wir haben, zu

schließen, um Deutschland so gut wie möglich vor den
terroristischen Gefahren zu schützen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist sehr umstritten!)


Ich komme zum Austausch mit anderen Staaten . Wenn
sich der Terror international vernetzt, dann muss sich
auch die Terrorabwehr international vernetzen .

Frau Kollegin Mihalic, Sie haben vorhin gesagt, der
Gesetzentwurf sei mit heißer Nadel gestrickt . Das werfe
ich Ihnen nicht vor, und ich kann es Ihnen auch nicht
vorhalten . Ich war bei der Beratung der Antiterrorgeset-
ze damals aber schon dabei – und der Kollege Ströbele
auch . Wenn dieser Gesetzentwurf mit heißer Nadel ge-
strickt ist: Was waren dann die beiden Otto-Kataloge, die
Antiterrorgesetze, riesige Gesetzespakete, die in großer
Eile im Deutschen Bundestag beraten und beschlossen
worden sind? Das Glück von Rot-Grün war damals, dass
die Union in der Opposition konstruktiv und nicht dest-
ruktiv war . Auf die Union konnte sich Otto Schily bei der
Terrorbekämpfung immer verlassen,


(Beifall bei der CDU/CSU)


und es wäre gut, wenn wir uns auf Sie auch so verlassen
könnten .

Es ist immer schmerzhaft – ich kann die Kritik dann
auch verstehen –, wenn in Karlsruhe ein Gesetz ganz
oder teilweise gestoppt wird . Das gilt leider auch für das
rot-grüne Luftsicherheitsgesetz, ohne dass Sie damals ir-
gendwelche Kritik oder Häme von der CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion gehört haben .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren ja auch dafür!)


Das, was Karlsruhe entschieden hat, gilt übrigens
nicht nur für das BKA-Gesetz, sondern für sämtliche
16 Polizeigesetze der Bundesländer, einschließlich aller
Bundesländer, die rot-grün regiert werden . Ich kann mich
überhaupt nicht erinnern, dass in diesen Bundesländern
in den letzten Wochen Anstrengungen unternommen
worden sind, die Landespolizeigesetze nach Maßgabe
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum
BKA-Gesetz des Bundes zu ändern .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das BKA-Gesetz ist etwas weitreichender!)


Prepaidkarten und Donald Duck . Die Sache mit
Donald Duck ist ein prägnantes Beispiel, das es wirklich
gegeben hat; der Kollege Binninger hat auf andere Fanta-
sienamen hingewiesen . Ich nehme ein anderes Beispiel,
das viel schlimmer ist . Jemand schaut ins Telefonbuch,
greift sich irgendeinen Namen und eine Anschrift heraus
und kauft sich unter diesem Namen eine Prepaidkarte .
Anschließend wird dieser völlig unbescholtene Bürger,
dessen Name genutzt wurde und den es tatsächlich gibt,
von Ermittlungsmaßnahmen überzogen . Zum Schutz der
unbescholtenen und der unverdächtigen Bürgerinnen
und Bürger ist es dringend notwendig, dass wir diese
Regelung beim Ankauf von Prepaidkarten treffen . Der
redliche Bürger kann sich doch nicht ernsthaft beklagen,

Wolfgang Bosbach






(A) (C)



(B) (D)


dass er beim Kauf seine Daten angeben muss . Es geht
schließlich nur um die Anschrift und den Namen . Ich hal-
te es aber für völlig richtig, die Frist von 18 Monaten, die
der Gefahrenabwehr dient, zu verkürzen . Zwölf Monate
sind dafür ein angemessener Zeitraum . Deswegen hoffe
ich, dass wir diese Regelung im Gesetzgebungsverfahren
korrigieren können .

Letzte Bemerkung . Eine große Rolle hat in dieser De-
batte der Austausch mit anderen Staaten gespielt . Dabei
ist das Beispiel USA genannt worden;


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


ein legitimes Beispiel . Aber jetzt einmal aufpassen: Do
ut des . Auch wir sind darauf angewiesen, dass wir von
anderen Staaten Informationen bekommen, die wir zur
Abwehr schwerer Gefahren für unser Land brauchen .

Jetzt möchte ich gerne einen grünen Innenminister er-
leben, der sagt: Mir werden aus dem arabischen Raum
oder was weiß ich, woher, Informationen angeboten,
aber dieses Land ist nicht so demokratisch organisiert
und regiert wie die Bundesrepublik Deutschland . Meine
Antwort auf dieses Angebot lautet: Nein, diese Informa-
tionen könnt ihr ruhig behalten . Werdet doch erst einmal
zu einer Demokratie nach unserem Vorbild . Dann könnt
ihr uns die Informationen gerne geben, und dann werden
wir die Terroristen dingfest machen .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat keiner gesagt! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt?)


– Ich sage das . – Glauben Sie denn ernsthaft, wir bekä-
men von anderen Staaten sicherheitsrelevante Informati-
onen, wenn


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn wir denen nichts geben!)


wir nicht unsererseits bereit wären,


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da liegt doch der Hase im Pfeffer!)


unsere Informationen mit anderen Partnern unter Wah-
rung der Standards, die genannt worden sind, zu teilen?


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was die dann mit den Daten machen, das können Sie nicht kontrollieren!)


Diese Maßnahme hier ist im wahrsten Sinne des Wortes
notwendig; denn wir können den internationalen Terro-
rismus nur mit guter internationaler Zusammenarbeit er-
folgreich bekämpfen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Clemens Binninger muss jetzt leider gehen . Er ist für
die letzten Minuten dieser Debatte entschuldigt . – Es war
so schön, als aus den Reihen der Grünen gerade gesagt
wurde: Es wäre gut, wenn wir regieren würden . – Das

wäre gut für die Grünen, aber das wäre nicht gut für unser
Land .


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817602800

Nun ist es doch ein bisschen schade, dass nicht auch

noch Otto Schily zu Wort kommt .


(Heiterkeit)


Dafür hat aber der Kollege Tempel um das Wort für eine
ganz kurze Kurzintervention gebeten .


Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817602900

Ganz kurz . – Der Herr Kollege Bosbach, vor dem ich

viel Respekt habe, hat eine meiner Formulierungen als
„übel“ bezeichnet . Übel fand ich den Umgang mit dem
mir garantierten Recht der Meinungsfreiheit . Eine solche
Formulierung muss man auch einmal so stehen lassen .

Nur ein Beispiel . Die Kollegin Mittag hat hier den
Einsatz verdeckter Ermittler durch die Bundespolizei an-
gesprochen . In ihren Beispielen ging es um organisierte
Kriminalität und kriminelle Schleuserstrukturen . Dabei
wurden auch die Toten in einem Lkw erwähnt .

Als Thema steht hier: Informationsaustausch bei Ter-
rorismusbekämpfung . Jede der hier genannten Maßnah-
men diskutieren wir unter der angegebenen Überschrift .
Als ehemaliger Polizeibeamter weiß ich durchaus, dass
verdeckte Ermittler durch die Polizei in vielfältigen Be-
reichen der organisierten Kriminalität sinnvoll eingesetzt
werden . Die Frage ist, ob beim gemeinsamen Agieren
zwischen Bundespolizei und Bundeskriminalamt eine
Aufgabenüberschneidung oder ein Synergieeffekt vor-
liegt und ob diese Einsatzmöglichkeit bei der Bundes-
polizei tatsächlich notwendig ist . Aber lassen Sie uns das
doch da diskutieren, wo es tatsächlich hingehört, nämlich
beim Thema „Bekämpfung der Schleuserkriminalität“
und Ähnlichem .

Wir reden heute zu Maßnahmen der Terrorismusbe-
kämpfung . Wenn wir hier aber Maßnahmen diskutieren,
die dann in der Debatte völlig anders begründet werden,
dann muss ich doch den Vorwurf erheben dürfen, dass
diese Maßnahmen nur unter dem Deckmantel der Terro-
rismusbekämpfung eingebracht werden .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817603000

Zur Erwiderung .


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1817603100

Herr Kollege Tempel, es ist Ihr gutes Recht, das zu

sagen, was Sie gesagt haben, und es ist mein gutes Recht,
das zu kritisieren, weil die Maßnahmen, die wir insbe-
sondere in den letzten 15 Jahren im Deutschen Bundestag
für eine bessere, erfolgreiche Bekämpfung des interna-
tionalen Terrorismus verabschiedet haben, im wahrsten
Sinne des Wortes notwendig waren und auch heute noch

Wolfgang Bosbach






(A) (C)



(B) (D)


notwendig sind . Wenn Sie Kritik üben, üben dürfen, dür-
fen wir genauso kritisieren, dass Sie dem Gesetzgeber
Motive unterstellen, die der Gesetzgeber nie hatte .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817603200

Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesord-

nungspunkt .

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf der Drucksache 18/8702 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt
es anderweitige Vorschläge? – Das ist offenkundig nicht
der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Frank Tempel, Dr . André Hahn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Demokratie für alle

Drucksache 18/8419

b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes

(Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz)

Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiati-

(Bundesabstimmungsgesetz)

weiterer Gesetze

Drucksache 18/825

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)


Drucksache 18/7972

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll auch
diese Aussprache 77 Minuten dauern . – Einwände sehe
ich nicht . Also verfahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Jan Korte für die antragstellende Fraktion .


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817603300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es geht bei diesen Tagesordnungspunkten um
eine sehr grundlegende Frage, nämlich um den Zustand
unserer Demokratie, und der Zustand ist nicht gut . Wir
haben Zahlen, die ausweisen, dass sich mittlerweile ein
Drittel der Menschen von der Demokratie abgewandt ha-
ben . Das ist nicht in Ordnung . Eine intakte Gesellschaft
darf sich niemals damit abfinden, wenn ein Drittel der
Bevölkerung sich abgemeldet hat . Darum muss es heute
gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zu dem, was wir brauchen, haben wir eine ganze Reihe
von Anträgen – vor allem durch meine Kollegin Halina
Wawzyniak – zu einer Renaissance von Demokratie und
Teilhabe vorgelegt . Ich will drei konkrete Punkte nennen .

Bei mir im Wahlkreis in Sachsen-Anhalt gibt es ein
Dorf, das heißt Quellendorf . Es gehört zu der Stadt Süd-
liches Anhalt . Dort gibt es eine Grundschule . In dieser
Grundschule gibt es allen Ernstes in jedem Klassenraum
nur eine Steckdose sowie einen Essensraum für die Kin-
der, in dem leider nur zwölf Plätze sind . Das heißt, die
Kinder müssen in drei Schichten zum Mittagessen gehen .
Das ist ein inakzeptabler Zustand . Der dortige Bürger-
meister, Burkhard Bresch, will das logischerweise än-
dern . Er braucht dafür 1,8 Millionen Euro . Im Vergleich
zu dem, was wir hier oft so diskutieren, ist das nicht viel
Geld . Aber er hat diese 1,8 Millionen Euro nicht . Er hat
1,8 Millionen Euro für alle Schulen in seiner Stadt . Des-
wegen ist es eine demokratische Grundfrage, endlich
die Finanzausstattung der Kommunen auf Vordermann
zu bringen, damit es in jedem Klassenraum mindestens
vier Steckdosen gibt . Das ist Demokratie von unten, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der LINKEN)


Zweites Beispiel . Es erinnern sich hier bestimmt noch
einige – das war, glaube ich, im Jahr 2010 – an den Fall
in Hamburg . Dort gab es einen Volksentscheid . Es gab
eine Initiative – das ist ja äußerst selten – von der CDU,
der SPD, den Grünen und der Linkspartei . Man stand ge-
meinsam auf einem Plakat . Es ging darum, ein längeres
gemeinsames Lernen für diejenigen Kids zu organisie-
ren, die aufgrund ihrer familiären Situation kaum Per-
spektiven haben .

Was passierte? Ein völlig wildgewordenes Ober-
schichtsbürgertum flippte aus und sah seine Privilegien
in Gefahr . Was passierte dann? Es gab dazu einen Volks-
entscheid – das ist sehr gut –, und was passierte?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Woran kann man das Oberschichtsbürgertum eigentlich erkennen?)


Diejenigen, für die diese Initiative dagewesen ist, sind
überwiegend nicht zur Abstimmung gegangen . Das muss
uns umtreiben . Demokratie darf kein Projekt der Eliten
werden . Sie muss für alle da sein . Deswegen hat das eine
soziale Komponente .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn die demokratischen Rechte, die übrigens bitter
erkämpft worden sind – vor allem von der Arbeiterbewe-
gung –, zur Geltung kommen sollen, brauchen wir eine
Grundlage, auf der diese demokratischen Rechte ange-
wandt werden können . Dazu gehören gute Bildung, ein
gutes Auskommen und vor allem ein intakter Sozialstaat .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wolfgang Bosbach






(A) (C)



(B) (D)


Übersetzt gesagt: Demokratie und Gerechtigkeit sind
zwei Seiten einer Medaille . Deswegen fordere ich vor
allem Sie von der CDU/CSU auf,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal, in welchem Land der Sozialstaat besser ist als in Deutschland!)


Ihren Widerstand gegen die direkte Demokratie auf Bun-
desebene aufzugeben . Alle anderen Fraktionen sind da-
für . Wir brauchen endlich Elemente direkter Demokratie,
Volksentscheide auf Bundesebene, liebe Kolleginnen
und Kollegen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will Ihnen an einem Beispiel deutlich machen,
warum das extrem wichtig ist . Wenn Sie in Ihren Wahl-
kreisen mit den Leuten reden – was ja jeder fleißig tut –,
dann lautet dort die vorherrschende Meinung: Es ist völ-
lig egal, ob der Bürgermeister, der Landrat oder Bundes-
tagsabgeordnete von der CDU, der SPD oder der Links-
partei ist; es ändert sich sowieso nichts . – Das hat etwas
mit einer fehlenden Unmittelbarkeit von demokratischen
Entscheidungsprozessen zu tun .

Ein Beispiel dafür ist der Mindestlohn . Die Linke hat
ihn schon 2004 gefordert, als Sie alle noch dagegen wa-
ren .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Wir waren auch dafür!)


Es hat dann über zehn Jahre gedauert, ihn durchzusetzen .
Es war gut und richtig, das endlich zu tun . Aber die Leute
haben nur gesehen: Es dauert, dauert und dauert .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Sie haben den Mindestlohn abgelehnt! – Dr . Eva Högl [SPD]: Demokratie ist kompliziert und dauert!)


Die Idee hinter der direkten Demokratie ist, dass man
über ein Sachthema entscheiden kann, und am nächsten
Tag gibt es dann eine substanzielle Änderung in der Po-
litik . Deswegen ist für eine intakte Demokratie direkte
Demokratie notwendig; sie bedeutet die Unmittelbarkeit
von Entscheidungen .


(Beifall bei der LINKEN)


In einer Gesellschaft, in der die Abstiegsangst oder,
besser gesagt, die Abstiegspanik grassiert, ist es nun
einmal so – deswegen ist die Demokratie nicht von der
sozialen Frage abzutrennen –, dass diejenigen, die die-
se Panik haben, die demokratischen Rechte viel weniger
wahrnehmen als die, die auf der Sonnenseite sind . Das
muss uns doch umtreiben, wenn wir die empirischen Be-
funde sehen .

Deswegen gilt es natürlich auch, den Einfluss und die
überbordende Macht der Konzerne zu brechen . Denn das
ist doch das, was von den Menschen wahrgenommen
wird . Darüber müssen wir doch reden, wenn es um De-
mokratie geht .


(Beifall bei der LINKEN)


Deswegen ist TTIP nicht nur eine Frage von Verbrau-
cherschutz und Wirtschaft . Es ist vielmehr eine elemen-
tare demokratische Frage, ob diejenigen, die ohnehin

schon mächtig sind, noch mehr Instrumente in die Hand
bekommen sollen, um noch mächtiger zu werden . Das
bedeutet nämlich Ohnmacht der einzelnen Bürgerinnen
und Bürger . Deswegen muss man TTIP aus grundsätzli-
chen demokratischen Erwägungen ablehnen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn wir über Demokratie reden, dann müssen wir
auch über die Mentalität in diesem Land nachdenken . Ich
will auch dazu ein Beispiel nennen . Wir kennen es wahr-
scheinlich alle: Jugendliche treffen sich auf öffentlichen
Plätzen, und es dauert nicht lange, bis es irgendeine Ini-
tiative von Anwohnern gibt, die das stört . Wir brauchen
aber ein Klima, in dem es erwünscht ist, dass sich Ju-
gendliche treffen und von mir aus auch Dinge tun, die
aus Erwachsenensicht nicht immer unbedingt sinnvoll
sind . Aber Demokratie beginnt auf öffentlichen Plätzen .
Deswegen brauchen wir auch eine Stimmungsänderung
in diesem Land .


(Beifall bei der LINKEN – Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Aber das hat doch nichts mit der Demokratie zu tun!)


Man kann natürlich auch als Erwachsener auf einem
Platz herumhängen . Das ist auch in Ordnung . Hauptsa-
che, man spricht miteinander und tut etwas zusammen .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Ist das jetzt Pflicht?)


Ein weiterer Punkt, den ich im Zusammenhang mit
dem Thema Demokratie ansprechen möchte, ist das Bil-
dungssystem . Ohne Bildungssystem ist Demokratie nicht
denkbar; denn Demokratie bedeutet einen Lernprozess .
Ich will ein konkretes Beispiel nennen . Wir brauchen
eine Zurückdrängung der neoliberalen Marktlogik bei-
spielsweise aus den Universitäten, wo nur noch nach
Verwertung gefragt wird und wo Studenten keine auto-
nomen Wesen mehr sind, sondern zu Kunden degradiert
werden . Gerade in Universitäten bzw . in Bildungsinsti-
tutionen lernen doch Menschen Demokratie, indem sie
sich zusammentun, sich organisieren und ihre Interessen
wahrnehmen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben sie doch Mitspracherechte!)


Deswegen müssen wir mit der Marktlogik in der Bildung
brechen . Das ist existenziell für eine intakte Demokratie .


(Beifall bei der LINKEN – Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Und dafür brauchen wir Volksentscheide? – Dagmar Ziegler [SPD]: AStA gibt es nicht, oder?)


Ich komme zum Schluss . Ich glaube, dass wir, wenn
wir direkte Demokratie einführen, gleichzeitig die so-
ziale Frage in den Mittelpunkt stellen müssen und dass
wir eine Bildungsoffensive brauchen, die übrigens auch
gewerkschaftliche Bildungsarbeit einschließt, die wieder
viel stärker gefördert werden muss .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt eine Bildungsdebatte?)


Jan Korte






(A) (C)



(B) (D)


Ich will noch einen Punkt ansprechen, um das abzu-
runden, was die soziale Frage angeht . Den Staat gehen
die intimen Verhältnisse seiner Bürger – von Ihnen al-
len – nichts an . Das ist grundgesetzlich so geregelt . So-
bald jemand aber in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, also
Hartz-IV-Empfänger ist, geht es den Staat auf einmal et-
was an, wer bei ihm zu Besuch ist und dort übernachtet .
Das ist eine Lücke in der Demokratie, die dringend ge-
schlossen werden muss . Deswegen haben wir den Antrag
„Demokratie für alle“ vorgelegt .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dagmar Ziegler [SPD]: Das war so schlecht! Schlechter geht es nicht! – Zuruf von der CDU/CSU: Themaverfehlung!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817603400

Tim Ostermann hat nun für die CDU/CSU-Fraktion

das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Tim Ostermann (CDU):
Rede ID: ID1817603500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linken,
wir beraten heute über Ihren Gesetzentwurf – zumindest
für diese Legislaturperiode . Ich bin mir sicher, dass wir
spätestens zu Beginn der neuen Legislaturperiode mit der
erneuten, dann dreizehnten Einbringung rechnen dürfen


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Natürlich!)


und dass es auch dann keine Mehrheit für Ihren Antrag
und Ihren Gesetzentwurf geben wird .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir noch abwarten! – Zuruf von der LINKEN: Sie können gleich zustimmen!)


Ergänzend beraten wir über einen Antrag, der die Auffor-
derung an die Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetz-
entwurfs enthält, der, was das Ziel angeht, genau Ihrem
Gesetzentwurf entsprechen soll . Verstehen muss man das
nicht . Offenbar misstrauen Sie Ihrem eigenen Gesetzent-
wurf . Aber es ist immerhin ein guter Anfang, dass Sie der
Bundesregierung mehr vertrauen als sich selbst .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dazu passt, dass Herr Korte zu allem gesprochen hat, nur
nicht zum Gesetzentwurf und zum Antrag .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD] und Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Neoliberale Bildungspolitik! – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Es kommt noch die Kollegin Wawzyniak!)


Ich will auch einige inhaltliche Bemerkungen zu Ih-
rem Vorhaben machen . Unser System, die repräsentative
Demokratie, zeichnet sich durch große politische Stabi-
lität aus . Viele Entscheidungen waren zu der Zeit, als sie

getroffen wurden, überaus unpopulär . Ich erinnere zum
Beispiel an die Entscheidung über die Westbindung, den
NATO-Doppelbeschluss


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Genau!)


und die Einführung des Euro .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Da hättet ihr besser eine Volksabstimmung gemacht!)


Das alles sind allerdings Beschlüsse, die sich recht
schnell als Segen für unser Land erwiesen haben .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Haben sie nicht!)


Unsere Vorgänger im Bundestag haben damals Rück-
grat bewiesen und entgegen der damals vorherrschenden
Meinung in der Bevölkerung richtig entschieden .

Das Gesetzgebungsverfahren ist in langjähriger Praxis
zu einem ausdifferenzierten Verfahren geworden . Es gibt
widerstreitende Interessen, die es zu kanalisieren und
aufzunehmen gilt . Es gibt mehrere Lesungen im Plenum,
Ausschussberatungen und Sachverständigenanhörungen .
Am Ende stehen Gesetze, die den unterschiedlichen In-
teressen Rechnung tragen . Dieses hohe Maß an thema-
tischer Tiefe und Flexibilität können Plebiszite nicht
bieten . Volksabstimmungen führen in vielen Fällen zu
einer unangemessenen Verkürzung der Sachthemen . Sie
bieten auch bei komplexen Themen als Antwort nur Ja
oder Nein .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Genau, weil das Volk zu dumm ist!)


Man muss aber auch „Ja, aber“ sagen können . Die Ver-
kürzung von Sachthemen eröffnet populistischen Kons-
tellationen viele Handlungsmöglichkeiten . Es besteht die
Gefahr, dass Entscheidungen nicht auf Grundlage sach-
licher Erwägungen getroffen werden, sondern eher auf
Grundlage von Emotionen . Wir wären schlecht beraten,
wenn wir uns in wichtigen Sachfragen von Stimmungen
und Stimmungsmachern leiten ließen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Linksfraktion, das an einem aktuellen Beispiel verdeut-
lichen . In den Niederlanden stand im April das Assoziie-
rungsabkommen zwischen der Europäischen Union und
der Ukraine zur Abstimmung . Der Text des Abkommens
umfasst 177 Seiten . Hinzu kommen 46 Anhänge und drei
Protokolle im Umfang von fast 2 000 Seiten . Unter ande-
rem befasst sich das Abkommen mit Zöllen auf bestimm-
te Produkte . Das ist also eine überaus spannende Lektüre .
Daher verwundert es nicht, dass fast 70 Prozent der Nie-
derländer der Abstimmung fernblieben . Mit dieser Legi-
timation musste die niederländische Regierung dann das
Ergebnis der Abstimmung in Brüssel vertreten . Nachhal-
tigkeit, Verlässlichkeit und ein starkes Mandat für eine
Regierung sehen anders aus . Diese Entscheidung wurde
gleichzeitig als Zeichen der Ablehnung der Europäischen
Union gedeutet . Gerade dies war auch die Absicht . Den
Initiatoren ging es nicht um die Frage, die konkret zur
Abstimmung stand; das gaben sie sogar offen zu . Arjan
van Dixhoorn, einer der Organisatoren, hat zum Beispiel

Jan Korte






(A) (C)



(B) (D)


in einem Interview mit einer Tageszeitung in den Nieder-
landen gesagt – ich zitiere ihn –:

Natürlich kümmert uns die Ukraine nicht . Ein Ne-
xit-Referendum ist aber bisher nicht möglich . Wir
nutzen daher alle Möglichkeiten, um die Beziehun-
gen zwischen den Niederlanden und der EU unter
Druck zu setzen .

Dieses aktuelle Beispiel sollte die Befürworter von
Volksentscheiden aufhorchen lassen .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Man muss bessere Argumente haben! Das ist meistens günstig!)


Hinzu kommt, dass dieses Instrumentarium die Spal-
tung der Bevölkerung in politisch Aktive und in einen
Teil, der sich nicht an Wahlen und Abstimmungen betei-
ligt, verschärfen könnte . Das sehe ich genau anders als
Sie, Herr Korte . Ich möchte auf Michael Müller, den Re-
gierenden Bürgermeister von Berlin – wohlgemerkt ein
Sozialdemokrat, also jemand, der nicht unserem Lager
angehört – verweisen, der gesagt hat, er befürchte, dass
die „Instrumente der direkten Demokratie nicht ein Mehr
an Demokratie für mehr Menschen bedeuten, sondern
nur für einige wenige, die sich schon vorher gut artiku-
lieren konnten“ .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat auch drei Volksbegehren verloren! Deshalb! – Jan Korte [DIE LINKE]: Dazu habe ich gerade etwas gesagt!)


– Genau, Demokratie darf kein Elitenprojekt werden . Sie
haben dieses Argument ebenfalls verwendet .

Diese Beispiele zeigen, dass genau das passieren wür-
de, wenn wir heute Ihren Gesetzentwurf verabschieden
würden . Ich wundere mich, dass gerade Sie das mit Ih-
rem Gesetzentwurf befördern wollen .

Der Vollständigkeit halber möchte ich auf zwei wei-
tere Änderungen eingehen, die Sie mit Ihrem Gesetzent-
wurf einführen möchten: die Absenkung des Wahlalters
auf 16 Jahre


(Dr . Eva Högl [SPD]: Ja!)


und die Einführung einer Wahlberechtigung für Nicht-
deutsche .

Das Wahlalter ist auf Bundesebene bislang an die
Volljährigkeit geknüpft . Diese bringt unter anderem auch
die volle Geschäftsfähigkeit mit sich . Für uns ist das eine
nachvollziehbare Wahlrechtsvoraussetzung . Das Gleiche
gilt für das Vorhandensein der deutschen Staatsbürger-
schaft . Wer Staatsbürger mit allen sonstigen Rechten und
Pflichten ist, dem steht auch das Wahlrecht zu. Wer unse-
re Staatsangehörigkeit noch nicht besitzt, aber auf Bun-
desebene wählen möchte, ist herzlich eingeladen, deut-
scher Staatsbürger zu werden . Wir freuen uns über jeden,
der diesen Weg beschreitet und die Staatsangehörigkeit
beantragt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht immer so einfach! Vor allem nicht unter eurer Regierung!)


Ich möchte eine letzte Bemerkung, lieber Özcan
Mutlu, machen . In dieser Woche hat das Planspiel „Ju-
gend und Parlament“ stattgefunden . Dabei übernehmen
bekanntlich Jugendliche die Rolle von fiktiven Abgeord-
neten und haben die Aufgabe, Gesetzentwürfe durch das
Gesetzgebungsverfahren zu begleiten . Auf der Tagesord-
nung stand unter anderem der Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung bundesweiter Volksabstimmungen . Die-
ser Gesetzentwurf weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit
Ihrem Gesetzentwurf auf . Auch unsere jungen Kollegen
haben den Gesetzentwurf mit stichhaltigen Argumenten
und deutlicher Mehrheit abgelehnt .


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die sind schon von Ihnen versaut! Die Jugendlichen wurden schon von Ihnen versaut!)


Sie sehen, um die Abgeordneten von morgen müssen
wir uns keine Sorgen machen . Im Gegenteil: Wir kön-
nen stolz darauf sein, wie präzise und scharfsinnig dort
diskutiert worden ist . Wir folgen unseren jugendlichen
Vorbildern und lehnen Ihren Gesetzentwurf und Ihren
Antrag ab .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1817603600

Jedenfalls ist die Veranstaltung „Jugend und Parla-

ment“ keine Einübung in Plebiszite, sondern in den an-
spruchsvollen Umgang mit Repräsentation .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wie auch immer .

Ich möchte, bevor ich den nächsten Redner aufrufe,
auf der Ehrentribüne den Präsidenten des georgischen
Parlamentes und seine Delegation herzlich begrüßen .


(Beifall)


Lieber Kollege Usupaschwili, seien Sie uns in Berlin
herzlich willkommen . Ich bedanke mich auch sehr für die
guten, konstruktiven Gespräche im europäischen Geist,
die wir gestern in verschiedener Besetzung miteinander
geführt haben . Wir wünschen Ihnen für Ihren Besuch in
Sachsen-Anhalt noch interessante Aufschlüsse und alles
Gute für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken .


(Beifall)


Nun erhält der Kollege Mutlu für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen das Wort .


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817603700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letzten

Sonntag habe ich am Brandenburger Tor im Rahmen des
Umweltfestes beim Berliner Volksbegehren „Volksent-
scheid Fahrrad“ unterschrieben


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


und mit vielen Freunden Unterschriften gesammelt . Zahl-
reiche Berlinerinnen und Berliner erachten dieses Volks-
begehren für bitter notwendig, weil der rot-schwarze

Dr. Tim Ostermann






(A) (C)



(B) (D)


Berliner Senat Radfahrerinnen und Radfahrer seit Jahren
und Jahrzehnten wie Stiefkinder behandelt . Fahrradfah-
ren in Berlin ist eine Mutprobe und das nicht nur wegen
der vielen Baustellen . Deshalb hoffe ich, dass viele Ber-
linerinnen und Berliner bei dem Volksbegehren „Volks-
entscheid Fahrrad“ mitmachen und endlich den Berliner
rot-schwarzen Senat zur Bewegung zwingen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Ich möchte heute aber nicht über Mutproben oder
über die Versäumnisse des Berliner Senats sprechen .
Dazu würde meine Zeit einfach nicht reichen . Ich möch-
te darüber sprechen, wie wichtig es ist, dass Bürgerinnen
und Bürger die Möglichkeit haben, sich an politischen
Entscheidungen zu beteiligen und diese voranzutreiben,
wenn Regierungen Fehlentscheidungen treffen, Fehlent-
scheidungen, die durch Bürgerbeteiligungen und Volks-
begehren oder Volksentscheide verhindert oder korrigiert
werden können .

Wieder zwei Beispiele aus meiner Heimat Berlin: der
Volksentscheid zur Offenlegung der Verträge der Ber-
liner Wasserbetriebe oder der Volksentscheid zum Tem-
pelhofer Feld . Bei beiden haben die Berlinerinnen und
Berliner den Senat erfolgreich in die Schranken gewie-
sen – zu Recht, wie ich finde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir Grüne sind eine Partei der Basisdemokratie und
der Bürgerbeteiligung . Demokratie ist auf aktive, inter-
essierte und verantwortungsbewusste Bürgerinnen und
Bürger angewiesen . Wer auch außerhalb von Wahlen die
Möglichkeit hat, sich einzubringen, nimmt viel motivier-
ter am politischen Geschehen teil .

Nicht zuletzt sind Bürgerbeteiligungen und Volksin-
itiativen daher wichtige Instrumente dafür, Menschen
aktiver an der politischen Willensbildung und an Ent-
scheidungen teilhaben zu lassen, und wirken so auch der
Politikverdrossenheit, die sich in unserem Land tatsäch-
lich breitmacht, entgegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb muss unsere Demokratie durch Bürgerbeteili-
gung und direkte Demokratie ergänzt werden, nicht nur
in Städten und Kommunen, nicht nur in Ländern, son-
dern auch im Bund .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Aus diesem Grunde werden wir dem Antrag der Linken
„Demokratie für alle“ zustimmen,


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr gut!)


aber nicht ihrem vorliegenden Gesetzentwurf .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wieder nix!)


Wir Grüne haben bereits vor über zehn Jahren den
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer dreistufigen

Volksgesetzgebung mit Volksinitiative, Volksbegehren
und Volksentscheid auf Bundesebene vorgelegt . Hätte
es diese in den vergangenen Jahrzehnten schon gegeben,
würden wir heute vielleicht keine Debatten mehr über
die Ehe für alle führen; denn zwei Drittel der Deutschen
befürworten längst die Öffnung der Ehe für gleichge-
schlechtliche Lebenspartnerinnen und Lebenspartner .
Das ist nur ein Beispiel, bei dem deutlich sichtbar wird,
wie sehr die Bundesregierung manchmal vom Willen der
Wählerinnen und Wähler entfernt ist und in konservati-
ven Denkmustern verharrt .

Auch wenn wir, liebe Kollegen von den Linken, mit
Ihrem Gesetzentwurf in weiten Teilen einverstanden
sind, müssen wir aber in den entscheidenden Punkten
widersprechen, und deshalb enthalten wir uns . So setzen
Sie zum Beispiel für eine erfolgreiche Volksinitiative
100 000 Unterschriften und für ein erfolgreiches Volks-
begehren 1 Million Unterschriften in neun Monaten an .
Für einen erfolgreichen Volksentscheid reicht Ihnen die
Mehrheit der Abstimmenden aus; ein Quorum gibt es
nicht . Diese Schwellen bzw . diese Kriterien halten wir
für zu niedrig angesetzt .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich erinnere hier an die Unterschriftenkampagne ge-
gen die doppelte Staatsbürgerschaft von Herrn Roland
Koch, die uns integrationspolitisch um Jahrzehnte zu-
rückgeworfen hat . Stellen Sie sich vor: Menschen hät-
ten so etwas als Volksbegehren gebracht und hätten das
Staatsbürgerschaftsrecht sogar noch verschärft!

Sosehr wir auch Bürgerbeteiligung und Volksent-
scheide befürworten, möchten wir aber auch davor war-
nen, durch niedrige Schwellen oder durch eine Gesetzes-
änderung ein Einfallstor zu schaffen, was wir später in
Einzelfällen vielleicht sogar bedauern . Deshalb sind wir
der Meinung: Hier müssen andere Schwellen angesetzt
werden:

Erstens: 400 000 Unterschriften für eine Volksinitia-
tive .

Zweitens: Unterschriften von 5 Prozent der Wahlbe-
rechtigten – das wären derzeit etwa 3,2 Millionen Men-
schen – in sechs Monaten für ein Volksbegehren .

Drittens: ein Zustimmungsquorum von 15 Prozent für
Volksentscheide . So war es in unserem Gesetzentwurf
vorgesehen, der leider keine Mehrheit gefunden hat . Ein
solches Quorum würde nämlich auch verhindern, dass
sich partikulare Interessen mancher Gruppen durchset-
zen können .

Ein weiterer Punkt in Ihrem Gesetzentwurf, dem wir
nicht zustimmen können, ist, dass Sie verbindliche Volks-
abstimmungen zu sämtlichen Änderungen der vertragli-
chen Grundlagen der Europäischen Union vorsehen . Als
proeuropäische Partei lehnen wir diese Regelung ab, da
wir die im Grundgesetz verankerte tiefere Integration
von Europa wollen . Dass das auch wichtig ist, zeigt sich,
wenn man bedenkt, was für eine antieuropäische Stim-
mung derzeit in vielen Ländern und teilweise auch in un-
serem Land herrscht .

Özcan Mutlu






(A) (C)



(B) (D)


Um es deutlicher zu sagen: Unsere Enthaltung zum
Gesetzentwurf bedeutet nicht, dass wir gegen Volksent-
scheide sind, sondern dass wir Kritik an der konkreten
Ausgestaltung des vorliegenden Gesetzentwurfs haben .
Wir halten es für problematisch, die Schranken so niedrig
anzusetzen; aber ich bin trotzdem optimistisch .

Ich komme zum Schluss . Hier im Hause gibt es im
Grunde hinsichtlich der Einführung von Volksinitiativen
durchaus eine Mehrheit . Vielleicht sollten wir uns hinset-
zen und gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese
grundsätzliche Idee der Einführung von Volksinitiativen
auch in diesem Haus mehrheitsfähig machen können, um
sie durchzusetzen und beschließen zu können .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817603800

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt das

Wort Dr . Lars Castellucci .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Lars Castellucci (SPD):
Rede ID: ID1817603900

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-

ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken,
Sie haben diese Vorlagen heute eingebracht .


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Gute Vorlagen!)


Wir halten sie inhaltlich über weite Strecken für sehr
sinnvoll, und wir werden ihnen nicht zustimmen .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist das ganze Dilemma der SPD!)


– Auf diese Bemerkung von Herrn Korte, dass das das
Dilemma sei, habe ich gewartet .

Der Punkt ist: Wir waren schon für mehr Demokratie;
da haben die noch den Kaiser gut gefunden .


(Heiterkeit bei der SPD – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Dass die Linke den Kaiser gut gefunden hat, daran kann ich mich gar nicht erinnern! Das ist ja interessant! – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Lange her!)


Das ist die Ausgangslage . Wir sind jetzt zusammen mit
einem Partner in einer Regierung .

Es ist Ihr gutes Recht und sogar Ihre Pflicht, Themen,
die Sie für wichtig halten, hier auf die Tagesordnung zu
setzen und dafür zu sorgen, dass sie im Parlament de-
battiert werden . Ich sage ausdrücklich Danke, weil ich
es sehr wichtig finde, dass wir in diesem Parlament über
Demokratie diskutieren .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist legitim, vielleicht auch schlau, genau die The-
men hier zur Debatte zu stellen, bei denen Sie wissen:
Da können wir einen Keil in diese Koalition zu treiben

versuchen, weil darüber unterschiedliche Auffassungen
herrschen .


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wieso? Wir wissen doch, dass die SPD alles mitmacht!)


Aber es gibt noch etwas Drittes . Ich möchte die Gele-
genheit nutzen, das einmal anzusprechen . Wir alle haben
einen Auftrag, nämlich mit dem, was wir hier betreiben,
auch Aufklärung zu leisten . Es gibt da draußen ein Miss-
verständnis oder ein Unverständnis, was politische Pro-
zesse und politische Spielregeln angeht . Das hängt mit
vielem von dem zusammen, was Sie in Ihrer Analyse
haben: die zurückgehende Beteiligung in der Politik auf
allen Ebenen und die wachsende Distanz .

Jetzt ist es so, dass wir in dieser Koalition einen Ver-
trag geschlossen haben . In diesem Vertrag haben wir fest-
gelegt, welche Dinge wir gemeinsam vorantreiben wol-
len . Darin sind Punkte, die wir Sozialdemokraten sehr
gut finden; darin sind Punkte, die die Vertreter der CDU
und der CSU sehr gut finden. Wir haben sie als Kom-
promiss zusammengefasst . Bestandteil dieses Vertrages
ist, dass wir hier nicht unterschiedlich abstimmen . Wir
haben gesagt: Hier kann nicht einfach jeder machen, was
er will. – Ich finde, zu Verträgen zu kommen, ist ein de-
mokratisches Prinzip . Das dürfen wir nicht diskreditieren
durch falsche Debatten und durch einen falschen Zun-
genschlag bei Debatten in diesem Parlament .


(Beifall bei der SPD – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da klatscht aber nur die SPD und die CDU nicht! Warum nicht? – Gegenruf des Abg . Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Das ist selbstverständlich! Koalitionsverträge hält man ein! Das kennen Sie nicht!)


Kommen wir zu der Frage, ob deswegen alles so blei-
ben sollte, wie es ist . Da möchte ich mich an die Kolle-
ginnen und Kollegen von der Union wenden . Lieber Herr
Ostermann, wenn ich nachts um drei geweckt würde,
könnte ich die Rede aufschreiben, die Sie hier zu diesem
Thema halten .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Tim Ostermann [CDU/CSU]: Weil unsere Argumente so gut sind! Die prägen sich ein!)


Das ist jetzt kein Angebot, das einmal zu versuchen; und
wenn, dann würde ich es mir sehr gut bezahlen lassen .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


Der amerikanische Moralpsychologe Jonathan Haidt
hat nachgewiesen – nicht in einer Studie über die CDU,
sondern in einer Studie, die uns alle betrifft –, dass wir –
das hat etwas mit unserem Gehirn zu tun – häufig Dinge
schon für richtig halten und danach nur noch nach Argu-
menten und Belegen suchen, die unsere moralischen oder
sonstigen Einsichten, die längst schon zustande gekom-
men sind, stützen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das liegt aber an jedem Abgeordneten selbst!)


Jetzt sind die Probleme, die wir haben, aber nicht so,
dass wir immer wieder nur auf das zurückkommen kön-
nen, was wir schon einmal für richtig gehalten haben

Özcan Mutlu






(A) (C)



(B) (D)


oder was schon die Generationen vor uns immer gesagt
haben . Wir sind in einer Situation – das ist meine feste
Überzeugung –, in der es lohnt, neu nachzudenken .

Vor etwa einem Jahr lief diese Debatte unter dem
Thema Wahlbeteiligung . Im Frühjahr hatten wir Wahlen
in drei Bundesländern . Tatsächlich ist die Wahlbeteili-
gung gestiegen – das habe ich mir herausgesucht –: in
Baden-Württemberg von 66 Prozent auf 70 Prozent, in
Rheinland-Pfalz von 61 Prozent auf 70 Prozent und in
Sachsen-Anhalt von 51 Prozent auf 61 Prozent . Jetzt fra-
ge ich Sie: Ist das ein Zeichen dafür, dass alles gut ist?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schweizer Volksabstimmungen haben geringere Beteiligungen als deutsche Wahlen! Damit das klar ist!)


Aus meiner Sicht nicht! In allen drei Bundesländern sind
die Nichtwähler weiterhin die größte Gruppe – auch das
habe ich herausgesucht –: In Baden-Württemberg waren
es 2,2 Millionen Nichtwähler . Die stärkste Fraktion, die
Grünen, hat 1,4 Millionen Wählerinnen und Wähler hin-
ter sich versammelt .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Und die SPD?)


In Rheinland-Pfalz sind 910 000 Menschen nicht zur Wahl
gegangen . Die SPD ist stärkste Partei mit 771 000 Wäh-
lerinnen und Wählern . Weiterhin ist die Wahlbeteiligung
also nicht so, dass wir sagen könnten: Damit wäre schon
alles gut .

Wir haben Studien ohne Ende, die besagen, dass das
Zur-Wahl-Gehen regelrecht verlernt wird . Wenn eine
Generation schon nicht mehr hingegangen ist, schnappen
die Kinder das auf, und irgendwann ist es so, dass die je-
weils nächste Generation einen Wahltag immer noch ein
bisschen weniger als Feiertag der Demokratie ansieht als
die Generation davor . Das ist eine Aufgabe, der wir uns
stellen müssen . Die Wahlbeteiligung droht immer weiter
zu sinken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Und schließlich: Sind diejenigen, die jetzt da zur Wahl
gegangen sind – was ich ja gut finde, auch wenn ich viel-
leicht mit dem Ergebnis nicht in allen Teilen glücklich
bin –, denn dauerhaft für die Demokratie gewonnen?
Glauben wir das ernsthaft? Ich glaube, die haben einmal
Dampf abgelassen . Die große Gefahr ist jetzt, dass sie
von denen, die sie da gewählt haben, die sie zum Teil
nicht einmal kennen und deren Programme sie gar nicht
gelesen haben, wieder enttäuscht werden, so wie sie über
Jahrzehnte das Gefühl hatten, immer wieder von der Po-
litik enttäuscht worden zu sein . Das heißt, wir haben hier
wahrscheinlich ein Zwischenhoch an Wahlbeteiligung,
werden auf die Dauer aber weiter sinkende Wahlbeteili-
gungen haben . Unser Kernproblem – das ist das Problem
mit dem Rechtspopulismus – ist weiterhin die gefühlte
Distanz zwischen uns hier in der Politik und den Men-
schen da draußen . Wir sind aufgerufen, diese Distanz

zu überwinden . Direktdemokratische Verfahren sind ein
Teil der Antwort auf dieses Problem .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt könnte man natürlich überlegen, ob man auch
mehr direkte Demokratie hier im Parlament ermöglicht,
indem wir beispielsweise sagen: Wir könnten doch öfter
einmal frei entscheiden, ohne dass das vertraglich dann
so festgezurrt ist, und für das stimmen, was wir für rich-
tig halten .


(Beifall der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE] und Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich bin zum Beispiel auch der Meinung, dass die Ehe für
alle längst gelten sollte . Aber wir haben schon bei Herrn
Mutlu gehört, dass er Einschränkungen in der Argumen-
tation gemacht hat . Am Ende will man natürlich mehr
Demokratie immer am liebsten da, wo man selber denkt,
dass man Unterstützung bekommt .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren drei! Sie haben nicht richtig zugehört!)


Es ist natürlich auch nicht richtig, wenn man unter „mehr
Demokratie“ versteht, dass man sich aussuchen kann,
was hinten rauskommt . Das heißt: Wenn wir über die
Frage reden wollen, ob wir mehr Initiativen aus dem Par-
lament zulassen möchten, bei denen dann Abstimmungen
freigestellt werden, dann müssten wir das eigentlich zu
einem Paket bündeln, sodass jeder, der eine Chance sieht,
seine Meinung durchzusetzen, das mit den anderen aus-
handeln kann . Es macht keinen Sinn, Einzelabstimmun-
gen freizugeben, bei denen Minderheiten beispielsweise
die CDU/CSU überstimmen, ohne im gleichen Atemzug
auch einen Punkt zur Debatte zu stellen, der der CDU/
CSU wichtig ist und der dann ebenfalls eine Chance auf
Zustimmung erhalten würde .

Meine feste Überzeugung ist, dass mehr Demokra-
tie eine Antwort auf den Rechtspopulismus ist, der im
Moment in ganz Europa und in Deutschland anzutreffen
ist . Wir sollten keine Angst vor unserer Bevölkerung ha-
ben, sondern wir sollten sie ernst nehmen und mit ihr in
einem engen Dialog sein . Ich könnte mir sogar vorstel-
len, dass wir sie ganz intensiv beteiligen bei der Frage:
Wie viel Zuwanderung trauen wir uns in diesem Land
zu? Ich glaube, wir würden sehr erwachsene Debatten
bekommen . In diesen Debatten würde es nicht um Ab-
wehr gehen, sondern darum, deutlich zu machen: Wenn
die Leute kommen, dann müsst ihr in der Politik aber
auch dafür sorgen, dass Kindertageseinrichtungen und
Schulen funktionieren und dass die Leute hier im Land,
denen es auch schon nicht gut geht, weiter berücksichtigt
werden . – Das wäre eine lebendige Demokratie, die wir
ja nicht zuletzt denen, die zu uns gekommen sind, auch
gemeinsam vorleben wollen . In diesem Sinne – es ist so,
wie ich es gesagt habe –: Wir werden nicht zustimmen,

Dr. Lars Castellucci






(A) (C)



(B) (D)


aber wir werden an diesem Thema weiter dranbleiben
und hoffen auf Bewegung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604000

Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege Oswin

Veith, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Oswin Veith (CDU):
Rede ID: ID1817604100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Kollege Castellucci, höhere Wahlbeteiligung erreicht
und Wählerinnen und Wähler gewinnt man nicht durch
permanente Verfassungsänderungen, sondern indem man
den Wählerinnen und Wählern zuhört, sie ernst nimmt
und ihnen zukunftsfähige Lösungen anbietet .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir diskutieren heute auf Wunsch der Linken wieder
einmal den untauglichen Versuch, unsere Verfassung aus
populistischen Gründen zu verändern . Das Manöver ist
durchschaubar . Lieber Herr Kollege Korte, wer nichts
zum eigentlichen Thema zu sagen hat, der muss so reden
wie Sie . Ich kam mir stellenweise vor wie bei einer Rede
zur Wiedereinführung einer sozialistischen Republik . Sie
haben Ihr halbes Parteiprogramm untergebracht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt nicht zurückbleiben! So schlimm war es nicht! – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da klatschen noch nicht mal die eigenen Leute!)


Seien Sie sicher: Das werden wir Ihnen nicht durchge-
hen lassen . Ich hätte mir mehr Substanz an dieser Stelle
gewünscht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich konnte bis jetzt auch keine überzeugenden Argu-
mente in Ihrer Begründung finden, die mich dazu bringen
würden, einer so weitreichenden Verfassungsänderung
zuzustimmen . Lassen Sie mich wenigstens zwei Punkte
ansprechen, die exemplarisch für unsere unterschiedli-
chen Auffassungen stehen, bevor ich Gegenargumente in
der Sache vortragen werde .

Erstens . Sie sprechen von „Zuschauerdemokratie“ .
Damit wollen Sie plakativ das Recht der Bürger auf die
Parteien- und die Kandidatenwahl bei Bundestagswah-
len geringschätzen . Ich kenne keinen Bürger, der sich
mit der Wahl aus dem politischen Raum verabschiedet
und seine Interessen und Überzeugungen nicht mehr ar-
tikuliert . Wer in kommunaler Verantwortung stand oder
steht, weiß, dass die Stadtverordnetenversammlungen
immer dann auseinanderbrechen, wenn es um Bebau-
ungsplanänderungen geht und konkret das eigene Grund-
stück betroffen ist, wenn auch zuweilen nach dem Tages-
ordnungspunkt wieder alle die Sitzung verlassen . Aber es
besteht ein hohes Interesse daran .

Der ständige Kontakt der Wähler mit ihren Repräsen-
tanten ist Kern unserer repräsentativen Demokratie . Ich
setze voraus, dass jeder hier im Hause bereits Bürgerbrie-
fe erhalten und hoffentlich auch beantwortet hat, dass er
Sprechstunden anbietet, dass ein Büro im Wahlkreis exis-
tiert, dass man zu Vereinen oder anderen Interessenver-
einigungen eingeladen wird und dort Rede und Antwort
steht . Ich gehe ebenfalls davon aus, dass Sie die Anliegen
der Menschen, mit denen Sie sprechen, ernst nehmen und
nach bestem Wissen und Gewissen bei Ihrer Entschei-
dungsfindung berücksichtigen. Ebenso gehört es dazu,
die getroffenen Entscheidungen zu erklären und dafür
einzustehen, auch wenn es manchmal unangenehm ist .

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört zu unse-
ren originären Aufgaben als Abgeordnete . Ich hielte es
für grundfalsch, diese Pflicht durch Volksentscheidungen
einfach wegzudelegieren, gerade wenn es kontrovers
wird . Wir drücken uns nicht vor der Verantwortung . Wir
verstecken uns nicht hinter Plebisziten . Ich habe keine
Angst vor Volkes Stimme . Das erwarte ich auch von Ih-
nen .

Zweitens . Sie sprechen davon, Betroffene zu Betei-
ligten zu machen, ebenfalls eine schöne Phrase, die eine
Aktivierung der sogenannten Nichtwähler über Sachthe-
men befördern soll . Ihre Begründung ist angesichts der
Tragweite und der unabsehbaren Folgen der geforderten
Verfassungsveränderung doch mehr von Populismus,
von verfassungstheoretischer Träumerei und verfas-
sungssinnstiftender Ferne geprägt,


(Beifall bei der CDU/CSU)


ganz im Gegensatz zur Demokratie des Grundgesetzes,
die uns fast 70 Jahre gute Dienste geleistet hat und mei-
ner Meinung nach so realistisch, so aktuell und so po-
pulär wie eh und je ist . Es gibt daher keinen sachlichen
Grund, dem, was unsere Verfassungsväter 1949 nieder-
geschrieben haben, zu entsagen


(Dr . Eva Högl [SPD]: Und Mütter!)


und deren großes Zukunftswerk permanent umzukrem-
peln . Volksentscheide oder Volksabstimmungen sind in
der Regel Sachentscheidungen zu einer bestimmten po-
litischen Angelegenheit, üblicherweise begrenzt auf eine
konkrete Fragestellung, welche mit einem einfachen Ja
oder Nein zu beantworten ist . Genau darin liegt auch die
Schwäche dieses Elements der Entscheidungsfindung.
Die Komplexität der Entscheidungen auf Bundesebene
hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen, sodass
es naiv wäre, zu glauben, man könnte derartige Fragen
seriöserweise mit einem klaren Ja oder Nein beantwor-
ten .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Machen wir ja auch nicht!)


Ich möchte daran erinnern, dass, bevor wir hier über
ein Gesetz abstimmen, welches weitreichende Folgen für
die Bevölkerung und unser Land hat, wir jedes mögliche
Risiko, jede mögliche Folge analysieren und auch de-
battieren . Die Beratungen erfolgen in einem komplexen
Verfahren . Nur so kann man Gesetzentwürfen dieser Art
auch gerecht werden . Es werden Experten befragt und
auch angehört . Mit deren jeweiligen Expertisen setzen

Dr. Lars Castellucci






(A) (C)



(B) (D)


wir uns oft wochen-, wenn nicht gar monatelang aus-
einander . Oftmals einigen wir uns dabei auch auf einen
besseren Kompromiss . Dieses wenn auch manchmal
langwierige Verfahren wäre im Falle einer Volksabstim-
mung – so meine ich – nicht durchführbar . Vielmehr
müsste man, will man einen Volksentscheid durchführen,
das betroffene Sachthema unangemessen verkürzen . Dies
geht zulasten einer konkreten Bewertung der Folgen .

Spricht man von einem Mehr unmittelbarer Mitbe-
stimmung auf Bundesebene, muss man fairerweise auch
darüber sprechen, dass Volksentscheide in der Regel
emotional aufgeladen sind und damit gut organisierte fi-
nanz- und kampagnenstarke Interessenvertretungen bei
der Meinungsbildung im Vorteil sind . Das führt letztend-
lich zu einer Verzerrung des scheinbar reinen Volksbildes
und damit zu einem Weniger an Demokratie und schluss-
endlich zu weniger Gerechtigkeit .


(Zuruf der Abg . Katja Kipping [DIE LINKE])


Auch das gehört zur Wahrheit . Die Folge wäre, dass nicht
sachbezogene Gesichtspunkte Einfluss auf die Entschei-
dung nehmen . Und das, so meine ich, kann nicht gewollt
sein .

Die Wahrheit ist, dass die heute zu treffenden Ent-
scheidungen immer in einem Graubereich zwischen
einem klaren Ja und einem klaren Nein liegen . Einer
solchen Situation kann eine Volksbefragung niemals
gänzlich gerecht werden . Hinzu kommt, dass in vielen
Situationen schnell und entschlossen reagiert werden
muss . Neben Schnelligkeit muss Politik auch die not-
wendige Weitsicht mitbringen . Bei Volksentscheiden –
das wissen wir – besteht immer auch die Gefahr einer
Emotionalisierung, sodass keine Chance besteht, mit ra-
tionalen Argumenten zu überzeugen .

Menschen sollen und dürfen politische Verantwortung
übernehmen, und es gibt genügend Möglichkeiten, sich
an der Meinungsbildung zu beteiligen . Auf der Suche
nach den besten Lösungen sind die Bürgerinnen und Bür-
ger natürlich aufgefordert, sich einzubringen, und das tun
sie zum Glück auch . Bürger können sich an den Petiti-
onsausschuss des Deutschen Bundestages wenden . Jeden
Monat gehen dort Hunderte Eingaben ein . Zur Wahrheit
gehört auch: Petitionen waren in der Vergangenheit oft
der ausschlaggebende Impuls für Gesetzentwürfe von
uns .

Churchill hat einmal formuliert:

Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich
den Ansichten anderer Leute zu beugen .

In diesem Sinne halte ich es für richtig, sich unseren An-
sichten zu beugen


(Heiterkeit bei der LINKEN – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Gelegentlich! Aber nur gelegentlich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Ich finde das eine gute Idee!)


und den Gesetzentwurf abzulehnen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604200

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt

die Kollegin Halina Wawzyniak .


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817604300

Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Demokratie für alle heißt, dass jede und jeder, die oder
der es will, ohne Existenzangst und mit der dafür not-
wendigen Zeit direkt mitentscheiden kann, wie sich die
Gesellschaft entwickelt .


(Beifall bei der LINKEN)


Demokratie für alle heißt eben auch, Volksinitiativen,
Volksbegehren und Volksentscheide zu ermöglichen . Ih-
nen liegt seit März 2014 der Gesetzentwurf der Linken
vor . Wir wollen die parlamentarische Demokratie ergän-
zen, nicht ersetzen . Es ist im Übrigen nicht der erste Ge-
setzentwurf von uns dazu .


(Beifall bei der LINKEN)


Der Gesetzentwurf ist trotz einiger Neuerungen im
Prinzip ein alter Hut, so wie auch die Argumente dafür
und dagegen – das haben wir gerade wieder gemerkt .
Wir könnten uns das alles sparen, wenn wir endlich di-
rekte Demokratie einführen würden . Solange das nicht
passiert, werden wir dieses Thema immer wieder auf die
Tagesordnung setzen, bis auch der Letzte – in dem Fall
die Union – begriffen hat, dass der Souverän, und zwar
die hier lebenden Menschen, entscheiden können soll .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Gesetzentwurf wollen wir denjenigen Men-
schen, die seit fünf Jahren hier leben und das 16 . Lebens-
jahr vollendet haben, das Wahlrecht und damit auch die
Möglichkeit geben, bei Volksinitiativen, Volksbegehren
und Volksentscheiden mitzumachen . Wir lassen uns
dabei von dem einfachen, aber durchaus bestechenden
Gedanken leiten, dass diejenigen über die Entwicklung
der Gesellschaft entscheiden sollen, die in ihr leben . Wer
denn sonst, bitte schön?

Wir wollen – das hat der Kollege Mutlu schon aus-
geführt –, dass eine Volksinitiative erfolgreich ist, wenn
100 000 Wahlberechtigte sie unterstützen . Wir wollen
regeln, dass eine Volksinitiative unter anderem dann un-
zulässig ist, wenn sie die in den Artikeln 1 und 20 Grund-
gesetz niedergelegten Grundsätze berührt oder unmittel-
bar das Haushaltsgesetz betrifft . Ein Volksbegehren soll
zustande kommen, wenn ihm innerhalb von neun Mo-
naten mindestens 1 Million Wahlberechtigte zugestimmt
haben; bei Verfassungsänderungen sollen es 2 Millionen
Wahlberechtigte sein . Ein Volksentscheid ist demnach
erfolgreich, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zu-
gestimmt hat, für eine Verfassungsänderung sind hier
zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erforderlich . Wir
haben mit dem Gesetzentwurf erstmals auch ein Abstim-
mungsgesetz vorgelegt, das sowohl die Information der
Stimmberechtigten als auch die Kostenerstattung und die
Transparenz regelt .

Oswin Veith






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grü-
nen, wir haben es gehört: An der einen oder anderen
Stelle finden Sie unseren Gesetzentwurf nicht ganz so
überzeugend . Das ist heute nicht mehr zu ändern . Aber
vielleicht schauen wir mal, ob wir bei nächstbester Gele-
genheit die Möglichkeit haben, mehr direkte Demokratie
einzuführen;


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit habe ich meine Rede abgeschlossen!)


denn im Grundsatz sind wir doch dafür .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn nach einer Umfrage 51 Prozent der über 50-Jäh-
rigen sagen, dass es eigentlich egal ist, wen man wählt,
dann muss uns das erschrecken . Und die Haltung „Die
da oben machen eh, was sie wollen!“ ist uns allen doch
schon einmal begegnet .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nicht nur einmal!)


– Nicht nur einmal . Das ist richtig . – Deshalb sagen wir:
Demokratie für alle ist das Angebot an alle hier lebenden
Menschen, selbst Verantwortung für politische Entschei-
dungen zu übernehmen . Wir sagen ihnen: Ihr werdet
ernst genommen, eure Entscheidungen haben Konse-
quenzen . Es sind eben nicht die Politiker oder „die da
oben“, die für euch entscheiden, sondern ihr . Das ist der
Sinn, das Wesen von Demokratie . Dafür sollten wir uns
alle starkmachen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Nehmen Sie Ihre Wähler nicht ernst?)


Mir geht es ähnlich wie dem Kollegen Castellucci:
Die Gegenargumente, die hier vorgebracht worden sind,
kann ich alle im Schlaf aufzählen, es sind nämlich immer
dieselben .


(Dr . Tim Ostermann [CDU/CSU]: Sie sind immer noch richtig!)


Sie haben diesmal im Übrigen die Weimarer Republik
vergessen, aber das kommt bestimmt auch noch . Sie ist
übrigens nicht an Volksentscheiden gescheitert .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Übrigen tun wir hier im Parlament am Ende auch
nichts anderes, als mit Ja oder Nein zu stimmen . Ich
wüsste nicht, was wir anders machen .


(Dr . Tim Ostermann [CDU/CSU]: Das Gesetzgebungsverfahren, das dahintersteht?)


Ich will noch etwas zu dem Populismusargument sa-
gen . Ich habe in den vergangenen sieben Jahren hier so
viel Anfälligkeit für Populismus erlebt, dass ich mir nicht

vorstellen kann, dass die Bevölkerung anfälliger für Po-
pulismus ist als ein Teil der hier Sitzenden .


(Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: In Ihrer Fraktion, oder wo?)


Mehr direkte Demokratie, das Prinzip von Volks-
entscheiden und Volksbegehren, kann eine große Bil-
dungsveranstaltung sein . Die Erfahrungen zeigen: An-
fang 2014 gab es 600 Bürgerbegehren bundesweit, von
denen sich nur 20 gegen Flüchtlinge richteten – das sind
20 zu viel –; parlamentarische Initiativen gegen Geflüch-
tete gab es hingegen viel, viel mehr . Es gab bisher zum
Glück überhaupt keinen Bürgerentscheid gegen Geflüch-
tete . Vor diesem Hintergrund: Hören Sie von der Union
auf, zu erklären, die Bevölkerung sei anfällig für Popu-
lismus . Die Bevölkerung ist nicht anfälliger als wir hier .

Ich sage Ihnen: Lassen Sie uns die Initiative ergreifen!
Lassen Sie uns mehr Demokratie für alle ermöglichen!
Lassen Sie uns Volksbegehren, Volksentscheide und
Volksinitiativen zulassen!

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604400


Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege
Matthias Schmidt, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604500


Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehr-
ten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Lie-
be Kolleginnen und Kollegen! Herr Korte, es gibt viele
gute Argumente für die Einführung von Elementen der
direkten Demokratie, aber in Ihrer Rede haben Sie kein
einziges benannt .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)


Ich verstehe Ihre Beispiele in diesem Zusammenhang
überhaupt nicht: Steckdosen haben Sie als Synonym für
Demokratie angeführt, etwa bei der Frage, ob nun eine
oder vier Steckdosen in der Schule vorhanden sein sol-
len . In Ihrem Beispiel war das Geld sogar vorhanden .
Das sind doch keine Sachverhalte, die durch direkte De-
mokratie geklärt werden müssten .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wenn Sie darüber nachdenken würden, würden Sie das verstehen!)


Weiterhin haben Sie als Beispiel den Mindestlohn ge-
nannt, der nach Ihrer Aussage erst nach zehn Jahren De-
batte eingeführt worden sei . Ja, aber Sie als Parlamenta-

Halina Wawzyniak






(A) (C)



(B) (D)


rier müssten doch wissen: Demokratie ist langsam, aber
sie ist ausgewogen .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Manchmal geht es aber auch ganz schnell: Bei Hartz IV waren Sie ganz schnell!)


In der Demokratie werden viele Argumente miteinbezo-
gen, und dann kommt man zu einer sachgerechten Ent-
scheidung . Es ist eine Illusion, zu glauben: Wenn wir
direkte Demokratie hätten, dann würden alle Entschei-
dungen über Nacht getroffen – ich glaube, Sie haben ge-
sagt: am nächsten Tag ist die Entscheidung da –, aber das
stimmt doch gar nicht . Das wäre auch nicht sachgerecht .
Es ist nicht erstrebenswert .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kollegin Wawzyniak hat doch gerade erklärt, worum es geht!)


Die Demokratie ist das Beste, was sich die Mensch-
heit in den letzten zweieinhalbtausend Jahren hat einfal-
len lassen, um das Gemeinwohl zu organisieren .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Auch der erste Satz im Antrag der Linken ist völlig rich-
tig:

Die parlamentarische Demokratie hat sich über vie-
le Jahre bewährt .

Zur parlamentarischen Demokratie gehört der Aus-
tausch der Argumente, gehört der Streit, aber dazu gehört
auch die Fähigkeit zum Kompromiss . Die parlamentari-
sche Demokratie wirkt wie eine Lupe, durch die man die
unterschiedlichen Argumente sehr klar erkennen kann .
Das war im Parlament bei Adenauers Westintegration
so – damals heiß umstritten, heute natürlich unbestrit-
ten –, und das war bei Brandts Ostpolitik – mindestens
genauso heiß umkämpft, aber heute unbestritten – so .
Beides zusammen – Westintegration und Ostpolitik – ha-
ben überhaupt die Grundlagen für die deutsche Einheit
gelegt .

Auch Gerhard Schröders Arbeitsmarktreformen wer-
den irgendwann von der Geschichte bewertet . Ein Blick
ins Ausland zeigt, dass es dazu sehr positive Stellung-
nahmen gibt . Aber wir wollen heute nicht über Gerhard
Schröders Arbeitsmarktreformen reden, sondern wir
reden über den Antrag „Demokratie für alle“ von den
Linken. Ich finde, die Kanone, die Sie da ausgepackt ha-
ben, ist ein bisschen zu groß für die Spatzen, auf die Sie
schießen .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kriegsrhetorik!)


Die Demokratie an sich ist in einem sehr guten Zustand .
Die Überschrift Ihres Antrags insinuiert ja, es würden
nicht alle an der Demokratie teilnehmen können . Das ist
so nicht wahr .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt viele, die nicht mehr teilnehmen wollen!)


Die Demokratie bundesrepublikanischer Ausprägung ist
seit vielen Jahren ein Mitmachangebot für alle Bürgerin-
nen und Bürger .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604600

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Korte

von den Linken?


Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604700

Ich habe damit gerechnet, und ich gestatte sie gerne .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817604800

Bitte schön, Herr Kollege Korte .


Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817604900

Meinen Sie allen Ernstes, dass der Zustand der Demo-

kratie im Moment gut ist? Deuten nach Ihrer Kenntnis
alle empirischen Untersuchungen auf eine absolute Zu-
stimmung zum parlamentarisch-demokratischen System
hin? – Das ist meine erste Frage .

Bei meiner zweiten Frage geht es um etwas, was mich
wirklich erschreckt hat . Sie sind ja Sozialdemokrat . Ich
komme aus einer sozialdemokratischen Familie, in der
immer parteiliche Bildung stattfand, zum Beispiel über
die Grundlagen des demokratischen Sozialismus . Um
es einmal klassisch auszudrücken: Das gesellschaftliche
Sein bestimmt das Bewusstsein . Übersetzt heißt das, dass
ich, wenn ich in ökonomischer Hinsicht gut abgesichert
bin und eine bestimmte Bildung habe, wenn ich also über
ein gutes Einkommen und ein gutes Leben verfüge, auch
mehr demokratische Freiheitsrechte wahrnehme . Ich
habe versucht, das am Beispiel Hamburg deutlich zu ma-
chen . Sehen Sie als Sozialdemokrat keinen Zusammen-
hang zwischen der sozialen Lage auf der einen Seite und
dem demokratischen Alltagsengagement auf der anderen
Seite?


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817605000

Vielen Dank, Herr Kollege Korte . – Ich habe es schon

gesagt: Ich finde den Zustand der Demokratie insgesamt
gut . Gleichwohl gibt es immer Dinge, die verbessert wer-
den müssen, die verbessert werden können . Dafür braucht
es den demokratischen Wettstreit, dafür braucht es Argu-
mente, und dafür braucht es am Ende Entscheidungen .
Selbstverständlich gibt es – Sie haben die Bildungspoli-
tik angesprochen – immer etwas zu tun . Wenn dem nicht
so wäre, bräuchte es gar keinen Bundestag . Dann hätten
wir keine Existenzberechtigung . Also: Wir brauchen die
Demokratie in dem Zustand, in dem sie ist; wir brauchen
das Mitmachangebot der Demokratie, damit sich jeder
beteiligen kann . Dieses Mitmachangebot – ich will das
ausdrücklich sagen – beschränkt sich nicht auf Wahlen
und Abstimmungen . Teilhabe an der Demokratie ist in
vielen Bereichen möglich, und sie wird in vielen Be-
reichen genutzt . Ich halte das für ein gesundes System,
das man an verschiedenen Stellen immer ergänzen und
verbessern kann, zum Beispiel auch durch Elemente der

Matthias Schmidt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


direkten Demokratie, das aber im Grundsatz gut funkti-
oniert und unser Allgemeinwesen ordentlich organisiert .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich hatte es gesagt: Ein Wesenselement der Demokra-
tie ist der offene und ehrliche Streit um Argumente, ver-
bunden mit der Fähigkeit und dem Willen zum Kompro-
miss . Damit gehen zwei entscheidende Fragen einher, die
heute zur Diskussion stehen: Erstens . Wer soll streiten,
diskutieren und argumentieren? Zweitens . Wer darf und
soll entscheiden?

Ich glaube, wir sind uns bei der Beantwortung der ers-
ten Frage über alle Parteigrenzen hinweg einig: In einer
lebhaften Demokratie sollen grundsätzlich alle streiten;
mir ist das wichtig . Jeder Bürger und jede Bürgerin soll
sich zu aktuellen politischen Fragen eine Meinung bil-
den können und diese vertreten können . Sie müssen ihre
Meinung nicht vertreten, aber sie müssen sie vertreten
können . Der viel zitierte Ausspruch von der Demokra-
tie ohne Demokraten, den wir aus der Weimarer Repu-
blik kennen, zeigt, wie wichtig es ist, dass Menschen
aktiv an der Demokratie teilnehmen . Heute nennt man
das Partizipation oder Teilhabe . Wir messen die aktive
Teilhabe oftmals nur mit einem einzigen Parameter, der
Wahlbeteiligung . Wir haben uns in Deutschland aus gu-
ten Gründen entschieden, keine Wahlpflicht einzuführen.
Also gibt es auch keine Pflicht, sich einzumischen; aber
wünschenswert ist Einmischung schon, und zwar auf al-
len Ebenen und nicht nur bei Wahlen .

Schwieriger wird es bei der zweiten Frage . Wer darf
entscheiden? Dazu sagen die Verfechter der reinen parla-
mentarischen Demokratie: Nur die gewählten Volksver-
treter sollen Entscheidungen treffen können . – Ich will
ein Beispiel jenseits des Parlaments nennen . Ich nehme
ein Beispiel aus dem Alltag . Demokratie gibt es ja an vie-
len Stellen . Thema Familienurlaub: Der Sommerurlaub
steht an . Die Familie will entscheiden, wo es hingehen
soll . Die Eltern rufen ausdrücklich die Kinder auf, mitzu-
entscheiden . Die Kinder setzen sich zusammen und ma-
chen sich Gedanken über den Urlaub . Sie wollen natür-
lich Sonne, sie wollen Strand, sie wollen das Meer; aber
sie wollen auf keinen Fall lange fahren . Also kommen die
Kinder zu der sachgerechten Erkenntnis und bringen das
in den Familienrat ein: Erstwunsch Ostsee, Zweitwunsch
Nordsee, Drittwunsch Gardasee . – Dann kommt nach
einem langen Entscheidungsprozess der Papa und sagt:
Die Entscheidung ist gefallen . Wir fahren zum Wandern
in die Alpen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Super!)


Das führt in dieser Familie zu keiner großen Freude . Das
führt auch nicht dazu, dass die Kinder in den nächsten
Jahren sehr engagiert in der Familie mit debattieren wol-
len .

Das Beispiel hinkt, ich weiß; aber ein kleines bisschen
machen wir das als Bundestag ebenso, indem wir sagen:
Ja, alle Menschen sollen sich beteiligen, alle sollen sich
einbringen und mit argumentieren; aber die Entscheidung
treffen wir hier alleine . Darum sind wir als SPD schon

lange der Meinung, dass wir Volksinitiativen, Volksbe-
gehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene ein-
führen sollten, allerdings nur als Ergänzung der parla-
mentarischen Demokratie, die sich sehr bewährt hat . Das
hatten wir auch in unserem Wahlprogramm verankert;
Kollege Castellucci ist darauf eingegangen . Leider ist es
uns bislang nicht gelungen, den Koalitionspartner dafür
zu gewinnen .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht mal die Koalition wechseln!)


Aber Koalitionen leben von der Fähigkeit zum Kompro-
miss, und, ja, das ist zuweilen auch schmerzhaft .

Wenn wir an dieser Stelle eine Verfassungsänderung
vornehmen, sollten zwei andere Punkte mit geregelt wer-
den . Ich meine, wir sollten die Wahlperiode auf fünf Jah-
re verlängern, wie es fast alle Landesparlamente getan
haben .


(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sehr guter Vorschlag!)


Es bleibt noch eine zweite Fünf, von der ich meine, dass
wir sie dringend im Bundestag regeln sollten . Das ist die
Festschreibung der Fünfprozenthürde im Grundgesetz .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nee, nee, nee!)


Ich wäre sozusagen für die Doppelfünf und hielte das für
sehr erstrebenswert .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das finden die Linken auch toll!)


Frau Präsidentin, ich merke, das mit meiner Zeit wird
eine knappe Geschichte . Ich werde also versuchen, direkt
zum Schluss zu kommen .

Bei genauerer Betrachtung ist erkennbar: Das Thema
„direkte Demokratie“ ist sehr komplex und braucht eine
Antwort, die dem auch gerecht wird . Wir wollen die Bür-
gerinnen und Bürger stärker beteiligen – lassen Sie mich
das ruhig ausdrücklich betonen –, und wir begrüßen den
Wunsch vieler Menschen, sich direkter und stärker ein-
zubringen . Das ist ganz im Sinne der Forderung, dass die
Demokratie engagierte Demokratinnen und Demokraten
braucht . Das kann uns als Gesellschaft nur stärken . Auch
wenn es uns noch nicht gelungen ist, diese Haltung beim
Koalitionspartner durchzusetzen: Wir bleiben dran .

Ich danke Ihnen recht herzlich für die Aufmerksam-
keit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817605100

Vielen Dank . Das war zwar ein langer Schluss, aber

ausnahmsweise! – Nächste Rednerin ist Katja Keul,
Bündnis 90/Die Grünen .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817605200

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Ständig fragen wir uns, was wir tun können, um

Matthias Schmidt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


unsere parlamentarische Demokratie zu beleben, sie in-
teressanter zu machen und die Politikverdrossenheit zu
bekämpfen . Elemente direkter Demokratie wären gerade
dafür hervorragend geeignet .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Nichts bringt den Bürgerinnen und Bürgern die Arbeit
politischer Entscheidungsträger näher, als sie hin und
wieder selbst entscheiden zu lassen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Machen wir ja!)


Ich will Ihnen einmal erzählen, wie ich persönlich das
in der Schweiz erlebt habe, wo ich als Jugendliche aufge-
wachsen bin . Auch wer nicht regelmäßig die Zeitung las
oder die Nachrichten sah, wurde von den Informationen
über eine anstehende Volksabstimmung auf jeden Fall
erreicht . Ob auf Plakaten oder in Fernsehspots wurden
die Bürgerinnen und Bürger über die Fragestellung auf-
geklärt, und die jeweilige Pro- und Kontraposition wur-
de neutral und gut verständlich dargestellt . Wer so nach
seiner Meinung gefragt wird, macht sich auch Gedanken
über Themen, über die er noch nie nachgedacht hat . Es
ergeben sich Gespräche und Diskussionen unter Freun-
den und Nachbarn und sogar in der Schule .

Als minderjährige Ausländerin war ich damals nicht
berechtigt, abzustimmen . Aber an meiner Schule fand
1986 zeitgleich zur Volksabstimmung eine Abstimmung
unter den Schülern statt, wobei es um die Frage ging, ob
die Schweiz in die UNO eintreten solle . Natürlich wur-
den die Hintergründe und das Für und Wider auch im Un-
terricht dargelegt: Was bedeutet Neutralität der Schweiz?
Warum wurde die UNO gegründet? Am Ende waren wir
in meiner Schule stolz, im Gegensatz zur echten Abstim-
mung für den UNO-Beitritt gestimmt zu haben . Das Er-
gebnis insgesamt war natürlich nicht erfreulich; aber die
ganze Diskussion um die Abstimmung, das Werben für
die eigene Position und für die UNO hat bei mir einen
unvergesslichen Eindruck hinterlassen .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817605300

Darf ich einmal unterbrechen? – Gestatten Sie eine

Zwischenfrage des Kollegen Grosse-Brömer?


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817605400

Bitte sehr .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817605500

Bitte schön .


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1817605600

Ich gehe davon aus, dass die liebe Kollegin Keul Inte-

resse daran hat, ihre nur vier Minuten Redezeit etwas zu
verlängern . Deswegen meine kurze Zwischenfrage: Sind
Sie mit mir der Auffassung, dass gerade die Volksabstim-
mungen in der Schweiz, auf die Sie gerade verwiesen ha-
ben, dokumentieren, dass direkte Demokratie mit weit-
aus weniger Zuspruch versehen ist? Wenn ich die Wahlen
zum Deutschen Bundestag mit den Volksabstimmungen

in der Schweiz vergleiche, dann sehe ich, dass es dort
eine deutlich geringere Wahlbeteiligung gibt .

Sind Sie nicht der Auffassung, dass möglicherweise
auch in Deutschland bei anstehenden Entscheidungen
des Deutschen Bundestages – so ist es jedenfalls in dem
Kreis, in dem ich mich freundschaftlich oder auch po-
litisch bewege – intensive Diskussionen über politische
Streitfragen stattfinden? Dafür brauche ich keine Volks-
abstimmung in der Schweiz mit deutlich geringerer
Wahlbeteiligung als in Deutschland . Dazu brauche ich
nur die Bereitschaft, mich für Politik zu interessieren .
Meine Erfahrung ist: Je spannender die Streitfrage ist,
desto intensiver finden die Diskussionen im Bekannten-
kreis statt . Wenn der Deutsche Bundestag vor einer wich-
tigen Entscheidung steht, sind solche Diskussionen auch
in Deutschland nicht ausgeschlossen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817605700

Herr Kollege, vielen Dank für die Zwischenfrage . –

Ich glaube Ihnen gerne, dass Sie als Erster PGF einer
regierungstragenden Fraktion vor wichtigen politischen
Entscheidungen in Ihrem Umfeld auch darüber diskutie-
ren . Trotzdem ist, glaube ich, unbestritten, dass wir alle
uns wünschen, dass auch in der Bevölkerung eine breite
Diskussion über das, was wir hier machen, vermehrt und
stärker stattfindet. Ich glaube, das können wir nicht her-
unterspielen . Es mag ja sein, dass die Beteiligung manch-
mal geringer ist .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein! Dauerhaft!)


Es mag bei einer Volksabstimmung Themen geben, die
mehr Leute mobilisieren, und manche Fragen, die viel-
leicht weniger mobilisieren . Das ist dann aber auch eine
Aussage über den Wert der Frage, die zur Abstimmung
steht .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! Exakt!)


Ich sehe da kein Problem .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Zurück zu der Schweiz und der UNO . Ich kann Sie
beruhigen: Heute ist die Schweiz Mitglied der UNO . Es
hat allerdings bis 2002 gedauert, und es war bemerkens-
werterweise eine Volksinitiative, die die Frage wieder auf
die Tagesordnung gesetzt hat .

Letzte Woche gab es wieder eine Volksinitiative in der
Schweiz, die es bis in unsere Medien geschafft hat . Die
Abstimmung über das bedingungslose Grundeinkommen
kann als echte Win-win-Situation bezeichnet werden .
Die Befürworter sind zwar unterlegen, können aber für
sich reklamieren, eine Debatte weit über die Grenzen der
Schweiz hinaus belebt zu haben . Auf der anderen Seite
hat das Volk unter Beweis gestellt, dass es sich auch über
fiskalisch höchst relevante Sachverhalte sehr verantwort-
lich Gedanken machen kann .

Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


Niemand von uns will die repräsentative Demokratie
abschaffen . Wir betonen in diesem Zusammenhang aber
immer ein bisschen schnell, dass sich das bestehende
System doch so lange bewährt hat . Nichtsdestotrotz kön-
nen wir nicht ausblenden, dass das Volk Defizite in unse-
rer parlamentarischen Demokratie wahrnimmt . Wir alle
kennen das – es ist vorhin schon angesprochen worden –,
zum Beispiel das Schimpfen über „die Politik“ als solche
oder „die da oben“ . Aber auch den Politikverdrossenen
oder den Wutbürgern gönne ich gerne, dass sie hin und
wieder einmal selbst entscheiden müssen


(Beifall der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


und vielleicht plötzlich merken, dass das gar nicht so ein-
fach ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Der Respekt und die Wertschätzung für das, was wir als
ihre gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter
hier so den ganzen Tag tun, können am Ende dadurch
nur gewinnen .

Die Hürden für Verfassungsänderungen sollten wir
allerdings durchaus etwas höher hängen, als es im Ge-
setzentwurf der Linken vorgesehen ist . Dazu hat mein
Kollege schon viel gesagt . Wir werden uns wegen dieser
kleinen Abweichungen enthalten . Aber der Antrag „De-
mokratie für alle“ findet auf jeden Fall unsere Zustim-
mung .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817605800

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Alexander

Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alexander Hoffmann (CSU):
Rede ID: ID1817605900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin-

nen und Kollegen! Herr Korte, Ihre Rede war eigentlich
ein Ostergedicht zu Weihnachten . Sie haben nicht erklärt,
woher das Geld für diese fünf Steckdosen kommen soll .
Sie haben auch nicht erklärt, wer es bezahlt, wenn Sie
den Mindestlohn erhöhen würden . Aber das Problem
Ihres Beispiels war ein ganz anderes . Es ist nämlich so,
dass Sachaufwandsträger für diese Schule wahrschein-
lich auch in Sachsen-Anhalt die Gemeinde ist . Die Ge-
meinde bekommt die Finanzausstattung vom Land .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Dazu habe ich doch gerade was gesagt!)


Es gibt in Sachsen-Anhalt Volksinitiativen, Volksbegeh-
ren und Volksentscheide . Deswegen verstehe ich nicht,
warum das Ihr Argument für ein solches Instrument auf
Bundesebene ist . Ich gebe Ihnen einen Tipp: Initiieren
Sie doch einen solchen Volksentscheid in Sachsen-An-

halt . Dann wird es vielleicht etwas mit diesen fünf Steck-
dosen .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Berechtigterweise müssen wir uns in diesem Haus die
Frage stellen: Wie wecken wir bei den Bürgerinnen und
Bürgern das Interesse für Politik? Wie steigern wir die
Wahlbeteiligung? – Das ist richtig, Herr Castellucci . Wir
müssen uns auch die Fragen stellen: Wie vermeiden wir,
dass die Menschen im Land das Gefühl haben: „Die da
oben entscheiden sowieso über unsere Köpfe hinweg“?
Wie gelingt es uns, dafür zu sorgen, dass sich die Bür-
gerinnen und Bürger dieses Landes in den politischen
Entscheidungen wiederfinden? Die spannende Frage ist
aber: Ermöglicht das der vorliegende Vorschlag? – Herr
Castellucci, das war ja eigentlich Ihr Ansatz; aber auch
Sie sind eine Antwort auf diese Frage schuldig geblie-
ben . Auch Sie haben manche Bundesländer benannt und
die niedrige Wahlbeteiligung dort beklagt . Aber in all den
Bundesländern, die Sie genannt haben, gibt es plebiszi-
täre Elemente .

Ich möchte heute in meiner Rede auf die genauen Zah-
len im Hinblick auf plebiszitäre Erfahrungen in Deutsch-
land eingehen . Ich habe als Beispiel Bayern genommen .
Sie wissen, in Bayern gibt es Volksbegehren und Volks-
entscheide schon seit 1946 . Seither fanden 20 Volksbe-
gehren und 19 Volksentscheide statt . Interessant sind die
Eintragungszahlen bei Volksbegehren . Sie bewegen sich
zwischen 2,3 und 17,2 Prozent der Stimmberechtigten .
Nur 8 dieser 20 Volksbegehren wurden angenommen
mit Erreichen des Eintragungsquorums von in Bayern
10 Prozent . Wenn man sich die Chronologie über die Jah-
re hinweg anschaut, dann muss man feststellen, dass es
in den Jahren 1967 bis 1977 sieben Volksbegehren gab,
von 1990 bis 2000 sechs und von 2003 bis 2014, also in
elf Jahren, sieben . Das heißt, auch hier stellt man nicht
fest, dass es zu einer Intensivierung, zu einer Steigerung
der Anzahl kam, die – ich sage es einmal so – mit der
Steigerung auch der medialen Diskussion über Politik-
verdrossenheit einhergeht .

Auch die Wahlbeteiligung gibt zu denken . Bei Volks-
entscheiden liegt sie in Bayern zwischen 23,3 Prozent
und 63,2 Prozent, je nach Termin . Die Wahlbeteiligung
ist nämlich dann hoch, wenn wir einen Volksentscheid
mit einer Landtagswahl oder einer Bundestagswahl ver-
binden . Das heißt, die plebiszitären Elemente haben aus
sich heraus nicht die Kraft, die Leute an die Urne zu brin-
gen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)


Meine Damen, meine Herren, es gibt zwei Erklärun-
gen für diese Situation in Bayern; Sie können sie sich
aussuchen . Erklärung Nummer eins ist: Bayern ist das
gelobte Land . Dort ist alles so gut, dass die Menschen
keinen Bedarf sehen, etwas zu ändern .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sagt Herr Seehofer! – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das überzeugt mich sofort!)


Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


So gut wie ich Sie kenne, wird das aber nicht Ihr Argu-
ment sein . Dann kann es eben nur das zweite Argument
sein: Plebiszitäre Elemente alleine genügen nicht, die
Menschen an die Wahlurnen zu bringen .


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Beides stimmt! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist nicht mein Argument! Das ist Ihr Argument!)


Ähnlich sind die Erfahrungen auf kommunaler Ebene;
auch das will ich an dieser Stelle einflechten. Ich habe
drei Jahre das Wahlamt einer mittelgroßen Stadt in Bay-
ern mit circa 130 000 Einwohnern geleitet . Die Wahl-
beteiligung lag dort regelmäßig unter 20 Prozent . Das
Zustimmungsquorum von 10 Prozent wurde regelmäßig
nicht erreicht . Das beschäftigt mich deswegen bis heute,
weil es doch gerade auf kommunaler Ebene um Fragen
geht, die die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen müss-
ten. Es findet eine unmittelbare Berührung statt, weil
es zum Beispiel um Entscheidungen wie den Bau einer
Straßenbahn oder die Bebauung eines Parkgeländes geht .
Auch mit solchen Fragen sind die Menschen dort leider
nicht zu motivieren gewesen. Demgegenüber fielen in
dieser Stadt mit etwa 130 000 Einwohnern regelmäßig
Kosten von 100 000 Euro pro Volksentscheid an .

Trotzdem glaube ich, dass wir uns auf Bundesebene
durchaus Gedanken machen müssen . Aber ich sage Ih-
nen: Einige Fehler dürfen uns nach meiner Einschätzung
dabei nicht passieren . Wir brauchen politische Stabili-
tät . Wir müssen vermeiden, dass solche Instrumente der
politischen Stimmung unterworfen werden . Stellen Sie
sich zum Beispiel vor, wir hätten im August 2015 eine
Volksabstimmung zur Frage der Schließung der Grenzen
durchgeführt, und stellen Sie sich eine Volksabstimmung
über dieselbe Frage im Januar 2016 vor . Damit uns das
nicht passiert – es ist angeklungen –, brauchen wir Quo-
ren .

Wenn man sich Ihren Gesetzentwurf anschaut, stellt
man fest: Es besteht vor allem eine Gefahr, nämlich die,
dass Minderheiten Mehrheiten regieren . Da ich Ihre so-
zialistische Kampfrede von vorhin noch in Erinnerung
habe – Herr Korte, seien Sie mir nicht böse –, muss ich
sagen: Bewahre uns Gott davor!


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Was war denn daran sozialistisch?)


Nach Ihrer Auffassung soll ein Volksbegehren zustande
kommen, wenn sich mindestens 1 Million der Wahlbe-
rechtigten innerhalb von neun Monaten einträgt . 1 Mil-
lion, das klingt nach wahnsinnig viel . Wir haben in
Deutschland circa 64 Millionen Stimmberechtigte; das
sind also gerade einmal 1,56 Prozent . Hätten Sie die Zahl
1,56 Prozent in Ihren Gesetzentwurf geschrieben, wäre
jedem beim ersten Durchlesen klar geworden, was für ein
Instrument Sie hier etablieren wollen, nämlich eines, das
dazu führt, dass am Schluss die Minderheit die Mehrheit
regiert .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Entschieden wird durch Volksentscheid! Das ist etwas ganz anderes! Das dürfen Sie nicht durcheinanderbringen!)


Lassen Sie mich am Schluss noch etwas zum Wahl-
recht ausführen . Sie wollen das Wahlrecht von der deut-
schen Staatsangehörigkeit trennen .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja! Dazu erzähle ich Ihnen nachher noch einmal etwas!)


Ich warne deshalb davor, weil wir in Deutschland einen
untrennbaren Zusammenhang zwischen der deutschen
Staatsangehörigkeit und den staatsbürgerschaftlichen
Rechten haben .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Bei den Kommunalwahlen nicht!)


Den staatsbürgerlichen Rechten wie dem Wahlrecht
stehen staatsbürgerliche Pflichten gegenüber. Herr
Ostermann hat es vorhin schon herausgearbeitet: Wel-
ches Bestreben sollte denn noch jemand haben, die deut-
sche Staatsangehörigkeit zu erlangen, wenn Sie ihm am
Schluss eines der wesentlichen staatsbürgerlichen Rech-
te, nämlich das Wahlrecht, auf dem Silbertablett präsen-
tieren? Es ist für mich – das sage ich auch ganz offen –
nicht einzusehen, dass Sie, wenn Sie das schon ändern
wollen, hier nicht auf das Kriterium der Gegenseitigkeit
bestehen .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das erzähle ich Ihnen heute Abend!)


Das müsste doch mindestens davon abhängig gemacht
werden, dass unsere deutschen Mitbürger im Ausland
auch in den Ländern wählen dürfen, aus denen die Da-
men und Herren stammen, die mit ausländischer Staats-
bürgerschaft bei uns wählen dürfen .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Kollege Hoffmann, TOP 15 nachher!)


Mit genau diesem Eindruck darf ich schließen . Sie
haben uns einen untauglichen Vorschlag präsentiert . Er
macht nichts besser, sondern sehr vieles schlechter, und
deswegen werden wir ihm nicht zustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817606000

Vielen Dank . – Als Nächstes spricht die Kollegin

Susann Rüthrich, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zurück zur Sachlichkeit!)



Susann Rüthrich (SPD):
Rede ID: ID1817606100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! 73,1 Prozent der Deutschen stimmen folgen-
der Aussage zu: Die demokratischen Parteien zerreden
alles und lösen die Probleme nicht . – Noch unangeneh-
mer für uns ist, dass 75,6 Prozent folgendem Satz zu-
stimmen: Politiker nehmen sich mehr Rechte heraus als
normale Bürger .

Alexander Hoffmann






(A) (C)



(B) (D)


Wir könnten jetzt sagen: Das ist doch gar nicht so .
Das erlebe ich ganz anders; so sind wir nicht . – Das nützt
nur leider nichts . In der Sozialpsychologie gibt es das
sogenannten Thomas-Theorem, das besagt: Jedes Han-
deln hat reale Folgen, auch wenn die Einschätzung, die
dazu geführt hat, von einer anderen Ausgangssituation
ausgegangen ist . – Die Sichtweise vieler ist nun einmal,
dass sie sich nicht mitgenommen und zu wenig beteiligt
fühlen . Nicht wenige stehen unserer Demokratie skep-
tisch gegenüber, und das wirkt . Das erleben wir an vielen
Stellen . Dabei meint Demokratie doch: Diejenigen, die
von einer Entscheidung betroffen sind, müssen auch das
Ergebnis beeinflussen können. – Das ist der Anspruch,
dem wir gerecht werden müssen, und das geht weit über
die Bundesgesetzgebung hinaus; denn Demokratie findet
in allen Lebensbereichen statt .

Damit bin ich bei den vorliegenden Vorschlägen der
Linken . Ich muss sagen: Der Titel Ihres Antrages, „De-
mokratie für alle“, löst in meinem Kopf ein anderes Bild
aus als das, was ich in Ihrem Antrag finde. Ich hätte er-
wartet, dass Demokratie umfassend beschrieben wird .
Einige Beispiele: In der Familie heißt Demokratie, dass
der Papa eben nicht mehr automatisch das größte Stück
vom Kuchen kriegt, sondern dass die Entscheidungen
zum Besten für alle sind und nicht immer nur für eine
oder für einen . Es geht weiter in den Kitas, Schulen, Be-
trieben, Hochschulen, Pflegeheimen usw. Wer entschei-
det da über was in welchem Rahmen? Wie wird Mit-
bestimmung gelebt? Als formaler Akt, mit Widerwillen
oder aus Überzeugung? In den Kommunen, in den Bun-
desländern, im Bund und in Europa – überall da muss
Demokratie mit Leben gefüllt werden . Warum nennen
Sie Ihren Antrag also „Demokratie für alle“, wenn Sie
nur die Bundesgesetzgebung einbeziehen?

Aber gut, schauen wir uns einmal die Bundesebene
an . Wir setzen hier Rahmenbedingungen, soweit wir als
Gesetzgeber dafür zuständig sind . Das alles wäre aber
eine leere Hülle, wenn es bei diesen Rahmenbedingun-
gen bliebe; die Menschen müssen diesen Rahmen mit
Leben füllen können, und zwar Tag für Tag . Damit sie
das können, braucht es einige Voraussetzungen . Das ist
nichts, was einem einfach in die Wiege gelegt wird . Aus-
handeln, Kompromisse finden – das muss erlernt und
erlebt werden . Viele Menschen engagieren sich genau
dafür und kümmern sich darum, dass das passiert . Genau
die müssen wir stärken . Wir müssen auf Augenhöhe mit
ihnen reden und dann eben auch den Rahmen für die de-
mokratische Beteiligung zur Verfügung stellen .

Aber auch das reicht nicht; denn es braucht auch Bil-
dung, Bildung, Bildung . Damit ist nicht nur das Lernen
mit dem Kopf gemeint; Begreifen ist etwas Aktives . Die
Menschen müssen den demokratischen Rahmen eben
auch füllen können und vor allem füllen wollen . Damit
das klappt, muss die demokratische Bildung weit über
Institutionenkunde hinausgehen . Im Schulunterricht bei-
spielsweise lernt man, was Bundestag und Bundesrat ma-
chen und wie Wahlen funktionieren . Das ist alles gut und
richtig . Wenn aber das Recht, zu wählen, noch drei Jahre
entfernt ist, weil es an das Erreichen des 18 . Lebensjahrs
gebunden ist, dann kann kaum ein Mensch das Gelernte

mit sich in Verbindung bringen . Demokratische Bildung
muss also im täglichen Leben erfahrbar sein .

Was aber tun wir, um die demokratisch eingestellten
Menschen zu stärken? Nun, mit „Demokratie leben!“,
dem Bundesprogramm unserer Familienministerin
Manuela Schwesig, tun wir genau das: die engagierten
Demokratinnen und Demokraten stärken . In Modellpro-
jekten können wir im kleinen Rahmen ausprobieren, was
funktioniert . Aktuell gibt es 218 Lokale Partnerschaften
für Demokratie . Dort unterstützen wir Kommunen dabei,
Demokratie erlebbar zu machen, vom Jugendprojekte-
fonds bis hin zu Netzwerkkonferenzen . In den Beratungs-
netzwerken werden alle Bundesländer dabei unterstützt,
Demokratieberatung in ihrem Land zu vernetzen, zu
qualifizieren und flächendeckend anzubieten. Jedes Land
hat dafür ein Demokratieberatungskonzept entwickelt .
Daran waren viele zivilgesellschaftliche Akteure betei-
ligt. Alle finden sich jetzt in den gemeinsam entwickelten
Ansätzen wieder . Das ist Demokratie! Auf Bundesebene
fördern wir bundesweite Träger von Fortbildung und Be-
ratung bis hin zu Vernetzung und Empowerment .

In diesem Jahr können wir allein für dieses Programm
50 Millionen Euro zur Verfügung stellen; das ist nicht
wenig .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das ein Argument dafür oder dagegen?)


Jedoch übersteigt die Zahl der Anfragen an die Träger
oft das Leistbare . Außerdem: Was in den Modellen funk-
tioniert, wissen wir mittlerweile ganz gut . Wir müssen
das Gute aber auch woanders anbieten können und auf
stabile Füße stellen . Oder: Was in Kommune A passiert,
wollen wir auch in Kommune B möglich machen . Kurz:
Wir müssen in die Breite wirken . Das kann nicht allein
das Programm „Demokratie leben!“ leisten; das ist klar .
Aber was wir können, ist, überall den Anreiz zu geben,
das Rad, das nun schon einmal erfunden ist, auch zu nut-
zen . Zudem beweisen wir mit diesem Programm: Die
Aktiven für das demokratische Zusammenleben, ob in
der Gemeinde, im Land, im Bund, sind nicht alleine . Wir
stehen an ihrer Seite . Ab dem kommenden Haushaltsjahr
soll deswegen das Programm „Demokratie leben!“ statt
mit 50 Millionen Euro mit 100 Millionen Euro ausgestat-
tet werden . Ich gehe davon aus, liebe Kolleginnen und
Kollegen, dass Sie das im Herbst im zu beschließenden
Haushalt mittragen werden .

Aber auch mit der Verdopplung dieser Mittel ist es aus
meiner Sicht noch nicht getan . Das Programm „Demo-
kratie leben!“ läuft über fünf Jahre . Das ist eine lange
Zeit; das freut mich auch . Aber auch diese fünf Jahre sind
endlich . Diejenigen, die sich Tag für Tag für die Demo-
kratie engagieren, wissen, dass sie eine Daueraufgabe
haben, eine Aufgabe, die nie fertig ist . Auch wir wissen
das . Eine Forderung im NSU-Abschlussbericht war – das
haben wir alle bestätigt – eine langfristige Absicherung
der demokratischen Arbeit . Genau das müssen wir tun .
Es muss für uns Demokratinnen und Demokraten eine
Selbstverständlichkeit sein, dass wir denen, die die De-
mokratie außerhalb des Parlaments mit Leben füllen,
verlässlich beistehen . Deswegen lassen Sie uns die ge-

Susann Rüthrich






(A) (C)



(B) (D)


setzliche Grundlage schaffen, damit die Demokratieför-
derung eine Zukunft hat; denn Daueraufgaben müssen
dauerhaft gefördert werden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817606200

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Barbara

Woltmann, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1817606300

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Der Antrag der Linken mit dem Titel „Demokratie für
alle“, über den wir heute gemeinsam mit ihrem bereits
2014 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ände-
rung des Grundgesetzes und zur Einführung eines Bun-
desabstimmungsgesetzes heute beraten und beschließen,
findet nicht unsere Zustimmung;


(Jan Korte [DIE LINKE]: Überraschung!)


das ist hier durch meine Vorredner schon deutlich gewor-
den .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hoffe ich!)


Die von Ihnen gewünschte Einführung einer dreis-
tufigen Volksgesetzgebung und deren Aufnahme in das
Grundgesetz suggeriert schon fast eine Art Basisdemo-
kratie nach Schweizer Vorbild . Dies passt nicht in unser
Demokratieverständnis und das Demokratieverständnis,
das unserem Grundgesetz innewohnt . Durch das Schwei-
zer Modell – Frau Keul hat es in ihrer Rede schon er-
wähnt – mit den Bürgerentscheiden hat es ziemlich lange
gedauert, bis zum Beispiel das Frauenwahlrecht einge-
führt worden ist . Das möchte ich hier nicht .

Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben nach
dem Zweiten Weltkrieg ein sehr kluges und sehr weit-
sichtiges Grundgesetz erlassen . Sie waren geprägt von
den Erfahrungen in der Weimarer Republik und auch des
Dritten Reiches .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da kommt ja doch noch das Argument!)


– Ja, den Gefallen wollte ich Ihnen doch noch tun, dass
dieses Argument auch noch kommt .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wunderbar!)


Das Grundgesetz ist aus den Erfahrungen der Ver-
gangenheit und der Hoffnung für die Zukunft heraus im
Jahr 1949 sehr klar und sehr intelligent gefasst worden .
Es ist das Bekenntnis zu einer repräsentativen Demokra-
tie .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir wollen es ergänzen!)


Für mich ist das Grundgesetz das wichtigste und bedeu-
tendste Gesetz, das wir in Deutschland haben . Es ist die
Basis unserer gesamten Rechtsnormen .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da steht was von Wahlen und Abstimmungen!)


Es war schon damals sehr zukunftsfest und ist es auch
noch heute .

Während wir andere Gesetze schon einmal schnell
ändern, weil sich die gesellschaftlichen oder die poli-
tischen Verhältnisse geändert haben oder auch aktuelle
Ereignisse dies vermeintlich fordern, verschließt sich das
Grundgesetz diesem Zeitgeist des Veränderns, den wir
in der heutigen Zeit allzu schnell verspüren . Da ist das
Grundgesetz dann auf einmal ganz sperrig .

Ein Volksentscheid ist im Grundgesetz dennoch nicht
völlig ausgeschlossen . In Artikel 29 des Grundgesetzes
ist die Möglichkeit normiert, Maßnahmen zur Neuglie-
derung des Bundesgebiets durch ein Bundesgesetz zu
regeln . Dieses Bundesgesetz muss durch Volksentscheid
bestätigt werden . Aber, wie gesagt, das betrifft nur die
Neugliederung des Bundesgebiets, und auch das ist nicht
ganz einfach, wie wir das schon bei dem Volksentscheid
zum Zusammenschluss des Landes Brandenburg mit dem
Land Berlin gesehen haben . Das Ergebnis kennen Sie .

Weiteres zu diesem Thema findet sich nicht im
Grundgesetz, und das aus gutem Grund; denn das, was
in Ländern und Kommunen möglich ist, lässt sich nicht
automatisch auf die Bundesebene übertragen . Für Ände-
rungen des Grundgesetzes muss es schon sehr gewichtige
Gründe geben, und das Grundgesetz kann, wie Sie alle
wissen, nur mit großer Mehrheit, nämlich mit Zweidrit-
telmehrheit, von Bundestag und Bundesrat geändert wer-
den . Über die Ewigkeitsklausel des Artikels 79 Absatz 3
des Grundgesetzes können bestimmte Grundrechte gar
nicht geändert werden . Da sind bewusst große Hürden
aufgebaut worden . Liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Linken, die Gründe, die Sie für eine Änderung des
Grundgesetzes aufführen, reichen mir da nicht aus . Herr
Kollege Korte, Ihre Beispiele – dazu ist hier schon eini-
ges gesagt worden – reichen mir auch nicht .

Aus meiner Sicht ist es auch ein Irrglaube, zu mei-
nen, mit mehr plebiszitären Elementen auf Bundesebe-
ne ein Mehr an Demokratie zu schaffen . So einfach ist
das nicht . Über welche Fälle auf Bundesebene hätten Sie
denn gern durch einen Volksentscheid abstimmen las-
sen wollen – einige Beispiele sind von Vorrednern auch
schon gebracht worden –: das Rettungspaket für Grie-
chenland, die Euro-Einführung, die Erhöhung von So-
zialhilfesätzen oder die Schließung der Grenze im Zuge
der Flüchtlingswelle? Man muss die Dinge immer bis zu
Ende denken .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817606400


Frau Kollegin Woltmann, darf ich Sie unterbre-
chen? – Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Wawzyniak?

Susann Rüthrich






(A) (C)



(B) (D)



Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1817606500

Frau Präsidentin, nein .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ich hätte Sie gern nach Artikel 20 Absatz 2 gefragt!)


Für eine Volksinitiative sollen, Ihren Vorstellungen
folgend, gar nur Hunderttausend Stimmen ausreichen .
Auch das ist von Vorrednern schon kritisch angemerkt
worden .

Wir sprechen manchmal von einer gewissen Demo-
kratieverdrossenheit . Aber ist das wirklich so? Ja, es ge-
hen immer weniger Bürger zur Wahl – bis auf die letz-
ten drei Landtagswahlen . Viele mögen sich wohl nicht
mehr für das politische Geschehen interessieren, manch
einer ist auch enttäuscht . Vielleicht kann man da von ei-
ner gewissen Politikmüdigkeit sprechen . Aber für mich
sind die Lösung und die Antwort auf dieses Phänomen
nicht in Ihrem Gesetzentwurf zu finden. Ich glaube, dass
für viele Demokratie so selbstverständlich geworden ist,
dass es sich oft vermeintlich gar nicht mehr lohnt, sich
für sie einzusetzen . Das können wir nur durch eine über-
zeugende Politik und durch Politiker, welche die Sorgen
und Vorstellungen der Menschen wahrnehmen, lösen und
Antworten darauf finden.


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ich bestätigen!)


Ein Beispiel ist die Flüchtlingswelle im letzten Jahr .
Da sind in der Bevölkerung Ängste und Ablehnung
aufgekommen, wurde Überfremdung befürchtet . Das
müssen wir aufgreifen und müssen darauf durchdachte
Antworten geben . Das haben wir auch getan . Was hätte
uns da jetzt ein Volksentscheid gebracht? Wem hätte das
wohl genutzt? Mir schwant bei solchen Gedanken nichts
Gutes . Insofern sollten wir es belassen, wie es ist .

Bundespräsident Gauck hat im Vorwort der Grundge-
setzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung
geschrieben:

Unsere Verfassung ist – davon bin ich fest über-
zeugt – auch in Zukunft das sichere Fundament zur
Bewältigung aktueller Herausforderungen unse-
res staatlichen und gesellschaftlichen Lebens . Das
Grundgesetz ist eine echte Bürgerverfassung ge-
worden .

Abzulehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Linken, ist auch Ihr Vorschlag, das Wahlalter auf
16 Jahre zu reduzieren . Meine Vorredner haben es schon
angesprochen: Die Bindung an die Volljährigkeit bei al-
len Entscheidungen, die die Bundesrepublik in all ihrer
Tragweite betreffen, ist richtig; denn erst mit 18 entste-
hen auch alle Rechte und Pflichten.

Völlig schleierhaft ist mir auch Ihr Regelungsvor-
schlag – auch das ist schon angesprochen worden –, auch
Nichtdeutschen das Wahlrecht zu geben, die seit fünf
Jahren in Deutschland gemeldet sind .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Tagesordnungspunkt 15 heute! Das erzähle ich Ihnen heute Abend!)


Auch das lehnen wir ab . Das Wahlrecht an die deutsche
Staatsbürgerschaft zu knüpfen, ist richtig . Das Staatsvolk
wird, verfassungsrechtlich gesehen, nur von Deutschen
gebildet .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Unsinn!)


Insofern ist im Bundeswahlgesetz zu Recht geregelt, dass
nur Deutsche den Bundestag wählen dürfen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen hat mich ein bisschen gewundert – der
Kollege Ostermann hat es schon angesprochen –, dass
Sie neben Ihrem Gesetzentwurf noch Ihren Antrag „De-
mokratie für alle“ vorlegen, in dem Sie die Bundesregie-
rung auffordern, Initiativen zu mehr Demokratie vorle-
gen . Ich glaube, Sie sind sich Ihres Gesetzentwurfs nicht
mehr so sicher .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir wollten den Vergleich!)


Sei’s drum: Auch dieser Antrag findet nicht unsere Zu-
stimmung .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817606600

Vielen Dank . – Damit ist die Aussprache beendet .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8419 mit dem
Titel „Demokratie für alle“ . Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit
ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt .

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Grundge-

(Einführung der dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz)

über das Verfahren bei Volksinitiativen, Volksbegehren
und Volksentscheid und zur Änderung weiterer Gesetze .
Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/7972, den Gesetzentwurf der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/825 abzulehnen .
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim-
men wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU- und
SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Lin-
ke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
abgelehnt . Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c auf:

a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Berufsbildungsbericht 2016

Drucksache 18/8300
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung (f)







(A) (C)



(B) (D)


Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss Digitale Agenda
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W .
Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on DIE LINKE

Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver
Bildung in der beruflichen Bildung umsetzen

Drucksache 18/8421
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Beate
Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Brigitte
Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Im Jahr 2016 die Berufsbildung fit für die Zu-
kunft machen

Drucksache 18/8259
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss Digitale Agenda
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Dr . Thomas Feist, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1817606700

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir haben in Deutschland zwei Systeme der Bildung, die
sich an die Schule anschließen: Das sind die akademi-
sche und die berufliche Bildung. Beide Systeme – das ist
meine tiefe Überzeugung – müssen im Gleichklang sein,
weil sie gleichwertig sind .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir heute den Berufsbildungsbericht zur Kennt-
nis nehmen und debattieren, dann stellen wir fest, dass die
Zahl derer, die eine berufliche Bildung beginnen, nahezu
konstant geblieben ist und die Zahl derer, die eine aka-
demische Laufbahn zumindest anfangen – ich rede nicht
von vollenden – stark gestiegen ist . Das ist aus meiner

Sicht etwas, wo die Gleichwertigkeit von akademischer
und beruflicher Bildung aus dem Lot zu geraten scheint.
Deswegen ist es unsere Aufgabe, uns etwas stärker für
die berufliche Bildung zu engagieren. Ich bin unserer Mi-
nisterin Frau Professor Wanka sehr verbunden, dass sie
diesen Ansatz des Parlaments nach Kräften unterstützt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Berufliche Bildung bedeutet nicht – das kann man
nicht oft genug sagen –, dass man einen Gesellenbrief
macht . Das auch, aber danach geht es weiter . Man kann
sich weiterbilden, zum Beispiel zum Techniker, Betriebs-
wirt, Meister. Die berufliche Bildung bietet viele Auf-
stiegschancen . Wir haben einige verbessert, zum Beispiel
durch ein verbessertes Meister-BAföG . Aber wir müssen
dafür werben, dass der Blick für den Aufstieg in der be-
ruflichen Bildung neu geschärft wird; das ist ein ganz
wichtiger Punkt . An dem sind wir auch dran .

Man muss sehen, wer eine berufliche Ausbildung an-
fängt . Der Berufsbildungsbericht 2016 zeigt deutlich,
dass mittlerweile ein Viertel derer, die das Abitur erwor-
ben haben, der Meinung ist, dass die berufliche Bildung
attraktiv ist; denn man hat nach einer beruflichen Bildung
die Möglichkeit, nicht nur sich weiter- und fortzubilden,
sondern auch ein Studium zu beginnen. Ich finde es wich-
tig, dass wir allen Schülern in allen Schulformen schon
frühzeitig das Wissen um die berufliche Bildung und ih-
ren Wert vermitteln . Das schließt die Gymnasien ein .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir müssen auch verstärkt auf die Lehrer zugehen .
Die Lehrer kommen aus der Schule, gehen zum Studium
und gehen wieder in die Schule . Ich möchte ihnen keinen
Vorwurf daraus machen, dass sie die berufliche Bildung
nicht kennen . Aber die Lehrer streben gerade in ihrer
akademischen Laufbahn einen Abschluss an, der auf eine
bestimmte Verwendung abzielt . Wir haben gemeinsam
mit den Lehrern gute Möglichkeiten, dort anzuknüpfen
und für die berufliche Bildung zu werben sowie dafür zu
sorgen, dass eine flächendeckende Berufsorientierung
gewährleistet ist .

Mancher, der ein Studium gewählt hat, stellt erst nach
ein, zwei Semestern fest, dass ein Studium der falsche
Weg ist . Für Fälle, in denen so etwas passiert – das ist
immer möglich –, müssen wir aber Vorsorge treffen . Das
haben wir getan . Wir haben gemeinsam mit dem Minis-
terium die Initiative „Chance Beruf“ gestartet, um den-
jenigen, die nach wenigen Semestern der Meinung sind,
dass eine berufliche Ausbildung vielleicht besser ist, eine
entsprechende Beratung an den Hochschulen zu ermög-
lichen . Es ist gut, dass wir diesen Menschen eine Per-
spektive eröffnen . Ein abgebrochenes Studium darf nicht
bedeuten, dass man gescheitert ist . Vielmehr zeigen wir,
dass man den Umstieg in die berufliche Bildung wagen
kann . Dafür ist es nie zu spät .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir uns den Berufsbildungsbericht 2016 genau
anschauen, dann stellen wir fest, dass es immer weniger
Betriebe gibt, die ausbilden . Das hängt aus meiner Sicht
ganz entscheidend damit zusammen, dass wir vor mehr

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


als zehn Jahren etwas getan haben, was man durchaus
als Fehler bezeichnen kann . Wir haben damals für viele
Berufe die Meisterpflicht abgeschafft, um die Mobilität
zu erhöhen; das ist auch gelungen . Aber was ist denn Mo-
bilität ohne Qualität wert? Das ist nichts wert! Ich will
das beispielhaft an dem Beruf des Fliesenlegers im Bau-
gewerbe verdeutlichen. Hier haben wir die Meisterpflicht
ebenfalls abgeschafft . Damals gab es 12 000 Meisterbe-
triebe im Fliesenlegerhandwerk . Mittlerweile hat sich die
Zahl der Fliesenlegerbetriebe in Deutschland auf 72 000
versechsfacht . Aber die Ausbildungsquote ist um 50 Pro-
zent gesunken . Die Meisterquote – der Aufstieg – im
Fliesenlegerhandwerk ist sogar um 80 Prozent zurück-
gegangen . Deswegen sollten wir uns gemeinsam mit den
Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parla-
ment – denn sie entscheiden das – dafür starkmachen,
diesen Schritt nach Möglichkeit zu korrigieren .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Gestatten Sie mir abschließend noch einen Hinweis .
Natürlich kann die Politik Rahmenbedingungen und
gute Bedingungen für die berufliche Bildung schaffen.
Dennoch schafft Politik nicht einen einzigen Ausbil-
dungsplatz, von einigen wenigen hier im Parlament, die
es auch gibt, abgesehen . Deswegen, denke ich, ist es gut
und richtig, an dieser Stelle auch der Wirtschaft, dem
Mittelstand und dem Handwerk dafür zu danken, dass
wir die Zahlen haben, die wir im Berufsbildungsbericht
nachlesen können . Das ist keine Selbstverständlichkeit .
Wir unterstützen diese Unternehmen dabei, dass sie gute
Lehrlinge finden. Ausbildungsmärkte sind regionale
Märkte; da kann man auch von Sachsen lernen . Ich freue
mich, dass die Vertreterin Sachsens auf der Bundesrats-
bank Platz genommen hat .


(Rainer Spiering [SPD]: Sonst lernen wir immer nur von Sachsen!)


In Sachsen haben wir die Anzahl der Auszubildenden um
2,3 Prozent erhöhen können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Man sollte einmal überlegen, warum das gelungen ist .
Man kann davon lernen .

Abschließend noch eines . Darüber wird sich der Kol-
lege Spiering, der gerade ein bisschen gemosert hat, be-
sonders freuen. Auch die Länder sind in der Pflicht. Das
meine ich besonders im Hinblick auf die Berufsschulen .
Die Berufsschulen, die oftmals in den Kultusministerien
nicht als das fünfte, sondern als das sechste oder siebente
Rad angesehen werden, müssen verstärkt gefördert wer-
den . Es geht nicht darum, dass wir die Länder auffordern,
Kathedralen zu bauen, aber eine gute Ausstattung der
Berufsschulen ist nötig und wichtig . Wir werden diesen
Schritt nach Möglichkeit unterstützen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817606800

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt

die Kollegin Dr . Rosemarie Hein .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817606900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will meine Rede mit einem Dank beginnen, einem
Dank an das Bundesinstitut für Berufsbildung . Von ihm
werden wir Jahr für Jahr mit verlässlichen Daten zur Ent-
wicklung der beruflichen Bildung versorgt, Daten, die
die Politik zum Handeln anregen sollten . Aber irgendwie
handelt die Politik nicht, außer dass die Liste der von
Bund und Ländern aufgelegten Unterstützungsprogram-
me, deren Namen man sich gar nicht alle merken kann,
immer länger wird . Ansonsten gibt es keine wirklichen
nachhaltigen Reaktionen .

Auch die Ende des Jahres 2014 geschlossene Allianz
für Aus- und Weiterbildung, der die Bundesregierung an-
gehört, bringt, wie alle Pakte vor ihr, nicht die gewünsch-
ten Ergebnisse, obwohl nun auch die Gewerkschaften
am Tisch sitzen . Ich will nur ein Beispiel nennen: 20 000
zusätzliche Stellen sollten gemeldet werden, aber nicht
einmal die Hälfte ist erreicht . Das ist eine Bankrotterklä-
rung .


(Beifall bei der LINKEN – Rainer Spiering [SPD]: Oh!)


Darum kann ich auch nicht verstehen, wieso in der
Öffentlichkeit immer wieder von einer positiven Ge-
samtbilanz des Berichts gesprochen wird . Die Zahl der
abgeschlossenen Ausbildungsverträge geht leicht zurück,
die Zahl der ausbildenden Betriebe auch . Die Zahl der
betrieblichen Ausbildungsverträge ist zwar leicht gestie-
gen – um 0,1 Prozent; das sind deutschlandweit ganze
500 Verträge mehr! Aber im Bericht wird das als ein
„erfreulicher Anstieg“ bezeichnet . Dafür aber wurden
19 000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze abgebaut .
Ob das eine kluge Entscheidung war, möchte ich bezwei-
feln; denn wir wollen auch den vielen zugewanderten
jungen Menschen eine Ausbildung ermöglichen . Viel-
leicht könnten wir die dann gut brauchen .

Die Veränderungen – nach oben und nach unten – in
diesem Bericht bewegen sich alle im Nullkommaproz-
entbereich . Es gibt nach wie vor 80 000 erfolglos suchen-
de Bewerberinnen und Bewerber, darunter 20 000, die
überhaupt kein Angebot erhalten haben . Das ist keine po-
sitive Gesamtentwicklung, sondern Stagnation . Das zieht
sich nun schon über Jahre hin . Der einzige Posten, der
wächst, ist der der unbesetzten Ausbildungsplätze . Der
ist nämlich um 10 Prozent auf 41 000 gewachsen . Aber
doppelt so viele haben erfolglos gesucht .

In einigen Branchen und Berufen ist die Bewerberzahl
doppelt so hoch wie die der angebotenen Ausbildungs-
plätze . In anderen Branchen bleiben Tausende Ausbil-
dungsplätze frei . Die Bundesregierung erklärt das seit
Jahren mit Passungsproblemen . Ich glaube nicht, dass
sie das sind . Ich will das vielleicht einmal an einem sehr
drastischen Beispiel deutlich machen . Der erfolglosen
Bewerberin auf eine Stelle als Tierpflegerin kann man
doch nicht ernsthaft anbieten, lieber Fleischerin zu wer-
den, weil das irgendwie auch etwas mit Tieren zu tun
habe .


(Heiterkeit bei der LINKEN)


Dr. Thomas Feist






(A) (C)



(B) (D)


Nein, dieser Zustand der offenen Plätze hat mit der
Attraktivität von Berufen und der Ausbildungsqualität
ebenso zu tun wie mit Erwartungshaltungen von Un-
ternehmen . So meinte kürzlich ein gar nicht so kleines
Unternehmen, alle seine Ausbildungsplätze benötigten
unbedingt das Abitur als Zugangsvoraussetzung . Das
Unternehmen bildet zum Beispiel Industriekaufleute,
Elektronikerinnen und Elektroniker und Fachkräfte für
Abwassertechnik aus . Anspruchsvolle Berufe durchaus,
aber warum sind dafür die anderen Schulabschlüsse
nichts wert?

270 000 Jugendliche befinden sich im Übergangssys-
tem . Die Erhöhung soll sich aus der Zuwanderung erklä-
ren . Zahlen können das nicht belegen . Aber ich will das
einmal so akzeptieren; denn anders lässt es sich fast nicht
erklären . Die Jugendlichen warten im Übergangssys-
tem alle auf eine vollwertige Ausbildung . Mehr als drei
Viertel von ihnen hat einen Schulabschluss . Dass dieser
Übergangsbereich ein geeignetes Mittel ist, alle jungen
Menschen, die es wollen, in Ausbildung zu bringen, ist
ebenfalls ein Märchen . Das kann man in diesem Bericht
auch leicht sehen, nämlich wenn man die Zahlen der so-
genannten Altbewerberinnen und Altbewerber betrach-
tet: Das waren im vergangenen Jahr 185 000 .

Ich möchte gerne noch mit einem anderen Märchen
aufräumen: mit der vermeintlich zu hohen Studiernei-
gung, die die Attraktivität der dualen Ausbildung gefähr-
de .


(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Wer behauptet das denn?)


Doch das ist ein Trugschluss, und zudem ist es weltfremd .
Zum einen gehen viele junge Menschen mit Abitur den
Weg einer dualen Ausbildung – mein Vorredner hat es
gerade gesagt –, und zum anderen nehmen die Zahlen im
dualen Studium seit Jahren zu; auch das ist im Bericht
nachzulesen . Ausgeblendet wird jedoch immer, dass es
noch Berufsausbildungen gibt, die nicht vom Berufsbil-
dungsgesetz oder der Handwerksordnung erfasst werden .
Das sind nicht nur die Gesundheitsberufe, sondern auch
die vielen anderen nach Landesrecht geregelten schuli-
schen Berufsausbildungen .

Im vergangenen Jahr haben – auch das steht im Be-
richt – 234 000 junge Menschen eine solche Ausbildung
begonnen . Rechnet man die zu den 520 000 Ausbil-
dungsverträgen im dualen Bereich hinzu, dann kann man
doch nicht von einer zu hohen Studierneigung reden .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren weist
der Berufsbildungsbericht auch aus, welche beruflichen
Perspektiven Menschen mit Behinderungen in unserem
Lande haben . Noch im Jahre 2008, also vor der UN-Be-
hindertenrechtskonvention, wurden sie hauptsächlich auf
die Maßnahmen des Übergangsbereiches verwiesen . Das
hat sich nun geändert . Im Berufsbildungsbericht wird
seitdem und immer stärker ausdrücklich darauf verwie-
sen, dass Menschen mit Behinderungen in allen aner-
kannten Ausbildungsberufen, die ihnen zur Verfügung
stehen, ausgebildet werden können . Außerdem steht in

diesem Bericht: Wenn ihnen das wegen des Grades ihrer
Behinderung nicht möglich ist, „sollen die zuständigen
Stellen … aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsbe-
rufe besondere Ausbildungsregelungen entwickeln“ . Das
ist ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion, allerdings
ist er noch sehr mager .

Einer jungen Frau im Rollstuhl wurde zum Beispiel im
Rahmen der Berufsberatung geraten, statt des gewünsch-
ten Germanistikstudiums lieber eine Uhrmacherlehre
anzutreten . Als sie sich weigerte, wurde sie zum Psycho-
logischen Dienst geschickt . Wenn das das Ergebnis von
Berufsberatung ist, läuft etwas falsch .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Keine Sorge, die junge Frau hat sich durchgesetzt, auch
dank ihrer Lehrerin . Aber wie vielen gelingt das nicht!
Darum haben wir Ihnen einen Antrag zur Durchsetzung
von Inklusion im Bereich der beruflichen Bildung vor-
gelegt .

Hier ist Inklusion vielleicht schwerer umzusetzen als
in anderen Bildungsbereichen; das will ich gerne zuge-
stehen . Aber wenn es uns wichtig ist, dass jeder junge
Mensch eine berufliche Zukunft in unserem Land haben
soll, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass jeder jun-
ge Mensch eine entsprechende Ausbildung bekommen
kann .


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei dürfen nicht nur wenige Berufe für Menschen mit
Handicaps zur Verfügung stehen, sondern auch hier muss
die freie Berufswahl gelten . Die entsprechenden Voraus-
setzungen müssen geschaffen werden, und die nötigen
Unterstützungsleistungen müssen dann auch gewährt
werden .

Das ist noch ein weiter Weg; denn darauf muss sich
nicht nur das Bildungssystem, sondern auch die Arbeits-
welt einstellen, die Unternehmen vor allem . Sie alle
brauchen eine bestimmte Unterstützung . Weil es nicht
ganz einfach ist, das durchzusetzen, fangen wir auch
nicht mit der reinen Lehre und den Maximalforderun-
gen an, sondern wir versuchen, Wege zu eröffnen, auch
in der Berufsausbildung zu einer inklusiven Gesellschaft
zu kommen, also zu einer Gesellschaft, die niemanden
ausgrenzt .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das erfordert Maßnahmen der Weiterbildung für Lehr-
kräfte, des Ausbildungspersonals, auch für sachkundige-
re Beratung im Übrigen . Leider kann man im Moment
noch nicht absehen, ob das Teilhabegesetz, das nun auf
den Weg gebracht wird, hier irgendeine Verbesserung
bringt . Wir sehen sie noch nicht . Ich hoffe im Zuge der
Debatte, die wir noch haben werden, auf mehr Verständ-
nis .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Übrigen – das vielleicht zuletzt –: Angesichts der
vielen Fehlstellen, von denen ich nur wenige nennen
konnte, kann ich nicht verstehen, warum die Bundesre-

Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


gierung so wenig Bedarf zur Novellierung des Berufsbil-
dungsgesetzes sieht .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil das gut ist!)


Ich kann nicht verstehen, wieso das auch noch bis fast
ans Ende der Wahlperiode verschoben werden soll, zu-
mindest nach den Planungen, die uns bekannt sind . Das
sieht so aus, als wollten Sie es eigentlich nicht haben . Ich
halte das für falsch . Die Herausforderungen sind groß,
und wir müssen sie bestehen . Das Berufsbildungsgesetz
gehört dazu .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607000

Vielen Dank . – Als Nächstes spricht der Kollege

Rainer Spiering, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rainer Spiering (SPD):
Rede ID: ID1817607100

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe

Zuhörerinnen und Zuhörer! Bei aller Kritik gilt: Das Be-
rufsbildungssystem in Deutschland ist das erfolgreichste
und beste der Welt . Ihm eine Bankrotterklärung auszu-
stellen, halte ich für sachlich falsch. Ich finde, wir sollten
bei diesem wichtigen Thema verbal ein bisschen abrüs-
ten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das System ist beweglich . Es ist zeitangepasst, ver-
änderungswillig und atmend . Es tut dem Wirtschafts-
und Sozialsystem in Deutschland gut . Frau Hein, ich
kenne Ihre Neigung, unser Berufsbildungssystem so zu
beschreiben, wie Sie das eben gemacht haben . Ich sage
ganz deutlich: Auf den zentralistischen sozialistischen
Ansatzes, das Berufsbildungssystem so zu verändern,
würde ich gerne verzichten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Berufsausbildung ist nachhaltige Standortzukunfts-
politik, ist vor allen Dingen Arbeitsmarktpolitik, und so
sollten wir das sehen . Auch der Arbeitsmarkt ist atmend .
Weil es ein atmendes System ist, braucht es auch ein
atmendes Gesetz . Das Berufsbildungsgesetz ist immer
wieder verändert und der Zeit angepasst worden, weil
sich unsere Berufsausbildungen auch ständig verändern .
Hierzu steht im Berufsbildungsbericht 2016:

Das BMBF hat 2015 . . . das Berufsbildungsgesetz
unter Beteiligung der relevanten Berufsbildungsak-
teure und des Deutschen Bundestages evaluiert und
prüft zurzeit gesetzliche Anpassungsnotwendigkei-
ten .

Gut so! Wir sollten geistiger Motor und Antreiber sein .

Ich möchte vier Punkte nennen, über die wir, finde ich,
gut diskutieren könnten . Es geht um relativ einfache Ver-

änderungen des Berufsbildungsgesetzes . Ich glaube, dass
sie allen Beteiligten guttun würden .

Wir haben einen Passus im Berufsbildungsgesetz,
nach dem bei der Schulzeit zwischen unter 18-Jährigen
und über 18-Jährigen unterschieden wird . Das ist nicht
mehr zeitgemäß, weil viele unter 18 und sehr viele über
18 ins Berufsleben eintreten . Da im Berufsbildungsge-
setz einen Unterschied zu machen, halte ich sachlich und
fachlich für falsch . Das tut der Ausbildung nicht gut .


(Beifall bei der SPD)


Der nächste Punkt . Berufsbildung und vor allen Din-
gen die Prüfungen sind – ich glaube, da sind wir uns alle
einig – in hohem Maße vom Ehrenamt abhängig . Willi
Brase hat immer wieder auf die besondere Bedeutung
des Ehrenamts hingewiesen, und er hat natürlich recht .
Jetzt stellen wir uns einmal einen Handwerksmeister
vor, der in einer guten konjunkturellen Situation seine
besten Leute für die Prüfung abstellen muss . Er gerät in
eine Bredouille . Ich kann eigentlich nicht einsehen, wa-
rum wir die Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes
nicht nutzen, um das Ehrenamt an zwei Stellen zu un-
terstützen: einmal, indem wir die Kosten, die entstehen,
den entsprechenden Kammern zuordnen – das können
die über die Prüfungskosten gut leisten – und zum ande-
ren, indem wir festlegen, wie die Freistellung rechtlich
abzulaufen hat . Das können wir im Einvernehmen wun-
derbar machen und ein Signal nach Deutschland hinaus-
schicken: Uns ist das Ehrenamt wichtig, und Prüfungen
im Rahmen der Berufsbildung sind ohne Ehrenamt nicht
möglich . – Deswegen würde ich das gern anpacken .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der letzte Punkt; das ist mein persönliches Anliegen .
Es gibt ungefähr 50 000 junge Menschen, die in eine
zweijährige Berufsausbildung eingestiegen sind . Das hat
vielfältige Gründe . Im Übrigen sehe ich die zweijährige
Ausbildung durchaus als große Chance für Menschen,
die zu uns kommen . Wir führen aber auch eine sehr erbit-
terte Rentendebatte und wissen, dass die Menschen, die
zu schlechten Tariflöhnen einsteigen, in Zukunft bei der
Rente noch viel schlechter wegkommen . Wer eine zwei-
jährige Ausbildung absolviert, liegt tarifmäßig ganz weit
unten . Ich würde diesen jungen Menschen wirklich nicht
die Chance verbauen, auf Dauer gutes Geld zu verdienen
und auch eine gute Rente zu bekommen . Insofern kann
ich nur dringend dazu raten, das Berufsbildungsgesetz
derart zu verändern, dass man nach einer zweijährigen
Ausbildung auch eine dreieinhalbjährige Ausbildung be-
kommen kann .


(Beifall bei der SPD)


Das sind drei Punkte, von denen ich mir sehr gut vor-
stellen könnte, dass wir sie anpacken und im Berufsbil-
dungsgesetz verändern .

Lassen Sie mich jetzt – Thomas, danke für den Hin-
weis – zur zweiten Säule der Berufsbildung kommen, der
Berufsschule . Was mich ein bisschen wundert, ist, dass
es uns nicht gelingt, den Fokus so auf die Berufsschule
zu lenken, wie es sich eigentlich gehörte . Die Berufs-
schule ist die größte eigenständige Schulform, die wir in
Deutschland haben, es ist mit die innovativste, die wir

Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


haben, und es ist mit die leistungsstärkste, die wir haben .
An fast allen berufsbildenden Schulen gibt es auch die
Möglichkeit, unterschiedliche Qualifikationen und Ab-
schlüsse zu erreichen .

Man findet übrigens im Berufsbildungsbericht, dass
ein Großteil derer, die sich im Übergangssystem befin-
den, über die Berufsschulen geführt wird . Aber sie wer-
den im Berufsbildungsbericht nur genau an dieser Stelle
aufgeführt . Ich bedaure das . Warum wird nicht die Be-
rufsschule mit der Leistungsfähigkeit dargestellt, die sie
hat? Insofern kann ich hier nur an das Hohe Haus appel-
lieren: Lassen Sie uns auf die Berufsschule den Fokus
legen, der ihr gebührt . Das würde nämlich bedeuten, dass
auch alle, die in ein schulisches System eintreten und
Berufsschulangebote wahrnehmen, einen anderen Fokus
darauf legen . Und wenn sie einen anderen Fokus darauf
legen, dann nehmen sie auch die Möglichkeiten der Be-
rufsbildung ganz anders wahr .

Wir, die SPD, haben in einem Positionspapier die
Möglichkeiten, die wir haben, aber auch die Aufgaben,
die wir haben, beschrieben . Ich habe es an dieser Stelle
schon mehrfacht gesagt: Lassen Sie uns die universitäre
Lehrerausbildung massiv stärken . Mittlerweile bekom-
men wir deutliche Rückmeldungen, die sagen: Ja, wir
können uns um das Handwerkszeug der universitären
Lehrerausbildung im Bereich Methodik/Didaktik ernst-
haft und deutlich mehr kümmern, aber dann brauchen wir
Geldmittel dafür .


(Beifall bei der SPD)


Lieber Thomas, das Berufsbildungsnetz Berufsschule
ist eine deutsche Angelegenheit . Ich glaube, dass man es
sich zu einfach macht, wenn man den Ländern sagt: Wir
wollen das . Seht mal zu, dass ihr damit klarkommt . – Ich
finde das nicht richtig. Ich glaube, das ist eine bundes-
weite Angelegenheit, die wir bundesweit regeln müssen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn wir über Industrie 4 .0 und Deutschland spre-
chen, dann wissen wir, dass wir diesbezüglich vor un-
glaublichen Herausforderungen stehen . Ich glaube, dass
die kreisfreien Städte, die Kreise als Träger der berufs-
bildenden Schulen überfordert sind . Es gibt Regionen in
Deutschland, die das können, aber es gibt in Deutsch-
land auch Regionen, die das nicht können . Deshalb muss
der Gesetzgeber, nämlich das deutsche Parlament, dafür
Sorge tragen, dass diese Benachteiligung, die es übri-
gens nach dem Grundgesetz gar nicht geben darf, aus-
geglichen wird . Lassen Sie uns also im gemeinsamen
Interesse Geld in die Hand nehmen, um die technische
und zukunftsorientierte Ausstattung von Berufsschulen
massiv zu stärken. Auch das finden Sie in unserem Po-
sitionspapier .


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie mich zum Ende kommen . Berufsschule ist
ein Innovationsaggregat, ein integratives System und die
größte eigenständige Schulform . Wir haben viele Ein-
flussmöglichkeiten, weil Schule Staat oder Staat Schule
ist. Es ist ein offenes Schulsystem. Die beruflichen Ab-
schlüsse sind weltweit anerkannt . Wer die Berufsschule

stärkt, stärkt den Standort Deutschland und sichert unse-
re Zukunft .

Herzlichen Dank fürs Zuhören .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607200

Vielen Dank . – Das Wort hat jetzt die Kollegin Beate

Walter-Rosenheimer, Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe
Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörer und Zuhöre-
rinnen!

Nie waren die Chancen auf einen … Ausbildungs-
platz … so gut .

Das war Ihre Botschaft an die jungen Menschen, Frau
Ministerin, nachdem das Kabinett den Berufsbildungs-
bericht 2016 beschlossen hatte . Natürlich stimmt das für
viele auch .


(Beifall des Abg . Albert Rupprecht [CDU/ CSU])


– Genau . – Aber ich frage mich ernsthaft, ob sich nicht
trotzdem die eine oder der andere Jugendliche verwun-
dert die Augen gerieben hat, zum Beispiel die 21 000 Ju-
gendlichen, die bei ihrer Suche komplett leer ausgegan-
gen sind, oder die 271 000 Jugendlichen, die statt an der
Werkbank in den Warteschleifen des Übergangssystems
gelandet sind . Für all diese jungen Männer und Frauen ist
der Traum von einer Berufsausbildung nämlich geplatzt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


21 000, 41 000, 271 000: Das sind nicht nur Zahlen
in einer Statistik, die Sie schönreden können . Nein, da-
hinter verbergen sich 21 000 junge Menschen, die ent-
täuscht sind, dahinter verbergen sich 41 000 Betriebe,
die um ihre Zukunft fürchten, und dahinter verbergen
sich 271 000 ungenutzte Chancen für junge Männer und
Frauen, deren Leistungen im Übergangssystem ohne Ab-
schluss, ohne Anschluss und ohne Anerkennung bleiben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch diesen jungen Menschen müssen wir Perspektiven
aufzeigen .

Sehr geehrte Frau Ministerin, wenn Sie trotzdem glau-
ben, alles sei in bester Ordnung, dann kann ich Ihnen nur
sagen: Was Sie für den Gipfel halten, das kann nur eine
Etappe auf diesem Weg sein .

Nehmen wir zum Beispiel die Allianz für Aus- und
Weiterbildung . Im Dezember 2014 haben Sie – sorry –
mit großem Tamtam diese ins Leben gerufen . Ein Jahr
später wollten Sie nicht einmal mehr die übliche Pres-
sekonferenz dazu abhalten, vielleicht weil Sie genau
wussten, dass ganz zentrale Zusagen nicht eingehalten
wurden . Die Wirtschaft wollte 20 000 Ausbildungsplätze
zusätzlich zur Verfügung stellen . Es wurden gerade ein-

Rainer Spiering






(A) (C)



(B) (D)


mal 7 300 bei der BA gemeldet . Das ist zu wenig, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie haben angekündigt, die assistierte Ausbildung
zu verstetigen . Ich frage Sie: Warum läuft das immer
noch als Modellprojekt? Im Koalitionsvertrag haben Sie
Hunderttausenden Jugendlichen vollmundig eine Aus-
bildungsgarantie versprochen . Aber auch das war nicht
mehr als ein Papiertiger . Sie geben ja selbst zu, dass die
Ausbildungsgarantie in der Allianz zu einem Ausbil-
dungspfad geschrumpft ist . Schaffen Sie doch endlich
breite Wege und stabile Brücken für alle Jugendlichen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Im Berufsbildungsbericht steht schwarz auf weiß, dass
Jugendliche und Betriebe – wir haben es heute schon
gehört – immer seltener zusammenfinden. Das sind in
meinen Augen keine kleineren Passungsprobleme . Nein,
das sind strukturelle Probleme . Daran ist auch nicht der
demografische Wandel schuld. Man muss Strukturen ver-
ändern. Ich finde, das haben Sie verschlafen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dauerschlaf!)


Der Übergangsbereich ist wieder angewachsen . Kaum
eine Maßnahme führt zum Abschluss . Kaum eines der
vielen Programme ist anschlussfähig . Die Jugendlichen
sind zwar dann aus der Statistik raus, aber rein in die Be-
triebe kommen sie deshalb noch lange nicht . Packen Sie
dieses Problem endlich an . Formen Sie aus dem Durch-
einander am Übergang Schule/Beruf eine echte Ausbil-
dungsgarantie .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Fraktion hat bereits im letzten Jahr einen sehr
konkreten Vorschlag dazu gemacht, wie eine solche
Ausbildungsgarantie aussehen kann . Die Probleme im
Übergangssystem müssen jetzt gelöst werden . Es kann
nicht sein, dass Hunderttausende Jugendliche im nächs-
ten Ausbildungsjahr im Regen stehen . In unserem An-
trag fordern wir die Bundesregierung auf, noch vor der
Sommerpause Antworten auf die drängenden Fragen zu
geben: Wie möchten Sie die Ausbildungsbereitschaft
von kleinen und kleinsten Betrieben steigern? Was ist
Ihr Plan für das Übergangssystem? Es kostet jedes Jahr
4 Milliarden Euro, bringt aber kaum einen Jugendlichen
einem Abschluss wirklich nahe . Haben Sie denn immer
noch nicht gemerkt, dass Sie da einen toten Gaul reiten?
Steigen Sie ab und wagen Sie einen Neuanfang in eine
andere Richtung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg . Rainer Spiering [SPD])


– Jetzt spreche ich . – Ich habe die Vermutung, dass sich
Ihr politischer Gestaltungswille schon zu Beginn des Jah-
res in die Sommerpause verabschiedet hat . Das zeigt sich
nicht nur an den fehlenden Konzepten zum Übergangs-

bereich . Auch die Reform des Berufsbildungsgesetzes
erinnert ein bisschen an „Warten auf Godot“ .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier hätten Sie einmal die Möglichkeit, das Thema der
Ausbildungsqualität starkzumachen . Die Unionsfraktion
sieht dabei anscheinend keinen Handlungsbedarf mehr .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, da Sie
sich doch gerade darüber amüsieren: Das ist doch Euer
Thema, Ausbildungsqualität . Es muss doch ein Herzens-
anliegen der SPD sein . Wenn Sie Unterstützung brau-
chen, dann garantiere ich: Meine Fraktion ist gerne zur
Zusammenarbeit bereit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Gern!)


Vor genau einer Woche haben wir hier im Plenum über
eine der wahrscheinlich größten Herausforderungen der
beruflichen Bildung diskutiert: die Integration der vielen
Geflüchteten. Sie haben uns ein Integrationsgesetz vor-
gelegt, das in unseren Augen den Namen nicht verdient .
Ich bestreite nicht, dass darin Verbesserungen enthalten
sind und dass es auch Erleichterungen bei der Ausbil-
dungs- und Arbeitsmarktförderung gibt . Das war auch
längst überfällig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Problem ist aber, dass Sie auf halber Strecke stehen
geblieben sind . Noch immer unterscheiden Sie ziemlich
willkürlich zwischen Menschen mit sogenannter guter
und schlechter Bleibeperspektive . Dieser Irrsinn führt
dazu, dass eine große Gruppe von Geflüchteten per De-
finition von früher Integration und Bildung ausgeschlos-
sen wird . Sie wissen aber doch ganz genau, dass viele
Menschen aus Afghanistan oder Pakistan letztendlich ein
Aufenthaltsrecht erhalten . Trotzdem verweigern Sie ih-
nen die frühe Teilhabe durch Bildung . Das, meine sehr
geehrten Damen und Herren, finde ich unverantwortlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit Ihrer kleinkarierten Differenzierung nach Aufent-
haltsstatus und Bleibeperspektive beschäftigen Sie vor
allem Juristen und Sozialrechtsexperten . Sie bringen aber
damit kaum einen Geflüchteten in Beschäftigung. Genau
das muss aber das Ziel sein . Wir Grüne halten diesem
integrationspolitischen Murks eine deutliche Botschaft
entgegen, nämlich: Jede und jeder hat das Recht auf eine
gute Ausbildung . Dieses Recht gilt für alle, auch für Ge-
flüchtete, egal woher sie kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Uda Heller [CDU/CSU]: Wer bezahlt das?)


Gewährleisten Sie das Recht auf Bildung für alle! Schaf-
fen Sie endlich gute und frühe Integrationsangebote! Ver-
knüpfen Sie Sprachförderung mit betrieblicher Praxis!
Nur so lernen die Geflüchteten das, was sie im Betrieb
brauchen . Dann nützt es auch unserem Land, und dann
kommt das Geld auch wieder zurück .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herkunft, sehr geehrte Damen und Herren, darf im
Jahr 2016 nicht mehr über Zukunft entscheiden .

Beate Walter-Rosenheimer






(A) (C)



(B) (D)


Nun noch einige Worte zum Antrag der Linksfrakti-
on . Inklusive Bildung, liebe Kollegin Hein, ist auch uns
ein ganz zentrales Anliegen . Inklusion ist natürlich weit
mehr als die Ausbildung von Menschen mit Behinderun-
gen . Inklusion bedeutet Chancengerechtigkeit, sie bedeu-
tet Stärkung von Kompetenzen statt Sanktionierung von
Schwächen . Sie zielt auf offene Teilhabemöglichkeiten
und fördert das Miteinander . Da geben wir Ihnen in al-
len Punkten recht . Über einzelne Forderungen aus Ihrem
Antrag wollen wir dann aber im Ausschuss gern noch
einmal diskutieren .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Gern!)


Wir nehmen auch zur Kenntnis, liebe Kollegen und
Kolleginnen der Koalition, dass Sie in diesem Jahr gar
keinen eigenen Antrag eingebracht haben . Vielleicht leh-
nen Sie sich ja jetzt ganz bequem in Ihren Stühlen zurück
und denken: Unsere Bundesregierung tut ja ihr Bestes .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Macht sie auch!)


Ich bin überzeugt – damit bin auch am Ende meiner
Rede –: Es ist sinnlos, gebetsmühlenartig zu sagen: „Wir
tun unser Bestes“; es muss Ihnen gelingen, das zu tun,
was erforderlich ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rainer Spiering [SPD]: Na ja!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607300

Vielen Dank . – Für die Bundesregierung spricht jetzt

Frau Ministerin Professor Dr . Johanna Wanka .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Thema, über das wir sprechen, ist natürlich
volkswirtschaftlich wichtig: Fachkräfte, Fachkräfteman-
gel . Alles klar! Aber ganz entscheidend ist – das sage ich
jetzt auch in Richtung der jungen Leute, die heute hier
sind und zuhören –: Es ist für den einzelnen Jugendlichen
eine Riesenchance und es ist – das klingt jetzt vielleicht
pathetisch – für sein Lebensglück entscheidend, dass er
eine Ausbildung macht . Das sichert ihm zu, dass er über
viele Jahre die Chance hat, in Arbeit zu sein, selbstbe-
stimmt zu leben . Deswegen, meine Damen und Herren,
ist das für uns hier in diesem Raum ein ganz zentrales
Thema .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Im Berufsbildungsbericht steht: 41 000 unbesetzte
Ausbildungsstellen . Sie stehen zur Verfügung; sie war-
ten auf junge Leute, die Lust und Interesse haben . Ich
muss angesichts dieser Stellen einen dezidierten Dank
an die Wirtschaft richten – auch wenn das manche hier
vielleicht nicht gerne hören . Man muss sich einmal vor
Augen führen: Von 2006 bis jetzt ist die Zahl der Schul-
abgänger ohne Hochschulreife, das heißt, das Hauptkli-
entel für die duale Ausbildung, um 22 Prozent gesunken;
es sind Tausende weniger . In derselben Zeit ist die Zahl
der Ausbildungsplätze um nur 9 Prozent gesunken . Das

heißt, die Wirtschaft hat weit über das hinaus, was sie
normalerweise macht, Ausbildungsplätze zur Verfügung
gestellt .

Klar gibt es in der Allianz für Aus- und Weiterbil-
dung das Versprechen der Wirtschaftsseite: Wir stellen
20 000 Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung . – Das ist
im letzten Jahr noch nicht geschafft worden . Die neuen
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die Sie alle einse-
hen können, die öffentlich zur Verfügung stehen, zeigen,
dass jetzt im Mai im Vergleich zum Mai des vorletzten
Jahres 18 000 mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung
stehen, sodass wir davon ausgehen, dass es in die rich-
tige Richtung geht . Aber im letzten Jahr ist die Zahl von
20 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen noch nicht er-
reicht worden .

Ein weiterer Punkt: Flüchtlinge . Sie von den Grü-
nen haben mal einen Vorschlag gemacht, den ich ganz
erstaunlich fand, weil er so ähnlich war, wie wir es uns
vorgestellt haben .


(Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ach!)


– Er war keine Anregung; wir waren schon weiter . – Wir
haben ein Programm geschaffen, um Flüchtlinge im
Rahmen der Berufsorientierung ins Handwerk, in eine
handwerkliche Ausbildung zu bringen . Wir fördern bis
zu 10 000 Teilnehmerplätze . Anträge waren seit dem
20 . April möglich, und schon nach einem Monat wurden
9 000 Plätze angeboten .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich haben wir Probleme . Die 41 000 unbesetz-
ten Ausbildungsplätze haben natürlich schlimme Aus-
wirkungen auf die Betriebe, in denen nun der Nachwuchs
fehlt . Aber es ist kein lächerliches Passungsproblem, es
ist ein grundlegendes Problem . Ich will hier einige Punk-
te nennen .

Wir haben gravierende regionale Unterschiede . Wir
haben Bereiche im Süden Deutschlands, in denen die
jungen Leute nach Ausbildungsplätzen suchen müssen,
und wir haben zum Beispiel das wunderschöne Meck-
lenburg-Vorpommern und andere Bereiche, in denen
die Betriebe keine Auszubildenden finden. Da gibt es
beispielsweise den Malermeister, der jahrelang keinen
Auszubildenden findet. Das heißt, hier gibt es regionale
Unterschiede .

Als wir mit dem Hochschulpakt begonnen haben,
wollte kaum jemand aus Saarbrücken nach Frankfurt/
Oder oder so . Nun ist es uns gelungen, das bestens zu
regeln . Nun haben wir dort einen Anteil an Studenten aus
den alten Bundesländern von 30 bis 40 Prozent .

Mobilität ist für diejenigen in der beruflichen Ausbil-
dung ganz wichtig . Natürlich muss man das anschieben,
das passiert nicht von selbst, das macht auch nicht der
einzelne Handwerksmeister . Deswegen haben wir mit
„Jobstarter“ einen Versuch initiiert, um Mobilität zu för-
dern; denn die Mobilität ist bei 16-Jährigen anders als bei
Studenten, die schon über 20 Jahre alt sind .

Beate Walter-Rosenheimer






(A) (C)



(B) (D)


Wenn man sich anschaut, wer nicht ausbildet, dann
stellt man fest: Es sind vor allem die kleinen Betriebe;
darauf haben wir jahrelang hingewiesen . Wir haben jetzt
überlegt: Was kann man konkret machen? Wir haben eine
Förderlinie, um die kleinen Betriebe wieder zu motivie-
ren und zu unterstützen . Es können zum Beispiel drei Be-
triebe gemeinsam ausbilden, weil kleine Betriebe nicht
alle Bereiche vorhalten können . Zum Teil wird durch
geschickte Werbung für attraktive Ausbildungsberufe ge-
worben, die kaum einer kennt . Das läuft . Das ist nichts,
was man fördern muss . Wie groß die Erfolge und Effekte
sind, das kann ich jetzt noch nicht sagen . Auf jeden Fall
ist es ein Punkt, der uns wichtig ist .

Beim Passungsproblem ist das Entscheidendste, dass
man präventiv und individuell berät . Ein Element, das
wir über Jahre getestet haben, waren die Bildungsketten,
diese individuelle, präventive Unterstützung . Dazu gab
es viele Versuche . Jetzt stellen wir – wir, das sind Frau
Nahles und ich – über 1 Milliarde Euro zur Verfügung,
und zwar flächendeckend. Aber wir handeln nicht allei-
ne, sondern gemeinsam mit den Ländern . Ich habe je-
dem Landeskultusminister geschrieben und gefragt: Wir
haben diese oder jene Möglichkeiten . Was wollt ihr in
eurem Land? – Wir unterstützen, dass alle von den Bil-
dungsketten, also Beratung in der 7./8. Klasse, profitie-
ren . Aber die Beratung sollte allen angeboten werden .
Wir möchten gerne, dass die Beratung auch im Gymna-
sium stattfindet.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt eine Reihe von Landesministern oder Minister-
präsidenten, die entsprechende Vereinbarungen mit mir,
mit Frau Nahles und mit der BA unterschrieben haben,
zum Beispiel Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz . Da
geht es nicht um Klein-Klein, sondern um ein flächende-
ckendes Instrument, das gut wirkt . Das ist kein kleines
Problem, das ist auch finanziell kein kleines Problem.

Zum Übergangssystem . Frau Hein, ich schätze, dass
Sie die Vorlagen lesen und wirklich kundig sind . Umso
verwunderter bin ich, wenn Sie Dinge sagen, die Sie
eigentlich, weil Sie die Vorlagen lesen, besser wissen
müssten und auch wissen . Um es einmal klarzustellen:
Das Übergangssystem ist keine Wartehalle, in der die Ju-
gendlichen einfach rumsitzen, kein Abschiebebahnhof .
Im Übergangssystem sind zum Beispiel alle diejenigen,
die Erzieherinnen oder Erzieher werden wollen und ihr
Pflichtpraktikum machen. Sie zählen zum Übergangssys-
tem . Das sind doch keine Abgeschobenen, sondern sie
bekommen eine Chance; denn sie brauchen das Pflicht-
praktikum, um Erzieherin zu werden . Ansonsten ist die
Intention des Übergangssystems, dass man Chancen er-
öffnet, dass die, die in der Schule vielleicht keine Lust
hatten, zu lernen, nun die Möglichkeit haben, dazuzuler-
nen, spezielle Qualifikationen zu erwerben.

30 Prozent all jener, die im Übergangssystem sind,
haben nach einer BIBB-Studie in den letzten Jahren ih-
ren Schulabschluss entweder nachgeholt oder verbessert .
Das ist der Sinn des Übergangssystems . Natürlich war
das Übergangssystem über Jahre hinweg eine Wartehal-
le, aber davon sind wir inzwischen weit entfernt . Früher

waren 420 000 junge Menschen im Übergangssystem,
jetzt sind es 270 000 . Das sollten Sie nicht diskreditie-
ren . Vielmehr ist das eine Chance, und wir müssen dafür
sorgen, dass diejenigen in dieses Übergangssystem kom-
men, die es wirklich brauchen, damit sie die Chance auf
eine Ausbildung haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was die Jugendlichen mit Behinderung betrifft: Es
gilt das, was im Bildungsbericht zum Thema Inklusion
gesagt wurde . Es wurde eingeschätzt: Wo stehen wir in
Deutschland? Was sollten wir machen? In Bezug auf
manche Bildungswissenschaftler war ich skeptisch . Aber
dann habe ich festgestellt, dass sie sehr behutsame Emp-
fehlungen ausgesprochen haben . Sie haben uns eine War-
nung ins Stammbuch geschrieben: Wir sollten nicht in
die USA gucken und sagen: Wir müssen das so und so
machen . Vielmehr sollten wir in unserem gewachsenen
System schauen: Was müssen wir machen, um Inklusion
zu realisieren?

Wir haben das BIBB beauftragt, Ausbildungsbau-
steine zu entwickeln; bei den Ausbildungsbausteinen,
die Sie genannt haben, sind wir jetzt bei 22 . Wir bieten
jenen Fachpraktikerausbildungen an, die nicht sofort ei-
nen normalen Ausbildungsplatz ausfüllen können . Aber
diejenigen, die die Voraussetzungen für eine Ausbildung
aufgrund der Art und Schwere der Behinderung wirklich
nicht erfüllen, für die haben wir in Deutschland etwas
Spezielles, und das sind die Geschützten Werkstätten .
Auch wenn es diese nirgendwo sonst auf der Welt gibt:
Wir als reiche Nation müssen das auch weiterhin für die
jungen Menschen vorhalten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich geht es bei dem ganzen Thema um Professio-
nalisierung, auch um Weiterbildung .

Bezüglich des Bereichs der Berufsschullehrer bin ich
ganz entschieden Ihrer Meinung, Herr Spiering . In diesen
Studiengängen sind an den Hochschulen immer Plätze
frei, weil das gar nicht so viele studieren wollen . Deswe-
gen haben wir gehofft und entsprechend motiviert, dass
im Zusammenhang mit dem Qualitätspakt Lehre insbe-
sondere im Bereich der Berufsschullehrer viele Projekte
entstehen . So ist es aber nicht gekommen . Es gibt zwar
einige Projekte, aber nicht so viele, wie wir gehofft ha-
ben .

Was den Bereich Inklusion betrifft, haben wir im März
eine Forschungsförderlinie gestartet, weil in diesem Be-
reich viel Forschungsbedarf besteht; das wird von allen
Wissenschaftlern zugestanden . Wie macht man Inklusion
richtig? Man kann da vieles falsch machen . Ich erinnere
an die Sprachbildung vor dem Schuleintritt . Alle haben
Geld dafür ausgegeben, die Effekte waren aber gering .
Man muss forschen, damit man es richtig machen kann .
Im März haben wir ein großes Forschungsprogramm zur
Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte für
inklusive Bildung ausgeschrieben, und zwar bezogen auf
alle Bildungsbereiche . Das ist eine ganz konkrete Leis-
tung unseres Hauses .

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)


Ich denke, wenn man einigermaßen fair ist, muss man
nicht nur sagen, dass wir in Deutschland mit der dualen
Ausbildung ein besonderes System haben, um das wir
beneidet werden, sondern man muss auch sagen, dass wir
Probleme haben, dass manche Probleme in den letzten
Jahren sogar zugenommen haben und es schwierig wird,
die jungen Flüchtlinge in dieses Ausbildungssystem hi-
neinzubekommen; denn wir wollen nicht, dass sie eine
Ausbildung dritter Klasse erhalten – das würde sie le-
benslang prägen –, sondern wir wollen, dass sie wirklich
in diese Gesellschaft integriert werden, und Integration
funktioniert insbesondere über Arbeit und damit über
eine ordentliche Ausbildung . Das sind die Herausfor-
derungen, vor denen wir jetzt stehen, die wir angehen .
Meine Damen und Herren, man kann aber auch einmal
sagen: Wir haben eine Menge erreicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607400

Vielen Dank . – Die Kollegin Rosemarie Hein hat um

die Möglichkeit zu einer Kurzintervention gebeten .


Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817607500

Vielen Dank . – Frau Ministerin, natürlich lese ich die

Zahlen, und natürlich kenne ich die Zusammensetzung
des Übergangssystems . Sie haben in einem recht: Die
Pflichtpraktika für angehende Erzieherinnen gehören
da nicht rein . Die müsste man möglicherweise anders
verorten . Das wäre vielleicht auch gelungen, hätten wir
die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern ernster
genommen, auch in diesem Hause; das haben wir aber
nicht .

Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass die Zahl
derjenigen, die sich im Übergangsbereich befinden, nicht
sinkt, selbst wenn man die Geflüchteten, die hinzuge-
kommen sind und für den Anstieg gesorgt haben, heraus-
nimmt . Von den 80 000 noch Suchenden wurden 60 000
mit einer Alternative abgefunden bzw . sie haben sie sich
selber gesucht . Sie machen etwas anderes, obwohl sie ei-
gentlich eine Ausbildung beginnen wollten . Ich glaube,
das muss man ernst nehmen, genauso wie die 185 000
Menschen, die sich in den vergangenen fünf Jahren um
einen Ausbildungsplatz beworben haben, manche mehr-
mals . Das sind Probleme, die Sie nicht vom Tisch wi-
schen können, wenngleich mir sehr bewusst ist, dass sich
das Übergangssystem aus sehr unterschiedlichen Grup-
pen zusammensetzt .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607600

Frau Ministerin?

Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ja .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607700

Bitte schön .

Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Hein, im Übergangssystem befand sich über viele
Jahre hinweg fast eine halbe Million Menschen, 460 000 .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: So ist es seit Jahren!)


Wir haben diese Zahl über Jahre Schritt für Schritt redu-
ziert . Das muss man anerkennen und darf nicht so tun, als
sei die Zahl konstant . Das sage ich ganz deutlich .

Wir haben im Rahmen der Allianz für Aus- und Wei-
terbildung vier Wellen vorgesehen . Man gibt die Zusi-
cherung, dass jeder junge Mensch, der am 30 . September
dieses Jahres keinen Ausbildungsplatz hat, drei konkrete
Angebote für eine betriebliche Ausbildung erhält . Ich
glaube, Sie täten gut daran, das wertzuschätzen, weil das
für den Einzelnen ganz wichtig ist .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wenn es denn stattfindet!)


Da Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, hier noch
einen Satz zu sagen, möchte ich ergänzen: Was ich da-
neben fand, war Ihr Beispiel mit der Germanistin . Diese
junge Frau kann überall in der Bundesrepublik Deutsch-
land Germanistik studieren, an allen Hochschulen, an
denen dieses Fach nicht NC-belastet ist . Es gibt kaum
Hochschulen mit einem entsprechenden NC . Sie braucht
dazu keine Beratung . Man braucht auch nicht den Be-
rufsberater, den sie gefragt hat, zu diskreditieren . Sie
kann das studieren . Es gibt überhaupt kein Hindernis .
Der Rollstuhl hat damit überhaupt nichts zu tun .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das hat sie sich ja auch erkämpft, aber eben erst erkämpft!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817607800

Jetzt gibt es keine Zwiegespräche . – Das Wort hat der

Kollege Dr . Karamba Diaby für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Karamba Diaby (SPD):
Rede ID: ID1817607900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Jugendliche!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der erste Satz im Be-
rufsbildungsbericht 2016 lautet:

Die berufliche Aus- und Weiterbildung bildet eine
wesentliche Grundlage für Wirtschaftswachstum,
Wohlstand und sozialen Zusammenhalt in Deutsch-
land .

Dieser Satz unterstreicht die große Bedeutung und die
Potenziale des Erfolgsmodells „duale Ausbildung“ für
unsere Gesellschaft . Der Bericht zeigt, vor welchen He-
rausforderungen wir stehen .

Aber zunächst das Positive: Die Zahl der betrieblichen
Ausbildungsverträge steigt . Wir haben insgesamt mehr
Ausbildungsstellen . Die Zahl der Anfänger im Über-

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)


gangssystem verringert sich seit 2005 . Fazit: Weniger
Jugendliche sind in der Warteschleife . Das ist gut so .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu den Herausforderungen: Die Quote an Ausbil-
dungsanfängern bei jugendlichen Migranten ging leicht
zurück, auf 31,1 Prozent . Damit liegt sie aber 25 Pro-
zentpunkte unter der Quote deutscher Jugendlicher; diese
liegt bei 56,3 Prozent . Außerdem spiegelt sich die Zahl
an Geflüchteten noch nicht auf dem Arbeitsmarkt wider.
Zudem sind 50 Prozent der Geflüchteten jünger als 25. Es
ist also mit einer steigenden Nachfrage nach beruflicher
Orientierung und Ausbildung zu rechnen . Auch im Blick
auf die Integration der Geflüchteten besteht weiterhin
großer Handlungsbedarf .

Das positive Signal aber ist: Die duale Ausbildung
kann ihre Potenziale für den sozialen Zusammenhalt un-
serer Gesellschaft voll entfalten . Dafür müssen wir aber
die Rahmenbedingungen verbessern .

Was ist aus meiner Sicht konkret zu tun? Wenn ich
mich im Wahlkreis mit Eltern und mit Schülerinnen und
Schülern unterhalte, geht es meist ums Studieren . Eine
Berufsausbildung haben viele völlig zu Unrecht gar nicht
im Blick . Deswegen muss trotz vieler Maßnahmen die
Attraktivität der dualen Ausbildung gesteigert werden,
und wir müssen die Potenziale für die Integration jünge-
rer Menschen mit Migrationshintergrund stärker in den
Blick nehmen; denn ihnen gelingt der direkte Übergang
in eine duale Ausbildung deutlich seltener als ihren Al-
tersgenossen ohne Migrationshintergrund . Das liegt aber
nicht nur an schlechteren Schulabschlüssen, wie das
meistens behauptet wird . Die Aussichten von Jugendli-
chen mit Migrationshintergrund auf einen Ausbildungs-
platz sind erheblich geringer, und dies auch bei gleichen
Leistungen .

So bilden zum Beispiel aktuell nur rund 15 Prozent
der ausbildungsaktiven Unternehmen Jugendliche mit
Migrationshintergrund aus . Hier ist also Luft nach oben,
und hier muss gehandelt werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein Ansatzpunkt ist, mit der Drei-plus-zwei-Regelung
Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen . Für die
Gesamtdauer der Ausbildung erhalten Auszubildende in
schulischer und betrieblicher Ausbildung eine Duldung .
Wir dürfen ebenfalls bei der Sprachbildung nicht nach-
lassen . Am besten ist die Kombination aus Sprachbil-
dung und Betriebspraktika .

Die Praxis zeigt also: Das muss Hand in Hand ge-
hen . Das Projekt „Migrant*innen in duale Ausbildung“
in meinem Bundesland Sachsen-Anhalt ist nur ein gutes
Beispiel von vielen . Zwei Punkte spielen dabei für die
Integration von Jugendlichen ins Berufsbildungssystem
eine Rolle: Erstens . Eltern und Unternehmen werden
stärker für die Potenziale einer Ausbildung für junge
Migranten sensibilisiert . Zweitens . Die jungen Menschen
zwischen 18 und 35 Jahren werden auf die Ausbildung
vorbereitet und kontinuierlich begleitet .

Abschließend spreche ich das Thema Anerkennung
an . Der gestern verabschiedete Bericht hat gezeigt: Die
SPD hat recht . Es bestehen Förderlücken bei den Ver-
fahrenskosten . Mit dem geplanten Programm sichern
wir Folgendes ab: Unabhängig vom Geldbeutel können
vorhandene Qualifikationen anerkannt werden. Damit
entfalten wir Potenziale und sorgen wir für Chancen-
gleichheit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der dualen Aus-
bildung und der Anerkennung beruflicher Qualifikatio-
nen haben wir hervorragende Instrumente in der Hand .
So sichern wir Teilhabe und stärken wir den sozialen Zu-
sammenhalt in unserer Gesellschaft .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1817608000

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist die Kollegin Uda

Heller, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Uda Heller (CDU):
Rede ID: ID1817608100

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Der uns vorliegen-
de Berufsbildungsbericht 2016 beinhaltet erstmals eine
Zusammenfassung der Bildungsintegration von Flücht-
lingen . Vielen Dank dafür . Wir wissen, dass die Zuwan-
derung schutzsuchender und vor allem junger Menschen
die Lage auf dem Ausbildungsmarkt verändern wird . Es
ist eine Herausforderung, bei der wir aus Fehlern lernen
müssen . Wir haben aber auch die Chance, es besser zu
machen .

Die Allianz für Aus- und Weiterbildung hat sich dieser
Aufgabe als weiteren Schwerpunkt gewidmet . Bereits im
September 2015 haben wir im Zuge unserer Erklärung
„Gemeinsam für Perspektiven von Flüchtlingen“ erste
Maßnahmen für eine erfolgreiche Integration eingelei-
tet . Dazu gehören beispielsweise der Ausbau der Inte-
grationskurse oder die berufsbezogene Sprachförderung .
Die zuständigen Ministerien haben spezielle Programme,
aber auch die Bündnisse sowie der Arbeitskreis Integra-
tion der CDU/CSU-Fraktion haben weitere Handlungs-
felder erarbeitet .

So hat das Ministerium für Bildung und Forschung ein
Maßnahmepaket für Flüchtlinge geschnürt . Damit inves-
tieren wir besonders in die berufliche Bildung. 130 Mil-
lionen Euro haben wir Ende 2015 für Programme und
Initiativen bereitgestellt .

So konnten die KAUSA-Servicestellen auf 24 Stand-
orte erweitert werden . Sie informieren und beraten junge
Asylbewerber, aber auch die Betriebe zu Ausbildungs-
und Arbeitsmöglichkeiten .

Außerdem haben wir Lernbegleiter für den Ein-
satz in den Einstiegskursen Deutsch beim Deutschen

Dr. Karamba Diaby






(A) (C)



(B) (D)


Volkshochschul-Verband qualifiziert, zusätzliche Bil-
dungskoordinatoren für Flüchtlinge eingesetzt und regi-
onale Servicebüros gegründet . Junge Flüchtlinge können
so beim Übergang in das Berufsleben von uns gut beglei-
tet werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir davon sprechen, dass im Jahr 2016 die Be-
rufsausbildung fit für die Zukunft gemacht und dass Bil-
dung für alle ermöglicht werden soll, müssen wir weiter
an dieser Integrationsstrategie arbeiten . Das hat auch der
Kollege Diaby bereits gesagt .

Ein Schritt zur weiteren Rechtssicherheit ist das Inte-
grationsgesetz, das wir bereits in erster Lesung behan-
delt haben . Es enthält Änderungen, die jungen Asylbe-
werbern und Geduldeten mit hoher Bleibeperspektive
den Zugang zu den Maßnahmen „ausbildungsbegleiten-
de Hilfen“, „Aktivierungshilfen für Jüngere“ und „Be-
rufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen“ öffnen . In den
Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen können sie
fachspezifische Erfahrungen sammeln und gleichzeitig
die deutsche Sprache lernen . Ich denke, das ist besonders
wichtig . Aus diesem Grund haben wir die Mittel dafür
von 270 Millionen auf etwa 560 Millionen Euro fast ver-
doppelt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zusätzlich wurden mehr als 5 000 Deutschlehrer zertifi-
ziert . Auch die Kursstunden und die Vergütung für Integ-
rationslehrkräfte werden erhöht .

Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und auch
Geduldete erhalten künftig die Sicherheit, nach erfolgrei-
cher Ausbildung und bei einem nachfolgenden Beschäf-
tigungsverhältnis weitere zwei Jahre in Deutschland blei-
ben zu können . Auch das ist vorhin gesagt worden: Das
ist die Drei-plus-zwei-Regelung . Ich halte sie für gut . Sie
gibt uns Planungssicherheit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sehr geehrte Damen und Herren, im März wies das
Institut der deutschen Wirtschaft darauf hin, dass viele
Unternehmen und Betriebe bereit sind, den Flüchtlingen
Ausbildungs- und Arbeitsplätze anzubieten . Das sind
positive Signale an uns . Unterstützen wir die Wirtschaft
und das Handwerk in ihrem Bemühen!

Für meinen Wahlkreis ist die Wohnsitzauflage ein
Schritt in die richtige Richtung . Denn hier verlassen etwa
70 Prozent der Personen mit einem Aufenthaltsstatus
bzw . mit bewilligtem Asylantrag wieder die Region; und
das ist schade .

Was die Berufsausbildung aller jungen Menschen be-
trifft – das haben bereits mehrere Redner erwähnt; ich
halte es aber für wichtig, es auch noch einmal zu sa-
gen –, wünsche ich mir, dass zukünftig auf Länderebene
und kommunaler Ebene die Belange von Berufsschulen
besser wahrgenommen werden und deren Attraktivität
gesteigert wird . Ich selbst habe auch einmal in einer ge-
arbeitet .


(Rainer Spiering [SPD]: Gut!)


Dazu gehört nicht nur eine moderne technische Ausstat-
tung, sondern vor allem auch eine angemessene perso-
nelle Ausstattung .

Zusätzlich müssen wir die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass Sprachlehrer flexibel und zeitnah – ich be-
tone besonders „zeitnah“ – in der Berufsausbildung von
jungen Flüchtlingen eingesetzt werden und jede Berufs-
schule Förderangebote für Benachteiligte sowie Angebo-
te für Leistungsstärkere vorhält .


(Beifall der Abg . Dr . Daniela De Ridder [SPD])


Ich rufe die Länder auf, im Ranking ihrer Schulland-
schaft den Berufsschulen einen vorderen Platz einzuräu-
men .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Rainer Spiering [SPD]: Und wir geben die Mittel!)


Eine deutliche Qualitätssteigerung in den Berufsschulen
sowie gut ausgebildete Lehrer tragen maßgeblich dazu
bei, die duale Berufsausbildung in Deutschland zu stär-
ken . Ich denke, meine Kolleginnen und Kollegen, das
ist – das unterstelle ich einmal – unser aller Ziel .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817608200

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Matthias, Ent-

schuldigung, Martin Rabanus von der SPD-Fraktion das
Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Rabanus (SPD):
Rede ID: ID1817608300

Liebe Frau Präsidentin! Matthias ist auch ein sehr

schöner Name – zweifelsfrei .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Für mich ist es ja einfacher: Ich kann einfach „Frau Prä-
sidentin“ sagen und muss gar nicht darauf reagieren, dass
der Vorsitz gerade gewechselt hat .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Deine Zeit läuft!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr-
ten Damen und Herren! Liebe Besucher auf den Besu-
chertribünen! Ich möchte das Augenmerk im Rahmen
dieser Debatte über den Berufsbildungsbericht gerne
auf das Thema Weiterbildung lenken, das darin mit „An-
schluss und Aufstieg“ überschrieben ist . Damit ist auch
das Spektrum, über das wir dabei reden, umrissen . Denn
Weiterbildung geht tatsächlich vom Erwerb von Grund-
kompetenzen, von Alphabetisierung, über das Nachholen
erster Abschlüsse bis hin zu hochkomplexen, hochspe-
zialisierten Weiterbildungen, die aufstiegsorientiert sind:
Weiterbildung für die private und die berufliche Weiter-
entwicklung, Weiterbildung ein Leben lang, Weiterbil-
dung auch für alle Menschen in unserem Land . Dieses

Uda Heller






(A) (C)



(B) (D)


ganze Spektrum bildet Weiterbildung ab . Diese ist an-
schlussorientiert und aufstiegsorientiert . Ich füge hinzu,
dass natürlich gerade vor dem Hintergrund von Digita-
lisierung und Wirtschaft 4 .0 Weiterbildung die notwen-
dige Voraussetzung ist, um sich – beruflich ebenso wie
persönlich – in der zukünftigen Welt dauerhaft behaupten
zu können .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich finde es deswegen ausgesprochen erfreulich, dass
die Weiterbildungsbeteiligung der 18- bis 64-Jährigen
erstmals bei 51 Prozent lag; auch das lesen wir in dem
Bericht . Das ist ein Anstieg und eine gute Entwicklung .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wie gehen wir also als Koalition, liebe Kolleginnen
und Kollegen, mit dem Thema Weiterbildung um? Herr
Dr . Feist, es ist erstens eine Frage der Grundhaltung, ja .
Wir gehen davon aus, dass die berufliche Bildung, die
Weiterbildung und die akademische Bildung gleichwer-
tig sind .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Diese Gleichwertigkeit wird auch an den anderen In stru-
menten, die wir haben, und an dem, was wir politisch
umsetzen, deutlich . Formal wird sie am DQR deutlich,
durch den wir die unterschiedlichen Abschlüsse ver-
gleichbar gemacht haben . Damit wird auch Transparenz
hergestellt .

Diese Transparenz ist dann zweitens Grundlage für
Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Systemen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Nur dann können wir drittens die Bildungsketten, von
denen schon gesprochen worden ist, entwickeln, und
dafür sorgen, dass die Qualifikationswege aufeinander
abgestimmt sind, um Anschluss und Aufstieg sicherzu-
stellen .

So können wir es viertens zur Selbstverständlichkeit
werden lassen, lebensbegleitend zu lernen und weiter zu
lernen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Dezember 2014
haben wir als Koalition im Rahmen der Allianz für Aus-
und Weiterbildung festgelegt, dass wir in allen Bereichen
von der Nachqualifizierung bis zur Aufstiegsförderung
Verbesserungen erreichen wollen . Ich glaube, man kann
mit einigem Selbstbewusstsein sagen: Das haben wir in
den letzten Jahren auch umgesetzt . Erst in der letzten Sit-
zungswoche haben wir das AWStG – ein schrecklicher
Name, aber ein wichtiges Instrument zur Förderung der
Weiterbildung von Menschen ohne Abschluss – auf den
Weg gebracht . Im Frühjahr dieses Jahres haben wir eine
substanzielle Reform des Meister-BAföGs durchgeführt .
Wir tun etwas für Anschluss und Aufstieg, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen .

Wir haben in der Tat vieles gemacht und unsere Maß-
nahmen mit erheblichen Summen unterlegt; auch das

kann man dazusagen . Der Deutsche Bundestag stellt als
Haushaltsgesetzgeber diese Mittel ja bereit .

Für die Förderung der beruflichen Weiterbildung ge-
mäß SGB haben wir 2015 2,7 Milliarden Euro zur Ver-
fügung gestellt .

Für die Alphabetisierung und Grundbildung Er-
wachsener hat das BMBF 20 Millionen Euro bereitge-
stellt . In diesem Rahmen ist das Spätstarter-Programm
WeGebAU – das Weiterbildungsprogramm für Gering-
qualifizierte – mit einem Volumen von 180 Millionen
Euro zu erwähnen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Außerdem gibt es ESF-kofinanzierte Programme in der
Größenordnung von 200 Millionen Euro .

Das AFBG habe ich bereits genannt .

Bei der Bildungsprämie sowie den Aufstiegs- und
Weiterbildungsstipendien reden wir über ein Volumen
von noch einmal ungefähr 130 Millionen Euro .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tun also etwas
für Anschluss und Aufstieg .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zum Schluss möchte ich dem Bundesinstitut für Be-
rufsbildung, dem Bundesbildungsministerium und allen
beteiligten Ressorts meinen herzlichen Dank für diesen
Bericht aussprechen . Ich möchte mich auch für die ge-
leistete Arbeit im Bereich der Aus- und Weiterbildung
bedanken, und ich bin mir sicher, werte Kolleginnen und
Kollegen – auch der Opposition –: Wir werden auch in
Zukunft muntere Debatten über die Ausbildung, über
Weiterbildung führen . Damit werden wir die Dinge in
unserem Land sicherlich noch weiter voranbringen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Rainer Spiering [SPD]: Vielen Dank dafür! – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Schön, Matthias!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817608400

Vielen Dank . – Als letzte Rednerin in dieser Debatte

hat Katrin Albsteiger das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Katrin Albsteiger (CSU):
Rede ID: ID1817608500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es hat

wirklich nichts mit Schlechtreden zu tun, wenn wir sa-
gen, um die berufliche Bildung, die wir in Deutschland
haben, beneiden uns andere Länder . Sie ist ein Export-
schlager .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Genau!)


Genauso wenig hat es etwas mit Schlechtreden zu tun,
wenn wir sagen, die berufliche Bildung hat einen beson-
deren Mix: auf der einen Seite der an der Berufsschule
stattfindende Teil, auf der anderen Seite der Teil, der in
den Betrieben praktisch vor Ort stattfindet. Das ist auch
der Grund dafür, warum wir hier in Deutschland im Ver-

Martin Rabanus






(A) (C)



(B) (D)


gleich zu vielen anderen europäischen Ländern eine so
geringe Jugendarbeitslosigkeit haben .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Leider ist das noch nicht überall angekommen, und ge-
nau deswegen sprechen wir hier auch darüber .

Sie sagen, wir würden bei der Bewertung des Berufs-
bildungsberichtes alles einfach nur in den Himmel loben
und die Probleme nicht sehen . Das ist falsch, und das
haben wir im Übrigen auch in den letzten Jahren nicht
getan . Der Berufsbildungsbericht ist ein wesentliches In-
strument, damit wir uns selber fragen: Was müssen wir
noch alles tun?

Es ist bereits vieles getan worden . Wenn wir den vor-
liegenden Berufsbildungsbericht in Gänze nicht ernst
nehmen würden, dann, glaube ich, hätten wir nicht so
viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie es tatsäch-
lich geschehen ist .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Einiges davon hat der Kollege Martin Rabanus ja schon
erwähnt . Ich möchte einfach beispielgebend auch noch
ein paar andere Punkte ansprechen .

Erstens: die Allianz für Aus- und Weiterbildung, die
wir auf den Weg gebracht haben . Es ist sicherlich so,
dass darin noch viel Arbeit steckt, und es ist auch extrem
wichtig, dass an dieser Stelle noch miteinander gespro-
chen wird . Aber an welch anderer Stelle kommen denn
alle Akteure zusammen? Wenn jetzt gesagt wird, das sei
alles schlecht und hier sei noch nicht das erreicht worden,
was wir erreichen wollten, dann könnte das vielleicht
auch daran liegen, dass das ein neues Instrument ist .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Richtig! Das Glas ist halb voll!)


Zweiter Punkt: das Anerkennungsgesetz . Auch das ist
in der ganzen Diskussion noch nicht angesprochen wor-
den . Es ist extrem erfolgreich, und – es ist ja mitunter bei
uns in Deutschland einzigartig – wir haben es weiterent-
wickelt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dritter Punkt: internationale Bildungskooperation .
Auch für den beruflichen Bereich ist das extrem wich-
tig – Stichworte BAföG-Reform und Erasmus+ . Hier
haben wir etwas getan, und hier wird in dieser Legisla-
turperiode auch noch einiges geschehen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist deshalb wichtig, darauf hinzuweisen, weil dadurch
auch zur Gleichwertigkeit der akademischen und der be-
ruflichen Bildung beigetragen wird.

Viertens eine Maßnahme, die mir auch ganz besonders
wichtig ist: Meister-BAföG . Was wir da alles an Geld hi-
neinstecken! Zum 1 . August 2016 werden die Förderleis-
tungen deutlich erhöht und verbessert .


(Marianne Schieder [SPD]: Gott sei Dank!)


In den nächsten vier Jahren stecken wir 245 Millionen
Euro in diesen Bereich .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Gute Entscheidung!)


Wenn das nichts ist, dann weiß ich es wirklich auch nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Martin Rabanus [SPD]: Einen guten Gesetzentwurf haben wir da gemacht!)


Im Übrigen: Taktgeber für diese historische Verbes-
serung der beruflichen Weiterbildung war die CSU-Lan-
desgruppe .


(Martin Rabanus [SPD]: Wie bitte?)


Schon in den Kreuther Beschlüssen aus dem Januar 2015
haben wir hier einige Forderungen aufgestellt, die in den
vergangenen Monaten in die Tat umgesetzt wurden . Das
freut mich als CSUlerin ganz besonders . Vielen herzli-
chen Dank an meine Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


All diese Maßnahmen, die ich erwähnt habe – und
ich könnte hier noch ganz schön lange weitermachen –,
müssen aber natürlich erst noch wirken . Geben wir den
neuen Dingen, die wir auf den Weg gebracht haben, doch
ein bisschen Zeit . Auch das ist ganz wesentlich, und ich
glaube, da tut sich auch schon einiges .

Der Berufsbildungsbericht hat auch dieses Jahr wieder
gezeigt – wie auch schon die Fachkräfteberichte aus den
vergangenen Jahren –, dass es in einigen Branchen und
in einigen Regionen besondere Herausforderungen gibt .
Deswegen ist es wichtig, hier noch einmal das Stichwort
„Matching“ zu erwähnen .

Wir haben tatsächlich ein nicht ganz unerhebliches
Problem, wenn es darum geht, alle Schulabsolventen
tatsächlich in den Ausbildungsmarkt zu integrieren . Da
gibt es, wie wir alle wissen – Stichwort 20 000 versus
40 000 –, ein kleines oder auch größeres Problemchen .
Aber ganz besonders stark ist die berufliche Bildung
beim Matching zwischen Ausbildungsmarkt und Ar-
beitsmarkt . Das wird an dieser Stelle immer schön unter-
schlagen . Dabei ist die Situation der Auszubildenden im
Vergleich zu den Absolventen einer Hochschule viel bes-
ser, weil es einen direkten Link zwischen der beruflichen
Ausbildung und dem Arbeitsmarkt gibt . Deswegen sage
ich an dieser Stelle: Ich glaube, wir müssen ein bisschen
aufpassen, dass wir hier nicht überspezialisieren, auch in
der beruflichen Ausbildung, wenngleich ich sagen muss:
Auch im studentischen Bereich ist das ein wesentlicher
Punkt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Rainer Spiering [SPD])


Was wollen wir? Wir wollen für die Ausbildung die
besten Köpfe gewinnen . Da sind all diejenigen, die im
Gymnasialbereich sind, wichtige Ansprechpartner . Die
Studienberatung muss verbessert werden: Diejenigen,
die ein Studium aus welchen Gründen auch immer nicht
beenden wollen, dürfen wir nicht verlieren . Diese brau-
chen wir, gerade wenn es darum geht, spezialisierte Fach-
kräfte von morgen mit einem Leistungsniveau zu haben,

Katrin Albsteiger






(A) (C)



(B) (D)


das vielleicht nicht von jedem erreicht werden kann .
Um diese Köpfe müssen wir uns kümmern . In diesem
Zusammenhang sind schon einige Dinge angesprochen
worden – Stichwort Bundeskonferenz „Chance Beruf“ .

Natürlich dürfen wir auch diejenigen nicht aus den
Augen verlieren, die etwas bildungsschwächer sind; über
die haben wir heute auch schon gesprochen . Assistierte
Ausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen – all das sind
Instrumente, die wir auf den Weg gebracht haben und
die ihre Wirkung sicherlich zeigen werden bzw . das auch
schon getan haben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich komme zum Schluss . Das kann nicht alles gewe-
sen sein . Wir haben viel gemacht . Aber es wird sich noch
einiges bewegen müssen, sei es im Bereich – das habe
ich angesprochen – Auslandsmobilität, sei es im wirklich
wichtigen Bereich der Digitalisierung der beruflichen
Bildung . Insofern gehen uns die Aufgaben und die Ideen
sicherlich nicht aus . Wir haben ja noch ein bisschen Zeit
bis zu den nächsten Wahlen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817608600

Vielen Dank . – Damit schließe ich die Debatte .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/8300, 18/8421 und 18/8259 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 c sowie
Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf:

32 . a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Sechs-
ten Gesetzes zur Änderung des Straßen-
verkehrsgesetzes und anderer Gesetze

Drucksache 18/8559
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

b) Beratung des Antrags der Abgeordne-
ten Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-
Schmeink, Kordula Schulz-Asche, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Versorgung durch Heilmittelerbringer
stärken – Valide Datengrundlage zur Ver-
sorgung und Einkommenssituation von
Heilmittelerbringern schaffen

Drucksache 18/8399
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit

c) Beratung des Antrags des Präsidenten des
Bundesrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für
das Haushaltsjahr 2015

– Einzelplan 20 –

Drucksache 18/8460
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

ZP 2 a) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Standortaus-
wahlgesetzes

Drucksache 18/8704
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht,
Dr . Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Sanktionsregelungen für Beförderungs-
unternehmen, insbesondere Flug- und
Schiffsunternehmen, abschaffen

Drucksache 18/8701
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union

Es handelt sich hierbei um Überweisungen im ver-
einfachten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 a bis 33 l sowie
20 und 21 auf . Es handelt sich um die Beschlussfassung
zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist .

Ich komme zunächst zum Tagesordnungspunkt 33 a:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geset-
zes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau
der Tagesbetreuung für Kinder und des Kin-
derbetreuungsfinanzierungsgesetzes

Drucksache 18/8616

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

(13 . Ausschuss)


Drucksache 18/8744

Katrin Albsteiger






(A) (C)



(B) (D)


Mit diesem Gesetzentwurf wird die Frist, in der die
Bundesmittel im Rahmen des Investitionsprogramms
„Kinderbetreuungsfinanzierung 2015–2018“ vollständig
durch die Bundesländer bewilligt sein müssen, auf Bitte
der Länder um ein Jahr bis zum 30 . Juni 2017 verlängert .

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/8744, den Gesetzentwurf der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8616
anzunehmen . Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetz-
entwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser
Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke und Zustimmung aller anderen Frak-
tionen angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf auch in dritter Lesung bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke und Zustimmung aller anderen Frak-
tionen angenommen worden .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 33 b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Tierische Nebenproduk-
te-Beseitigungsgesetzes und zur Änderung des
BVL­Gesetzes

Drucksache 18/8335

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(10 . Ausschuss)


Drucksache 18/8736

Mit diesem Gesetzentwurf erfolgen Anpassungen an
geänderte europäische Verordnungen . Tierische Neben-
produkte werden in stärkerem Maße als bisher risikoba-
siert kategorisiert . Des Weiteren wird geregelt, dass das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-
cherheit bei der Überwachung der Vorschriften durch die
Länder mitwirkt .

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/8736, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 18/8335 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstim-
mig angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und zur Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben . – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? –

Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung einstimmig
angenommen worden .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 33 c:

Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zu dem Abkommen vom 17. Dezember
2015 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und Japan zur Beseitigung der Doppel-
besteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und bestimmter anderer Steuern
sowie zur Verhinderung der Steuerverkür-
zung und -umgehung

Drucksache 18/8516

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses (7 . Ausschuss)


Drucksache 18/8726

Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/8726, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8516 an-
zunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzent-
wurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition
bei Enthaltung der Opposition angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und zur Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit
ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei
Enthaltung der Opposition angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 d:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom
24. September 2014 zwischen der Regierung
der Bundesrepublik Deutschland und der Re-
gierung der Republik Ruanda über den Luft-
verkehr

Drucksache 18/8296

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur

(15 . Ausschuss)


Drucksache 18/8672

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/8672, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 18/8296 anzunehmen .

Zweite Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und der

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 e:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-
nität und Geschäftsordnung (1 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Martina Renner,
Dr . André Hahn, Dr . Konstantin von Notz, Hans-
Christian Ströbele, Dr . Sahra Wagenknecht,
Dr . Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt,
Dr . Anton Hofreiter und weiterer Abgeordneter

Ergänzung des Untersuchungsauftrages des
1. Untersuchungsausschusses – Hilfsweise:
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Drucksachen 18/7565, 18/8683

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/8683, den Antrag auf Drucksa-
che 18/7565 in der Ausschussfassung anzunehmen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen
worden bei Enthaltung der Koalitionsfraktionen .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 33 f:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Irene
Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, Luise
Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr öffentliche Sicherheit – Für eine bessere
Begrenzung und Kontrolle von Schusswaffen

Drucksache 18/8710

Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Antrag mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op-
position abgelehnt worden .

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-
titionsausschusses, Tagesordnungspunkte 33 g bis 33 l .

Tagesordnungspunkt 33 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 321 zu Petitionen

Drucksache 18/8635

Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt
dagegen? – Enthält sich jemand? – Dann ist diese Sam-
melübersicht einstimmig angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 322 zu Petitionen

Drucksache 18/8636

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist diese Sammelübersicht mit den

Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 323 zu Petitionen

Drucksache 18/8637

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Damit ist diese Sammelübersicht einstim-
mig angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 324 zu Petitionen

Drucksache 18/8638

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist diese Sammelübersicht mit den
Stimmen der Koalition und der Fraktion Die Linke gegen
die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 325 zu Petitionen

Drucksache 18/8639

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Damit ist diese Sammelübersicht mit den
Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke ange-
nommen worden .

Tagesordnungspunkt 33 l:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 326 zu Petitionen

Drucksache 18/8640

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Damit ist diese Sammelübersicht mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositi-
on angenommen worden .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 20:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Umweltstatistikgesetzes
und des Hochbaustatistikgesetzes

Drucksache 18/8341

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (16 . Ausschuss)


Drucksache 18/8734

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re-
aktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/8734, den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drucksache 18/8341 in der Ausschussfas-
sung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der
Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen worden bei Enthaltung der Fraktion Die Linke .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und den
Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 21:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
der Verordnung der Bundesregierung

Erste Verordnung zur Änderung der Verord-
nung über Luftqualitätsstandards und Emis-
sionshöchstmengen – 39. BImSchV

Drucksachen 18/8340, 18/8461 Nr. 2, 18/8667

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/8667, der Verordnung der
Bundesregierung auf Drucksache 18/8340 zuzustim-
men . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Be-
schlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“

Drucksache 18/8709

Wer stimmt für den interfraktionellen Wahlvorschlag
auf Drucksache 18/8709? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Wahlvorschlag einstimmig
angenommen worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung des Berichts des Petitionsausschusses

(2 . Ausschuss)


Bitten und Beschwerden an den Deutschen
Bundestag

Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des
Deutschen Bundestages im Jahr 2015

Drucksache 18/8370

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Vorsit-
zende des Petitionsausschusses, die Kollegin Kersten
Steinke .


(Beifall bei der LINKEN)



Kersten Naumann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817608700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des
Ausschussdienstes! Ich will zunächst darauf aufmerk-
sam machen, dass hinter den vielen Sammelübersichten,
die wir gerade beschlossen haben, ganz viel Arbeit der
Mitglieder des Petitionsausschusses, aber auch der Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter steckt . Dafür ein herzliches
Dankeschön von dieser Stelle aus!


(Beifall im ganzen Hause)


Ich möchte im Vorfeld noch erwähnen, dass ich über
die Leere auf der Regierungsbank bzw . darüber, wie we-
nig die Regierung die Arbeit des Petitionsausschusses in-
teressiert, sehr erstaunt bin . Ich hoffe, dass es beim nächs-
ten Mal besser wird; denn auch im Berichtsjahr 2015
haben sich erneut viele Bürgerinnen und Bürger an den
Petitionsausschuss gewandt . Auch im vergangenen Jahr
war der Petitionsausschuss der Seismograf für die aktu-
ellen Sorgen und Nöte der Menschen .

13 137 Petitionen gingen beim Petitionsausschuss
ein . Das waren durchschnittlich 52 Zuschriften pro Tag .
Das klingt nach viel . Dennoch muss man an dieser Stel-
le sagen: So wenige Petitionen erreichten uns das letzte
Mal 1988 . Da stellt sich natürlich die Frage: Bedeuten
weniger Petitionen auch weniger Probleme? Wenn man
allerdings die Stimmung im Land sieht, dann muss man
sagen, dass das eher unwahrscheinlich ist . Die Gründe
für diesen Rückgang können sehr vielfältig sein, zum
Beispiel die einfachere Mitzeichnung einer Petition auf
unserem Internetportal, anstatt eine Petition selber ein-
zureichen, oder die Konkurrenz mit privaten Internetpor-
talen oder das nahende Ende der Legislaturperiode . Aber
die Gründe bedürfen sicherlich einer genauen Analyse .

Von den insgesamt eingereichten 13 137 Petitionen
gingen 4 031 elektronisch über unser Internetportal ein;
das sind 30 Prozent . Abschließend behandelt hat der Aus-
schuss im Berichtsjahr 14 765 Eingaben, wobei wieder
Überhänge aus dem Vorjahr dabei waren . Die meisten
Eingaben entfielen wie in jedem Jahr mit knapp 20 Pro-
zent der Gesamteingaben auf das Ressort Arbeit und So-
ziales .

Wenn es um Beruf und Einkommen, um gerechte Ren-
te und angemessene Hilfe geht, kommt es immer wieder
zu Konflikten zwischen Staat und Bürgern. Oft geht es
in den Petitionen um die Grundsicherung für Arbeitsu-
chende, Regelbedarfsätze, Mindestlohn, Leiharbeit und
Fragen betreffend die Rentenversicherung . Aber auch die
Bescheinigung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
durch Anerkennung einer Berufskrankheit fällt in dieses
Ressort, wie das folgende Beispiel zeigt .

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Ein Petent, der mehr als sechs Jahre in den 60er- und
70er-Jahren mit einem hochgiftigen Lösungsmittel in ho-
her Dosis und ohne Schutzmaßnahmen Reinigungs- und
Entfettungsarbeiten durchgeführt hatte, litt unter einer
Krebserkrankung der Niere sowie unter Hauterkrankun-
gen . Seine Berufsgenossenschaft war nicht gewillt, die
Erkrankungen trotz mehrerer ärztlicher Gutachten als
Berufskrankheiten anzuerkennen . Es bedurfte eines zä-
hen dreijährigen Petitionsverfahrens mit vielen Gutach-
ten und Stellungnahmen, bis der Petent endlich zu sei-
nem Recht kam . Hier zeigt sich, dass die Hartnäckigkeit
des Petitionsausschusses oft zum Erfolg führt .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Petent bedankte sich beim Petitionsausschuss und
schrieb unter anderem: „Ohne Ihre Hilfe wären die Feh-
ler, die von der Berufsgenossenschaft am Anfang des
Verfahrens gemacht wurden, nicht korrigiert worden .“

Auf dem zweiten Platz der Bundesressorts mit den
meisten Eingaben folgt das Bundesministerium des
Innern mit 1 847 Petitionen . Hier gibt es eine wesent-
liche Veränderung im Vergleich zu den Vorjahren . Mit
932 Eingaben entfielen mehr als die Hälfte der Petitionen
auf den Bereich Aufenthalts- und Asylrecht .

In der ersten Jahreshälfte bewegten die Bürger vor al-
lem die zahlreichen Schiffsunglücke, bei denen, wie im
April 2015 vor der libyschen Küste, Hunderte von Men-
schen im Mittelmeer ertranken . Ab September begannen
dann die Zuschriften derjenigen zuzunehmen, die sich
aus unterschiedlichsten Gründen Sorgen um den Anstieg
der Flüchtlingszahlen, die angemessene Unterkunft und
die Versorgung der Flüchtlinge oder um die Abschiebe-
praxis machten .

Neben seinen 25 regulären Sitzungen im Jahr 2015
hat der Ausschuss 23 Berichterstattergespräche mit ein-
zelnen Ministerien geführt, um Lösungen für schwierige
Fälle zu finden. Hier wurden beispielsweise Visaangele-
genheiten, die gesellschaftliche Anerkennung und Reha-
bilitation ehemaliger Heimkinder und die Regelungen
zur Altersrente thematisiert .

Sehr gut besucht und nahe am Bürger sind die öffentli-
chen Sitzungen des Ausschusses, die in diesem Jahr unter
anderem zu folgenden Themen stattfanden: Exportverbot
für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter mit über
94 000 Unterstützerinnen und Unterstützern; es ging um
eine angemessene Vergütung für Pflegekräfte mit über
60 000 Unterschriften oder um die Kostenerstattung für
Medikamente auf Cannabisbasis durch die GKV mit über
48 000 Unterschriften; es ging aber auch um die Einrich-
tung eines oder einer Kinderbeauftragten im Deutschen
Bundestag mit über 107 000 Unterstützerinnen und Un-
terstützern und darum, die Personalbemessung in Kran-
kenhäusern gesetzlich zu regeln, mit über 194 000 Un-
terschriften .

Die jeweiligen Petenten erläuterten im Beisein von
Vertretern der zuständigen Ministerien ihr Anliegen den
Abgeordneten sowie einer breiten Öffentlichkeit, und die
Abgeordneten konnten so ihr Wissen zu den genannten
Petitionen vertiefen und in die Entscheidungsfindung

einbeziehen . Diese öffentlichen Sitzungen wurden durch
das Parlamentsfernsehen und im Web-TV live übertra-
gen . Alle Mitschnitte sind außerdem jederzeit über den
Internetauftritt des Deutschen Bundestages abrufbar .

Die Abgeordneten im Petitionsausschuss nehmen ihre
Arbeit sehr ernst; denn das Petitionsrecht ist ein wich-
tiger Bestandteil unserer Demokratie . Mit großem En-
gagement ringen wir um die bestmögliche Lösung für
jede Petentin und jeden Petenten und praktizieren dabei
in vielen Fällen eine über Fraktionsgrenzen hinausgehen-
de konstruktive Zusammenarbeit . Aber natürlich gibt es
zu manchem Thema unterschiedliche Sichtweisen und
somit auch unterschiedliche Voten der Fraktionen .

Wenn auch zu Beginn jeder Wahlperiode der Run auf
die Mitgliedschaft im Petitionsausschuss eher gemäßigt
ist, will ich ausdrücklich sagen, dass nur ein Petitions-
ausschussmitglied die Wirkung von Petitionen und die
Bedeutung dieses Gremiums wirklich einschätzen kann .


(Beifall im ganzen Hause)


Um diese Bedeutung und Wirkung weiter zu erhöhen und
den Bürgerinnen und Bürgern die Chance auf demokra-
tische Teilhabe zu eröffnen, bitte ich Sie, auch in Ihren
Wahlkreisen für Petitionen beim Deutschen Bundestag
zu werben .

Der Petitionsausschuss hat 2015 mittlerweile den drit-
ten Preis für seine Internetplattform erhalten . Nach der
Auszeichnung mit dem Politikaward 2008 und der BIENE
der „Aktion Mensch“ im Jahr 2010 für den besonders
barrierefreien Zugang ist der Petitionsausschuss 2015
als Preisträger im bundesweiten Innovationswettbewerb
„Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ für die Einbin-
dung des neuen Personalausweises auf seinem Webportal
geehrt worden .


(Beifall im ganzen Hause)


Damit ist es möglich, sich mit dem neuen Personalaus-
weis im Portal zu registrieren und online eine Petition
einzureichen .

Nicht zuletzt aufgrund solcher Innovationen ist unser
Internetportal zu einem Aushängeschild des Ausschus-
ses geworden . Es erlaubt interessierten Menschen, sich
zusammenzutun, um sich gemeinsam für ein Anliegen
starkzumachen . Diese Möglichkeit wird rege genutzt . Ich
freue mich sehr, dass Ende 2015 auf unserem Internet-
portal fast 2 Millionen Nutzerinnen und Nutzer registriert
waren . Mittlerweile sind es über 2 Millionen Nutzerin-
nen und Nutzer .

Auf der Internetseite des Petitionsausschusses wurden
im vergangenen Jahr 384 Petitionen veröffentlicht und
mit fast 500 000 Mitzeichnungen unterstützt . Unser In-
ternetportal bleibt schon wie im vergangenen Jahr klarer
Spitzenreiter, was die Seitenaufrufe des Internetangebo-
tes des Deutschen Bundestages angeht .

Dennoch muss auch gesagt werden, dass die Gesamt-
zahl der online eingereichten Petitionen gesunken ist .
Einer der Gründe könnte sein, dass sich der Ausschuss
seit einiger Zeit in einer Art Konkurrenzsituation sieht .
Sogenannte Petitionsplattformen von privaten Anbietern
sind nicht zuletzt durch die sozialen Netzwerke äußerst

Kersten Steinke






(A) (C)



(B) (D)


populär geworden und werden auch regelmäßig in den
Medien erwähnt . Natürlich ist es immer gut, wenn sich
Bürgerinnen und Bürger engagieren . Doch, so weiß ich
aus Gesprächen mit Petenten, ist vielen der Unterschied
zu unserer Petitionsplattform nicht klar . Hier rufe auch
ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf, für Klarheit
und Aufklärung in Ihren Wahlkreisen zu sorgen .

Nur beim Deutschen Bundestag ist die Petition gemäß
dem Grundgesetzartikel 17 mit einer Dreifachgarantie
ausgestattet, nämlich für die offizielle Bestätigung und
Entgegennahme, die sorgfältige Prüfung des Anliegens
und eine demokratische abschließende Entscheidung, die
den Petenten ebenfalls mitgeteilt wird . Alle diese Schrit-
te finden unabhängig von der Zahl der Unterstützerinnen
und Unterstützer statt; denn der Hauptteil unserer Arbeit
sind und bleiben die privaten Sorgen und Nöte des ein-
zelnen Bürgers .

Die Bearbeitung von persönlichen Bitten und Einzel-
schicksalen, wie etwa die falsch berechnete Rente, der
nicht finanzierte Rollstuhl, das abgelehnte Besuchervi-
sum, sind wichtig; denn dies alles können für den Ein-
zelnen existenzielle Probleme sein . Sie zeigen auf, wo
Politik nicht funktioniert . Genau hier ist das Engagement
aller Ausschussmitglieder gefragt, Abhilfe zu schaffen
und Lösungen zu finden.

Es kommt beim Lesen von Petitionen auch manchmal
vor, dass wir schmunzeln müssen . Als zum Beispiel ein
elfjähriger Junge im November des vergangenen Jahres
anregte, den Nikolaustag am 6 . Dezember zum bundes-
einheitlichen Feiertag zu erklären, wollten wir zwar gern
helfen, aber das Anliegen liegt nicht in der Zuständigkeit
des Bundes, sondern ist Ländersache . Erfreulich ist al-
lerdings, dass bereits ein Elfjähriger unseren Ausschuss
kennt und von seinem demokratischen Recht des Einrei-
chens einer Petition Gebrauch macht . Das stimmt mich
zuversichtlich, noch dazu, weil die Petition online ein-
ging .


(Beifall im ganzen Hause)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möch-
te ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
des Ausschussdienstes, der Fraktionen und der Abge-
ordneten, bei den Abgeordneten im Petitionsausschuss,
dem Unterabteilungsleiter Herrn Dr . Paschmanns und
den Referatsleiterinnen und Referatsleitern bedanken .
Mein Dank geht aber auch an den inzwischen mit ande-
ren Aufgaben betreuten ehemaligen Leiter des Petitions-
ausschussdienstes, Herrn Dr . Schotten, der für jede neue
Idee ein offenes Ohr hatte und sachlich ausgleichend
zwischen den Fraktionen managte .

Darüber hinaus möchte ich dem Sekretär unseres Aus-
schusses, sozusagen meiner rechten Hand im Ausschuss-
dienst, Herrn Finger, für seine langjährige Hilfe und Un-
terstützung danken .


(Beifall im ganzen Hause)


Ihnen, lieber Herr Finger, wünsche ich im bevorstehen-
den Ruhestand alles Gute und viel Zeit für die schönen
Dinge im Leben . Vielleicht sehnen Sie sich auch bald
nach uns . Ich hoffe, dass Sie die nächste Aussprache zum
Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses auf Phoenix

im Fernsehen oder auf der Besuchertribüne verfolgen .
Vielleicht wird sie dann an einem Donnerstag um 9 Uhr
beginnen .

Lassen Sie mich abschließen mit den Worten eines
amerikanischen Schriftstellers, der einmal sagte:

Erfolg ist die Summe kleiner Anstrengungen, die
man jeden Tag aufs Neue tut .

Lassen Sie uns gemeinsam diese kleinen und großen An-
strengungen im Sinne der Petentinnen und Petenten wei-
terhin unternehmen . Ich wünsche mir eine weitere gute
Zusammenarbeit .

Vielen Dank .


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817608800

Ganz herzlichen Dank, Frau Steinke . – Als nächste

Rednerin hat Christel Voßbeck-Kayser das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Christel Voßbeck-Kayser (CDU):
Rede ID: ID1817608900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Heute zur Hauptkernzeit im Parlament
über den Jahresbericht des Petitionsausschusses zu spre-
chen, zeigt, welche Bedeutung das Petitionswesen im
Deutschen Bundestag hat . Es macht ferner deutlich, wie
wichtig uns, dem Parlament, den Abgeordneten, diese
Petitionen als Instrument der direkten Demokratie sind
und dass wir die Menschen, die sich mit ihren Anliegen
an uns wenden, sehr ernst nehmen .

Dies zeigt sich auch in unseren Ausschusssitzungen,
in denen wir sehr leidenschaftlich die vielfältigen Anlie-
gen der Bürger und Bürgerinnen diskutieren und wo wir
auch wiederholt, über die Fraktionsgrenzen hinweg, zu
einer gemeinsamen Meinung und damit auch Entschei-
dung kommen .

Die Kollegin Steinke hat es schon erwähnt: Über
13 000 Petitionen wurden im vergangenen Jahr einge-
reicht . Auf 252 Arbeitstage im letzten Jahr bezogen, sind
dies pro Tag etwa 52 Zuschriften. Ich finde, das ist schon
eine Menge . Bei den Eingaben geht es um Themen aus
allen Bereichen des täglichen Lebens, wo Bürger durch
Gesetze direkt betroffen sind, sich benachteiligt fühlen
oder eingeschränkt sehen .

Es gibt – das erwähnte die Kollegin Steinke auch
schon – zwei Möglichkeiten, wie die Bürger ihre Anlie-
gen einbringen können, entweder schriftlich oder über
die Onlineplattform des Deutschen Bundestages . Leider
gibt es inzwischen viele vermeintliche Petitionsplattfor-
men im Internet . Sie suggerieren, dass die Rechte der
Bürger dort vertreten werden und dass die Bürger mit ei-
ner Unterschrift dort etwas bewirken können . Aber man
kann auf diesen Plattformen nichts bewirken .


(Zuruf der Abg . Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Kersten Steinke






(A) (C)



(B) (D)


Ich will hier ganz klar sagen: Es gibt nur eine echte Petiti-
onsplattform, und das ist die des Deutschen Bundestages .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: Da können die Grünen auch mitklatschen!)


Nur hier werden die Anliegen parlamentarisch geprüft
und bearbeitet . Nur hier können Gesetze und Gesetzes-
änderungen auf den Weg gebracht werden .

Mehr als 2 Millionen registrierte Bürgerinnen und
Bürger nutzen unsere Onlinepetitionsplattform . Ich sage:
Nutzen Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, auch weiter-
hin dieses echte Angebot; denn nur wo „Petitionsaus-
schuss“ draufsteht, ist auch Petitionsausschuss drin .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Kersten Steinke [DIE LINKE] – Günter Baumann [CDU/CSU]: Da können die Grünen mitklatschen!)


Bei über 13 000 Petitionen waren die Schwerpunkte
der Bereich Arbeit und Soziales, der Bereich des Innern
und der Bereich Gesundheit . Ich möchte exemplarisch
auf zwei Beispiele eingehen .

Ein Beispiel aus dem Bereich Arbeit und Soziales:
Eine Petentin forderte die Anerkennung von Kinder-
erziehungs- und Berücksichtigungszeiten in der Renten-
versicherung für ihre zwei in Polen geborenen Kinder .
Dies war von der Rentenversicherung Bund zunächst ab-
gelehnt worden . Die eingeleitete Prüfung ergab, dass die
Kindererziehungszeiten im Ausland in dem Fall der Pe-
tentin jedoch angerechnet werden können . Die Renten-
versicherung erkannte die Zeiten rückwirkend an . Dieses
Beispiel macht deutlich, dass alleine die Prüfung, die der
Petitionsausschuss veranlasst hat, zu einer Änderung zu-
gunsten der Petentin führte . Und dies war kein Einzelfall .

Ein Beispiel aus dem Bereich Gesundheit will ich
benennen . Hier kann man sagen, dass der Petitionsaus-
schuss so etwas wie ein Seismograf, also ein Bewe-
gungsmelder, für Gesetze ist . – Viele Petitionen befass-
ten sich inhaltlich mit der Betreuung und Versorgung von
pflegebedürften Menschen. Es ging um Forderungen wie
eine individuellere Betrachtungsweise bei der Feststel-
lung von Pflegebedürftigkeit oder um die bessere Absi-
cherung von pflegenden Angehörigen bei der Rente. Mit
dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, welches der Bun-
destag am 13 . November 2015 beschlossen hat, wurden
diese beiden Anliegen aufgegriffen, und dadurch wurde
den Bedürfnissen von Pflegebedürftigen und ihren Ange-
hörigen weiter Rechnung getragen .

Diese zwei Beispiele zeigen: Unser Petitionswesen ist
ein starkes Instrument – ein Instrument, das etwas bewir-
ken kann, sowohl im Einzelfall als auch im Großen und
Ganzen der Gesetzgebung . Und selbst wenn wir einem
Bürger bei seinem Anliegen nicht helfen können, so wer-
den ihm die Gründe dieser Entscheidung in einem per-
sönlichen Schreiben mitgeteilt . Im Deutschen Bundestag
bleibt keine Eingabe unbeantwortet .

Ich sage auch Danke für die Zusammenarbeit . Ich be-
danke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

des Ausschussdienstes, der Fraktionen und der Abgeord-
netenbüros . Lassen Sie uns diese Arbeit im Sinne der
Bürgerinnen und Bürger, im Sinne unseres Verständnis-
ses von Demokratie, in der jedes Anliegen gehört wird,
weiterhin gemeinsam fortsetzen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817609000

Herzlichen Dank . – Kerstin Kassner von der Fraktion

Die Linke hat als nächste Rednerin das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Kerstin Kassner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817609100

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen!

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Ge-
meinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder
Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden .

So steht es im Artikel 17 des Grundgesetzes . Das ist ein
Hinweis besonders an die vielen Besucherinnen und
Besucher hier im Bundestag . Es sei noch einmal ganz
deutlich gesagt: Diese Möglichkeit des Petitionswesens
ist eine gut praktizierte Form der Demokratie, und die
sollten wir auch unbedingt nutzen; denn sie ist eine Perle,
die wir pflegen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Dafür, dass das so ist, möchte ich drei Gründe anfüh-
ren . Es gibt natürlich noch viel mehr Gründe, die man in
diesem Zusammenhang nennen könnte .

Der erste Grund ist, dass die Bürger die Möglichkeit
haben, direkt in das parlamentarische Geschehen einzu-
greifen . Meine Fraktion hat gerade in dieser Woche, am
heutigen Tag sogar, einen Gesetzentwurf zu mehr demo-
kratischer Mitbestimmung eingebracht . Bürgerbeteili-
gung, Bürgerbefragung und natürlich auch das Petitions-
wesen: Das sind Möglichkeiten, über die die Bürgerinnen
und Bürger direkt in das politische Geschehen eingreifen
können . Das ist gerade in der jetzigen Zeit wichtig, in der
sich viele Menschen von der Politik unverstanden fühlen
und wütend sind über das, was passiert . Es ist eine Mög-
lichkeit, die Bürger mitzunehmen und für ein anderes Po-
litikverständnis zu sorgen . Das sollten wir nutzen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der zweite Grund für die Einzigartigkeit des Petiti-
onswesens ist, dass es sich um eine Querschnittsaufga-
be handelt . Wir als Mitglieder des Petitionsausschusses
sind sozusagen auf allen Politikfeldern bewandert . Wir
haben uns mit vielen Dingen auseinanderzusetzen, haben
uns zu kümmern und erfüllen dadurch die Funktion eines
Netzwerkers, eines Querschnittsarbeiters. Das finde ich
gut . Man vermeidet damit bestimmte Scheuklappen .

Auch im vergangenen Jahr war das Feld Arbeit und
Soziales wieder eines der wichtigsten . Wir haben über

Christel Voßbeck­Kayser






(A) (C)



(B) (D)


2 600 Petitionen dazu erhalten . Daran merkt man, dass
noch vieles im Argen liegt, dass wir noch vieles verän-
dern müssen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger .

Darüber hinaus haben wir viele andere Dinge zur
Kenntnis bekommen, sozusagen ein Spiegelbild der Sor-
gen und Probleme der Einwohnerinnen und Einwohner
unseres Landes . Das ging los mit dem Alltagsbegleiter
für Menschen mit Behinderungen – ein Beispiel für das
A im Alphabet –, setzte sich fort mit der Diskussion zu
einer neuen Verfassung, mit der Verlängerung der Wahl-
periode des Deutschen Bundestages und mit vielen ande-
ren Sorgen und Problemen, die die Bürger haben, bis hin
zum Z, der Zunahme des Fluglärmes . Gerade Lärm und
Umweltprobleme treiben viele Bürger um und kommen
dann bei uns auf den Tisch als etwas, worum wir uns zu
kümmern haben .

Dass wir das leisten können – das muss ich einmal
ganz fair sagen –, ist der Tatsache zu verdanken, dass
wir viel Hilfe haben . Es sind die Fachpolitikerinnen und
-politiker in der Fraktion, die uns helfen, die einzelnen
Politikfelder zu beackern . Es sind aber auch unsere Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter und nicht zuletzt und ganz
dick unterstrichen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Ausschusssekretariats . Vielen Dank für Ihre Unter-
stützung!


(Beifall im ganzen Hause)


Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, möch-
te ich den dritten Grund benennen: die Möglichkeit eines
anderen Herangehens an Politik – parteiübergreifend, im
Interesse der Bürgerinnen und Bürger, nicht nach irgend-
welchen Vorgaben aus Ministerien, sondern danach, was
wir als wichtig für die Bürgerinnen und Bürger erachten .
Deshalb sind wir doch hier . Gehen wir es also gemeinsam
an . Uns allen dafür viel Kraft und gute Verständigung!

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817609200

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Sarah

Ryglewski von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sarah Ryglewski (SPD):
Rede ID: ID1817609300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der
Zuschauertribüne! Für mich ist das heute eine Premiere .
Ich bin jetzt bald ein Jahr Mitglied im Petitionsausschuss
und Mitglied des Deutschen Bundestages . Deswegen
freue ich mich sehr, dass ich hier den Jahresbericht mit
vorstellen darf .

Es ist eine wahnsinnig spannende und vielfältige Auf-
gabe, die mir sehr viel Spaß macht . In keinem anderen
Ausschuss steht der Mensch so sehr im Mittelpunkt wie
bei uns . Zum einen geht es darum, dass ein Petent oder
eine Petentin ein Anliegen hat und möchte, dass wir uns

damit befassen. Zum anderen profitieren wir als Politik
ungemein von diesem Ausschuss . Es ist vorhin schon
ein paarmal angeklungen: Der Petitionsausschuss ist
ein wichtiger Sensor für die Frage, ob in unserem Land
Dinge funktionieren oder nicht . Ich glaube, das ist etwas,
was man hier heute in jeder Rede betonen darf; denn das
ist eigentlich eine der wichtigsten Aufgaben dieses Peti-
tionsausschusses .


(Beifall im ganzen Hause)


Denn für uns alle, die wir hier sitzen, ist es so: Politik
betreiben wir nicht als Selbstzweck, sondern wir wol-
len konkrete Verbesserungen für Menschen . Deswegen
ist es wichtig, dass der Petitionsausschuss im Einzel-
fall versucht, Abhilfe bei persönlichen Problemlagen zu
schaffen und gleichzeitig Aufmerksamkeit auf Fehler im
System zu lenken . Ich glaube, dass uns das grundsätzlich
gut gelingt, aber wie jede Sache, die gut ist, kann man
es noch ein bisschen besser machen . Dazu möchte ich
einige Punkte sagen .

Ein Punkt ist, dass wir den Bekanntheitsgrad deutlich
verbessern müssen . Vorhin hat schon jemand darauf hin-
gewiesen, dass das Petitionsrecht ein Jedermannrecht ist .
Das heißt, jeder, der in Deutschland lebt, also auch der,
der kein deutscher Staatsbürger ist, hat das Recht, eine
Petition einzureichen – im Übrigen auch Minderjährige .
Hierfür müssen wir noch viel mehr Werbung machen, da-
mit auch Jugendliche, die viel zu sagen haben, von dieser
Möglichkeit Gebrauch machen . Hierzu muss ich sagen,
dass unsere Kommunikationswege – da bin ich auch ein
bisschen selbstkritisch – manchmal ein wenig altbacken
sind .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Viele Menschen wissen nicht, dass wir jede im Bun-
destag eingereichte Petition behandeln . Es ist ja nicht so,
dass eine Petition, die von uns nicht zur Erwägung vorge-
schlagen wird, im luftleeren Raum versandet . Wenn ich
an die Mühe denke, die wir uns als Abgeordnete oft ma-
chen – hinterhertelefonieren, im Jobcenter anrufen, mit
einer Behörde in Kontakt treten –, dann muss ich sagen,
dass wir im konkreten Einzelfall häufig viel erreichen
können, obwohl wir an grundsätzlichen Problemen viel-
leicht nicht immer etwas ändern können .

Ein weiterer Punkt, bei dem wir eine deutliche Verbes-
serung schaffen müssen – das sagte ich schon –, ist der
leichtere Zugang und die Verständlichkeit . Echte Partizi-
pation gibt es doch nur, wenn wir es allen leicht machen,
ihr Anliegen einzureichen . Dafür sind die Mindestvo-
raussetzungen Barrierefreiheit und leichte, verständliche
Sprache . Die Internetseite des Petitionsausschusses –
das muss man heute sagen, es tut mir leid – ist deutlich
verbesserungsfähig . So, wie sie jetzt ist, bekommen die
Leute keinen direkten Zugang . Dadurch geraten wir im
Vergleich zu den privaten Onlineplattformen oft ins Hin-
tertreffen .

Wie gesagt, ich bin dafür, dass wir alle offen für den
Petitionsausschuss werben . Ein Punkt ist mir dabei noch
wichtig . Das betrifft auch die Ministerien . Wir bekom-

Kerstin Kassner






(A) (C)



(B) (D)


men häufig Antworten zurück, die so komplex sind, dass
selbst wir Probleme haben, sie zu verstehen . Ich glaube,
egal wie man am Schluss zu einem Petenten und zu ei-
nem Anliegen steht, müssen wir schauen, dass die Men-
schen verstehen, warum wir bestimmte Dinge nicht ma-
chen können . Bürgerfreundliche Kommunikation muss
auf Augenhöhe sein . Hier hat nicht nur der Petitionsaus-
schuss Nachholbedarf, sondern auch Politik und Verwal-
tung insgesamt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Punkt, den ich noch erwähnen möchte:
Leute wenden sich nicht nur mit individuellen Anlie-
gen an uns, sondern viele Menschen machen sich auch
grundsätzliche Gedanken über die Politik in unserem
Land . Das können wir gar nicht hoch genug einschätzen .
Ich bin auch noch Mitglied des Finanzausschusses . Das
sind zum Teil sehr komplexe Sachverhalte . Wenn ich mir
anschaue, wieviel Gehirnschmalz manche Leute aufwen-
den, dann wünsche ich mir manchmal, dass wir vielleicht
ergebnisoffener diskutieren und mehr Menschen mitneh-
men . Ich glaube, daran können wir arbeiten und das kön-
nen wir umsetzen .

Einen letzten Punkt – ich muss zum Schluss kom-
men – möchte ich noch erwähnen . Trotz der kritischen
Punkte sollte man eines dem Bürger mitgeben . Ich bin
immer wieder beeindruckt davon, dass wir uns fraktions-
übergreifend darüber einig sind, die Anliegen der Bür-
gerinnen und Bürger in den Mittelpunkt zu nehmen und
ihnen zu helfen, so gut es geht . Ich glaube, hier sind wir
auf einem guten Weg, aber wir könnten uns noch weiter
verbessern .

Dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Petitionsausschusses und der Abgeordneten schließe
ich mich ausdrücklich an . Ohne sie könnten wir die Fülle
an Petitionen nicht bearbeiten . Deren Sachkompetenz hat
mich schon in mancherlei Hinsicht überrascht und beein-
druckt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817609400

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Corinna

Rüffer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .


Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817609500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir haben
schon viel Lob gehört . Keine Angst, ich will mich zu-
nächst einmal dem Lob anschließen – da ist was dran –
und zwei Petitionen herausgreifen, die ich besonders gut
und wichtig fand und die mir ein Stück weit ans Herz
gewachsen sind .

Das ist einmal die Petition ehemaliger Heimkinder,
die in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in der

Kinder- und Jugendpsychiatrie massiv Opfer von richtig
schlimmer Gewalt geworden sind und denen bis heute –
von Entschädigung kann sowieso keine Rede sein – keine
Anerkennung gezollt worden ist . Wir haben es als Aus-
schuss fraktionsübergreifend geschafft, ein hohes Votum
zu finden, um damit in Richtung der Länder und auch
der Kirchen von Bundesseite aus zu signalisieren, dass
da endlich etwas geschehen muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das war ein ganz wichtiges Signal . Trotzdem ist es un-
heimlich peinlich, dass, obwohl über ein Jahr vergangen
ist, bis heute keine Lösung gefunden wurde . Das be-
deutet, wir müssen hier alle gemeinsam den politischen
Druck aufrechterhalten; denn langsam ist es mehr als
peinlich, was da passiert . Es ist jedes Mal wieder ein
Schlag ins Gesicht der Leute, die so viele Jahre lang, zum
Teil jahrzehntelang, gelitten haben .

Bei der zweiten Petition – von denen gibt es nicht so
wenige – ging es um eine junge, kranke Jesidin aus dem
Irak, die bei einem Bruder in Süddeutschland unterge-
kommen ist . Sie ist über Schweden eingereist und sollte
dorthin zurückgeführt werden, um dort ihr Asylverfahren
zu durchlaufen . Das Innenministerium hat erst einmal
festgestellt, dass es keine außergewöhnlichen humanitä-
ren Gründe sieht, der Frau ein Asylverfahren in Deutsch-
land zu ermöglichen . Das ist korrigiert worden, nachdem
in einem Berichterstattergespräch Überzeugungsarbeit
geleistet worden war . Die Frau lebt immer noch bei ihrem
Bruder und durchläuft das Asylverfahren in Deutschland .
Das ist für diese Frau und für ihre Familie unheimlich
wichtig . Herzlichen Dank, dass wir alle da gut zusam-
mengearbeitet haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Von diesen Fällen gibt es durchaus einige . Aber jetzt
gieße ich Wasser in den Wein; das haben Sie wahrschein-
lich auch schon erwartet .


(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)


Denn meine Bilanz für 2015 fällt ziemlich nüchtern aus .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koali-
tion, ich kann Ihnen das nicht ersparen: Meiner Ansicht
nach war das Motto des letzten Jahres: Verschleppen,
Verschieben, Verstecken, Verdruss .


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Absolut falsch!)


Sie verschleppen die Entscheidungen über Petitionen,
die Ihnen nicht angenehm sind . Über Monate, ja sogar
Jahre, schieben Sie die Petitionen in irgendwelchen Ko-
alitionsrunden hin und her, und die Leute warten vergeb-
lich auf Entscheidungen .


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Mal sehen, bei welcher Fraktion die meisten liegen!)


Sie verschleppen, Sie verschieben die Auseinander-
setzung mit unangenehmen Petitionen Woche für Woche
im Ausschuss . Sie verstecken Petitionen vor der Öffent-

Sarah Ryglewski






(A) (C)



(B) (D)


lichkeit, wenn Ihnen der Petent oder das Anliegen nicht
passt; dazu wird Frau Müller-Gemmeke gleich noch ein
bisschen mehr sagen . Das fördert den Verdruss im Aus-
schuss . Viel schlimmer ist: Das fördert den Verdruss in
der Bevölkerung, unter den Bürgerinnen und Bürgern .
Manche von ihnen warten, wie gesagt, schon seit Jahren
auf Entscheidungen in ihrem Fall . So geht das einfach
nicht . Überdies erschweren Sie die Arbeit des Ausschuss-
dienstes, der wirklich eine hervorragende Arbeit macht –
da will ich mich zu hundert Prozent Ihrem Lob anschlie-
ßen – und sich ohnehin durch Berge von Akten wühlen
muss . Jetzt muss er auch noch die Kohlen aus dem Feuer
holen, damit Sie sich nicht die Füße verbrennen .

Was ist mit dem Verdruss? Rita Süssmuth, ehemalige
CDU-Bundestagsabgeordnete und Bundestagspräsiden-
tin – eine kluge Frau –, hat einmal, im Jahr 1993, gesagt:

Mehr Beteiligung und Übernahme von Verantwor-
tung reduzieren den Verdruß .

Ich sage Ihnen: Gerade in Zeiten großer gesellschaft-
licher Verunsicherung – in solchen Zeiten leben wir ja –,
in Zeiten großer Herausforderungen ist das demokra-
tiefördernde Potenzial von Petitionen wirklich nicht zu
unterschätzen . Insofern sollten wir daran arbeiten, dieses
Instrument zu stärken und es nicht weiter zu schwächen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg . Martina Stamm-Fibich [SPD])


Das Parlament erfährt durch dieses Instrument ausnahms-
weise einmal direkt und ungefiltert, wo den Bürgern der
Schuh drückt . Dann können wir uns damit beschäftigen
und unter Umständen da, wo es nötig ist, auch Gesetze
ändern .

Ich kann es nur wiederholen: Wir brauchen eine Stär-
kung des Petitionsrechtes . Wir brauchen mehr Öffent-
lichkeit . Grundsätzlich sollten alle Ausschusssitzungen
öffentlich sein – warum denn nicht? –, wenn der Petent
nicht das Gegenteil möchte oder datenschutzrechtliche
Gründe entgegenstehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber das Gegenteil ist doch der Fall: Die Ausschusssit-
zungen finden, selbst wenn Petitionen öffentlich einge-
reicht wurden, nichtöffentlich statt . Das ist ein Problem .

Es ist auch ein Problem, wenn die SPD über Barrie-
refreiheit im Petitionswesen redet und es ablehnt, einen
Antrag zum Behindertengleichstellungsgesetz zu disku-
tieren, der beinhaltet, dass das Petitionswesen barriere-
frei ausgestaltet sein soll .


(Sarah Ryglewski [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


Da können Sie sich Ihre Positionspapiere und Reden in
Zukunft auch sparen – meine Meinung!

Wir wollen weiterhin etwas gegen den Verdruss in un-
serem Land unternehmen . Wir wollen nicht, dass der Pe-
titionsausschuss wieder zum Kummerkasten wird; denn
das deutsche Petitionswesen ist eines der besten Instru-

mente, echte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in
unserem Land zu ermöglichen .


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Ist gut jetzt!)


Damit Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhal-
ten, Demokratie in unserem Land aktiv mitzugestalten,
müssen wir das Petitionswesen stärken . Machen Sie bitte
endlich mit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817609600

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Antje Lezius

von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Heidtrud Henn [SPD])



Antje Lezius (CDU):
Rede ID: ID1817609700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Jahresbericht des Petitionsausschusses zeigt die vielen
Facetten der Petitionsarbeit des Deutschen Bundesta-
ges: 13 137 neue Petitionen, 14 765 Erledigungen und
780 Beratungen im Ausschuss – diese Zahlen können
sich sehen lassen . Vor allem bedeutet dies eine große He-
rausforderung für den Ausschussdienst . Daher bedanke
auch ich mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern sowohl des Ausschussdienstes als auch
unserer Büros . Ich bedanke mich ebenso bei den Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern in den Bundesministerien
und -behörden, die den Anliegen nachgehen, fundierte
Stellungnahmen erstellen und uns in Berichterstatterge-
sprächen persönlich Rede und Antwort stehen .

An dieser Stelle möchte ich auch meinen Respekt für
meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition
aussprechen, die mit deutlich weniger Man- und Wo-
manpower die gleiche Menge an Petitionen bearbeiten
müssen wie wir in der Koalition .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Leider gelingt es Ihnen nicht immer, wie du, liebe
Corinna, gerade wieder unter Beweis gestellt hast, Ihre
ideologische Brille abzusetzen .


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Statt die Petenten mit ihren Sorgen und Nöten anzuneh-
men, wird ihnen manchmal leider mindestens eine Stan-
dardforderung Ihres Parteiprogramms übergestülpt . Viel-
leicht können Sie daran noch etwas arbeiten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da würde ich Ihnen raten, eine Brille aufzusetzen, durch die man gucken kann!)


Unser aller Anspruch ist es, dass jede Petition und je-
der Petent ernstgenommen wird . Auch wenn die Men-
ge der Eingaben im Vergleich zu 2014 zurückgegangen

Corinna Rüffer






(A) (C)



(B) (D)


ist, zeigt die dennoch hohe Zahl der Petitionen, dass die
Menschen darauf vertrauen, dass sie gehört werden und
dass ihnen geholfen wird .

Wie jedes Jahr waren viele meiner Kollegen und Kol-
leginnen aller Fraktionen und auch ich wieder unterwegs,
um unsere Arbeit vorzustellen – das ist ganz wichtig –, so
auf öffentlichen Messen wie der Frankfurter Buchmesse,
dem Mannheimer Maimarkt oder beim Tag der Ein- und
Ausblicke des Bundestages .

Was eine Petition ist und wie das Petitionsrecht funk-
tioniert, das ist leider immer noch viel zu wenig bekannt .
Selbst in vielen Medien wird der Eindruck vermittelt, es
müsse eine gewisse Anzahl an Mitzeichnern gewonnen
werden, damit eine Petition überhaupt behandelt wird .
Daher kann ich es nicht deutlich genug sagen: Nicht die
Zahl der Unterstützer oder die Person des Petenten ist
entscheidend, sondern das jeweilige Sachanliegen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Erschwert wird die Bekanntheit des „echten“ Petiti-
onswesens noch durch die vielen Onlineplattformen wie
bereits mehrfach hier erwähnt . Diese suggerieren teilwei-
se, es handle sich um eine offizielle Petition oder gar um
Abstimmungen mit gesetzesänderndem Charakter .

Bei den Petitionsplattformen ist vieles fragwürdig:
beispielsweise der Umgang mit den Daten der Unter-
stützer, fehlende Rückmeldung auf die Petitionen und
zweifelhafte Erfolgsaussichten . Nur hier beim Bundes-
tag gibt es die Garantie, dass jedes Anliegen bearbeitet,
beantwortet und schließlich – und das ist das Wesentli-
che – auch beschieden wird .

Es lohnt sich, sich jede Petition sehr genau anzu-
schauen, wie ein Beispiel aus dem Jahresbericht zeigt .
Ein Ehepaar hatte sich an den Deutschen Bundestag
gewandt, weil ihnen die Förderung für ihre Solaranlage
vom zuständigen Bundesamt versagt wurde . Die Behör-
de beharrte darauf, dass der Antrag auf Förderzuschuss
nicht fristgerecht innerhalb der ersten sechs Monate
gestellt und auch der Widerspruch gegen den Bescheid
nicht fristgerecht eingegangen worden war . Das klingt
zunächst wie ein ganz klarer Fall; denn schließlich sind
Fristen einzuhalten . Doch meine Meinung änderte sich,
als ich mir die Unterlagen, die die Petenten eingereicht
hatten, genauer ansah . Tatsächlich hatte der Petent sei-
nen Antrag nicht nur fristgerecht eingereicht, sondern er
konnte dies auch mit einem Einsendebescheid der Post
belegen . Dies war tatsächlich niemandem in der Behörde
aufgefallen . Nach dem entsprechenden Hinweis durch
den Petitionsausschuss konnte sich das Petenten-Ehepaar
schließlich doch noch über 2 470 Euro Zuschuss freu-
en . Solche Erfolge motivieren und sollten Motivation für
Bürgerinnen und Bürger sein, sich an den Petitionsaus-
schuss zu wenden .

Sehr wichtig finde ich auch eine Petition des Dachver-
bandes Clowns in Medizin und Pflege, der sogenannten
Klinikclowns . Kerngedanke ist: Lachen macht gesund .
Genau das haben sich 200 Clowns, die in 240 Einrich-
tungen in ganz Deutschland tätig sind, auf die Fahne
geschrieben . Sie besuchen kranke Kinder und Senio-

ren, gehen in Krankenhäuser und Hospize und verbrei-
ten Freude, und das bei professioneller Ausbildung und
einem sehr hohen Standard weitgehend ehrenamtlich
und unentgeltlich . In der Petition wurde gefordert, die-
se wertvolle Arbeit zu unterstützen . Ich freue mich, dass
der Ausschuss die Petition einstimmig an das Bundesge-
sundheitsministerium und an die Fraktionen des Deut-
schen Bundestages überwiesen hat . Damit hat das An-
liegen eine breite Unterstützung gefunden . Das ist eine
wirklich gute Sache, wie ich finde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich selbst habe die Petition zum Anlass genommen, ei-
nen Praxistag bei den Klinikclowns zu machen . Ich habe
den Clown „Dr . Schienbein“ beim Besuch einer Kinder-
station begleitet . Für die tapferen Kinder mache ich mich
gern zum Clown .

Es freut mich immer besonders, wenn gute Vorschläge
aus meinem Wahlkreis kommen . Eine Petition, die vom
Stadtverband sowie vom Gemeindeverband der CDU
Birkenfeld, also aus meinem Wahlkreis eingebracht
wurde, betrifft uns alle hier . Sie fordert, dass der Bun-
destag zukünftig auf fünf Jahre gewählt wird . Nicht nur
der Petitionsausschuss hat diese Forderung einstimmig
unterstützt, auch andere prominente Fürsprecher haben
diese Idee immer wieder aufgegriffen, so unser Bun-
destagspräsident Norbert Lammert . Daher will ich hier
im Plenum noch einmal dafür werben, über diesen Vor-
schlag nachzudenken . Fast alle deutschen Landtage und
unser Europaparlament haben eine Wahlperiode von fünf
Jahren . Eine längere Legislatur verschafft mehr Zeit, um
sich nach der Koalitionsbildung und vor allem vor dem
Wahlkampf den immer komplexer werdenden politischen
Themen noch intensiver zu widmen . Auch uns im Petiti-
onsausschuss würde das mehr Luft verschaffen, um noch
mehr für die Anliegen der Petenten einzutreten . Ich freue
mich darauf, genau das in der verbleibenden Zeit dieser
Wahlperiode gemeinsam mit meinen Ausschusskollegen
und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817609800

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Birgit Wöllert

von der Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817609900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Zu-
schauerinnen und Zuschauer an den Fernsehern und hier
im Hause! Meine Kollegen haben es schon gesagt: Das
Petitionsrecht ist ein hohes Gut . Es hat Grundgesetzcha-
rakter . Es ist in Artikel 17 des Grundgesetzes verankert .
Jede und jeder darf sich beschweren . Das ist ein Aus-
druck lebendiger Demokratie .

Antje Lezius






(A) (C)



(B) (D)


Ich glaube, wer dieses Beschwerderecht in Anspruch
nimmt und sich an der lebendigen Demokratie beteiligt,
möchte erleben, dass seine Hinweise Berücksichtigung
finden; denn ansonsten bleibt das ein Kummerkasten,
wie Corinna Rüffer hier gesagt hat . Das heißt, die An-
liegen müssen ernst genommen werden, und das müssen
die Petenten auch spüren .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass der Bereich Soziales hinsichtlich der Anzahl der
Beschwerden an erster Stelle liegt, und das seit Jahren,
muss uns im Bundestag als Gesetzgeber sehr zu denken
geben . Wir haben noch wichtige Gesetzesvorhaben vor
uns . Die Referentenentwürfe liegen vor – ich denke an
das Bundesteilhabegesetz –, und schon jetzt gibt es sei-
tens der Vereine und Verbände große Kritik daran . Be-
handeln wir alle diese Kritik doch einmal so wie berech-
tigte Petitionen .


(Beifall der Abg . Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich wünsche mir sehr, dass das alle Abgeordneten so
handhaben und diese Beschwerden bei der Erarbeitung
des Gesetzentwurfs, der uns vorgelegt wird, berücksich-
tigt werden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das wäre ein echter Beitrag für eine lebendige Demo-
kratie .

Auf dem dritten Platz, was die Anzahl der Beschwer-
den angeht, liegt das Bundesministerium für Gesundheit .
Wir verzeichnen hier zwar einen leichten Rückgang an
Einzelpetitionen, aber die höchste Beteiligung an öffent-
lichen Petitionen . Da es sich hier nicht um Beschwerden
über ärztliche Tätigkeiten handelt, fällt eigentlich auch
dieser Beschwerdeteil in den Bereich Soziales . Dabei
geht es um alles, was mit Gesundheit und Pflege zu tun
hat . Einige Beispiele dazu:

194 226 Menschen forderten ein Gesetz zur Personal-
bemessung in Krankenhäusern . Das ist eine riesengroße
Anzahl von Menschen, denen es auf der Seele brennt,
welche Zustände im Pflegebereich in Krankenhäusern
nach wie vor herrschen . Leider haben entsprechende
Anträge der Opposition, auch von uns Linken, die ein
solches Gesetz zur Personalbemessung gefordert haben,
nicht die notwendige Berücksichtigung gefunden .

Das Gleiche galt für eine Petition für eine angemesse-
ne Vergütung für Pflegekräfte. Auch da sollte uns nach-
denklich machen, dass dies einen großen Teil der Bevöl-
kerung tatsächlich sehr interessiert . In beiden Bereichen
zeigt die Praxis, dass weiter Handlungsbedarf besteht .
Dem sollten wir hier auch Rechnung tragen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817610000

Frau Wöllert, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kol-

legen Lauterbach zu?


Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817610100

Ja, gern .


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1817610200

Frau Wöllert, Sie wissen aber schon, dass wir be-

schlossen haben, dass wir in dieser Legislaturperiode so-
wohl das Anliegen, dass es einen Personalbemessungs-
schlüssel geben soll, als auch, dass es eine entsprechende
Vergütung in der Pflege geben soll, angehen und dass wir
dafür eine gemeinsame Kommission eingesetzt haben, an
der beispielsweise die Gewerkschaft Verdi, die Sie ja in
anderen Zusammenhängen schon häufiger zitiert haben,
aber auch die Repräsentanten der Fraktionen und des
Bundesgesundheitsministeriums beteiligt sind? Das ist
Ihnen doch bekannt?


Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817610300

Das ist mir bekannt, Kollege Lauterbach .


(Dr . Karl Lauterbach [SPD]: Dann verstehe ich das nicht!)


Ihnen hingegen ist aber sicherlich auch bekannt, dass Sie
den Antrag auf Personalbemessung hier mit deutlicher
Mehrheit abgelehnt haben, mit der Begründung, das sei
eigentlich so gar nicht möglich . Wir haben es übrigens
auch im Petitionsausschuss in einer öffentlichen Sitzung
diskutiert . Ihnen ist ja auch bekannt, dass die Gesetze,
die wir hier zur Aufstockung des Personals in den Kran-
kenhäusern verabschiedet haben, auch von den Betrof-
fenen selbst als Tropfen auf den heißen Stein angesehen
werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Bei der Bearbeitung der Petitionen fällt auf, dass es
vor allen Dingen um Petitionen zu Beiträgen zur ge-
setzlichen und zur privaten Krankenversicherung geht .
204 Beschwerden betrafen allein dieses Gebiet . Weiter
fällt auf, dass viele Menschen, wenn sie das Rentenein-
trittsalter erreicht haben, aus der privaten Krankenversi-
cherung wieder zurück in die gesetzliche Versicherung
wollen, weil sie gar nicht mehr in der Lage sind, von ih-
rer Rente die Beiträge zu bezahlen .

Diese Hinweise ernst zu nehmen, ist eigentlich das
Gebot der Stunde . Alle, die sich auf eine solidarische
Bürgerinnen- und Bürgerversicherung berufen, sollten
das auch tun . Diese Mehrheit kann es nämlich geben .
Auch hier zeigt sich, ob man wirklich gewillt ist, politi-
schen Willen auch in gesetzgeberisches Handeln umzu-
setzen . Das ist es, was die Menschen, die sich beschwe-
ren, letztendlich auch von uns erwarten . Ich hoffe, dass
wir da einen Schritt weiterkommen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Fazit von mir: Einmischen lohnt sich . Es gab eine Pe-
tition, die hier heute schon einmal benannt wurde, bei der
sich gezeigt hat, dass das auch etwas bewirkt . Sie betraf
den Bereich Cannabis als Medizin .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817610400

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen .

Birgit Wöllert






(A) (C)



(B) (D)



Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817610500

Auch hierzu gab es eine öffentliche Ausschusssitzung .

Ich hoffe, dass sich die Betroffenen darauf verlassen kön-
nen, dass die Therapie mit Cannabis ab 2017 dann auch
ärztlich verordnet werden kann .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817610600

Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen .


Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817610700

Ich kann nur alle auffordern: Mischen Sie sich weiter

ein! Das brauchen wir alle, Sie auch .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817610800

Als nächste Rednerin hat Martina Stamm-Fibich das

Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Martina Stamm-Fibich (SPD):
Rede ID: ID1817610900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Als Petiti-
onsausschuss sind wir eine Art Stimmungsbarometer der
Bürger . Sorgen, Ängste und Probleme der Bürgerinnen
und Bürger landen tagtäglich auf unserem Schreibtisch,
und es sind vor allem die greifbaren, realen Probleme
und Sorgen, die uns beschäftigen . Das ist ein großer Un-
terschied zu unserem sonstigen politischen Alltag; denn
dort begleiten uns oft nur die großen Themen . Gerade
weil der Petitionsausschuss des Bundestages das Stim-
mungsbarometer der Bevölkerung ist, ist er meiner Mei-
nung nach von so großer Bedeutung . Denn hier spüren
wir direkt, wo der Schuh drückt .

Wir sprechen oft von Politikverdrossenheit . Wir spre-
chen davon, dass die Themen zu komplex werden, und
davon, dass sich die Fronten zwischen Bürgern und Poli-
tik immer mehr verhärten . Das Politikverständnis vieler
Menschen hat sich verändert . Bürgerbeteiligung ist die
Gegenbewegung zur Politikverdrossenheit geworden .
Viele Bürger warten nicht mehr darauf, dass die Politik
ihre Sorgen löst, sie krempeln einfach selbst die Ärmel
hoch und bringen sich ein . Das ist gut so . Denn Demo-
kratie braucht Bürger, die sich einbringen, Menschen, die
nicht nur zuhören, sondern selbst mitreden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die SPD will die Bürgerbeteiligung stärken . Wir wol-
len die Möglichkeiten der politischen Teilhabe ausbauen .
Wir haben in der eigenen Partei damit angefangen und
gute Erfahrungen gemacht .

Mit dem Petitionsausschuss haben wir ein verfas-
sungsrechtlich verankertes Beteiligungsinstrument, das
es jeder Bürgerin und jedem Bürger ermöglicht, sich an
den Deutschen Bundestag zu wenden . Genau deshalb
ist der Petitionsausschuss kein Nullachtfünfzehn-Aus-

schuss, sondern ein ernstzunehmender Bestandteil einer
lebendigen Demokratie . Umso wichtiger ist es deshalb,
dass wir die einzelnen Bürger in den Vordergrund unserer
Arbeit stellen . Wir haben es schon gehört: Dabei helfen
Parteiprogramme oder der Koalitionsvertrag nicht . Es
darf dabei auch nicht um unsere eigenen politischen In-
teressen gehen . Es geht im Petitionsausschuss in erster
Linie um den Bürger und um die Frage, wie wir Demo-
kratie leben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Teil dieser Demokratie sind seit einigen Jahren auch
private Petitionsplattformen, wie sie sich selbst nennen .
Kampagnenplattformen nenne ich sie . Sie sammeln Stim-
men, und vielleicht tragen die Initiatoren diese Stimmen
dann in ein Ministerium und bringen ihr Anliegen dort
vor . Ein parlamentarisches Verfahren schließt sich dem
aber nicht zwingend an . Es ist einfach, im Internet einen
Aufruf zu unterzeichnen . Es ist nicht ganz so einfach, im
Bundestag ein Ziel zu erreichen . Demokratie heißt eben
nicht nur, dass man seine eigene Meinung sagt, Demo-
kratie bedeutet auch, zuzuhören . Ich glaube, hier müssen
wir als Petitionsausschuss noch Aufklärungsarbeit leis-
ten . Denn Petitionen sind für mich weit mehr als Me-
ckern per Mausklick . Petitionen brauchen Lösungen, und
wir alle arbeiten daran .

Das zeigt zum Beispiel eine Petition, die im Jahr 2012
eingereicht wurde . Die Tochter eines Petenten ist verstor-
ben, und seine Enkel beziehen seit dem Tod ihrer Mutter
Halbwaisenrente . Weil sie damit aber als Rentner gelten,
müssen sie freiwillige Beiträge zur Krankenversicherung
zahlen . Den meisten Waisen- und Halbwaisenrentnern
bleibt mit dieser Regelung nicht allzu viel von ihrer Wai-
senrente . Der Petent hat uns auf ein Problem aufmerk-
sam gemacht, das in der Praxis zu Ungerechtigkeit führt .
Wir haben diese Petition an das Bundesministerium für
Gesundheit überwiesen . Das Ministerium hat die Kritik
angenommen und geregelt, dass Waisen- und Halbwai-
senrentner ab dem 1 . Januar 2017 in der gesetzlichen
Krankenversicherung pflichtversichert sind. Ihnen steht
also ab dem nächsten Jahr die Familienversicherung of-
fen .

Das Beispiel macht deutlich: Wir brauchen den Peti-
tionsausschuss, weil wir die Meinungen der Bürgerinnen
und Bürger brauchen . Wir müssen wissen, ob ein Gesetz
in der Praxis funktioniert und ob wir damit das erreichen,
was wir wollen . Ohne dieses Stimmungsbarometer wür-
de unserer Demokratie ein großes Stück Lebendigkeit
fehlen .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch ich schließe mich dem Dank an den Ausschuss-
dienst an und möchte nicht vergessen, unseren Mitarbei-
tern – ich danke hier ganz explizit meinen Mitarbeitern –
zu danken . Ohne sie würden wir die viele Arbeit, die wir






(A) (C)



(B) (D)


im Petitionsausschuss haben, nicht bewältigen . Vielen
Dank für die gute Zusammenarbeit .

Danke .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817611000

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Beate Müller-

Gemmeke von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bei manchen Petitionen geht es ja um ganz
private Anliegen . Kommen Menschen alleine nicht wei-
ter, dann ist die Petition ihre letzte Hoffnung . Eine Frau
versuchte beispielsweise jahrelang vergeblich, wieder
eingebürgert zu werden . Jetzt ist sie wieder deutsche
Staatsbürgerin . Hier war die Zusammenarbeit mit dem
Kollegen Günter Baumann richtig gut .


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Die ist immer gut!)


Wir haben an einem Strang gezogen, und zwar mit Er-
folg . Herzlichen Dank dafür!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Doch nicht alles läuft so rund, gerade wenn es um
politische Anliegen geht, insbesondere bei sozialen The-
men wie Befristungen, Arbeitslosengeld II, Leiharbeit,
Mobbing, Pflege oder Rente. Wenn Petitionen auf Unge-
rechtigkeiten und Gesetzeslücken aufmerksam machen,
werden viel zu viele Petitionen flugs abgeschlossen. Sinn
und Zweck von Petitionen ist aber, eine Einschätzung zu
erhalten, ob und wie Gesetze tatsächlich funktionieren .
Wenn wir eine Petition überweisen, dann sagen wir ja
nicht: Das muss genau in dieser Form umgesetzt wer-
den . – Nein, wir drücken vielmehr aus: Hier stimmt et-
was nicht; hier besteht Handlungsbedarf . – Petitionen
sind ein Fingerzeig, ein Impuls, eine Anregung . Sie hin-
gegen stellen viel zu häufig den Koalitionsvertrag über
die Anliegen der Menschen . Das ist für uns, gerade im
Petitionsausschuss, nicht akzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: Ach, das stimmt doch gar nicht! Sie haben so gut angefangen!)


– Das stimmt schon .

Eine öffentliche Petition muss ich ansprechen, und
zwar die Telekom-Petition; denn hier geht es einfach
nicht weiter . Diese Verdi-Petition kritisiert die gewerk-
schaftsfeindliche Haltung von T-Mobile in den USA und
wendet sich deshalb an die Bundesregierung . Das macht
durchaus Sinn . Denn T-Mobile gehört zu 67 Prozent der
Deutschen Telekom, und die Bundesrepublik Deutsch-
land ist wiederum mit über 30 Prozent an der Telekom

beteiligt. Die Bundesregierung soll also Einfluss neh-
men . Das wäre auch bitter nötig . Denn die Beschäftig-
ten bei T-Mobile werden ausgespäht, eingeschüchtert,
abgemahnt und sogar gekündigt, wenn sie sich gewerk-
schaftlich organisieren wollen . Die ILO-Kernarbeits-
normen gelten aber weltweit . Deshalb müssen sich die
Telekom-Beteiligungen, auch die im Ausland, anständig
verhalten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Mittlerweile unterstützen rund 50 000 Menschen diese
Petition; das sind genug für eine öffentliche Anhörung .
Die Opposition ist dafür, die SPD eigentlich auch, doch
die Union sperrt sich vehement dagegen . Als Konse-
quenz setzen wir, die Oppositionsfraktionen, jetzt jede
Woche das Thema der öffentlichen Anhörung auf die
Tagesordnung . Sitzungswoche für Sitzungswoche, jetzt
schon sechs Mal, verschieben die Regierungsfraktionen
diese Entscheidung, weil sie sich nicht einigen können .
Das ist ein absurdes Theater .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das missachtet vor allem die vielen Menschen, die diese
Petition unterstützen . Das kritisieren wir aufs Schärfste .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber keine Sorge: Wir werden weiter streiten und Pe-
titionen auch weiterhin als das betrachten, was sie sind:
eine Rückmeldung an die Politik . Wir nehmen sie ernst .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817611100

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Iris Eberl

von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Iris Eberl (CSU):
Rede ID: ID1817611200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich bitte um die Einführung eines achten Wochenta-
ges, denn nur so kann ich einmal pro Woche meine
Seele baumeln lassen!

Das war der Inhalt einer Petition vor einigen Jahren .
Auch sie landete nicht einfach im Papierkorb . Der Aus-
schuss beriet den Bürger:

Entspannen Sie sich . Nutzen Sie einen der sieben
existierenden Wochentage .


(Heiterkeit)


Aber Spaß beiseite . Ist es nicht ein Privileg für uns
Bürger, in einer funktionierenden Demokratie zu leben,
das eigene Parlament kritisieren zu dürfen: „Hier ist et-
was falsch; macht es besser“? Artikel 17 des Grundge-

Martina Stamm-Fibich






(A) (C)



(B) (D)


setzes garantiert das Petitionsrecht für jedermann . Kein
Petent hat anschließend Repressalien zu befürchten . Das
ist großartig und bei weitem nicht in allen Staaten selbst-
verständlich .

Ich habe nun vor, Ihnen und der Öffentlichkeit einen
Livebericht aus dem Werkstattraum dieses etwas anderen
Parlamentsausschusses zu geben . Ich beginne mit einer
Petition, bei der uns die Entscheidung leicht fiel.

Ein Petent bat den Deutschen Bundestag, er möge
beschließen, die monatliche Zuwendung für Haftopfer
der politischen Verfolgung in der DDR gemäß § 17a des
Strafrechtlichen Rehabilitationsgesetzes entsprechend
der Inflationsrate zu erhöhen. Er selbst erhielt eine mo-
natliche Zuwendung von 250 Euro und wies darauf hin,
die Inflationsrate betrage seit 2011 bereits 6 Prozent. Tat-
sächlich waren die Opferpensionen seit 2007 nicht mehr
erhöht worden . Es ging dabei um fast 45 000 Fälle .

Der Ausschuss beschloss, die Petition dem Bundes-
justizministerium als Material zu überweisen und den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu
geben . Das Ergebnis war eine Erhöhung von 250 Euro
auf 300 Euro, also sogar eine Erhöhung um 20 Prozent .

Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Entschei-
dungsfindung im folgenden Beispiel:

Beim An- und Verkauf von Aktien können erzielte Ge-
winne und erlittene Verluste einkommensteuerrechtlich
gegengerechnet werden . Ein Petent – ein Kleinaktionär
wohlgemerkt – beklagt, dass er Erspartes in Aktien ei-
ner AG angelegt hatte, diese Insolvenz anmelden musste,
woraufhin seine Aktien nichts mehr wert waren und aus
seinem Depot verschwanden . Sie wurden zwangsausge-
bucht und existierten für ihn nicht mehr . Also konnte er
sie auch nicht verkaufen .

Das Steuerrecht sagt: Wenn kein Verkauf getätigt
wird, kann steuerrechtlich auch kein Verlust entstehen .
Der Schuldige hierfür ist der § 20 im Einkommensteu-
ergesetz, der ein Veräußerungsgeschäft voraussetzt, da-
mit ein Gewinn oder aber ein Verlust entsteht . Das Ver-
äußerungsgeschäft verlangt zwei Teile: die Anschaffung
und die Veräußerung von ein und derselben Aktie . Was
aber nicht mehr existiert, kann vom Petenten auch nicht
veräußert werden – und ohne Veräußerung kein einkom-
mensteuerrechtlicher Verlust . Für unseren Kleinanleger
bedeutete das aber einen Totalverlust; denn der Unter-
gang einer Sache zählt hier nicht .

Ich hoffe, Sie sind gedanklich noch alle dabei .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hätte der Petent seine Aktien vor ihrem Verschwinden
für 1 Cent verkauft, dann hätte er seinen Verlust, nämlich
Kaufpreis minus 1 Cent, steuermindernd ansetzen kön-
nen . So konnte er gar nichts ansetzen .

Der Petent beklagt sich meines Erachtens zu Recht
über diese Ungerechtigkeit . Wäre er Großanleger, so hät-
te er einen Portfolio-Betreuer, und er wäre nie in diese
Situation geraten . Er hätte die Chance des steuerlich be-
deutsamen Verkaufs für ein paar Cent nie verpasst . Der
Petent ist aber Kleinanleger . Da derzeit viele Experten
raten, die eigene Rente frühzeitig durch Anlagen im Ak-

tienbereich aufzubessern, und so immer mehr Kleinak-
tionäre in die beschriebene Falle tappen werden, sehe
ich es als Pflicht dieses Hauses an, die Bürger davor zu
schützen . Dazu ist nur eine kleine Ergänzung in § 20 Ein-
kommensteuergesetz nötig .

Diese Petition wurde dem Bundesministerium für Fi-
nanzen überwiesen und den Fraktionen des Deutschen
Bundestages zur Kenntnis gegeben . Ein abschließendes
Ergebnis steht noch aus .

An einem letzten Beispiel will ich zeigen, dass der
Petitionsausschuss nicht jede Petition unterstützt, selbst
dann nicht, wenn es emotional sehr schwer fällt:

Eine NGO forderte vom Deutschen Bundestag, die
Massen- und Intensivtierhaltung bis zum Jahr 2020 ab-
zuschließen . Ihre Begründung war § 1 Satz 2 Tierschutz-
gesetz:

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund
Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen .

Wer wollte diese Petition nicht sofort unterstützen!

Bei praktischen Überlegungen kommen jedoch
schnell Bedenken, ob das Problem wirklich so einfach
zu lösen ist . Ein Beispiel: Die deutsche Gesetzgebung
gilt nur in der Bundesrepublik . Wie sieht es aber mit dem
Tierschutz in den anderen Ländern aus, gerade in den
Ländern, die uns mit noch mehr Fleisch beliefern, wenn
wir weniger Tiere auf der gleichen Fläche halten?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es reicht ja, wenn man es erst einmal hier richtig macht!)


Also müssen wir die EU unbedingt mit im Auge behalten .

So folgte der Ausschuss mehrheitlich dem Vorschlag
des Berichterstatters, meines Kollegen Hermann Färber .
Die Petition wurde an das Landwirtschaftsministeri-
um überwiesen und, weil sie nur Sinn macht, wenn sie
sich auch auf die Haltungsbedingungen in den anderen
EU-Ländern bezieht, dem Europäischen Parlament zuge-
leitet .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird sie jetzt beerdigt!)


Von Europa kommen so viele Verordnungen . Eine Rück-
meldung von den Bürgern kann nicht schaden .

Meine Damen und Herren, der Petitionsausschuss
nimmt seine Arbeit sehr ernst . Manchmal diskutiert und
ringt er um die richtige Entscheidung . Erstaunlicherweise
sind die Ansichten darüber, was dem Wohle des Bürgers
am meisten dient, zwischen den Fraktionen oft grundver-
schieden . Das ist eben Demokratie, wie sie leibt und lebt .

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817611300

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Heidtrud

Henn von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Iris Eberl






(A) (C)



(B) (D)



Heidtrud Henn (SPD):
Rede ID: ID1817611400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Ein
herzliches Dankeschön an Sie, liebe Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Ausschussdienstes . Ich danke Ihnen
ganz besonders für Ihre wichtige Arbeit für all die Men-
schen, die sich mit ihren Sorgen, Nöten, Wünschen und
Anregungen an diesen Ausschuss wenden .

Der Petitionsausschuss ist ein besonderer Ausschuss .
Er unterscheidet sich in vielen Dingen von den übrigen
Ausschüssen .

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Ge-
meinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder
Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden .

So steht es in Artikel 17 des Grundgesetzes . Das Peti-
tionsrecht gibt allen Menschen, unabhängig von Staats-
zugehörigkeit, Alter oder Geldbeutel, die Möglichkeit,
die Themen im Parlament mitzubestimmen . Mit einer
Petition können Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, uns
Abgeordnete sogar zwingen, uns mit ihren Themen zu
beschäftigen . Das ist besonders .

Ich danke allen Petentinnen und Petenten, die den Mut
aufgebracht und sich die Mühe gemacht haben, ihre ganz
persönlichen Probleme oder auch ihre Wünsche aufzu-
schreiben und uns anzuvertrauen . Sie alle helfen uns
Abgeordneten, besser zu erkennen, an welchen Stellen
es Probleme gibt, wo der Schuh drückt und wo wir nach-
bessern müssen . Dafür können wir Abgeordnete uns nur
bedanken .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir,
dass jeder und jede Abgeordnete einmal im Petitionsaus-
schuss arbeitet .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg . Kersten Steinke [DIE LINKE])


Der Petitionsausschuss erdet . Wer als Abgeordnete oder
Abgeordneter den großen Auftritt sucht, der ist im Peti-
tionsausschuss falsch . Der Ausschuss mit seinen Mitar-
beitern und Mitarbeiterinnen und auch wir Abgeordnete
stehen selten im Rampenlicht . Der größte Teil der Arbeit
des Petitionsausschusses findet in der Regel im Stillen
und ohne großes öffentliches Trara statt . Das ist gut so;
denn im Petitionsausschuss steht der einzelne Mensch im
Mittelpunkt, nicht abstrakt und verborgen hinter Statis-
tiken und Zahlen, sondern ganz konkret und persönlich .

Im Zentrum unserer Arbeit stehen diejenigen Men-
schen, die mit ihren ganz persönlichen Sorgen und Nöten
an uns herantreten . Oft sind das Menschen, die keine an-
dere Hoffnung mehr auf Hilfe sehen . Sie wenden sich an
den Petitionsausschuss, weil sie wissen, dass hier jedes
Anliegen, unabhängig vom Thema oder von der Anzahl
der Unterstützerinnen und Unterstützer, gewissenhaft
parlamentarisch geprüft wird und dass sie ernst genom-
men werden . Diesen engen und direkten Draht zwischen
Petenten, Parlament und Regierung gibt es nur beim Pe-
titionsausschuss des Deutschen Bundestages .

Ich möchte noch kurz auf die öffentlichen Sitzungen
des Petitionsausschusses eingehen . Ich habe Ihnen ge-
sagt: Die Arbeit des Petitionsausschusses steht selten im
Rampenlicht . Bei den einzelnen Petitionen stimmt dies .
Bei öffentlichen Sitzungen des Ausschusses ist das an-
ders . Aber auch hier geht es nicht um uns Abgeordnete,
sondern um Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger . Sie, liebe
Bürgerinnen und Bürger, haben nämlich die Möglichkeit,
ob klassisch auf Papier oder online beim E-Petitionspor-
tal des Bundestages, öffentliche Petitionen einzureichen
und Unterstützerinnen und Unterstützer für Ihre Anlie-
gen zu sammeln .

Wenn Sie innerhalb von vier Wochen 50 000 Unter-
stützerinnen und Unterstützer gewonnen haben, gibt es
eine öffentliche Sitzung . Sie selbst können dann im Aus-
schuss uns Abgeordneten, Regierungsvertreterinnen und
-vertretern oder sogar Regierungsmitgliedern Ihr Anlie-
gen vortragen und mit uns in den öffentlichen Dialog tre-
ten . Ein besseres Forum für Ihr Anliegen gibt es nicht .
Ich bitte Sie, liebe Bürger und Bürgerinnen: Machen Sie
Gebrauch von Ihrem Petitionsrecht direkt beim Deut-
schen Bundestag . Schreiben Sie Ihre Petition, und ma-
chen Sie sich für Ihre Anliegen stark . Sie werden gehört .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Gottes
Segen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg . Kersten Steinke [DIE LINKE])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817611500

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Gero

Storjohann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1817611600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der jährliche Bericht des Petitionsausschusses wird dis-
kutiert, und ich glaube, wir hatten noch nie so ein harmo-
nisches Zusammentreffen . Wir haben ihn schon einmal
härter diskutiert .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, schön wäre es!)


Das vorweg . Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass
es härter zugeht .

Ich möchte einmal den Begriff „ernst nehmen“ auf-
greifen . Alle sprechen davon, wir sollen den Petenten
ernst nehmen . Was sollen wir denn sonst machen?

Also die Petition kommt herein . Ich habe dann eine
schöne Akte zu bearbeiten, meistens irgendwann nachts,
22 Uhr, und stelle fest: Da ist etwas dran . Man macht
sich seine Gedanken, geht vielleicht sogar über die Emp-
fehlung des Ausschussdienstes hinaus, und die Petition
geht wieder zurück zur Opposition .

Irgendwann kommt sie dann wieder, und wir müssen
sie in der Arbeitsgruppe beraten . Plötzlich stellt man fest,






(A) (C)



(B) (D)


dass das, was man sich nachts um 22 Uhr ausgedacht hat,
in der Arbeitsgruppe keine Mehrheit findet.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Das sind Ausnahmen, ja! – Heiterkeit)


Man merkt, die nehmen die Petition ganz anders ernst als
man selbst .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann verbünden Sie sich doch mit der Opposition!)


Nun haben wir eine gemeinsame Position gefunden, und
dann geht die Petition an den Referenten . Dieser geht zur
SPD und versucht, auch mit der SPD eine gemeinsame
Position zu finden und auf die Ernsthaftigkeit des Anlie-
gens hinzuweisen . Dann kann es auch passieren, dass da
keine Übereinstimmung erzielt wird, sondern vielleicht
ein Dissens besteht, den man aber später womöglich wie-
der ausräumen kann .

Also, Sie sehen, die Bearbeitung einer Petition kann
manchmal ganz einfach sein, aber manchmal auch etwas
kompliziert . Ernsthaft wird sie aber immer betrieben .
Das wollte ich zum Ausdruck bringen .

Wenn wir Fragen haben, haben wir aber auch die
Möglichkeit, ein Berichterstattergespräch anzuberau-
men, um also auch einmal ernsthaft die Haltung der Re-
gierung zu prüfen, ob deren Position noch sachgerecht ist
oder ob man vielleicht bei einer Verordnung einen Fakt
übersehen hat . Auch im Berichterstattergespräch gibt es
meistens einen Erkenntnisgewinn – manchmal auf unse-
rer Seite, manchmal auf der Regierungsseite . Auch das
ist eine spannende Arbeit . Deswegen sind wir auch alle
gern im Petitionsausschuss .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Schließlich haben wir noch die Möglichkeit der öf-
fentlichen Sitzung . Nun müssen wir wissen, in der jet-
zigen Situation mit zwölf Abgeordneten der Union, acht
der SPD, drei der Grünen und drei der Linken ist das
Verhältnis von Koalitionsfraktionen zu Oppositionsfrak-
tionen sehr ungleich . Das kann man beklagen oder begrü-
ßen – die Arbeit jedenfalls ist ungleich verteilt . Deswegen
sehen wir schon: Es ist wichtig, dass die Arbeit gemacht
wird, dass sie gewissenhaft gemacht wird . Ich würde mir
manchmal wünschen, dass aus der Opposition nicht Fun-
damentalopposition käme . Es kann ja immer einmal sein,
dass man wieder in den Status einer Regierungsfrakti-
on wechselt . Gerade die Übergänge von Wahlperiode zu
Wahlperiode erfordern es dann, dass man seine Haltung
zu einer Petition überdenken muss .

Das haben hier schon viele Kollegen erlebt, und das
ist auch für uns, Frau Präsidentin, ein Problem: der Über-
gang der Wahlperioden . Denn wir haben einen Überhang
an Petitionen . Das ist in Japan nicht so . Wir sind ja vor
kurzem mit einer Delegation nach Japan gereist . Da
macht man das anders . Da gilt auch bei Petitionen die
Diskontinuität . Das heißt, Petitionen verfallen . Das wol-
len wir bewusst nicht . Deshalb suchen wir zurzeit nach
Lösungen, wie wir den Petenten gerecht werden können,
wie wir die Petitionen zeitnah bearbeiten können .

Nun hat die Kollegin Rüffer ja gesagt, dass es hier
ganz viele Petitionen gibt, die aus taktischen und poli-
tischen Gründen zurückgelegt und nicht bearbeitet wer-
den . Was habe ich mich über die Petition „Ortsumgehung
Tübingen“, Frau Widmann-Mauz, ärgern können, weil
sie von den grünen Kollegen zurückgehalten wurde, die
immer Beratungsbedarf hatten .


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Jetzt haben wir da eine neue Koalition; jetzt muss das
ja so flutschen mit der Ortsumgehung in Tübingen.


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Petition gewesen! Sie haben Hunderte!)


– Eine, ja .

Wir können gern einmal prüfen, wie viele Petitionen
zurzeit von den Grünen zurückgehalten werden, weil es
Beratungsbedarf gibt, weil man noch prüft .

Den Ablauf in der Großen Koalition habe ich schon
dargestellt . Es ist nicht immer einfach, über seinen Schat-
ten zu springen . Ich bitte deshalb um gelegentliches Ver-
ständnis .

Wir haben dieses Jahr in den öffentlichen Sitzungen
hohen Besuch gehabt . Ich möchte ausdrücklich erwäh-
nen, dass die Bundesminister Gabriel und Gröhe den
Ausschuss besucht haben . Wir tagen morgens schon um
8 Uhr . Das ist für sie erfrischend, und für uns ist es schön,
sie einmal bei uns zu haben .


(Zuruf der Abg . Kersten Steinke [DIE LINKE])


– Stimmt, die öffentlichen Sitzungen beginnen später .

Ich möchte jedenfalls betonen, dass die Petitionen uns
auch Anregungen geben . Ich arbeite im Bereich Verkehr
und freue mich natürlich, wenn Einzelfälle vorgetragen
werden, die uns voranbringen .

Besonders gefreut hat mich der Hinweis eines Bürgers
aus meinem Wahlkreis, der ein Wohnmobil besitzt und
sich fragt, warum er sich in den Kasseler Bergen immer
rechts bei den Lkws einordnen muss . Sie quälen sich mit
40 oder 50 Stundenkilometern die Berge hoch, und er
muss sich mit seinem starken Wohnmobil zwischen ih-
nen einreihen . Das macht die Schlange länger und ist für
den Verkehrsfluss nicht optimal. Er fragte, ob es möglich
ist, das Überholverbot für solche großen Wohnmobile
aufzuheben, wie es im europäischen Ausland der Fall ist .

Das Ministerium hat erst einmal gesagt: Es bleibt alles
so, wie es ist; das hat sich bewährt . – Wir sind froh, dass
wir auf den Weg bringen konnten, dass Wohnmobile mit
einem Gesamtgewicht von 3,5 bis 7,5 Tonnen ausnahms-
weise andere Fahrzeuge überholen dürfen, wenn das vor
Ort angeordnet wird. Ich finde, das ist eine tolle Sache.
Jedenfalls freuen sich alle Wohnmobilfreunde, dass die-
se Anregung über den Petitionsausschuss vorangetrieben
wurde .

Wer schon ein bisschen länger hier ist, weiß, dass Ver-
kehrspolitiker sich gerne über Countdown-Ampeln infor-
mieren . Diese Ampeln zeigen an, wie viele Sekunden es

Gero Storjohann






(A) (C)



(B) (D)


noch dauert, bis die Ampel von Rot auf Grün springt oder
umgekehrt. Diese Ampeln sind weltweit zu finden. Im
Verkehrsministerium sieht man aber keinen Grund dafür,
sie einzuführen und sagt: Das bringt keinen Nutzen für
die Verkehrssicherheit und ist nur mit Kosten verbunden .

Wir waren vor kurzem in Bolivien . Dort gibt es nicht
nur Countdown-Ampeln für Fußgänger, sondern auch
für Autofahrer. Ich finde sie sehr hilfreich und geradezu
entspannend . Wir werden an diesem Thema dranbleiben .
Wir haben bereits in Berlin, wo es einige Versuche mit
diesen Ampeln für Fußgänger gibt, ein Berichterstatter-
gespräch geführt . Ich kann nur versprechen: Wir werden
dranbleiben . Wir sind dem Petenten dankbar, dass er die-
ses Thema aufgegriffen hat .

Jetzt ist meine Redezeit um . Bekomme ich noch et-
was, Frau Präsidentin?


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817611700

Nein .


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1817611800

Die eigentliche Redezeit ist um . Aber den anderen

Rednern haben Sie eine Minute zusätzlich gegeben .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817611900

Es bleibt beim Nein .


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1817612000

Frau Präsidentin, ich habe Verständnis dafür . Ich

möchte Ihrer Sitzungsleitung gerne entgegenkommen .

Ich bin gerne im Petitionsausschuss und schon seit
2002 dabei . Ich glaube, das ist der einzige Ausschuss,
in dem die Kollegialität im Vordergrund steht . Es macht
richtig Spaß, in diesem Ausschuss zu arbeiten . Das kann
ich den anderen Kollegen versichern . Lieber Helmut
Brandt, du kommst demnächst in den Petitionsausschuss;
das merke ich schon .

Herzlichen Dank für das Zuhören und viel Spaß für
die nächste Zeit .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817612100

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Stefan

Schwartze von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1817612200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Sehr geehrte Petentinnen und Peten-
ten! Ich möchte mit einem Dank an den Ausschussdienst
beginnen, der einen ganz hervorragenden Job erledigt
und ohne den viele Petentinnen und Petenten nicht den

richtigen Weg finden würden. Sie sind ein sehr, sehr guter
Lotse .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Lotse für den ganzen Ausschuss wird uns dem-
nächst verlassen . Das ist Herr Finger . Herr Finger, ich
möchte mich bei Ihnen für Ihre Arbeit und auch dafür
bedanken, dass Sie immer eine klare Haltung zu einem
guten, zeitgemäßen und bürgernahen Petitionsrecht hat-
ten . Vielen, vielen Dank! Ihre Arbeit wird uns fehlen .


(Beifall im ganzen Hause)


Wir haben gehört, dass nicht alle Petitionen sofort auf
den Weg gebracht werden . Das hat manchmal sehr gute
Gründe . Wenn man einen Koalitionspartner hat – Herr
Storjohann hat das eben wunderbar dargelegt –, dann
muss man auch über Inhalte diskutieren und darum rin-
gen . Es ist keinem Petenten geholfen, wenn wir seine Pe-
tition mit irgendeinem Votum auf den Weg bringen und
dann gar nichts passiert . Man muss also über Inhalte dis-
kutieren und um sie ringen . Sonst hilft alles Gutgemeinte
nichts . Das heißt, wir müssen die Inhalte der Petitionen
und die Bürgeranliegen sehr ernst nehmen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817612300

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kol-

legin Kassner zu?


Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1817612400

Ja .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817612500

Frau Kollegin Kassner .


Kerstin Kassner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817612600

Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin, und lieben

Dank, Kollege Schwartze . – Ich möchte nur wissen, wie
Sie dazu stehen, dass nun im neuen baden-württembergi-
schen Koalitionsvertrag festgelegt ist, dass die Abstim-
mungen im Petitionsausschuss der Koalitionsräson zu
unterwerfen sind . Das kritisiert insbesondere Ihr Partei-
kollege, der scheidende Innenminister Gall . Wie ist Ihre
Meinung dazu? Vielleicht könnte man dann manches
Problem schneller lösen .


Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1817612700

Man könnte vielleicht schneller über die jeweilige

Petition entscheiden . Wenn eine gesetzgeberische Um-
setzung erfolgen muss, wir uns aber über das Anliegen
nicht einig sind, dann ist dem Petenten mit dem Votum
des Petitionsausschusses allein nicht geholfen . Mit dem,
auf das Sie verweisen, erwecken wir nur den Anschein,
dass etwas passiert .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gibt Punkte, über die werden Sie sich nicht einig!)


Auf die von Ihnen geschilderte Weise würden wir zwar
dafür sorgen, dass der Petitionsausschuss schnell ent-

Gero Storjohann






(A) (C)



(B) (D)


scheidet . Aber dem Petenten würde nicht die notwendige
Hilfe zuteil . Es ist ein Unterschied – so habe ich das in
der letzten Legislaturperiode erlebt –, ob man sich in der
Opposition nur in der Arbeitsgruppe und der Fraktion ei-
nig werden muss oder ob man sich mit zwei Partnern – in
diesem Fall mit der CDU und der CSU – einig werden
muss . In letzterem Fall muss man um Inhalte ringen .


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Was bei uns sehr harmonisch ist!)


1979 wunderte sich der damals junge Abgeordnete
Franz Müntefering als Mitglied des Petitionsausschusses
darüber, dass sich Abgeordnete im Parlament nur so sel-
ten über das Petitionswesen austauschen, dass nur ein-
mal im Jahr, also genauso wie heute, die Möglichkeit zur
Debatte über die Arbeit des Ausschussdienstes besteht .
Wir müssen uns fragen, ob wir eigentlich dem Anspruch,
ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie in unserem
Land zu sein, gerecht werden . Das Petitionswesen hat
sich in den letzten Jahren gewandelt . Die Onlinepetition
war ein Quantensprung . Die öffentlichen Petitionen und
die öffentlichen Beratungen haben das Petitionswesen
bürgernäher und politischer gemacht . Inzwischen – das
durften wir bei den öffentlichen Beratungen erleben – ha-
ben die Minister Gabriel und Gröhe Maßstäbe gesetzt, in-
dem sie selbst an den Sitzungen des Petitionsausschusses
teilgenommen haben . An diesen Maßstäben wollen wir
gerne festhalten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Mal!)


Wir öffnen nun das Petitionswesen für die sozialen
Netzwerke und geben den Petenten damit ein Werkzeug
in die Hand, für ihre Anliegen zu werben, ein wichtiger
Schritt, der in Kürze erfolgt . Wir bauen Hürden ab, um
das Petitionswesen inklusiver zu machen . Wie wichtig
das ist, hat eine Petition aus meinem Wahlkreis und den
umliegenden Wahlkreisen gezeigt . Dort haben Werk-
statträte eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen in
den Werkstätten gestartet . Bei den Gesprächen, die ich
dort geführt habe, konnte ich feststellen, dass nicht je-
der Zugang zum Petitionsrecht hat . Man muss hier für
vernünftige Erklärungen in leichter Sprache sorgen . Wir
als SPD-Bundestagsfraktion haben eine entsprechende
Broschüre auf den Weg gebracht . Umso schöner ist, dass
der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages nun
ebenfalls eine solche Broschüre in leichter Sprache erar-
beitet . Sie wird in Kürze erscheinen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817612800

Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu,

eine Frage der Kollegin Rüffer?


Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1817612900

Gerne .


Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817613000

Ich habe das gerade in meiner Rede schon angespro-

chen: In anderen Ausschüssen ist es üblich, dass man

über Anträge mit berät, die den eigenen Ausschuss be-
treffen . Das kommt im Petitionsausschuss sehr selten
vor . In dieser Legislaturperiode war das nur ein einziges
Mal der Fall, und zwar im Rahmen der Verhandlungen
über das Behindertengleichstellungsgesetz, das sich mit
dem Komplex der Barrierefreiheit befasst .

Nun hatten wir einen Antrag zu diesem Gesetzentwurf
gestellt, der explizit zum Inhalt hatte, im Rahmen des Be-
hindertengleichstellungsgesetzes das Petitionswesen bar-
rierefrei auszugestalten . Sie wissen, dass wir diesen An-
trag nicht inhaltlich beraten haben, und Sie wissen auch,
dass die SPD gegen den Antrag gestimmt hat . Ich wüsste
jetzt gerne, warum . Broschüren in die Welt zu setzen, ist
gut, aber die Gelegenheit zu nutzen, über ein Gesetz, das
ohnehin im Verfahren ist, eine saubere Lösung, und zwar
nicht nur für eine Personengruppe, sondern für alle, die
bestimmte Bedarfe haben, zu finden, wäre doch gut ge-
wesen . Wie stehen Sie dazu?


Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1817613100

Liebe Kollegin, wir als Petitionsausschuss sind doch

dabei, genau diesen Bereich aufzugreifen . Die Barriere-
freiheit unserer Homepage wurde heute schon erwähnt,
es wurde darüber gesprochen, dass wir jetzt solche Infor-
mationen in leichter Sprache haben .

Wir als Abgeordnete können selbst jederzeit beantra-
gen, dass Antworten oder Ausführungen an die Petenten
in leichter Sprache erfolgen . All das können wir bereits
tun . Wir als Ausschuss kämpfen gemeinsam dafür, dass
die Debatten, die wir führen, bzw . unsere öffentlichen
Beratungen von einem Gebärdendolmetscher übersetzt
werden . Einmal ist uns das in einer öffentlichen Anhö-
rung gelungen . Leider haben wir da bisher auf Granit
gebissen . Aber ich nutze die Gelegenheit hier ganz aus-
drücklich, um diese Forderung zu erneuern: Wir brau-
chen einen Gebärdendolmetscher für die öffentlichen
Beratungen des Petitionsausschusses . Wenn wir uns um
Bürgeranliegen kümmern, dann um die Anliegen aller
Bürger . Jeder muss das verstehen können, und jeder muss
Zugang dazu haben .

Für uns Sozialdemokraten ist der Petitionsausschuss
mehr als nur ein Kummerkasten . Er ist wesentlicher Be-
standteil dieser Demokratie, und er muss das Tor zum
Parlament noch weiter öffnen, er muss bürgernäher und
er muss transparenter werden . Es geht darum, in Zeiten,
in denen immer mehr Menschen die Demokratie anzwei-
feln, mehr Demokratie zu wagen . Mit diesem Motto und
mit diesem Selbstverständnis sollten wir als Petitionsaus-
schuss arbeiten .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben in diesem Jahr zehn Jahre Onlinepetition
gefeiert . Wir haben inzwischen eine ganze Reihe von
Kampagnenplattformen, die das nachahmen, was wir
als Petitionsausschuss auf den Weg gebracht haben . On-
linepetitionen waren damals alles andere als selbstver-
ständlich . Die rot-grüne Koalition hat diese gegen erheb-
lichen Widerstand der Opposition auf den Weg gebracht .

Aber ich muss noch ein Wort zu den Kampagnen-
plattformen sagen . Auch wenn sie uns nachahmen, so

Stefan Schwartze






(A) (C)



(B) (D)


gewährleisten sie nicht, dass das Anliegen derjenigen,
die dort eine Petition starten, auch im Parlament landet .
Das gewährleistet nur der Petitionsausschuss . Wenn man
wirklich etwas ändern will, dann hilft es nicht, nur eine
Kampagne zu starten, sondern dann muss man erreichen,
dass sich das Parlament damit auseinandersetzt . Wir sind
die Gewähr dafür, dass das geschieht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss . Auch wenn wir manchmal
inhaltlich streiten, haben wir doch eine gute Zusammen-
arbeit miteinander . Für die möchte ich mich ganz herz-
lich bedanken . Ich möchte mich auch bei den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen und in den
Büros ganz herzlich bedanken . Ganz besonders bedan-
ken möchte ich mich bei den Petentinnen und Petenten,
die dafür sorgen, dass manches Thema, das ihnen auf den
Nägeln brennt, auch hier zum Thema wird .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817613200

Vielen Dank . – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich

war bei dieser Debatte großzügig; Herr Storjohann, das
haben Sie zu Recht bemerkt . Das gilt nicht für die fol-
gende Debatte .

Ich war großzügig, und das hat einen Grund: Der
Petitionsausschuss hat wirklich nur einmal im Jahr die
Möglichkeit, seine Arbeit darzustellen . Man kann die Ar-
beit des Petitionsausschusses kurz so beschreiben: viel
Arbeit, wenig Ruhm, aber große Bedeutung – für die Pe-
tenten, für viele Bürgerinnen und Bürger und im Übrigen
auch für uns, weil seine Arbeit uns den kritischen Blick
auf unser Handeln ermöglicht .


(Beifall im ganzen Hause)


Auch deshalb möchte ich stellvertretend für uns alle
den Mitgliedern des Petitionsausschusses – es wurde zu
Recht den Mitarbeitern des Sekretariats ganz herzlich ge-
dankt; dem schließe ich mich an – ganz herzlich danken,
weil sie für uns alle eine ganz wichtige Arbeit leisten .
Ihnen also ganz herzlichen Dank!


(Beifall im ganzen Hause)


Damit schließe ich die Aussprache .

Bevor ich den Vorsitz an meine Kollegin weitergebe,
rufe ich noch den Zusatzpunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Reform der Wahl für die obersten Bundesge-
richte

Drucksache 18/7548
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817613300

Ich grüße Sie herzlich . – Ich warte noch, bis die Plätze

eingenommen sind .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat für Bünd-
nis 90/Die Grünen Katja Keul .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817613400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir möchten heute mit Ihnen eine Debatte um
die Reform der Bundesrichterwahl führen; denn das bis-
herige Verfahren ist an Intransparenz nicht zu überbieten
und verliert dadurch zunehmend an Akzeptanz, was sich
unter anderem immer häufiger in Konkurrentenklagen
niederschlägt .

Es geht hier um den Bundesgerichtshof, das Bundes-
verwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht, das Bun-
dessozialgericht und den Bundesfinanzhof. Die Bundes-
richterinnen und Bundesrichter an diesen Gerichtshöfen
stellen in unserem Rechtsstaat als oberste Instanz die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicher und sind daher
von zentraler Bedeutung an der Spitze der dritten Gewalt .

Artikel 95 Absatz 2 Grundgesetz legt fest, dass die Be-
rufung dieser Richterinnen und Richter durch den Richt-
erwahlausschuss erfolgt, der aus den 16 Justizministerin-
nen und Justizministern bzw . den Arbeitsministerinnen
und Arbeitsministern der Länder und einer gleichen
Anzahl von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
besteht . Vorschläge, die auf eine Änderung der Zusam-
mensetzung des Ausschusses zielen, wie zum Beispiel
die Einbeziehung der Präsidialräte, würden also eine
Grundgesetzänderung voraussetzen . Darüber lässt sich
mit guten Argumenten diskutieren . Wir schlagen Ihnen
mit unserem Antrag aber ausschließlich Änderungen auf
der einfachgesetzlichen Ebene vor, die keiner Grundge-
setzänderung bedürfen .

Wir sehen, dass die Wahl der Bundesrichterinnen und
Bundesrichter im Spannungsfeld zwischen politischer
Wahl gemäß Artikel 95 Grundgesetz einerseits und dem
Grundsatz der Bestenauslese nach Artikel 33 Absatz 2
andererseits steht . Beides muss daher Berücksichtigung
finden.

Die Wahl durch ein politisches Gremium kann per se
nicht in gleichem Umfang justiziabel, also gerichtlich
überprüfbar, sein, wie die Beförderung eines Beamten
durch seinen Dienstherrn . Auf der anderen Seite muss
aber das Auswahlverfahren wenigstens Mindestvoraus-
setzungen an eine Nachvollziehbarkeit auch im Sinne der
Bestenauslese erfüllen, um die für dieses höchste Amt er-
forderliche Würde und Akzeptanz zu finden.

Die jetzigen Verfahrensabläufe erfüllen diese Mindest-
voraussetzungen nicht . Vor dem eigentlichen Wahlakt
wird eine Kandidatenliste erstellt durch Vorschläge der
Mitglieder des Wahlausschusses . Für diese Liste kann
sich niemand bewerben, und niemand darf sie einsehen .
Die Richterinnen und Richter können auch nicht wissen,

Stefan Schwartze






(A) (C)



(B) (D)


wo und wann Stellen an den obersten Bundesgerichten
zu besetzen sind, für die sie in Betracht kommen könn-
ten . Unser erster Vorschlag zielt daher zunächst darauf,
die zu besetzenden Stellen an den Bundesgerichten be-
kannt zu machen und entweder auszuschreiben oder zu-
mindest ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren
in den Ländern verpflichtend vorzusehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Ministerinnen und Minister der Länder entscheiden
dann jeweils, wen sie für die Vorschlagsliste benennen .

Damit Interessenten erkennen können, ob sie das er-
forderliche Profil für das infragestehende Bundesgericht
erfüllen, braucht es zwangsläufig auch ein bundesweit
einheitliches Anforderungsprofil. Damit sollen mindes-
tens gewisse Grundanforderungen festgelegt werden,
ohne zu sehr ins Detail zu gehen . Solange Männer und
Frauen nicht gleichermaßen an den obersten Gerichten
vertreten sind, sollten die Vorschlagslisten quotiert wer-
den, und die Gleichstellungsbeauftragten der Landes-
und der Bundesministerien sollten jeweils auf allen Ebe-
nen beteiligt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer für die Liste vorgeschlagen ist, wird von einem
Präsidialrat des jeweiligen Bundesgerichts auf seine
Geeignetheit hin bewertet . Bislang gab es vier verschie-
dene Stufen: von „hervorragend geeignet“ bis „nicht
geeignet“. Da diese Bewertungen häufig Anknüpfungs-
punkt für Konkurrentenklagen waren, hat man sich nun
entschieden, nur noch die Bewertungen „geeignet“ oder
„nicht geeignet“ zu vergeben . Das ist aber keine Lösung
des eigentlichen Problems, sondern nur dessen Verschlei-
erung . Für mich als Abgeordnete im Wahlausschuss war
die differenzierte Bewertung durch die Präsidialräte bis-
lang immer ein wichtiges Entscheidungskriterium .

In der Praxis läuft der Auswahlprozess allerdings so,
dass die Obleute der beiden größten Fraktionen zusam-
men mit den Justiz- oder Arbeitsministerinnen bzw . -mi-
nistern der beiden größten Parteien gemeinsam ein Paket
schnüren und die Richterstellen unter sich verteilen, wo-
bei der Länderproporz eine erhebliche Rolle spielt .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)


Wenn ich als Obfrau der Opposition die Personalakten
der neuen Kandidatinnen und Kandidaten vom Ministeri-
um zugesandt bekomme und mich mit den Beurteilungen
auseinandersetze, ist die Entscheidung auf der Mehrheits-
ebene meist längst gefallen . Ich bin auf der Vorschlags-
liste zwar als Berichterstatterin für diverse Kandidatin-
nen und Kandidaten benannt; da im Ausschuss aber keine
Berichterstattung stattfindet, ist dies eine reine Formalie
ohne jede Bedeutung .

Man kann nachvollziehen, dass ein solches Verfahren
wenig Akzeptanz bei den unterlegenen Kandidatinnen
und Kandidaten erfährt . Wir schlagen daher vor, zukünf-
tig eine echte Berichterstattung innerhalb des Wahlaus-
schusses im Vorfeld der eigentlichen Wahlsitzung
durchzuführen . Zuvor sollten mindestens die jeweiligen
Berichterstatter die ihnen zugeteilten Kandidatinnen und

Kandidaten einmal persönlich gesprochen haben . Bei
Bedarf könnten die Kandidatinnen und Kandidaten gege-
benenfalls auch im Ausschuss angehört werden .

Am Ende steht auf diesem Weg nach wie vor ein poli-
tischer Wahlakt, bei dem aber nachvollziehbar wird, dass
auch die Kriterien von Qualifikation und Leistung ausrei-
chend erörtert und mit einbezogen worden sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zustimmung des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])


Der Zeitaufwand wäre erheblich höher als die bislang
erforderlichen zehn Minuten pro Bundesgericht, aber
letztlich geht es bei dem Auswahlverfahren nicht nur um
Akzeptanz, sondern auch um Angemessenheit und Wür-
de; denn immerhin reden wir hier über unsere höchsten
Richterinnen und Richter .

Ihr Vorschlag, einfach den Instanzenzug für Konkur-
rentenklagen zu verkürzen, um mit diesen unangeneh-
men Problemen schneller durchzukommen, löst das Pro-
blem wahrlich nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sinnvoll wäre eine örtliche Zuständigkeit des Verwal-
tungsgerichts am Sitz des jeweiligen Bundesgerichts . Ein
Instanzenzug muss im Streitfall aber auch für diejenigen
zur Verfügung stehen, die in unserem Rechtsstaat an der
Spitze aller Instanzenzüge stehen .

Unser Anspruch sollte es sein, die Bundesrichterwahl
künftig transparenter zu machen und den Konkurrenten-
klagen so den Boden zu entziehen . Ich habe nämlich nicht
den Eindruck, dass die Richterschaft in diesem Land aus
lauter Freude am Querulantentum solche Klagen erhebt .
Ein solcher Schritt ist meist eher von erheblichem Lei-
densdruck begleitet und von einem Gerechtigkeitsemp-
finden, das wir uns von unseren Richterinnen und Rich-
tern gegebenenfalls selbst am meisten wünschen .

Lassen Sie uns also gemeinsam überlegen, wie wir
unseren verfassungsgemäßen Verpflichtungen nachkom-
men und mit einer transparenteren Richterwahl unserem
Rechtsstaat die erforderliche Wertschätzung zukommen
lassen!

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817613500

Vielen Dank, Katja Keul . – Nächster Redner in der

Debatte: Helmut Brandt für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD] und Sonja Steffen [SPD])



Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1817613600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Verehrte Zuhörer und Zuschauer! Wir befas-
sen uns heute – Frau Keul hat es gerade vorgestellt – mit
einem Antrag der Grünen, der aus durchsichtigen Grün-
den, denke ich, heute als Zusatzpunkt auf die Tagesord-

Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


nung gesetzt wurde; denn im Grunde genommen ging es
Ihnen, glaube ich, gar nicht so sehr um das, was Sie hier
vorgetragen haben, sondern eher um ein Verfahren, das
derzeit beim Bundesverfassungsgericht schwebt und das
eine von Ihnen unterstützte Kandidatin, die bei der Bun-
desrichterwahl 2015 nicht gewählt wurde, angestrengt
hat .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist absurd! Das ist wirklich absurd, Herr Kollege!)


– Da regen Sie sich zu Recht oder Unrecht auf . Ich sehe
an Ihrer Reaktion, dass ich nicht ganz danebenliege .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist wirklich absurd!)


Dieses von jener Kandidatin angestrengte Verfahren
steht demnächst an . Ich erwarte schon, dass das Bundes-
verfassungsgericht den einen oder anderen Hinweis gibt .
Es hätte also keiner Eile bedurft, diesen von Ihnen einge-
brachten Antrag zu debattieren .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817613700

Herr Kollege, erlauben Sie eine Frage von Frau Keul?


Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1817613800

Bitte schön .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817613900

Gut .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817614000

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie das zulassen . –

Ich muss sagen: Ich bin, ehrlich gesagt, erstaunt . Ich
glaube, ich habe sachlich unser Anliegen vorgetragen,
und würde Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir
an diesen Vorschlägen seit über einem Jahr arbeiten,
mehrere Fachgespräche in unserer Fraktion dazu durch-
geführt haben, mit Richtern, mit Fachleuten gesprochen
haben und all dies stattgefunden hat, bevor die Verfas-
sungsbeschwerde, über die Sie jetzt sprechen, überhaupt
eingereicht worden ist .


Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1817614100

Zum einen: Auch ein sachlicher Vortrag kann nicht

darüber hinwegtäuschen, dass vielleicht ein anderer Hin-
tergrund besteht . Zum anderen: Möglicherweise ist es so,
dass Sie schon länger darüber nachdenken . Aber der Zeit-
punkt, an dem dieser Zusatzpunkt auf die Tagesordnung
kommt, nämlich heute, ist aus den Gründen gewählt, die
ich dargestellt habe .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die von dieser Kandidatin vorgetragene Kritik soll im
Grunde genommen durch die Reformüberlegungen der
Grünen, denke ich, unterstützt werden . Es gibt ja auch
ein weiteres Indiz, Frau Keul: Die Justizministerkonfe-
renz, die in der vergangenen Woche getagt hat und die
überwiegend mit grünen Landesministern bzw . -ministe-
rinnen besetzt ist, hat ja ähnliche Vorstellungen geäußert .
Ich denke, auch dieser Zeitpunkt ist bewusst gewählt

worden . Wir halten jedenfalls nichts davon, mit Verfah-
renstricks und Falschbehauptungen ohne Not ein an sich
bewährtes Verfahren umzukrempeln . Gewonnen und
verbessert wird jedenfalls mit Ihren Vorschlägen nichts .
Verlierer wären allerdings wir, die Bundestagsabgeord-
neten, die als Mitglieder des Richterwahlausschusses die
Wahlen durchführen .

Wir müssen uns doch zunächst die Frage stellen, wa-
rum das Richterwahlverfahren so ist, wie es ist . Für die
Wahl der Bundesrichter gilt nicht nur Artikel 33 Absatz 2
Grundgesetz, das sogenannte Prinzip der Bestenausle-
se, sondern auch die von Ihnen genannte Vorschrift aus
Artikel 95 Absatz 2 Grundgesetz, wonach die obersten
Bundesrichter von einem aus Mitgliedern des Deut-
schen Bundestages und den zuständigen Landesminis-
tern bestehenden Wahlausschuss gewählt werden . Dieser
Wahlakt ist, glaube ich, nicht hoch genug einzuschätzen .
Denn der Verfassungsgeber hat sich im Hinblick auf den
prägenden Einfluss oberster Richter auf die gesamte
Rechtsordnung und die demokratische und föderale Le-
gitimation der Richter für ein Mischsystem entschieden,
das die Exekutive auf Bundes- und Landesebene sowie
die Legislative bei der Berufungsentscheidung gleicher-
maßen beteiligt . Diese Entscheidung ist, glaube ich, nach
wie vor richtig . Die Berufung von Bundesrichtern soll
gerade keine sozusagen beamtenrechtliche Entscheidung
sein . Vielmehr geht es darum, die beiden Vorschriften
der Artikel 33 und 95 in ein Verhältnis der praktischen
Konkordanz zu bringen . Das Wahlelement soll genauso
Berücksichtigung finden wie das Prinzip der Bestenaus-
lese . Das ist mit dem Richterwahlgesetz in seiner jetzigen
Form gut gelungen . Bei Ihren Vorschlägen wäre das nach
meiner festen Überzeugung nicht mehr der Fall . Das
Ganze wäre auch gar nicht mehr handhabbar .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])


Ich möchte noch auf einige andere Punkte eingehen .

Sie wollen, dass freie Stellen an den Bundesgerich-
ten ausgeschrieben werden und dass es ein Interessen-
bekundungsverfahren gibt . Über die Auswahl der Kan-
didaten und die Aufnahme in eine Vorschlagsliste sollen
dann merkwürdigerweise aber nur die Landesministeri-
en entscheiden . Dass es um die Besetzung von Stellen
an Bundesgerichten geht, scheint bei Ihnen keine Rolle
zu spielen . Ebenso werden die Abgeordneten des Deut-
schen Bundestages, die Mitglieder im Richterwahlaus-
schuss sind, ihres Vorschlagsrechtes, das sie jetzt haben,
beraubt . Sie sollen die Bundesrichter zwar wählen, aber
ausschließlich Kandidaten, die von den Ländern vorge-
schlagen wurden .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie falsch verstanden, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD]: Ich habe es auch so verstanden!)


Da entsteht eine Unwucht, die offensichtlich nicht mit
den Intentionen des Grundgesetzes in Einklang steht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ebenso ist offensichtlich, dass das von Ihnen vor-
geschlagene Verfahren bei Konkurrentenstreitigkeiten

Helmut Brandt






(A) (C)



(B) (D)


praktisch nicht mehr händelbar wäre . So ein offenes Be-
werbungsverfahren würde ja dazu führen, dass sich jeder
Jurist mit zweitem Staatsexamen bewerben könnte . Je-
der, der dann nicht in die Vorschlagsliste aufgenommen
würde, könnte schon auf dieser Stufe eine Konkurrenten-
klage erheben


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


– ja, selbstverständlich – mit der Folge, dass das ganze
Verfahren dadurch nicht mehr weiter fortgeführt werden
könnte . Es würde also zu einer Nichtbesetzung auf un-
bestimmte Zeit kommen . Das Chaos wäre vorprogram-
miert .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)


Es stellt sich auch die Frage, welche Folgerungen sich
aus den angestrebten Änderungen für den Wahlakt erge-
ben sollen. Soll der Wahlausschuss verpflichtet werden,
bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen?
Kann nach Ihrem Vorschlag die Wahl überhaupt geheim
bleiben? Die Verpflichtung zur Wahl einer bestimm-
ten Kandidatin oder eines bestimmten Kandidaten wür-
de den Charakter der Wahl natürlich absolut entwerten .
Auch der geheime Charakter der Wahl sollte nach mei-
ner Auffassung unbedingt erhalten bleiben und geschützt
werden, weil nur so verhindert werden kann, dass Druck
von dritter Seite auf die Wählenden ausgeübt wird . Die
Geheimheit der Wahl schützt die gleiche Entscheidungs-
freiheit aller Mitglieder des Richterwahlausschusses .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran wollen wir auch nichts ändern!)


Schließlich stellt sich die Frage, ob die einzelne Wahl-
entscheidung dann nicht konsequenterweise auch be-
gründet werden müsste, was dem Charakter einer Wahl
diametral entgegenstehen würde .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu haben wir nichts, aber auch gar nichts gesagt!)


Wie soll man das bei einer Wahl machen, die geheim
durchgeführt wird, mit unterschiedlichen Mehrheiten?
Wer soll dann die Begründung liefern? Es ist einfach
nicht ausgegoren .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben keine Begründung gefordert, Herr Kollege!)


Sie hätten vorher vielleicht mit mehr Leuten sprechen
sollen, als Sie es tatsächlich getan haben .

Es hat den Eindruck, dass die Qualifikation nach Ih-
rem Modell keine Rolle mehr spielen soll . Auch ich bin
dafür, dass mehr Frauen als Bundesrichterinnen gewählt
werden . Aber Ihr Vorschlag führt dazu, dass ein Mann
und eine Frau als Kandidaten gegenübergestellt werden .
Was passiert mit dem Kandidaten oder der Kandidatin,
die oder der nicht gewählt wird? Nimmt sie oder er dann
an weiteren Wahlakten nicht mehr teil? Es ist jedenfalls
ein Irrweg .

Ich bestreite schließlich, dass in dieser Hinsicht der
von Ihnen behauptete Reformbedarf überhaupt besteht .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da gehen Sie fehl!)


Wir haben – das rührt aus der Vergangenheit – sicher-
lich noch, Frau Künast, ein Defizit an weiblichen Bun-
desrichtern . Wir haben aber gerade im letzten Jahr – die
Tendenz ist klar erkennbar – mehr Frauen zu Bundesrich-
terinnen gewählt – jedenfalls beim BGH – als Männer zu
Bundesrichtern . Das zeigt: Wir wollen das in der Vergan-
genheit entstandene Defizit sukzessive bereinigen.

Frappierend ist bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen der Grünen, der Widerspruch zwischen
Anspruch und Wirklichkeit . Ich will hier und heute nicht
das Jahr 2001 in das Bewusstsein rufen . Aber: Damals
wurde ein von Ihnen protegierter Kandidat, der als un-
geeignet bezeichnet wurde, zum Bundesrichter gewählt;
sicherlich kein Ruhmesblatt .

Ich komme zum Ausgangspunkt meiner Ausführun-
gen zurück . Mit Ihrem Antrag soll offenbar Stimmung
gemacht werden für das anhängige Verfassungsbe-
schwerdeverfahren .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch einmal: Das ist wirklich absurd!)


Aber ich bin mir sicher, dass sich das Bundesverfas-
sungsgericht von so einem vordergründigen Versuch
nicht wird beeinflussen lassen. Die Auswahl der Bun-
desrichterinnen und Bundesrichter in den vergangenen
60 Jahren hat deutlich gemacht, dass das bestehende
Richterwahlgesetz zu einer hohen Qualität des Richter-
personals führt . Aus all dem folgt für mich ganz klar:
Ihre Vorschläge sind untauglich . Wir sollten es bei dem
bewährten Verfahren belassen .

Besten Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817614200

Vielen Dank, Helmut Brandt . – Der nächste Redner in

der Debatte: Dr . Matthias Bartke für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Matthias Bartke (SPD):
Rede ID: ID1817614300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen,
Sie greifen mit Ihrem Antrag eine Diskussion auf, die seit
längerem geführt wird .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht!)


Vor kurzem haben wir uns bei einer interessanten Ver-
anstaltung zu diesem Thema in der Thüringer Landes-
vertretung gesehen . Die Stichworte in dieser Diskussion
lauten: mehr Transparenz, mehr Chancengleichheit . Ihr
Antrag ist daher ein guter Anlass, dass wir auch hier im
Deutschen Bundestag über das Verfahren der Wahl von

Helmut Brandt






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Bundesrichtern sprechen . Die Reformvorschläge, die
Sie uns hier auf den Tisch legen, überzeugen leider nicht
wirklich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Metin Hakverdi [SPD])


Das Gleiche gilt für einen ähnlichen, nicht ganz so weit
reichenden Antrag, der vergangene Woche von der Jus-
tizministerkonferenz behandelt wurde . Der Antrag wurde
von der JuMiKo abgelehnt .

Meine Damen und Herren, Grundlage des Verfahrens
der Richterwahl ist Artikel 95 Absatz 2 Grundgesetz .
Über die Berufung der Richter der obersten Gerichte des
Bundes entscheidet danach – ich zitiere mit Ihrer Geneh-
migung, Frau Präsidentin – der

zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem
Richterwahlausschuß, der aus den für das jeweilige
Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und
einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die
vom Bundestage gewählt werden .

Fest steht also: Die Bundesrichter werden gewählt,
und zwar von einem 32-köpfigen Gremium.

Sie wollen – das ist Ihre erste Forderung –, dass sich
nach Stellenausschreibung alle Richterinnen und Richter
bewerben können. Ich finde, darüber kann man reden.

Dann sollen die zuständigen Landesminister über ihre
Vorschlagsliste entscheiden . Jeder Landesminister soll
dafür eine Kommission einsetzen können . Spätestens
da fangen allerdings die Probleme an . Mitglieder dieser
Kommission sollen etwa Richter der Oberlandesgerichte,
Staatsanwälte und Gleichstellungsbeauftragte sein . Ich
frage mich – Sie lassen das ja offen –: Wer entscheidet
denn am Ende? Kann der Minister von seiner Kommis-
sion überstimmt werden? Wer ist am Ende für den Wahl-
vorschlag verantwortlich?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo genau steht das in unserem Antrag?)


Nach meiner Überzeugung kann es nur der Minister sein;
denn nur er ist demokratisch legitimiert . Die in der Ver-
fassung vorgesehenen Mitglieder des Richterwahlaus-
schusses dürfen sich nicht entmachten und bei ihren Vor-
schlägen nicht von anderen Personen abhängig machen .

Die vom Bundestag gewählten Mitglieder des Rich-
terwahlausschusses sollen wie bisher ein Vorschlagsrecht
haben . Sie bräuchten nach Ihrem Antrag keine Auswahl-
kommission . Das ist erfreulich, offenbart aber eine Un-
ausgewogenheit Ihres Vorschlags . Herr Brandt hat darauf
hingewiesen; ich habe Ihren Antrag genauso verstanden .

Bei den Ministervorschlägen soll nach ihren Wunsch-
vorstellungen die Richterschaft mitsprechen, bei den Ab-
geordnetenvorschlägen geht das nicht .

Sie wollen ein gesetzliches Grundanforderungspro-
fil für Bundesrichter vorgeben, zum Beispiel vertief-
te Fachkenntnisse und soziale Kompetenzen . Vertiefte
Fachkenntnisse – so schreiben Sie – „können durch wis-
senschaftliche Publikationen, Kommentierungen oder
Praxiserfahrung nachgewiesen werden .“ Damit wollen

Sie dem Prinzip der Bestenauslese Rechnung tragen .
Aber was bedeutet das konkret? Muss ein Richter neben
seiner Richtertätigkeit publizieren, oder genügt es, dass
er ein vorbildlicher und erfahrener Richter ist, dessen Ur-
teile überzeugen?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht „können“! Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, Herr Bartke!)


Ich fürchte, wir kommen mit Ihrem Grundanforde-
rungsprofil nicht wirklich weiter. Wer entscheidet da-
rüber, ob die Vorschläge der Bundestagsabgeordneten
diesem – angeblich objektiven – Anforderungsprofil ent-
sprechen oder nicht? Und was ist, wenn ein exzellenter
Richter gewählt wird, der weder an einem Kommentar
mitgearbeitet noch wissenschaftlich publiziert hat? Soll
diese Wahl dann deshalb im Konkurrentenstreit von ei-
nem Gericht aufgehoben werden können?

Ein weiterer Vorschlag von Ihnen: Sie wollen, dass für
jede zu besetzende Stelle jeweils ein Mann und eine Frau
vorgeschlagen werden . Wie kommen wir aber zu diesem
Zweiervorschlag, wenn 16 Minister und 16 Bundestags-
abgeordnete Vorschläge einreichen können? Selbst wenn
wir nun, auf welchem Weg auch immer, zu diesen Zwei-
ervorschlägen kommen, bleibt unklar, wie das Verfah-
ren konkret ablaufen soll . Was geschieht, wenn mehrere
Richterstellen zu besetzen sind und bei der ersten Wahl
die Frau gewählt wird?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das regeln Sie dann in der Verfahrensordnung, Herr Bartke!)


Kann dann der Mann bei der Besetzung der nächsten
Richterstelle wieder als Vorschlag gelten? Dann stünden
bei der nächsten Wahl zwei Männer und eine Frau zur
Wahl . Hier täuschen Sie ein geschlechtergerechtes Ver-
fahren vor, ein Verfahren, das aber nicht zu Ende gedacht
ist . Insgesamt: Fragen über Fragen!


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die wollen wir ja mit Ihnen diskutieren!)


Meine Damen und Herren, ich bin dafür, dass wir of-
fen über das Verfahren der Bundesrichterwahl nachden-
ken .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)


Ich habe auch ein Problem damit, dass interessierte Rich-
terinnen und Richter sich nicht auf die Position eines
Bundesrichters bewerben können . Sie müssen in einer
passiven Rolle verbleiben und darauf warten, dass sie
vorgeschlagen werden . Das gefällt mir nicht .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns auch nicht!)


Auch die SPD wünscht sich ein ausgeglichenes Ge-
schlechterverhältnis bei den obersten Gerichten . Aber
bei allen Überlegungen, die wir dazu anstellen: Es bleibt
dabei – am Ende findet eine geheime Wahl statt. Das
Grundgesetz selbst macht klar, dass es bei der Wahl der
Bundesrichter auch um eine politische Wahl geht . Die

Dr. Matthias Bartke






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fachliche Qualität hat eine politische Komponente . Die
Mitglieder des Richterwahlausschusses haben deswegen
einen weiten Beurteilungsspielraum, und das muss auch
so bleiben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Grundgesetz
schreibt eine Richterwahl vor . Deshalb stoßen alle Wün-
sche nach Transparenz und Gerechtigkeit an Grenzen .
Geheime Wahlen sind eben nicht transparent . Ihr Ergeb-
nis kann und muss nicht begründet werden . Und – lassen
Sie mich das am Ende sagen – das Ergebnis ist auch nicht
immer gerecht .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817614400

Vielen Dank, Kollege Bartke . – Nächster Redner:

Detlef Seif für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Detlef Seif (CDU):
Rede ID: ID1817614500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Mit Artikel 95 des Grundge-
setzes wollte der Parlamentarische Rat nach den Erfah-
rungen mit dem Nationalsozialismus ein ganz bestimm-
tes Wahlverfahren auf den Weg bringen, an dem nicht nur
die Richter beteiligt sind, an dem nicht nur die Exekutive
beteiligt ist . Es sollte ein Mischsystem werden . Das Ver-
trauen in eine effektive Justiz war durch die Erfahrung im
Nationalsozialismus völlig erschüttert . Erstes Ziel war
deshalb, die Unabhängigkeit der Justiz und die Qualität
in der Rechtsprechung wiederherzustellen .

Bei dem Konzept der Richterberufung nach dem
Grundgesetz handelt es sich – Kollege Brandt hat das
schon unter Hinweis auf die anderslautenden Regelun-
gen des Beamtenrechts dargelegt – gerade nicht um ein
typisches Auswahlverfahren mit einer typischen Bewer-
tung, mit einer vorhergehenden Bewerbung und mit einer
abschließenden einheitlichen Verwaltungsentscheidung .
Vielmehr legt das Grundgesetz fest: Es ist eine echte
Wahlentscheidung . Hier hat man die Wahl zwischen ver-
schiedenen Bewerbern, und das muss man sich immer
wieder vor Augen halten .

Die Berücksichtigung von Interessenten bei der Wahl
zum Bundesrichter setzt voraus – das ist gesagt wor-
den –, dass ein entsprechender Vorschlag von einem
Mitglied des Bundesrichterwahlausschusses oder auch
vom zuständigen Bundesminister vorliegt; soweit besteht
Klarheit . Das Bundesjustizministerium, Frau Keul, über-
mittelt den Mitgliedern aber auch – und das muss man
dazusagen – erarbeitete Wahlvorschlagsbögen, die ver-
schiedenste Rubriken enthalten: Dienststellung, Beruf,
Zeitpunkt und Ergebnis der juristischen Staatsprüfung,
Laufbahn, Ernennungen, Beförderungen, Eingruppierun-
gen, bisherige berufliche Tätigkeit – auch die Nachwei-
sung möglicher wissenschaftlicher Betätigung und Ver-
öffentlichungen, was Sie jetzt fordern, ist Praxis – sowie
Hauptämter und Nebentätigkeiten . Dazu kommen sämt-
liche Beurteilungen und auch die Stellungnahme – dass

sie abgegeben wird, ist der Regelfall – des zuständigen
Präsidialrats .

Aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen Arti-
kel 95 Grundgesetz – noch einmal: echte Wahl – und des
individuellen Anspruchs eines Bewerbers, eines Deut-
schen, berücksichtigt zu werden, wenn Eignung, Befä-
higung und fachliche Leistungen entsprechend vorliegen
und die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen
mitgebracht werden, haben wir es mit einer ganz beson-
deren und sicherlich auch nicht einfachen Entscheidung
zu tun .

Der Richterwahlausschuss hat ein weites Bewertungs-
und Auswahlermessen . Er kann insbesondere auch – und
das findet sich in keinem Katalog, in keinem Schema
wieder – die Persönlichkeit des Betroffenen mit ein-
beziehen . Immerhin handelt es sich um Ämter bei den
höchsten Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland .
Da sind Persönlichkeit und Charakter ein ganz wichtiges
Merkmal .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


– Frau Keul, Sie rufen: „Genau!“, aber ich bin noch nicht
fertig mit meinen Ausführungen . – Der Hauptgesichts-
punkt, der auch historisch begründet war, war der, dass
man in diesem Mischsystem die Beteiligung der Politik
einbauen wollte, weil man gesagt hat: Durch die Betei-
ligung demokratisch legitimierter Politiker erhöht sich
auch die Wahrscheinlichkeit der positiven Einstellung
der Richter zum Gesamtsystem .

Nun ist es traurig, Frau Keul, wenn Minderheiten nicht
in jedem Fall berücksichtigt werden . Aber das nennt
man Demokratie, wenn die Mehrheit, auch im Richter-
wahlausschuss, entscheidet, welche Personen nun ge-
wählt werden . Sie haben das sehr negativ und nachteilig
dargestellt, aber genau das ist schon bei der Entstehung
dieser Vorschrift Absicht gewesen .

Eine verbindliche Ausschreibung ist im Übrigen auch
gar nicht erforderlich . Was Sie schildern, ist reine The-
orie; denn der Bundesminister der Justiz gibt vor einem
entsprechenden Wahltermin erstens die freien Stellen
und zweitens das Datum bekannt . Wer noch nicht einmal
in der Lage ist, auf die Homepage des Ministeriums zu
gucken, und auch kommunikativ nicht in der Lage ist,
sich bei einem der bekannten Mitglieder des Richter-
wahlausschusses zu melden und zu zeigen, dass er die
Befähigung und die Eignung hat, dass er Interesse hat,
dass er brennt für dieses Amt, der ist, ehrlich gesagt, auch
nicht geeignet, dieses Amt auszuüben .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist sehr praxisorientiert, was Sie da sagen!)


Bereits heute besteht die Möglichkeit für jeden, der In-
teresse hat, sich an geeigneter Stelle zu bewerben; ob er
berücksichtigt wird, das ist eine andere Frage . Insoweit
sind Ihre Ausführungen nicht zutreffend .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie fordern ein einheitliches Anforderungsprofil, ich
nenne das einmal „Schema“ . Ich habe schon gesagt,

Dr. Matthias Bartke






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dass man Charakter und Persönlichkeit im Wahlvorgang
eben nicht objektiv bewerten kann . Entscheidend ist der
subjektive Eindruck der Mitglieder des Richterwahlaus-
schusses, und den können Sie nicht in ein Schema pres-
sen . Genau hier liegt das Problem: Einerseits haben die
Mitglieder des Richterwahlausschusses aufgrund ihres
subjektiven Eindrucks über Charakter und Persönlichkeit
zu entscheiden, andererseits muss natürlich auch all das,
was in der Personalakte und den Begleitunterlagen ent-
halten ist, berücksichtigt werden . – Frau Keul hat wohl
eine Zwischenfrage .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817614600

Herr Seif ist so groß, dass ich Frau Keul nicht gese-

hen habe . – Sie erlauben also die Zwischenfrage . – Frau
Keul, bitte .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817614700

Vielen Dank für die Erlaubnis zur Zwischenfrage . –

Sie haben betont, wie wichtig die Persönlichkeit, der
Charakter des Menschen ist, der sich bewirbt . Aber wie
soll dies einfließen, wenn dieser Mensch niemals die Ge-
legenheit hat, sich dem Wahlausschuss vorzustellen oder
mit den Berichterstattern zu sprechen? Das findet ja alles
nicht statt . Wir würden das ja gerne fördern . Natürlich
entscheidet am Ende die Mehrheit – das haben wir gar
nicht infrage gestellt –; wir würden nur gerne im Vor-
feld mit Ihnen über die Kandidaten reden . Das kann doch
nicht zu viel verlangt sein .


Detlef Seif (CDU):
Rede ID: ID1817614800

Frau Keul, wir befinden uns im Zeitalter der Kom-

munikation . Wir haben soziale Netzwerke; wir sprechen
miteinander .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soziale Netzwerke?)


Ich erwarte von jemandem, der Bundesrichter werden
will – ein Bundesrichter muss kommunikativ sein und
sich mit der Materie vernünftig auseinandersetzen –,
dass er in der Lage ist, herauszufinden – das ist veröf-
fentlicht –, wer Mitglied des Richterwahlausschusses ist .
Er kann gerne 32-mal anrufen und sich persönlich vor-
stellen .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schicken wir alle zu Ihnen! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das soll jetzt praxisnah sein?)


Machen wir uns doch nichts vor: Die Verfahrensvor-
schriften verbieten es nicht, dass Gespräche geführt wer-
den, um sich bekannt zu machen .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich finde, das hört sich sehr demokratisch an!)


Es ist doch bei jedem Wahlvorgang so, dass der Bewer-
ber, dass derjenige, der etwas erreichen möchte, auch
kommunikativ tätig ist . Das ist die Praxis . Wer sich be-
kannt machen will, wer seine Leistung, Eignung und Be-

fähigung vermitteln will und für das Amt brennt, der hat
jede Möglichkeit dieser Welt;


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch nicht im Ernst!)


aber Eigeninitiative wird vorausgesetzt . Es ist nicht so,
dass wir Personen mit der Bahre zur Kandidatur tragen .
Wer Bundesrichter werden will, muss eine entsprechen-
de Persönlichkeit und entsprechende Fähigkeiten mit-
bringen und geeignete Wege finden, sich ins Gespräch
zu bringen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei der Entscheidung des Richterwahlausschusses
handelt es sich um den Wahlvorgang eines Gremiums .
Daran sind mehrere Personen beteiligt, die nicht einheit-
lich und in geheimer Wahl entscheiden . Es ist klar, dass
jedes einzelne Mitglied des Richterwahlausschusses an-
dere Gründe für seine Entscheidung hat, dass die subjek-
tiven Einschätzungen unterschiedlich sind . Das ist auch
der Grund, warum bei einer Wahl mit Ja und Nein abge-
stimmt werden kann . Das ist so gewollt . Wenn wir bei
diesen Konkurrenzstreitverfahren aber eine verwaltungs-
gerichtliche Praxis vorfinden, die die Ausführungen der
Präsidialräte mehr oder weniger wie in Stein gemeißelt
berücksichtigt, aber das gesamte Abwägungsmaterial,
das in der geheimen Wahl berücksichtigt wurde, nicht he-
ranzieht, weil es nicht herangezogen werden kann, dann
liegt es in der Natur der Sache, dass die Entscheidungen
der Gerichte bei Konkurrentenklagen oftmals falsch sind .
Ich bin froh, dass das jetzt beim Bundesverfassungsge-
richt anhängig ist . Ich wünsche mir klare Ausführungen
des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Spannungs-
verhältnis zwischen Artikel 95 und Artikel 33 des Grund-
gesetzes .

Wir haben jetzt über die Richterauslese gesprochen .
Da kann man unterschiedlicher Meinung sein – es
gibt auch die unterschiedlichsten Verfahren –; aber so
schlecht kann die Auslese in den letzten Jahren bzw .
Jahrzehnten nicht gewesen sein . Die obersten Gerichts-
höfe des Bundes – Frau Keul, Sie haben die einzelnen
Gerichte benannt; ich möchte das gerne wiederholen –,
also der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsge-
richt, der Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht
und das Bundessozialgericht, genießen ein hohes Anse-
hen nicht nur in Deutschland, sondern auch international
bezogen auf Unabhängigkeit und Qualität der Rechtspre-
chung . Ich glaube, einen großen Anteil an dieser Qualität
haben die Richter, die bei diesen obersten Gerichtshöfen
arbeiten . An dieser Stelle sei es erlaubt, diesen Richtern
ausdrücklich Dank für die qualitativ hochwertige Arbeit
auszusprechen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Jörn Wunderlich [DIE LINKE])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817614900

Vielen Dank, Herr Kollege . – Die nächste Rednerin ist

Sonja Steffen für die SPD .


(Beifall bei der SPD)


Detlef Seif






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Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1817615000


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Es gab
in der Tat noch nie so viele Konkurrentenklagen gegen
die Entscheidung des Richterwahlausschusses wie ge-
genwärtig . Wenn ich richtig informiert bin, sind es der-
zeit sieben . Das klingt zwar nicht so viel; aber es ist eine
ganze Menge, wenn man bedenkt, dass wir nicht so viele
Richter an Bundesgerichten haben . Die Verfahrensdauer
bei diesen Konkurrentenklagen beträgt zwei Jahre und
mehr, und die Besonderheit ist, dass in dieser Zeit der
Posten nicht besetzt werden kann . Das führt natürlich
dazu, dass Richterstellen blockiert werden . Es führt zu
einer erhöhten Arbeitsbelastung der Gerichte, und die
Prozessdauer nimmt zu . Es gab Bestrebungen der Län-
der – das haben wir schon gehört; es waren Hamburg und
Schleswig-Holstein – für eine Reform; man konnte sich
in der Justizministerkonferenz aber nicht durchsetzen .
Auch der Deutsche Juristinnenbund fordert eine Reform,
vor allem im Hinblick auf die Frauenquote .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt nun einen entsprechenden Antrag von Bünd-
nis 90/Die Grünen, über den wir heute diskutieren . Mei-
nes Erachtens können wir festhalten, dass es grundsätz-
lich drei Gründe für Reformwünsche gibt: Zum einen
gibt es den Vorwurf der Intransparenz . Der zweite Grund
ist die Funktionsfähigkeit der Gerichte, der dritte Grund
die Chancengleichheit von Richterinnen und Richtern .

Lassen Sie mich kurz etwas zur Intransparenz sa-
gen . Es ist vorhin schon mehrmals betont worden, dass
eine Besonderheit besteht – deshalb gibt es den Rich-
terwahlausschuss –, was die Einsetzung der Bundesrich-
ter betrifft . Ich zitiere einmal – mit Ihrer Erlaubnis, Frau
Präsidentin – den Präsidenten des Bundesverfassungs-
gerichts, Herrn Voßkuhle . Er hat in einem Kommentar
gesagt:

Die Berufung der Richterinnen und Richter der
Bundesgerichte hat die Besonderheit, dass den Ge-
wählten eine besondere bundesstaatliche und de-
mokratische Legitimation verliehen werden soll . Es
gilt, die Besonderheiten des Amtes eines Richters,
einer Richterin an einem obersten Gerichtshof des
Bundes zu beachten .

Im Klartext heißt das: Bundesgerichte betreiben nicht
nur letztinstanzliche Rechtsprechung, sondern auch
Rechtsfortbildung . Das steht auch so in einigen Ge-
setzen, beispielsweise in der VwGO . Damit rückt die
Rechtsprechung der Bundesgerichte in die Nähe der
Gesetzgebung . Richterliche Rechtsfortbildung ist in der
Bindung an Recht und Gesetz sachlich Rechtspolitik . Als
solche kann die Berufung der Richterinnen und Richter
der Bundesgerichte nicht aus dem Medium der Politik
herausgelöst werden . Das, meine Damen und Herren,
unterscheidet eben das Amt der Bundesrichter und der
Bundesrichterinnen von dem der Richter der unteren In-
stanzen . Deshalb gibt es das besondere Verfahren des
Richterwahlausschusses .

Die Zusammensetzung des Richterwahlausschus-
ses – das haben wir schon gehört – garantiert, zumindest
grundsätzlich, politische Vielfalt . Es ist natürlich im Mo-
ment so, Frau Keul, dass dieses Gremium im Augenblick
recht koalitionslastig besetzt ist . Aber – das müssen auch
Sie zugestehen – das liegt allein an den Wahlergebnissen,
weil die Zahl der Abgeordneten des Bundestages nach
dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren bestimmt wird .

Eine weitere Besonderheit ist schon genannt worden .
Sie besteht darin, dass der Richterwahlausschuss einen
breiteren Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Be-
werber hat, als es sonst der Fall ist .

Wir haben schon über die Präsidialräte gesprochen,
die im Übrigen eine Stellungnahme über die persönliche
und fachliche Eignung abgeben, die in die Entscheidung
mit einfließt. Aber dies kann eben nicht so weit gehen,
dass sie die Entscheidung maßgeblich beeinflusst.

Zum Thema Funktionsfähigkeit habe ich eingangs
schon erwähnt, dass Konkurrentenklagen dazu führen,
dass keine Nachbesetzungen erfolgen können . Ich mei-
ne, wir sollten darüber nachdenken, ob es hier andere
Möglichkeiten gibt . Sie schlagen in Ihrem Antrag vor, die
örtliche Zuständigkeit am Sitz der jeweiligen Bundesge-
richte zu bündeln . Es gibt einen anderen Vorschlag – Sie
hatten ihn kurz erwähnt –, nämlich einen besonderen Se-
nat beim Bundesverwaltungsgericht zu bilden, der dann
quasi in dieser Instanz entscheidet, was ich an sich für
einen guten Vorschlag halte, weil man die Verfahrens-
dauer so erheblich verkürzen könnte . Ich meine, darüber
könnten wir alle nachdenken .

Zur Chancengleichheit ist schon etwas gesagt wor-
den . Es ist im Moment leider immer noch so, dass wir
relativ wenige Frauen an Bundesgerichtshöfen haben .
Dabei, glaube ich, sind wir uns alle einig, dass wir mit
Sicherheit ganz viele hochqualifizierte Frauen in Rich-
terämtern haben . Es gibt eine Unterrepräsentanz . Wenn
ich richtig informiert bin, liegt der Anteil der Frauen bei
22 bis 28 Prozent . Das ist wirklich zu wenig . Ich appel-
liere an den Richterwahlausschuss, zukünftig besser auf
die Frauenquote zu achten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt ist meine Redezeit fast zu Ende .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817615100

Am Ende .


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1817615200

Ja, am Ende . – Ich will jedenfalls den Antrag nicht

in Gänze vom Tisch fegen, weil ich finde, dass er gute
Ansätze bietet. Auch ich finde zum Beispiel die persönli-
che Anhörung – ich glaube, da bin ich mit meiner Frak-
tion auf Augenhöhe – der jeweiligen Bewerberinnen und
Bewerber wichtig . Man sollte auch darüber nachdenken,
das Verfahren an einem Gericht zu bündeln; es sollte also
über die Zuständigkeit nachgedacht werden . Der Antrag
bietet gute Ansätze . Es gibt im Übrigen beim Justizmi-






(A) (C)



(B) (D)


nisterium schon eine Arbeitsgruppe, die sich damit be-
schäftigt .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Dabei kommt ja wieder nichts heraus!)


Ich freue mich nun auf die weiteren politischen Be-
ratungen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817615300

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffen . – Der Letzte in

dieser Debatte: Jörn Wunderlich für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817615400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem vorgelegten Antrag streben die Grünen eine Re-
form der Wahl für die obersten Bundesgerichte an . Es ist
schon gesagt worden: Oberste Bundesgerichte sind der
Bundesgerichtshof, das Bundesarbeitsgericht, das Bun-
dessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der
Bundesfinanzhof. Dass diese Gerichte für das Zusam-
menleben in der Gesellschaft und auch für die Rechts-
fortbildung von besonderer Bedeutung sind, bestreitet
wohl niemand . Es ist daher zu begrüßen, wenn die De-
batte aufgemacht wird, wie die Wahl dieser Richterin-
nen und Richter reformiert werden kann . Wir teilen die
Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen, dass eine Balance
zwischen Bestenauswahl und demokratischer Legitima-
tion gewahrt werden muss . Wenn wir nur die Bestenaus-
wahl hätten, hätten wir ja nur noch Richterinnen .


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aus unserer Sicht ist im Hinblick auf Demokratie für
alle noch erheblicher Spielraum . Das fängt damit an – in
dem Antrag wird zu Recht darauf hingewiesen –, dass
nicht jede oder jeder zur Richterin oder zum Richter
gewählt werden kann, da eine Eigenbewerbung ausge-
schlossen ist . Es geht weiter mit der ebenfalls zu Recht
angesprochenen Intransparenz des Verfahrens, also wel-
che Kriterien für die Aufnahme in die Vorschlagsliste
gelten . Zu Recht wird in dem Antrag auch darauf hinge-
wiesen, dass allein die Tatsache, dass Frauen auf den Vor-
schlagslisten deutlich unterrepräsentiert sind, dazu führt,
dass Frauen als Richterinnen an den obersten Bundes-
gerichten einen Anteil von unter 30 Prozent ausmachen;
dies wurde schon gesagt .

Die von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagenen acht
Punkte können wir als Linke im Wesentlichen mittragen .
Die Idee von verpflichtenden Ausschreibungen oder min-
destens Interessenbekundungsverfahren ist der richtige
Weg, um mehr Transparenz in die Verfahren zu bringen .
Ob nun zwingend die Landesministerien oder eine durch
sie eingesetzte Kommission die Entscheidungen über die

Vorschlagslisten treffen müssen, ist eine Frage, über die
man im Detail noch sprechen kann .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Wir können uns aber durchaus vorstellen, die Landespar-
lamente hier intensiver einzubeziehen . Die Festlegung
verbindlicher Grundanforderungen im Rahmen eines
Anforderungsprofils sollte eigentlich eine Selbstver-
ständlichkeit sein. Eine quotierte Vorschlagsliste finden
wir aus vorgenannten Gründen sehr gut . Gleiches gilt für
ein einheitliches Bewertungssystem .

Bei dem Gerichtsstand der Konkurrentenklagen ist
nicht ganz klar, ob sich dieser auch auf die erste Auswahl-
phase bezieht; denn nach der Logik des Antrags müssten,
da die Landesministerien beteiligt sind, auch in dieser
Phase schon Konkurrentenklagen möglich sein, was nach
meiner Überzeugung nicht gerade zu einer Beschleuni-
gung der Auswahlverfahren führen dürfte . Deshalb wür-
den wir als Linke das von den Grünen aufgeworfene
Problem der sogenannten Konkurrentenklagen – gegen-
wärtig laufen sieben; auch das ist schon gesagt worden –
gern von der Debatte über die Wahl der Richter trennen .
Es gibt auch bei der Linken Debatten darüber, inwiefern
im Hinblick auf eine Wahlentscheidung eine Konkurren-
tenklage ein angemessenes Mittel ist; denn es handelt
sich bei der Wahl eben nicht ausschließlich um eine Bes-
tenauslese – das habe ich ja schon gesagt –, bei der eine
Konkurrentenklage ein selbstverständliches Mittel ist,
sondern eben um eine Mischung aus Bestenauslese und
Wahlentscheidung .

Wir würden allerdings noch einen Vorschlag in die
Debatte werfen wollen, der aus unserer Sicht zumindest
diskussionswürdig ist . Wir haben hier im Hohen Haus
schon darüber debattiert, ob die Wahl der Richter des
Bundesverfassungsgerichts vom Richterwahlausschuss
und dem Bundesrat auf das Plenum des Bundestages
übertragen werden sollte . Ich meine, mich zu erinnern,
dass es dazu vor Jahren schon einmal einen fraktions-
übergreifenden Gesetzentwurf gab .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das schon beschlossen! An dem Tag waren Sie nicht da!)


– Ja? Ach so . Das ist ja schön . Das ist ja noch besser .
Großartig!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Man kann ja nicht immer da sein .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Aus Sicht der Linken könnte man überlegen – das
ist ja eine schöne Steilvorlage –, ob man das nicht auch
auf die Richter der obersten Bundesgerichte übertragen
kann, um damit die Legitimation der Richterinnen und
Richter auf eine breitere Grundlage zu stellen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ob der Richterwahlausschuss dem Plenum einen Vor-
schlag unterbreitet oder ein weiter gehendes Vorschlags-
recht gegeben sein soll, darüber kann man dann streiten .

Sonja Steffen






(A) (C)



(B) (D)


Zum Schluss will ich darauf hinweisen, dass wir nicht
bei einer Reform der Wahl der Richter der obersten Bun-
desgerichte stehen bleiben dürfen . Wir sollten diese De-
batte nutzen, um die Selbstverwaltung der Justiz wieder
auf die Tagesordnung zu setzen . Die Linke ist dazu be-
reit; sie wird sich gern in die entsprechenden Debatten
einbringen; denn nur eine unabhängige Justiz – da schlie-
ße ich die Staatsanwaltschaften ausdrücklich ein – stärkt
den Rechtsstaat .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817615500

Vielen Dank, Kollege Wunderlich . – Ich schließe da-

mit die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7548 an den Ausschuss für Recht und
Verbraucherschutz vorgeschlagen . – Sie sind damit ein-
verstanden . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Die Aufarbeitung der SED-Diktatur konse-
quent fortführen

Drucksache 18/8705

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre und
sehe keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Marco
Wanderwitz für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1817615600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Im September 1990, einen Monat vor
der Wiedervereinigung, erkämpften Bürgerrechtler eine
Zusatzklausel im Einigungsvertrag, die den Deutschen
Bundestag aufforderte, eine gesetzliche Regelung für den
Zugang zu den Akten des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR zu schaffen . Dem vorausgegangen war
unter anderem die Erstürmung der Bezirksverwaltungen
der Stasi seit Dezember 1989, auch deshalb, weil dort
offenkundig bereits Akten vernichtet wurden . 111 Kilo-
meter laufende Akten konnten am Ende sichergestellt
werden, Akten der Staatssicherheit, die den Menschen
im Auftrag der SED in der ehemaligen DDR willkürlich
Verfolgung und Unterdrückung hat angedeihen lassen,
zuletzt mit 91 000 hauptamtlichen und 180 000 inoffizi-
ellen Mitarbeitern in einem Land mit knapp 20 Millio-
nen Einwohnern . Die Sicherung der Stasiakten ist nicht
nur beispiellos, sondern auch ein Stück weit zumindest
eines der Vermächtnisse der friedlichen Revolution von
1989/1990 . Wir sind hier im Haus bisher immer sehr
sorgsam und sorgfältig damit umgegangen . Das muss
und soll auch so bleiben .

Aufarbeitung hat kein Ende; Aufarbeitung darf kein
Ende haben . Wir haben hier im Bundestag öffentlich und
auch nichtöffentlich in den Gremien und Ausschüssen
mittlerweile unzählige Gespräche und Debatten über das
Thema „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ geführt . Wir
haben allein das Stasi-Unterlagen-Gesetz achtmal novel-
liert, damit auch ein Stück weit seine Anpassungsfähig-
keit bewiesen und deutlich gemacht, dass es dem Grunde
nach ein gutes Gesetz ist .

Die Stasi-Unterlagen-Behörde hat in zwölf Tätigkeits-
berichten Rechenschaft über ihre Arbeit abgelegt und
sich stets – ich sage es einmal so – atmend weiterent-
wickelt, auch personell . Am Anfang hatte die Behörde
25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in einer Hochphase
dann 2 400, und jetzt sind wir bei 1 600, also wieder ein
Stück weiter unten, angekommen, immer auch den Auf-
gaben folgend . Noch immer werden Monat für Monat
rund 5 000 Anträge auf Akteneinsicht bei der Stasi-Un-
terlagen-Behörde gestellt . Insgesamt haben bereits über
7 Millionen Menschen ihr Recht auf Akteneinsicht in
Anspruch genommen . In den letzten vier Jahren wurden
über 30 000 Anträge allein aus dem Bereich „Forschung
und Medien“ gestellt . Die Aufgaben der Stasi-Unterla-
gen-Behörde sind – das sieht man ganz deutlich, allein
an diesen Zahlen – nicht beendet, sondern bestehen fort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Dr . Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gleichwohl haben wir als Deutscher Bundestag im
Juli 2014 auf Antrag von CDU/CSU, SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen eine Expertenkommission zur Zu-
kunft der Stasi-Unterlagen-Behörde eingesetzt, weil wir
gesagt haben: Was gut ist, kann man ja noch besser ma-
chen. Man kann zukunftsfähige, effizientere Strukturen
suchen, um zum einen dauerhaft archivgerecht zu sichern
und zum anderen Qualitätsgewinne zu generieren, insbe-
sondere bei den Themen Wartezeiten und Forschung . –
Vor zwei Monaten nun hat die Expertenkommission
ihren Abschlussbericht, ihre Ergebnisse und Handlungs-
empfehlungen vorgelegt . Ich für meinen Teil möchte an
dieser Stelle noch einmal sagen, dass ich der Kommissi-
on und allen ihren Mitgliedern für die Arbeit danke, die
sie geleistet haben . Der Vorsitzende, Professor Wolfgang
Böhmer, Ministerpräsident a . D ., hat mit viel politischer
Erfahrung einen konsensorientierten Austausch inner-
halb der Kommission möglich gemacht . Dafür sage ich
ihm herzlich Dank . Dass 13 der 14 Kommissionsmitglie-
der den Abschlussbericht getragen haben, zeigt ja auch,
dass es mit dem Konsens ganz gut funktioniert hat .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die an uns gerichteten Handlungsempfehlungen sind
für mich und meine Fraktion wichtige Grundlagen für die
Entscheidungen zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Be-
hörde im Gefüge der Gedenkstättenlandschaft . Wir ha-
ben in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für
Kultur und Medien zu diesem Thema am 27 . April 2016
bei Teilen der Vorschläge aber auch viel Gegenwind er-
fahren . Unsere Fraktion hat im Nachgang viele Gesprä-
che geführt und gehört, dass es viel Verunsicherung und

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


sehr viele Sorgen gibt, zum Beispiel über das für die
angelegten Reformvorschläge gewählte Zeitfenster bis
2021 . Wir haben von den direkt betroffenen Institutionen
gehört, dass sie sich nicht hinreichend eingebunden ge-
fühlt haben, und wir haben auch gehört, dass viele Opfer
sehr unglücklich darüber und unzufrieden damit gewesen
sind, wie wir mit der Wiederwahl von Roland Jahn zum
Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen verfahren
sind .

Das alles hat uns dazu gebracht, zu sagen: Wir müssen
behutsamer und langsamer vorgehen, als man sich das
hätte vorstellen können . Wir wollen von dem Stasi-Un-
terlagen-Beauftragten und dem Präsidenten des Bun-
desarchivs ein Konzept erarbeitet wissen – so ist auch
der heute vorliegende Antrag angelegt –, das breiter und
tiefer ist und uns besser in die Lage versetzt, abschät-
zen zu können, wie groß der Zeitraum sein muss, bis
das Stasi-Unterlagen-Archiv und das Bundesarchiv zu-
sammenkommen können . Dieses Konzept wollen wir
mit den Opfern und den Verbänden breit diskutieren . Es
ist aus unserer Sicht Aufgabe, in der nächsten Legisla-
turperiode – nicht in dieser – hier zu Entscheidungen zu
kommen .

Nun sagen manche schon, damit würde man das wie-
der auf die lange Bank schieben .


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Genau!)


Wir reden ja schon relativ lange darüber, was man ver-
ändern kann .


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Acht Jahre!)


Allerdings haben wir von Anfang an gesagt: Verände-
rungen müssen Verbesserungen sein . Diese Verbesse-
rungen – beispielsweise in Bezug auf die archivgerechte
Aktenlagerung und die Wartezeiten – müssen so auf der
Hand liegen, dass wir eben sicher sein können, dass es
sie auch gibt . Ich glaube, dafür bedarf es einer größeren
und vertieften Kooperation zwischen dem BStU und dem
Bundesarchiv .

Wir als Fraktion sind noch nicht an dem Punkt ange-
kommen, mit gutem Gewissen sagen zu können, dass wir
uns sicher sind, dass das funktioniert; denn auch fast drei
Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution müssen wir
die Anliegen, Sorgen und Ängste der SED-Opfer ernst
nehmen . Es ist ja nicht so, dass mit der Freiheit auto-
matisch die Wunden verheilt sind . Im Gegenteil: Viele
Wunden sind erst aufgebrochen, weil man frei darüber
reden konnte . Jedem, der davon überzeugt werden muss,
empfehle ich die Lektüre des Buches von Kerstin Guef-
froy mit dem Titel Die Hölle von Torgau: Wie ich die
Heim-Erziehung der DDR überlebte . Das ist kein Einzel-
schicksal, sondern eines von über 300 000 Heimkindern .
Das Buch ist im Übrigen im September 2015 erschienen,
26 Jahre nach der erlangten Freiheit . Das war der Zeit-
punkt, zu dem es geschrieben werden konnte . Das illus-
triert ganz gut, worüber wir hier sprechen . Die Zeit heilt
Wunden . Aber die Bestimmung des Zeitpunkts liegt bei

den Verwundeten, nicht bei denen, die die Wunde verur-
sacht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viele Opfer und Betroffene brauchen einen zeitlichen
Abstand zur Auseinandersetzung mit der persönlichen
Vergangenheit, von Verarbeitung nicht zu sprechen .

Die juristische Aufarbeitung ist mittlerweile weitest-
gehend abgeschlossen . Dabei zeigte sich leider sehr oft,
dass der freiheitlich-demokratisch verfasste Rechtsstaat
bei der Aufarbeitung der Diktatur an seine Grenzen
kommt. Vielfach empfinden Opfer das, was juristische
Aufarbeitung ausgemacht hat, nicht als Gerechtigkeit .
Ich kann das in vielen Fällen gut verstehen . Ich glaube,
das geht vielen hier im Hause so .

Was aber bleibt, ist die gesellschaftliche Aufarbei-
tung . Da haben wir noch eine ganze Menge Spielräume,
beispielsweise bei der Verbesserung von Opferrechten,
beispielsweise bei Renten und Entschädigungsleistungen
für erlittenes Unrecht . Ich möchte Dieter Dombrowski,
den Vorsitzenden der Union der Opferverbände Kom-
munistischer Gewaltherrschaft, auf der Tribüne herzlich
begrüßen


(Beifall im ganzen Hause)


und seine Stellungnahme im Fachgespräch zitieren:

. . . was wir, die Opfer von SED und Stasi verlan-
gen, ist nicht nur die Förderung des Gedenkens der
Bildungsarbeit, sondern wir verlangen Respekt vor
dem Leid und den Leistungen der Opfer der zwei-
ten deutschen Diktatur . Dies sind 250 000 politi-
sche Gefangene, dies sind die Mütter von zwangsa-
doptierten Kindern, dies sind Tausende Opfer von
ungerechtfertigten Heimeinweisungen, dies sind
Hunderttausende gebrochene Lebensbiografien und
seelische Verletzungen, die nicht heilbar sind .

Wenn man das verinnerlicht, dann ist uns allen, glaube
ich, bewusst, dass wir noch eine weitere Aufgabe vor uns
haben . Wir wollen uns viele der Vorschläge, die Sie un-
ter anderem in der Anhörung unterbreitet haben und uns
nun teilweise seit Monaten und Jahren immer wieder ins
Stammbuch bzw . Geschichtsbuch schreiben, noch ein-
mal sehr genau anschauen . Das will ich Ihnen an dieser
Stelle versprechen und zusagen .

Ein letzter Punkt . Wir werden unmittelbar im An-
schluss die Wahl des Stasi-Unterlagen-Beauftragten
durchführen . Roland Jahn sitzt auch auf der Tribüne .
Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!


(Beifall)


Ich für meinen Teil will sagen, dass wir uns sehr freuen,
dass Sie für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehen,
dass wir glauben, dass wir in Ihnen einen internatio-
nal und vor allen Dingen auch in Deutschland über die
Par teigrenzen hinweg anerkannten Stasi-Unterlagen-
Beauftragten haben . Ich freue mich, dass Sie die Arbeit
der Kommission und den Reformprozess grundsätzlich
positiv begleiten und auch dafür zur Verfügung stehen,

Marco Wanderwitz






(A) (C)



(B) (D)


den Prozess der Zusammenlegung von Bundesarchiv und
Stasi-Unterlagen-Behörde, wie wir es in unserem Antrag
niedergelegt haben, zu begleiten . Unsere Stimmen haben
Sie dafür .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817615700

Wir freuen uns, wenn Sie an Ihre Redezeit denken .


Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1817615800

Meine Redezeit ist zu Ende; das ist mir klar .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817615900

Schon lange, ja .


Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1817616000

Ich wünsche mir – das soll mein letzter Satz sein –,

dass wir eine ähnlich breite parlamentarische Mehrheit
haben wie beim letzten Mal, weil das, glaube ich, ein ers-
ter großer Schritt einer vertrauensbildenden Maßnahme
bei den Opfern wäre .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817616100

Ich möchte die Kollegen und Kolleginnen bitten,

wenn Ihnen klar ist, dass die Redezeit zu Ende ist, dann
auch zum Ende der Rede zu kommen . Vielen Dank .

Nächster Redner: Stefan Liebich für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817616200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen!

Eine Aktenverwaltungsbehörde als Symbol der Re-
volution? Das kann doch nicht ernst gemeint sein .

Das ist ein Zitat von Richard Schröder, dem stellvertre-
tenden Vorsitzenden der Expertenkommission, die hier
gerade gelobt wurde und der man gerade gedankt hat .
Wenn man den Antrag von der Koalition liest, dann hat
man den Eindruck, Sie meinen das wirklich ernst .

Es wurde hier darüber gesprochen, dass wir ein biss-
chen Zeit brauchen . Ich will die Zeit, in der wir über
dieses Thema diskutieren, kurz Revue passieren lassen:
Vor acht Jahren, im Juni 2008, hat die damalige Große
Koalition dem Bundestag die Einsetzung einer Experten-
kommission zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde
versprochen . Damals hat man gesagt, losgehen solle es
im Jahr 2009, die Behörde sei schließlich als eine zeitlich
begrenzte Einrichtung konzipiert . Das wurde damals von
der damaligen Beauftragten, Marianne Birthler, begrüßt,
und dann ist sechs Jahre lang, Herr Wanderwitz, genau
gar nichts passiert . Keine Kommission, keine Debatte . Es
gab hier im Haus einfach kein Interesse .

Dann hatte sich wieder eine Große Koalition gebildet,
und die musste zur Kenntnis nehmen, dass dieses Wei-
terwurschteln in der Zwischenzeit keine Lösung war .

Es gibt marode Außenstellen mit schimmelbefallenen
Akten, es gab leblose Pläne zur Zukunft der Norman-
nenstraße, unklare Perspektiven für das Oppositionsar-
chiv der Robert-Havemann-Gesellschaft . Dann hat man
sich gesagt: Na gut, dann starten wir noch einmal neu .
Wir setzen eine Expertenkommission ein . – Das ist im
Jahr 2014 passiert .

Wir haben damals gesagt: Binden Sie doch die Öf-
fentlichkeit mit ein, lassen Sie solch ein Gremium nicht
geheim tagen, das die Öffentlichkeit nicht mitnimmt . –
Sie wussten es besser . Sie haben eine Kommission mit
externen Experten, klugen Leuten, zusammengesetzt . Es
waren keine Leute hier aus dem Haus dabei . Man tagte
weitgehend geschlossen . Die Kommission legt ein Er-
gebnis vor, und nun wundern Sie sich, dass dieses Ergeb-
nis nicht von allen begrüßt wird .

Mit Ihrem Antrag droht eine Wiederholung des unwür-
digen Schauspiels, das ich am Anfang skizziert habe . Es
ist, als würde jemand mit besonders schwarzem Humor
auf einen Resetknopf drücken, und alles passiert noch
einmal . Wir haben ein nahezu einstimmig beschlossenes
Ergebnis der Expertenkommission, und Sie sagen: Die-
ses Ergebnis legen wir zur Seite . In dieser Wahlperiode
passiert gar nichts mehr . In der nächsten Wahlperiode –
wer dann hier auch immer eine Koalition bildet und was
der Bundestag dann auch immer macht – wird vielleicht
noch einmal darüber diskutiert .

Besonders absurd finde ich die Idee, dass die Feder-
führung für diesen Vorschlag nicht mehr der Bundestag
haben soll, sondern die Stasi-Unterlagen-Behörde selbst .
Es ist eine sehr interessante Idee, dass eine Behörde sich
selbst reformieren soll . Absurder geht es kaum .


(Beifall bei der LINKEN)


Warum haben Sie die Expertenkommission eigentlich
überhaupt eingerichtet? Das ist ja nett, hier den Expertin-
nen und Experten zu danken, wenn man gleichzeitig ihre
Vorschläge einer Beerdigung erster Klasse übergibt . Der
Kommissionsvorsitzende, Professor Böhmer, hat das ja
schon gesagt: Das sei ja nicht das erste Mal, dass man für
den Papierkorb arbeite .

Ich finde es schade, dass Sie die vielen guten Vorschlä-
ge aus dieser Kommission einfach zu den Akten legen .
Ich möchte Professor Böhmer, Professor Schröder, Frau
Professor Satjukow und allen anderen, die dort mitgear-
beitet haben, ganz herzlich danken und sagen, dass wir
ihre Vorschläge sehr ernst nehmen .


(Beifall bei der LINKEN)


Selbst wenn Sie sagen, die SED-Opfer seien dagegen,
stimmt das ja so nicht . SED-Opfer – Surprise, Surprise! –
haben unterschiedliche Auffassungen . Ein prominentes
SED-Opfer, nämlich der Leiter der Stasi-Unterlagen-Be-
hörde, Roland Jahn, hat selbst gesagt, dass die Vorschlä-
ge eine solide Grundlage für die parlamentarische Arbeit
sind .

Vielleich haben Sie gehört, was heute früh unser ehe-
maliger Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gesagt
hat:

Marco Wanderwitz






(A) (C)



(B) (D)


Wenn das jetzt in den Papierkorb geworfen wird
oder in die Schublade und auf den Sankt-Nimmer-
leins-Tag verschoben wird, dann ist das traurig,
traurig, traurig .

Da hat Wolfgang Thierse einfach recht .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Apropos Roland Jahn: Roland Jahn ist beim letzten
Mal auch mit Stimmen aus unserer Fraktion gewählt
worden . Das wird diesmal auch der Fall sein . Er hat sich
sehr engagiert für die Opfer eingesetzt . Es gibt auch Kri-
tik . So ist das, wenn man arbeitet . Wir fanden die Priori-
tätensetzung bei der Auseinandersetzung mit den Wach-
schützern mit Stasivergangenheit nicht die geeignetste .
Aber so ist das: Wer arbeitet, setzt sich auch Kritik aus .

Ich möchte abschließend Roland Jahn für seine Arbeit
in den letzten Jahren danken und Ihnen für die Aufmerk-
samkeit . Ich hoffe, dass einige hier im Hause auch in der
nächsten Wahlperiode weiter daran arbeiten werden, dass
die Vorschläge der Expertenkommission nicht in Verges-
senheit geraten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817616300

Vielen Dank, Kollege Liebich . – Dürfte ich das werte

Haus darauf hinweisen, dass wir in einer Debatte sind
und noch nicht bei der Wahl des Beauftragten für die
Stasiunterlagen? Bei der Debatte bietet es sich an, den
Rednern und Rednerinnen zuzuhören . Also, ich bitte Sie
herzlich, Gespräche draußen zu führen und ansonsten
Platz zu nehmen, um den zwei Kollegen, die noch das
Wort zu dieser Debatte haben werden, zuzuhören .

In diesem Sinne – ich meine es ernst – gebe ich
Siegmund Ehrmann für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Siegmund Ehrmann (SPD):
Rede ID: ID1817616400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!
Lassen Sie mich persönlich anmerken: Seit 1990 haben
sich in meiner Fraktion mit dem Thema „Aufarbeitung
der SED-Diktatur“ federführend vornehmlich Kolle-
ginnen und Kollegen befasst, die aus Ostdeutschland
stammten . Bei mir, als dem heute zuständigen Bericht-
erstatter, ist das anders . Ich komme aus NRW . Trotzdem
kenne ich durch vielfältige private, aber auch familiäre
Bezüge – private insbesondere zu Gleichaltrigen aus der
Jungen Gemeinde – viele Menschen und Lebensbiogra-
fien, die von SED- und Stasiunrecht geprägt, zum Teil
auch gebrochen wurden .

Die Aufarbeitung der SED-Diktatur ist kein Ostthema .
Es ist ein Thema für alle in unserem Land, und es ist auch
mein persönliches Thema .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
Antrag . Es mutet in der Tat merkwürdig an, dass wir da-
rin etwas beteuern, das wir selbst nie in Zweifel gezogen
haben . Ja, die Aufarbeitung der SED-Diktatur bleibt eine
Daueraufgabe . Ja, der Aktenzugang für die Bürgerinnen
und Bürger – insbesondere für die Opfer – sowie für For-
schung, Bildung und Medien bleibt garantiert .

Dass wir die Expertenkommission eingesetzt haben,
die jetzt Ergebnisse vorgelegt hat, hat nichts mit einem
Schlussstrich, dem Ende der Aufarbeitung oder einem
Schlag ins Gesicht der Opfer zu tun . Über das Ob der
Aufarbeitung bestand zu keiner Zeit Zweifel . Die Kern-
frage lautete aber, wie wir es besser machen können, hat-
te doch die Stasi-Unterlagen-Behörde als Sonderbehörde
nie eine Ewigkeitsgarantie . Ihre Stellenausstattung ist
in all den Jahren von insgesamt 3 400 Beschäftigten auf
1 600 Stellen zurückgegangen .

Seit mehr als zehn Jahren – nicht erst seit 2008 – wird
um den richtigen Ansatz einer verbesserten Arbeit bei der
Auskunftserteilung im Archiv und in den Außenstellen
sowie in der Forschung und der historisch-politischen
Bildung gerungen . Ich erinnere an die heftige Kontrover-
se um die Ergebnisse der noch von Rot-Grün eingesetz-
ten sogenannten Sabrow-Kommission im Jahre 2006 .

Im Gedenkstättenkonzept 2008 – darauf wurde ver-
wiesen – fixierte die Bundesregierung ausdrücklich die
BStU als zeitlich begrenzte Institution und hoffte auf
die kommende Legislaturperiode, in der eine dann ein-
zurichtende Expertenkommission Handlungsempfehlun-
gen erarbeiten sollte . Die schwarz-gelbe Koalition hat
sich das im Koalitionsvertrag vorgenommen; sie kam
allerdings nicht an den Start . Wir haben das dann in der
zweiten Großen Koalition ab 2013 ebenfalls vereinbart
und diese Expertenkommission eingesetzt .

Die von der Kommission mit 13:1 beschlossenen
Handlungsempfehlungen kennen wir seit dem 12 . April
2016, als die Kommission dem Bundestagspräsidenten
ihre Ergebnisse überreichte . Auch ich will der Experten-
kommission für die anderthalb Jahre währende anstren-
gende, auf Konsens zielende Arbeit ausdrücklich danken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wem bewusst ist – damit möchte ich auf Herrn Liebich
eingehen – welche Kontroversen Akteure, die jetzt mit-
gearbeitet haben, sich vor zehn Jahren geliefert haben,
weiß: Sie waren meilenweit auseinander . Von daher ist
es ein guter Weg, in einem nichtöffentlichen Verfahren,
gleichzeitig aber auch bei Anhörung aller Beteiligten ei-
nen Weg zu finden. Es ist unter der Leitung von Professor
Böhmer und Professor Schröder gelungen, sich anzunä-
hern . Deshalb sind diese Handlungsempfehlungen nach
wie vor ein wichtiger Meilenstein und Maßstab . Wir mei-
nen, dass diese Arbeit weiter aufgegriffen werden muss .
Wir müssen uns auf sie stützen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das erfordert allerdings – diese Kritik lasse ich durch-
aus auch gegenüber der Koalition gelten –, dass wir uns
mit den Handlungsempfehlungen seriös auseinander-
setzen und das Für und Wider abwägen . Der Kulturaus-

Stefan Liebich






(A) (C)



(B) (D)


schuss hat das in einem öffentlichen Fachgespräch Ende
April gemacht . Wie nicht anders zu erwarten – das muss-
te sein –, sind die bekannten Kontroversen noch einmal
zutage getreten . Ich habe dort im Kern nichts Neues ge-
hört .

Jetzt wäre es an der Zeit gewesen, die Kommissions-
empfehlungen in der Koalition und im Parlament insge-
samt zu bewerten, selbstverständlich unter Einbeziehung
der kritischen Stimmen . Schließlich hatten wir uns im
Einsetzungsbeschluss darauf verständigt, noch in dieser
Wahlperiode zu belastbaren Ergebnissen zu kommen . Sie
finden sich letztendlich im Bundesgesetzblatt wieder.

Meine Damen und Herren, ich will und kann nicht
verhehlen, dass es auch in meiner Fraktion und in meiner
Partei kritische Stimmen zu den Kommissionsempfeh-
lungen gibt . Natürlich gibt es Diskussionsbedarf . Aber
überhaupt keine Debatte zu führen, ist wenig souverän
und dient nicht der Sache .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für meine Fraktion sind die Vorschläge der Experten-
kommission beileibe nicht vom Tisch .

Da wir nun allerdings feststellen müssen, dass wir bei
der Reform der BStU in dieser Legislaturperiode nicht
entscheidend weiterkommen, muss an der Spitze der
BStU Klarheit geschaffen werden . Deshalb steht gleich
die Wahl von Herrn Jahn als Bundesbeauftragter an . – Ich
begrüße Herrn Jahn hier im Saal . Meine Fraktion wird
ihn unterstützen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817616500

Entschuldigung . – Darf ich die Kollegen noch einmal

bitten, den Kollegen Ehrmann zu Wort kommen zu las-
sen? Er hat nämlich das Wort . Das meine ich wirklich
ernst . Ich bitte die Kollegen hinten im Saal, ihre Gesprä-
che einzustellen oder draußen zu führen . Es ist absolut
nicht angemessen, dass man in dieser Debatte so da-
zwischenredet, dass sogar wir hier im Präsidium Herrn
Ehrmann kaum verstehen . Bitte hören Sie ihm zu genau-
so wie dem letzten Kollegen, der in dieser wichtigen De-
batte redet .


(Beifall)


So, Siggi Ehrmann, weiter geht’s .


Siegmund Ehrmann (SPD):
Rede ID: ID1817616600

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und

Kollegen, in der Tat ist die Geschichte des Stasi-Unter-
lagen-Gesetzes die Geschichte eines Gesetzes aus dem
Parlament heraus . Alle Veränderungen und Ziele wurden
gemeinsam erarbeitet und weitestgehend im Konsens
erreicht . Wir setzen mit dem Antrag, der Ihnen vorliegt,
nun auf einen anderen Weg, nämlich auf den Transforma-
tionsprozess aus dem Amt heraus, indem der Beauftragte
für die Stasiunterlagen gemeinsam mit dem Präsidenten
des Bundesarchivs den Übergang der Stasiunterlagenak-

ten in das Bundesarchiv vorbereitet . Die Ziele, an denen
sich die BStU und das Bundesarchiv bei der Entwicklung
eines gemeinsamen Konzepts orientieren sollen, haben
wir in diesem Antrag fixiert. Die konkrete Ausgestaltung
sollte sich an den Handlungsempfehlungen der Experten-
kommission orientieren .

Ich werbe nachdrücklich dafür, dass wir uns weiterhin
mit den Kommissionempfehlungen auseinandersetzen .
Dann wären diese nicht für den Papierkorb gewesen .

Zum Schluss noch eine grundlegende Bemerkung .
Die Aufarbeitung der SED-Diktatur umfasst mehr als die
Themen Ministerium für Staatssicherheit und BStU . Die
SED verantwortete den durchherrschten Alltag . Die Wir-
kungsmechanismen kommunistischer Systeme und ihre
Transformation vergleichend zu erforschen und für die
politische Bildung zu erschließen, steht auch mit Verweis
auf ein Jubiläum an, mit dem wir uns im Jahre 2017 be-
fassen werden, nämlich der Oktoberrevolution . Lassen
Sie uns auch hierüber in einen Dialog eintreten .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817616700

Vielen Dank, Siegmund Ehrmann . – Der letzte Redner

in dieser Debatte: Dr . Harald Terpe für die Grünen . Auch
er hat das Recht, dass ihm zugehört wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817616800

Frau Präsidentin! Liebe Gäste, insbesondere Herr

Dombrowski und Herr Jahn! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich will gleich am Anfang keinen Hehl daraus
machen, dass ich über den vorgelegten Antrag enttäuscht
bin . Ich bin in erster Linie enttäuscht darüber, dass von
dem bisherigen Weg Abstand genommen wird, nach
überfraktioneller Diskussion gemeinsam Anträge zur
Thematik Stasi-Unterlagen-Gesetz zu erarbeiten . Von
diesem Weg wird nun abgewichen . Das halte ich für ein
schlechtes Signal,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


für ein schlechtes Signal an die Opferverbände und die
Kollegenschaft des Bundestages sowohl in dieser als
auch in der nächsten Legislaturperiode . Wenn wir das
bisherige Verfahren nicht fortsetzen, spalten wir uns auf .
Das ist nicht gut .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nun zum Antrag . Warum ist es notwendig, dass man
gemeinsam versucht, einen solchen Antrag zu erarbei-
ten? Weil der vorliegende Antrag Schwächen hat . Herr
Ehrmann hat am Ende seiner Rede auf diese Schwächen
hingewiesen . Sie wollen aus dem Amt heraus transfor-
mieren und geben dem Bundesbeauftragten einen Antrag
an die Hand, der hinter bestimmten Empfehlungen – auch
der Expertenkommission – zurücksteht . Wie soll denn
so eine Transformation geschehen? Da gebe ich Herrn

Siegmund Ehrmann






(A) (C)



(B) (D)


Liebich recht, der sagt, dass das Parlament diese beglei-
ten muss, und zwar noch in dieser Legislaturperiode .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben doch den Schwung mit der Einsetzung der
Expertenkommission aufgenommen . Wir haben bereits
diskutiert, wir alle haben Fachkompetenz erworben . Die
sollten wir jetzt nutzen, um zumindest in dieser Legisla-
turperiode schon bestimmte Handlungsempfehlungen zu
geben und Konzepte zu fordern und die Transformation
schon in dieser Legislaturperiode einzuleiten .

Da geht es beispielsweise auch um Gelder, die man
dringend braucht, um die Archivierung zu verbessern .
Das sind doch Maßnahmen, über die wir in dieser Le-
gislaturperiode bereits entscheiden können . Wissen Sie
denn, aus welchen Abgeordneten sich das Parlament in
der nächsten Legislaturperiode zusammensetzt, die sich
wieder einarbeiten müssen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann dauert es zwei oder drei Jahre, und die Akten faulen
vor sich hin . Es ist doch leeres Gerede, zu sagen: „Wir
wollen die Akten im Gesamtbestand erhalten“, wenn sie
uns sozusagen unter dem Hintern wegfaulen . Ich war in
allen Außenstellen und war – das habe ich mir sagen las-
sen – der Einzige, der sich das überall angeschaut hat,
überall . Das ist mein Eindruck gewesen .

Jetzt möchte ich zu den Punkten unter I . kommen .
Natürlich brauchen wir einen dauerhaften Erhalt des
Gesamtbestandes . Aber wo ist unsere gemeinsame An-
regung geblieben, diese Aktenbestände auch dezentral
zur Verfügung zu stellen? Sind wir davon jetzt abgekom-
men? Wie soll denn jetzt gehandelt werden? Ich finde,
auch das bleibt hinter dem zurück, was wir bereits im
Einsetzungsbeschluss gesagt haben .

Ein weiteres Thema . Es geht um die Nutzung der Ak-
ten zur Forschung . Dazu sind vernünftige Vorschläge auf
den Tisch gelegt worden . Jetzt steht in dem Antrag, dass
die Stiftung Aufarbeitung im Wesentlichen für die For-
schung zuständig sein soll . Das ist vom Prinzip her nicht
verkehrt, aber wir müssen doch erkennen, dass bisher die
Unterlagenbehörde Forschungskapazitäten hatte . Was
wird denn mit diesen Forschungskapazitäten?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dabei geht es darum, dass man beispielsweise ein For-
schungsnetzwerk bildet, in das dezentrale Forschungs-
standorte, zum Beispiel unsere Universitäten, eingebaut
werden können und müssen .

Deswegen ist dieser Antrag stark verbesserungsfähig .
Eigentlich wünschte ich mir – jetzt dämpfe ich meine
Empathie ein bisschen – von Ihnen von der CDU/CSU
und auch der SPD: Wir haben heute über den Antrag dis-
kutiert; lassen Sie uns doch den Antrag im Verfahren be-
halten und noch einmal verbessern, damit wir verbesserte
Handlungsanweisungen auch für den Transformations-
prozess in der Unterlagenbehörde bekommen . Es wäre

ein Einfaches, ihn in den Ausschuss zu überweisen und
kurzfristig zu verbessern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817616900

Vielen Dank, Kollege Terpe .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun
zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Drucksache 18/8705 mit dem Titel „Die Aufarbeitung
der SED-Diktatur konsequent fortführen“ . Die Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD wünschen Abstimmung in
der Sache . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht
Überweisung an den Ausschuss für Kultur und Medien .

Wir stimmen nun nach ständiger Übung zuerst über
den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Deswegen
frage ich Sie: Wer stimmt für die beantragte Überwei-
sung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Überweisung ist abgelehnt . Zugestimmt haben Bünd-
nis 90/Die Grünen und die Linke, abgelehnt CDU/CSU
und SPD .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
auf Drucksache 18/8705 . Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Antrag ist angenommen . CDU/CSU und SPD haben zu-
gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke haben
dagegengestimmt .

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Wahl des Bundesbeauftragten für die Unterla-
gen des Staatssicherheitsdienstes der ehemali-
gen Deutschen Demokratischen Republik

Die Bundesregierung hat Herrn Roland Jahn vorge-
schlagen, den wir jetzt, nachdem er schon einzeln be-
grüßt worden ist, auch noch einmal auf der Besuchertri-
büne des Deutschen Bundestages begrüßen .


(Beifall)


Ich gebe Ihnen zunächst Hinweise zum Wahlverfah-
ren .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wunderbar!)


– Es wird sich lohnen, zuzuhören .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


– Ja, Herr Kauder, ich frage Sie nachher ab, ob Sie es
verstanden haben .

Nach § 35 Absatz 2 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
wird der Bundesbeauftragte auf Vorschlag der Bundes-
regierung vom Deutschen Bundestag mit mehr als der
Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder gewählt .
Zur Wahl sind also mindestens 316 Stimmen erforder-
lich .

Die blauen Stimmkarten für die Wahl wurden verteilt .
Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben, besteht jetzt
noch die Möglichkeit, diese von den Parlamentsassisten-
ten oder Parlamentsassistentinnen zu erhalten . Außer-
dem benötigen Sie Ihren blauen Wahlausweis aus Ihrem
Stammkartenfach . Bitte achten Sie unbedingt darauf,

Dr. Harald Terpe






(A) (C)



(B) (D)


dass der Wahlausweis auch wirklich Ihren Namen trägt .
Es wäre schlecht, wenn es anders wäre. Die Wahl findet
offen statt . Sie können die Stimmkarten also durchaus an
Ihrem Platz ankreuzen . Stimmkarten, die mehr als ein
Kreuz oder die gar kein Kreuz, andere Namen oder Zu-
sätze enthalten, sind ungültig .

Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen wer-
fen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis einer der
Schriftführerinnen oder einem der Schriftführer an den
Wahlurnen . Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl
kann nur durch Abgabe des Wahlausweises erbracht
werden . Die Schriftführerinnen und Schriftführer bit-
te ich, darauf zu achten, dass vor der Stimmabgabe der
Wahlausweis übergeben wird .

Jetzt bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen . – Sind alle Plätze
besetzt? – Das ist der Fall . Dann eröffne ich die Wahl .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf fragen: Ha-
ben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarte abgege-
ben? – Nein, das ist nicht der Fall .

Ich darf noch einmal fragen: Haben alle Mitglieder
des Hauses, auch die Schriftführer und Schriftführerin-
nen, ihre Stimmkarte abgegeben? Kann ich entsprechen-
de Zeichen bekommen? – Gut . Offenbar haben alle ihre
Stimmkarte abgegeben . Dann schließe ich die Wahl und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Wahl wird
Ihnen später bekannt gegeben .1)

Um in der Tagesordnung weitermachen zu können,
bitte ich diejenigen, die beim nächsten Tagesordnungs-
punkt, dem Tagesordnungspunkt 11, nicht aktiv teilneh-
men wollen, den Raum möglichst schnell zu verlassen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Ulla Jelpke, Martina Renner,
Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE

Umfassendes Informations- und Transparenz-
gesetz schaffen

Drucksache 18/7709

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss Digitale Agenda

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache aber erst dann, wenn alle
die, die an dieser Debatte teilnehmen wollen, sich hin-
gesetzt und alle anderen den Raum verlassen haben . –
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Halina
Wawzyniak von der Linken .


(Beifall bei der LINKEN)


1) Ergebnis 17433 B


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817617000


Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Demokratie für alle ist, wenn alle hier lebenden
Menschen nicht nur ein Anhängsel des Staates und seiner
Verwaltung sind . Stattdessen sollen der Staat und seine
Verwaltung alle notwendigen Voraussetzungen dafür
schaffen, dass die Bürgerinnen und Bürger all jene Infor-
mationen erhalten, auf deren Grundlage sie die Gesell-
schaft mitgestalten können .

Die Menschen haben ein Recht darauf, Politik und
Verwaltung zu kontrollieren . Dieses Recht können sie
nur wahrnehmen, wenn sie ausreichend informiert sind
und jederzeit die Informationen erhalten können, die sie
für die Ausübung des Rechts brauchen .

2005 wurde, um genau das zu erreichen, ein Schritt in
die richtige Richtung getan . Aber das damals beschlosse-
ne Informationsfreiheitsgesetz reicht nicht aus . Es baut
zu viele Hürden auf, um das gegebene Versprechen zu
halten . Zwar ist der Zugang zu Informationen erleichtert
worden, aber mit der Gebührenpflicht ist dieser Zugang
nicht voraussetzungslos und somit auch nicht allgemein .
Zugleich haben die vielen Ausnahmeregelungen zahlrei-
che Möglichkeiten eröffnet, den Menschen, die Auskünf-
te haben wollen, die Herausgabe dieser Informationen zu
verweigern .

Ein Mindestmaß an Transparenz – darüber waren wir
uns 2005 mehrheitlich einig – ist notwendige Vorausset-
zung für Demokratie . Gut zehn Jahre später sage ich: Nur
ein Höchstmaß an Transparenz wird uns ermöglichen,
die Demokratie zu demokratisieren und vor Anfeindun-
gen und Angriffen zu schützen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da geht es nicht an, dass die Bürgerin und der Bürger
um Auskunft über wichtige öffentliche Angelegenheiten
ersuchen müssen . Es geht nicht an, dass die Menschen
hierzulande Bittsteller sind, wenn sie wissen wollen,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo das SED-Vermögen ist, wollen wir wissen!)


was in den Parlamenten auf kommunaler, Landes- und
Bundesebene jenseits öffentlicher Sitzungen beraten
wird . Es geht nicht an, wenn Entscheidungshintergründe,
Protokolle, Gutachten, Kalkulationen, Planungsberichte
oder Informationen aus öffentlichen Verwaltungen nur
auf Anfrage und gegen Gebühren zu erhalten sind .


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist nicht zeitgemäß und es schadet der Demokratie,
wenn Auskunftsbegehren massenhaft mit der Begrün-
dung, hier wiege der Schutz öffentlicher Belange oder
der von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen stärker als
das Interesse der Bürgerin oder des Bürgers, abgelehnt
werden . Genau diese Berufungsmöglichkeiten im Rah-
men des Informationsfreiheitsgesetzes sind in der Ver-
gangenheit weidlich ausgenutzt worden – zulasten der

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Bürgerinnen und Bürger . Das darf so nicht stehen blei-
ben, es muss geändert werden .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der freie Zugang zu Informationen ist nicht nur not-
wendig für Mitbestimmung und Mitgestaltung, sondern
er ist ebenso notwendig für den Erhalt der Pressefreiheit .
Der freie Zugang zu Informationen kann dazu beitragen,
dass sich wieder mehr Menschen in die Gesellschaft ein-
bringen . Er kann dazu beitragen, dass Verwaltungen re-
formiert und weniger Steuergelder verschwendet werden .
Er kann die Kluft zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf
der einen Seite, Politik, Behörden und Verwaltungen auf
der anderen Seite verkleinern . In den vergangenen Jah-
ren ist diese Kluft leider größer geworden . 2010 hat der
damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit, Peter Schaar, kritisiert:

Ich stelle fest, dass wir weit entfernt sind von einer
Kultur der Offenheit .

Behörden legten eine grundlegende Haltung gegen die
Herausgabe von Informationen an den Tag, sagte er . Das
ist auch sechs Jahre später noch immer nicht die Ausnah-
me und kommt viel zu häufig vor.

Wir fordern nun mit unserem Antrag die Bundesre-
gierung auf, den Entwurf für ein umfassendes Informa-
tionsfreiheits- und Transparenzgesetz vorzulegen . Wir
wollen einen Vorschlag, der geeignet ist, das geltende
Gesetz mit dem Umweltinformationsgesetz und dem
Verbraucherinformationsgesetz zu vereinen . Wir wollen,
dass der anfrageorientierte Ansatz um eine proaktive In-
formationspolitik ergänzt wird – das heißt, proaktiv sol-
len Daten eingestellt werden – und dass sich dieser an
den Open-Data-Prinzipien orientiert: Gebührenfreiheit,
Barrierefreiheit, Weiterverbreitung und Möglichkeit zur
freien Weiterverwendung . Es muss möglich sein, die
öffentlich zugänglich gemachten Daten auch für andere
nutzbar zu machen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir lassen das Argument, das sicherlich kommen
wird, infolge eines solchen Informationsfreiheitsgeset-
zes würden Behörden unzumutbar belastet, nicht gelten .
Die proaktive Informationsbereitstellung vermindert im
Gegenteil die Anzahl der Anträge . Und jenen, die jetzt
behaupten, die Behörden seien doch auch ohne ein sol-
ches Gesetz so unglaublich transparent, entgegnen wir:
Dann schadet es auch nicht, das in ein Gesetz zu schrei-
ben . Wir wissen allerdings, dass es bis zu diesem Punkt,
an dem wir wirklich Transparenz haben, noch ein weites
Stück Weg ist . Wir wollen mit unserem Antrag für ein
umfassendes Informationsfreiheits- und Transparenzge-
setz diesen Weg verkürzen, weil wir finden, ein solches
Gesetz wäre ein Beitrag zu mehr Demokratie für alle .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817617100

Vielen Dank, Kollegin Wawzyniak . – Nächster Redner

in der Debatte: Marian Wendt für die CDU/CSU-Frakti-
on .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Mann hat heute Geburtstag!)


– Er hat Geburtstag?


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Steht im Kürschner!)


Wollen Sie singen? – Dann wünschen wir Ihnen von gan-
zem Herzen alles Gute zum Geburtstag .


(Beifall)



Marian Wendt (CDU):
Rede ID: ID1817617200

Vielen Dank, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und

Kollegen, für die Geburtstagsgrüße . Was gibt es Schö-
neres, als an so einem Tag über offene Daten, über Open
Data, zu sprechen?


(Heiterkeit)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817617300

Da fällt mir schon etwas ein . Aber das ist etwas ande-

res . – Entschuldigen Sie .


Marian Wendt (CDU):
Rede ID: ID1817617400

Zum Thema . „Wasch mir den Pelz, aber mach mich

nicht nass!“ So klingt es, wenn Sie als Linkspartei den
Zielkonflikt zwischen Datenschutz und Informationsfrei-
heit betrachten . Sie fordern stets mehr, mehr und mehr
beim Datenschutz, ganz egal, ob sinnvoll oder nicht . Da-
mit wollen Sie möglichst jede Verarbeitung von Daten,
auch anonymisierter oder pseudonymisierter, unmöglich
machen . Das geht aber nicht Hand in Hand mit Ihrer For-
derung, wie im Antrag, nach völliger Offenlegung aller
Informationen .

Zum konkreten Antrag . Ihr Antrag ist abzulehnen;
denn Sie gehen grundsätzlich von zwei falschen Prämis-
sen aus .

Erstens ist das Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes
keine Recherchevergünstigung . Zielsetzung ist es, das
Verwaltungshandeln des Bundes transparenter zu gestal-
ten, indem ein Zugang zu amtlichen Informationen ge-
schaffen wird . Sie beschreiben es hier als ein zentrales
Problem, dass die im Gesetz vorgesehenen Anfragen an
Behörden zu teuer seien . Dem ist im Informationsfrei-
heitsgesetz schon Genüge getan . Einfache Auskünfte
werden dem Gesetzestext nach ohnehin nicht in Rech-
nung gestellt . Die entsprechende Rechtsverordnung dazu
sieht vor, dass aus Gründen der Billigkeit Gebühren er-
lassen oder ermäßigt werden können . Hiervon wird auch
Gebrauch gemacht .

Zum Zweiten geht es Ihnen um die Ausnahmetatbe-
stände, wenn Informationen geliefert werden sollen . Der
Staat ist aus unserer Sicht nicht mehr der ferne Verwalter
und Entscheider mit Herrschaftswissen, sondern er muss
grundsätzlich Verwaltungsinformationen öffentlich zur
Verfügung stellen . Die Entscheidungsgrundlagen sollen

Halina Wawzyniak






(A) (C)



(B) (D)


öffentlich, transparent und nachvollziehbar sein . Nur
in Ausnahmefällen, nämlich wenn berechtigte Gründe
dagegen stehen, wie beispielsweise Fragen der inneren
Sicherheit oder der Schutz persönlicher Daten, müssen
diese nicht öffentlich sein . Aber das ist bisher auch im
Informationsfreiheitsgesetz so festgelegt . § 3 des IFG
nennt den Schutz öffentlicher Belange, darunter sicher-
heitsempfindliche Informationen. § 5 IFG schützt die
personenbezogenen Daten . Über diesen Datenschutz
müssen wir gar nicht diskutieren . § 6 IFG schützt geisti-
ges Eigentum . Eine Aufhebung käme sonst einer teilwei-
sen Enteignung und einem Markteingriff gleich .

Diese Einschränkungen sind nichts Besonderes . Sie
sind für die Sicherheit unseres Landes und den Schutz
persönlicher Daten absolut notwendig . Länder mit sehr
viel offenerer Informationspolitik, die Sie und auch ich
als Vorbild im Bereich Open Data nehmen, haben ähn-
liche oder noch weitreichendere Einschränkungen, wie
beispielsweise Großbritannien .

Ihre beiden Hauptkritikpunkte am Informationsfrei-
heitsgesetz in der bestehenden Form gehen also fehl . Of-
fene Daten und Informationsfreiheit – um den Ball einmal
aufzugreifen und über den Tellerrand zu schauen – sind
für uns, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wichtige Zu-
kunftsthemen . Endlich gibt es eine Technologie, mit der
sich der berechtigte Anspruch der Menschen nach Trans-
parenz erfüllen lässt . Endlich gibt es eine Technologie,
mit der sich die Datenberge, die unsere Verwaltungen in
aller Gründlichkeit sammeln, in Wertschöpfung und so-
mit in eine Mehrung des Wohlstandes umwandeln lassen .
Bisher waren Kosten und Aufwand für Sammlung und
Bereitstellung dieser Daten astronomisch hoch . Für die
Nichtöffentlichkeit von Verwaltungsinformationen war
das ein ganz praktischer Grund . Das ist vorbei .

Es gibt in Deutschland große Datensätze, die äußerst
vielversprechend sind, wie zum Beispiel die Daten der
Maut, die innovative Unternehmen für intelligente Ver-
kehrssteuerung nutzen könnten . Das ist zum Beispiel
wichtig für das autonome Fahren oder für den Abbau
von Staus . Diese bereits jetzt viel genutzten Geodaten
sind ein wahrer echter Schatz, den wir haben . Die Of-
fenlegung dieser Daten birgt ein hohes Potenzial für den
Breitbandausbau . Wer weiß, wann und wo die Straße auf-
gemacht wird, der kann auch gleich ein Glasfaserkabel
einbuddeln lassen . Dies spart eine Menge Geld .

Meine Damen und Herren, den Wert offener Daten ha-
ben die Bundesregierung und die CDU/CSU-Fraktion er-
kannt . Mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung
der Open-Data-Charta der G-8-Staaten ist das entspre-
chend aufgegriffen . Die fünf wichtigsten Punkte lassen
Sie mich hier einmal zusammenfassen . Wir brauchen
eine Kultur standardmäßig offener Daten . Diese sollten
in hoher Qualität und Quantität zur Verfügung stehen . Sie
sollten von allen nach einheitlichen Maßstäben verwend-
bar sein . Davon erwarten wir ein besseres staatliches
Handeln und vor allem wirtschaftliche Innovationen .

Bezeichnend zum letzten Punkt finde ich, dass Sie
auf denjenigen Nutzen für die Menschen nicht einge-
hen, der sich durch die wirtschaftliche Verwaltung die-
ser Daten ergibt . Der genannte Punkt der Transparenz ist

aber wichtig . Sie ist eine der Grundlagen demokratischer
Staatsformen . Aber mit dieser Transparenz kann man zu-
sätzlich noch etwas befeuern . In unserem Land mit sei-
nem hohen Innovationspotenzial kann sie dafür sorgen,
dass Menschen in Arbeit kommen und es uns allen bes-
ser geht . Das ist ein Umstand, den man nicht ignorieren
kann . Das Potenzial, das Open Data hier birgt, ist uner-
messlich hoch und übertrifft regelmäßig die geltenden
Erwartungen .

Vermeintlich wenig interessante Informationen, auch
solche, die unter Transparenzgesichtspunkten sogar irre-
levant scheinen, können höchsten Nutzen stiften, so zum
Beispiel die Lage aller öffentlichen Toiletten in Wien .
Für sich gesehen ist es eine recht langweilige Liste, aber
in der richtigen App


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber wenn man mal pinkeln muss!)


ist es eine höchst wertvolle Information für jeden Gast
einer Stadt . Das ist vielleicht gerade der Vorteil bei Open
Data: die Unvorhersehbarkeit . Die Frage ist: Wo hat je-
mand eine Idee und kann vielleicht zur Verfügung ge-
stellte anonymisierte und pseudonymisierte Daten nut-
zen?

Datengetriebene Innovation hat in Neuseeland einen
drastischen Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum
geleistet . Die neuseeländische Regierung spricht von
3 Milliarden Euro an zusätzlicher Wertschöpfung bei
Dienstleistungen und in der Produktion in den kommen-
den fünf Jahren . Deutschland hat etwa die 20-fache Wirt-
schaftsleistung . Das Potenzial ist also immens .

Andere Länder erkennen das auch und fangen bereits
an – bzw . sind schon mittendrin –, die Daten nutzbar zu
machen . Großbritannien hat eine umfassende Kampagne
gestartet, die Erfolge zeigt . Meine Kollegen aus dem Be-
reich Digitale Agenda und ich haben dazu vor kurzem
Gespräche mit britischen Vertretern von data .gov .uk ge-
führt . Auch das ist eine beeindruckende Geschichte und
sicherlich ein Vorbild . Taiwan, Dänemark und Finnland
sind weitere Länder, die auf Open Data setzen und hier
Erfolge vorweisen können .

Der angestrebte Beitritt zur Open Government Part-
nership, den die Bundesregierung angekündigt hat, of-
fenbart ihren Willen und die Überzeugung, dass es in
diesem Bereich weitergehen muss und weitergehen wird .
Ich bin zuversichtlich, dass uns das Thema Informations-
freiheit weiter begleiten wird, beispielsweise


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Anträge der Linken!)


im Zusammenhang mit einem Open-Data-Gesetz, mit
dem wir eine starke Basis für Innovation schaffen wol-
len . Die hat auch der CDU-Bundesvorstand in seiner
Mainzer Erklärung entsprechend formuliert .

Wir werden auch in Zukunft in diesem Hause viel
darüber debattieren, wie Open Data und die Informati-
onsfreiheit auszugestalten sind und wie wir vor allem die
entsprechenden Maßnahmen zügig umsetzen können .
Ich hoffe auch, dass wir darüber sprechen werden, wel-

Marian Wendt






(A) (C)



(B) (D)


chen Nutzen die Menschen, also wir alle, daraus schöp-
fen können . Dafür werden wir uns gemeinsam starkma-
chen . Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und Ihre
Unterstützung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sebastian Hartmann [SPD])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817617500

Vielen Dank, lieber Marian Wendt, und noch einen

schönen restlichen Geburtstag, mit oder ohne Daten –
wie Sie es am liebsten haben .

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich möchte Ihnen
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit-
telte Ergebnis der Wahl zum Bundesbeauftragten für
die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemali-
gen Deutschen Demokratischen Republik kundtun: abge-
gebene Stimmen 570, ungültige Stimmen keine, gültige
Stimmen 570; das ist ja logisch .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Eigentlich schon!)


– Eigentlich ist das logisch . – Mit Ja haben gestimmt
511 Abgeordnete,


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


mit Nein haben gestimmt 39 Abgeordnete, enthalten ha-
ben sich 201) . Herr Roland Jahn hat damit die erforderli-
che absolute Mehrheit deutlich erreicht . Er ist damit zum
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicher-
heitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik gewählt .

Wir gratulieren von Herzen, lieber Roland Jahn, und
wünschen viel Kraft für das wichtige Amt .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir kommen zurück zur Debatte . Der nächste Redner
in der Debatte: Dr . Konstantin von Notz für Bündnis 90/
Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebes Ge-
burtstagskind Marian Wendt, was irgendwie nicht geht,
ist, dass man hier minutenlang das Hohelied auf die In-
formationsfreiheit singt, aber jahrelang nichts macht . Das
ist hoch widersprüchlich . So geht es eben leider nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die von Rot-Grün vorangetriebene Informationsfrei-
heit ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte . Bürgerinnen
und Bürger haben seither die Möglichkeit, sich über Ver-

1) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 2

waltungshandeln und bei Behörden vorliegende Daten
und Informationen zu erkundigen . Das nützt der Nach-
vollziehbarkeit politischer Prozesse . Das erhöht ihre po-
litische Legitimation . Aber – und das ist der Status quo
seit bald 15 Jahren – klar ist: Die Weiterentwicklung des
bestehenden Informationsfreiheitsgesetzes von Bund
und Ländern ist seit langem überfällig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Fortentwicklung ist nicht nur notwendig, um den
bestehenden Flickenteppich unterschiedlichster Infor-
mationsfreiheitsgesetze auf Bundes- und Landesebene
zu vereinheitlichen . Sie ist auch nötig, da uns allen doch
eigentlich sehr klar ist, dass die bestehenden Regelun-
gen den eigentlichen Anforderungen an ein Land wie die
Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2016 nicht mehr
gerecht werden .

Die bestehenden Regelungen haben erkennbare Defi-
zite . So führt zum Beispiel die Tatsache, dass dem Schutz
von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen noch immer
ein höherer verfassungsrechtlicher Stellenwert einge-
räumt wird, dazu, dass die Informationsfreiheit selbst
sehr häufig nicht durchträgt und die Anfragen abschlägig
beschieden werden . Deswegen sage ich: Die bisherigen
Ausnahmeregelungen sind zu weit gefasst .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist nur ein Punkt . Nach all den Diskussionen, die
wir in den letzten Jahren hier geführt haben, müssen wir
die Informationsfreiheit ganz grundsätzlich weiterentwi-
ckeln und die enormen Chancen von Internet und Digi-
talisierung zur Vitalisierung unserer Demokratie und un-
seres Staates endlich nutzen . Das hat der Kollege Wendt
völlig zutreffend beschrieben, nur: Man muss eben auch
etwas machen .

Der Ansatz, die Informationsfreiheit um den Gedan-
ken von Open Data weiterzuentwickeln, ist nicht neu .
Wir müssen das Vorhaben nun endlich angehen; denn
gerade hier liegen die enormen wirtschaftlichen Potenzi-
ale, die durch die Bereitstellung der offenen Daten end-
lich freigesetzt werden können . Gerade deswegen ist es
so unverständlich, dass seit Jahren nichts passiert . Wir
haben das alles aufgeschrieben, auch in der En quete-
Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ . Ein
Handeln ist überfällig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das interessiert keinen mehr!)


Jetzt sagt die Bundesregierung: Man ist inzwischen
immerhin dem Open Government Partnership beigetre-
ten . Das ist großartig, aber eine völlige Selbstverständ-
lichkeit . Das haben wir sehr lange angemahnt . Das ist
kein entscheidender Schritt, um voranzukommen . Ob die
Versprechungen, die Sie im Koalitionsvertrag gemacht
haben, nämlich ein Open-Data-Gesetz auf den Weg zu
bringen, doch noch erfüllt werden? Wir haben angesichts
des Stillstands und der Probleme, die angesprochen wur-
den, starke Zweifel, dass das noch kommt . Das liegt na-

Marian Wendt






(A) (C)



(B) (D)


türlich auch daran, Herr Staatssekretär Krings, dass die
Verantwortung in Ihrem Ministerium liegt . Das Innenmi-
nisterium steht seit Jahren auf der Bremse; die SPD ist
ausnahmsweise einmal nicht schuld,


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wir sind doch nie schuld!)


sondern das Innenministerium .

Umso erstaunlicher ist, dass sich das Wirtschaftsministe-
rium diesen Bereich nicht zur Profilierung heraussucht;
denn die enormen Potenziale, die hier beschrieben wur-
den, sind da . Völlig ohne Not lässt sich Deutschland in
diesem wesentlichen Bereich der Digitalisierung interna-
tional den Rang ablaufen . Wir verlieren den Anschluss .
Das ist sehr unerfreulich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Derzeit sind es vor allen Dingen die Länder, die vo-
ranschreiten und das Thema weiter voranbringen . Sie
zeigen, dass wir ein zupackendes Vorgehen, eine echte
Open-Data-Strategie brauchen . Ein Herzstück einer sol-
chen Strategie wäre ein Gesetz, das endlich kommen
muss . Die Bundespolitik muss hier nachziehen, aber das
verweigern Sie seit vielen Jahren .

Von echtem Fortschritt sind wir weit entfernt . Deswe-
gen kann man nur sagen: Es ist gut, dass die Linke dieses
Thema heute setzt, wie ich übrigens auch gut finde, dass
es heute diesen Themenschwerpunkt gibt . Das ist ein gu-
tes parlamentarisches Zeichen . Vielen Dank dafür .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Vieles – das ist mein letzter Punkt –, was Sie von
der Linken in Ihrem Antrag fordern, ist nicht gänzlich
neu . Wir Grüne haben im Jahr 2010 – übrigens haben
wir schon vor sechs Jahren über ein Open-Source-Betei-
ligungstool diskutiert – eine sogenannte grüne Transpa-
renzoffensive gestartet . Seitdem liegen unsere Vorschlä-
ge dazu vor . Deswegen kann ich in Richtung GroKo nur
sagen: Sollten Sie hier tatsächlich noch handeln wollen,
dann wissen Sie uns, aber vor allen Dingen auch eine ex-
trem engagierte Zivilgesellschaft, die Open Knowledge
Foundation – das sind die Macherinnen und Macher von
„Frag Den Staat“ – und die Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit an Ihrer Seite .
Handeln Sie endlich!

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817617600


Vielen Dank, Konstantin von Notz . – Der nächste
Redner: Sebastian Hartmann für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1817617700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege
Wendt, zu Ihrem Geburtstag .

Wenn der Freiheitsbegriff nicht entleert werden soll,
muß er – die parlamentarische Demokratie ergän-
zend – seine Konkretisierung nicht nur in den In-
stitutionen des Staates, sondern auch vor Ort und in
den Unternehmen finden ... Nicht in bürokratischen
Wucherungen und in der Machtvollkommenheit
von Apparaten kann die Zukunft liegen, sondern sie
muß liegen in der Mitentscheidung der Arbeitenden,
der Verbraucher, zumal der Gemeindebürger .

Willy Brandt schloss 1987 seine Redepassage mit:

. . . im Zweifel für die Freiheit!

Meine Damen und Herren, diese Maßgabe, sehr pro-
phetisch vorgetragen 1987, hilft uns, in der aktuellen
Fragestellung das Verhältnis zwischen Staat und Gesell-
schaft, zwischen den Bürgern und dem Staat auszutari-
eren .

Herr Kollege von Notz, auch Sie haben einen Blick
in die Vergangenheit geworfen und auf Ihre Ansätze
verwiesen . Wir können noch weiter zurückblicken . An
dieser Stelle ergänze ich die Ausführungen der Kollegin
der Linken: Sie verlangen mit Ihrem Antrag die Vorlage
eines Gesetzentwurfs und greifen dabei auf das zurück,
was die SPD-Bundestagsfraktion schon in der letzten Le-
gislaturperiode gefordert hat .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Es war nicht alles schlecht!)


– Nicht alles war schlecht .


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Sehr gut war das!)


Damals haben wir den Entwurf eines umfassenden Infor-
mationsfreiheits- und Transparenzgesetzes eingebracht .
Wir können uns an dieser Linie gut orientieren . Wir wür-
den in bestimmten Punkten natürlich gerne weitergehen .
Wir glauben, dass es für unsere Gemeinschaft und den
Industriestaat Deutschland eine große Chance ist, mit
Daten anders umzugehen . Die Zurverfügungstellung von
Daten wird uns helfen, voranzukommen . Deswegen freu-
en wir uns, dass Sie sich auf unseren Gesetzentwurf aus
dem Jahr 2013 bezogen haben, dass Sie ihn noch einmal
aufrufen .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Ich kann Ihnen versichern: Die SPD wird nicht hinter das
zurückgehen, was sie damals gefordert hat . Das ist unse-
re Linie, und das bleibt unsere Linie .

Ich möchte auf die grundlegende Bedeutung des
Open-Data-Ansatzes eingehen . Wir leben heute in einer
Informationsgesellschaft . Dementsprechend müssen wir
als Gemeinschaft Daten verfügbar machen . Es geht da-
rum, dass diese Daten dem Bürger einfach zur Verfügung
gestellt werden . Daher versprechen wir uns einen proak-
tiven Ansatz . Wir zeigen auf, welche Daten vorhanden

Dr. Konstantin von Notz






(A) (C)



(B) (D)


sind . Die Lkw-Maut ist eben angesprochen worden . Als
Mitglied des Verkehrsausschusses kann ich sagen: Auch
diesbezüglich hat die Große Koalition nicht zuletzt auf
unsere Initiative hin gehandelt . Wir haben gesagt: Wir
wollen diese Daten anonymisiert, aber frei verfügbar
halten, um Verkehrsflüsse entsprechend zu gestalten. Die
Wertschöpfung durch Open Data nennt die Technologie-
stiftung Berlin „Digitales Gold“ .

Wenn wir uns an dieser Linie orientieren, können wir
sagen: Alles, was nicht geheim ist, muss öffentlich sein .
Mit Open Data schaffen wir so neue Geschäftsfelder,
neue Anwendungen . Die Wertschöpfung wird auf allen
Ebenen stattfinden, weil wir dann auch die durch die öf-
fentliche Verwaltung und alle weiteren Beteiligten erho-
benen Daten zur Nutzung bereitstellen . Darin sehen wir
die weitere Entwicklung des Industriestandorts Deutsch-
land, die wir auf den Weg bringen wollen .

Unser wirtschaftlicher Erfolg wird zukünftig noch viel
stärker von der Verfügbarmachung dieser Daten abhän-
gen . Die Linie ist aufgezeigt . Wir wollen nicht, dass ir-
gendjemand diese Daten zur Verfügung stellt – ich glau-
be, das ist in dem Prozess sehr wichtig –, sondern wir
wollen, dass diese Daten durch öffentliche Institutionen
zur Verfügung gestellt werden, nicht durch private Drit-
te oder irgendwelche Datenkraken, sondern wir als Staat
müssen diese Daten zur Verfügung stellen .

Manche Bundesländer sind dem guten Beispiel, das
wir auf Bundesebene gegeben haben, gefolgt und haben
eigene Gesetze verabschiedet . Ich glaube – das sage ich
für die SPD-Fraktion sehr deutlich –, dass man, nachdem
wir 2004/2005 mit dem von Rot-Grün vorgelegten Ge-
setzentwurf etwas sehr Ordentliches vorgelegt haben, auf
diesem Gebiet weiter vorgehen darf und muss . Wir ver-
sprechen uns viel von dem Open-Data-Ansatz, zu dem
seitens der Regierung nun etwas vorzulegen ist, weil wir
das im Koalitionsvertrag vereinbart haben . Wir müssen
irgendwann aber auch dazu kommen, die einzelnen In-
formations- und Freiheitsgesetze sowie die in weiteren
Gesetzen enthaltenen Rechte, zum Beispiel hinsichtlich
der Umweltinformationen, zusammenführen . Auch das
ist etwas, was wir 2013 eingefordert haben . Wir glauben,
dass dieser Schritt zu gehen ist, und wir versprechen uns
davon, dass wir das zukünftig mit dem Koalitionspartner
noch deutlich nicht nur proaktiver, sondern progressiver
machen können, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Die Open-Data-Charta der G-8-Staaten ist angespro-
chen worden . Ich erinnere allerdings daran – da gucke
ich einmal den Koalitionspartner an –, dass wir dies ge-
meinsam gefordert und gemeinsam beschlossen haben .
Es ist nicht eine alleinige Initiative der CDU/CSU-Frak-
tion . Da haben wir sehr deutlich gesagt, dass offene Da-
ten als Standard die Grundlage des weiteren Handelns
sind . Open Data ist die Maßgabe, wenn wir zum Beispiel
über Prozesse wie E-Government reden, dass wir das,
was wir an Daten verfügbar haben, auch entsprechend
dieser Charta nutzen, wie es andere Industriestaaten und
moderne Gesellschaften in Europa auch tun . Das wird
die höchste Maßgabe sein, die wir dann entsprechend in
Deutschland auch bringen werden .

Die SPD drängt daher entsprechend dem Koalitions-
vertrag auf zügige Umsetzung . Die Legislaturperiode
dauert noch an . Wir sind bereit dazu, hier zu handeln,
und ich darf die Bundesregierung zitieren, die auf eine
Kleine Anfrage gesagt hat:

Mit Blick auf traditionelle Verwaltungsstrukturen
bedarf es eines weiter voranschreitenden Wandels
im Denken und Handeln, um den Prinzipien eines
offenen, transparenten Staates zu genügen .

Dem ist doch wenig hinzuzufügen, liebe Kolleginnen
und Kollegen . Lassen Sie es uns anpacken!

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817617800

Danke, Kollege Hartmann . – Nächster Redner in der

Debatte ist Dr . Volker Ullrich, CDU/CSU, Augsburg .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1817617900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Das Informationsfreiheitsgesetz ist zehn Jahre
alt und hat in der Tat einen wichtigen und richtigen Pa-
radigmenwechsel eingeleitet . Es hat dafür gesorgt, dass
Bürger die Möglichkeit haben, ohne ein rechtliches In-
teresse vorbringen zu müssen, Zugang zu staatlichen In-
formationen zu bekommen . Damit ist das Regel-Ausnah-
me-Verhältnis umgedreht worden . Hat es bis 2005 noch
geheißen, grundsätzlich ist alles vertraulich, und nur in
einigen Ausnahmen hat man Zugang zu Informationen,
so ist dies umgedreht worden . Jetzt ist dem Grunde nach
zunächst einmal alles offen und für denjenigen, der es be-
kommen möchte, erreichbar, und nur in Ausnahmefällen
kann die Information versagt werden .

Ich meine, dass zehn Jahre Informationsfreiheitsge-
setz dazu beigetragen haben, dass die Bürger Vertrauen
in diesen Staat festigen, weil er offen und transparent ist .


(Beifall des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese Informationsgeschichte sollten wir auf alle Fälle
würdigen .

Dennoch können wir diesem Antrag heute nicht Folge
leisten .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wusste ich doch, dass das kommt!)


Das liegt darin begründet, dass er in einigen Punkten gut
gemeint ist; aber er ist eben in einigen Aspekten nicht gut
gemacht .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie es besser!)


Ich darf zunächst einmal auf die Frage der Ausnahme-
tatbestände kommen . Der Schutz öffentlicher Belange ist
ein hohes Gut, wenn es um die interpersonellen Bezie-

Sebastian Hartmann






(A) (C)



(B) (D)


hungen, um Fragen der inneren und äußeren Sicherheit,
aber auch um laufende Gerichtsverfahren geht, und es ist
richtig, dass Vertrauliches auch vertraulich bleiben muss,
damit der Staat in diesem Bereich handlungsfähig ist .
Davon sollten und dürfen wir keine Ausnahme machen .

Wir dürfen auch keine Ausnahme bei Geschäfts- und
Betriebsgeheimnissen machen, weil die Regelung, so
wie sie derzeit im Gesetz steht, die richtige ist . Sie sagt
nämlich: Wenn derjenige, der Inhaber des Geheimnisses
ist, der Veröffentlichung zustimmt, kann die Information
herausgegeben werden, wenn nicht, muss es geheim blei-
ben . Warum? Weil Grundrechte betroffen sind, weil es
um Eigentumsgrundrechte von Dritten geht und weil wir
bei der Frage der Informationsgewinnung letzten Endes
auch diese Grundrechte gegeneinander abwägen müssen .
Wir dürfen die berechtigten Interessen Dritter nicht ohne
Weiteres bloßstellen .

Deswegen sind die jetzigen Regelungen die richtigen,
und wenn Sie sagen, es gebe zu wenig Informationen,
die durch den Staat preisgegeben würden, dann darf ich
Ihnen zurufen, dass auch das jetzige Gesetz bereits eine
Rechtsweggarantie vorsieht . Wenn jemand, der gerne
eine Information hätte, diese aber nicht bekommt, der
Ansicht ist, dass dies widerrechtlich ist, dann kann er den
Klageweg beschreiten . Ich glaube, das ist das richtige
Verfahren . Wir werden an diesem Verfahren festhalten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite Punkt betrifft die Frage der Gebührenfrei-
heit . Bereits jetzt sind einfache Anfragen gebührenfrei
bzw . können gebührenfrei gestellt werden . Sie müssen
aber auch sehen, dass im Bereich des Bundes Tätigkeiten
der Behörden zunächst einmal dem Kostendeckungsprin-
zip unterliegen und damit staatliches und Verwaltungs-
handeln nicht allein zum Nulltarif angeboten werden
kann. Vielmehr wird die spezifische Arbeit von vielen
Stunden zum Teil durch die Gebühren vergütet . Deswe-
gen ist es richtig, dass für besonders komplizierte Aus-
künfte maßvolle Gebühren erhoben werden; zudem sind
diese Gebühren durch die Gebührenordnung des Bundes
gedeckelt . Deswegen ist es ein bisschen populistisch, zu
sagen: Wir geben die Informationen preis, ohne dafür
Gebühren zu verlangen . – Ich glaube, so wie es in al-
len anderen Rechtsordnungen des Bundes ein Kostende-
ckungs- und ein Gebührenprinzip gibt, sollten wir auch
hier daran festhalten .

Zuletzt schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass es um
Kontrolle staatlichen Handelns geht . Da haben Sie zum
Teil nicht unrecht . Nur ein Bürger, der informiert ist, kann
Rechte wahrnehmen und sich selbst so fortbilden, dass er
sich in den politischen Prozess einbringen kann . Wir soll-
ten aber nicht den Fehler machen, Dinge zu verwechseln,
die in keinem Zusammenhang stehen . Die Kontrolle von
Verwaltungshandeln obliegt zunächst einmal der Verwal-
tung selbst durch die Gesetzesbindung der Verwaltung .
Sie obliegt der Rechts- und der Fachaufsicht, und sie ob-
liegt letzten Endes auch der politischen Verantwortung
von gewählten oder ernannten Vertretern . Deswegen ist
die Kontrolle staatlichen Handelns nicht eine Aufgabe,
die man allein durch ein Informationsfreiheitsgesetz be-
werkstelligen kann . Dies ist vielmehr eine umfassende

Aufgabe . Deswegen sagen wir: Das entsprechende Ge-
setz ist nur ein Mosaikstein, aber nicht die Quelle der
Kontrolle staatlichen Handelns .

Meine Damen und Herren, wir werden, wie wir es im
Koalitionsvertrag vereinbart haben, das Informations-
freiheitsgesetz und damit die Fragen der Transparenz
und der Informationsfreiheit sehr sorgsam fortentwi-
ckeln . Wir werden bei der Fortentwicklung aber auch die
Grundrechte und grundlegende Ansprüche des Staates
auf den Schutz vertraulicher Informationen nicht verges-
sen. Wir werden klug abwägen und eine Lösung finden,
mit der wir, glaube ich, in diesem Hause leben können .

In diesem Sinne werden wir Ihren Antrag ablehnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817618000

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Saskia Esken

von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Saskia Esken (SPD):
Rede ID: ID1817618100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Titel
nach will der Antrag der Linken, dass wir ein umfassen-
des Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz schaf-
fen . Im Kern geht es im Antrag also darum, Handeln und
Daten von Politik und öffentlicher Verwaltung so weit
wie möglich offen und transparent zu machen . Als Ziel-
setzung können wir das nur befürworten .

In einem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion aus dem
Jahr 2013 – da waren wir noch in der Opposition – heißt
es – ich muss mich bei allen Gästen auf der Tribüne dafür
entschuldigen, dass das so gedrechselt klingt –:

Transparenz ist konstitutiv für den demokratischen
und sozialen Rechtsstaat . Transparenz stärkt die de-
mokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen
und Bürger, erleichtert Planungsentscheidungen,
wirkt Staatsverdrossenheit entgegen und erschwert
Manipulationen und Korruption .

Anders gesagt: Wenn alle draufschauen können, dann
wächst die Qualität staatlichen Handelns und damit des-
sen Akzeptanz .

Ich will gerne etwas zu unserer Motivation sagen, das
Informationsfreiheitsgesetz, das Umweltinformationsge-
setz und das Verbraucherinformationsgesetz zusammen-
zuführen und zu einem Transparenzgesetz weiterzuent-
wickeln, wie wir es 2013 bereits beantragt haben . Nach
dem 2005 von Rot-Grün initiierten und beschlossenen
Informationsfreiheitsgesetz sind öffentliche Verwaltun-
gen – so viel zur Information – verpflichtet, einem An-
tragsteller Akten und Daten zugänglich zu machen – von
einigen Ausnahmetatbeständen einmal abgesehen . Die-
ses Gesetz war ein wichtiger erster Schritt in die richtige
Richtung . Aber man ist, wie so oft im Leben, im ersten
Anlauf zu kurz gesprungen . Zehn Jahre später könnte
man schon über eine Novelle nachdenken .

Dr. Volker Ullrich






(A) (C)



(B) (D)


Dieses Recht der Bürger auf Akteneinsicht auf Antrag
ist für die Bürgerin und den Bürger aufwendig – womög-
lich auch gebührenpflichtig –, für die Verwaltung erst
recht . Denn sie prüft erst einmal, ob nicht ein Ausnahme-
tatbestand vorliegt, die Daten also aus einem der zahlrei-
chen Gründe schützenswert sind . Erst wenn es sich gar
nicht abwenden lässt, gibt sie sie heraus . Wenn ein halbes
Jahr später noch einmal jemand danach fragt, dann geht
die ganze Prüfung wieder von vorne los . Nein, dieser
kastrierte Rechtsanspruch ist nicht der Weisheit letzter
Schluss; das muss man einräumen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auch wir wollen deshalb dieses Recht der Bürgerin-
nen und Bürger auf Informationsherausgabe weiterent-
wickeln . Wir wollen, dass die Verwaltung ihr Wissen
nicht auf Anfrage, sondern proaktiv, also von sich aus,
öffentlich macht, sodass jeder und jede darauf zugreifen
kann, und zwar lesbar für Menschen und für Maschinen .
Wir wollen einen Rechtsanspruch auf offene Daten, auf
Open Data . Das ist für die Öffentlichkeit, die keinen An-
trag mehr stellen muss, besser . Es ist aber auch für die
Verwaltung viel einfacher . Denn sie muss nur einmal
überlegen: Eignet sich diese Information zur Veröffent-
lichung, oder unterliegt sie einem Ausnahmetatbestand,
zum Beispiel dem Datenschutz? – Wenn nicht, dann raus
damit! Wer weiß, wer etwas damit anfangen kann .

Wenn mit der neuen Offenheit, mit dem Zugang zum
Wissen der Verwaltung dann noch ein bisschen gewor-
ben wird, entstehen aus diesem Wissen vielleicht ganz
neue, richtig nützliche Sachen: ein Stadtplan, der Pollen-
konzentrationen anzeigt, oder eine Zusammenführung
der Wartelisten aller Kitas in einem Bezirk . Der Fantasie
sind da keine Grenzen gesetzt – ebenso wenig wie dem
gesellschaftlichen Mehrwert .

Wir konnten uns mit dem Koalitionspartner zwar
nicht auf die in unseren Augen durchaus notwendige
Zusammenführung der Informationsgesetze einigen . Ein
Open-Data-Gesetz ist dagegen durchaus Inhalt des Koa-
litionsvertrages . Mit der Ankündigung der Bundesregie-
rung, der Open Government Partnership – einem Verein
von Ländern, die sich der Offenheit und Transparenz in
Regierung und Verwaltung verschrieben haben – beitre-
ten zu wollen, ist ja ein erster Schritt gemacht .

Der Antrag der Fraktion Die Linke verfolgt also ein
zwar durchaus begrüßenswertes Anliegen . In der Aus-
gestaltung ist er aber leider – das haben auch andere
schon gesagt – eher dünn . Ja, er nennt alle Schwächen
des bestehenden Gesetzes . Er macht aber nicht wirklich
konkrete Vorschläge zu deren Behebung . In seiner Kürze
wird der Antrag der Komplexität der Materie nicht ge-
recht . Wir können dem Antrag Ihrer Fraktion deswegen
leider nicht zustimmen .

Stattdessen freuen wir uns jetzt auf den Beitritt
Deutschlands zur Open Government Partnership, und wir
freuen uns darauf, einen Gesetzentwurf des zuständigen

Ministeriums des Innern für ein Open-Data-Gesetz noch
in dieser Legislaturperiode beraten zu dürfen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Wir laden die antragstellende Fraktion ebenso wie die
Grünen dazu ein, diesen Gesetzentwurf dann konstruktiv
mit uns zu beraten und als weiteren Schritt in die richtige
Richtung am Ende einfach zuzustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817618200

Ganz herzlichen Dank . – Damit schließe ich die Aus-

sprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7709 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Reform der Investmentbesteu-

(Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG)


Drucksachen 18/8045, 18/8345, 18/8461
Nr. 1.6

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses (7 . Ausschuss)


Drucksache 18/8739


(8 . Ausschuss)


Drucksache 18/8741

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner hat Fritz
Güntzler von der CDU/CSU das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Fritz Güntzler (CDU):
Rede ID: ID1817618300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beschließen
heute eine grundlegende Reform der Investmentbesteu-
erung . Dieses Thema hat uns lange beschäftigt . Bereits
im Jahre 2012 hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein
Ergebnis vorgelegt . Dann gab es ein Gutachten über
die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen
Investmentbesteuerungsreform durch Copenhagen Eco-
nomics . Wir hatten zwei Diskussionsentwürfe: den Re-
ferentenentwurf und den Regierungsentwurf . Wir haben
immer umfassend diskutiert . Der Gesetzentwurf wurde,
wie ich finde, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens

Saskia Esken






(A) (C)



(B) (D)


kontinuierlich verbessert . Wir sind also einen langen Weg
gegangen, der sich meines Erachtens aber gelohnt hat .
Der Grundsatz „Sorgfalt vor Eile“ wurde hier eingehal-
ten . Es handelt sich also nicht um einen Schnellschuss .

Dennoch will ich schon jetzt sagen: Wir werden uns
ansehen müssen, wie die gesetzlichen Gegebenheiten,
die wir hier beschließen, wirken und ob alles so zielgenau
ist, wie wir uns das vorstellen . Ich glaube aber, wir sind
hier auf einem guten Weg . Jedenfalls haben wir breite
Zustimmung aller bisherigen Rechtsanwender erfahren .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein gutes Zeichen!)


Ich finde es auch sehr gut, wie ernsthaft wir uns in der
Anhörung und in einem informellen nichtöffentlichen
Fachgespräch im Ausschuss diesem Thema gewidmet
haben . Das ist ja nicht ganz einfach . Ich habe schon im
Ausschuss gesagt, dass das Steuerrecht für Feinschme-
cker ist . Nicht allen passen die Zutaten, wie ich von
Herrn Pitterle erfahren habe, aber, um im Bild zu bleiben,
es ist angerichtet .

Warum regeln wir die Investmentbesteuerung neu?

Erstens . Das wesentliche Ziel ist, dass wir ein euro-
parechtskonformes Recht bekommen und die europa-
rechtlichen Risiken ausgeräumt werden . Derzeit ist es
so, dass die inländischen und die ausländischen Fonds
ungleich besteuert werden . Da gibt es ein gewisses Ri-
siko, weil die inländischen Fonds steuerbefreit und die
ausländischen Fonds durch die Kapitalertragsteuer belas-
tet sind . Wir wissen nicht, ob das aufgegriffen werden
könnte . Hier ist die Frage der Kohärenz zu beantworten .
Dabei muss in den Blick genommen werden, dass wir
auf der Anlegerebene ja eine weitere Besteuerung vor-
nehmen . Das Risiko jedoch, dass man damit vor dem Eu-
ropäischen Gerichtshof verliert, ist sehr groß . Das würde
bedeuten, dass Milliardenforderungen auf den deutschen
Fiskus zukommen könnten . Von daher ist es wichtig, dass
wir hier handeln .

Zweitens . Wir wollen Steuergestaltungen verhindern
und das Gestaltungspotenzial, das dem Investmentsteuer-
recht derzeit immanent ist, senken . Daneben wollen wir
das Investmentsteuerrecht vereinfachen, da der Adminis-
trationsaufwand derzeit sehr hoch ist . Für die Betriebs-
prüfung ist es nicht einfach, entsprechende Prüfungen
durchzuführen . Allein über 30 Besteuerungsmerkmale
sind zu erfassen, um die Besteuerung eines Publikums-
fonds durchzuführen .

Drittens . Daneben wollen wir das Investmentsteuer-
recht im Ergebnis verständlicher machen . Ich bin mir
nicht ganz sicher, ob das in allen Teilen gelungen ist;
denn es bleibt nach wie vor kompliziert .


(Heiterkeit des Abg . Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Neben dem originären Investmentsteuerrecht beschäf-
tigen wir uns auch mit den Cum/Cum-Geschäften . Da-
rauf komme ich gleich noch .

Im Investmentsteuerrecht werden wir jetzt zwei ver-
schiedene Regime einführen . Bei den sogenannten Pu-
blikumsfonds wird es eine Abkehr vom transparenten

Verfahren hin zum intransparenten Verfahren geben . Die
Belastung auf Fondsebene wird 15 Prozent betragen . Da-
mit der Anleger nicht zusätzlich belastet wird, werden je
nach Kategorie des Fonds – es kommt darauf an, ob es
ein Aktienfonds, ein Immobilienfonds oder ein Misch-
fonds ist – unterschiedliche Freistellungen gewährt, so-
dass wir zur gleichen Belastung kommen werden, wie sie
jetzt gegeben ist . Auch hier werden wir uns den Ablauf
genau ansehen und prüfen müssen, ob die Freistellungs-
quoten, die wir dort gefunden haben, zielführend sind .

Bei den Spezialfonds bleiben wir beim bisherigen
Recht . Das kann man auch machen . Das ist auch ein-
facher zu administrieren, weil es bei den Spezialfonds
höchstens 100 Anleger und in Zukunft auch keine natür-
lichen Personen als Anleger mehr geben darf .

Von den Linken ist im Ausschuss vorgetragen wor-
den – Herr Pitterle wird das gleich wahrscheinlich wie-
der tun –, dass die Tatsache, dass es zwei Regime geben
wird, dazu führen könnte, dass es zu entsprechenden Ge-
staltungen kommt . Diese sollten Sie in Ihrer Rede dann
bitte auch einmal genau beschreiben . Ich habe vergeblich
versucht, mir vorzustellen, wo wirklich große Unter-
schiede sein könnten . Das können Sie hier dann ja aus-
führen, statt nur allgemeine Zweifel zu benennen .

Wir haben im Gesetzgebungsverfahren ganz zum
Schluss noch einige Veränderungen vorgenommen . Ich
glaube, eine wichtige Veränderung war, dass es in Zu-
kunft bei Immobilienfonds die Spekulationsfrist, die es
beim Privatvermögen und beim Immobilienvermögen
gibt – es geht um die Steuerfreiheit nach zehn Jahren Be-
haltensfrist –, nicht mehr geben wird . Wir werden durch
eine gesetzliche Änderung aber gewährleisten, dass die
stillen Reserven, die bis zum Inkrafttreten des Geset-
zes am 31 . Dezember 2017 entstanden sind, steuerfrei
gestellt werden . Ich glaube, es ist nur gerecht, dass wir
nicht nachträglich etwas besteuern .

Daneben haben wir die Möglichkeiten der Spezial-
fonds durch einen weiteren Verweis in ihren Anlagebe-
dingungen ausgeweitet, aber nicht so weit, dass es dort
zu steuerlichem Missbrauch kommen könnte, wie auch
das von den Linken wieder vermutet wurde . Das könnten
Sie hier dann ja auch noch einmal konkretisieren, sodass
wir das dann zur Kenntnis nehmen können .

Ein zweiter Punkt neben dem originären Investment-
steuerrecht ist die Bekämpfung der sogenannten Cum/
Cum-Geschäfte . Was sind Cum/Cum-Geschäfte? Im Er-
gebnis kommt es zu einer unberechtigten Erstattung der
Kapitalertragsteuer .

Ich nenne ein einfaches Beispiel: Ein ausländischer
Aktionär hat letztendlich eine Definitivbelastung durch
seine Kapitalertragsteuer . Er bringt die Aktie kurz vor der
Dividendenausschüttung ins Inland . Dem dortigen Hal-
ter wird die Kapitalertragsteuer, die er auf die Dividende
zahlen muss, erstattet . Den sich daraus ergebenden ent-
sprechenden Vorteil – meistens sind es 15 Prozent – wird
man sich dann irgendwie teilen .

Fritz Güntzler






(A) (C)



(B) (D)


Wir schieben diesen Gestaltungen – ob sie nun illegi-
tim oder illegal sind – einen Riegel vor, sodass das nicht
mehr stattfinden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist ein ganz wichtiger Punkt!)


Ich bin auch froh, dass wir diese Regelung im Finanzaus-
schuss, wenn ich das richtig gesehen habe, einstimmig
beschlossen haben . Es wird so sein, dass der Aktionär
eine Mindesthaltedauer einhalten muss . Also 45 Tage vor
dem Bilanzstichtag und 45 Tage nach dem Bilanzstich-
tag muss er wirtschaftlicher Eigentümer sein . Was auch
wichtig ist: Er muss ein Mindestwertveränderungsrisiko
von 70 Prozent tragen . Ursprünglich waren im Gesetz-
entwurf 30 Prozent vorgesehen . Das war uns ein bisschen
zu wenig . Deswegen sind wir auf 70 Prozent gegangen .
Andere wollten, dass 100 Prozent Risiko getragen wür-
den . Aber das haben wir für wenig praktikabel gehalten .
Ich glaube, dass wir hier einen guten Kompromiss gefun-
den haben .

Wir haben die Umgehungsmöglichkeiten aufgegrif-
fen, die es in Konzernstrukturen gibt, und damit sozu-
sagen dafür gesorgt, dass sie bekämpft werden können .
Wir haben eine Umkehr der Beweislast eingeführt . Was
ich auch wichtig fand: Wir haben den Betrag der nicht
anrechenbaren Kapitalertragsteuer auf 15 Prozent redu-
ziert . Im Gesetzentwurf waren 25 Prozent vorgesehen .
Das ist keine Vergünstigung, wie man annehmen könnte,
sondern wir wollen mit der Missbrauchsbekämpfungs-
vorschrift den Zustand herstellen, der eingetreten wäre,
wenn man keine Gestaltung gewählt hätte . In den meis-
ten Fällen, wie bei dem geschilderten Inlandsfall oder
im Fall eines Doppelbesteuerungsabkommens, hat man
eben nur eine Kapitalertragsteuerbelastung von 15 Pro-
zent . Von daher ist auch das richtig . Ansonsten hätten wir
für unsere Kreditinstitute einen Wettbewerbsnachteil ge-
habt . Diesen wollten wir vermeiden . Von daher können
wir auch mit dieser Lösung leben .

Ich hatte schon gesagt, dass es ein Anliegen aller Frak-
tionen war, dass wir diese Cum/Cum-Geschäfte stillle-
gen . Ich bin froh, dass dem alle zugestimmt haben . Ich
möchte hier klarstellend sagen, weil uns das in der Anhö-
rung beschäftigt hat, dass wir damit keine Aussage darü-
ber treffen, wie die Cum/Cum-Geschäfte, die bisher ge-
laufen sind, rechtlich zu beurteilen sind, ob sie illegitim
bzw . illegal waren . Vielmehr wollen wir für die Zukunft
ganz sichergehen . Alles andere wird anders aufzuarbei-
ten sein, nämlich durch die Strafverfolgungsbehörden
und die Finanzbehörden . Hier ist zu prüfen, ob es sich
um Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO oder noch viel
schlimmere Dinge handelte . Das wird man sehen .

Man muss auch sehen, dass es da sehr unterschiedli-
che Geschäfte gibt, sodass man das nicht pauschal be-
urteilen kann . Von daher, glaube ich, ist es gut, dass wir
gemeinsam klargestellt haben, dass sich hier keiner da-
mit exkulpieren kann, dass der Gesetzgeber jetzt etwas
gemacht hat . Wir erleben derzeit bei den Cum/Ex-Ge-
schäften, dass mit einer Gesetzesbegründung versucht
wird, etwas zu legitimieren, was wohl definitiv illegal

war . Das kann man hinsichtlich der Cum/Ex-Geschäfte
wohl schon feststellen .

Wir haben auch vereinbart, dass wir uns die be-
schränkte Steuerpflicht für die sogenannten Kompensati-
onszahlungen bei einer Wertpapierleihe genauer ansehen .
Wir hätten gerne schon jetzt eine Regelung umgesetzt .
Aber dabei sind noch einige steuerrechtliche Fallstricke
zu beachten . Von daher haben wir uns das auf die Agen-
da gesetzt und die Bundesregierung gebeten, zügig und
zeitnah einen Vorschlag zu machen, um diesen § 36a des
Einkommensteuergesetzes noch weiter zu ergänzen und
das Netz so eng zu machen, dass es solche Gestaltungen
nicht mehr geben kann . Daran wird deutlich, dass wir
alle sehr dabei sind, nichtgewollte Steuergestaltungen zu
verhindern .

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können
heute ein gutes Gesetz beschließen . Ich bedauere, dass
ich die Restzweifel von Herrn Pitterle noch nicht ausräu-
men konnte, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig
deute .


(Heiterkeit des Abg . Richard Pitterle [DIE LINKE])


Aber vielleicht gibt es ja doch noch einen Ruck, sodass
Sie zustimmen können .

Wie gesagt, es ist ein gutes Gesetz . Ich sage aber auch:
Wir werden genau hinschauen, wie die Rechtsanwender
mit diesem Gesetz umgehen . Wenn es dort Probleme
gibt, wenn es Dinge gibt, die wir nicht wollen, werden
wir schnell nachjustieren; denn wir wollen in Deutsch-
land eine gerechte Besteuerung . Dafür steht die CDU/
CSU,


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die SPD auch! – Christine Lambrecht [SPD]: Die SPD sowieso!)


und die SPD sowieso .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817618400

Ganz herzlichen Dank . – Als nächster Redner hat

Richard Pitterle von der Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817618500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und
Zuhörer auf der Tribüne! Lieber Herr Güntzler, Sie haben
angeregt, dass ich Ihnen in fünf Minuten das erkläre, was
Fachleute in zwei Stunden nicht haben erklären können .


(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Haben Sie es denn verstanden?)


Deswegen lasse ich das und halte mich an mein Konzept .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist sicher!)


Fritz Güntzler






(A) (C)



(B) (D)


Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Investment-
besteuerung haben Sie vor allem drei Ziele verfolgt . Sie
wollten die EU-rechtlichen Risiken beseitigen, eine Steu-
ervereinfachung schaffen und die Gestaltungsanfälligkeit
reduzieren . Nach Anhörung und zusätzlichem Fachge-
spräch bezweifle ich, dass Sie eines der drei genannten
Ziele erreicht haben .

Kollege Güntzler hat uns hier wieder einmal erklärt,
die Investmentbesteuerung sei so etwas wie eine Steuer
für Feinschmecker . – Genau das ist der Kern des Pro-
blems . Wir brauchen im Steuerrecht endlich Hausmanns-
kost und keine Haute Cuisine .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Damen und Herren der Regierungskoalition,
die EU-Risiken beseitigen Sie zwar an einer Stelle, auch
wenn die Sachverständigen die Notwendigkeit dieser Re-
gelung in Zweifel gezogen haben, aber Sie schaffen an
einer anderen Stelle durch die Beibehaltung der Fonds-
privilegien nach dem Systemwechsel bei der Besteue-
rung von Publikumsfonds neue unionsrechtliche Risiken,
da unklar ist, ob die Regelung mit dem europäischen Bei-
hilferecht vereinbar ist .

Zum Thema „Vereinfachung und weniger Anfälligkeit
für Steuergestaltungen“: Sie haben uns eine Steuerver-
einfachung versprochen, aber das Versprechen nicht ge-
halten .


(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)


Uns allen ist bekannt, dass mit der Komplexität des Steu-
errechts die Attraktivität für Steuergestaltung steigt . Ein
paar bekannte Gestaltungsmodelle werden zwar einge-
dämmt, aber dafür werden zahlreiche neue Möglichkei-
ten geschaffen . Selbst bei den bekannten Modellen sind
Sie nicht alle angegangen . Als Beispiel sei hier nur auf
die versäumte Beseitigung der Steuerfreiheit von Veräu-
ßerungsgewinnen aus Streubesitz hingewiesen .

Sie haben es tatsächlich geschafft, die Investmentbe-
steuerung noch komplizierter als bisher zu machen .


(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist aber eine kühne These!)


Herzlichen Glückwunsch dazu!

Die Meinung der von uns gehörten Fachleute ist, dass
das Gesetz, das Sie hier heute feiern und verabschieden
werden, zu weiteren Steuergestaltungen zum Nachteil
des Fiskus geradezu einlädt .


(Dr . h . c . Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch abenteuerlich!)


In Zukunft gibt es durch zwei Besteuerungssysteme für
Investmentvermögen eine zusätzliche Wahlmöglichkeit .
Beide Systeme haben ihre steuerlichen Vor- und Nach-
teile .


(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Welche denn?)


Es sind diese Vor- und Nachteile, die von hochbezahlten
Beratern abgewogen und für ihre gut betuchte Klientel
zur Steuerminimierung auf Maß zurechtgeschnitten und
ausgenutzt werden . Die Schwachstellen des Gesetzes

sind schon längst auf den Radarschirmen der Beratungs-
industrie,


(Dr . h . c . Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die heißen alle Pitterle, oder wie?)


die schon das nächste Steuervermeidungspaket schnürt .
Und wieder einmal ist das alles dank der Großen Koaliti-
on legal . Steuergewinne für Feinschmecker eben .

Ich weiß, dass die Finanzbeamtinnen und Finanzbe-
amten mit großem Fachwissen und persönlichem Einsatz
jeden Tag ihr Bestes geben . Aber es fehlt an allen Ecken
und Enden an Personal und Sachmitteln, um es mit ei-
ner Beraterbranche aufzunehmen, die keine Kosten und
Mühen scheuen muss, um auch noch den letzten Euro
Steuern zu sparen .


(Dr . h . c . Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das können Sie im Landtag erzählen!)


Steuern sollen Geldleistungen ohne Gegenleistung
sein, die dem Staat Einnahmen verschaffen und allen auf-
erlegt sind . Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit,
dass diejenigen, die viel haben, auch viel zum Gemein-
wesen beitragen . Punkt .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Komplexität des Steuerrechts verhindert das .

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu Cum/
Cum-Geschäften sagen . Wir wissen nicht erst seit dem
Untersuchungsausschuss Cum/Ex, dass Geschäfte um
den Dividendenstichtag schon seit Jahrzehnten zum
Schaden des Staates stattfinden. Daher haben wir als
Linke in den Beratungen die unterbreitete Regelung zu
Cum/Cum-Gestaltungen unterstützt, auch wenn sie uns
nicht weitgehend genug war . Wir bedauern, dass sich die
Koalition nicht durchringen konnte, als Bedingung für
eine Steuererstattung eine vollständige Risikoübernahme
festzulegen, deren Vollzug für die Finanzbehörden auch
besser zu handhaben wäre .

Trotz der Regelung zu Cum/Cum, die wir begrüßen,
werden wir das Gesetz als Ganzes ablehnen,


(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Oh!)


weil zu einem Gesetz, das weiterhin die Anfälligkeit für
Steuergestaltungen zulässt, einem Gesetz, das die not-
wendige Reform der Kapitaleinkommensbesteuerung
nicht angeht, eine Enthaltung nicht gerechtfertigt ist .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817618600

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Lothar

Binding von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1817618700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Richard
Pitterle, das Gesetz ist objektiv sehr kompliziert – darauf

Richard Pitterle






(A) (C)



(B) (D)


werde ich noch einmal zurückkommen –, aber dass wir es
komplizierter gemacht haben, als es die Wirklichkeit er-
fordert, das ist falsch . Und die Wirklichkeit ist im Verlauf
der letzten 150 Jahre auch deshalb dermaßen komplex
geworden, weil sich die Interessen unserer Bürgerinnen
und Bürger komplex gestalten . Die haben ja ein Interes-
se, in gewisse Investmentfonds zu investieren . Daraus
folgt hohe Komplexität . Deshalb können wir nicht im-
mer ganz einfache Gesetze machen . Ich denke, das muss
man verstehen .

Bevor ich gleich zu meiner eigentlichen Rede kom-
men werde, möchte ich erst einmal Herrn Dr . Meister
zum Geburtstag gratulieren . Er hat nämlich heute Ge-
burtstag .


(Beifall)


Wir schenken ihm dann die Zustimmung zu diesem Ge-
setzentwurf, an dem Sie, Herr Dr . Meister, sehr stark be-
teiligt sind, übrigens auch Ihr Haus und die entsprechen-
den Abteilungen . Wir glauben, sie haben eine exzellente
Arbeit gemacht . Übrigens auch die Mitarbeiter bei uns –
also in meinem Fall Herr Steininger – und die Kollegen
bei Ihnen . Die hatten richtig viel Arbeit . Sie mussten den
komplexen Gesetzentwurf erst einmal durchdringen, um
ihn auf ein Niveau zu heben, auf dem wir ihn dann po-
litisch bearbeiten können . Das ist keine ganz leichte An-
gelegenheit . Deshalb danke ich auch den Berichterstat-
terkollegen . Das war, glaube ich, eine sehr gute Arbeit .

Was ist eigentlich ein Investmentfonds? Ich habe ein
paar Mitarbeiter gefragt . Sie haben gesagt: Davon habe
ich schon mal gehört .

Eigentlich ist ein Investmentfonds ein Topf, in den vie-
le kleine Leute, wie man so sagt – wir meinen damit Leu-
te mit niedrigem Einkommen –, einen kleineren Betrag
geben können . Das Geld wird in diesem Topf gesammelt,
und mit dem gesammelten Geld können dann Fachleute
eine große Investition tätigen, zum Beispiel bei Daimler,
Coca-Cola oder wo immer man möchte . Deshalb, weil
man sein Geld Fachleuten gibt, denkt man, das ist gut .
Man sollte aber immer daran denken: Wenn ich mein
Geld weggebe, habe ich das Risiko, während jemand
anders das Geld hat . Es sind zwar Fachleute, nämlich
Fondsmanager; man muss aber wissen: Mit der höheren
Ertragserwartung geht auch ein höheres Risiko einher .
Das muss sich jeder überlegen . Die Idee vor 150 Jahren
war jedenfalls: Viele kleine Leute geben Geld, damit sie
bei Großen investieren können . Das war eine gute Idee .

Inzwischen gibt es Immobilienfonds . Mit denen kann
man in Gewerbeimmobilien investieren wie Bürogebäu-
de, Hotels und Einkaufszentren . Es gibt auch nachhaltige
Fonds, mit denen man in soziale und ökologische Projek-
te investieren kann . Und es gibt Rentenfonds . An denen
sind viele beteiligt – vielleicht auch einige der Anwesen-
den –, die gar nicht wissen, dass sie daran beteiligt sind .
Wir geben jedenfalls unser Geld an Geldsammelstellen,
damit es angelegt wird .


(Dr . h . c . Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Dabei spielen Fonds eine wichtige Rolle . Es gibt des
Weiteren Aktienfonds, es gibt Mischfonds, die alles

kombinieren, es gibt auch Garantiefonds, bei denen man
davon ausgeht, dass es eine garantierte Auszahlung gibt .

Ich will damit sagen: Es sind extrem viele Bürgerin-
nen und Bürger beteiligt, und eigentlich sollten sie ver-
stehen, was im Gesetzentwurf steht . Aber ich behaupte,
dass selbst die einfachen Formulierungen, an die wir uns
gewöhnt haben, nicht verständlich sind . Ich zitiere aus
§ 18, um eine kleine Kostprobe zu geben:

Die Vorabpauschale

– das ist ein wichtiger Begriff –

ist der Betrag, um den die Ausschüttungen eines In-
vestmentfonds innerhalb eines Kalenderjahres den
Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten .
Der Basisertrag wird ermittelt durch Multiplikation
des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Be-
ginn des Kalenderjahres mit 70 Prozent des Basis-
zinses nach § 203 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes .
Der Basisertrag ist auf den Mehrbetrag begrenzt,
der sich zwischen dem ersten und dem letzten im
Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zuzüg-
lich der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjah-
res ergibt .

Ich denke, bis hierhin ist jetzt alles klar . Jetzt kommt aber
noch ein kleiner Appendix:

Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so tritt der
Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rück-
nahmepreises .

Ich glaube, Ihnen ist jetzt klar, worum es in dem Ge-
setzentwurf geht . Man merkt: Selbst einfache Formu-
lierungen nur mit deutschen Wörtern sind so komplex,
dass ich jetzt gewissermaßen große Mühe habe, das in
den vier Minuten Redezeit, die ich habe, verständlich zu
machen .

Wir sehen aber auch: Hinsichtlich der sprachlichen
Möglichkeiten haben wir nicht alles ausgenutzt . Deshalb
will ich noch einmal an einen Punkt erinnern, den wir
seit ein paar Jahren im Blick haben, aber nicht regelmä-
ßig verfolgen . Wir werden ja von der Gesellschaft für
deutsche Sprache dabei unterstützt, die Gesetzgebungs-
sprache zu vereinfachen . Dummerweise war unsere
Fristenplanung so, dass wir Frau Hallik wieder nicht in
Anspruch nehmen konnten . Dies war aufgrund unserer
Zeitplanung nicht mehr möglich . Das ist sehr schade . Wir
sollten uns wieder verstärkt dieser Gesellschaft bedienen,
um die Gesetzessprache zu vereinfachen .

Das Ziel der Investmentsteuerreform, die wir heute
beschließen wollen, ist – das wurde schon gesagt – ers-
tens die Vereinfachung . Dabei merkt man: Die Welt ist
noch komplizierter, als wir sie jetzt beschreiben . Wir
wollen sie zweitens europarechtskonform und damit
rechtssicher machen, und wir wollen sie drittens auf-
kommensneutral machen . Das heißt immer: nicht mehr
Steuern erheben als zuvor . Das, was wir uns vorgenom-
men haben, haben wir hier nun erreicht: Wir machen die
Investmentbesteuerung gerechter, einfacher und europa-
rechtskonform, ohne mehr Steuern einzunehmen . Das ist
nicht immer ganz leicht .

Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


Viele kleine Leute geben ihr Geld ja in Fonds, in de-
nen dann richtig viel Geld ist . Oft ist es auch so, dass die
Fondsmanager davon mehr als profitieren. Deshalb muss
man aufpassen, dass es dabei gerecht zugeht, und deshalb
ist es auch klug, darauf zu achten, wie das besteuert wird .
Ich hätte manchmal auch gerne ein paar mehr Steuern,


(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist bei euch in den Genen!)


aber das können wir in einem anderen Kontext diskutie-
ren .

Am wichtigsten für uns war, Schlupflöcher zu schlie-
ßen . Ich bekomme viel Post . Darin steht insbesondere
seit den Panama Papers drin: Macht etwas! Immer wie-
der entdecken die Leute Schlupflöcher. – Ich muss denen,
die mir schreiben, sagen: Auch nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes wird es Schlupflöcher geben. Die kennen wir
noch gar nicht . Deshalb müssen wir aufpassen, sie entde-
cken und sie dann schließen .

Beim Spezialfonds bleibt im Prinzip alles, wie es ist .

Hinsichtlich des Publikumsfonds möchte ich Folgen-
des sagen: Wenn jemand als Deutscher einem solchen
Fonds Geld gibt und dann eine Dividende erhält, wird
ihm die gezahlte Steuer angerechnet . Wenn der Betref-
fende aber Ausländer ist, erhält er die gezahlte Steuer
nicht zurück . Das ist europarechtswidrig; denn der Aus-
länder wird schlechter behandelt als der Inländer . Es gibt
auch Fälle, in denen es umgekehrt ist .

Jedenfalls mussten wir hier etwas machen . Deshalb
führen wir ein neues System ein, das nach dem Prinzip
der Intransparenz funktioniert . Ich will zuerst etwas zum
Transparenzbegriff sagen . Ein Unternehmen ist transpa-
rent, wenn der Finanzminister es nicht sieht . Er schaut
quasi durch das Unternehmen hindurch . Weil er es nicht
sieht, kann er keine Steuer erheben . Nun machen wir
es intransparent . Der Fonds wird vom Fiskus, also von
Herrn Dr . Meister, gesehen, der dann sagt: Ich sehe den
Fonds; dort gibt es Gewinne . Ich will Steuern!

Nun werden auf Fondsebene Steuern erhoben . Wenn
der Fonds Dividenden ausschüttet, muss der Anteilseig-
ner noch einmal Steuern zahlen . Hier müssen wir darauf
achten, dass es keine Doppelbelastung gibt; denn es soll
fair bleiben . Das ist der Hintergrund der Überlegungen .

Ich bemerke, dass mir die Präsidentin das Zeichen
gibt, zum Ende zu kommen . Das ist sehr schade .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich will zum letzten Punkt kommen . Wir haben uns
auf etwas Gutes verständigt . Wir haben im Finanzaus-
schuss sechs protokollarische Erklärungen abgegeben,
um in einigen Jahren eine Evaluierung durchzuführen;
denn wir können noch nicht genau ermessen, wie das
Gesetz hinsichtlich der Gestaltung durch die Bürger
funktioniert. Das Wichtigste ist: Häufig entstehen die
sogenannten Cum/Cum-Geschäfte durch eine Wertpa-
pierleihe. Wenn die Steuerpflicht mithilfe einer Leihge-
bühr umgangen wird, dann wollen wir diese Leihgebühr
besteuern . Ich glaube, zu diesem Thema wird Andreas

Schwarz noch etwas sagen . Insofern kann ich dann an
dieser Stelle schließen .

Schönen Dank und alles Gute .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817618800

Schönen Dank . – Manchmal bedauert es auch die Prä-

sidentin, dass die Redezeit abgelaufen ist . Nichtsdesto-
trotz muss einmal ein Ende sein .

Dr . Gerhard Schick hat als nächster Redner das Wort .


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817618900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will zuerst etwas zu den sogenannten Cum/Cum-Ge-
schäften sagen . Das ist ein Punkt, der an dieses Gesetzes-
verfahren quasi angehängt wurde, obwohl er eigentlich
nicht direkt zur Investmentbesteuerung gehört .

Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, das
man, wenn man den Markt beobachtet, sehr schnell sehen
kann . 360 Tage im Jahr – abzüglich der Sonntage – wer-
den etwa gleich viele Aktien gehandelt . Seit Jahrzehnten
kann man aber beobachten, dass immer dann, wenn die
Dividende ausgezahlt wird, wenn also ein Teil aus dem
Ertrag des Unternehmens ausgeschüttet wird, massiv
mehr Aktien gehandelt werden . Das ist fast ausschließ-
lich steuergetrieben, und das seit Jahrzehnten .

Wir haben es hier mit einer Hydra der Steuergestal-
tung zu tun . Seit Jahren versucht der Gesetzgeber – ge-
nauso wie Herkules –, immer wieder einzelne Köpfe ab-
zuschlagen . Aber egal was er tut, immer wieder taucht
dieses Phänomen auf . Das Seltsame ist, dass man im Mi-
nisterium jedes Mal aufs Neue überrascht ist, wenn die-
ses Phänomen auftaucht . Aber es ist schon so, dass diese
Geschäfte, die, seit 1978 getätigt, wir heute zu verhin-
dern versuchen, vom Bundesministerium der Finanzen
als missbräuchlich und illegal dargestellt worden sind .
Heute bemühen wir uns erneut, dieses Loch zu schließen,
weil diese Sache immer wieder hochkommt .

Im konkreten Fall ist man verwundert, warum man,
nachdem die Cum/Ex-Geschäfte geschlossen wurden,
nicht nachgeschaut hat, ob es etwas Ähnliches gibt . Da-
mit werden wir uns noch im Untersuchungsausschuss be-
fassen . Es hat zu lange gedauert, bis wir an diesen Kopf
der Hydra herangegangen sind .

Gut ist zumindest, dass wir als Parlament aufgrund
der Veröffentlichungen der Cum/Cum-Geschäfte der
Commerzbank genug Druck entwickeln konnten, um
den Gesetzentwurf des Ministeriums nachzuschärfen .
Wir stimmen dem Teil des Gesetzentwurfs betreffend die
Cum/Cum-Geschäfte zu, weil wir hoffen, dass sich damit
die bisherige Praxis beschränken lässt . Aber es bleibt die
Frage: Warum war der Entwurf des Ministeriums an die-
ser Stelle so schwach, dass wir ihn deutlich nachschär-
fen mussten? Warum ist bei der Begründung erneut der
Fehler unterlaufen, der schon 2007 gemacht wurde? Das
kann man nicht als zufriedenstellend bezeichnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


Eine Sache ist jetzt extrem wichtig, weil wir wissen,
dass die Probleme immer wieder von vorne anfangen . Es
bedarf jetzt einer gezielten Marktbeobachtung durch das
Bundesministerium der Finanzen und die nachgelagerten
Behörden, die Finanzaufsicht, das Bundeszentralamt für
Steuern und die Finanzverwaltungen der Länder . Diese
müssen vom ersten Tag an gezielt schauen, ob dieses Ge-
setz greift oder ob nachgesteuert werden muss . Wir kön-
nen es nicht zulassen, dass erneut rein steuergetriebene
Geschäfte gemacht werden, mit denen uns allen das Geld
aus der Tasche gezogen wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Ich will zum Hauptteil noch etwas sagen; die Zeit ist
kurz . Die erste Bemerkung ist: Komplexität kann man
nicht mit Komplexität bekämpfen . Ein großer Teil der
Komplexität, lieber Lothar Binding, kommt nicht daher,
dass die Bürgerinnen und Bürger sich ganz komplexe Sa-
chen ausdenken, sondern daher, dass ausgehend von der
Komplexität des Gesetzes komplexe Gestaltungen erfol-
gen, wir wieder mit komplexen Regelungen nachsteuern
und daraus noch komplexere Gestaltungen entstehen .


(Zuruf des Abg . Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Das ist etwas, was wir aus der Finanzaufsicht kennen:
Komplexität lässt sich nicht mit Komplexität bekämpfen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das ist in der Anhörung sehr deutlich geworden . Das
ist unsere Hauptkritik und ist der Grund dafür, weshalb
wir diesem Gesetz nicht zustimmen . Obwohl man jetzt
seit fünf Jahren an diesem Thema arbeitet, mit langer
Vorbereitungszeit, ist es nicht gelungen, die grundlegen-
de Problematik anzugehen; man bleibt vielmehr in der
Welt der Investmentbesteuerung . Diese Welt ist deswe-
gen so komplex, weil die zugrundeliegende Besteuerung
von Kapitalerträgen bei Veräußerungsgewinnen, bei
Dividenden und bei Zinsen so unterschiedlich ist . Man
versucht immer wieder, von der einen Einkunftsart etwas
in die andere zu schieben, um das Ergebnis optimal zu
gestalten .

Solange wir bei der Kapitalertragsbesteuerung keine
Vereinfachung erreichen, wird man das Problem nicht in
den Griff bekommen . Das aber wäre eigentlich die Auf-
gabe gewesen, die in einem fünfjährigen Gesetzgebungs-
prozess hätte geleistet werden können und müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es gab keine Lösung, ohne die Start-ups zu gefährden! Das ist die Aufgabe, die hier zu leisten ist!)


Es bleiben viele Detailprobleme, die ich aus Zeitman-
gel nicht ansprechen kann . Eine Grundfrage will ich aber
noch nennen . Warum wird die Anlage über Fonds gegen-
über der Direktanlage begünstigt? Warum entsteht für
den Kleinanleger eine, wenn auch kleine, Mehrbelastung
im Vergleich zu anderen Anlegerinnen und Anlegern?

Hier sind noch einige Probleme, die Sie nicht überzeu-
gend gelöst haben .

Zum Schluss möchte ich mir noch eine persönliche
Bemerkung erlauben . Wir haben es hier inzwischen mit
einer Komplexität zu tun, bei der ich als Abgeordneter,
der sich wirklich mit vielen diesbezüglichen Fragen und
intensiv mit diesem Gesetz beschäftigt hat, nicht mehr er-
fassen kann, was wir da tun . Wir übernehmen Verantwor-
tung in einem Bereich, in dem wir als Gesetzgeber die
zugrundeliegende Wirklichkeit und ihre Interaktion mit
dem Gesetz nicht mehr durchschauen können . Da muss
etwas getan werden .

Ich habe den Wissenschaftlichen Dienst um Unterstüt-
zung gebeten . Er hat die Segel gestrichen und gesagt: Da
können wir Ihnen nicht helfen . Da haben wir keine Ex-
pertise . – Ich meine, da müssen wir uns schon fragen, ob
wir diese Art von Gesetzgebung verantworten können .
Oder: Wie bekommen wir es hin, dass der Gesetzgeber
wieder in der Lage ist, die Wirklichkeit zu durchdringen
und so zu gestalten, dass Gesetze herauskommen, die im
Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind
und nicht im Interesse der wenigen Spezialisten, die das,
was hier läuft, noch verstehen?

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817619000

Vielen Dank . – Herr Kollege Hans Michelbach hat als

nächster Redner für die CDU/CSU das Wort .


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1817619100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem vorliegenden Gesetz zur Reform der Invest-
mentbesteuerung setzen wir einen weiteren Punkt zur
Verbesserung unseres Besteuerungssystems um . Dieses
Gesetz ist für mich der klare Beweis, dass es eben keinen
Stillstand in unserer Steuergesetzgebung gibt . Wir wer-
den heute die Besteuerung gerechter, einfacher, leichter
administrierbar und gestaltungssicherer machen . Das ist
ein Erfolg . Das ist generell unser Ziel, und das ist eine
Etappe, die wir heute erreichen . Das muss festgehalten
werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Deutschland gibt es etwa 50 Millionen Anleger in
Investmentfonds . Immerhin 15 Millionen Deutsche be-
sitzen Investmentanteile, viele durch ihre private Alters-
vorsorge . Wir sprechen hier von einer Größenordnung
von etwa 2 Billionen Euro .

Das zeigt zum einen die Dimension dieses Gesetzes,
zum anderen aber auch die Bedeutung; denn wir leisten
damit einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren und sta-
bilen Altersvorsorge . Im parlamentarischen Verfahren
kam es zu immerhin 24 Änderungsanträgen . Das zeigt
zum einen, welch großen Einfluss wir als Parlamentarier,
insbesondere unsere Berichterstatter, auf den Gesetzent-
wurf genommen haben; wir haben ihn verbessert . Zum
anderen zeigt das Lob aller Fachleute, dass wir in den

Dr. Gerhard Schick






(A) (C)



(B) (D)


parlamentarischen Verfahren offensichtlich vieles richtig
gemacht haben, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen .

Ich möchte mich ausdrücklich auch bei den Mitarbei-
tern des Bundesfinanzministeriums bedanken. Allen vor-
an danke ich dem Staatssekretär Dr . Michael Meister für
die gute Zusammenarbeit . Betrachte es, lieber Michael
Meister, geradezu als ein Geburtstagsgeschenk, dass wir
diesen Gesetzentwurf heute verabschieden . Herzlichen
Glückwunsch an Michael Meister!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ja, wir haben einiges erreicht, worauf wir zu Recht
stolz sein können . Ich nenne hier nur kurz etwa das The-
ma Immobilienfonds . Wir schaffen hier eine Übergangs-
frist, in der die Steuerfreiheit von Wertänderungen einer
Immobilie bis zur Inkraftsetzung des Gesetzes erweitert
wird . Das gilt allerdings nur, wenn zwischen Erwerb und
Veräußerung der Immobilie zehn Jahre liegen .

Durch das Investmentsteuerreformgesetz werden wir
unter Einhaltung von Steuerneutralität auf drei Gebieten
wesentliche Verbesserungen erreichen .

Zum Ersten auf der rechtlichen Seite . Durch die un-
terschiedliche Behandlung von in- und ausländischen
Fonds und bei der Besteuerung von Dividenden bestehen
akute europarechtliche Risiken, die wir mithilfe dieses
Gesetzes beseitigen . In Zukunft werden inländische Divi-
denden bei in- und ausländischen Investmentfonds glei-
chermaßen auf Fondsebene besteuert . Dadurch schließen
wir aus, dass gegen den Fiskus, also den Steuerzahler,
Forderungen in Milliardenhöhe geltend gemacht werden
können . Als Ausgleich für die Besteuerung auf Fonds-
ebene werden dafür auf der Ebene des Anlegers Teile
der Erträge von der Besteuerung freigestellt . Damit wird
gesichert, dass es zu keiner Doppelbesteuerung kommt .

Zum Zweiten nehmen wir bei Publikumsfonds einen
Systemwechsel vor . Wir senken hier durch ein neues Be-
steuerungssystem die sehr komplexen Anforderungen an
Publikumsfonds . Statt wie bisher über 30 Besteuerungs-
merkmale abzufragen, werden wir diese auf 4 senken .
Dadurch vereinfachen wir im Sinne aller Beteiligten –
für die Anleger, für die Steuerzahler und auch für die
Finanzverwaltung – die bis heute äußerst aufwendigen
sogenannten Massenverfahren . Denn wir senken auf der
einen Seite den Aufwand der Wirtschaft zur Ermittlung
der Besteuerungsgrundlagen, auf der anderen Seite ver-
ringern wir damit aber auch den Kontrollaufwand der
Verwaltung erheblich . Auch damit leisten wir wie schon
vor etwa einem Monat, als wir das Gesetz zur Moder-
nisierung des Besteuerungsverfahrens verabschiedet ha-
ben, einen weiteren Beitrag zur Entbürokratisierung und
Steuervereinfachung in Deutschland . Wir treten damit
immer neuen aggressiven Steuergestaltungen entgegen,
sodass wir eine gleichmäßige, an der Leistungsfähigkeit
orientierte Besteuerung erreichen .

Drittens und letztens . Das Gesetz wendet sich an Spe-
zialfonds, also an die institutionellen Anleger, die etwa
zwei Drittel aller Anleger ausmachen . Hier ist bis heute
der Gestaltungsspielraum sehr groß . Leider hat das dazu
geführt, dass es dadurch zu großen Missbräuchen kam;

es wurde angesprochen . Diese werden nun weiter ein-
geschränkt . Der Gesetzentwurf beabsichtigt, die Umge-
hung der Dividendenbesteuerung durch Cum/Cum-Ge-
schäfte zu unterbinden .


(Beifall des Abg . Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Wir werden dies erreichen, indem wir die Anre-
chenbarkeit der Kapitalertragsteuer auf Dividenden an
eine Mindesthaltefrist knüpfen . Künftig muss der Steu-
erpflichtige die Aktie für einen Mindestzeitraum von
45 Tagen halten und zudem ein Mindestmaß an wirt-
schaftlichem Risiko tragen, um die Kapitelertragsteuer
steuerlich anrechnen zu können . Konkret bedeutet dies,
dass der Entleiher einer Aktie einen Anteil des Wertän-
derungsrisikos übernehmen muss . Wir führen damit Haf-
tung und Risiko wieder zusammen . Das ist ein wichtiger
Bestandteil des Gesetzes, und für das Funktionieren der
Märkte ist dies unerlässlich .

Zudem verbessern wir die Anlagebedingungen für
Spezialfonds, sodass sie in Infrastrukturprojekte inves-
tieren können . Dadurch leisten wir einen wichtigen Bei-
trag zur Verbesserung unserer in einigen Teilen maroden
Infrastruktur .

Zum Schluss, meine Damen und Herren, lassen Sie
mich Folgendes noch einmal verdeutlichen: Mit dem
vorliegenden Gesetz werden natürlich nicht alle Gestal-
tungen ausgeräumt . Das ist ein immer laufender Prozess .
Wir haben aber mit der BEPS-Initiative und ähnlichen
Vorhaben schon vieles vorangebracht . Wir sind uns be-
wusst, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt, den wir
aber gezielt beschreiten wollen . Ansonsten wird durch
aggressive Steuergestaltung und findige Steuertricks
letztlich unser gesamtes Gesellschaftssystem gefährdet .
Das wollen wir nicht . Das will diese Regierungskoalition
nicht .

Deswegen: Lassen Sie uns den heutigen Tag als guten
Tag sehen! Aber wir werden weiter an der Sache arbei-
ten – gemeinsam mit unserem Partner in der Regierungs-
koalition .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817619200

Vielen Dank . – Als nächster und letzter Redner in die-

ser Debatte hat Andreas Schwarz von der SPD-Fraktion
das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Andreas Schwarz (SPD):
Rede ID: ID1817619300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Komplexe Fragen erfordern natürlich auch kom-
plexe Antworten . Das ist sicherlich auch der globalen
Welt geschuldet . Aber wir beschließen heute ein gutes
Gesetz . Es ist deshalb gut, weil wir damit im Kampf ge-
gen Steuerhinterziehung deutlich vorankommen . Schade
ist nur, dass es offenbar erst schärferer Gesetze bedarf,

Dr. h. c. Hans Michelbach






(A) (C)



(B) (D)


um dem Treiben diverser Jongleure der Finanzindustrie
Einhalt zu gebieten . Von Reue, Selbsterkenntnis oder gar
Bedauern, wenn man ertappt wird, ist in dieser Branche
eher selten die Rede . Dabei würde es doch schon reichen,
wenn das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns auch in der
Finanz industrie wieder für alle Akteure gelten würde .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


An dieser Stelle wird man als Politiker gern bestenfalls
als naiv tituliert . Da heißt es oft: Ihr seid selber schuld,
wenn wir all das machen, was nicht direkt verboten, aber
eben auch nicht wirklich erlaubt zu sein scheint . – Das
heute zu beschließende Gesetz gibt die richtigen Antwor-
ten . Zur Klarstellung und noch einmal für alle zum Mit-
schreiben: Steuerhinterziehung ist, war und bleibt illegal .

In einem Bild-Interview vom 11 . Mai 2016 ließ ein
Vorstand der Commerzbank, Michael Reuther, die Öf-
fentlichkeit wissen, dass seine Bank Cum/Cum-Trans-
aktionen künftig nicht mehr anbieten werde . Ich zitiere:

Wir ziehen uns aus diesem legalen Geschäft zurück,
weil es gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert ist .

Da frage ich mich schon, wie man darauf kommen
kann, dass das jemals akzeptiert war . Nein, Herr Reuther!
Ein Geschäft, bei dem der Staat, die Allgemeinheit, um
hohe Steuereinnahmen betrogen wird, ist weder legal
noch gesellschaftlich akzeptiert . Das ist ein Skandal, das
ist kriminell, lieber Herr Reuther .


(Beifall bei der SPD)


Banken haben ausländischen Investoren über viele
Jahre geholfen, bei Aktiengeschäften rund um den Divi-
dendenstichtag, wie wir es gerade gehört haben, die Steu-
erpflicht zu umgehen. Das kann und das darf sicherlich
nicht folgenlos bleiben . Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, darüber sind wir uns mit dem BMF völlig einig, und
deswegen machen wir dieses Gesetz . In Medienberich-
ten wird das BMF mit den Worten zitiert, Cum/Cum-Ge-
schäfte seien nicht kriminell, gleichwohl aber illegitim .
In der rechtlichen Bewertung hierzu würde ich mir ein
bisschen mehr Mut unseres Ministeriums wünschen .

Ich unterstütze in diesem Zusammenhang aber aus-
drücklich das, was Kollege Dr . Michelbach am 4 . Mai
2016 dem BR über das Geschäftsgebaren der Commerz-
bank sagte – ich zitiere auch ihn –:

Deswegen kann ich den Managern der Commerz-
bank und den anderen Bankmanagern nur zur
Selbstanzeige raten, weil sie nach meiner Ansicht
straffällig geworden sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Offenbar laufen aktuell in mehreren Bundesländern
Ermittlungen der Finanzbehörden gegen Betreiber von
Cum/Cum-Geschäften . Man sieht: Auch die Strafver-
folgungsbehörden sind an dem Thema dran, und das ist
auch gut so .

Lieber Kollege Güntzler, Sie haben am Mittwoch im
Finanzausschuss den Gesetzentwurf als Steuerrecht für

Feinschmecker bezeichnet . Wenn man sich beispielswei-
se die Neufassung mit der Mindesthaltedauer von 45 Ta-
gen, der Umkehrung der Beweislast oder der 70-Pro-
zent-Regelung beim Wertänderungsrisiko anschaut, dann
muss man sagen, dass wir in diesem Gesetzgebungsver-
fahren die Zutaten sicherlich erheblich verfeinert und
neu abgeschmeckt haben . Sollte der Finanzindustrie das
Essen noch nicht genug abgeschmeckt sein, werden wir
mit Sicherheit noch schärfere Gewürze und Zutaten fin-
den und auch hinzugeben . In diesem Sinne, meine lieben
Kolleginnen und Kollegen: Es ist angerichtet .

Ich danke für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817619400

Vielen Dank . – Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Re-
form der Investmentbesteuerung . Der Finanzausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/8739, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf den Drucksachen 18/8045 und 18/8345 in der Aus-
schussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist
der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit kommen wir
zu den nächsten Tagesordnungspunkten, den Tagesord-
nungspunkten 13 a bis 13 p:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Claudia Roth

(Augsburg), Dr . Valerie Wilms, Uwe Kekeritz,

weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Nachhaltige Entwicklungsziele in Deutsch-
land konsequent umsetzen

Drucksachen 18/7649, 18/8685

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr . Valerie
Wilms, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Ab-

Andreas Schwarz






(A) (C)



(B) (D)


geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 1 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Armut in jeder Form
und überall beenden

Drucksachen 18/6045, 18/7600

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung und Land-
wirtschaft (10 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Dr . Valerie
Wilms, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 2 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Den Hunger beenden,
Ernährungssouveränität und eine bessere
Ernährung erreichen und eine nachhaltige
Landwirtschaft fördern

Drucksachen 18/6046, 18/8680

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(14 . Ausschuss)

Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche,
Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 3 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Gesundes Leben für
alle ermöglichen und fördern

Drucksachen 18/6047, 18/8684

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 4 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Inklusive, gerechte
und hochwertige Bildung gewährleisten und
Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für
alle fördern

Drucksachen 18/6048, 18/8681

f) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja
Dörner, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 5 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Geschlechtergerech-
tigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen
und Mädchen erreichen

Drucksachen 18/6049, 18/8644

g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,

Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald,
Dr . Valerie Wilms, Britta Haßelmann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 6 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Verfügbarkeit und
nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und
Sanitärversorgung für alle gewährleisten

Drucksachen 18/6050, 18/7633 Buchstabe a

h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-
neten Dr . Julia Verlinden, Dr . Valerie Wilms,
Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 7 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Zugang zu bezahlba-
rer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemä-
ßer Energie für alle sichern

Drucksachen 18/6051, 18/7329

i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Dr . Valerie Wilms, Claudia Roth

(Augsburg), weiterer Abgeordneter und der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 8 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Dauerhaftes, inklu-
sives und nachhaltiges Wirtschaftswachs-
tum, produktive Vollbeschäftigung und
menschenwürdige Arbeit für alle fördern

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Valerie
Wilms, Kerstin Andreae, Claudia Roth

(Augsburg), weiterer Abgeordneter und der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 9 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Eine belastbare In-
frastruktur aufbauen, inklusive und nach-
haltige Industrialisierung fördern und In-
novationen unterstützen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Dr . Frithjof Schmidt, Dr . Valerie
Wilms, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 10 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Ungleichheit inner-
halb und zwischen Staaten verringern

Drucksachen 18/6052, 18/6053, 18/6054,
18/8437

j) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Christian
Kühn (Tübingen), Dr . Valerie Wilms, Britta

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 11 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Städte und Siedlungs-
flächen inklusiv, sicher, stabil und nachhaltig
machen

Drucksachen 18/6055, 18/6712

k) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch,
Dr . Valerie Wilms, Luise Amtsberg, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 12 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Für nachhaltige Kon-
sum- und Produktionsmuster sorgen

Drucksachen 18/6056, 18/6713

l) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Annalena
Baerbock, Dr . Valerie Wilms, Bärbel Höhn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 13 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Umgehend Maßnah-
men zur Bekämpfung des Klimawandels und
seiner Auswirkungen ergreifen

Drucksachen 18/6057, 18/8679

m) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke,
Dr . Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 14 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Ozeane, Meere und
Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen
Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen

Drucksachen 18/6058, 18/6714

n) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke,
Dr . Valerie Wilms, Harald Ebner, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 15 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Nachhaltige Nutzung
terrestrischer Ökosysteme schützen, wieder-
herstellen und fördern, Wälder nachhaltig be-
wirtschaften, die Wüstenbildung bekämpfen,
die Bodendegradation aufhalten und umkeh-

ren sowie den Verlust der biologischen Vielfalt
stoppen

Drucksachen 18/6059, 18/7633 Buchstabe b

o) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln),
Dr . Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 16 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Friedliche und inklusi-
ve Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen
Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang
zur Justiz ermöglichen und effektive, rechen-
schaftspflichtige und inklusive Institutionen
auf allen Ebenen aufbauen

Drucksachen 18/6060, 18/8743

p) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
Anja Hajduk, Dr . Valerie Wilms, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

UN-Nachhaltigkeitsziel 17 in Deutschland
schon jetzt umsetzen – Globale Partnerschaft
für nachhaltige Entwicklung jetzt wiederbele-
ben

Drucksachen 18/6061, 18/7632 Buchstabe b

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner in dieser
Debatte hat der Parlamentarische Staatssekretär Hans-
Joachim Fuchtel für die Bundesregierung das Wort .

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1817619500


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die heutige Debatte gibt auch der Bundesregierung die
Möglichkeit, ihre Strategie zur Umsetzung der SDGs in
kurzen Worten darzustellen . Eines ist uns allen klar: So,
wie es bisher war, kann es nicht weitergehen . Ich sage
ganz bewusst: nirgends auf der Welt und auch nicht hier
in Deutschland .

Ich nenne ein paar Beispiele . Deutschland verbraucht
im Jahr fast genauso viel Strom wie ganz Afrika . Pro
Kopf und Jahr stoßen wir in Deutschland fast 10 Ton-
nen CO2 aus, die Menschen in Bangladesch beispiels-
weise nur 1 Tonne . Wir in den Industrieländern stellen
20 Prozent der Menschheit und verbrauchen 80 Prozent
der Ressourcen .

Deswegen haben wir seit der Verabschiedung der
SDGs in New York – das war im Herbst des letzten Jah-
res – bis zum heutigen Tag – das ist der 9 . Juni 2016 –
sehr intensiv an der Frage gearbeitet, wie diese doch

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


sehr vielschichtige Materie für die Zukunft in Formate
gebracht werden kann, mit denen wir vorankommen .

Meine Damen und Herren, wir haben bereits seit län-
gerer Zeit eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie . Wir
haben uns vorgenommen, diese total umzubauen, sie
praktisch auf völlig neue Füße zu stellen und daraus eine
neue deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zu machen . Die
Bundeskanzlerin selbst hat in der letzten Woche die Ge-
legenheit wahrgenommen, den Entwurf dazu vorzustel-
len, um die Bedeutung zu unterstreichen, die diese Nach-
haltigkeitsstrategie für die Bundesrepublik Deutschland
hat und künftig haben wird . Wir stellen uns den großen
internationalen Herausforderungen . Wir halten unsere
Verpflichtungen aus der Agenda 2030 ein, und wir über-
nehmen unseren Teil der Verantwortung für nachhaltige
Entwicklung – weltweit .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Braunkohleverfeuerung!)


Als Zwischenergebnis zeichnet sich ab – das ist jetzt
sehr wichtig zu sagen –: Deutschland hat damit als einer
der ersten Staaten die globalen 17 Ziele aus der Agen-
da 2030 für nachhaltige Entwicklung konsequent in nati-
onale Politik übersetzt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber präzisiert! Die Details, bitte!)


– Sie bringen nur ein bisschen Papier ein und wiederho-
len Ihre Anträge, die Sie schon länger gestellt haben . Wir
gehen neue Wege . Das ist der Unterschied .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht!)


Meine Damen und Herren, die Nachhaltigkeits-
strategie ist das Bekenntnis der Bundesregierung zum
SDG-Prozess . Ich betone: Es ist das gemeinsame Ergeb-
nis der gesamten Bundesregierung . Uns ist ganz beson-
ders wichtig, dass wir die Zivilgesellschaft in einen Di-
alogprozess einbinden; denn wir wollen uns gemeinsam
mit der gesamten Gesellschaft auf den Weg machen, die
nationale Strategie und die internationale Strategie um-
zusetzen .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht einmal die CDU/ CSU!)


Wir passen unser Handeln überall dort an, wo es Fol-
gen für andere hat . Natürlich gibt es noch viel zu tun . Wir
werden überall dort, wo es notwendig ist, die nachhaltige
Entwicklung unterstützen . Ich nenne hier nur zwei Bei-
spiele:

Umwelt- und Klimaschutz . Wir werden die Mittel für
den Klimaschutz bis 2020 verdoppeln, auf dann verita-
ble 4 Milliarden Euro . Ich betone: Wir möchten auch in
Deutschland nicht nachlassen . 2014 haben wir es zum
allerersten Mal geschafft, dass die Wirtschaft wächst und
der CO2-Ausstoß sinkt . In diese Richtung müssen wir
weiterarbeiten .

Ich nenne noch ein weiteres Beispiel: Einhaltung von
Umwelt- und Sozialstandards entlang der gesamten Lie-
ferketten, eine neue Toolbox für Entwicklungspolitik der
Zukunft . Hier nenne ich das Textilbündnis, mit dem wir
immerhin schon 60 Prozent des Marktes abdecken . Wir
wollen in anderen Branchen weiterarbeiten, zusammen
mit Unternehmen, Gewerkschaften und mit der Zivilge-
sellschaft . Wir sagen an unsere eigene Adresse: Wir müs-
sen hier ein Beispiel geben .

Die öffentliche Beschaffung umfasst jedes Jahr insge-
samt 300 Milliarden Euro . Wir haben uns vorgenommen,
dass bis zum Jahre 2020 mindestens die Hälfte der öf-
fentlich beschafften Textilien aus fairer Produktion stam-
men soll .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, das sind Wege, die ganz-
heitliche Ansätze beinhalten . Ich denke, das sind die er-
folgreichen Wege der Zukunft . Ich lade Sie alle ein, da-
ran mitzuwirken .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817619600

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Heike Hänsel

für die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817619700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Herr Fuchtel, Sie haben gesagt, Sie würden jetzt
fundamental umdenken und hier eine ganz neue Politik
entwerfen .


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja!)


Ehrlich gesagt, haben wir in den letzten Minuten über-
haupt nichts davon gehört .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Zuhören!)


Wenn man sich diese überarbeitete Nachhaltigkeitsstra-
tegie anschaut, dann findet man darin genau dasselbe
wieder, was Sie in den letzten drei Jahren erzählt haben .
Es fehlt an einem Politikwechsel, der überfällig wäre .

Sehen wir uns die Situation in der Welt an: 60 Mil-
lionen Menschen sind auf der Flucht, weil sie keine
Perspektiven haben, weil sie vor Krieg und Krisen, vor
Klimafolgen fliehen müssen. Es braucht einen Politik-
wechsel, und den haben Sie bisher nicht geliefert .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss schon sagen: Dass Sie alles anders machen,
fängt schon einmal damit an, dass die Überarbeitung der
nun vorgelegten Nachhaltigkeitsstrategie eigentlich unter
weitgehendem Ausschluss des Parlaments stattgefunden
hat . Ich weiß nicht, wer von Ihnen an der Erarbeitung der
Nachhaltigkeitsstrategie beteiligt war . Ein paar wenige?
Obwohl wir gesagt haben, dass die Umsetzung der nach-
haltigen Entwicklungsziele eine Menschheitsaufgabe ist,

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel






(A) (C)



(B) (D)


die mit möglichst breiter Beteiligung der Parlamente, der
Zivilgesellschaft, der Bewegungen angegangen werden
sollte – das muss doch ein Ziel von uns allen sein –, stel-
len Sie lediglich die Strategie auf die Webseite, die man
sich jetzt herunterladen kann und zu der man dann viel-
leicht noch ein paar Kommentare verfassen kann . Aber
im Grunde müssen wir doch von Anfang an viel umfas-
sender in die Entwicklung der entsprechenden Politik
einbezogen sein .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich mir die Strategie anschaue, dann erkenne
ich: Von den 250 Seiten beziehen sich ganze vier Sei-
ten auf die Friedens- und Außenpolitik, und das vor dem
Hintergrund, dass wir so viele Kriege und Krisen in der
Welt haben wie nie zuvor, vor dem Hintergrund, dass
im Moment eines der größten NATO-Manöver seit dem
Ende des Zweiten Weltkrieges läuft – Anaconda –, das ei-
gentlich nur dazu beiträgt, dass wir eine Politik der Auf-
rüstung, der Abschreckung, der Aggression vorantreiben,
die viele neue Mittel für Rüstung und Aufrüstung binden
wird – Frau von der Leyen hat es bereits angekündigt:
130 Milliarden Euro für die Ausrüstung des Militärs –,
die wir jedoch für die soziale und zivile Entwicklung, für
den Klimaschutz, für die regenerativen Energien, für all
das bräuchten, was unser Leben ausmacht . Diese Mittel
wollen Sie für eine zerstörerische Politik von Krieg und
Aufrüstung binden, und das lehnen wir ab .


(Beifall bei der LINKEN)


Die zweite große Herausforderung ist die Bekämp-
fung der sozialen Ungleichheit, die uns die Vereinten Na-
tionen aufgegeben haben . Es geht um die Bekämpfung
der großen sozialen Ungleichheit in der Welt, auch hier
in Europa und in Deutschland. Was findet man hierzu in
der Nachhaltigkeitsstrategie? So gut wie nichts . Es fehlt
vor allem der entscheidende Punkt, dass wir den vorhan-
denen Reichtum endlich umverteilen müssen . Das wäre
übrigens auch ein guter Beitrag zur ökologischen Nut-
zung unserer Ressourcen, weil dieser Reichtum bereits
erwirtschaftet ist; da bräuchte man gar keine neuen Res-
sourcen zu verbrauchen . Umverteilung ist eine höchst
soziale und ökologische Antwort auf die große, schrei-
ende soziale Ungerechtigkeit weltweit . Deshalb fordern
wir: Wir brauchen endlich eine gerechte Besteuerung des
unglaublichen Reichtums, den es weltweit und auch hier
in Deutschland gibt . Wir brauchen eine Bekämpfung der
systematischen Steuervermeidung . All das sind Beiträge
zu einer nachhaltigen Entwicklung, wie sie die Vereinten
Nationen einfordern .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Frage eines gerechten Handels haben Sie nur
ganz bescheiden am Rande erwähnt . Sie haben das Tex-
tilbündnis genannt . Sie schreiben in Ihrer Strategie wei-
terhin von der „Förderung von nachhaltigen Lieferket-
ten durch globale Partnerschaften mit Wirtschaft“ usw .
Das ist alles so unverbindlich . Wir haben es doch in den
letzten Jahren erlebt: Diese unverbindlichen Bündnisse
führen nicht dazu, dass sich substanziell etwas verän-
dert . Wir müssen dazu richtige Gesetze entwickeln, die

die Möglichkeit von Sanktionen vorsehen . Die sozialen
Rechte müssen endlich in den Handelsverträgen veran-
kert werden, und die Regelungen müssen sanktionsfähig
sein . Vor dieser Form der Handelspolitik drücken Sie sich
seit Jahren . Sie machen weiter wie bisher . Sie wollen die
Märkte der Länder des Südens öffnen, anstatt endlich zu
sagen: Wir setzen auf einen gerechten Handel . – Wir wer-
den das weiterhin einfordern . Sie sind noch weit davon
entfernt, dass es endlich zu einer neuen Politik kommt .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817619800

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat die Parla-

mentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter
das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/ CSU])


Ri
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1817619900


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Transformation hin zu einer nachhalti-
gen, klima- und umweltverträglichen und sozial inklu-
siven Entwicklung ist ein schwieriger und langer Weg .
Wir müssen sie gemeinsam entschlossen angehen . Es ist
erstmals gelungen, die Entwicklungsziele systematisch
mit Umweltzielen und guten Lebensbedingungen zu ver-
knüpfen . Das hat die Weltgemeinschaft im vergangenen
Jahr beim Gipfel in New York und auch in Paris, bei der
Unterzeichnung des Klimaabkommens, sehr wohl deut-
lich gemacht .

Das Umsteuern hin zu einem Strukturwandel, der dazu
führt, dass wir weniger Ressourcen und weniger Energie
verbrauchen, bei dem wir den Ressourcenverbrauch von
der wirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln und unseren
ökologischen Fußabdruck verkleinern, bei dem wir die
bestehenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten re-
duzieren, ist die Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren
miteinander angehen müssen . Nur wenn uns das gelingt,
werden wir das Anliegen der Agenda, niemanden zurück-
zulassen und unseren Planeten zu schützen, erreichen
können .

Ich will den Fokus auf den Klimaschutz legen . Die
G-7-Staaten haben im vergangenen Jahr beschlossen,
die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts zu dekarboni-
sieren – wir haben also noch eine ganz schöne Wegstre-
cke vor uns –, und das beinhaltet nachhaltiges Leben und
Wirtschaften und den bewussten Umgang mit natürlichen
Ressourcen . Dabei müssen wir alle mitnehmen, nicht nur
international, sondern auch national . Wir brauchen nach-
haltige Produktions- und Konsummuster; das ist keine
einfache Aufgabe . Wir müssen entsprechende Anreize
setzen. Wir müssen die Effizienz fortlaufend steigern.
Wir müssen die Inanspruchnahme der Ressourcen ent-
sprechend reduzieren .

Heike Hänsel






(A) (C)



(B) (D)


Wir sind nun einmal ein Industriestaat, der umsteu-
ern muss . Ich möchte in den Vordergrund stellen, dass
die Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht klein
sind, aber eine riesige Chance bieten . Progressive Un-
ternehmen haben bereits sehr wohl erkannt, dass eine
Nachhaltigkeitsagenda auch eine Modernisierungsagen-
da sein kann und dass man diese nutzen muss . Deswegen
gibt es viele Unterstützer auch im Bereich der großen
Wirtschaftsunternehmen. Man muss nur die Benefits ins
Schaufenster stellen, um zu zeigen, dass wir die Unter-
nehmen tatsächlich mitnehmen .

Wir müssen die 17 SDGs klug miteinander verknüp-
fen und dabei auch die Zivilgesellschaft mitnehmen . Ja,
die Bundesregierung hat die neue Nachhaltigkeitsstrate-
gie vorgestellt; sie steht jetzt im Internet . Die Zivilgesell-
schaft ist eingeladen, breit mitzudiskutieren .

Mein Kollege Herr Silberhorn und ich reisen im Juli
nach New York, um unseren ersten Bericht zur SDG-Um-
setzung vor der UN vorzustellen . Bisher haben wir es im-
mer so gehalten, sowohl Vertreter der Zivilgesellschaft,
der Gewerkschaften, vor allem Jungdelegierte mitzuneh-
men – darum geht es nämlich: die Welt für die nächsten
Generationen lebenswert zu erhalten –, als auch Vertreter
der Wirtschaft mitzunehmen . In diesem Sinne wollen wir
den Dialog führen und miteinander weiter vorangehen,
und das wird uns auch gelingen .

Es nützt uns nichts, wenn wir dauernd nur darauf hin-
weisen, wie schlimm und wie furchtbar alles ist und dass
das Glas halb leer ist .


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vielmehr müssen wir gemeinsam die Chancen, die sich
uns bieten, in den Mittelpunkt und ins Schaufenster stel-
len, und zwar nicht nur die Chancen, die sich für uns als
Industriestaat bieten . Es geht vor allem darum, die Ent-
wicklungsländer zu befähigen, zum Beispiel im Bereich
erneuerbare Energien, ihre Energieversorgung zukunfts-
fähig zu machen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817620000

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Claudia Roth

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Agenda 2030 ist ein Bekenntnis der
Welt zur Interdependenz . Weltweite nachhaltige Ent-
wicklung ist nur zu erreichen, wenn jedes Land Maßnah-
men ergreift, die nicht nur dem eigenen Land, sondern
auch der gesamten Weltgemeinschaft zugutekommen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Satz stammt nicht von mir . Er steht in einem Be-
richt, den die Bundesregierung im Juli auf dem High-le-

vel Political Forum der UNO in New York vorstellen
möchte und der aufzeigen soll, wie weit wir in Deutsch-
land bei der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele be-
reits gekommen sind . Das ist der eine Punkt .

Schaue ich mir dann aber den Entwurf der neuen
deutschen Nachhaltigkeitsstrategie an, die ja das Haupt-
instrument zur Umsetzung der Agenda 2030 bilden soll,
dann habe ich erhebliche Schwierigkeiten, die konkrete
Umsetzung dieses klugen Satzes auch nur im Ansatz zu
finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Bundesregierung bekennt sich zum Beispiel dazu,
die Armutsbekämpfung gemäß SDG 1 zum obersten Ziel
deutscher Entwicklungsarbeit zu erheben und den Kampf
gegen Hunger gemäß SDG 2 mit jährlich 1,5 Milliarden
Euro Entwicklungsgeldern zu unterstützen . Aber nicht
Gerd Müller und die Entwicklungspolitik allein werden
Armut und Hunger beenden können . Vielmehr braucht es
dazu eine grundlegende Reform der europäischen Agrar-
politik,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg . Dr . Sascha Raabe [SPD])


einen längst überfälligen Paradigmenwechsel im globa-
len Handelssystem – Frau Hänsel hat eben darauf hin-
gewiesen –, den Sie, werte Bundesregierung, auf satten
249 Seiten nicht einmal im Ansatz zu skizzieren wagen .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Skandal!)


Außerdem: Wie wollen Sie im Juli in New York ernst-
haft vermitteln, dass sich Deutschland mit aller Kraft
für die Bekämpfung des Klimawandels gemäß SDG 13
starkmacht, wenn das Wort „Kohle“ in der Nachhaltig-
keitsstrategie nicht ein einziges Mal vorkommt? Ist das
glaubwürdig?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Wie wollen Sie den deutschen Beitrag zum globalen
Frieden – SDG 16 – glaubwürdig bewerben, ohne gleich-
zeitig ein Ende von Rüstungsexporten an Autokraten und
in Krisengebiete zu verkünden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meinen Sie es wirklich ernst, wenn Sie zur Bekämp-
fung der Ungleichheit in und zwischen den Ländern –
SDG 10 – voller Stolz ankündigen, sich auch weiterhin
für den Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemm-
nisse einsetzen zu wollen? Gerade diese Art der unter-
schiedslosen Liberalisierungspolitik hat den Entwick-
lungsländern doch erst jede Möglichkeit zur Regulierung
genommen und die Schere zwischen Arm und Reich im-
mer weiter auseinandergehen lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stellen heute
ein ganzes SDG-Paket zur Abstimmung . Wir, die ganze
Fraktion, und zwar alle Bereiche, haben uns die Mühe
gemacht, in 17 Anträgen genau diese 17 Ziele herunter-
zudeklinieren, zu definieren, was jedes einzelne Ziel der
Nachhaltigkeitsagenda für uns in Deutschland bedeutet .
Herr Fuchtel, das ist kein Papierhaufen – so ähnlich ha-
ben Sie es genannt –, sondern das ist ein klarer Hand-
lungsauftrag für die Politik, diese Ziele bei uns zu Hause
umzusetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben einen weiteren Antrag vorgelegt – das ist
unser 18 . Antrag –, mit dem wir aufzeigen, welche struk-
turellen und kohärenzschaffenden Reformen umgesetzt
werden müssen, damit nicht jedes einzelne Ministerium
alleine vor sich hin arbeitet – irgendwo, irgendwann, ir-
gendwie – und der Bundestag bestenfalls zuschaut, wie
übrigens auch bei den Vorbereitungen für die Konferenz
in New York, weil er nicht aktiv einbezogen worden ist .

Wenn Sie es also ernst meinen mit der Agenda 2030 –
das nehme ich jetzt einmal an –, wäre es vielleicht ein
Anfang, dieses SDG-Paket zur Abwechslung einmal
nicht reflexartig abzuschmettern, nur weil es von der Op-
position kommt, sondern sich unsere Vorschläge einmal
wirklich in Ruhe anzusehen . Glauben Sie mir, es lohnt
sich .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817620100

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Andreas Jung

für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1817620200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal möchte ich unterstreichen, dass der
Deutsche Bundestag zu jedem Zeitpunkt, in jedem Stadi-
um der Erarbeitung, der Weiterentwicklung dieser Nach-
haltigkeitsstrategie aufs Engste eingebunden war und
eingebunden bleibt,


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Arbeitsund Sozialausschuss war nichts! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine kühne Behauptung! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Vielleicht die Koalitionsabgeordneten!)


und zwar auf mehrere Arten und Weisen .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht in den relevanten Ausschüssen!)


Wir haben zum einen den Parlamentarischen Beirat für
nachhaltige Entwicklung . Kolleginnen und Kollegen al-

ler Fraktionen aus diesem Gremium sind auch hier mit
dabei .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden über die Ausschüsse des Bundestages!)


– Der Nachhaltigkeitsbeirat ist ein Gremium des Bun-
destages, und genau dieses Gremium ist von uns als
Bundestag damit beauftragt worden, die Nachhaltig-
keitsstrategie zu begleiten . Das haben Sie mit dem Ein-
setzungsbeschluss mit entschieden .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Müssen wir uns alle in den Beirat setzen?)


– Sie sind bei den Sitzungen immer herzlich willkom-
men . Frau Roth war schon einmal dabei .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ich war auch schon einmal da!)


Alle Kolleginnen und Kollegen sind eingeladen .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ministerien müssen daran arbeiten! Die sind gar nicht da!)


Wir stehen in einem ständigen Dialog mit dem Bun-
deskanzleramt, das federführend ist . Wir sind in die
Veranstaltung in der nächsten Woche, in der die ers-
ten Stellungnahmen gesammelt werden, eingebunden .
Selbstverständlich werden wir auch bei der Tagung in
New York im Juli dabei sein . Das heißt, wir sind aufs
Engste eingebunden . Wir bringen uns mit starken Stel-
lungnahmen, übrigens fraktionsübergreifend, ein . Das ist
das Erste .

Das Zweite ist, dass die Anträge, die Sie zu den
17 SDGs gestellt haben, in den unterschiedlichen Aus-
schüssen – das kann ich für meinen Ausschuss, für den
Ausschuss für Wirtschaft und Energie, sagen – beraten
werden, und wir beraten sie auch hier im Parlament .


(Zuruf des Abg . Dr . Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich finde, wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir
sind . Wir als Parlament haben eine treibende Rolle in Sa-
chen Nachhaltigkeit, und die nehmen wir auf vielfältige
Weise wahr .

Zur Sache . Sie fordern, dass das, was in New York
beschlossen wurde, hier beherzt umgesetzt wird . Genau
das wird mit der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeits-
strategie getan .

Die Bundesregierung hat mit unserer Begleitung die
17 SDGs an die jeweiligen Arbeitsbereiche in entspre-
chender Zuständigkeit der Ministerien weitergeleitet .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber nicht an die Ausschüsse!)


Dadurch wird die Strategie weiterentwickelt, und zwar
so, dass auch inhaltlich Neues angestoßen wird .

Ich meine, wir haben allen Grund, auf diesem Weg
weiterzugehen . Deutschland wird das erste Land sein,
das im Juli auf internationaler Ebene diesen Prozess dar-
stellen wird, auch ein Stück weit als Vorbild für andere,

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


um zu zeigen, wie man das tun kann . Da sind gute Ideen
immer richtig, und Engagement ist angezeigt . Aber mei-
nes Erachtens können wir ein Stück weit eben auch auf
die Art und Weise stolz sein, wie wir das hier gemeinsam
mit Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft angehen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein!)


Das ist ein breiter Prozess, der die Nachhaltigkeitsstrate-
gie insgesamt voranbringen wird .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich meine aber, dass wir als Parlament durchaus den
Anspruch haben müssen, dies noch mehr ins Zentrum zu
rücken . Deshalb ist es übrigens gut, dass wir auch einmal
zu solcher Stunde über Nachhaltigkeit diskutieren . Das
war manchmal in der Vergangenheit nur zu späterer Stun-
de im Parlament . Schon das ist ein erstes Zeichen .

Unsere Auffassung als Nachhaltigkeitsbeirat ist, dass
es jedes Jahr eine Grundsatzdebatte im Parlament geben
sollte – das haben wir selber in der Hand –, um zu dis-
kutieren, welche Fortschritte es denn bei der Nachhal-
tigkeitsstrategie gibt, wo es noch Dinge zu tun gibt und
wo das Ganze schon auf einem guten Weg ist . Das haben
wir selber in der Hand und sollten wir als Parlamentarier
auch tatsächlich angehen .

Zudem sollten wir unsere Stimme in der EU einbrin-
gen . Das will ich deutlich sagen, im Übrigen auch für alle
Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirats . Es macht uns Sor-
gen, dass die EU noch immer nicht darüber entschieden
hat, ob sie ihre Nachhaltigkeitsstrategie überhaupt fort-
führen möchte . Wenn wir international doch eine Rolle
spielen können, dann als Europäer gemeinsam . Unsere
Vorreiterrolle würde infrage gestellt werden, wenn diese
europäische Nachhaltigkeitsstrategie eingestampft wür-
de . Deshalb ist unser gemeinsames Eintreten, ist unser
gemeinsamer Kampf notwendig, dass auch die EU hier
beherzt vorangeht und diese Signale setzt . Dann, so glau-
be ich, können wir als Europäer uns in diesen interna-
tionalen Prozess stark einbringen . Dass dies notwendig
i
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1817620300
Wir können nicht einfach
so weitermachen wie bisher . Die SDGs, der Weltzu-
kunftsvertrag, müssen jetzt mit Leben gefüllt werden . –
Das tun wir national wie auf der internationalen Ebene .

Aber wir müssen auch die bilateralen Anstrengungen,
die Zusammenarbeit mit den Partnerländern und auch
mit den Entwicklungsländern verstärken . Da ist das Tex-
tilbündnis, das er ebenfalls erwähnt hat, ein besonders
gutes Beispiel dafür, wie aus einer Initiative aus Deutsch-
land heraus ganz konkret Verbesserungen auf den Weg
gebracht werden .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf die Ergebnisse warten wir noch! Noch ist ja nichts entschieden!)


Daran müssen wir weiter arbeiten, und auf diese gemein-
same Arbeit freue ich mich .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817620400

Vielen Dank . – Als letzter Redner in dieser Debatte

hat Christoph Strässer für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1817620500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, wir sollten ein bisschen herunterfahren: Wir
sind am Beginn eines Prozesses, der ein ganz massives
Umdenken in unseren Köpfen, aber auch in den Köpfen
unserer Partnerinnen und Partner, von Ländern des glo-
balen Südens, wie wir es immer so schön sagen, erfor-
dert . Deswegen bin ich ganz froh darüber – das sage ich
ganz offen –, dass wir heute 17 Anträge –


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein! 17 plus 1! 18!)


eigentlich sind es ja nur 16; zwei Ziele sind ja in der Be-
handlung nicht mehr vorgekommen – vorliegen haben .
Deshalb kann ich Ihnen auch sagen: Das, was darin steht,
wird bei den weiteren Beratungen sicherlich eine wichti-
ge Rolle spielen .

Sie können aber, bitte schön, nicht erwarten, dass wir
zu Beginn des Prozesses über 17 oder 16 Anträge ent-
scheiden, die dann Bindungswirkung entfalten, obgleich
der Prozess auf der nationalen Ebene gerade erst begon-
nen hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb sage ich ganz klar und ganz deutlich: Ich bin
mit dem, was da im Moment prozessual auf den Weg
gebracht worden ist, inhaltlich in vielen Punkten nicht
einverstanden . Aber genau deshalb ist es doch so wichtig,
dass wir frühzeitig über diesen Entwurf der neuen Nach-
haltigkeitsstrategie reden können . Insofern ist dies auch
eine Werbeveranstaltung, um den Menschen, die hier
oben auf den Tribünen sitzen, deutlich zu machen, dass
es die Möglichkeit gibt, den Entwurf zu kommentieren .

Das kann man jetzt belächeln, aber ich meine schon,
dass wir damit das ganz wichtige Signal aussenden, dass
jeder Mensch in dieser Republik, der sich mit diesem
Thema ernsthaft auseinandersetzt, dazu etwas sagen
kann, und dass wir letztendlich diejenigen sind, die über
diesen Prozess und die Bürgerbeteiligung zu wachen
haben . Das können wir heute zusagen und versprechen,
meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich glaube im Übrigen auch, dass wir in diesem Pro-
zess noch etwas anderes tun müssen . Ich habe es schon
gesagt: Es ist ein Prozess des Umdenkens . Die SDGs stel-

Andreas Jung






(A) (C)



(B) (D)


len für das Verhältnis zwischen den Staaten dieser Welt
einen Paradigmenwechsel dar . Es gibt nicht mehr dieses
Wohlfühlgefühl, dass wir sagen: Wir schauen jetzt, dass
die Menschen nicht mehr in Armut leben . Wir schauen
jetzt, wie das mit der Bildung und wie die Situation der
Frauen dort ist . Nein, in den SDGs – das ist das Neue –
sind Ziele formuliert, die für alle Staaten verbindlich
sind . Das heißt also, wir schauen nicht nur nach Afrika,
nach Südostasien und nach Lateinamerika, sondern wir
schauen auch ins eigene Land .

Ich werde gleich noch zwei Beispiele nennen, wo wir,
wenn wir nach außen glaubwürdig arbeiten wollen, das
eine oder andere bei uns noch tun müssen . Gerade was
SDG 10 und SDG 5 angeht, Gleichstellung innerhalb von
Gesellschaften, Verteilung von Armut und Reichtum in
Gesellschaften, müssen wir auch unsere eigenen Haus-
aufgaben machen . Ich bin gespannt, welche Positionen
wir zur Besserstellung von Frauen in ganz vielen Gesell-
schaften formulieren werden, wenn wir zum Beispiel im
Rahmen der SDGs über Gleichstellung in den Gesell-
schaften reden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist aus meiner Sicht eine ganz zentrale Aufgabe, weil
wir sehen, dass Frauen in vielen Staaten, die sich ent-
wickeln, die Lastenträgerinnen sind und dass sie immer
noch benachteiligt sind . Wir können etwas dazu beitra-
gen, um an dieser Stelle glaubwürdig sagen zu können:
Wir fördern die Frauen in diesen Gesellschaften . Das
werden dann starke Gesellschaften .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich schaue noch einmal ins eigene Land . Ich will nie-
manden ärgern, aber ich sage ganz bewusst an dieser
Stelle: Wenn wir engagiert in diesem Prozess nach außen
treten und sagen, dass wir Gleichstellung in allen Lebens-
bereichen wollen, insbesondere für Frauen, dann werden
die Menschen uns fragen: Wie ist das denn eigentlich bei
Ihnen? Ich denke hier an die Themen Gleichstellung von
Frauen in der Arbeitswelt und Lohngleichheit. Ich finde,
das gehört zusammen . Das scheint jetzt weit weg zu sein,
aber solange wir diese Frage nicht positiv beantworten
können, fehlt uns unsere Glaubwürdigkeit nach außen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr regiert übrigens! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können die beantworten!)


Deshalb finde ich, dass wir hier einen ganz wichtigen
Prozess angestoßen haben . Ich glaube, dass wir in diesem
Parlament eine Menge in dieser Hinsicht tun können .
Deshalb stimme ich Ihnen, Herr Jung, komplett zu . Wir
sollten nach der umfassenden Anhörung im November
zu diesem Thema hier im Plenum des Deutschen Bun-
destags eine länger dauernde, ein- bis zweistündige Aus-
sprache in der Kernzeit machen,


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Zwei Stunden!)


um zu sagen, in welche Richtung der Deutsche Bundes-
tag mit der Zivilgesellschaft, mit den Ländern und den
Kommunen auf diesem Weg gehen will . Das nutzt un-
serer Glaubwürdigkeit . Dann können wir auch unsere
Rolle, die wir in der Welt in Anspruch nehmen, erfüllen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb lehnt ihr jetzt unsere Anträge ab!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817620600

Vielen Dank . – Damit schließe ich die Aussprache,

und wir kommen zu den Abstimmungen .

Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung zu dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Nachhaltige Entwicklungsziele in Deutsch-
land konsequent umsetzen“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8685,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/7649 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op-
position angenommen worden .

Wir kommen nun zu den Beschlussempfehlungen ver-
schiedener Ausschüsse zu Anträgen der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen, mit denen schon jetzt die Umsetzung
der UN-Nachhaltigkeitsziele 1 bis 17 in Deutschland
gefordert wird . Aufgrund der hohen Anzahl der Anträge
werde ich jeweils nur eine Kurzfassung des Antragstitels
nennen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schade! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir ergänzen das dann!)


– Ich kann versichern, dass jeder wissen wird, worum es
geht, auch bei der Kurzfassung; denn sie ist so gewählt
worden, dass jeder weiß, worum es geht . Keine Sorge .

Tagesordnungspunkt 13 b . Der Ausschuss für Arbeit
und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/7600 die Ablehnung des Antrags zum
UN-Nachhaltigkeitsziel 1 auf der Drucksache 18/6045
mit dem Titel „Armut in jeder Form und überall been-
den“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des
Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und einigen Gegenstimmen der
Fraktion Die Linke und bei Enthaltung des größeren An-
teils der Fraktion Die Linke angenommen worden .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 13 c . Der Aus-
schuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8680
die Ablehnung des Antrags zu UN-Nachhaltigkeitsziel 2
auf Drucksache 18/6046 mit dem Titel „Den Hunger

Christoph Strässer






(A) (C)



(B) (D)


beenden, Ernährungssouveränität und eine bessere Er-
nährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft
fördern“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist
auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die
Linke angenommen worden .

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 13 d . Der
Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/8684 die Ablehnung
des Antrags zu UN-Nachhaltigkeitsziel 3 auf Druck-
sache 18/6047 mit dem Titel „Gesundes Leben für alle
ermöglichen und fördern“ . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es
jemanden, der sich enthalten möchte? – Dann ist diese
Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition
gegen die Stimmen der Opposition angenommen wor-
den .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 13 e . Der Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/8681 die Ablehnung des Antrags zu
UN-Nachhaltigkeitsziel 4 auf Drucksache 18/6048 mit
dem Titel „Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung
gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Ler-
nens für alle fördern“ . Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist auch diese Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen und zweier Abgeordneter
aus der Fraktion Die Linke bei Enthaltung aller anderen
Mitglieder der Fraktion der Linken angenommen wor-
den .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 13 f . Der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/8644 die Ablehnung des Antrags zu UN-Nach-
haltigkeitsziel 5 auf Drucksache 18/6049 mit dem Titel
„Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für
alle Frauen und Mädchen erreichen“ . Wer stimmt für die-
se Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt
es jemanden, der sich enthält? – Nein . Damit ist diese
Beschlussempfehlung mit der Mehrheit der Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen und der Fraktion Die Linke sowie mehrerer
Kollegen der SPD-Fraktion angenommen worden .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 13 g . Der Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/7633 die Ablehnung
des Antrags zu UN-Nachhaltigkeitsziel 6 auf Drucksa-
che 18/6050 mit dem Titel „Verfügbarkeit und nachhal-
tige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung
für alle gewährleisten“ . Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich je-
mand? – Das ist nicht der Fall . Dann ist diese Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen worden .

Ich komme zum Tagesordnungspunkt 13 h . Der Aus-
schuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/7329 die Ab-
lehnung des Antrags zum UN-Nachhaltigkeitsziel 7 auf
Drucksache 18/6051 mit dem Titel „Zugang zu bezahlba-
rer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie
für alle sichern“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es jemanden, der
sich enthalten möchte? – Dann ist auch diese Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 13 i . Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Energie . Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/8437 die Ablehnung des Antrags
zum UN-Nachhaltigkeitsziel 8 auf Drucksache 18/6052
mit dem Titel „Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges
Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und
menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? –
Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen
der Koalition gegen die Stimmen der Opposition ange-
nommen worden .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags zum UN-Nachhaltigkeitsziel 9 auf
Drucksache 18/6053 mit dem Titel „Eine belastbare In-
frastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industri-
alisierung fördern und Innovationen unterstützen“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Gibt es jemanden, der sich enthalten möch-
te? – Dann ist auch diese Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositi-
on angenommen worden .

Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrages zum UN-Nachhaltigkeitsziel 10 auf
Drucksache 18/6054 mit dem Titel „Ungleichheit inner-
halb und zwischen Staaten verringern“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? – Dann ist
auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men worden .

Wir kommen nun zu fünf Beschlussempfehlungen des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit .

Tagesordnungspunkt 13 j. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6712 die
Ablehnung des Antrags zum UN-Nachhaltigkeitsziel 11
auf Drucksache 18/6055 mit dem Titel „Städte und Sied-
lungsflächen inklusiv, sicher, stabil und nachhaltig ma-
chen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit
ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke an-
genommen worden .

Tagesordnungspunkt 13 k. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6713 die
Ablehnung des Antrags zum UN-Nachhaltigkeitsziel 12

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


auf Drucksache 18/6056 mit dem Titel „Für nachhaltige
Konsum- und Produktionsmuster sorgen“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Gegen-
stimmen durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 13 l. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8679 die
Ablehnung des Antrags zum UN-Nachhaltigkeitsziel 13
auf Drucksache 18/6057 mit dem Titel „Umgehend Maß-
nahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner
Auswirkungen ergreifen“ . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es
jemanden, der sich enthalten möchte? – Damit ist diese
Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition ge-
gen die Stimmen der Opposition angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 13 m. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6714
die Ablehnung des Antrags zum UN-Nachhaltigkeits-
ziel 14 auf Drucksache 18/6058 mit dem Titel „Ozeane,
Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhalti-
gen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Be-
schlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition ge-
gen die Stimmen der Opposition angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 13 n. Der Ausschuss empfiehlt
unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/7633 die Ablehnung des Antrags zum
UN-Nachhaltigkeitsziel 15 auf Drucksache 18/6059 mit
dem Titel „Nachhaltige Nutzung terrestrischer Ökosyste-
me schützen, wiederherstellen und fördern, Wälder nach-
haltig bewirtschaften, die Wüstenbildung bekämpfen, die
Bodendegradation aufhalten und umkehren sowie den
Verlust der biologischen Vielfalt stoppen“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 13 o . Der Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/8743 die Ablehnung des
Antrags zum UN-Nachhaltigkeitsziel 16 auf der Druck-
sache 18/6060 mit dem Titel „Friedliche und inklusive
Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung
fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen
und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive In-
stitutionen auf allen Ebenen aufbauen“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? – Damit ist
auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men worden .

Tagesordnungspunkt 13 p . Der Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung empfiehlt
unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/7632 die Ablehnung des Antrags zum
UN-Nachhaltigkeitsziel 17 auf Drucksache 18/6061 mit

dem Titel „Globale Partnerschaft für nachhaltige Ent-
wicklung jetzt wiederbeleben“ . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist auch diese Beschlussempfeh-
lung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen worden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt die Ta-
gesordnungspunkte 14 a und 14 b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur ver-
besserten Durchsetzung des Anspruchs der
Urheber und ausübenden Künstler auf ange-
messene Vergütung

Drucksache 18/8625
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Tabea
Rößner, Renate Künast, Dr . Konstantin von Notz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Urheberinnen und Urheber stärken – Urhe-
bervertragsrecht reformieren

Drucksache 18/7518
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so
beschlossen .

Ich kann die Aussprache eröffnen . Als erster Redner
hat für die Bundesregierung der Parlamentarische Staats-
sekretär Christian Lange das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1817620700


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Im Urheberrecht geht es Schlag auf Schlag .
Nachdem erst Anfang des Monats das Verwertungsge-
sellschaftengesetz in Kraft getreten ist, beschäftigt sich
der nun vorliegende Entwurf der Bundesregierung mit
dem Urhebervertragsrecht .

Urhebervertragsrecht, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, das klingt juristisch, das klingt technisch, das klingt
vielleicht sogar langweilig . Aber eins kann ich Ihnen ver-
sichern: Langweilig ist es auf gar keinen Fall . Es geht
dabei nämlich um das Recht der Vertragsbeziehungen
zwischen Kreativen und Verwertern, also zum Beispiel
zwischen Journalisten und Zeitungsverlegern oder zwi-
schen Schauspielern und Filmproduzenten . Vor allem

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


aber geht es dabei um die Sicherung einer angemessenen
Vergütung für diejenigen, die unsere Kultur prägen, die
Kunst schaffen, die uns zum Nachdenken bringen, zum
Lachen, die uns informieren, die uns irritieren .

Und es geht dabei auch um Gerechtigkeit, darum, Ge-
rechtigkeit herzustellen in einem Bereich, in dem noch
viel zu oft das Recht des Stärkeren herrscht, wo sich der-
jenige durchsetzt, der wirtschaftlich am längeren Hebel
sitzt und letztlich einen Preis diktiert, der oft unangemes-
sen niedrig ist . Wir wollen also mit unserem Gesetzes-
vorhaben die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wie-
der auf Augenhöhe verhandelt werden kann .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ganz kurz
die wesentlichen Neuregelungen des Entwurfs nennen .
Der Urheber, der dem Verwerter gegen eine pauschale
Vergütung ein ausschließliches Nutzungsrecht einge-
räumt hat, darf sein Werk nach Ablauf von zehn Jahren
auch anderweitig vermarkten . Der erste Vertragspartner
kann aber weiterhin verwerten . Von der Regelung nicht
betroffen sind Branchen, die nach dem Beteiligungsprin-
zip vergüten, also etwa die Buchbranche, in der sich das
Honorar üblicherweise nach den abgesetzten Stückzah-
len richtet .

Die Kreativen erhalten ein ausdrücklich geregeltes ge-
setzliches Recht auf Auskunft über erfolgte Nutzungen .
Das ist in vielen Fällen zwar schon heute der Standard,
aber nicht überall . Die entsprechende Regelung steht
künftig ausdrücklich im Gesetz .

Der Grundsatz der angemessenen Vergütung auch für
mehrfache Nutzung eines Werks oder einer künstleri-
schen Darbietung wird gestärkt . Das ist nötig; denn ge-
rade im digitalen Umfeld vervielfachen sich die Verbrei-
tungswege . Das soll künftig bei der Vergütung stärker
berücksichtigt werden .

Diese Grundsätze schützen den Urheber . Von ihnen
kann nur über Tarifverträge oder Vergütungsregelungen,
die von Verbänden der Kreativen und der Verwerter auf
gleicher Augenhöhe fair ausgehandelt worden sind, zum
Nachteil der Kreativen abgewichen werden, also – mit
anderen Worten – dann, wenn sich die zuständigen Ver-
bände zum Beispiel darüber verständigen, in welchen
Fällen auch Pauschalvergütungen oder zeitlich unbe-
grenzte Rechtseinräumungen gegen faire Bezahlung in
Ordnung sind .

Die Reform führt zudem eine Verbandsklage ein . Ur-
heberverbände können Unternehmen auf Unterlassung in
Anspruch nehmen, wenn diese sich nicht an ausgehan-
delte Absprachen – etwa über Honorare – halten . Das
ist wichtig; denn so wird der einzelne Kreative aus der
Schusslinie genommen .


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, der Regierungsentwurf
ist – so meine ich – ausgewogen und durchdacht, aber er
ist natürlich nicht in allen Einzelheiten in Stein gemei-
ßelt . Ich weiß, dass der Entwurf und seine Auswirkun-
gen auch hier in diesem Hohen Haus sorgfältig geprüft

werden . Lassen Sie uns gern über Einzelheiten der Rege-
lungen streiten . Aber aus meiner Sicht ist eines klar: Die
Situation der Urheber und ausübenden Künstler muss
verbessert werden . Genau dazu leistet dieser Entwurf ei-
nen wichtigen Beitrag .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817620800

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt

Sigrid Hupach das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Sigrid Hupach (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817620900

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon sehr
erstaunlich, wie Sie sich heute hierhinstellen und den
vorliegenden Entwurf für eine Neugestaltung des Urhe-
bervertragsrechts als Erfolg und Fortschritt verkaufen
wollen, ohne dabei rot zu werden . Sie behaupten wider
besseres Wissen, dass mit dem Gesetz die Position der
Urheberinnen und Urheber und der ausübenden Künst-
lerinnen und Künstler gestärkt wird, sodass sie ihren An-
spruch auf eine angemessene Vergütung besser durchset-
zen können .

Der Gesetzentwurf hält aber bei weitem nicht, was er
verspricht . Noch schlimmer: Er bringt denen, die unter
der fehlenden Vertragsparität bisher zu leiden hatten,
überhaupt gar nichts .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Haben Sie nicht zugehört?)


– Ich werde Ihnen das gleich noch im Detail sagen .

Die Aktion „Auf Augenhöhe“, zu der unter anderem
der Journalistenverband aufgerufen hatte und an der
sich viele namhafte kulturschaffende Künstlerinnen und
Künstler und Urheberinnen und Urheber letzten Mitt-
woch vor dem Reichstag beteiligten, hat das noch einmal
ganz deutlich gemacht . Zentrale Aussage war: So richtig
die Reformziele sind, so wenig taugen die Vorschläge,
um sie zu erreichen . – So ist es . Der vorgelegte Gesetz-
entwurf schwächt die Position derer, denen er zu helfen
vorgibt .

Das, was nötig wäre, stand in Ansätzen im Referen-
tenentwurf aus Ihrem Haus . Sie wissen eigentlich, was
zu tun ist, aber Sie sind vor der Verwerterseite und vor
Ihrem Koalitionspartner eingeknickt .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Verheerend ist das vor allem, weil viele Kreative drin-
gend auf wirksame Regelungen warten, damit sich ihre
zum Teil erschreckend prekäre Lage endlich verbessert .

Meine Fraktion hat bereits in der letzten Legislatur
einen Gesetzentwurf vorgelegt, der echte und weitgehen-
de Lösungsvorschläge für den dringenden Reformbedarf
unterbreitet hat . Es geht um faire Vergütung bzw . um

Parl. Staatssekretär Christian Lange






(A) (C)



(B) (D)


ein gutes Einkommen, damit man von einer kreativen,
schöpferischen Arbeit leben kann, und damit man für
den Krankheitsfall, für Zeiten ohne Aufträge und für das
Alter vorsorgen kann . Das Urhebervertragsrecht ist ein
zentrales Instrument, um die Rahmenbedingungen genau
dafür auszugestalten .

Ein wirklicher Fortschritt wäre das Gesetz, wenn sich
darin der Grundsatz wiederfinden würde, jede Leistung
zu vergüten . Der Gesetzentwurf versteckt sich stattdes-
sen hinter der schwammigen Formulierung der Häufig-
keit und fördert den Abschluss von Pauschalverträgen,
statt sie zu unterbinden .

Ein Fortschritt wäre es auch dann, wenn darin eine
Auskunftspflicht für die Werknutzer festgeschrieben
würde . Der Gesetzentwurf beschränkt sich stattdessen
auf einen nebulös formulierten und von verschiedenen
Ausnahmen begleiteten Auskunftsanspruch, der zudem
nur für Pauschalvergütungen über circa 100 Euro gilt,
wie der Minister im März im Plenum zugeben musste .
Damit wären aber fast alle freien Journalistinnen und
Journalisten oder Fotografinnen und Fotografen ausge-
schlossen, für die gerade die Auskunftspflicht wichtig
gewesen wäre .

Einen Fortschritt gäbe es auch, wenn ein Rückruf-
oder Kündigungsrecht gesetzlich verankert würde . Im
Gesetzentwurf gibt es jedoch nur ein Zweitverwertungs-
recht nach zehn Jahren, das zudem nur bei Pauschal-
vergütungen wirksam wird . Ein Fortschritt wäre auch,
wenn ein starkes Verbandsklagerecht sichergestellt und
Schlichtungsergebnisse für verbindlich erklärt würden .
Aber auch hier laufen die Vorschläge im Gesetzentwurf
ins Leere .

Angesichts der Debatte der letzten Monate muss man
vielleicht auch mit einem Missverständnis aufräumen .
Die Regelungen im Urhebervertragsrecht sollen als wirk-
same Druckmittel gestaltet sein, sodass die Verwerter
genötigt sind, sich an den Verhandlungstisch zu setzen,
gemeinsame Vergütungsregeln auszuhandeln und sich
dann auch daran zu halten . Darin können die Rückruf-
und Auskunftsrechte usw . anders und ganz bereichsspe-
zifisch geregelt werden.

Sicher, man kann darin einen Eingriff in die Vertrags-
freiheit sehen . Aber dieser Eingriff ist nötig,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


um der strukturellen Ungleichheit und den zum Teil
wirklich sittenwidrigen Verhältnissen entgegenzuwirken .

Es stehen sich eben nicht gleichberechtigte Verhand-
lungspartner gegenüber, sondern auf der einen Seite die
häufig einzeln agierenden Kreativen – freie Schriftsteller,
Journalistinnen, Filmemacher, Drehbuchautorinnen und
andere – und auf der anderen Seite verhandlungsstarke
Labels, Internetvertriebsformen, Sendeanstalten oder in-
ternational agierende Verlagskonzerne, die den Print- wie
den Onlinebereich zugleich bespielen .

Von Vertragsparität kann dabei überhaupt nicht die
Rede sein . Zu unterschiedlich sind die Kräfteverhält-
nisse . Dies zeigte schon die bisherige Debatte um den

Referentenentwurf . Die Verwerterseite hat sich einmal
mehr durchgesetzt . Die Urheberinnen und Urheber und
die ausübenden Künstlerinnen und Künstler haben das
Nachsehen . Das kann und darf nicht so bleiben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817621000

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Elisabeth

Winkelmeier-Becker von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1817621100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben erst vor
wenigen Wochen über ein anderes wichtiges Projekt des
Urheberrechts gesprochen, nämlich über die Regelung
des Rechts der Verwertungsgesellschaften . Jetzt folgt der
nächste Schritt .

Ich denke, wir halten uns ran, um unseren Koalitions-
vertrag an dieser Stelle Schritt für Schritt abzuarbeiten .
Es ist gut für ein Land der Dichter und Denker, dass wir
uns um gute Regeln im Bereich des Urheberrechts küm-
mern .

Beim Urheberrecht geht es jetzt um den Interessen-
gegensatz zwischen Verwertern auf der einen Seite und
Künstlern auf der anderen Seite . Aber ich denke, man
muss den Blick darauf richten, dass eigentlich beide im
selben Boot sitzen . Beide haben ein Interesse daran, dass
das gemeinsame Werk gut verkauft wird und wirtschaft-
lich ein Erfolg ist . Deshalb ist es wichtig, dass wir uns
gegen die teilweise vorhandene Gratismentalität gerade
im Internet wenden . Es ist auch gut, dass mit dem Ver-
schwinden der Piratenpartei von der politischen Platt-
form auch diese ein Stück weit verschwunden ist . Wir
dürfen uns nichts vormachen: Gute kreative Leistungen
haben ihren Preis . Die Kunden bzw . die Nutzer müssen
bereit sein, diesen zu zahlen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich darf sagen, dass wir gerade aufseiten der Rechts-
politiker mit gewissen Sorgen auf die weitreichenden
Regeln bei der Haftung für privates WLAN schauen . Die
weitgehende Beschränkung der Haftung an dieser Stel-
le darf nicht von Plattformen ausgenutzt werden, die ein
Geschäftsmodell daraus machen, illegale Nutzungen zu
ermöglichen, und selber daran verdienen, ohne dass die
Kreativen einen gerechten Anteil bekommen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Urheberrecht selber hat nun die Aufgabe, dafür zu
sorgen, dass das eingenommene Geld zwischen den ver-
schiedenen Beteiligten fair verteilt wird . Darüber wird
in einer Marktwirtschaft verhandelt . Nicht alles wird per
Gesetz vorgegeben . Aber mein Eindruck nach Gesprä-
chen, die ich mit verschiedenen Gruppen geführt habe,

Sigrid Hupach






(A) (C)



(B) (D)


ist, dass es hier – das wurde schon angesprochen – keine
Vertragsparität auf Augenhöhe gibt . In den verschiede-
nen Branchen ist die Situation sehr unterschiedlich . Es
geht hier um Regeln, die für Musiker, Autoren, Journalis-
ten, Drehbuchautoren und viele andere gelten sollen . Das
beste Mittel, um hier zu fairen Regelungen zu kommen,
sind gemeinsame Vergütungsregeln, damit die Branche
weiß, wie die Kriterien aussehen, nach denen das Geld
verteilt wird . Das ist der richtige Weg, zu dem dieses
Gesetz neue Anreize geben soll . Es soll die Stellung der
Kreativen stärken . Mehrfachvergütung, Auskunftsan-
spruch und das Recht auf anderweitige Verwertung sind
genauso wichtig wie gemeinsame Vergütungsregeln, die
einen gerechten und fairen Ausgleich ermöglichen .

Ähnliche Erwartungen waren schon an die vorherige
Reform des Urheberrechts geknüpft . Sie haben sich aber
nicht ganz erfüllt . Wir müssen schauen, woran das lag .
Hier sind beide Seiten aufgerufen, mehr aufeinander zu-
zugehen und dieses Instrument zu nutzen . Bei den Künst-
lern liegt es häufig an der fehlenden Bereitschaft, sich
zu organisieren und Mitglied eines Verbands zu werden .
Auf der anderen Seite gibt es eine zu große Zurückhal-
tung . Es ist deshalb richtig, dass im Gesetz festgelegt ist,
dass grundsätzlich der Verband, der die meisten Mitglie-
der in einer Branche hat, aufgerufen ist, eine gemeinsame
Vergütungsregel zu verhandeln und zu vereinbaren . Die
gemeinsamen Vergütungsregeln geben mehr Möglich-
keiten . Nur im Rahmen gemeinsamer Vergütungsregeln
kann man von einigen gesetzlichen Vorgaben abweichen .
All das soll dazu führen, dass von diesem Instrument
mehr Gebrauch gemacht wird .

Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus die Möglich-
keit der Verbandsklage vor, die es ermöglichen soll, Ver-
einbarungen umzusetzen . Wir sind zwar nicht gerade die
besten Freunde von Verbandsklagen . Aber wir müssen
uns damit auseinandersetzen, dass wir hier ein gravieren-
des Problem, genannt Blacklisting, haben . Es besteht da-
rin, dass der Name desjenigen, der seine Rechte geltend
macht, von den Auftragslisten gestrichen wird . Dass das
ausgerechnet auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
verbreitet ist, ist beschämend . Das darf nicht sein . Der
öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sichere Einnahmen
aus Gebühren und kann daraus die Künstler gerecht und
fair bezahlen . Wir müssen zu einer Lösung dieses Pro-
blems kommen . Hier sind diejenigen aufgerufen, die in
den Selbstverwaltungsgremien des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks mitwirken . Diese Praxis dürfen wir nicht wei-
ter hinnehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wichtig ist aus meiner Sicht zudem, dass wir nun in
den anstehenden parlamentarischen Beratungen noch
einmal die Grundlage der Verwertungsgesellschaften in
den Blick nehmen . Hier hat die europäische Rechtspre-
chung dazu geführt, dass die Verleger nicht mehr betei-
ligt werden können . Wir denken, dass wir jeden Spiel-
raum nutzen müssen, den uns das europäische Recht gibt,
auch in dem anstehenden Verfahren zu einer besseren
und dauerhaften Grundlage für die Praxis der Verwer-
tungsgesellschaften zu kommen . Einiges liegt vor uns .
Ich freue mich auf die Beratungen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1817621200

Vielen Dank . – Tabea Rößner hat für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen jetzt das Wort .


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817621300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Leider ist der Justizminister nicht da .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Die Vorsitzende des Rechtsausschusses ist auch nicht da!)


– Das ist richtig . Aber es wäre schön, mit dem Justizmi-
nister direkt darüber zu diskutieren, aber egal .

Eine Reform des Urhebervertragsrechts – das muss-
te der Bundesjustizminister in den vergangenen Wochen
und Monaten erleben – ist eine ziemlich knifflige Ange-
legenheit . Dabei hat er sich eine ganz schön blutige Nase
geholt; denn letztlich ist niemand mehr so richtig mit
dem Entwurf zufrieden .

Erst hat der Minister den großen Retter aller Urhe-
berinnen und Urheber gegeben, um dann in der letzten
Sekunde eine Kehrtwende zu vollziehen, sodass von den
hehren Ankündigungen kaum noch etwas übrig blieb .
Rückrufrecht, Verbot von Total Buy-out oder Auskunfts-
recht sind bis zur Unkenntlichkeit gestutzt worden .

Eine ganz ähnliche Situation hat es schon einmal ge-
geben, bei der Reform vor 14 Jahren . Auch damals ging
es darum, Urheber zu stärken, damit sie ihren Anspruch
auf angemessene Vergütung durchsetzen können . Damals
hat man gegenüber den Verwertern gekniffen, und heute,
da Sie den Fehler endlich beheben könnten, kneifen Sie
auch . Ein Trauerspiel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Sigrid Hupach [DIE LINKE])


So ist mir völlig unverständlich, warum Sie die Ver-
bindlichkeit des Schiedsverfahrens zur Aufstellung ge-
meinsamer Vergütungsregeln nicht aufgenommen haben .
Sie, Frau Winkelmeier-Becker, heben hervor, dass die
gemeinsamen Vergütungsregeln so wichtig sind; genau
diese Verbindlichkeit wäre doch notwendig, weil genau
das einer der Knackpunkte ist, an denen die angemessene
Vergütung scheitert . Es gibt keine Verbindlichkeit . Jeder
kann zu jedem Zeitpunkt aus dem Verfahren aussteigen .
Dabei wäre das doch ein sinnvoller Hebel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen waren wir vor vier Jahren schon viel wei-
ter, nämlich als die Enquete-Kommission „Internet und
digitale Gesellschaft“ fraktionsübergreifend und einstim-
mig – das war bei nur ganz wenigen Punkten überhaupt
der Fall – genau dies empfohlen hat . Da erwarte ich von
einem Minister, dass er nicht hinter die bereits beschlos-
senen Empfehlungen zurückfällt .

Ja, es gibt sie, die schlecht vergüteten Urheberinnen
und Urheber – Kollegin Hupach hat das eben schon er-

Elisabeth Winkelmeier-Becker






(A) (C)



(B) (D)


wähnt –, und das sind nicht nur einige wenige . Es gibt
die Branchen, in denen Machtverhältnisse zulasten der
Kreativen maßlos ausgenutzt werden . Das sind keine
Ammenmärchen, sondern das zeigen Studien, Umfragen
und Gerichtsverfahren . Hier gibt es ganz klaren Hand-
lungsbedarf .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Allerdings: Eine Regelung mit einem Eine-für-al-
les-Ansatz werden wir nicht finden. Dafür funktionieren
diese unterschiedlichen kreativen Branchen zu verschie-
den . Von der Autorin zum Designer, von Software über
Film bis zum Hörfunk, Buch- und Drehbuchautoren,
Übersetzer, Journalisten – die Kette ist lang . Radikale
Lösungen, die die Missstände nur einzelner Branchen im
Fokus haben, sind vielleicht gut gemeint, können aber in
einem anderen Umfeld ganz schnell das Gegenteil be-
wirken . Es ist Ihnen zuzugestehen, dass Sie wenigstens
dies erkannt zu haben scheinen . Ihr Gesetzentwurf ist
aber am Ende nicht konsequent . Viele Urheberinnen und
Urheber sind von diesem halbherzigen Wurf deshalb zu
Recht enttäuscht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aus einem Recht zum Rückruf der Rechte nach fünf
Jahren ist nun ein nicht exklusives Zweitverwertungs-
recht nach zehn Jahren geworden . Das ist nicht Fisch und
nicht Fleisch . Damit helfen Sie weder denjenigen, für
die ein Rückrufrecht von Vorteil wäre, noch beseitigen
Sie die mit dem Rückruf verbundenen negativen Folgen;
denn in den Branchen, in denen eine exklusive Verwer-
tung besonders wichtig ist, geht das meist über den Zeit-
raum von zehn Jahren hinaus . So kann man dann nicht
mehr kalkulieren .

Beim Auskunftsrecht sehen Sie jetzt so viele Ausnah-
men vor, dass seine Anwendung ziemlich schwammig
wird . Andererseits soll es weiterhin gegenüber jedem
Werknutzer gelten . Angesichts all dieser Lizenzierungs-
ketten und digitalen Massennutzungen geht das an der
Realität komplett vorbei .

Ich will noch einmal daran erinnern, worum es hier
eigentlich geht: Es geht um die angemessene Vergütung
von Urheberinnen und Urhebern . Sie machen neue Fässer
auf . Dabei könnten wir viel einfacher die vorhandenen
Regelungen anpassen . Es ist ja bereits so, dass Verwerter
die Nutzungsrechte nicht brachliegen lassen dürfen . Sie
sollen die Urheber dafür angemessen vergüten, und sie
sollen sie an zusätzlichen Erträgen beteiligen . Das alles
ist bereits jetzt im Urhebervertragsrecht geregelt . Dass
das in manchen Branchen weniger funktioniert als in
anderen, dass ungleiche Machtverhältnisse zulasten der
Urheber ausgespielt werden, da müssen wir ran, und das
ziemlich dringend .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen Instrumente, die aufzeigen, was wofür
wie oft mindestens gezahlt werden sollte, und dies muss
man dann auch durchsetzbar machen. Die effiziente Ge-
staltung des Verfahrens zur Aufstellung branchenspezi-
fischer gemeinsamer Vergütungsregeln, Verbandsklage-
und Auskunftsrechte sind für dieses Ziel ganz wesentlich .
Mit Ihrem Gesetzentwurf wollten Sie ursprünglich ein-

mal viel Gutes . Dann aber haben Sie das Ziel leider aus
den Augen verloren .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Sigrid Hupach [DIE LINKE])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817621400

Vielen Dank, Frau Kollegin Rößner . – Schönen guten

Abend! – Der nächste Redner ist Christian Flisek für die
SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1817621500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolle-

ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Lange, ich bin
froh, dass wir heute hier das zweite große urheberrecht-
liche Reformprojekt dieser Koalition in erster Lesung
verhandeln . Es ist ein gutes Zeichen . Ich betone noch
einmal: Die Lethargie im Urheberrecht ist vorbei .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Frau Kollegin Rößner, wo gearbeitet wird, da fallen
nun einmal auch Späne, da wird diskutiert . Man holt sich
deswegen nicht gleich eine blutige Nase, sondern man ist
mittendrin in intensiven Debatten . Und es ist auch gut für
das Urheberrecht, dass man all diese Debatten führt . Nur
wer nichts tut, holt sich keine blutige Nase, weil eben
auch nicht diskutiert werden kann mangels irgendwel-
cher gesetzgeberischen Aktivitäten .

Das ist jetzt vorbei . Wir sind mittendrin im Reform-
prozess . Wenn insbesondere über das Urhebervertrags-
recht und über das Urheberrecht geredet wird, dann hört
man immer ganz gerne Formeln wie: Na ja, da geht es
um einen fairen und angemessenen Ausgleich zwischen
Nutzern, Verwertern und Kreativen . – Dann gibt es in der
Regel Applaus – momentan nicht . Sie wissen schon: Ich
bin kein Freund von solchen wolkigen Formulierungen,
weil sie eines verdecken: Man muss irgendwo mal Farbe
bekennen .

Wir haben im Koalitionsvertrag Farbe bekannt . Wir
haben gesagt: Wir wollen beim Urhebervertragsrecht
etwas für die Urheber tun . Wir wollen die Position der
Kreativen in diesem Land stärken, weil wir in der Pra-
xis mittlerweile einige Exzesse – das kann man durchaus
sagen – erleben, die dazu führen, dass Urheber und Ver-
werter nicht auf Augenhöhe miteinander verhandeln . Die
sogenannte Vertragsparität ist gestört .

Deswegen sagen wir, die Koalition, und insbesondere
wir, die SPD-Bundestagsfraktion: Wir wollen die Positi-
on der Urheber hier stärken .


(Beifall bei der SPD)


Wenn wir das Urheberrecht verhandeln, verhandeln wir
nichts anderes als die Lohnbedingungen unzähliger kre-
ativ tätiger Menschen in diesem Land, und das ist aller
Mühe und Anstrengungen wert .

Tabea Rößner






(A) (C)



(B) (D)


In den Reden ist schon angesprochen worden, welche
Kräfte und welche unterschiedlichen Interessen im Urhe-
berrecht schalten und walten . Sie müssen in der Tat nur
den Referentenentwurf und den Kabinettsentwurf gegen-
überstellen, um zu sehen, was das Ergebnis ist . Ich sage
es deutlich: Der Referentenentwurf, das war Justizminis-
terium pur . Nachdem dieser Entwurf im Kabinett war,
haben wir jetzt halt eine etwas andere Situation .

Ich kann hier nur sagen: Wir befinden uns in der ers-
ten Lesung . Wir werden ein intensives parlamentarisches
Verfahren durchführen . Wir werden diesen Reformpro-
zess intensiv begleiten . Wir werden uns um viele Din-
ge kümmern, und wir werden sie uns genau anschau-
en . Das betrifft die Mehrfachvergütung . Das betrifft
die Reichweite des Auskunftsanspruchs, die Frage des
Zweitverwertungsrechts . Wir werden uns mit der Situ-
ation der Total Buy-outs beschäftigen, und wir werden
uns die Frage stellen, ob die Regelungen hierzu derzeit
nicht tatsächlich dazu führen, dass Menschen in solche
Buy-outs getrieben werden . Das soll nicht heißen, dass
manche es wollen . Aber wir werden es sicherlich nicht
komplett verbieten . Die Option muss offen bleiben . Aber
sie sollen nicht hineingetrieben werden . Wir werden uns
auch intensiv mit der Frage beschäftigen, wie die kollek-
tiven Vergütungsregelungen – sie sind wichtig – zustande
kommen .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin Herrn Staatssekretär Lange ausdrücklich dank-
bar dafür, dass er in seiner Rede hier noch einmal deut-
lich gemacht hat, dass das Ganze nicht in Stein gemeißelt
ist, dass wir auch in enger Kooperation mit der Expertise
Ihres Hauses, Herr Staatssekretär, dieses Verfahren hier
im Parlament offen führen können . Das werden wir auch
tun .


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, der rote Faden, wenn Sie
so wollen, aus meiner Sicht ist der, dass wir den einzel-
nen Urheber bei allem, was er verhandelt, ein wenig aus
der Schusslinie nehmen wollen . Der einzelne Kreative,
der sich einem großen Verwerter gegenübersieht, einem
Verlag, einem Filmproduzenten, der einzelne Drehbuch-
autor, der einzelne Kameramann – ich denke an all die
Menschen, die zu dem Gelingen eines kreativen Werkes
beitragen –, hat nicht die Position – es sei denn, er ist
einer der großen Stars; aber das ist ein ganz anderes The-
ma; um die brauchen wir uns nicht zu kümmern –, Bedin-
gungen zu verhandeln, sondern bekommt sie vorgesetzt .
Er muss sie akzeptieren, oder er ist aus dem Geschäft . In
der Praxis in einigen Branchen ist es so, dass oft noch
nicht einmal die Rechtsprechung des BGH, des Bundes-
gerichtshofs, eingehalten wird .

Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen, dass die ein-
zelnen Kreativen gestärkt werden, dass sie in der Lage
sind, die Bedingungen gemeinsam über ihre Verbände zu
verhandeln . Dazu gehört auch, ehrlich gesagt – das an die
Adresse all der Kreativen, die uns jetzt vielleicht zuhö-
ren –, dass sie sich in Zukunft stärker organisieren . Das
ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Funk-
tionieren kollektiver Vergütungsregelungen . Wir werden
dafür sorgen, dass dort, wo diese Regelungen verletzt

werden, nicht der Einzelne klagen muss, sondern seine
Rechte über seinen Verband geltend machen kann .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn Sie so wollen: Das, was im Arbeitsrecht seit
vielen Jahren gut und vernünftig funktioniert, soll auf
die Kreativbranche übertragen werden . Ich persönlich
verspreche mir davon auch einen Schritt hin zu einem
branchenspezifisch ausdifferenzierten Urheberrecht. Das
werden wir positivrechtlich gar nicht regeln können .
Ich bin überzeugt: Das würde jeden Gesetzgeber über-
fordern . Wer, wenn nicht diejenigen aus der jeweiligen
Branche, die sich da gegenübersitzen, weiß am besten,
was Sache ist? Ich habe große Hoffnung, dass uns das
gelingt .

Ein letzter Satz .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817621600

Ein allerletzter Satz .


Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1817621700

Ein allerletzter Satz, Frau Präsidentin . – Wir werden

bei dem Reformprojekt auch im Auge behalten, wie es
um die Einnahmen aus der Geräteabgabe in Zukunft be-
stellt ist . Sie kennen das Thema: Reprobel, Vogel . Es geht
um die Frage: Wie ist zwischen Urhebern und Verlagen
zu verteilen? Das hat zu einer enormen Schieflage in der
deutschen Verlagslandschaft geführt . Wir werden das in-
tensiv im Auge behalten . Wenn nationale Lösungen mög-
lich sind, werden wir uns sicherlich nicht scheuen, diese
anzugehen .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817621800

Vielen Dank, Herr Kollege Flisek . – Nächster Redner:

Dr . Stefan Heck für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Stefan Heck (CDU):
Rede ID: ID1817621900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir beraten im Rechtsausschuss sehr viele The-
men, auch sehr viele Themen, die für das gesellschaft-
liche Zusammenleben in unserem Land wichtig sind .
Aber darunter ist das Urheberrecht schon ein besonderes
Thema . In keinem anderen Rechtsgebiet ist der Gegen-
stand, den wir als Gesetzgeber regeln, der durch Verträge
geregelt wird, so eng mit der Persönlichkeit der Betroffe-
nen verbunden wie im Bereich des Urheberrechts . Dieses
Rechtsgebiet hat in der Zwischenzeit eine ganz enorme
wirtschaftliche Bedeutung erlangt; wir als Gesetzgeber
sollten hier ganz besonders sensibel vorgehen . Es ist
nicht nur Eigentumsrecht, sondern es ist immer auch Per-
sönlichkeitsrecht, das hier betroffen ist .

Bei einem Blick auf die Branche stellt man aus meiner
Sicht zweierlei fest:

Christian Flisek






(A) (C)



(B) (D)


Erstens . Die Branche – das haben wir schon gehört –
ist unglaublich vielfältig . Es beginnt mit den klassischen
Ausdrucksformen, etwa dem Buch; da geht es um Autor
und Verleger . Es geht weiter mit Musik, Fernsehen, Film
und geht bis hin zu unglaublich komplexen Gewerken
in Computerspielen und vielen anderen Dingen . Alle die
müssen wir am Ende mit einem Vertragswerk, dem Urhe-
berrecht, regeln . All diesen individuellen Erscheinungs-
formen muss das Urheberrecht gerecht werden .

Zweitens kann man feststellen, dass das Miteinander
in diesen Branchen zumeist gut, fair und partnerschaft-
lich ist . Ausdruck davon ist nicht selten eine oft jahrzehn-
telange Zusammenarbeit zwischen Autoren auf der einen
und Verlagen auf der anderen Seite . Trotzdem – auch das
haben wir schon gehört – gibt es Ungleichgewichte und
Ungerechtigkeiten in diesem System, die wir beseitigen
wollen . Durch die Digitalisierung, die wir erleben, ist die
Verhandlungsmacht der Verwerter noch weiter gestiegen .
Dadurch ist auch das Schutzbedürfnis der Urheber ge-
stiegen . Deshalb ist es gut, dass wir uns im Koalitions-
vertrag darauf verständigt haben, die Rechte der Urheber
weiter zu stärken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das haben wir bereits getan, und zwar im Verwer-
tungsgesellschaftengesetz, das wir vor wenigen Wochen
hier miteinander beraten haben . Damals haben die Red-
ner der Union – ich glaube, auch der ganzen Koalition –
das Justizministerium sehr gelobt . Es war ein guter Re-
ferentenentwurf, es war ein guter Kabinettsentwurf . Ich
glaube, wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir
im Laufe des parlamentarischen Verfahrens aus dieser
Grundlage etwas noch Besseres gemacht haben . Dieses
Lob – so gern ich das getan hätte, Herr Staatssekretär –
kann ich heute leider nicht wiederholen . Der Referen-
tenentwurf war unausgewogen . Er hat die individuellen
Bedürfnisse der Branche gerade nicht berücksichtigt . Er
hätte zu einer Überregulierung und einem ganz erheb-
lichen Bürokratieaufwand geführt . Das hätte am Ende
Geld aus dem System genommen, das den Urhebern
zusteht . Es ist gut, dass die Bundesregierung davon Ab-
stand genommen hat .

Trotzdem kann ich die Enttäuschung vieler Kreativer
über diesen Prozess gut verstehen . Sie haben Hoffnungen
geweckt, die Sie im Ministerium, die wir alle im Parla-
ment am Ende nicht halten können .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das werden wir sehen!)


Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt klug vorgehen . Das,
was wir jetzt vorliegen haben, ist eine gute Beratungs-
grundlage . Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die
wir noch intensiv miteinander besprechen müssen . Mir
macht große Sorgen, wenn uns Urheber jetzt vortragen,
dass die Rechte, die sie im Moment schon haben, bei-
spielsweise beim Auskunftsanspruch, durch diesen Ka-
binettsentwurf nicht gestärkt, sondern eher geschwächt
werden . Das, meine sehr geehrten Damen und Herren,
werden wir am Ende nicht mitmachen . Uns ist wichtig,

dass wir die Rechte der Urheber durch dieses Gesetz tat-
sächlich stärken und nicht schwächen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich habe, um diesen Punkt noch zu nennen, große
Sorgen, ob das, was vollmundig als Verbandsklagerecht
angekündigt worden ist, am Ende wirklich praxistauglich
ist . Wir haben in einer ganzen Reihe von Rechtsgebie-
ten inzwischen ein Verbandsklagerecht: im AGB-Recht,
im Bereich des Datenschutzes . Dort ist die typische
Ausgangssituation die, dass der Rechtseingriff bei dem
Einzelnen so gering ist, dass er sich berechtigterweise
scheut, ein Prozesskostenrisiko einzugehen, das dazu in
keinem Verhältnis steht . Deshalb gibt es an dieser Stel-
le die Möglichkeit, dass nicht der Einzelne gegen die-
se Rechtsverletzung vorgeht, sondern ein Verband in
seinem Auftrag . Das hat dort seine Berechtigung . Das,
was wir hier erleben, ist, dass es offenbar gerade im öf-
fentlich-rechtlichen Bereich Praxis ist, dass gemeinsame
Vergütungsregeln vereinbart worden sind und trotzdem
weit unterhalb dieser bezahlt wird . Dass derjenige Urhe-
ber, der dagegen vor Gericht vorgehen möchte, am Ende
auf einer schwarzen Liste – deswegen heißt das Blacklis-
ting – landet und dadurch keine Aufträge mehr bekommt,
werden wir nicht hinnehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben es angesprochen: Wir haben eine weitere
Diskussion, die uns im Rahmen dieser Gesetzesberatun-
gen erreicht, nämlich die Frage, wie wir künftig mit der
Verlegerbeteiligung umgehen . Es gibt dazu Urteile des
Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs,
die ich in der Sache gar nicht kritisieren will . Sicherlich
kann man auf der Grundlage der Gesetze, die wir haben,
zu den Ergebnissen kommen, die diese Richter gefunden
haben. Trotzdem, finde ich, sollten wir als Parlament
ganz selbstbewusst sagen: Das, was in diesen beiden Ur-
teilen steht, hätte niemals ein Deutscher Bundestag, in
welcher Zusammensetzung auch immer, sehenden Auges
so beschlossen . Für uns war immer klar, dass am Ende
ein Gemeinschaftswerk entsteht, an dem jeder – der Au-
tor auf der einen Seite und der Verlag auf der anderen
Seite – seinen Anteil hat, und dass das am Ende auch
in den Vergütungen seinen Ausgleich finden muss. Das
muss gemeinschaftlich vergütet werden . Wir wollen da-
für sorgen, dass dieses partnerschaftliche Miteinander
von Autoren und Verlagen auch weiterhin Gültigkeit hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diesen Rechtszustand, den wir für richtig halten, müs-
sen wir jetzt im Zuge dieser Gesetzesberatungen umset-
zen .

Wir wissen, dass es eine endgültige Regelung nur auf
europäischer Ebene geben wird . Trotzdem glauben wir,
dass es richtig ist, dass wir uns auch als nationaler Ge-
setzgeber mit dieser Frage beschäftigen, dass wir Abhilfe
schaffen und die Verlage aus dieser teilweise dramati-
schen existenzbedrohenden Situation befreien . Die Lö-
sung dafür ist nicht trivial, sie ist europarechtlich eher
anspruchsvoll . Aber ich glaube, wir sollten uns hier nicht
hinter irgendwelchen Ausreden verstecken, sondern die-
ses Gesetzgebungsverfahren nutzen, um eine Lösung zu

Dr. Stefan Heck






(A) (C)



(B) (D)


finden, die allen Interessen gerecht wird. Ich freue mich
auf die Beratung zu diesem Punkt und zum Urheberver-
tragsrecht insgesamt .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817622000

Vielen Dank, Kollege Dr . Heck . – Der letzte Redner in

dieser Debatte: Dr . Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion
und – wie Sie schon wissen – aus Augsburg .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1817622100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Das Urheberrecht ist Ausprägung des Schutzes
des geistigen Eigentums und der Suche nach der fairen
und richtigen Vergütung für Kreative .

Beginnen möchte ich mit einem Fall, der vorige Wo-
che vom Landgericht München verhandelt wurde . Es
geht um den Kameramann des Kinofilms Das Boot, der
mit seinen Bildern dafür gesorgt hat, dass einer der er-
folgreichsten deutschen Filme entstehen konnte . In dem
über zehn Jahre langen Rechtsstreit hat der Kameramann
erwirkt, dass er über die ursprünglich rein pauschal ver-
einbarte Vergütung hinaus zusätzlich am großen Erfolg
des Filmes beteiligt wurde . Ich meine, zu Recht . Urheber
werden häufig mit einer viel zu geringen Pauschalvergü-
tung abgespeist und geben ihre Rechte gegen eine ein-
malige Geldzahlung aus der Hand . Das ist nicht fair und
widerspricht dem Gedanken eines fairen Ausgleichs . Das
werden wir in Zukunft ändern .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ja, der Kameramann hat durch den Rechtsstreit Erlöse
in einer Höhe erzielt, von der die allermeisten Kreativen
in diesem Land nur träumen können . Das will ich nicht
bestreiten . Viele andere Kreative in Deutschland erzielen
durch ihre Werke nur sehr geringe Einkünfte und fürchten
um ihre Zukunft und ihre Folgeaufträge . Deswegen kann
es auch nicht sein, dass sie davor zurückschrecken, ihre
fairen Vergütungsansprüche einzufordern, weil sie Angst
haben, auf einer Liste von Personen zu landen, die kei-
ne Aufträge mehr erhalten . Auch das werden wir ändern .
Wer sein Recht einfordert, darf nicht darunter leiden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden auch, meine Damen und Herren, über das
Rückrufrecht für Urheber und Autoren reden . Der ur-
sprüngliche Vorschlag sah ein Rückrufrecht bereits nach
fünf Jahren vor . Das wird der Lebensrealität, gerade auch
im Bereich des Buchhandels, nicht gerecht . Gerade klei-
nere Verlage leben davon, dass sie viele Autoren unter
Vertrag nehmen . Es ist natürlich eine Mischkalkulation,
die darin besteht, dass ein Roman, ein Gedichtband nicht
so gut läuft und ein anderer gut läuft . Aber unabhängig
von der Auflage tragen die Autoren zu einem reichen
literarischen Leben bei . Deswegen sollten wir auch auf
ihre Belange Rücksicht nehmen . Daher wollen wir das
Rückrufrecht nicht nach fünf Jahren vorsehen . Es ist gut,

dass wir über zehn Jahre reden . Das ist auch eine faire
Verteilung der Risiken und der Chancen .

Wir werden mit der Reform des Urhebervertragsrechts
erstmals ein jährliches Auskunftsrecht für Urheber ein-
führen und gesetzlich verankern; denn nur wer weiß, wie
häufig sein Werk tatsächlich genutzt wird, kann auch
seine Rechte geltend machen . Das ist der entscheiden-
de Punkt . Wir stärken die Inhaber der Rechte und setzen
dabei auf einen fairen Ausgleich . Es ist nicht in unserem
Sinne, wenn wir Verleger und Intermediäre gegeneinan-
der ausspielen; vielmehr wissen wir, dass beispielsweise
Verlage und Autoren letzten Endes im gleichen Boot sit-
zen, dass Verlage die Autoren brauchen, die die kreati-
ven Werke entstehen lassen, dass aber auch die Autoren
darauf angewiesen sind, dass es Verlage gibt, die ihre
Werke verbreiten . Diese Kooperation ist der beste Weg,
um den Preis fair und gerecht zu verhandeln . Deswegen
werden wir daran festhalten .

Wir wollen durch das Gesetzgebungsverfahren die
Hoffnung von vielen Kreativen erfüllen, dass sich ihre
Rechte verbessern und dass sich ihre Mühen auch loh-
nen; denn Kreative müssen von ihrer Arbeit leben kön-
nen . Insofern sei mir zum Schluss der Debatte noch ein
grundsätzlicher Gedanke gestattet . Egal, ob Musik bei-
spielsweise auf Schallplatte, auf CD, auf Kassette oder
über Streaming verbreitet wird, egal, ob Sie ein literari-
sches Werk auf Ihrem iPad oder in gedruckter Form le-
sen, egal, ob Sie einen Film auf dem iPad, am Fernseher
oder im Kino sehen – Kunst und Kultur, Werke von Kre-
ativen, sind in diesem Land nicht allein an den Kategori-
en von Kosten und Nutzen zu messen . Sie haben für die
Gesellschaft insgesamt einen sinnstiftenden Wert . Des-
wegen müssen Kreative, die für diese Gesellschaft einen
Mehrwert schaffen, auch von ihrer Arbeit leben können .
Wenn man sich als Kulturnation begreift und das lebt,
muss man das Urheberrecht sehr klug und sehr bedacht
regeln . Das werden wir tun . Ich freue mich auf die Be-
ratungen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Sonja Steffen [SPD])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817622200

Vielen Dank, Volker Ullrich . – Damit schließe ich die

Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/8625 und 18/7518 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sie
sind damit einverstanden? – Dann sind die Überweisun-
gen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a bis 15 c auf:

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Sevim
Dağdelen, Ulla Jelpke, Jan Korte, weiteren Ab-
geordneten und der Fraktion DIE LINKE ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Grundgesetzes und zur Einführung
eines allgemeinen Wahlrechts für alle Einwoh-
nerinnen und Einwohner der Bundesrepublik
Deutschland (Ausländerwahlrechtsgesetz)


Dr. Stefan Heck






(A) (C)



(B) (D)


Drucksache 18/3169
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Frank Tempel, Ulla Jelpke, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein-
gebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Än-
derung des Grundgesetzes

Drucksache 18/6877
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Grundgeset-

(Artikel 28 Absatz 1 – Kommunales Ausländerwahlrecht)


Drucksache 18/2088
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Dazu gibt es
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich warte mit der Eröffnung, bis sich die Kollegen ent-
schieden haben, ob sie hierbleiben oder nicht .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Halina
Wawzyniak für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817622300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Demokratie für alle ist, wenn alle hier lebenden
Menschen die gleichen Rechte haben . Wir als Linke ha-
ben neben den heute bereits debattierten Initiativen für
mehr direkte Demokratie und ein umfassendes Informa-
tions- und Transparenzgesetz auch zwei Initiativen vor-
gelegt, die diesen Ansatz von Demokratie für alle zum
Inhalt haben . Wir wollen, dass alle hier seit fünf Jahren
lebenden Menschen auch das Wahlrecht erhalten . Ich
habe es heute Morgen schon einmal gesagt: Wir lassen
uns von dem einfachen, aber bestechenden Gedanken
leiten, dass diejenigen über die Entwicklung der Gesell-
schaft mitentscheiden sollen, die in ihr leben . Wer denn
sonst?


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wissen, dass es eine Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts aus dem Jahr 1990 gibt, die „Volk“
im Sinne des Artikels 20 Absatz 2 Grundgesetz als „deut-
sches Volk“ definiert. Aber zum einen sind wir jetzt im
Jahr 2016 – die Zusammensetzung der Wohnbevölke-
rung hat sich glücklicherweise massiv verändert –, zum
anderen ist das Urteil selbst nicht unwidersprochen ge-

blieben, und schließlich hat sich nicht bewahrheitet, was
das Bundesverfassungsgericht angenommen hat, näm-
lich dass sich die Durchsetzung des Freiheitsgedankens
im Hinblick auf die Wahl durch Einbürgerungen realisie-
ren lässt . Die Einbürgerungsquote ist deutlich geringer,
als damals vom Bundesverfassungsgericht angenommen .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber daran sollten wir was ändern!)


Schließlich lässt sich auch noch ein juristisches Ar-
gument anführen: Weder in Artikel 28 Absatz 1 noch in
Artikel 38 oder gar in Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz
ist vom „deutschen Volk“ die Rede .

Kurz und gut: Wir finden, es gibt ausreichend Gründe,
endlich allen hier seit fünf Jahren lebenden Menschen
das Wahlrecht zu geben .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen aber, dass neben dem Wahlrecht auch die
Grundrechte für alle hier lebenden Menschen gelten . Un-
seres Erachtens ist der Gesetzentwurf, mit dem die bis-
lang Deutschen vorbehaltenen Grundrechte allen hier le-
benden Menschen zugesprochen werden sollen, der erste
Gesetzentwurf überhaupt, der hier zu diesem Thema be-
handelt wird . Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, die
Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit,
auf Freizügigkeit und auf Berufsfreiheit nur auf Deut-
sche zu beschränken . Demokratie für alle heißt eben auch
Grundrechte für alle .


(Beifall bei der LINKEN)


Die benannten Grundrechte und Freiheiten sind Men-
schenrechte . Sie sind in der UN-Menschenrechtscharta
und auch in der Europäischen Menschenrechtskonventi-
on als Menschenrechte ausgestaltet .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Aber kein Wahlrecht!)


Wir finden, dass das Grundgesetz nicht dahinter zurück-
bleiben sollte .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Bleibt es ja nicht!)


Wir finden: Um dem Gleichheitsgebot und dem Diskri-
minierungsverbot des Grundgesetzes gerecht zu werden,
sollten die benannten Grundrechte für alle hier lebenden
Menschen gelten .

Wir haben in unserem Gesetzentwurf einen kleinen
historischen Diskurs aufgemacht, um zu zeigen, dass es
für die Einschränkung der benannten Grundrechte auf
Deutsche durch den Parlamentarischen Rat – im Gegen-
satz zum ursprünglichen Herrenchiemseer Entwurf – kei-
ne sachlichen Argumente gibt .

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit der
Entscheidung vom Juli 2011 klargestellt hat, dass der
im Grundgesetz durch die Grundrechte gewährleistete
Schutz wegen des Diskriminierungsverbotes aus Arti-
kel 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europä-
ischen Union auch für Staatsangehörige der Mitglied-
staaten der EU gilt, und zwar auch im Hinblick auf die

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


sogenannten deutschen Grundrechte, sollte uns dies An-
lass sein, diese künstliche Unterscheidung aufzuheben .


(Beifall bei der LINKEN)


Die auch in der juristischen Literatur – ich empfehle
diesbezüglich ausdrücklich die Lektüre unseres Gesetz-
entwurfes – vorgebrachten Argumente für die Einschrän-
kung der benannten Grundrechte und Freiheiten sind an
vielen Stellen erschreckend fremdenfeindlich . Da wird
von einer ethnisch-kulturell homogenen Gesellschaft
ausgegangen. Wir finden, dass ein solcher Gesetzentwurf
auch im Hinblick auf die Jedermann-Grundrechte ein
deutliches Signal gegen Ausgrenzung und Diskriminie-
rung ist . Deswegen fordere ich Sie alle auf: Reden Sie
mit uns gerne über die Details, aber lassen Sie uns ein
Signal setzen für Demokratie für alle, gegen Rassismus
und Ausgrenzung .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817622400

Vielen Dank, Halina Wawzyniak . – Der nächste

Redner in der Debatte: Helmut Brandt für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1817622500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Werte Zuhörer! Man kann sagen: Alle Jahre wieder – je-
denfalls alle vier Jahre wieder – erleben wir die gleiche
Debatte .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, weil Sie nichts machen! – Gegenruf des Abg . Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Nee, weil er recht hat! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die Grundrechte hatten wir noch nicht!)


– Hören Sie doch einfach einmal zu . Vielleicht kapieren
Sie nach vier Jahren meine Argumente .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nee, garantiert nicht!)


Es geht darum – Sie haben es dargestellt, Frau
Wawzyniak –: Sie wollen Ausländern, die fünf Jahre hier
leben, gleich welchen Status sie haben, das volle Wahl-
recht geben .


(Beifall der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Die Grünen beschränken sich darauf, in Bezug auf das
Kommunalwahlrecht entsprechende Forderungen zu
stellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben das Thema hier schon öfter diskutiert . Ne-
ben den verfassungsrechtlichen Hindernissen – wie im
Rahmen von Anhörungen und im Plenum bereits mehr-
fach diskutiert worden ist – bestehen eben auch, Herr
Beck, erhebliche politische Bedenken gegen die Einfüh-
rung eines Wahlrechts für Ausländer .

Wir von der CDU/CSU sind der Auffassung, dass das
Wahlrecht am Ende eines Integrationsprozesses stehen
sollte, während Sie offensichtlich davon ausgehen, dass
allein die Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen, au-
tomatisch die Bereitschaft, sich zu integrieren, nach sich
zieht . Ich halte das, mit Verlaub, für naiv .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben in dieser Legislaturperiode vielen hier le-
benden Türken die doppelte Staatsbürgerschaft ermög-
licht . Wir haben das getan, um gerade jungen Menschen
den Konflikt zu ersparen, zwischen zwei Staatsbürger-
schaften wählen zu müssen . Das war eine vertretbare
Entscheidung; wenngleich ich zugebe, dass ich dabei
Bauchschmerzen hatte . Dass dieses Gefühl, das ich und
andere hatten, nicht unbegründet war, das haben gerade
die letzten Wochen gezeigt .

Die teils heftigen Reaktionen hier lebender Men-
schen mit türkischem Migrationshintergrund in Sachen
Böhmermann, aber auch auf die gerade verabschiedete
Armenien-Resolution zeigen doch, dass die von mir be-
fürchteten Loyalitätskonflikte durchaus existieren. Die
Gefahr einer Instrumentalisierung durch ausländische
Politiker ist nach den jüngsten Ereignissen wohl kaum
von der Hand zu weisen .

Es gibt in meinen Augen aber noch zwei wichtige As-
pekte, die dafür sprechen, Menschen, die nicht eingebür-
gert sind, Menschen, die unsere Staatsbürgerschaft nicht
angenommen haben, das Wahlrecht zu verweigern .

Man muss sich einmal vorstellen, welche Ungleich-
heit dadurch entstehen würde. Wir haben die Wehrpflicht
zwar ausgesetzt; aber man kann ja nicht sagen, ob es
nicht irgendwann doch einmal eine Situation gibt – ge-
rade in dieser Zeit drängt sich der Gedanke manchmal
auf –, in der sie wieder eingeführt wird . Dann müssten
die Deutschen als Wehrpflichtige einrücken, und die an-
deren hätten ohne jede Verpflichtung das Wahlrecht. Das
führt doch automatisch zu Ungleichbehandlungen, die
wir nicht wollen .


(Zuruf der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Das Gleiche gilt für die Fragen der Versammlungs-
freiheit, der Freizügigkeit usw . usf ., die Sie, Frau
Wawzyniak, aufgeworfen haben . Ich muss ganz ehrlich
sagen: Ich finde die Forderungen, die Sie stellen, und die
Behauptungen, die Sie aufstellen – Sie sprechen von Dis-
kriminierung und anderen Dingen –, im Grunde genom-
men absurd .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine Änderung von Artikel 11 Grundgesetz – Recht auf
Freizügigkeit – hätte doch ganz gravierende Auswirkun-
gen auch auf das Aufenthaltsrecht von Ausländern .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Genau!)


– Ja, aber unbeabsichtigte, nicht gewünschte Auswirkun-
gen . – Als Begründung für diese Forderung – das haben
Sie heute wiederholt – berufen Sie sich auf die UN-Men-
schenrechtscharta . Dabei wissen Sie, dass, angefangen
bei Artikel 12 Absatz 1 des UN-Zivilpaktes, die Garantie

Halina Wawzyniak






(A) (C)



(B) (D)


der Freizügigkeit auch dort nicht mehr uneingeschränkt
vorgesehen ist, sondern im Gegenteil unter dem Vorbe-
halt der allgemeinen Ausländergesetze des betreffenden
Staates steht .

Ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende geht . Deshalb
will ich nur noch ganz kurz etwas zu dem Gesetzentwurf
der Grünen sagen . Das Bundesverfassungsgericht hat in
einer Entscheidung klargestellt, dass sich die kommunale
Ebene nicht von den Staatsebenen Land und Bund un-
terscheidet . Deshalb wollen wir hier keinen Unterschied
machen .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den macht ihr doch schon!)


Es gilt gleiches Recht für alle, gleiches Recht für die, die
es zu Recht beanspruchen können . Wir hoffen mit Ihnen,
Herr Beck, dass es in Zukunft mehr Einbürgerungen gibt .
Das ist für uns der Anreiz . Wir wollen aber nicht die um-
gekehrte Reihenfolge .

Besten Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Petra Ernstberger [SPD])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817622600

Vielen Dank, Helmut Brandt . – Der nächste Redner

ist schon auf dem Weg zum Rednerpult, Volker Beck für
Bündnis 90/Die Grünen .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817622700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war

nicht alles falsch, was Sie gesagt haben, Herr Brandt,
aber leider vieles .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das war doch alles richtig!)


Integration lebt davon, dass alle Menschen hier gleiche
Rechte haben, dass sie diskriminierungsfrei leben kön-
nen, dass sie teilhaben und mitgestalten können, und
außerdem von Ausbildung und Spracherwerb . Nur zu-
sammen wird uns das gelingen . Dafür müssen wir die
Menschen mitnehmen und sie einladen, ihr Schicksal in
die Hand zu nehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Diesbezüglich ist das kommunale Wahlrecht ein erster
Schritt, ein wichtiger Schritt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist zu kurz gesprungen!)


Herr Brandt, es ist falsch, wenn Sie sagen, wir würden
da überall nur Deutschenrechte machen . Das Kommunal-
wahlrecht haben heute zu Recht alle EU-Ausländer . Jetzt
haben wir Ausländer zweierlei Recht: Die einen dürfen
wählen, die anderen nicht .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das liegt an der Unionsbürgerschaft!)


Wir haben schon heute in den Kommunen Stadtteile, in
denen die Ausländer in der Mehrheit sind . Diese Stadttei-
le entwickeln sich zu einer demokratiefreien Zone, wenn
die Menschen, die dort leben, an der Ausgestaltung ihres
unmittelbaren Lebensraumes nicht politisch mitwirken
können . Das ist fatal für die Integrationspolitik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das führt auch dazu, dass sich die Leute nicht verant-
wortlich fühlen, weil sie nicht gefragt werden, weil sie
keinen Einfluss haben, weil sie nur zu Bittstellern ge-
macht werden .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Reduzieren Sie die Menschen doch nicht auf die Bittstellerfunktion!)


Deshalb ist es ein ganz wichtiger Schritt, dass wir die
Menschen einladen, in ihrem unmittelbaren Nahraum, in
der Kommune, ihre Umgebung mitzugestalten, politisch
mitzubestimmen und aktiv mitzuwirken .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In der Demokratie geht alle Gewalt von denjenigen
aus, die ihr dauerhaft unterworfen sind .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Alle Gewalt geht vom Volk aus, vom Staatsvolk!)


Es ist ein Unterschied, ob es sich um die Kommune han-
delt oder um den Landtag oder um den Bundestag . Dies-
bezüglich haben Sie, Herr Brandt, eher recht . Natürlich
entscheidet der Bundestag über die Rechte und Pflichten
der Deutschen und der Ausländer in unterschiedlichen
Gesetzen . Wer hierüber entscheiden will, muss diesen
Rechten und Pflichten am Ende selbst unterworfen sein.
Das wäre nicht der Fall, wenn wir Ausländern, egal ob
Drittstaatsangehörigen oder EU-Bürgern, das Recht zur
Teilnahme an der Wahl zum Bundestag und zum Landtag
eröffneten .

Meine Antwort darauf, liebe Freundinnen und Freun-
de von der Linken, ist, an dem richtigen Punkt zu kämp-
fen . Zu einer Grundgesetzänderung ist es ein weiter Weg .
Dafür müssten wir Zweidrittelmehrheiten in Bundestag
und Bundesrat bekommen . Aber das Staatsangehörig-
keitsrecht könnten wir mit einer Mehrheit hier im Ho-
hen Haus jederzeit ändern . Wir brauchen kürzere Fristen .
Wir brauchen endlich ein Abgehen von der Ideologie des
Kampfes gegen die doppelte Staatsangehörigkeit . Statt-
dessen müssten wir sagen: Ja, wir laden die Leute ein,
Staatsbürger zu werden, ohne von ihnen zu verlangen,
dass sie die Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes auf-
geben . – Das passt auch zu einer internationalen, mo-
bilen Arbeitswelt, in der Menschen von Land zu Land
migrieren, weil sie ihre Karriere weiterentwickeln . Das
Bild, in ein Land zu gehen und da für immer zu bleiben,
ohne nach links oder rechts zu gucken, entspricht dem
19 . Jahrhundert, aber nicht dem 21 . Jahrhundert mit In-
ternet und Mobilität .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Helmut Brandt






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, was Sie zu den weiteren
Artikeln, zu den Deutschenrechten aufgeschrieben ha-
ben, sollten wir im Ausschuss intensiv diskutieren . Ich
glaube, man muss sich jedes Grundrecht einzeln anschau-
en, und man sollte auch einmal überlegen, inwieweit die
Europäische Menschenrechtskonvention und der UN-Zi-
vilpakt nicht ohnehin eine solche Auslegung erzwingen .
Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass wir zur
Versammlungsfreiheit sagen – das kenne ich aus der
Rechtspraxis auch nicht –, Ausländer dürften nicht de-
monstrieren, womöglich für Freiheit in ihrem Heimat-
land, für Demokratie und gegen den Staatschef, der hier
zu Besuch ist . Es ist noch keine Versammlungsbehörde
in der Praxis auf eine solche Idee verfallen . Trotzdem
könnte man meinen, im Grundgesetz stehe, dass sie die-
ses Recht nicht hätten . Ich glaube, sie haben das Recht .
Deshalb lassen Sie uns darüber reden, erstens, ob wir
die Rechtsänderung überhaupt brauchen, und zweitens,
bei welchen Grundrechten das erforderlich ist . Aber den
Grundgedanken, dass alle Menschen Menschenrechte
haben und diese in Deutschland auch ausüben können
müssen, teile ich in Ihrem Ansatz auf jeden Fall .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Na immerhin!)


Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817622800

Vielen Dank, Kollege Volker Beck . – Die nächste

Rednerin ist Gabriele Fograscher für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1817622900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich spreche jetzt zum kommunalen Ausländerwahlrecht,
der Kollege Karl-Heinz Brunner wird dann noch über die
Jedermann-Grundrechte sprechen .

Allein im letzten Jahr haben fast 500 000 Menschen in
Deutschland Asyl beantragt . Auch dieses Jahr und in den
nächsten Jahren werden immer wieder Menschen zu uns
kommen . Manche wollen oder dürfen nur vorübergehend
hier bleiben, andere werden dauerhaft hier leben . Das In-
tegrationsgesetz, das wir letzte Woche auf den Weg ge-
bracht haben, schafft klare und verbindliche Regeln für
die Integration . Für uns Sozialdemokratinnen und Sozi-
aldemokraten ist es ein wichtiger Schritt hin zu einem
Einwanderungsgesetz .

Im vergangenen Jahr lebten mehr als 9 Millionen
Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, darunter
etwa 4 Millionen Menschen aus EU-Staaten . Die über-
wiegende Anzahl dieser Bürgerinnen und Bürger aus-
ländischer Herkunft ist in Deutschland gut integriert; sie
arbeiten, zahlen Steuern, nehmen am gesellschaftlichen
Leben teil und bringen sich vor Ort in den Städten und
Kommunen ein . Sie sind Mitglied in Vereinen, Bürger-
initiativen oder engagieren sich auf andere Art und Weise
vor Ort und für die Gesellschaft . Doch mitreden dürfen
nur die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, und dies auch

nur bei Kommunalwahlen . Die weiteren mehr als 5 Mil-
lionen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Drittstaaten
dürfen nicht mitbestimmen, ob in ihrer Kommune eine
neue Schule oder Kita gebaut wird und in welche Projek-
te die Kommune investiert .

Es ist ja kein Geheimnis, dass die SPD das kommuna-
le Wahlrecht für alle Ausländerinnen und Ausländer will .
Das haben wir bereits im Grundsatzprogramm von 1989
gefordert . Im Rahmen der Gemeinsamen Verfassungs-
kommission 1993 ist es den SPD-Mitgliedern gegen den
Widerstand von CDU/CSU nicht gelungen, hier eine Än-
derung herbeizuführen . Auch in unserem Regierungspro-
gramm von 2013 heißt es:

Wir werden uns darum bemühen, eine verfassungs-
ändernde Mehrheit im Bundestag zu erreichen,
damit jede Frau und jeder Mann das kommunale
Wahlrecht nach einem fünfjährigen legalen Aufent-
halt in Anspruch nehmen kann .

Wir konnten uns mit dieser Forderung bislang nicht
durchsetzen, und so fand sie auch keinen Eingang in den
Koalitionsvertrag .

Am besten wäre es natürlich, wenn die Zahl der Ein-
bürgerungen steigen würde . Sie pendelte sich bis 2014
bei circa 100 000 Einbürgerungen pro Jahr ein . Mit der
Abschaffung der Optionspflicht Ende 2014 könnte die
Zahl der Einbürgerungen wieder steigen; es liegen leider
noch keine aktuellen Zahlen vor .

Für uns wäre das kommunale Wahlrecht ein Angebot
zur Integration, ein Baustein einer Willkommenskultur
und ein deutliches Signal, dass alle, die hier leben, auch
Verantwortung für eine demokratische Entwicklung und
ein friedliches Zusammenleben tragen .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und spannende
Beratungen im Ausschuss .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817623000

Vielen Dank, Gabriele Fograscher . – Nächste Redne-

rin: Andrea Lindholz für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1817623100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor über 100 Jahren erhielt das jüdische Familienunter-
nehmen Loevy einen historischen Auftrag . Die Kunst-
gießerei sollte zwei französische Kanonen einschmelzen
und daraus drei Worte gießen, die bis heute über dem
Westportal des Reichstagsgebäudes zu lesen sind: „Dem
deutschen Volke“ .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dort drüben heißt es: „Der Bevölkerung“!)


Der Kaiser gab diesem Schriftzug 1916 nur widerwillig
seine Zustimmung . Er fürchtete um die Strahlkraft dieser

Volker Beck (Köln)







(A) (C)



(B) (D)


Worte; denn sie symbolisieren das Fundament unserer
Demokratie, die Volkssouveränität .

Heute steht dieses Demokratieprinzip vor neuen He-
rausforderungen . Die Globalisierung, die Integration in
Deutschland und Europa und die Zuwanderung – sie
verändern die Entscheidungsmechanismen und unsere
Gesellschaftsstruktur . 2015 wurden 9,1 Millionen Aus-
länder in Deutschland gezählt . Viele von ihnen zahlen
Steuern, sie stützen den Sozialstaat, und sie zahlen in die
Rente ein . Zu Recht stellt sich die Frage: Was ist mit dem
Wahlrecht für Ausländer?

Auf kommunaler Ebene wurde bereits ein Mitsprache-
und Wahlrecht für EU-Bürger verankert, auch im Grund-
gesetz . Die Grünen fordern jetzt aber ein passives und
aktives Wahlrecht auf kommunaler Ebene pauschal für
alle Ausländer mit ständigem Wohnsitz in Deutschland .
Die Linken gehen noch weiter und fordern ein volles
Wahlrecht im Land, im Bund und auf EU-Ebene pau-
schal für alle Ausländer, die seit fünf Jahren in Deutsch-
land leben . Die speziellen deutschen Grundrechte in den
Artikeln 8, 9, 11 und 12 unseres Grundgesetzes sollen zu
Grundrechten für jedermann umgewandelt werden .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Gute Sache!)


Wir als Union lehnen diese Gesetzentwürfe entschieden
ab .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Widmen wir uns zunächst einmal dem klar definier-
ten Volksbegriff . Das Wahlvolk in Deutschland, von dem
gemäß Artikel 20 Absatz 2 unseres Grundgesetzes alle
Staatsgewalt ausgeht, wird aus deutschen Staatsangehö-
rigen und ihnen gleichgestellten Personen gebildet .


(Zuruf der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Das ist an vielen Stellen im Grundgesetz und in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes festge-
legt, unter anderem auch in Artikel 20 Absatz 4 Grund-
gesetz, den man natürlich nicht isoliert von Artikel 20
Absatz 1 bis 3, sehr geehrte Frau Kollegin, sehen darf .
Deswegen müssten wir also zunächst einmal in unserer
Verfassung den Volksbegriff ändern . Dazu muss man
wissen, ob man das will .

Wir wollen das nicht; denn auch das Völkerrecht stellt
aus gutem Grund auf die Staatsangehörigkeit ab . Eine
Demokratie ist eine auf Dauer angelegte politische Ge-
meinschaft und keine flüchtige, durch zufällige persönli-
che Entscheidungen zusammengewürfelte Ansammlung
von Menschen. Wollen wir das Volk künftig definieren
als Gesamtheit aller Menschen, die in einem Staat leben,


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja!)


unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und ihrer Inte-
grationsbereitschaft? Sie, liebe Frau Kollegin, sagen Ja .
Ich sage für die Unionsfraktion Nein . Ich will das auch
nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Dann ist der Unterschied klar! Das ist doch gut so!)


– Eben, das ist auch gut so . Das sehe ich genauso .

Deutschland ist eine politische Schicksals- und Ver-
antwortungsgemeinschaft . Wer vollwertiges Mitglied
dieser Gemeinschaft werden möchte, der kann die deut-
sche Staatsbürgerschaft erhalten und damit auch ein vol-
les Wahlrecht . Diesen Ordnungsrahmen dürfen wir nicht
vorschnell aufweichen . Ebenso sollten wir an den Staats-
bürgerrechten in den Artikeln 8, 9, 11 und 12, das heißt
der Versammlungsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, der
Freizügigkeit und der Berufsfreiheit, festhalten; denn
in diesen Artikeln wird auf unsere demokratische Wil-
lensbildung und die Volkssouveränität ganz klar Bezug
genommen . Deshalb ist auch der Begriff des Deutschen
dort enthalten . Derjenige, der davon nicht betroffen ist,
wird bei uns durch Artikel 2 unseres Grundgesetzes, die
allgemeine Handlungsfreiheit, aufgefangen, steht also
gerade nicht rechtlos da und wird somit auch nicht aus-
gegrenzt . Für EU-Bürger gelten im Übrigen alle unsere
Grundrechte, somit auch diese vier Artikel . Das ergibt
sich unter anderem aus der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union . Insofern besteht auch an dieser
Stelle für uns kein Handlungsbedarf .

Das Kommunalwahlrecht für EU-Bürger wurde ganz
klar nur als punktuelle Unterbrechung der nationalen
Volkssouveränität ausgestaltet . Es knüpft nämlich an die
Privilegierung einer bestimmten Staatsangehörigkeit an,
nämlich an die Unionsbürgerschaft, und ist damit nicht
mit jedem anderen Drittstaatler gleichzusetzen . Das, sehr
geehrte Frau Kollegin Fograscher, ist die für uns maß-
gebliche Unterscheidung, die hier vorgenommen worden
ist . Wir lehnen an dieser Stelle ebenfalls eine allgemeine
Änderung unseres Grundgesetzes ab .


(Beifall bei der CDU/CSU)


An einer Stelle sehe auch ich im Hinblick auf mehr
Mitbestimmungsrechte Handlungsbedarf, und zwar bei
der EU-Staatsbürgerschaft . Hieran sollten wir weiter-
arbeiten; denn eine Verfassung, auch unsere, beinhaltet
immer auch den Auftrag an das Gemeinwesen, sie fort-
laufend zu gestalten . Das kann man im Hinblick auf die
Unionsbürger und das Grundgesetz sehr wohl andenken .
Insofern ist das für mich die einzige Stelle, an der ich
sage: Hier besteht in der Europäischen Union in Zukunft
vielleicht gemeinsam Handlungsbedarf . Alles andere ist
aus unserer Sicht nicht erforderlich und abzulehnen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817623200

Vielen Dank, Kollegin Lindholz . – Der letzte Redner

in dieser Debatte: aus Illertissen Dr . Karl-Heinz Brunner
für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1817623300

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen

und Kollegen! Kollegin Lindholz, eigentlich hatte ich zu
dem Gesetzentwurf der Grünen, zum Entwurf eines Ge-

Andrea Lindholz






(A) (C)



(B) (D)


setzes zur Änderung des Grundgesetzes, überhaupt kei-
ne gute Beziehung . Nach Ihren Ausführungen allerdings
könnte ich selbst der Argumentation der Linken eine ge-
wisse Sympathie entgegenbringen .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Oje, oje! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war sehr klug von der Kollegin!)


Ich sage das deshalb, weil die Auslegung des Begriffes
„deutsches Volk“ außer in Artikel 1 unseres Grundgeset-
zes nach meiner Kenntnis nirgendwo in der vorgetrage-
nen Interpretation zu finden ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, in Deutschland sind wir in der Diskussion,
wie wir mit Menschen in diesem Land umgehen, schon
weiter .

Ich habe mich fast an eine Diskussion erinnert gefühlt,
die zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, als ich dem
Hohen Hause noch nicht angehört habe . Damals hat man
leidenschaftlich darüber debattiert, wie das Kunstwerk
dort unten heißt und ob es der deutschen Bevölkerung
oder dem deutschen Volke gewidmet ist . Dieses Haus hat
entschieden: der Bevölkerung . Diese Bevölkerung sollte
auch im Mittelpunkt stehen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Der deutschen Bevölkerung!)


– Ja . Zur deutschen Bevölkerung gehören die Menschen,
die in Deutschland leben, und zwar alle .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim flüch-
tigen Drüberlesen könnte man sogar zu dem Ergebnis
kommen, durch den Ersatz des Begriffes „Deutscher“
durch „Mensch“ könne man – quasi im Schnelldurch-
gang – die Europäische Menschenrechtskonvention, den
UN-Zivilpakt und den UN-Sozialpakt implementieren:
Wir ändern mal schnell das Grundgesetz und schaffen
eine neue Willkommenskultur; dann sind wir – nach Auf-
fassung der Antragsteller – endlich auf einem guten Weg .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist richtig in Bezug auf die Grundrechte! Aber es geht um das Wahlrecht!)


Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hierfür jemals eine
Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag geben
wird; die Debatte hat das gezeigt .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Trotzdem möchte ich mich mit Ihrem Gesetzentwurf,
Kolleginnen und Kollegen der Linken, auseinanderset-
zen, auch um aufzuzeigen, dass ich ihm inhaltlich nicht
zustimmen kann .

Inhaltlich kann ich ihm deshalb nicht zustimmen, weil
Artikel 8 des Grundgesetzes, die Versammlungsfreiheit,
längst durch die Rechtsprechung zu Artikel 2 des Grund-
gesetzes – der Kollege Beck hat das angesprochen – ga-
rantiert ist . Also: erledigt . „Haken dahinter“, könnte man
sagen .

Die Vereinigungsfreiheit ist gleichermaßen durch die
Rechtsprechung zu Artikel 2 des Grundgesetzes und die
Tatsache, dass diese Rechte auch EU-Bürgern und ande-
ren Bürgern des Landes zukommen, geklärt .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Steht so in unserem Gesetzentwurf!)


Die Berufsfreiheit steht nicht mehr zur Diskussion .
Auch hier gilt eigentlich der Hinweis auf Artikel 2 Ab-
satz 2 des Grundgesetzes . Das ist geklärt . Wir brauchen
dazu keine Entscheidung .

Es bleibt also Artikel 11 des Grundgesetzes, die Frei-
zügigkeit . Die Freizügigkeit, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, kommt aus einem anderen Kontext . Sie ist von
den Vätern und Müttern des Grundgesetzes eingefügt
worden, als Deutschland geteilt war und viele Deutsche
aus ihrer Heimat vertrieben waren . Ihnen sollte über Arti-
kel 11 des Grundgesetzes im deutschen Bundesgebiet ein
Heimatrecht verschafft werden . Es handelt sich also um
das ausdrücklich den damaligen Deutschen zustehende
Recht, jederzeit in die Bundesrepublik Deutschland ein-
zureisen und hier einen Wohnsitz zu nehmen .

Die Kollegin Fograscher hat es trefflich ausgeführt:
Wir haben uns bereits sehr intensiv mit dem Integrati-
onsgesetz beschäftigt . Wir wollen den Menschen, die ein
Asylrecht haben, auch Asyl gewähren . Wir wollen sie
in unserem Land integrieren und die Menschenrechts-
konvention und die Flüchtlingskonvention entsprechend
berücksichtigen, aber nicht jedem Menschen, gleich
welcher Nationalität, ohne ein ordentliches Verfahren
und ohne Integration ein Residenzrecht in Deutschland
einräumen . Ich meine, ohne eine ordentliche Regelung
des Artikels 11 Grundgesetz können wir in unseren Be-
hörden und in unserem Staatsapparat die Zuwanderung
nicht ordentlich regeln .

Allein dies zeigt, dass dieser Gesetzentwurf eher unter
der Rubrik „Spaß“ als unter der Rubrik „Ernst“ zu werten
ist .


(Beifall des Abg . Gerold Reichenbach [SPD])


Ich bin gespannt, wie Sie in den anstehenden Beratungen
noch die Kurve kriegen wollen, sodass wir ein vernünfti-
ges Ergebnis erreichen, durch das die Menschen und die
Integration in diesem Land in den Mittelpunkt gestellt
werden und keine Wortklauberei betrieben wird .

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817623400

Vielen Dank, Kollege Brunner . – Damit schließe ich

die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe
auf den Drucksachen 18/3169, 18/6877 und 18/2088 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen . – Dazu gibt es keine anderweitigen Vorschläge .
Dann sind die Überweisungen so beschlossen .

Dr. Karl-Heinz Brunner






(A) (C)



(B) (D)


Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung soldatenbeteiligungs- und
personalvertretungsrechtlicher Vorschriften

Drucksache 18/8298

Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidi-
gungsausschusses (12 . Ausschuss)


Drucksache 18/8735

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden .1)

Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Verteidi-
gungsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/8735, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/8298 in der Aus-
schussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung angenommen . Zugestimmt haben CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Dagegen war nie-
mand, enthalten hat sich die Linke .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist bei Zustimmung von CDU/CSU, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken an-
genommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Harald Ebner, Kordula Schulz-Asche, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Biosicherheit bei Hochrisikoforschung in den
Lebenswissenschaften stärken

Drucksachen 18/6204, 18/8698

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die an der De-
batte teilnehmen, Platz zu nehmen . Die anderen bitte ich,
die Gespräche anderswo fortzusetzen .

Ich eröffne die Aussprache . Wir beginnen mit Stephan
Albani von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


1) Anlage 3


Stephan Albani (CDU):
Rede ID: ID1817623500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen!
Wir beraten hier heute ein Thema, das mir als Wissen-
schaftler persönlich ein wichtiges Anliegen ist . Sicher-
heitsrelevante Forschung unterliegt in der Wissenschaft
stets einem Dilemma und liegt im Spannungsfeld zwi-
schen wissenschaftlicher Verantwortung einerseits und
der notwendigen Forschungsfreiheit andererseits . Wir
sprechen hier von dem sogenannten Dual-Use-Dilem-
ma . Das heißt, dass Forschung infolge eines doppelten
Verwendungszweckes sowohl Segen als auch Fluch sein
kann, dem sogenannten Dual Use Research of Concern .
Im positiven Sinne bedeutet dies, dass Forschungsergeb-
nisse der Lebenswissenschaften, die nicht zuletzt für die
Bekämpfung von Krankheiten, Infektionen und Viren
dringend benötigt werden, zugleich auch das Potenzial
bieten, großen Schaden anzurichten; denn die gewon-
nenen Erkenntnisse bergen in sich zugleich Nutzen und
Gefahr und sind daher untrennbar . Im negativen Sinne
kann dies aber auch das Risiko beinhalten, dass die Er-
kenntnisse für kriminelle Absichten missbraucht werden .

Lassen Sie mich folgende Beispiele von dual-use-re-
levanten allgemeinen Wissenschaftsthemen benennen:
Ja, es ist richtig, dass es die Forschung an autonomen
Flugkörpern zum einen ermöglicht, dass wir Dinge in
Bereiche bringen, in denen Patienten liegen, die dann
entsprechend an Fahrzeuge zurückfunken, was vor Ort
notwendig ist . Aber man kann aus diesen Flugkörpern
natürlich auch Drohnen machen, die hässliche Dinge
tun; keine Frage . – Wir können Retroviren nutzen und
sie an Stellen des Körpers bringen, wo sie segensreich
tätig werden . Wir können aus ihnen natürlich genauso
biologische Kampfmittel machen; überhaupt keine Fra-
ge . Das ist aber weniger eine Frage der Wissenschaft und
Forschung . Das ist vielmehr eine Frage der Anwendung
dieser Techniken im Nachgang .

Die Bundesregierung hat dieses Dilemma bereits im
Jahre 2012 erkannt und eine Stellungnahme des Deut-
schen Ethikrates zur Biosicherheit und Forschungsfrei-
heit in Auftrag gegeben . Im September 2013 sind die
interdisziplinär forschenden Institutionen in Deutsch-
land in Arbeitsgruppen, angeleitet durch die Leopoldina
und die DFG, zum Abschluss gekommen und haben die
Ergebnisse vorgestellt . Uns ist spätestens seit der Veröf-
fentlichung der Ergebnisse des Deutschen Ethikrates in
2014 bewusst, dass ein Missbrauch von Forschungser-
gebnissen reduziert werden muss; das ist völlig logisch .
Ein öffentliches Fachgespräch im November 2015 zum
Thema „Wissenschaftliche Verantwortung“ zeigt darüber
ebenfalls eingehende Einigkeit . Klar wurde aber auch,
dass bei einer sorgfältigen Abwägung der Risiken und
Chancen Antworten auf wichtige gesellschaftliche He-
rausforderungen der Zukunft durch ebendiese Forschung
gegeben werden können .

Schließlich und endlich wurde im März 2015 ein
Gemeinsamer Ausschuss zum Umgang mit sicherheits-
relevanter Forschung von der DFG und der Leopoldina
mit dem Ziel berufen, bis 2017 an allen deutschen For-
schungseinrichtungen Kommissionen für Ethik in der
Forschung einzurichten . Wir stellen also fest, dass sich

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


die wissenschaftliche Forschungslandschaft ihrer Ver-
antwortung sehr bewusst ist und sich diesem wichtigen
Thema zügig angenommen hat .

In dem jetzt vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die
Grünen von Ende September letzten Jahres wird gefor-
dert, Gesetze zum Umgang mit biosicherheitsrelevanten
Forschungsvorhaben auf den Weg zu bringen . Sie for-
dern die umfassende Verschärfung gesetzlicher Auflagen
mit sehr detailliertem und festgelegtem Geltungsbereich .
Eine weitere Verschärfung der gesetzlichen Regelungen
würde aber zugleich die Forschungsfreiheit in erhebli-
chem Maße einschränken . Dies gefährdet die Flexibilität
im Sinne der segensreichen wissenschaftlichen Selbst-
bestimmung des Forschenden in nicht unerheblichem
Maße . Daher lehnen wir dies ab .

Wir unterstützen den begonnenen Weg der For-
schungscommunity in Form der wesentlichen Elemente
Kommission für Ethik und Forschung und dem Gemein-
samen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter
Forschung . Diesen werden wir weiter verfolgen . Dies ist
aus unserer Sicht der beste Weg: eine Selbstverpflichtung
der Wissenschaft ohne Überregulierung und zusätzliche
Gesetze . Wir wollen erreichen, dass sich Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler ihrer Verantwortung in der
Forschung bewusst sind . Zudem würden die gesetzlichen
Regelungen, die Sie fordern, die Forschung blocken und
hemmen . Das beträfe dann die gesamte Forschung; denn
Ihre neuen Regulierungswünsche in der Biowissenschaft
würden langfristig ausufernde Regulierungen in allen
Forschungsbereichen zur Folge haben .

Es wird klar: Eine einheitliche Regelung seitens der
Politik, also von außerhalb der Wissenschaft, ist hier
nicht der richtige Weg . Wir begrüßen daher die Aktivität
der Wissenschaftsgemeinschaft in Deutschland in Form
einer Selbstregulierung und Selbstverpflichtung, um den
komplexen und häufig unberechenbaren Risiken von
Forschung gerecht zu werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn wie Goethe – den ich sehr mag und an dieser Stelle
immer wieder gern zitiere – einst bemerkte:

Der Wissenschaftler muss durch sein Tun und Han-
deln immer wieder kundtun, dass er zum humanen
Teil der Menschheit gehört .

Daher begrüßen wir die Schritte nicht blind, sondern
werden sie weiter eng begleiten, kritisch begleiten . Aber
sie sind der richtige Weg, Forschungsfreiheit und ethi-
sche Verantwortung in der Forschung miteinander zu
kombinieren .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817623600

Vielen Dank, Herr Kollege . – Nächster Redner: Ralph

Lenkert für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1817623700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Als Techniker habe ich jahrelang in der
Technologieentwicklung gearbeitet . Als Qualitätsmana-
ger musste ich komplexe Fertigungen überblicken . Aber
auch mir fällt es schwer, den Umfang der Möglichkeiten
der Biotechnologie zu erfassen .

Stellen Sie sich folgendes Katastrophenszenario vor:
Ein Hobbyforscher setzt in das Erbgut von Herpesviren
erfolgreich die Gene des Bakteriums Clostridium botu-
linum ein . Die sich gut verbreitenden Herpesviren produ-
zieren dann das starke Gift Botulinum direkt im mensch-
lichen Körper . Leider war das Heimlabor nicht so sicher,
und er infiziert sich, seine Familie und seine Bekannten.
Monate später ist aus der Epidemie eine Pandemie ge-
worden . Der Freizeitforscher war nicht einmal Terrorist
oder kriminell, er war einfach angetrieben von Neugier
und Wissensdrang . Was ich hier als Möglichkeit skizzier-
te, kann jeden Tag Wirklichkeit werden .

Zurück zur Realität: Von 1918 bis 1920 wütete die
Spanische Grippe weltweit . Mehr als 30 Millionen Tote
gab es . Das waren 1,5 bis 2 Prozent der damaligen Welt-
bevölkerung . 2005 rekonstruierten amerikanische For-
scher des CDC, der amerikanischen Gesundheitsbehör-
de, im Hochsicherheitslabor den Erreger der Spanischen
Grippe . Was wäre passiert, wenn dieser Erreger das La-
bor verlassen hätte?

Einhundert Prozent Sicherheit gibt es nicht . Gesetze
und Regeln und auch das gesellschaftliche Bewusstsein
für Gefahren halten nicht Schritt mit dem wissenschaftli-
chen Fortschritt bei den Biotechnologien .

Die Förderung der Biotechnologien war von unions-
und SPD-geführten Regierungen größtenteils fokussiert
auf die Entwicklung neuer Geschäftsfelder . Dies ge-
lang wie bei der Entwicklung von Gene Editing . Beim
Gene Editing werden mithilfe spezieller Nukleinsäuren
DNA-Stränge gespalten, und Teilstücke können so ge-
zielt ausgetauscht werden . Auf diese Art werden Zellen
und Bakterien komplett verändert . Damit könnte eine
Heilung von HIV möglich werden . Man könnte gene-
tische Defekte reparieren, aber eben auch tödlichere
Krankheitserreger erschaffen .

Diese Dual-Use-Problematik, also eine Forschung so-
wohl zum Wohle als auch zum Schaden der Menschheit,
hat gerade bei Biotechnologien eine große Relevanz .
Deshalb danke ich den Grünen für ihren Antrag „Biosi-
cherheit bei Hochtechnologieforschung in den Lebens-
wissenschaften stärken“ .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundestag muss neben den Chancen auch die Risi-
ken der synthetischen Biologie betrachten . Es ist richtig,
die Empfehlung des Ethikrates für einen Bioethikkodex
für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler umzuset-
zen und Beratungsgremien für Risiko-Nutzen-Analysen
einzuführen . Aber auch die Forderung nach internationa-
len Abkommen für eine verantwortungsvolle Forschung
bei riskanten Biotechnologien ist richtig . Aber dies alles
reicht aus unserer Sicht, aus Sicht der Linken, nicht aus .

Stephan Albani






(A) (C)



(B) (D)


Öffentliche Förderung an Beratungspflichten zu kop-
peln, ist zu wenig . Jede Forschung in diesem Bereich
muss den Anforderungen der Bioethik gerecht werden,
ansonsten ist diese Forschung zu untersagen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ethische Fragen müssen verpflichtend Bestandteil der
Aus- und Weiterbildung für Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler werden . Anlagen und Labormittel, die
speziell für riskante Technologien wie Gene Editing be-
nötigt werden, müssen – genau wie Waffen – registriert
werden . Ihr Erwerb und ihre Nutzung sind an eine abge-
schlossene Befähigungsprüfung zu koppeln . Der Export
und Vertrieb solcher Anlagen muss wenigstens den Be-
dingungen von Waffenexporten entsprechen .

Aus Sicht der Linken ist es zwingend erforderlich, die
unkontrollierte Verbreitung der Anlagen und Technologi-
en für diese Techniken zu verhindern .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die
Wissenschaftschancen erhalten und die Risiken so weit
wie möglich minimieren!

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817623800

Vielen Dank, Ralph Lenkert . – Der nächste Redner ist

René Röspel für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1817623900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhöre-
rinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Erst einmal will ich
den Grünen ganz herzlich dafür danken, dass wir dieses
wichtige Thema, wie wir mit Hochrisikoforschung um-
gehen, diskutieren . Ich glaube, das ist auch kein politi-
scher Diskurs, sondern ich verstehe diese Diskussion als
ein Ringen um den besten Weg und die Lösung für ein
Problem, das entstehen kann oder das wir von vornherein
zu vermeiden versuchen müssen .

Wie ist die Diskussion entstanden? Vor etwa vierein-
halb Jahren haben zwei Forschergruppen in Holland und
in den USA das Vogelgrippevirus H5N1 untersucht . In
China hat es sogar einige Todesfälle gegeben . Es be-
fällt in der Regel Flugtiere, und offenbar nur bei engem
Kontakt ist es ein Problem für Säugetiere . Diese beiden
Forschergruppen haben sich die Erbinformationen die-
ses Virus angesehen und nach den Stellen gesucht, die
möglicherweise dafür entscheidend sind oder dabei eine
Rolle spielen, dass dieses Virus, das normalerweise nur
Vögel befällt, auf den Menschen oder auf Säugetiere
übertragbar ist .

Tatsächlich haben sie zwei oder mehrere Mutationen,
also Veränderungen, dieser Gensequenz gefunden, die
dazu führten, dass erstens das Virus auf Frettchen, eine
Marderart, Säugetiere, übertragbar war und zweitens

nicht über engen Kontakt, sondern über den Luftweg .
Das hat für Besorgnis und Nachdenken darüber gesorgt,
ob man dieses Ergebnis veröffentlichen, also in Fach-
zeitschriften publizieren kann . Am Ende haben sich die
Weltgesundheitsorganisation und auch die amerikani-
sche Aufsichtsbehörde entschlossen, den, wie ich finde,
richtigen Weg zu gehen, Transparenz herzustellen und
das Ergebnis zu veröffentlichen .

Damit sind zwei Möglichkeiten des Umgangs ver-
bunden . Die erste Möglichkeit ist die Gefahr des Miss-
brauchs . Die zweite Möglichkeit ist das Nutzen solcher
Ergebnisse .

Die Gefahr besteht zum Beispiel darin, dass man sol-
che veränderten Viren, die Säugetiere oder Menschen
befallen könnten, aus Laboren entweichen lassen kann,
durch Zufall oder schlechte Arbeit . Ich glaube, dass diese
Gefahr relativ gering ist, jedenfalls in den westlichen La-
boren, wo es Kontrollen und hohe Sicherheitsstandards
gibt; das will ich ausdrücklich sagen . Da haben wir eine
Verantwortung, andere Länder zu unterstützen, bei denen
die Wissenschaftskapazitäten und damit möglicherweise
auch das Geld zurückgehen, ihre Wissenschaftler zu hal-
ten .

Der Gefahr begegnen wir in der Regel dadurch, dass
wir unsere hohen Sicherheitsstandards aufrechterhalten
und dafür sorgen, dass solche Substanzen oder Viren
nicht entweichen können . Bei solchen Fragen schwingt
immer mit, dass die große Gefahr eher im Bioterrorismus
bzw . darin besteht, dass Menschen unter üblen Vorausset-
zungen und mit üblen Gedanken veränderte Viren dazu
nutzen könnten, terroristische Anschläge zu begehen .

Dieses Gefahrenpotenzial besteht . Aber wenn man
sich einmal ernsthaft damit befasst – der Deutsche Ethik-
rat hat das in einer sehr guten und lesbaren Stellungnah-
me veröffentlicht –, ist das Gefährdungspotenzial – das
muss man deutlich sagen – relativ gering . Erstens reicht
es nicht aus, eine Gensequenz zu haben und sie sozusa-
gen nachzubauen . Um das mit einem Vergleich deutlich
zu machen: Wenn Sie zehn Leute das gleiche Rezept aus
einem Kochbuch nachkochen lassen, dann wird es je-
weils unterschiedlich schmecken . Das heißt, es braucht
nicht nur die veröffentlichte Information, sondern auch
viel Erfahrung im Umgang mit solchen Substanzen, um
das handhabbar zu machen . Man braucht zweitens die
technische Infrastruktur und die Möglichkeit, so etwas zu
verbreiten . Das hatten wir Anfang der 2000er-Jahre, als
in den USA, in Deutschland und Wien die Diskussion um
die Verbreitung des Milzbranderregers, Anthrax, durch
die Medien geisterte und mehrere Anschläge tatsächlich
zur Gefährdung geführt haben .

Es braucht eine gute Infrastruktur, um so etwas ver-
breiten zu können . Es reicht nicht, dieses Virus herzu-
stellen und einfach zu verbreiten, sondern man muss das
technisch sehr geschickt machen und braucht entspre-
chendes Know-how, das in der Regel nicht Terroristen
haben, sondern häufig Staaten. Das ist eine andere Ebe-
ne . Damit sind wir im Bereich des Zusatzprotokolls zur
Biowaffenkonvention; da geht es darum, sicherzustellen,
dass die fünf Länder, die noch nicht beigetreten sind, das
Protokoll noch unterzeichnen .

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


Das ist die Gefahr, die bei einem solchen veränder-
ten Virus entstehen kann . Aber es gibt auch Nutzen, wie
eben schon im Zusammenhang mit der Spanischen Grip-
pe erwähnt worden ist . Wenn man nämlich weiß, an wel-
chen Stellen ein Virus so verändert ist, dass es für den
Menschen gefährlich ist, dann weiß man möglicherweise
auch, welchen Weg man einschlagen muss, um ein Ge-
genmittel oder einen Impfstoff zu entwickeln . Das ist die
nutzbare Seite .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Abwägung zwischen Nutzen und Risiken ist sehr
schwierig . Man weiß am Anfang noch zu wenig . Viele
Tausend Menschen in Deutschland sterben an der „nor-
malen“ Grippe . Wenn man wüsste, an welchen Stellen
man sie in den Griff bekommen könnte, das veröffent-
lichen würde und dann daran forschen würde, wäre das
ein großer Fortschritt . Man forschte beispielsweise schon
jahrelang an der Bekämpfung von Ebola . Wie wir vor
anderthalb Jahren in den Medien leider sehen mussten,
hat diese Krankheit zu großen Verlusten gerade in Afri-
ka geführt . Es handelt sich hier um einen hochsensiblen
und tödlichen Erreger, an dem trotzdem und leider viel
zu wenig geforscht wird, und zwar mit der Zielsetzung,
auf eine Ebolaepidemie gefasst zu sein und Impfstoffe zu
entwickeln . Diese hat man im letzten Jahr ganz schnell
entwickeln müssen, ohne wirklich vorbereitet gewesen
zu sein . Der Nutzen einer rechtzeitigen Forschung an sol-
chen Erregern ist, Menschen und Gesundheit zu schüt-
zen . Aber die Abwägung zwischen Nutzen und Risiko ist
sehr kompliziert .

Die Idee der Grünen entspricht dem, was der Deutsche
Ethikrat vorschlägt: Wissenschaftler sollen ihre besorg-
niserregenden, biosicherheitsrelevanten Forschungsvor-
haben einer Kommission vorlegen, damit diese entschei-
det, ob sie forschen dürfen oder nicht . Das setzt zweierlei
voraus: dass Wissenschaftler ausreichend sensibilisiert
sind, abzusehen, welche Gefahren ihre Forschungen
in sich bergen können, und dass eine Kommission die
sehr schwierige Abwägung zwischen Nutzen und Risiko
treffen kann . Beides ist kompliziert . Der eigentliche An-
satzpunkt ist nach meiner Überzeugung, dass die Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler selbst verantworten
müssen, was sie tun können und was sie tun dürfen . Das
ist der Punkt, an dem wir und die deutschen Forschungs-
organisationen ansetzen .

Die Philipps-Universität Marburg hat den ersten Kodex
für das Verhalten bei riskanten Forschungen auf den Weg
gebracht .

Wir müssen die Wissenschaftler schulen, damit sie
besser vorbereitet sind und erkennen, an welchen Stellen
ihre Forschungen Gefahren bergen und an welchen nicht .
Ich möchte – genauso wie es in der Anhörung vorgeschla-
gen wurde – der Wissenschaft und den Wissenschaftlern
ausreichend Zeit geben, damit verantwortungsvoll umzu-
gehen . Wir werden in einem Zeitraum von ein bis zwei
Jahren – auch unter Mithilfe der Bundesregierung – ge-
nau beobachten, was geschieht . Wenn dann die deutsche
Wissenschaft und die verantwortungsvollen Forscher
nicht in der Lage sind, zu agieren, dann müssen wir über
die Einsetzung einer entsprechenden Kommission reden .

Das wäre aber der ungünstigste und schlechteste Weg .
Über ihn sollten wir in vielleicht ein bis zwei Jahren als
Notreserve diskutieren .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817624000

Vielen Dank, René Röspel . – Nächster Redner: Kai

Gehring für die Grünen .


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817624100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich
sehr, dass wir heute über den Antrag der Grünen diskutie-
ren, den ersten parlamentarischen Vorstoß und Vorschlag
zu dem wichtigen Thema der Biosicherheit . Biosicher-
heit ist sicherlich kein Thema, das ständig im Fokus des
öffentlichen Interesses steht . Das liegt vor allem daran,
dass Entweichen und Entwenden oder der krasse Miss-
brauch jüngster Forschungsergebnisse durch Kriminelle
oder Terroristen bisher nicht stattfanden . Dazu kann man
nur sagen: Gott sei Dank!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dennoch stehen Bedrohungen etwa für Luft und Trink-
wasser durch Krankheitserreger im Raum . Dramatisieren
wäre hier genauso falsch wie Bagatellisieren . Wir müs-
sen politisch Vorsorge treffen, damit diese Bedrohungen
und Sicherheitsrisiken nicht zur Realität werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Techniken zur Herstellung oder Veränderung von
Bakterien und Viren werden immer kostengünstiger und
einfacher . Dadurch wachsen auch Missbrauchsrisiken .
Denen müssen wir entschlossen entgegenwirken . Ein da-
für geeignetes Instrument und der beste Weg ist aus un-
serer Sicht eine Kommission auf gesetzlicher Grundlage,
wie wir sie heute beantragen und wie es auch der Deut-
sche Ethikrat vorschlägt . Sie soll sich lediglich mit hoch
riskanten Projekten der Lebenswissenschaften befassen,
deren Missbrauch bzw . Dual Use ein hohes Schadensri-
siko für Gesundheit und Leben bergen . Die Bundesre-
gierung hat sich zu den Empfehlungen des Deutschen
Ethik rates, den sie selber beauftragt hat, bis heute nicht
klar positioniert . Das bedauern wir .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Andere Staaten sind hier längst weiter . So haben die
USA seit zehn Jahren eine Beratungskommission für
Bio security-Fragen .

Keiner hätte Zweifel daran, dass die Wissenschaftsfrei-
heit in den USA groß geschrieben wird . Der Aufwand in
Deutschland wäre übrigens überschaubar . Laut Ethikrat
handelt es sich in Deutschland um maximal zehn Fälle
pro Jahr, die dort zur Prüfung anstünden . Die Forschen-
den werden durch diese Expertise der Kommission defi-
nitiv entlastet, und zwar weit über individuelle Haftungs-

René Röspel






(A) (C)



(B) (D)


fragen hinaus . Biosecurity-Fragen erfordern dringend
eine interdisziplinäre Perspektive und Expertise, die ein-
zelne Universitäten oder auch einzelne Forschungslabore
nicht immer vorhalten können .

Ebenso wichtig ist die Einbindung auch der Zivilge-
sellschaft; denn Wissenschaftsethik, gerade in den Life
Sciences, berührt elementare Fragen, die nicht allein
innerwissenschaftlich geklärt werden sollten . Wenn die
Kommission von einem Vorhaben abrät, weil sie das Ri-
siko für nicht verantwortbar hält, soll das Vorhaben eben
nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden . Es geht
dabei also um ein wissenschaftsgestütztes Beratungsver-
fahren, definitiv nicht um Forschungsverbote, und diese
smarte DURC-Kommission hilft, Wissenschaftsfreiheit
und ethische Verantwortung abzusichern und auszuba-
lancieren . Das ist notwendig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich bliebe auch mit dieser DURC-Kommission
die Wissenschaftscommunity selbst in der Verantwor-
tung . Sie hat sich auf den Weg gemacht, um per Selbst-
verpflichtung Gefahren von Forschung zu minimieren.
Das wurde schon geschildert . 2015 wurde der Ausschuss
von DFG und Leopoldina gegründet . Die größten Schwä-
chen dieses Konstrukts sind aus unserer Sicht, dass es zu
unverbindlich bleibt . Es ist für die Hochrisikoforschung
zu unspezifisch, und der Kodex ist eben nicht auf Biosi-
cherheit zugeschnitten . Deswegen reicht uns eine Selbst-
verpflichtung nicht aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hochrisikoforschung ist immer mit ganz schwierigen
Abwägungen zwischen Forschungsfreiheit, gesellschaft-
lichem Nutzen und der Sicherheit der Bevölkerung, mit
Leben, mit Umwelt und Gesundheit verbunden . Diese
Abwägungen sind aber dann auch irgendwann zu tref-
fen . Erst eine Kommission auf gesetzlicher Grundlage,
die wir hier im Bundestag schaffen würden, ist dafür
ausreichend demokratisch legitimiert und gewährleistet
dann auch, dass in schwierigen Fragen wissenschaftlich
einheitlich geurteilt wird .

Wenn Deutschland das Thema Biosecurity anpacken
würde, könnte dies übrigens positiv auf internationaler
Ebene ausstrahlen . Dann wären wir Vorbild . Die Bun-
desregierung muss sich dort und auf europäischer Ebe-
ne für einen völkerrechtlichen Vertrag über Grundlagen
und Grenzen verantwortlicher biosecurityrelevanter For-
schung starkmachen . Das ist notwendig, dazu sollten wir
in Deutschland erst einmal anfangen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der globale Zugang zu Wissen wächst ständig . Bio-
logische Sicherheitsrisiken machen an den Grenzen
definitiv nicht halt. Durch internationalen Terrorismus
kommen neue Bedrohungen hinzu . Deshalb sind kluge
und klare Regelungen hierzulande und international in
diesem Bereich wichtiger denn je . Deswegen bitte ich
um Zustimmung zu unserem Antrag . Das bringt uns, der

Gesellschaft und der Wissenschaft einen deutlichen Si-
cherheitsgewinn .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817624200

Vielen Dank, Kai Gehring . – Die letzte Rednerin in

dieser Debatte: Sybille Benning für die CDU/CSU-Frak-
tion .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Sybille Benning (CDU):
Rede ID: ID1817624300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das Risiko eines
Missbrauchs von Forschungsergebnissen so gering wie
möglich bleiben sollte . Ich bin dem Deutschen Ethikrat
sehr dankbar für seine umfassende Arbeit „Biosicher-
heit – Freiheit und Verantwortung in der Wissenschaft“,
in der er die Dual-Use-Gefahren im Bereich der Lebens-
wissenschaften untersucht und darauf aufbauend seine
Empfehlungen abgegeben hat .

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, und die
Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, ha-
ben den Impuls gemeinsam aufgenommen und unter der
Überschrift „Wissenschaftsfreiheit und Wissenschafts-
verantwortung“ ihre Empfehlungen zum Umgang mit si-
cherheitsrelevanter Forschung verfasst . Darin weisen sie
darauf hin, dass Dual-Use-Gefahren nicht nur in Lebens-
wissenschaften, sondern auch in anderen Wissenschafts-
bereichen liegen, beispielsweise der Materialforschung,
der Informatik oder auch den Sozialwissenschaften .

Der meiner Ansicht nach ganz zentrale Punkt in bei-
den Stellungnahmen ist, dass sich die Wissenschaftler
stärker als bisher der Möglichkeit bewusst werden soll-
ten, dass ihre Forschung missbraucht werden kann . Bei-
de Ansätze fordern, Kommissionen einzurichten, die die
Wissenschaftler bei Fragen des Dual Use Research of
Concern unterstützen und beraten können .

Jetzt ist die Frage, wie dies bestmöglich gelingt: mit
einer zentralen Kommission für Zweifelsfälle in den Le-
benswissenschaften oder mit einem dezentralen Ansatz,
der alle Forschungsfelder umfasst? Letzteres ist das Kon-
zept der DFG und der Leopoldina . Es bezieht alle frag-
lichen Forschungseinrichtungen in Deutschland mit ein .

Vieles ist in kurzer Zeit passiert . DFG und Leopoldina
haben einen gemeinsamen Ausschuss eingerichtet, der,
soweit ich es gezählt habe, über 90 Forschungsinstitute
angesprochen hat . Es gibt eine Mustersatzung, auf die die
Institute zurückgreifen können, wenn sie eigene Kommis-
sionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung aufbau-
en . Das ist wohl schon angefragt worden; es wurde auch
eben erwähnt . Damit wurde ein Prozess der Selbstregu-
lierung in der Wissenschaft angestoßen, dessen Ziel es
ist, bis 2017 in allen deutschen Forschungseinrichtungen
belastbare Strukturen zum Umgang mit sicherheitsrele-
vanter Forschung zu schaffen . Ganz selbstverständlich
werden wir uns dann anschauen, wie weit die Umsetzung
dieses großen und wichtigen Vorhabens gelungen ist, und
daraus Konsequenzen ziehen .

Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Zuhörer, die Freiheit der Forschung ist durch
das Grundgesetz geschützt, Artikel 5 Absatz 3; wir wis-
sen es alle . Dieses Gesetz gilt für die gesamte Wissen-
schaft . Jegliche Reglementierung – und sei es eine Be-
ratungspflicht – ist ein Eingriff. Gesetzliche Regelungen
können die Risiken freier Forschung nur in begrenztem
Umfang erfassen und sind wenig flexibel. Sie sollen
das Ziel haben, bestimmten Gefahren vorzubeugen . Ich
fürchte allerdings, dass mit Gesetzen beispielsweise ei-
nem absichtlichen, insbesondere terroristischen Miss-
brauch nur bedingt entgegengewirkt werden kann .

Ich komme zurück auf die Verantwortung der Wis-
senschaftler . Forschende haben eine besondere ethische
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die auch
über bereits existierende gesetzliche Verpflichtungen hi-
nausgeht . Ihre Aufgabe besteht darin, mögliche Risiken
und Chancen verantwortlich gegeneinander abzuwägen .
Dazu gehört auch, dass die Unterlassung von Forschung
bedeutsame Risiken nach sich ziehen kann . Die For-
schung an Viren ist so ein Forschungsfeld . Am Ebola-
virus – das wurde eben auch erwähnt – muss geforscht
werden, wenn wir einen Impfstoff haben wollen, der die
Menschen schützt .

Bei Gefahren des Missbrauchs geht es um Wissen,
Technologien und Produkte, die nicht nur für nützliche,
sondern auch für schädliche Zwecke angewendet werden
können . Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die For-
schungsergebnisse in falsche Hände geraten . Ich glau-
be, ganz entscheidend sind Ausbildungsmaßnahmen für
Nachwuchswissenschaftler . Wissenschaftler müssen sen-
sibilisiert werden für mögliche Risiken ihrer Forschung,
und sie müssen informiert werden über bereits existie-
rende rechtliche Auflagen im gesamten Wissenschafts-
bereich . Umfragen unter den Wissenschaftler haben ja
ergeben, dass dies bislang noch wenig der Fall war .

Hier sehe ich eine entscheidende Aufgabe für die
Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung
in den einzelnen Instituten . Sie sollen sicherstellen, dass
das Problembewusstsein existiert und wachgehalten
wird, und so dazu beitragen, eine Kultur der Verantwor-
tung fest zu verankern . Materialien dazu gibt es genug .
Notwendig ist, das entsprechende Bewusstsein in den
Curricula der Studierenden nachhaltig anzusprechen,
über Bachelor und Master zu vertiefen und auch an die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Institute zu tragen .

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass in Ihrem
Antrag, liebe Kollegen von den Grünen, solche entschei-
denden Maßnahmen zur sachgerechten Aus- und Fort-
bildung der verantwortlichen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler komplett fehlen .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir sind auch nicht dagegen!)


Ich halte Ihren Ansatz daher nicht für zielführend .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1817624400

Vielen Dank, Frau Kollegin Benning . – Damit schlie-

ße ich die wirklich spannende Aussprache . Ich habe viel
gelernt . Danke schön .

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
mit dem Titel „Biosicherheit bei Hochrisikoforschung
in den Lebenswissenschaften stärken“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
18/8698, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/6204 abzulehnen . Wer stimmt für die-
se Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-
men . Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD . Dagegen-
gestimmt haben die Grünen . Enthalten hat sich die Linke .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 sowie Zusatz-
punkt 5 auf:

22 . Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Achtung der Menschenrechte in Burundi ein-
fordern – Friedensdialog fördern

Drucksache 18/8706
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-
Asche, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gewalt in Burundi stoppen – Weitere massive
Menschenrechtsverletzungen verhindern

Drucksachen 18/6883, 18/8738

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . –
Damit sind alle einverstanden .1)

Tagesordnungspunkt 22 . Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 18/8706 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . – Sie sind einverstanden . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Zusatzpunkt 5 . Wir kommen zur Abstimmung über
die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe zum Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Gewalt in
Burundi stoppen – Weitere massive Menschenrechts-
verletzungen verhindern“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8738,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/6883 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer

1) Anlage 4

Sybille Benning






(A) (C)



(B) (D)


enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen mit Zustimmung von CDU/CSU, SPD und
der Linken bei Gegenstimmen von den Grünen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-
nität und Geschäftsordnung (1 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr . Petra Sitte und
der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordne-
ten Britta Haßelmann und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Änderung der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages
hier: Ausschussöffentlichkeit
Drucksachen 18/3045, 18/8299

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Sie
sind einverstanden .1)

Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Ausschuss
für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/8299, den Antrag der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3045 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen mit Zustimmung von CDU/
CSU und SPD sowie Gegenstimmen von Bündnis 90/Die
Grünen und der Linken .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD
Wildtierschutz weiter verbessern – Illegalen
Wildtierhandel bekämpfen
Drucksache 18/8707
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . –
Einverstanden .2)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/8707 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . – Sie sind einverstan-
den . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Bundesmeldegesetzes und wei-
terer Vorschriften
Drucksache 18/8620
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss

1) Anlage 5
2) Anlage 6

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind einverstanden .3)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/8620 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . – Keine weiteren
Vorschläge . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Völkerstrafgesetzbuches

Drucksache 18/8621
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . –
Einverstanden .4)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/8621 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . – Keine weiteren
Vorschläge . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung

Zweite Verordnung zur Änderung der Verord-
nung über Vereinbarungen zu abschaltbaren
Lasten

Drucksachen 18/8560, 18/8660 Nr. 2.1, 18/8737


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Können Sie uns mal erklären, um was es da geht?)


– Das müssen Sie mir erklären . – Weiß das jemand
hier? – Gut .

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind einverstanden .5)

Wir kommen zur Abstimmung . Der Ausschuss für
Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/8737, der Verordnung
der Bundesregierung auf Drucksache 18/8560 zuzustim-
men . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen . Zugestimmt haben CDU/
CSU und SPD . Dagegengestimmt hat niemand . Enthal-
ten haben sich Bündnis 90/Die Grünen und die Linken .

Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung berg-, umweltscha-
dens­ und wasserrechtlicher Vorschriften zur

3) Anlage 7
4) Anlage 8
5) Anlage 9

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU über
die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erd-
gasaktivitäten
Drucksache 18/8703
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Sie
sind einverstanden .1)

1) Anlage 10

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/8703 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . Keine weiteren
Vorschläge? – Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung angekommen .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Freitag, 10 . Juni 2016, 9 Uhr, ein .

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Restabend .
Die Sitzung ist geschlossen .