Protokoll:
18167

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 167

  • date_rangeDatum: 28. April 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:01 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/167 Textrahmenoptionen: 16 mm Abstand oben Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 167. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. April 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abge- ordneten Gabriele Lösekrug-Möller und Helmut Nowak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16351 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16351 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 8 und 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16352 A Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 16352 A Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Stahlindustrie in Deutschland und Europa stärken Drucksache 18/8238 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16352 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sicherung der Arbeitsplätze in der europäi- schen Stahlindustrie Drucksache 18/8237 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16352 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Oliver Krischer, Katharina Dröge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Europäische Stahlindustrie nachhaltig stärken Drucksache 18/8240 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16352 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 16353 D Dr . Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16354 D Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16356 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . 16357 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16358 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16359 D Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16362 A Dr . Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16363 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16364 D Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16365 D Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16366 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16367 D Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16369 A Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Zeitsou- veränität – Damit Arbeit gut ins Leben passt Drucksache 18/8241 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16370 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16371 A Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16372 A Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16373 D Bernd Rützel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16374 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016II Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . . 16375 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16377 C Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16378 A Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16379 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16379 D Albert Stegemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16380 D Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16383 A Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16384 C Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16385 D Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines … Ge- setzes zur Änderung des Strafgesetzbu- ches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung Drucksache 18/8210 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16386 D b) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Halina Wawzyniak, Cornelia Möhring, Frank Tempel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungs- gesetzes zur Änderung des Sexualstraf- rechts (… StrÄndG) Drucksache 18/7719 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16387 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 16387 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 16388 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . 16390 A Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16391 C Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16392 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16393 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16394 C Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16396 B Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16397 B Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16399 A Tagesordnungspunkt 29: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung des Berufs- kraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes Drucksache 18/8183 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16399 D b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Protokoll vom 11. Januar 2016 zur Änderung des Abkommens vom 12. April 2012 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und dem Kö- nigreich der Niederlande zur Vermei- dung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen Drucksache 18/8208 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16400 A c) Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ weiterentwickeln und seine Fortführung jetzt vorbereiten Drucksache 18/8181 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16400 A Tagesordnungspunkt 30: a) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bun- desberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik Drucksachen 18/7551, 18/8125 . . . . . . . . . 16400 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland Drucksachen 18/4810, 18/8113 . . . . . . . . . 16400 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Vierte Ver- ordnung zur Änderung der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung Drucksachen 18/7752, 18/7918 Nr . 2, 18/8230 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16404 A d) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz: Übersicht 7 – über die dem Deut- schen Bundestag zugeleiteten Streitsa- chen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/8251 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16404 B e)–i) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 304, 305, 306, 307 und 308 zu Petitio- nen Drucksachen 18/8093, 18/8094, 18/8095, 18/8096, 18/8097 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16404 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 III Lars Klingbeil (SPD) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16400 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 31 GO) 16401 D Hubertus Zdebel (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16402 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . . 16403 D, 16404 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16407 C, 16410 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Rentenniveau anheben – Al- tersarmut verhindern Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16405 A Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16406 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16412 B Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16414 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 16415 C Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 16416 C Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16417 D Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 16419 A Jana Schimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16420 B Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16421 D Dr . Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 16422 D Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16424 A Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Unterrichtung durch den Wehr- beauftragten: Jahresbericht 2015 (57. Be- richt) Drucksache 18/7250 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16424 D Dr . Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . 16425 A Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16426 D Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 16428 A Heidtrud Henn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16429 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16430 D Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 16432 A Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16432 D Tagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit für Menschen mit Be- hinderungen Drucksachen 18/5227, 18/8118 . . . . . . . . . . . . 16433 C Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16433 D Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16435 A Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16436 A Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16437 C Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16438 D Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 16439 D Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16440 C Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Buch- preisbindungsgesetzes Drucksachen 18/8043, 18/8260 . . . . . . . . . . . 16441 A Matthias Ilgen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16441 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16442 A Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16443 A Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16444 B Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16445 B Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16445 D Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16446 D Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Manuel Sarrazin, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Flüchtlingsschutz und fai- re Verantwortungsteilung in einer geeinten Europäischen Union Drucksache 18/8244 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16448 A Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16449 C Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16450 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16451 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 16451 D Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16453 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016IV Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16454 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16454 D Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16455 B Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16456 D Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 16458 A Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16459 A Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrneh- mung von Urheber- und verwandten Schutz- rechten und die Vergabe von Mehrgebiets- lizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend die Geräte- und Speichermedienvergütung (VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) Drucksachen 18/7223, 18/7453, 18/8268 . . . . 16460 B Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16460 C Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 16462 A Dr . Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16463 B Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16464 B Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16465 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16466 B Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W . Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Krankenversicherungs- beiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden Drucksachen 18/6364, 18/8222 . . . . . . . . . . . 16467 D Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16468 A Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 16469 A Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16470 A Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 16471 C Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16472 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16472 C Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16473 C Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung zu dem Antrag der Frakti- onen der CDU/CSU und SPD: Transfer von Forschungsergebnissen und Innovationen in die Gesundheitsversorgung beschleuni- gen Drucksachen 18/7044, 18/8233 . . . . . . . . . . . 16475 A Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16475 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16476 B Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 16477 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16478 A Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16479 A René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16480 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Luise Amtsberg, Monika Lazar, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Heute für morgen helfen – Engagement für Geflüchtete stär- ken Drucksache 18/8221 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16481 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16481 A Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16482 A Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 16483 A Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16484 A Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16485 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16486 A Tagesordnungspunkt 16: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationales Reformprogramm 2016 Drucksache 18/8116 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16487 A Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16487 B Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16488 A Dr . Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16488 D Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16490 C Ulrich Freese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16492 A Tagesordnungspunkt 15: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 V der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katharina Dröge, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abge- ordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Wirt- schaftspartnerschaftsabkommen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsuni- on dem Bundestag zur Abstimmung vor- legen Drucksachen 18/5096, 18/6512 . . . . . . . . . 16492 D b) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augs- burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und die vorläufige Anwendung des Wirt- schaftspartnerschaftsabkommens zwi- schen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den SADC-WPA-Staaten andererseits KOM(2016) 8 endg.; Ratsdok. 5608/16 – und – zu dem Vorschlag für einen Be- schluss des Rates über die Unterzeich- nung und die vorläufige Anwendung des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen den Partnerstaaten der Ostaf- rikanischen Gemeinschaft einerseits und der Europäischen Union und ihren Mit- gliedstaaten andererseits KOM(2016) 63 endg.; Ratsdok. 6126/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes: Wirtschaftspart- nerschaftsabkommen mit der Entwick- lungsgemeinschaft des südlichen Afrika und der ostafrikanischen Gemeinschaft ablehnen Drucksache 18/8243 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16493 A Thomas Silberhorn, Parl . Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16493 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16494 A Dr . Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16495 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16496 C Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16497 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters Drucksache 18/8209 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16499 C Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenktag werden Drucksache 18/8111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16499 D Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Sep- tember 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien über Soziale Sicherheit Drucksachen 18/7793, 18/8119 . . . . . . . . . . . . 16500 A Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetz- buches und zur Änderung anderer Vor- schriften Drucksachen 18/7244, 18/8267 . . . . . . . . . . . 16500 B Tagesordnungspunkt 21: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Straßburger Übereinkommen vom 27. September 2012 über die Beschränkung der Haf- tung in der Binnenschifffahrt (CLNI 2012) Drucksachen 18/7822, 18/8265 . . . . . . . . . 16500 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Bin- nenschifffahrt Drucksachen 18/7821, 18/8265 . . . . . . . . . 16500 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistik- gesetzes und anderer Statistikgesetze Drucksachen 18/7561, 18/8258 . . . . . . . . . . . 16501 A Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016VI eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Ag- rarmarktstrukturgesetzes Drucksache 18/8235 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16501 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16501 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 16503 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordne- ten Heike Baehrens, Ulrike Bahr, Bärbel Bas, Uwe Beckmeyer, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Sabine Dittmar, Martin Dörmann, Elvira Drobinski-Weiß, Saskia Esken, Daniela Kolbe, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner, Gabriele Fograscher, Michael Gerdes, Martin Gerster, Hubertus Heil (Peine), Rita Hagl- Kehl, Gabriela Heinrich, Matthias Ilgen, Frank Junge, Josip Juratovic, Gabriele Katzmarek, Dr.  Bärbel  Kofler, Anette  Kramme,  Gabriele  Lösekrug-Möller, Katja Mast, Klaus Mindrup, Susanne Mittag, Ulli Nissen, Aydan Özoğuz,  Jeannine  Pflugradt,  Stefan  Rebmann,  Dr . Martin Rosemann, Bernd Rützel, Sarah Ryglewski, Johann Saathoff, Annette Sawade, Marianne Schieder, Dr . Dorothee Schlegel, Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Sonja Steffen, Kerstin Tack, Carsten Träger und Stefan Zierke (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16503 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michaela Engelmeier, Michael Groß, Dirk Heidenblut, Petra Hinz (Essen), Arno Klare, Andreas Rimkus, Petra Rode-Bosse, René Röspel, Elfi Scho-Antwerpes, Ursula Schulte,  und Christoph Strässer (alle SPD) zu den na- mentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16504 B Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Cajus Caesar, Jutta Eckenbach, Ingrid Fischbach, Uwe Lagosky, Dr . Claudia Lücking-Michel, Sylvia Pantel, Eckhard Pols, Bernhard Schulte-Drüggelte und Sabine Weiss (Wesel I) (alle CDU/CSU) zu den namentli- chen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16504 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Dr . Katarina Barley, Angelika Glöckner, Michael Hartmann (Wackernheim), Marcus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler, Andrea Nahles, Detlev Pilger und Gabi Weber (alle Landesgruppe Rheinland-Pfalz in der SPD-Fraktion) zu den namentlichen Abstim- mungen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 VII Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16505 A Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Crone, Ulrich Kelber, Helga Kühn- Mengel, Dr . Rolf Mützenich, Achim Post (Minden), Axel Schäfer (Bochum) und Ulla Schmidt (Aachen) (alle SPD) zu den namentli- chen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16505 D Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Dr . Karamba Diaby, Petra Ernstberger, Heidtrud Henn, Detlef Müller (Chemnitz), Matthias Schmidt (Berlin) und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmun- gen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16506 B Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alois Gerig, Andreas Jung und Josef Rief (alle CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmun- gen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16506 C Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- chen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 16507 A Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16507 B Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16507 D Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16508 B Sybille Benning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16508 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 16508 D Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 16509 B Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16509 D Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16510 A Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16510 B Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 16510 C Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16511 B Ulrich Freese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16511 D Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16512 A Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16512 B Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16512 C Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16513 A Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16513 C Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16514 A Metin Hakverdi (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16514 D Ulrich Hampel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16515 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016VIII Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16515 A Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16515 C Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16515 D Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 16516 B Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16517 B Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16517 D Anja Karliczek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16517 D Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16518 A Dr . Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 16518 D Dr . Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 16519 A Dr . Birgit Malecha-Nissen (SPD) . . . . . . . . . . 16519 B Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16520 A Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16520 C Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16520 C Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16521 B Sabine Poschmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16522 A Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16522 B Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16522 C Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16523 B Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16524 A Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 16524 C Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16524 C Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16525 A Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 16525 A Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 16526 A Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16526 D Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16527 A Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16527 B Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16527 C Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16528 A Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16528 C Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16528 D Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16529 C Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16529 C Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16530 A Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16530 A Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16530 D Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16531 B Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16531 C Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Abgeord- neten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Bundesberggesetzes zur Untersa- gung der Fracking-Technik (Tagesordnungspunkt 30 a) . . . . . . . . . . . . . . . 16531 C Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 16531 D Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16531 D Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16532 C Anlage 11 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur- schutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 b) . . . . . . . . . . . . . . . 16533 A Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 16533 B Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16533 D Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Erika Steinbach (CDU/CSU) zu der Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordne- ten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Tag der Befreiung muss ge- setzlicher Gedenktag werden (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16534 B Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 16535 B Dr . Georg Kippels (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16535 B Dr . Katja Leikert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16536 A Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16537 A Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16537 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16538 B Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16538 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 IX Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenk- tag werden (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16539 C Dr . Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16539 C Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16540 D Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 16541 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16542 A Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23 . September 2015 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Republik Al- banien über Soziale Sicherheit (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 16542 D Dr . Martin Pätzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16542 D Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD) . . . . . . . . . . 16544 A Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . . 16544 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16545 C Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychia- trischen Krankenhaus gemäß § 63 des Straf- gesetzbuches und zur Änderung anderer Vor- schriften (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 16546 A Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16546 A Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16547 A Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16548 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16548 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16549 C Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Straßbur- ger Übereinkommen vom 27 . September 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI 2012) – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 16550 D Dr . Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16550 D Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16551 C Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16551 D Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16552 D Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16553 B Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes- statistikgesetzes und anderer Statistikgesetze (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 16554 A Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16554 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 16555 A Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16556 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16557 B Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 16558 D Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16558 D Kees de Vries (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16559 D Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 16560 B Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . . 16561 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16562 A Anlage 20 Neudruck: Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Ole Schröder auf die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (163 . Sitzung, Anlage 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16563 A Textrahmenoptionen: 30,5 mm Abstand oben (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16351 167. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. April 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
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    2) Anlage 19 Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16503 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28 .04 .2016 Bleser, Peter CDU/CSU 28 .04 .2016 Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 28 .04 .2016 Brehmer, Heike CDU/CSU 28 .04 .2016 Castellucci, Dr . Lars SPD 28 .04 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 28 .04 .2016 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 28 .04 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 28 .04 .2016 Lotze, Hiltrud SPD 28 .04 .2016 Ludwig, Daniela CDU/CSU 28 .04 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28 .04 .2016 Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 28 .04 .2016 Müller, Bettina SPD 28 .04 .2016 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28 .04 .2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28 .04 .2016 Strobl (Heilbronn), Thomas CDU/CSU 28 .04 .2016 Thönnes, Franz SPD 28 .04 .2016 Veit, Rüdiger SPD 28 .04 .2016 Wicklein, Andrea SPD 28 .04 .2016 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 28 .04 .2016 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 28 .04 .2016 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Heike Baehrens, Ulrike Bahr, Bärbel Bas, Uwe Beckmeyer, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Sabine Dittmar, Martin Dörmann, Elvira Drobinski-Weiß, Saskia Esken, Daniela Kolbe, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner, Gabriele Fograscher, Michael Gerdes, Martin Gerster, Hubertus Heil (Peine), Rita Hagl-Kehl, Gabriela Heinrich, Matthias Ilgen, Frank Junge, Josip Juratovic, Gabriele Katzmarek, Dr. Bärbel Kofler, Anette Kramme, Gabriele Lösekrug- Möller, Katja Mast, Klaus Mindrup, Susanne Mittag, Ulli Nissen, Aydan Özoğuz, Jeannine Pflugradt, Stefan Rebmann, Dr. Martin Rosemann, Bernd Rützel, Sarah Ryglewski, Johann Saathoff, Annette Sawade, Marianne Schieder, Dr. Dorothee Schlegel, Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Sonja Steffen, Kerstin Tack, Carsten Träger, Stefan Zierke (alle SPD) zu den namentlichen Ab- stimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland. (Tagesordnungspunkt 30 a und b) „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für uns Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Ge- setz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelun- gen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bür- ger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616504 (A) (C) (B) (D) wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für uns, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Entschei- dung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Wir setzen nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarten vom Koalitionspartner, das Regelungspa- ket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michaela Engelmeier, Michael Groß, Dirk Heidenblut, Petra Hinz (Essen), Arno Klare, Andreas Rimkus, Petra Rode-Bosse, René Röspel, Elfi Scho-Antwerpes, Ursula Schulte und Christoph Strässer (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Wir halten unkonventionelles Fracking für nicht ver- antwortbar und setzen uns für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen unmöglich macht . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit die Rechtsunsicherheit . Die Anträge von Grünen und Linken schaden der Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus- sprache darüber ablehnen . Um unser Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge- fährden, werden wir uns heute der Stimme enthalten . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Cajus Caesar, Jutta Eckenbach, Ingrid Fischbach, Uwe Lagosky, Dr. Claudia Lücking-Michel, Sylvia Pantel, Eckhard Pols, Bernhard Schulte-Drüggelte und Sabine Weiss (Wesel I) (alle CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Fraktion Die Linke können wir nicht zustimmen, auch wenn wir einige Argumente inhaltlich teilen . Wir verweisen auf die anhaltenden Be- ratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema „Fracking“, über das wir zum Abschluss des parlamentarischen Ge- setzgebungsverfahrens entscheiden werden . Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt: Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für uns oberste Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16505 (A) (C) (B) (D) Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen Fra- ckings sind unseres Erachtens noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Daher lehnen wir die Erdgasförderung durch das so- genannte unkonventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne was- sergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinrei- chend wissenschaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Katarina Barley, Angelika Glöckner, Michael Hartmann (Wackernheim), Marcus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler, Andrea Nahles, Detlev Pilger und Gabi Weber (alle Landesgruppe Rheinland-Pfalz in der SPD-Frakti- on) zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Die Mitglieder der Landesgruppe Rheinland-Pfalz der SPD-Bundestagsfraktion erklären zu ihrem Abstim- mungsverhalten bei den am 28 . April 2016 auf der Ta- gesordnung des Deutschen Bundestags stehenden Ta- gesordnungspunkten 30 a) („Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) und 30 b) („Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit zum Antrag der Linken „Verbot von Fracking in Deutschland“): Nach gewissenhafter Prüfung folgen wir den Be- schlussempfehlungen der federführenden Ausschüsse . Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und den Antrag der Linken lehnen wir ab . Die Ablehnung der Anträge ist damit zu begründen, dass beide Anträge ein vollständiges Verbot von Fracking vorsehen . Diese Position haben wir in der SPD-Landes- gruppe Rheinland-Pfalz nie vertreten . Ein solches Total- verbot ginge an der Realität vorbei, wäre rechtlich kaum machbar und politisch unseriös . Allerdings stellen wir auch keinen Freifahrtschein für Fracking aus: Die Landesgruppe bleibt bei ihren bis- herigen Forderungen, dass der Schutz von Trinkwasser und geologischer Integrität, von Gesundheit und Umwelt Vorrang haben muss vor wirtschaftlichen Interessen . Gefährliche Zusätze in Frac-Flüssigkeiten gibt es mit uns nicht . Unkonventionelles Fracking muss verboten werden . Die Zahl der Erprobungsmaßnahmen muss auf das wissenschaftlich notwendige Maß beschränkt werden und eine feste Anzahl an möglichen Probebohrungen vorsehen . Darüber hinaus streben wir eine Beteiligung der Länder im Rahmen der Probebohrungen an . Keinesfalls darf eine externe Expertenkommission je- mals über Fracking entscheiden . Das Parlament alleine hat hier zu entscheiden . Beide Vorlagen sehen ein voll- ständiges Verbot von Fracking vor . Dies ist nicht unse- re Position . Ein Totalverbot ist weder rechtlich machbar noch politisch seriös . Den Menschen vorzumachen, es ginge doch, ist reine Augenwischerei . Geografische  Bedingungen  unterscheiden  sich  von  Standort zu Standort, deshalb fordert die Landesgruppe Rheinland-Pfalz eine Einzelfallprüfung für jedes Projekt . Transparenz ist wichtig . Diese soll auf zwei Arten gewährleistet werden . Wir fordern daher eine gesetzlich verbriefte Bürgerbeteiligung von Anfang an bei eventu- ellen Verfahren . Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, über Eingriffe in die Natur in ihrem Um- feld informiert zu werden und darüber mitzuentscheiden . Weiter fordern wir die Einrichtung eines bundeswei- ten Registers, in dem detaillierte Informationen über ab- geschlossene und laufende Fracking-Projekte einsehbar sind . Dieses Register soll unter anderem darüber infor- mieren, wer ein Fracking-Projekt verantwortet, in wel- cher Tiefe es durchgeführt wird und welche Frac-Flüssig- keiten verwendet wurden . Die Landesgruppe Rheinland-Pfalz sieht im Fracking bestenfalls eine Übergangslösung hin zu einer nachhalti- gen Energiepolitik, die möglichst ohne fossile Energie- träger auskommt . In diesem Sinne muss Fracking auch so reguliert werden, dass daraus keine Belastungen für die Menschen dieser oder künftiger Generationen entste- hen . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Crone, Ulrich Kelber, Helga Kühn-Mengel, Dr. Rolf Mützenich, Achim Post (Minden), Axel Schäfer (Bochum) und Ulla Schmidt (Aachen) (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616506 (A) (C) (B) (D) zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsver- trag ist für uns Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Wir sind der festen Überzeugung, dass auf Bundes- ebene keine Fakten gegen die Interessen der Bundeslän- der geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach unserem Verständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für uns, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls ersetzen . Wir setzen auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarten vom Koalitionspartner, die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer- gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Karamba Diaby, Petra Ernstberger, Heidtrud Henn, Detlef Müller (Chem- nitz), Matthias Schmidt (Berlin) und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstim- mungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter- nehmen schaffen und nehmen die Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst und teilen sie . Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zuläs- sig, die Auswirkungen der Maßnahmen wissenschaftlich zu erforschen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung neuer gesetzlicher Rege- lungen . Wir setzen nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner- halb der Großen Koalition und erwarten vom Koalitions- partner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Aus diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alois Gerig, Andreas Jung und Josef Rief (alle CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Die Bundesregierung hat bereits ein Gesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem der abso- lute Vorrang von Trinkwasserschutz und Gesundheits- vorsorge hinsichtlich der Risiken des Einsatzes der Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgas- gewinnung durchgesetzt werden soll . In diesem bereits eingebrachten Gesetz soll das Ber- grecht dahin gehend geändert werden, dass in Deutsch- land keine Bohrungen mit Anwendung der Fracking-Me- thode zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und -gas aus unkonventionellen Lagerstätten mit umweltto- xischen Stoffen zulässig ist . In diesem Sinne sollen auch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16507 (A) (C) (B) (D) die erforderlichen Ergänzungen im Wasserhaushaltsge- setz des Bundes erfolgen . Eine obligatorische Umwelt- verträglichkeitsprüfung (UVP) mit entsprechender Bür- gerbeteiligung soll verankert werden . Insbesondere ist in dem Gesetzentwurf ein absolutes Fracking-Verbot vorgesehen in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Tal- sperren und Seen, die unmittelbar zur Trinkwassergewin- nung genutzt werden, im Einzugsbereich von Quellen, Brunnen und von allen Wasserentnahmestellen, deren Wasser in Lebensmittel verwendet wird, sowie in Trink- wassergewinnungsgebieten der öffentlichen und privaten Wasserversorgung . Da aus dem Bodensee Trinkwasser gewonnen wird, wird von diesem absoluten Fracking-Verbot auch der gesamte Einzugsbereich des Bodensees umfasst und der Schutz des Trinkwassers sichergestellt . Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass auf der Grund- lage dieses Gesetzesentwurfs in den weiteren Beratungen noch offene Fragen geklärt werden und dass dann mit der Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen Bundestag ein umfassender Trinkwasser- und Gesund- heitsschutz durchgesetzt wird . Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über den – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik und die – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Verbot von Fracking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Doris Barnett (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko- alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un- ternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen und Kenntnisstand ist Fracking  von  Schiefer-  und Kohleflözgas  nicht  verant- wortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt überwie- gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wis- senslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und um- weltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt, insbe- sondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wis- senschaftlich zu erforschen . Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemein- sam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erpro- bungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Län- der im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie im Gesetzentwurf der Grünen und im Antrag der Linken jetzt gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, ob- wohl Grüne und auch Linke an zahlreichen Landesregie- rungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein gene- relles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermetho- den ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diesen Gesetzentwurf und auch den Antrag ab . Dr. Matthias Bartke (SPD): Im vergangenen Jahr ha- ben mich viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern erreicht, die ihre Bedenken über das Fracking zum Aus- druck gebracht haben . Ich nehme diese Bedenken und Sorgen sehr ernst und teile sie in vielen Punkten . Bisher Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616508 (A) (C) (B) (D) ist das Fracking in Deutschland in weiten Teilen über- haupt nicht geregelt . Eine Regulierung ist daher dringend notwendig . Für mich ist dabei elementar, dass der Schutz der Umwelt, der Gesundheit und des Trinkwassers abso- luten Vorrang erhält . Ich will in diesem Sinne klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Unter- grund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu er- forschen, halte ich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissen- schaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit . Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Große Koalition ihr Regelungspaket zügig umsetzt . Wir haben auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschafts- ministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinba- ren können . Ich erwarte nun vom Koalitionspartner, das Regelungspaket nicht länger zu blockieren . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Maik Beermann (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werde ich zustim- men, den Antrag der Fraktion die Linke werde ich ab- lehnen . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfah- rens dann separat entscheiden werde . Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: In meinem Wahlkreis Nienburg II/Schaumburg in der Gemeinde Rodewald in meiner Heimatsamtgemeinde Steimbke sind Leukämieerkrankungen gehäuft aufgetre- ten, die nach Auffassung verschiedener Experten auf die jahrzehntelange Erdölförderung zurückzuführen sind . Eine Krebsclusteruntersuchung findet statt.  Die Sicherheit und Gesundheit der Mitbürgerinnen und Mitbürger stehen für mich an erster Stelle – vor den wirtschaftlichen Interessen . Die Auswirkungen des un- konventionellen Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das sogenannte unkon- ventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der Tech- nik ab . Solange Fracking nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wissen- schaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Auch das aktuell aufgetre- tene Erdbeben im Landkreis Verden mit mehreren hun- dert Schäden an Gebäuden veranlassen mich zu dieser Entscheidung . Sybille Benning (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Fraktion Die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamenta- rischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde . Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen . Als Abgeordnete aus dem Münsterland lehne ich der- zeit das kommerzielle unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen dieser Technologie sind noch nicht aus- reichend wissenschaftlich geklärt . Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwas- ser und Umwelt hat für mich oberste Priorität . Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um- welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die vielen Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien – seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel- le unkonventionelle Fracking ab . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wenn taktische Überlegungen und parlamentarisches Geplänkel wich- tiger werden als ökologische Lösungen, müssen solche Anträge wie die von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken gestellt werden . Wenn es allein nach mir gin- ge in der Welt, würden wir aus dem Verbrauch fossiler Energieträger aussteigen, denn sie sind endlich, und au- ßerdem machen Arbeitsplätze auf solarer Basis ein gutes Gewissen . Aber die Welt folgt nicht allein meinen Vor- stellungen, und auch in Deutschland lehnen wir eine Dik- tatur ab, bevorzugen Demokratie . In unserer Demokratie haben die SPD-Fraktion und ich eine Arbeitsrichtung, ein Ziel: Schonung fossiler Energieträger . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab – auch in der Gro- ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi- cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Seit Jahrzehnten gibt es Fracking in Deutschland – hier gibt es erhebliche Rege- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16509 (A) (C) (B) (D) lungslücken, die zu schließen sind . Also brauchen wir ein Gesetz. Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein fak- tisches Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer aber keine Rechtssicherheit hinsichtlich ökologischer Fragen, gefährdet also Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasför- derung – ohne die ökologische Situation zu verbessern, ohne klare Regelungen für die bisherige Erdgasförde- rung . Für die Zukunft gilt: Mit Blick auf die endliche Res- source Gas und mit Blick auf die guten Möglichkeiten zum ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant- wortbar, denn Risiken für Mensch und Umwelt überwie- gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Gegenwärtig gilt: Für eine gewissenhafte Beratung gesetzlicher Regelungen gilt der Grundsatz „Gründlich- keit vor Schnelligkeit“ . Daher wurde die Entscheidung über die geplanten Regelungen für das Gesetzespaket zum Fracking bisher noch nicht beschlossen . Für mich sind folgende Verbesserungen bei dem Entwurf des Re- gelungspakets wichtig: Der Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ muss im Umgang mit unkonventio- nellem Fracking das letzte Wort haben – Parlamentsvor- behalt – und keine Expertenkommission, die lediglich eine Beratungs- und Beurteilungsfunktion einnehmen soll . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü- gig mit uns zusammen umzusetzen . Gäbe es keine kla- ren gesetzlichen Regelungen, bestünde die Gefahr, dass die derzeit zurückgehaltenen Anträge der Unternehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen  weitergehenden  Schutz  der  Oberflächen- gewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem will die SPD-Fraktion mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden auf- grund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser schwierigen Aufgaben ist es von Grünen und Linken kein seriöses Verhalten, eine Abstim- mung zum diesem Thema ohne Debatte im Parlament zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Win- kelzug wird der Problematik nicht gerecht . Es ist bedau- erlich, dass sich ein „an sich“ guter Vorschlag auf diese Weise in sein Gegenteil verkehrt . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für die SPD und mich absoluten Vor- rang .“ Die Festlegung im Koalitionsvertrag zum Thema Fracking ist für mich stets Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz! Ein Ge- setz, das Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelun- gen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bür- ger, für Behörden und Unternehmen . Wir wollen aber auch die Mineralwasserförderung nicht verbieten . Fracking  von  Schiefer-  und  Kohleflözgas  ist  nicht  verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schließen, dürfen allenfalls Erpro- bungsmaßnahmen in eng begrenzten Rahmen und unter strengster wissenschaftlicher und umweltfachlicher Auf- sicht zulässig sein, um Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Dass der Deutschen Bundestag am Ende die Entschei- dung treffen muss, ist für mich selbstverständlich . Eine von der CDU geforderte Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, jedoch keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Regelungen, auch dann, wenn sie derzeit noch ganz legal bergrechtliche Genehmigungen erhal- ten könnten . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförde- rung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich bereits im Bundesrat nicht durchsetzen, weil Grüne und auch Linke dort selbst Ver- antwortung in Landesregierungen tragen . Ich erwarte, dass die Union den Widerstand gegen die von Bundesumweltministerium und Bundeswirtschafts- ministerium erarbeiteten Verbesserungen aufgibt, um das Regelungspaket endlich zügig umzusetzen . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch moti- vierter Winkelzug wird weder der Verantwortung, noch der Würde des Parlaments gerecht . Schon aus diesem Grund lehne ich diese Anträge strikt ab . Marco Bülow (SPD): Ich halte unkonventionelles Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord- rhein-Westfalen und im Bund unmöglich macht . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommis- sion kann das demokratisch legitimierte Organ Deut- scher Bundestag keinesfalls ersetzen . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit die Rechtsunsicherheit . Ich fordere die Union auf, diese Blockade zu beenden und gemeinsam ein Fracking-Ver- bot zu beschließen . Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel- setzung eines Fracking-Verbotes . Anträge ohne Debatte und ohne die Chance, sie mit dem ganzen Haus zu be- schließen, zur Abstimmung zu stellen, ist nicht zielfüh- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616510 (A) (C) (B) (D) rend, wenngleich ich die Anträge inhaltlich nachvollzie- hen kann . Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge- fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten und mich dafür einsetzen, dass es eine Debatte und einen Be- schluss des gesamten Bundestages gibt, der Fracking in ganz Deutschland untersagt, damit kein Flickenteppich mit unterschiedlichen Regelungen entsteht . Bernhard Daldrup (SPD): Nach heutigen Informati- onen halte ich das unkonventionelle Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas für ökologisch nicht verantwortbar  und für einen ökonomischen Fehlanreiz . Ökologisch ist unkonventionelles Fracking nicht zu verantworten, da der Schutz des Trinkwassers für die Umwelt und die Gesundheit absoluten Vorrang haben muss . Unkonventionelles Fracking ist aus meiner Sicht eine Risikotechnologie: Erhebliche ökologische Schäden können nicht ausgeschlossen werden . Ebenso weist Fracking ökonomisch und energiepo- litisch in die falsche Richtung . Angesichts des Klima- wandels und der damit erforderlichen Reduktion der CO2-Emissionen sollte das Angebot kohlenstoffhaltiger Energieträger nicht ausgeweitet werden . Es liefe unse- rem Ziel einer weiteren Umsetzung der Energiewende und der Umstellung auf Erneuerbare Energien entgegen und setzt insofern wirtschaftliche Fehlanreize . Ich bin zudem der Überzeugung, dass auf Bundesebe- ne in dieser Frage keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden dürfen . Die Menschen in Nordrhein-Westfalen lehnen Fracking mehrheitlich ab . Selbstverständlich ist für mich, dass über den Einsatz des unkonventionellen Frackings am Ende der Deutsche Bundestag entscheiden muss . Eine Expertenkommission kann die Entscheidung des Deutschen Bundestages kei- nesfalls ersetzen . Ich erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert, aufzugeben und endlich ein Gesetz, welches das Verbot von unkonventionellem Fracking ermöglicht, mit der SPD-Bundestagsfraktion umzusetzen . Ein solches Ge- setz wäre eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Zustand . Für meine Heimatregion im Münsterland wäre mit dem Verbot des unkonventionellen Frackings ein Meilenstein erreicht . Die Anträge von Linken und Grünen, eine Entschei- dung ohne Debatte zu fällen, erweisen sich nicht als hilf- reich, weil sie den Anschein politischen Taktierens jen- seits einer sachlichen Lösung erwecken . Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge- fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten . Siegmund Ehrmann (SPD): „Trinkwasser und Ge- sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde- rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker- ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Auf der Bundesebene dürfen keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Dies leitet sich aus dem Koalitionsvertrag ab . Für Nord- rhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi- on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls ersetzen . Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer- gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Dr. Johannes Fechner (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför- derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be- hörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16511 (A) (C) (B) (D) über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit der Union und erwarte vom Koalitionspartner, das weitestgehend ausgehandelte Re- gelungspaket zum weitestgehenden Verbot von Fracking zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Der Schwachpunkt der heute zur Abstimmung stehen- den Oppositionsanträge besteht darin, dass keinerlei Re- gelungen zu den für uns wichtigen Mitspracherechten der Länder und Kommunen enthalten sind . Über die Köpfe von Landtagen und Gemeinderäten hinweg kann so ein wichtiges Thema wie die Zulassung von Fracking doch nicht entschieden werden. Auch zu Transparenzpflichten  oder Fragen des Wasserhaushalts- und Naturschutzrech- tes schweigen die Anträge . Dass die Grünen in jenen Län- dern, in denen sie regieren, nicht effektiv gegen Fracking vorgehen, zeigt die Scheinheiligkeit ihres Antrages . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher – allein taktisch mo- tivierter Winkelzug – wird der Problematik nicht gerecht . Parteitaktische Süppchen zu kochen und die Bürgerinnen und Bürger bei diesem sensiblen Thema derart zu verun- sichern, ist völlig unangebracht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Christian Flisek (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra- cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Ich will ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Ich will klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unterneh- men schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemein- sam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erpro- bungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb strebe ich ge- mäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch begegnet es erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte von der CDU/CSU, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verab- schiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Ulrich Freese (SPD): Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zuläs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616512 (A) (C) (B) (D) sig, die Auswirkungen der Maßnahmen wissenschaftlich zu erforschen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli- chen Erdgasförderung . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner- halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions- partner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Dagmar Freitag (SPD): Ich halte unkonventionelles Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking gegen den Willen eines Bundeslandes nicht möglich macht . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit die Rechtsunsicherheit . Ich werde mich heute bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen allerdings der Stimme enthalten, weil ich eine Abstimmung über einen Gesetzentwurf ohne Debatte für parlamentarisch nicht zielführend halte . Diese Enthaltung ändert grund- sätzlich jedoch nichts an meiner inhaltlichen Position zu Fracking . Ulrike Gottschalck (SPD): „Trinkwasser und Ge- sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festle- gung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Für Fracking-Vorhaben sind derzeit keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben . Kommunen, Wasserbehörden und die Bevölkerung wer- den nicht ausreichend beteiligt . Deswegen brauchen wir ein Gesetz, das Fracking streng reguliert . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan- dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Dieses Gesetz ist in Vorbereitung, und ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Aus hessischer Sicht ist es zudem besonders unglaub- würdig, wenn gleichzeitig die grüne hessische Umwelt- ministerin im Osten des Bundeslandes die Verpressung von Millionen Tonnen grundwassergefährdender Abwäs- ser aus der Kaliproduktion in den Untergrund legalisiert . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen beim Thema Fracking ist es von Grünen und Linken zudem kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim- mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Winkelzug, wird der Problematik nicht gerecht . Da ich trotz dieser parlamentarischen „Spielchen“ von Grünen und Linken, Fracking von Schiefer- und Kohle- flözgas für nicht verantwortbar halte, werde ich mich der  Stimme enthalten . Kerstin Griese (SPD): Ich halte unkonventionel- les Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord- rhein-Westfalen unmöglich macht . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsver- trag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Leider blockiert zurzeit die CDU/CSU ein Gesetz, das Umweltstandards und klare Regelungen setzt, und verschärft damit Rechtsunsicherheit . Ich will ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erd- gasförderung verschärft . Ich will klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be- hörden und für Unternehmen schaffen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi- on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls ersetzen . Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer- gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von den Grünen und den Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16513 (A) (C) (B) (D) Ich werde mich bei den Abstimmungen enthalten . Gabriele Groneberg (SPD): Nach heutigen Infor- mationen  ist  Fracking  von  Schiefer-  und  Kohleflözgas  nicht verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Um- welt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chan- cen . Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in die- sem Bereich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftli- cher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Um- welt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaus- halt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb stre- ben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel Fracking ist Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und das gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, her- kömmlichen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Ich enthalte mich bei dem Gesetzentwurf der Grünen, und den Antrag der Linken lehne ich ab, denn angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu bean- tragen . Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht und zielt allein darauf ab, die Koalitionsfraktionen als Befürworter des Fra- ckings darzustellen . Einem absoluten Fracking-Verbot, wie es Grüne und Linke vorsehen, möchte ich nicht zu- stimmen . Allerdings lasse ich mich nicht in die Rolle ei- ner vorbehaltlosen Unterstützerin des Frackings drücken . Auch vor dem Hintergrund der konkreten Problematik in meinem Wahlkreis Cloppenburg/Vechta halte ich eine vertiefte Diskussion über das Fracking für dringend ge- boten . Der Wahlkreis Cloppenburg/Vechta ist eines der größten Erdgasfördergebiet Deutschlands, was insbeson- dere hier viele Fragen aufwirft . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erd- gasförderung verschärft und eine parlamentarische De- batte, die diese Fragen klärt . Wir wollen vor allem klare Regelungen und Rechtssicherheit für Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Christian Haase (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen . Ich verwei- se auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens entschei- den werde . Daher erkläre ich: Die beiden Anträge der Oppositionsfraktionen ver- weigern sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik des Frackings . Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion nimmt die Bewertung dieses wichtigen Themas sehr ernst und möchte dies nicht im Eilverfahren durch das parlamentarische Verfahren brin- gen . Die Beratungen laufen . Des Weiteren sind die An- träge nicht technologieoffen und wollen ein Verfahren ausschließen, welches noch nicht final wissenschaftlich  bewertet wurde . Der Wasserschutz muss auch weiterhin die höchste Priorität haben . Gesetzliche Regelungen müssen sich daran messen lassen, ob sie diesem Anspruch genügen . Der Schutz von Mensch, Wasser und Umwelt steht be- dingungslos im Fokus meiner Meinungsbildung . Intensiv habe ich das Verfahren über das Eckpunk- te-Papier und den Referentenentwurf verfolgt und beglei- te das Thema weiterhin aktiv . Für mich war immer klar, dass es keine Alternative ist, kein Gesetz zum Thema Fracking zu beschließen; denn wir wollen ein „Wasser- schutz-Gesetz“ beschließen . Ohne dieses Gesetz gibt es keine Regelungen, Reglementierungen und Einschrän- kungen für die Anwendung der Fracking-Technologie in Deutschland . Dies geht weit über die Änderungen im Bundesberggesetz hinaus . Die Situation der privaten Brunnen für die Trinkwas- serversorgung behalte ich auch im weiteren Verfahren weiter im Blick . In meinem Wahlkreis gibt es Ortschaf- ten, die nicht an die öffentliche Wasserversorgung ange- schlossen sind und somit bei der Trinkwasserversorgung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616514 (A) (C) (B) (D) auf private Brunnen angewiesen sind . Diese müssen uneingeschränkt geschützt werden . Dies gilt genauso für die Heil- und Mineralwasserquellen und Brunnen für Brauereien in Ostwestfalen-Lippe, dem Heilgarten Deutschlands . Ich bin davon überzeugt, dass nach der Auswertung von Probebohrungen ausreichend wissenschaftliche Er- kenntnisse vorliegen, von denen auch die Entscheidungs- behörden profitieren werden,  die  in  ihrer Entscheidung  autonom sind . In einer sachlichen Debatte muss Raum sein, diese Methode zur Erdgasgewinnung auf wissenschaftlicher Basis auf den Prüfstand zu heben . Diese Zeit möchte ich dem Verfahren beimessen und lehne die aktuell vorlie- genden Anträge daher ab . Bettina Hagedorn (SPD): Heute stimmt der Deut- sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über ei- nen extrem kurzfristig vorgelegten Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab, auf dessen öffentliche Aus- sprache im Plenum die Grünen ausdrücklich verzichtet haben . Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch und ent- larvt den Antrag mit namentlicher Abstimmung als ein Showinstrument zu Wahlkampfzwecken – genau wie vor zwei Monaten, am 25 . Februar 2016 zum Antrag „Gly- phosat“ . Damit aber wird keinem dieser ernsten Themen weder Glyphosat noch Fracking – objektiv angemessen Rechnung getragen, weil nur in einer öffentlichen De- batte im Bundestagsplenum die Gründe für eine Zustim- mung oder Ablehnung dargelegt werden können . Ich kri- tisiere dieses Verfahren ausdrücklich und möchte daher meine Auffassung zum Thema Fracking jedenfalls in einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung darlegen . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan- dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Metin Hakverdi (SPD): Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang . Deshalb haben wir uns mit der CDU/CSU-Fraktion im Koalitionsvertrag unter anderem verabredet: „Die Koalition wird kurzfristig Än- derungen für einen besseren Schutz des Trinkwassers im Wasserhaushaltsgesetz sowie eine Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bergbaulicher Vorhaben vorlegen, die vor Zulassung von Maßnahmen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkon- ventionellen Lagerstätten mittels Fracking eine obligato- rische UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht .“ Bereits in Frühjahr 2015 wurde durch die Bundes- regierung ein Gesetzentwurf eingebracht . Seitdem blo- ckiert die CDU/CSU-Fraktion dieses Gesetz . Ich erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert, UVPs verbindlich vorschreibt und Öffentlichkeitsbeteili- gung vorsieht, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Aus den oben genannten Gründen werde ich mich heute enthalten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16515 (A) (C) (B) (D) Ulrich Hampel (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko- alition . Demgemäß ist Fracking von Schiefer- und Kohle- flözgas  für  mich  nicht  verantwortbar.  Die  Risiken  für  Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt- schaftlichen Chancen . Zudem bin ich auch der festen Überzeugung, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bun- desländer geschaffen werden dürfen . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim- mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht und schadet der Zielsetzung eines Fracking-Verbotes . Aus diesem Grund werde ich mich heute der Stimme enthalten . Sebastian Hartmann (SPD): „Trinkwasser und Ge- sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde- rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker- ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe- ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver- ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage . Die Landesgruppe der NRW-SPD-Abgeordneten macht dies immer wieder deutlich, und auch das sehr differenzierte Abstimmungsverhalten zu den Anträgen vieler sozialdemokratischer Kolleginnen und Kollegen – welches ich ausdrücklich begrüße – unterstreicht dies bei den heutigen Abstimmungen erneut . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi- on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls ersetzen . Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner CDU/CSU, die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert, aufzugeben und ein Ge- setz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus- sprache darüber ablehnen . Wolfgang Hellmich (SPD): „Trinkwasser und Ge- sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde- rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker- ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe- ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver- ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für Nordrhein-Westfalen und anderswo kommt Fracking je- denfalls nicht infrage . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer- gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Eine Expertenkommission kann das demokratisch le- gitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls erset- zen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Vor allem aus diesem Grund kann ich diesen Anträgen nicht zustimmen . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför- derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be- hörden und für Unternehmen schaffen . Für mich ist Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas  nicht  verantwortbar.  Die  Risiken  für  Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt- schaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616516 (A) (C) (B) (D) das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Christina Jantz-Herrmann (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför- derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be- hörden und für Unternehmen schaffen . Ich stehe bereit, mit der Großen Koalition ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden . Heute jedoch stimme ich erstmalig nicht mit meiner Fraktion . Es ist offensichtlich, dass der vorliegende Ge- setzentwurf beziehungsweise der Antrag der Opposition Schwächen aufweist – doch solange die Union sich einer Auseinandersetzung mit den zahlreichen Problematiken der geltenden Gesetzeslage verweigert, kann ich nicht anders, als im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis Osterholz-Verden und nach meinem Gewissen zu stimmen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Derzeit  halten  sich  die Erdgasfirmen größtenteils  an  ein faktisches Moratorium, in der Erwartung eines Ge- setzes mit neuen gesetzlichen Regelungen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren können . Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü- gig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht ver- abschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weiterge- henden Schutz der Oberflächengewässer  oder  auch des  Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislas- tumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben ein- führen, die durch konventionelle Erdgasförderung her- vorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö- ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Zudem ist das Verbot, wie von Grünen und Linken ge- fordert, undifferenziert . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene Förder- methoden ausgesprochen . Wir müssen jedoch schnellstmöglich sicherstellen, dass die Transparenz von Fördervorhaben über das ge- samte Verfahren hinweg gewährleistet ist . Der Trink- wasserschutz muss zudem höchste Priorität haben und der  Besorgnisgrundsatz  umfassend Anwendung  finden.  Einzugsgebiete von Brunnen, deren Wasser als Lebens- mittel, Trinkwasser und Getränke oder als Bestandteil davon genutzt wird, müssen in Verbotszonen aufgenom- men werden . Darüber hinaus sollten auch Vorranggebiete für die Trinkwasserversorgung in die Verbotszonen auf- genommen werden . Mindestens sollte diese Option aber den Ländern eingeräumt werden . Die bestehenden und zu erteilenden Genehmigungen für Verpressvorhaben müssen befristet werden, der Stand der Technik regelmäßig überprüft werden . Eine Verpres- sung von Lagerstättenwasser, das wassergefährdende oder stark wassergefährdende Substanzen enthält, muss Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16517 (A) (C) (B) (D) ohne Ausnahme verboten werden . Die Bestimmungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung müssen ausgebaut und ein Monitoring implementiert werden . Als Grundla- ge hierfür brauchen wir eine Öko-Effizienz-Analyse der  Wirtschaftlichkeit sowie der ökologischen Auswirkun- gen der jeweiligen Fördermaßnahme . Ebenfalls ist sicherzustellen, dass sogenannte Quer- und Schrägbohrungen in und unter Wasserschutzgebie- ten etc . durch das Gesetz auch weiterhin ausgeschlos- sen bleiben . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi- on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Die Regelung im Eckpunktepapier war eindeutig und muss Grundlage einer gesetzlichen Regelung sein . Der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit hat absolute Pri- orität gegenüber wirtschaftlichen Interessen . Zum gegen- wärtigen Zeitpunkt sind die Risiken des unkonventionel- len Frackings nicht absehbar . Probebohrungen sind nur für Forschungszwecke zulässig, und eine kommerzielle Nachnutzung ist auszuschließen . Auch wenn die Förderung von Erdöl mit der Fra- cking-Technologie heute in Deutschland noch keine Anwendung  findet,  ist  nicht  auszuschließen,  dass  es  aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung auch zu Auf- suchungserlaubnissen für Erdölförderung durch unkon- ventionelles Fracking kommen wird . Aus den USA be- kannte unkonventionelle Fracking-Verfahren umfassen auch Erdölförderung . Einige Vorgaben, Regelungen und Gebietsverbote in den Entwürfen zum Wasserhaushalts- gesetz und Bundesnaturschutzgesetz beziehen sich den- noch lediglich auf Fracking-Vorhaben im Erdgassektor . Regelungen für unkonventionelles Fracking bei Erdgas und Erdöl sollten daher gleichgestellt werden . Abschließend ist eindeutig sicherzustellen, dass die Beweislastumkehr klar definiert wird und nicht als An- scheinsvermutung ausgelegt werden könnte . Zudem ist sicherzustellen, dass im Zuge der Beweislastumkehr eine Schadensregulierung durch die Unternehmen auch tat- sächlich gewährleistet werden kann . Ich  erwarte  ein  differenziertes,  griffiges  Gesetz,  im  Sinne des Umweltschutzschutzes und ausgerichtet an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger . Thomas Jurk (SPD): Ich befürworte klare gesetz- liche Regeln und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen, und ich nehme die Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst . Um Wissenslücken zu schließen und um mögliche Auswir- kungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel auf den Unter- grund und den Wasserhaushalt, zu erforschen, halte ich jedoch Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig . Nach derzeitiger Rechtslage ist Fracking grundsätz- lich zulässig, derzeit halten sich aber die Firmen und die Landesbehörden an ein faktisches Moratorium . Das ist auf Dauer nicht rechtssicher und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförderung, denn so lange wird in Deutschland auch schon konventionell gefrackt . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Lin- ken im Gesetzentwurf bzw . im Antrag gefordert, konnte sich, obwohl Grüne und Linke an zahlreichen Landesre- gierungen beteiligt sind, auch im Bundesrat nicht durch- setzen . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderver- bot für bereits vorhandene Fördermethoden ausgespro- chen . An einem Gesetz, das Rechtssicherheit schaffen soll, die berechtigten Nöte und Sorgen der Menschen ernst nimmt, wissenschaftliche Forschung und Erprobung aber zulässt, arbeitet die Große Koalition . Wir haben auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesum- weltministerium und dem Bundeswirtschaftsministeri- um bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren kön- nen . Dabei geht es nicht nur um Regulierungen für das unkonventionelle, sondern auch um das konventionelle Fracking . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koaliti- onspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder auch des Wassers für Lebens- mittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir eine Be- weislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich den Antrag der Linken und den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ab . Ralf Kapschack (SPD): Ich halte unkonventionel- les Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord- rhein-Westfalen unmöglich macht . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit Rechtsunsicherheit . Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus- sprache darüber ablehnen . Deshalb werde ich mich heute bei beiden namentli- chen Abstimmungen der Stimme enthalten . Anja Karliczek (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616518 (A) (C) (B) (D) „Fracking“, über das ich zum Abschluss des parlamen- tarischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde . Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen . An meiner Position hat sich nichts geändert . Als Abge- ordnete aus dem Münsterland lehne ich das kommerzielle unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen dieser Technologie sind noch nicht ausreichend wissenschaft- lich geklärt . Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich oberste Priorität . Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um- welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die viele Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien – seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel- le unkonventionelle Fracking ab . Cansel Kiziltepe (SPD): Dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier die eigenen Beschlussvorlagen im Plenum des Deutschen Bundestages nicht debattieren wollen, ist extraordinär: So soll es aber heute mit einem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und einem Bericht zu einem Antrag der Linken gehen . Beide Abstim- mungen behandeln das hochsensible Thema Fracking . In einer „Abschließenden Beratung ohne Aussprache“ soll auf Wunsch der Oppositionsparteien sofort abgestimmt werden. Dieses Verfahren finde ich skandalös. Dadurch  wird verhindert, auf gravierende „Leerstellen“ im Grü- nen-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundes- berggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik einzugehen: zum Beispiel das Mitspracherecht der Kom- munen, die Beweislastumkehr bei Erdbeben, das Fehlen von Vorschlägen im Wasserrecht, Regelungen zur Her- stellung von Transparenz und vieles mehr . Obwohl ich Fracking sehr kritisch gegenüberstehe, lehne ich aus fachlichen und formalen Gründen diese Anträge ab . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan- dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte von der Unionsfraktion, das Regelungspaket zü- gig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter- nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober- flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel  und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas- förderung hervorgerufen werden . Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Demgemäß ist Fracking von Schiefer- und Kohle- flözgas  für  mich  nicht  verantwortbar.  Die  Risiken  für  Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt- schaftlichen Chancen . Zudem bin ich auch der festen Überzeugung, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bun- desländer geschaffen werden dürfen . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16519 (A) (C) (B) (D) mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht und schadet der Zielsetzung eines Fracking-Verbotes . Aus diesem Grund werde ich mich heute der Stimme enthalten . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Auch wenn ich mir eine zügige Regelung wünsche, die einer mög- lichen  Förderung  von  Schiefer-  und  Kohleflözgas mit- tels der Fracking-Technologie einen Riegel vorschieben würde, kann ich weder dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch dem Antrag der Frakti- on Die Linke zustimmen . Beide Initiativen werden der Komplexität der Sachlage nicht gerecht und blenden zudem die bestehenden Probleme der konventionellen Erdgasförderung in Deutschland aus . Konkret fehlt es an Vorschlägen zu einer Klarstellung im Bergschadensrecht, mit der die Beweislast für mögliche Bergschäden den Unternehmen auferlegt wird . Nicht zuletzt dieser Punkt ist Bestandteil des Gesetzgebungspaketes, das derzeit noch von den Fraktionen CDU/CSU und SPD beraten wird . Daher halte ich es für sinnvoll, das Ergebnis dieser Beratungen abzuwarten . Ob ich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens dem Regelungspaket der Koalitionsfraktionen werde zustim- men können, ist noch ungewiss . Es gibt noch zu viele kritische Punkte, die meiner Forderung nach einem faktischen Verbot entgegenstehen . Dazu zähle ich ins- besondere das Vorhaben zur Einsetzung einer Experten- kommission, deren Wirken letztlich zu einem gleitenden Übergang von der Forschung zur kommerziellen Nut- zung führen könnte . Einen solchen Quasiautomatismus darf es nicht geben . Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD): Angesichts die- ser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Ab- stimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Ein generelles gesetzliches Verbot der Fracking-Tech- nologie erachte ich aus zweierlei Gründen als wenig sinnvoll . Erstens würde ein Komplettverbot keine Erdöl-Explo- ration verbieten . Im engeren Sinne fällt diese Förderme- thode  nicht  unter  die  Begrifflichkeit  „Fracking“.  Denn  auch bei der Erdölförderung werden stabilisierende um- weltgefährdende Stoffe eingesetzt, besonders wenn be- reits genutzte Erdölbohrungen reaktiviert werden und die letzten „Tropfen“ herausgefördert werden . Unternehmen könnten künftig also weiterhin Erdölbohrungen durch- führen . Deshalb sage ich das in aller Deutlichkeit: Wir brauchen dieses Gesetz! Zweitens investieren viele Unternehmen bereits seit Jahrzehnten besonders in Niedersachsen in diese Tech- nologie . Ein Fracking-Verbot würde für Niedersachsen einen erheblichen ökonomischen Schaden bedeuten . Deshalb ist es so leider nicht durchsetzbar . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan- dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616520 (A) (C) (B) (D) Caren Marks (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko- alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un- ternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, wie zum Beispiel in Niedersachsen, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein gene- relles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermetho- den ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf bzw . den Antrag ab . Wilfried Oellers (CDU/CSU): Meine Position zu die- ser Thematik erkläre ich wie folgt: Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Grundwasser, Trinkwasser und Umwelt hat für mich oberste Priorität . Die Auswirkungen des unkon- ventionellen Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das so- genannte unkonventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne was- sergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Grundwasser, Trinkwasser und Umwelt nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Auch wenn ich einige Ansätze der oben genannten Anträge teile, so halte ich sie in dieser Form nicht für zu- stimmungsfähig . Ich werde mich daher der Stimme ent- halten und verweise auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zu dieser Thematik . Markus Paschke (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra- cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro- ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi- cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt wiegen schwerer als die poten- ziellen wirtschaftliche Chancen . Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Er- probungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16521 (A) (C) (B) (D) en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Zudem fehlt insbesondere dem Gesetzentwurf der Grünen in meinen Augen die notwendige Substanz . Kein Wort in dem Entwurf zur Problematik des La- gerstättenwassers . Kein Wort zum Thema Beweislastum- kehr . Dies sind aber in meinen Augen wichtige Punkte, die in einem ernstgemeinten und verantwortungsvollen Ge- setzentwurf nicht fehlen dürften . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Meine Haltung ist klar: Wir brauchen dringend ein Gesetz, aber ein gutes . Auch deshalb geht noch einmal mein dringender Appell an die Kolleginnen und Kolle- gen von der CDU/CSU-Fraktion, hier an den Arbeitstisch zurückzukehren und einen vernünftigen, tragfähigen und nachhaltigen Gesetzentwurf im Parlament zu beschlie- ßen . Christian Petry (SPD): Wenn taktische Überlegun- gen und parlamentarisches Geplänkel wichtiger werden als ökologische Lösungen, müssen solche Anträge wie die von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken gestellt werden . Wenn es allein nach mir ginge in der Welt, wür- den wir aus dem Verbrauch fossiler Energieträger aus- steigen, denn sie sind endlich und außerdem machen Arbeitsplätze auf solarer Basis ein gutes Gewissen . Aber die Welt folgt nicht allein meinen Vorstellungen und auch in Deutschland lehnen wir eine Diktatur ab, bevorzugen Demokratie . In unserer Demokratie haben die SPD-Fraktion und ich eine Arbeitsrichtung, ein Ziel: Schonung fossiler Energieträger . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Ko- alitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab – auch in der Großen Koalition . Wir wol- len ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen kla- re Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Seit Jahrzehnten gibt es Fracking in Deutschland – hier gibt es erhebliche Regelungslücken, die zu schließen sind . Also brauchen wir ein Gesetz . Derzeit halten sich die  Erdgasfirmen  an  ein  faktisches Moratorium,  in  der  Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Rege- lungen . Das gibt auf Dauer aber keine Rechtssicherheit hinsichtlich ökologischer Fragen, gefährdet also Arbeits- plätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland prakti- zierten, herkömmlichen Erdgasförderung – ohne die öko- logische Situation zu verbessern, ohne klare Regelungen für die die bisherige Erdgasförderung . Für die Zukunft gilt: Mit Blick auf die endliche Res- source Gas und mit Blick auf die guten Möglichkeiten zum ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant- wortbar, denn Risiken für Mensch und Umwelt überwie- gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Gegenwärtig gilt: Für eine gewissenhafte Beratung gesetzlicher Regelungen muss ausreichend Zeit sein . Daher wurde die Entscheidung über die geplanten Rege- lungen für das Gesetzespaket zum Fracking bisher noch nicht beschlossen . Für mich sind folgende Verbesserun- gen bei dem Entwurf des Regelungspakets wichtig: Der Bundestag, als demokratisch legitimiertes Organ, muss im Umgang mit unkonventionellem Fracking das letzte Wort haben (Parlamentsvorbehalt) und keine Experten- kommission, die lediglich eine Beratungs- und Beurtei- lungsfunktion einnehmen soll . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü- gig mit uns zusammen umzusetzen . Gäbe es keine kla- ren gesetzlichen Regelungen, bestünde die Gefahr, dass die derzeit zurückgehaltenen Anträge der Unternehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen  weitergehenden  Schutz  der  Oberflächen- gewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem will die SPD-Fraktion mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden auf- grund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser schwierigen Aufgaben ist es von Grünen und Linken kein seriöses Verhalten, eine Abstim- mung zum diesem Thema ohne Debatte im Parlament zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616522 (A) (C) (B) (D) beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Win- kelzug wird der Problematik nicht gerecht . Es ist bedau- erlich, dass sich ein ,,an sich“ guter Vorschlag auf diese Weise in sein Gegenteil verkehrt . Sabine Poschmann (SPD): „Trinkwasser und Ge- sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde- rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker- ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Ich halte unkonventionelles Fracking für nicht ver- antwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen und im Bund unmöglich macht . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommis- sion kann das demokratisch legitimierte Organ Deut- scher Bundestag keinesfalls ersetzen . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit Rechtsunsicherheit . Ich fordere die Union auf, diese Blockade zu beenden und gemeinsam ein Fracking-Ver- bot zu beschließen . Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel- setzung eines Fracking-Verbotes . Anträge ohne Debatte und ohne die Chance, sie mit dem ganzen Haus zu be- schließen, zur Abstimmung zu stellen, ist nicht zielfüh- rend, wenngleich ich die Anträge inhaltlich nachvollzie- hen kann . Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge- fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten und mich dafür einsetzen, dass es eine Debatte und einen Be- schluss des gesamten Bundestages gibt, der Fracking in ganz Deutschland untersagt, damit kein Flickenteppich mit unterschiedlichen Regelungen entsteht . Dr. Simone Raatz (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra- cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro- ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi- cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Mechthild Rawert (SPD): Dass Parlamentarierin- nen und Parlamentarier die eigenen Beschlussvorlagen im Plenum des Deutschen Bundestages nicht debattie- ren wollen, ist extraordinär: So soll es aber heute mit einem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und einem Bericht zu einem Antrag der Linken gehen . Bei- de Abstimmungen behandeln das hochsensible Thema Fracking . In einer „Abschließenden Beratung ohne Aus- sprache“ soll auf Wunsch der Oppositionsparteien sofort abgestimmt werden. Dieses Verfahren finde ich skanda- lös . Damit wird es auch unmöglich werden, auf gravie- rende „Leerstellen“ im Grünen-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik einzugehen: unter anderem das Mitspracherecht der Kommunen, die Beweislastumkehr bei Erdbeben, das Fehlen von Vorschlägen im Wasser- recht, Regelungen zur Herstellung von Transparenz und, und, und . Obwohl ich Fracking sehr kritisch gegenüberstehe, lehne ich aus fachlichen und formalen Gründen diese Anträge ab . „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan- dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16523 (A) (C) (B) (D) maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte von der Unionsfraktion, das Regelungspaket zü- gig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter- nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober- flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel  und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas- förderung hervorgerufen werden . Gerold Reichenbach (SPD): „Trinkwasser und Ge- sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festle- gung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter- nehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Aus den wis- senschaftlichen Zwecken darf keine Öffnung für kom- merzielle Nutzung durch die Hintertür erfolgen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Aus hessischer Sicht ist es zudem besonders unglaub- würdig, wenn gleichzeitig die grüne Hessische Umwelt- ministerin in Nordhessen die Verpressung von Millionen Tonnen grundwassergefährdender Abwässer aus der Ka- liproduktion in den Untergrund legalisiert . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes- serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner- halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions- partner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter- nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober- flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel  und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislas- tumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben ein- führen, die durch konventionelle Erdgasförderung her- vorgerufen werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616524 (A) (C) (B) (D) Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier- ter Winkelzug, wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Dr. Carola Reimann (SPD): Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko- alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un- ternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Dr. Daniela De Ridder (SPD): Bei der Abstimmung zu dem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun- desberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik (Drucksachen 18/7551, 18/8125) sowie dem Antrag der Fraktion Die Linke „Verbot von Fracking in Deutsch- land“ (Drucksachen 18/4810, 18/8113) enthalte ich mich, da die Anträge unzureichend formuliert wurden und we- sentliche Punkte außer Acht lassen, die noch im Konsul- tationsprozess der Großen Koalition verhandelt werden . Es bedarf eines längerfristigen Konsultationsprozes- ses, dessen sich die Große Koalition annehmen wird . Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Die Bundesregie- rung hat bereits ein Gesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem der absolute Vorrang von Trink- wasserschutz und Gesundheitsvorsorge hinsichtlich der Risiken des Einsatzes der Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung durchgesetzt wer- den soll . In diesem bereits eingebrachten Gesetz soll das Berg- recht dahin gehend geändert werden, dass in Deutschland keine Bohrungen mit Anwendung der Fracking-Methode zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und -gas aus unkonventionellen Lagerstätten mit umwelttoxischen Stoffen zulässig ist . In diesem Sinne sollen auch die er- forderlichen Ergänzungen im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes erfolgen . Eine obligatorische Umweltverträg- lichkeitsprüfung (UVP) mit entsprechender Bürgerbetei- ligung soll verankert werden . Insbesondere ist in dem Gesetzentwurf ein absolutes Fracking-Verbot vorgesehen in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Tal- sperren und Seen, die unmittelbar zur Trinkwassergewin- nung genutzt werden, im Einzugsbereich von Quellen, Brunnen und von allen Wasserentnahmestellen, deren Wasser in Lebensmitteln verwendet wird, sowie in Trink- wassergewinnungsgebieten der öffentlichen und privaten Wasserversorgung . Da aus dem Bodensee Trinkwasser gewonnen wird, wird von diesem absoluten Fracking-Verbot auch der gesamte Einzugsbereich des Bodensees umfasst und der Schutz des Trinkwassers sichergestellt . Ich setze mich deshalb dafür ein, dass auf der Grund- lage dieses Gesetzentwurfs in den weiteren Beratungen noch offene Fragen geklärt werden und dass dann mit der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16525 (A) (C) (B) (D) Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen Bundestag ein umfassender Trinkwasser- und Gesund- heitsschutz durchgesetzt wird . Johannes Röring (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Fraktion Die Linke stimme ich nicht zu, auch wenn ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamentari- schen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde . Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich obers- te Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Auf der Basis bisheriger Er- kenntnisse ist eine Gefährdung des Grundwassers und der landwirtschaftlichen Produktion nicht ausgeschlossen . Ebenfalls ist ein hoher Flächenverbrauch zu befürchten durch umfangreiche Bohranlagen und den naturschutz- rechtlichen Ausgleich . Solange Fracking nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wissen- schaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Erstens . Der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit ist eine große Aufgabe, der wir mit aller Ernsthaftigkeit und Konse- quenz nachkommen müssen . Selbstverständlich gibt es hierzu ein hartes politisches Ringen um den besten Weg und auch ein hartes Ringen um einen gemeinsamen Weg in der Bundesregierung und mit der Opposition . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch se- riöses Verhalten, zwei namentliche Abstimmungen zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Die grobe Missachtung des Parlaments und seines wichtigsten Or- gans, des Bundestages, empört mich sehr . Eine nament- liche Abstimmung wird mit Recht nur beantragt, wenn eine Angelegenheit als sehr wichtig angesehen wird . Nun verweigern die Grünen und die Linke für eine sehr wich- tige Angelegenheit allerdings eine klärende, kontroverse, zielführende Debatte im Parlament . Das nenne ich allein taktisch motivierte Winkelzüge von reiner grün/linker Showpolitik, die ich für den Deutschen Bundestag für unwürdig halte . Auch aus diesem Grunde lehne ich diese Anträge ab . Zweitens . Zur Sache stelle ich fest: „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Wir wollen dabei ein Gesetz schaffen, das die Um- weltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförde- rung verschärft . Nach heutigen Informationen ist das so- genannte unkonventionelle Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas dagegen nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Drittens . Zum weiteren Verfahren: Derzeit halten sich  die Erdgasfirmen  an  ein  faktisches Moratorium  in  der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförde- rung . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter- nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober- flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel  und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas- förderung hervorgerufen werden . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Viertens . Die große Koalition hat jetzt die große Chance  und  auch  die  Pflicht,  ein  Fracking-Beschrän- kungs- und Regulierungsgesetz mit scharfen und klaren Regelungen zu vereinbaren . Ein solches Gesetz muss wirklich Substanz haben, zumal die Große Koalition auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesum- weltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren konnte . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspart- ner, ein anspruchsvolles Regelungspaket zügig mit uns zusammen zu beschließen und zur Beratung in das Par- lament einzubringen und dann lebhaft und kontrovers zu diskutieren und zu beschließen, ohne ein Aussprachever- bot, wie es jetzt von Grünen und Linken leider beantragt und durchgesetzt worden ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616526 (A) (C) (B) (D) Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Eine Ex- ploration heimischer Erdgasvorkommen ergibt aktuell für Deutschland keinen wirtschaftlichen oder sonstigen Vorteil . Es besteht schlicht kein Bedarf, der nicht auf günstigere Weise zu bedienen ist und der eine Förderung heimischer Ressourcen mit diesem risikobehafteten Ver- fahren zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigen könnte . Aus diesem Grund bin ich der Überzeugung, dass wir heimisches Erdgas als natürliche Energiereserve für eine Zeit vorbehalten sollten, in der es sinnvoller genutzt wer- den kann . Auch wird man es zukünftig sicherlich ohne Verwendung potenziell schädlicher Stoffe und deutlich effizienter fördern können.  Die Regierungskoalition erarbeitet zu Fracking ge- rade eine Gesetzesinitiative, die die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Aufgrund der derzeitigen Unsicherheit über die Risiken sollen lediglich Probebohrungen zulässig sein, die unter wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht vorge- nommen werden und helfen sollen, diese Technologie in der Zukunft effizient und risikofrei nutzbar zu machen. Die Oppositionsparteien haben Kenntnis über die laufenden Arbeiten an einem Gesetz . Das verstärkt den Eindruck, dass diese vorzeitige Abstimmung über ihre jeweiligen Initiativen nichts weiter als eine Showveran- staltung ist und durch den Ring, der mir da hingehalten wird, werde ich nicht springen und deshalb mit „Nein“ stimmen . Im Übrigen vertrete ich folgende Position: „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan- dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re- gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Dr. Nina Scheer (SPD): Die von den Oppositions- fraktionen für heute beantragten namentlichen Abstim- mungen über ein Fracking-Verbot unter gleichzeitiger Verweigerung einer Plenardebatte erachte ich als unver- antwortlich . Das auf Transparenz angelegte parlamenta- rische Verfahren einer namentlichen Abstimmung wird hierbei funktionalisiert, um den öffentlichen Eindruck zu suggerieren, die Koalitionsfraktionen verweigerten sich gesetzlichen Restriktionen für Fracking . Die zugleich vonseiten der Oppositionsfraktionen unterbundene De- batte soll diesen Eindruck offenbar noch untermauern . Dies ist gegenüber dem Parlament unwürdig und folgt populistischen Motiven . Sowohl Umweltschutzbedarfe im Zusammenhang mit dem bereits seit Jahrzehnten praktizierten sogenannten konventionellen Fracking als auch dem aus den USA bekannten sogenannten unkonventionellen Fracking von  Öl  und  Gas  aus  Schiefergestein  und  Kohleflöz,  das in Deutschland bereits aus Gesundheits- und Um- weltschutzgründen rechtssicher ausgeschlossen werden muss, wirft gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf . Auch die Energiewende verlangt eine Abkehr von fos- silen Energieressourcen, somit auch von Fracking . Es Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16527 (A) (C) (B) (D) bedarf einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien . Hierfür steht auch die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig . Die Koalition von CDU/CSU und SPD arbeitet auf Bundesebene unter Einbeziehung der Bundesländer mit teilweise auch grüner und linker Regierungsbeteiligung seit vielen Monaten an einer Einigung . Leider konnte die- se aufgrund einer Verweigerungshaltung von CDU/CSU bezüglich eines Verbots unkonventionellen kommerziel- len Frackings und bezüglich eines Parlamentsvorbehalts sowie einer Einbeziehung der Länder in Bezug auf wis- senschaftlich begründete Probebohrungen bislang nicht erzielt werden . Ich erwarte insofern von unserem Koali- tionspartner, dass er sich nicht länger dem Einigungspro- zess verschließt . Sollte eine Einigung länger verweigert werden, wird hiermit zugleich die im Koalitionsvertrag veranlagte Pflicht eines gemeinsam  in der Koalition zu  gestaltenden Gesetzesverfahrens infrage gestellt . Unter Verweis auf einen zu erwartenden zügigen Eini- gungsprozess für eine umfassende Regelung sowohl ber- grechtlicher als auch wasserhaushaltsrechtlicher Art und unter Einbeziehung der Bundesländer lehne ich sowohl den heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf als auch den Antrag ab . Udo Schiefner (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung im Wahlprogramm der SPD und in unserem Koalitionsver- trag ist für mich Maßstab unseres Handelns in der Gro- ßen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Rege- lung zum Thema Fracking messen lassen . Nach heutigen Erkenntnissen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Der Einsatz unkonventionel- len Frackings ist damit meines Erachtens nicht verant- wortbar . Ich setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen und anderen- orts in Deutschland unmöglich macht . CDU und CSU blockieren jedoch, dass wir ein solches Gesetz umsetzen, und verschärfen damit die Rechtsun- sicherheit . Dennoch setze ich weiter auf die Einsichts- fähigkeit unserer Koalitionspartner . Ich erwarte von der Union, dass sie mit uns zusammen zügig ein Gesetz um- setzt, das Fracking im Schiefergestein verhindert . Dazu müssen CDU und CSU anerkennen, dass die von ihnen geforderte Expertenkommission keinen Ersatz für demo- kratisch legitimierte Beschlüsse des Bundestages bieten kann . Gleichzeitig ist es jedoch kein parlamentarisch seriö- ses Verhalten, wenn Grüne und Linke eine Abstimmung zu diesem Thema ohne vorherige hinreichende Debatte beantragen . Dieser allein taktisch motivierte Winkelzug wird der Tragweite des Themas nicht gerecht . Mein Ziel eines Fracking-Verbotes ist so nicht vertretbar zu errei- chen . Unter diesen Umständen kann ich den Anträgen nicht zustimmen . Karl Schiewerling (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamenta- rischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde . Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen . An meiner Position hat sich nichts geändert . Als Ab- geordneter aus dem Münsterland lehne ich das kommer- zielle unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen dieser Technologie sind noch nicht ausreichend wissen- schaftlich geklärt . Der bedingungslose und uneinge- schränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Um- welt hat für mich oberste Priorität . Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um- welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die vielen Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien – seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel- le unkonventionelle Fracking ab . Frank Schwabe (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Ich will darüber hinaus ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Ich will klare Regelungen und Rechtssicher- heit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe- ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver- ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi- on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls ersetzen . Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616528 (A) (C) (B) (D) gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns zusammen umzusetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es nicht gut, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte durchzuführen . So ein Verfahren wird der Proble- matik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich die von Grünen und Linken gestellten Anträge ab . Stefan Schwartze (SPD): Nach heutigen Informa- tionen ist unkonventionelles Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Trinkwasser und Ge- sundheit haben für mich absoluten Vorrang und überwie- gen wirtschaftliche Interessen . Diese Forderung haben wir bereits im SPD-Wahlprogramm verankert . Die da- raufhin erfolgte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Ich bin der festen Überzeugung und werde mich da- für einsetzen, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Für Nordrhein-Westfalen ist es ganz klar, dass Fracking nicht infrage kommt . Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Rechtssicher- heit schafft . Dabei ist für mich selbstverständlich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deut- sche Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann diese Entscheidung nicht ersetzen . Ich erwarte von unserem Koalitionspartner, die Blockade zu diesem Gesetz aufzugeben . Wir müssen uns zügig einigen und Fracking im Schiefergestein ver- hindern . Aber nicht in einem politischen Schnellschuss . Angesichts der Bedeutung dieses Themas bedarf es einer intensiven Beratung und Prüfung eines Gesetzentwurfes . Weshalb die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke eine Debatte ohne Aussprache beantragen, kann ich nicht nachvollziehen . Dies widerspricht einem seri- ösen parlamentarischen Verfahren . Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich mich in der heutigen Abstimmung enthalten . Stefan Schwartze (SPD): Nach heutigen Informa- tionen ist unkonventionelles Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Trinkwasser und Ge- sundheit haben für mich absoluten Vorrang und überwie- gen wirtschaftliche Interessen . Diese Forderung haben wir bereits im SPD-Wahlprogramm verankert . Die da- raufhin erfolgte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Ich bin der festen Überzeugung und werde mich da- für einsetzen, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Für Nordrhein-Westfalen ist es ganz klar, dass Fracking nicht infrage kommt . Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Rechtssicher- heit schafft . Dabei ist für mich selbstverständlich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deut- sche Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann diese Entscheidung nicht ersetzen . Ich erwarte von unserem Koalitionspartner, die Blockade zu diesem Gesetz aufzugeben . Wir müssen uns zügig einigen und Fracking im Schiefergestein ver- hindern . Aber nicht in einem politischen Schnellschuss . Angesichts der Bedeutung dieses Themas bedarf es einer intensiven Beratung und Prüfung eines Gesetzesentwur- fes . Weshalb die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke eine Debatte ohne Aussprache beantragen, kann ich nicht nachvollziehen . Dies widerspricht einem seriösen parlamentarischen Verfahren . Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich mich in der heutigen Abstimmung enthalten . Reinhold Sendker (CDU/CSU): Als Gegner des sogenannten Frackings kann ich inhaltlich ähnlich lau- tenden Gesetzesinitiativen der Oppositionsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Linke nicht zustimmen, weil sie offensichtlich das Ziel verfolgen, die Bundesre- gierung zu attackieren . Darüber hinaus kann ich einem Fracking-Gesetz, welches nicht im Plenum des Deut- schen Bundestages beraten wurde, nicht zustimmen . Das widerspricht meinem Verständnis von Demokratie . Ich verweise zudem auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich erst zum Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungs- verfahrens entscheiden werde . In der jetzigen Form halte ich den Gesetzentwurf für unverantwortbar und könnte den enthaltenen Regelungen zum gegenwärtigen Zeit- punkt nicht zustimmen . Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich obers- te Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das un- konventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne wassergefähr- dende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Men- schen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wis- senschaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz kommen . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Dem Geset- zesentwurf zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik kann ich in der vor- liegenden Form nicht zustimmen . Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung liegt . Ich setze mich für eine nachhaltige Energiepolitik ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor- gung auch in Zukunft . Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hoch effizienter und  flexibel  einsetzbarer  fossiler  Kraftwerke  auf  der  Basis  von Kohle oder Gas notwendig . Bei verschiedenen Un- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16529 (A) (C) (B) (D) ternehmen in der Region besteht Interesse, die Potenzia- le sogenannter unkonventioneller Erdgasvorkommen zu untersuchen . In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind . Dabei geht es ins- besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und Trinkwassers durch das sogenannte Fracking – ein Ver- fahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Un- tergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohr- loch zu stimulieren und die Förderung zu ermöglichen . Als Energieland Nummer eins haben wir in Nord- rhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen . Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der Länder . Bei der Genehmigung von Probebohrungen muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass der jeweilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die  Entscheidung erforderlichen Informationen bereitzustel- len und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu dokumentieren . Solange keine ausreichend fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Aus- wirkungen von Fracking vorliegen, dürfen keine Fakten geschaffen werden . Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifischen  Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasförderung angepasst werden . Insbesondere halte ich eine Änderung des Bergrechts für notwendig . Eine Umweltverträglich- keitsprüfung (UVP), die im Bergrecht für die reine Er- kundung von Bodenschätzen, also auch für das Probe- fracking, derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus meiner Sicht unerlässlich . Umweltrisiken bestehen vor allem dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe gefrackt wird . Deshalb sollte für diese Fälle sowohl bei der Erdgasgewinnung als auch bei der Geothermie eine zwingende UVP eingeführt werden . Diese beinhaltet dann  auch  eine  verpflichtende,  transparente  und  effek- tive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmigung des Probefrackings . Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Land- kreise und Kommunen . Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitglied- staaten der Europäischen Union zu haben . Ich unterstütze daher die Bemühung im Europäischen Parlament um ver- gleichbar hohe Sicherheitsstandards . Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt nur in Frage, wenn sie von der Bevölkerung in der Re- gion akzeptiert wird . Dafür ist eine umfassende Transpa- renz eine zentrale Voraussetzung . Die Landesregierung ist  in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über  die Risiken des Fracking deutlich zu verbessern . Für mich hat Sicherheit höchste Priorität, denn ich bin gegen ein Fracking, das unsere Natur und die klassische Wirtschaft nicht hinreichend schützt . Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist aber meines Er- achtens in seiner derzeitigen inhaltlichen Ausgestaltung so nicht zustimmungsfähig, da er gravierende juristische und tatsächliche Mängel beinhaltet . Genehmigungen dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Ri- siken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen werden können . Norbert Spinrath (SPD): Nach derzeitigen Wissens- stand ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht  verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Ich setze mich für eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in meinem Kreis Heinsberg und in Nord- rhein-Westfalen unmöglich macht . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit die Rechtsunsicherheit . Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel- setzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur poli- tische Effekthascherei . Denn eine öffentliche Aussprache darüber lehnen sie ab . Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge- fährden, habe ich mich heute der Stimme enthalten . Michael Thews (SPD): Der Schutz des Bodens, des Trinkwassers und somit auch der Gesundheit des Men- schen haben für mich absoluten Vorrang gegenüber der stark risikobehafteten Gewinnung von primären Energie- trägern durch Fracking . Das Wahlprogramm der SPD beinhaltet diesen Schutz, und die verankerte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koali- tion . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen lassen . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit die Rechtsunsicherheit . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe- ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver- ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi- on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls ersetzen . Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund, werde ich mich heute der Stimme enthal- ten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616530 (A) (C) (B) (D) Dr. Karin Thissen (SPD): Ich will klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen und nehme die Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst und teile sie . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De- batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier- ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Um Wissenslücken zu schließen, halte ich in diesem Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftli- cher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, um die Auswirkungen der Maßnahmen wissen- schaftlich zu erforschen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung neuer gesetzlicher Rege- lungen . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner- halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions- partner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen . Aus den oben genannten Gründen lehne ich daher die- se Anträge ab . Ute Vogt (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wol- len klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bür- gerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Ich gehe davon aus, dass diese einhellige Position aus dem April des letzten Jahres wie verabredet noch in dieser Le- gislaturperiode vom Deutschen Bundestag abschließend beschlossen wird . Bernd Westphal (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra- cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro- ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi- cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16531 (A) (C) (B) (D) Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent- scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes- tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli- chen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei- chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län- dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan- dene Fördermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum- kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab . Dirk Wiese (SPD): Ich habe immer wieder deutlich gemacht, dass Fracking im Sauerland, ja in ganz NRW, nichts zu suchen hat . Hierzu stehe ich ohne Wenn und Aber . Trinkwasser und Gesundheit haben absoluten Vor- rang . Die Risiken für Mensch und Natur sind viel zu hoch und nicht verantwortbar . In der Großen Koalition wird schon seit längerem an einem entsprechenden Gesetz ge- arbeitet . Ich erwarte von unserem Koalitionspartner jetzt endlich, dass er seine Blockadehaltung aufgibt . Ich will darüber hinaus ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Ich will klare und rechtssichere Regelungen für die Bürge- rinnen und Bürger und Behörden . Dafür stehe ich ein . Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und der Antrag der Linken am heutigen Tage sind rein tak- tisch motiviert . Sie sind an keiner Lösung interessiert, sondern möchten das Parlament nur für ihre Inszenierung nutzen . Das ist ihr gutes Recht als Opposition . Dies er- kennt man insbesondere gut daran, dass sie nicht einmal eine Debatte beantragt haben, sondern nur abstimmen wollen, um dies medial gegen uns zu verwenden . Dies wird immer wieder vorkommen . Darum lehne ich solche taktischen Winkelzüge ab . Das Thema ist für die Men- schen zu ernst, um auf deren Rücken Spiele zu spielen . Entsprechenden Gesetzesvorlagen oder Anträgen zur po- litischen Instrumentalisierung stimme ich daher nicht zu . Gülistan Yüksel (SPD): Das oberste Ziel muss sein, die Umwelt und die Gesundheit der Menschen bestmög- lich zu schützen . Ich halte unkonventionelles Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetz- liche Regelung ein . Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit Rechtsunsicherheit . Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel- setzung eines Fracking-Verbotes . Auch ist es seitens der Opposition kein seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem ernsthaften Thema ohne Debatte zu beantragen . Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge- fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten . Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik (Tagesordnungspunkt 30 a) Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen . Begründung: Seit dem 23 . April 2015 liegt dem Bundestag ein Ge- setzentwurf zur Regelung der Fracking-Technologie vor . Am 8 . Juni 2015 brachte dazu eine aus 19 Abgeord- neten der CDU/CSU-Fraktion bestehende Arbeitsgrup- pe, der ich auch angehöre, eine Positionierung mit sechs konkreten Änderungsvorschlägen ein . Seither kam es je- doch zu keiner weiteren Beratung . Ohne gesetzliche Neuregelung kann es zu gesund- heits- und umweltgefährdenden Einsätzen der Fra- cking-Methode kommen . Deshalb stimme ich dem Antrag der Grünen auf Drucksache 18/7551 zu . Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen- nummer 18/7551 „Gesetz zur Änderung des Bundesberg- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616532 (A) (C) (B) (D) gesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik“ werde ich zustimmen . Folgende Begründung möchte ich hierfür anführen: In meiner Heimatgemeinde Langwedel gab es am vergangenen Freitag wieder einmal ein Erdbeben . Be- reits zwischen 2008 und 2015 gab es sechs Erdstöße mit Stärken zwischen 1,8 und 2,9 auf der Richterskala . Dieses Mal hatte das Erdbeben eine Stärke von 3,2 und war aufgrund der geringen Tiefe des Epizentrums von besonders starker Intensität . Es hat offensichtlich viele Schäden an zahlreichen Häusern verursacht: Inzwischen wird von rund 100 Häusern berichtet, an denen zum Teil erhebliche Schäden festgestellt wurden – wahrscheinlich ist noch ein Vielfaches mehr an Häusern betroffen . Die Ursachen für diese Erdbeben und die daraus resul- tierenden Schäden lassen sich ganz klar auf die Erdgas- förderung zurückführen, die in Langwedel durchgeführt wird . Viele Menschen haben mittlerweile Angst vor dem nächsten Beben . Dass dieses kommt, ist nur eine Frage der Zeit . Und ich kann diese Angst sehr gut nachvoll- ziehen . Auch wenn nicht das Fracking, sondern die daraus folgenden Gasförderungen ursächlich für diese massiven Erdstöße in Langwedel sind, so wird es bald in vielen Regionen im gesamten Bundesgebiet aussehen wie bei uns, wenn wir flächendeckend in Deutschland diese Boh- rungen zulassen werden . Der Wertverlust der Hausbesit- zer in der Region ist enorm . Die prosperierende Region, die früher von erheblichem Zuzug profitiert hat, verfällt  aufgrund der Angst und der durch die Erdgasförderung entstandenen Schäden in die Stagnation . Diese Probleme kannten wir vor der Erdgasförderung nicht . Darum bin ich der Meinung, dass wir nicht länger war- ten dürfen und handeln müssen . Über den am 23 . April 2015 eingebrachten Gesetzentwurf zur Regelung der Fracking-Technik und der konventionellen Erdgasför- derung gibt es noch immer keine Einigung . Außerdem muss der Gesetzentwurf zum Schutz der Menschen noch deutlich nachgebessert werden . Da es aber noch immer keine Einigung gibt und die konventionelle Technik – in ganz besonderem Maße aber auch die Fracking-Technik – zum Teil erhebliche Risiken beinhalten, werde ich dem Antrag der Grünen zustim- men . Dies begründet sich vor allem auch auf die aktuelle Situation bei mir in der Region, da ich den Menschen einfach nicht mehr erklären kann, warum sich nichts tut . Vor den gemachten Erfahrungen bei mir in der Region halte ich es für unverantwortlich, Fracking in dichtbe- siedelten Gebieten und auf einem Großteil der Flächen in Deutschland zuzulassen . Offensichtlich merkt auch die erdgasfördernde Industrie so langsam, dass die Kos- ten-Nutzen-Rechnung für sie nicht mehr aufgeht: So will die DEA nach dem Erdbeben ihr Fördermanagement in der Region überprüfen . Und auch wenn ich dem Antrag zustimmen werde, habe ich mit Bedauern festgestellt, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag leider nur auf die Fracking-Technik eingeht, die im Gegensatz zur ge- samten Erdgasförderung eher eine untergeordnete Rol- le spielt . Ich fordere mit Nachdruck die Bundesregie- rung dazu auf, ihren eingebrachten Gesetzentwurf vom 23 . April 2015 zu überarbeiten, damit der Schutz der Menschen in Deutschland endlich im Mittelpunkt steht . Aus den oben genannten Gründen werde ich dem An- trag zustimmen . Franz Thönnes (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra- cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro- ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Denn klare Regelungen sorgen für Rechtssi- cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden sowie für Unternehmen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende eine parlamentarische Entschei- dung stehen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen Regelungen . Dieser Zustand bringt keine Rechtssicher- heit mit sich und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl beide Parteien an zahlreichen Lan- desregierungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene För- dermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumwelt- und dem Bundes- wirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserun- gen vereinbaren können . Der vorliegende Entwurf dürfte gegenüber der aktuellen Rechtslage hinsichtlich Fra- cking die weltweit schärfsten Eingrenzungsvorschriften beinhalten, die es gibt . Nunmehr setze ich auf die Einigungsfähigkeit inner- halb der Großen Koalition und erwarte von CDU/CSU, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16533 (A) (C) (B) (D) das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzuset- zen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter- nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober- flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel  und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas- förderung hervorgerufen werden können . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö- ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf der Grünen ab . Anlage 11 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fra- cking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 b) Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung steht im Koalitionsvertrag der Großen Koa- lition im Kapitel zum Thema Fracking . Ich befürworte dementsprechend ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits stattfindende Erdgasförderung verschärft.  Die SPD will klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter- nehmen schaffen . Nach heutigem Wissensstand ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig, um die Auswirkungen auf die Umwelt, ins- besondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wis- senschaftlich zu erforschen . Dabei strebt die SPD gemäß Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder bei der Genehmigung möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass am Ende der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss, was für Konsequenzen aus eventuellen Probebohrungen gezogen werden . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu- en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli- chen Erdgasförderung . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver- besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer- den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz- gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder  auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen . Zudem soll mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben eingeführt werden, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden . Ich bedauere es, dass Grüne und Linke eine Abstim- mung zum diesem Thema ohne Debatte beantragt haben . Ich folge der Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses, da Aufforderungen an die Bundesregierung ohne Debatte kein sinnvoller Beitrag zur weiteren parla- mentarischen Beratung sind . Franz Thönnes (SPD): „Trinkwasser und Gesund- heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra- cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro- ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt- standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Denn klare Regelungen sorgen für Rechtssi- cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden sowie für Unternehmen . Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie- fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken  für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie- ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs- maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren- ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß- nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, zu erforschen . Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge- meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an . Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende eine parlamentarische Entschei- dung stehen muss . Eine Expertenkommission kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616534 (A) (C) (B) (D) Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches  Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen Regelungen . Dieser Zustand bringt keine Rechtssicher- heit mit sich und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen Erdgasförderung . Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl beide Parteien an zahlreichen Lan- desregierungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene För- dermethoden ausgesprochen . Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz- entwürfen aus dem Bundesumwelt- und dem Bundes- wirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserun- gen vereinbaren können . Der vorliegende Entwurf dürfte gegenüber der aktuellen Rechtslage hinsichtlich Fra- cking die weltweit schärfsten Eingrenzungsvorschriften beinhalten, die es gibt . Nunmehr setze ich auf die Einigungsfähigkeit inner- halb der Großen Koalition und erwarte von CDU/CSU, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzuset- zen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter- nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober- flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel  und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas- förderung hervorgerufen werden können . Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö- ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo- tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund stimme ich der Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu und lehne damit den Antrag der Fraktion Die Linke ab . Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU) zu der Abstimmung über den Antrag der Abge- ordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenktag werden (Tagesordnungspunkt 17) Mit dem 8 . Mai 1945, der zunehmend euphorisch als „Tag der Befreiung“ gedeutet wird, hatten Unmensch- lichkeit und Grausamkeit in Europa noch immer kein Ende . Wer heute suggerieren will, dass mit dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die Men- schenrechte europaweit blühten und gediehen und dass alles seinen gerechten Sinn hatte, der ist entweder un- wissend, unwillig oder menschenverachtend . Denn der „8 . Mai“ konnte außer von den Vertriebenen auch von Millionen anderen nicht als „Tag der Befreiung“ emp- funden werden . Der Russe Lew Kopelew schrieb zum 50 . Jahrestag des Kriegsendes 1995: „Der wohlverdiente Rattentod Hitlers in seiner Kanzlei brachte den Völkern des Westens Erlösung . Der unverdiente, mit 30 Millio- nen Menschenleben bezahlte Triumph Stalins überzog die Welt mit neuen tödlichen Gefahren, brachte Unglück, unsagbare Leiden und Verderben für die Länder in Ost- und Mitteleuropa, die zu Vasallen einer neuen totalitären Weltmacht wurden .“ Stalins Terror wütete in Mittel- und Osteuropa und raffte weiterhin Millionen Menschen da- hin . Die Menschen in Mitteldeutschland/Ostzone/DDR lebten in neuer Diktatur, aus der sie sich erst 1989/90 be- freien konnten . Hans Günther Adler, als rassisch Verfolg- ter Insasse während der nationalsozialistischen Zeit, be- schreibt in seinem Buch Theresienstadt 1941-1945: „Die Befreiung von Theresienstadt hat das Elend in diesem Ort nicht beendet . Nein, nicht allein für die ehemaligen Gefangenen ( . . .), sondern auch für neue Gefangene ( . . .), die Mehrzahl, darunter viele Kinder und Halbwüchsige, wurden bloß eingesperrt, weil sie Deutsche waren . Nur weil sie Deutsche waren ( . . .)? Der Satz klingt erschre- ckend bekannt; man hatte bloß das Wort ‚Juden‘ mit ‚Deutschen‘ vertauscht . Die Fetzen, in die man die Deut- schen hüllte, waren mit Hakenkreuzen beschmiert . Die Menschen wurden elend ernährt, misshandelt, und es ist ihnen um nichts besser ergangen, als man es von deut- schen Konzentrationslagern her gewohnt war .“ Robert H . Jackson, amerikanischer Hauptanklagever- treter bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, beklagte im Oktober 1945 in einem Brief an den US-Prä- sidenten Harry S . Truman, dass die Alliierten selbst „genau die Dinge getan haben oder tun, für die wir die Deutschen anklagen“ . Der britische Philosoph Bertrand Russell schrieb im selben Monat: „In Osteuropa werden jetzt von unserem Verbündeten Massendeportationen in einem unerhörten Ausmaß durchgeführt und man hat ganz offensichtlich die Absicht, viele Millionen Deutsche auszulöschen, nicht durch Gas, ( . . .) sondern dadurch, dass man ihnen ihr Zuhause und ihre Nahrung nimmt und sie einem langen schmerzhaften Hungertod auslie- fert . Das gilt nicht als Kriegsakt, sondern als Teil einer bewussten ‚Friedenspolitik‘ .“ Am 25 . Oktober berichtete der Berater General Eisenhowers, Robert Murphy, nach Washington: „Mitarbeiter, die Flüchtlingszüge aus dem Osten ankommen sahen, stellen fest, dass sich die Leute meistens  in bedauernswertem Zustand befinden. Einige  ( . . .) berichteten, dass sie ausgeplündert und um die we- nigen Habseligkeiten gebracht wurden, die sie überhaupt mitnehmen durften .“ Rund zwei Millionen Menschen haben diese Torturen nicht überlebt . Der amerikanische Historiker Norman Naimark resümierte: „Tatsache ist, dass ungefähr 2,5 Millionen Deutsche umkamen und 11,5 Millionen vertrieben wurden, einzig und allein, weil sie Deutsche waren . Entscheidend war ihre ethnische Zugehörigkeit und nicht ihre Staatsbürgerschaft, ebenso wenig die Frage, ob sie gute oder schlechte Deutsche wa- ren, Faschisten oder Antifaschisten ( . . .) . Das war keine Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16535 (A) (C) (B) (D) Abrechnung mehr zwischen Bevölkerungsgruppen . Die Vertreibung der Deutschen wurde politisches Staatsziel .“ Der 8 . Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkrieges auf unserem Kontinent, ein Tag der Befreiung? Ja und nein! „Erlöst und vernichtet in einem“, so hat es Theodor Heuss, der erste Bundespräsident unserer Republik, tref- fend beschrieben . Eine Befreiung vom nationalsozialis- tischen Terror über Deutschland und Europa, ja . Eine Befreiung für all diejenigen, die mehr tot als lebendig die Konzentrationslager überlebt haben, ja, natürlich . Eine Befreiung vom Elend des Krieges, ja . Eine Befrei- ung von Gewaltherrschaft und Diktatur, ja, für den Wes- ten Europas – aber nur für den Westen, mit Ausnahme Spaniens und Portugals . Doch als Befreiungskrieg für Deutschland haben die Alliierten diesen Krieg ohnehin nicht geführt und auch nicht führen wollen . Dwight D . Eisenhower, Befehlshaber der amerikanischen Besat- zungstruppen machte das in der Direktive JCS 1067 sehr deutlich: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zweck der Befreiung, sondern als eine besiegte Feindnation .“ Und für Stalin waren Macht und Gewaltherrschaft über weite Teile Europas das erklärte Ziel . Victor Gollancz, engli- scher Verleger und Humanist – 1960 Träger des Frie- denspreises des Deutschen Buchhandels –, konstatierte: „Die Deutschen wurden vertrieben, aber nicht einfach mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme, sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität .“ Für die Vertriebenen, die Deportierten, Vergewaltigten jener Jahre klingt die sehr schlichte und immer wieder – und von Jahr zu Jahr immer lauter – zu hörende Verein- fachung des 8 . Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ wie ein Hohn auf ihr Schicksal . Mir ist es daher unmöglich, dem Antrag zuzustimmen, wonach der 8 . Mai als „Tag der Befreiung“ zum Gedenk- tag erhoben werden soll . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters (Tagesordnungs- punkt 18) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Was seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts Realität geworden ist, hat die Menschheit seit der Antike fasziniert: der Aus- tausch von Organen, das Ersetzen eines eigenen versa- genden Organs durch ein fremdes funktionierendes . In Dokumenten aus dem 3 . Jahrhundert vor Christus wird der Austausch von Herzen durch den chinesischen Arzt Pien Ch’iao beschrieben . Über die Jahrhunderte hat das Thema die Menschen weiter beschäftigt . In der Renais- sance erkannte Gaspare Tagliacozzi den singulären Cha- rakter des Individuums und dass dieser Transplantatio- nen an einer anderen Person unmöglich macht . Erst zu Beginn des 20 . Jahrhunderts hatte sich das medizinische Wissen so weit entwickelt, dass wesentli- che Voraussetzungen für erfolgreiche Transplantationen gegeben waren . Es folgte 1954 die erste Nierentrans- plantation zwischen eineiigen Zwillingen, 1963 die erste erfolgreiche Spende zwischen Mutter und Tochter . Seit- dem wurden in Deutschland mehr als 83 000 Organe transplantiert . Eurotransplant, mit dem wir noch heute arbeiten, wurde 1967 gegründet und umfasst heute acht Länder mit 135 Millionen Menschen . Wir haben nun seit einem halben Jahrhundert das Pri- vileg, die Transplantationsmedizin nutzen zu können . Aber wir schöpfen dieses lebensspendende Potenzial noch nicht genug aus . Eurotransplant vermittelte 1968 – ein Jahr nach seiner Gründung – bereits 60 Nieren . 2015 wurden in Deutschland insgesamt 827 Organe transplan- tiert bei über 10 000 Menschen, die auf ein Spenderor- gan warten . Man spricht weltweit von einem Potenzial von 40 Spendern pro 1 Million Menschen . Das wären 3 200 Spender bei einer Bevölkerung von 80 Millionen in Deutschland . Obwohl wir 2013 eine generelle Spen- denbereitschaft von 68 Prozent in Deutschland hatten, sind die Bedeutung der Organspende und die Verantwor- tung jedes Einzelnen, sich damit auseinanderzusetzen, noch nicht angekommen . Skandale um Spenderlisten haben zudem das Image der Organspende in Deutsch- land beschädigt . Es ist nun an uns, die Organspende zu reformieren, transparenter zu gestalten, die Transplanta- tionsmedizin damit weiter zu verbessern, die Patientensi- cherheit zu erhöhen und damit auch das Vertrauen in die Transplantationsmedizin zu stärken . Betrachten wir die Lage in den USA: Dort sind 45 Prozent registrierte Spender . In Deutschland besitzen nur 28 Prozent einen Organspendeausweis . Zu der Zeit, als Deutschland 1997, nach fast 20 Jahren Uneinigkeit, erst das Transplantationsgesetz verabschiedete, gab es in den USA bereits Großkampagnen, um die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren . 2007 veröffentlichte der Ethikrat eine Stellungnahme mit dem klaren Ziel, die Organspenden in Deutschland zu erhöhen . Mit der Reform der Organspende 2012 wur- de eine regelmäßige Befragung aller Krankenversicher- ten ab dem 16 . Lebensjahr festgesetzt . Der gewünschte Erfolg setzte nicht ein . Das Transplantationsregistergesetz gibt uns jetzt erneut die Chance, dies zu ändern und das Thema Or- ganspende in die Öffentlichkeit zu bekommen . Das Transplantationsregister schafft eine verlässliche Daten- grundlage . Die erhobenen Daten von der Organentnahme bis hin zur Nachbetreuung des Transplantierten werden darin gebündelt . Langfristig sollen damit die Wartelis- tenkriterien sowie die Verteilung der Spenderorgane weiterentwickelt werden . Die Nutzung der Daten soll zu wissenschaftlichen Forschungszwecken im Bereich der Transplantationsmedizin beantragt werden können . Lassen Sie uns die Debatte um das neue Transplan- tationsregistergesetz nutzen, das Thema wieder brei- ter in die Öffentlichkeit zu bringen . Ein Blick über den Atlantik zur Inspiration kann dabei auch nicht schaden . Forscher der Johns-Hopkins-Universität, die an einer Social-Media-Aktion in den USA 2012 beteiligt waren, zeigten sich begeistert von der Steigerung der Spender- zahlen . Bei der Facebook-Aktion ließen sich am ersten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616536 (A) (C) (B) (D) Tag des Experiments mehr als 13 000 US-Bürger online als Organspender registrieren, und dies lediglich durch die Möglichkeit, seinen Spenderstatus mit seinen Freun- den zu  teilen und wegen der Verlinkung mit offiziellen  Registrierungsstellen . Es ist deshalb unsere Aufgabe, das Vertrauen in einen fairen Organspendeprozess zu steigern; denn die Men- schen möchten helfen, wenn sie Vertrauen und die Gele- genheit dazu haben . Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Wir alle haben die Schlagzeilen rund um die Manipulationen in verschiede- nen deutschen Kliniken noch gut in Erinnerung . Damit verbunden war eine erhebliche Schwächung der Organ- spende insgesamt . Nicht zuletzt aufgrund der Skandale wurde über das Thema häufig aus einem negativen Blick- winkel berichtet . Dies verstellt den Blick darauf, dass sich bei der Organspende in Deutschland einiges tut . Ein zentrales Element ist hierbei die Schaffung eines nationa- len Transplantationsregisters . Worum geht es uns bei diesem Register? Die Organ- spende in unserem Land wird von verschiedenen Institu- tionen im Transplantationswesen wie zum Beispiel der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Eurotransplant und den Transplantationszentren organisiert . Damit ver- bunden ist eine dezentrale Erhebung transplantationsme- dizinischer Daten . Diese Daten werden in verschiedenen Institutionen und nach unterschiedlichen Vorgaben erho- ben, ohne dass eine Verknüpfung stattfindet. Aus dieser fehlenden Verknüpfung ergibt sich eine äu- ßerst nachteilige Folge: Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern fehlt bei uns in Deutschland eine umfassende medizinische Datenbasis, die die Folgen von Transplan- tationen dokumentiert und entsprechende Schlussfol- gerungen zulässt . Mit der Schaffung eines Transplanta- tionsregisters wird sich dies grundlegend ändern; denn mit dem Register schaffen wir eine verlässliche Daten- grundlage, die alle Daten von der Organentnahme bis hin zur Nachbetreuung bündelt . Dadurch erreichen wir eine höhere Transparenz . Vor allen Dingen aber können wir Wissenslücken über den Erfolg der Transplantationstä- tigkeit schließen . Beispielsweise lassen sich durch das Register Daten zur Qualität der Organe mit Daten zur Überlebenszeit von Organen und Organempfängern zu- sammenführen . Mehr Evidenz auf diesem Feld kann schlussendlich dazu beitragen, die Wartelistenkriterien sowie die Ver- teilung der Spenderorgane weiterzuentwickeln; denn wir können wichtige Informationen gewinnen, zu welchem Organempfänger ein Spenderorgan voraussichtlich am besten passt . Auch für die Transplantationszentren mit ihrer so wichtigen Arbeit lassen sich neue, gewinnbrin- gende Informationen gewinnen . Erfahrungen aus anderen Ländern wie etwa den USA zeigen uns, dass ein Transplantationsregister eine essen- zielle Grundlage für weitere Schritte hin zu einem besse- ren Transplantationswesen ist . Ich freue mich daher, dass wir mit der heutigen Einbringung des Gesetzentwurfs diesen wichtigen Schritt gehen können . Ein besonderer Dank sei an dieser Stelle der Bundesregierung und Mi- nister Hermann Gröhe im Speziellen für die gute Vorlage gesagt . In Zukunft wird es nicht mehr nötig sein, auf auslän- dische Werte zurückgreifen zu müssen; denn diese las- sen sich aus verschiedenen Gründen nicht einfach auf Deutschland übertragen . Etwa die Qualität transplantier- ter Organe ist bei uns wegen des vergleichsweise hohen Alters der Spender ganz anders als in vielen anderen Ländern . Wir dürfen bei der Organtransplantationswis- senschaft nicht haltmachen, sondern müssen in der For- schung zielgerichtet fortschreiten . Dies haben einige Organtransplantationsmediziner noch einmal deutlich gemacht . Einen wichtigen Stellenwert nimmt in dem Gesetzent- wurf der Datenschutz ein . Dem Recht auf informationel- le Selbstbestimmung und dem Schutz von Patientendaten kommt in dem Entwurf eine hohe Bedeutung zu . Die ge- samte Struktur des Registers mit den zu schaffenden In- stitutionen ist darauf ausgerichtet, ein hohes Maß an Da- tenschutz zu gewährleisten . Hinzu kommt: Die Daten der Organempfänger und der lebenden Organspender werden nur mit ausdrücklicher Einwilligung an das Transplanta- tionsregister übermittelt . In den ersten Stellungnahmen habe ich hierzu unterschiedliche Auffassungen gelesen . Insbesondere vonseiten des GKV-Spitzenverbandes wird eine Informationspflicht statt einer Einwilligungslösung  gefordert . Viele der Argumente sind in der Tat nachvoll- ziehbar . Die Frage der rechtlichen Machbarkeit müsste hierzu aber aus meiner Sicht noch einmal gründlich ge- prüft werden . Auch die Frage der Überführung bereits bestehender Daten in das Register ist sehr relevant, und wir sollten sie diskutieren . Letztendlich geht es hier um Abwägungsent- scheidungen, die nicht leicht sind . Ich denke aber, dass wir unter anderem in der anstehenden Anhörung die Ge- legenheit haben werden, diese Fragen noch einmal ge- nauer zu beleuchten . Der eine oder andere Gedanke sollte deshalb in den anstehenden Beratungen noch einmal auf- gegriffen werden . Unabhängig davon ist es sehr erfreulich, dass der Ge- setzentwurf in der Fachwelt auf ein sehr positives Echo gestoßen ist . Dies ist besonders wichtig in einem dezen- tralen System wie der Organspende; denn nur wenn alle Beteiligten entschlossen sind, das Register am Ende auch konsequent anzunehmen, kann ein entsprechender Mehr- wert daraus gezogen und kann die Organspende gestärkt werden . Ganz wichtig aber ist: Beim Thema Organspende geht es immer auch um Vertrauen . Bei allen verfügbaren technischen Strukturen erreichen wir ohne das Vertrauen der Menschen in die Organspende nichts . Ein Transplan- tationsregister  hat  daher  auch  seinen  ganz  spezifischen  Mehrwert in der Schaffung von besseren Strukturen; denn gerade gute Strukturen schaffen Vertrauen . Dieses Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass auch in Zukunft Menschen die berechtigte Hoffnung auf eine lebensrettende und lebenserhaltende Transplantation haben können . Es liegt daher an uns, mit der Schaffung eines Registers den Grundstein für weitere Verbesserun- gen zu legen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16537 (A) (C) (B) (D) Sabine Dittmar (SPD): Lassen Sie mich eines deut- lich sagen: Ich bin sehr dankbar, dass wir heute nach jah- relanger Diskussion über die Errichtung eines Transplan- tationsregisters in die erste Lesung gehen . Ich bin davon überzeugt, dass dies ein wichtiger weiterer Baustein ist, um Vertrauen in Organspende und Transplantationsmedi- zin zurückzugewinnen . Dass dies bitter notwendig ist, zeigen die uns allen bekannten Zahlen in aller Dramatik: Über 10 000 Pati- entinnen und Patienten warten in Deutschland auf ein le- bensrettendes Organ, täglich versterben drei Menschen, weil sie dieses nicht erhalten, und die Zahl der Organ- spender stagniert nach den Transplantationsskandalen in deutschen Krankenhäusern ausgehend von einem oh- nehin niedrigen Level auf einem erschütternd niedrigen Niveau . Das muss sich ändern! Das Transplantationsregister wird erstmals die Da- ten von verstorbenen Organspendern, Organempfän- gern und Lebendspendern zentral zusammenführen und miteinander verknüpfen . Dies geschieht natürlich unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbst- bestimmung und des Schutzes der hochsensiblen Patien- tendaten . Dadurch bekommen wir erstmals eine verläss- liche Datengrundlage von der Organentnahme bis hin zur Nachsorge nach einer Transplantation . Eine einheitliche, strukturierte Datenerfassung und ihre Auswertung sind unerlässlich für die Verbesserung der Prozessstrukturen und der Patientensicherheit . Au- ßerdem sind dies wichtige Parameter für die Qualitäts- sicherung der Transplantation und die bessere Vergleich- barkeit der Ergebnisse in den einzelnen Zentren . Die gewonnenen Daten werden vor allem die Debatte über die Weiterentwicklung der Allokationskriterien für die Aufnahme auf die Warteliste auf eine valide, evidenzba- sierte, transparente Datenbasis stellen . Nach den Transplantationsskandalen in deutschen Kliniken fielen das Vertrauen und damit die Bereitschaft  zur Organspende auf ein Rekordtief . Einiges wurde zwi- schenzeitlich unternommen, um Vertrauen zurückzuge- winnen: So gibt es heute bereits interdisziplinäre Trans- plantationskonferenzen und das Vieraugenprinzip bei der Bewertung von Allokationskriterien . Die medizinischen Daten werden nun auf ihre Plausibilität hin überprüft, wodurch gezielte Manipulationen, die zu einer Bevorzu- gung bei der Vergabe führen, erschwert und hoffentlich verhindert werden . Und die Manipulation von Wartelis- ten ist endlich ein Straftatbestand! Damit ist die Arbeit nicht getan . Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein, um Vertrauen zurückzugewinnen, und trotzdem liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns . Abschließen möchte ich mit einer eindringlichen Bit- te: Wir alle müssen uns privat und ganz persönlich mit dem Thema Organspende auseinandersetzen . Ein jeder von uns kann schließlich jederzeit in die Situation kom- men, selbst oder im familiären Umfeld eine überlebens- notwendige Transplantation zu benötigen . Ich appelliere daher an jeden Einzelnen, einen Organ- spendeausweis auszufüllen . Egal ob man sich für oder gegen eine Organspende entscheidet, der Organspen- deausweis ist wichtig, um Angehörigen in einer emoti- onal sehr schwierigen Phase die Entscheidung abzuneh- men, ob eine Spende erfolgen soll oder nicht . Ich hoffe, dass mit dem Transplantationsregister die öffentliche Auseinandersetzung mit der Organspende intensiviert wird und der Organspendeausweis in naher Zukunft zum Standardinventar einer jeden Handtasche oder eines jeden Geldbeutels gehört . Hilde Mattheis (SPD): Wieder einmal zeigt sich, dass es richtig war, viele zum Teil detaillierte Regelun- gen bei den Verhandlungen in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen zu haben . Wenn Sie den Koalitionsvertrag lesen, sehen Sie, dass wir das Transplantationsregister schon dort vereinbart hatten . Ich bin sehr froh, dass wir mit dem vorliegenden Gesetz nun auch hinter diesem Punkt einen Haken machen können . Organspende ist ein hochemotionales Thema; denn es geht dabei nicht nur um medizinische, sondern auch um ethische Fragen . Für die Betroffenen ist eine Organspen- de oftmals lebensrettend . Ich glaube, alle hier im Hause sind sich darin einig, dass wir die Transplantationsmedizin auf dem höchsten Standard, mit den bestmöglichen Sicherheitsvorkehrun- gen gegen einen möglichen Missbrauch erhalten wollen . Dies erwarten von uns zu Recht die Betroffenen, die auf ein Spenderorgan warten, die Ärzte und das Kranken- hauspersonal und natürlich die potenziellen Spenderin- nen und Spender und ihre Angehörigen . Das zu schaffende Transplantationsregister ist ein Schritt, um mehr Transparenz und eine bessere Koor- dinierung innerhalb des gesamten Bundesgebietes zu schaffen und so die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Behörden zu verbessern . Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf sollen erstmals die Da- ten von verstorbenen Organspendern, Organempfängern und Lebendspendern miteinander verknüpft und zentral zusammengefasst werden . Warum ist das so wichtig? Bisher ist es in Deutsch- land so, dass die Ärzte und die Einrichtungen, die mit der Versorgung und Nachsorge beauftragt sind, die Deutsche Stiftung Organtransplantation als Koordinierungsstelle, der Gemeinsame Bundesausschuss und die Transplan- tationszentren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten unter- schiedliche Daten erheben und erfassen . Das sind Daten zum Organspender und -empfänger, zum Spendeorgan, zum Vermittlungsverfahren etc . All diese Daten werden dezentral aufgenommen . Dieses  Verfahren  bewerten  wir  als  wenig  effizient  und fehleranfällig; denn natürlich kann es bei dem oft- mals sehr zeitintensiven Prozess einer Organspende zu menschlichen Fehlern kommen . Das geplante Trans- plantationsregister soll nun alle transplantationsmedizi- nischen Daten bundesweit zusammenführen . Dazu wird ein bundesweit einheitlicher Datensatz vereinbart, der in Zukunft zwischen den Betroffenen übertragen wird . Wir erwarten uns davon eine deutlich geringere Feh- lerquote und eine verbesserte Dokumentation der Organ- spende in Deutschland . Zudem werden den betroffenen Stellen bessere und schneller verfügbare Informationen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616538 (A) (C) (B) (D) über Wartelisten vorliegen, sodass die Hoffnung besteht, den Betroffenen schneller und unkomplizierter helfen zu können . Zudem erfüllt ein solches zentrales Register einen höheren Anspruch an Transparenz, der dringend notwendig ist, um das Vertrauen in die Transplantations- medizin wieder zu stärken . Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass ein solcher zentral gesammelter Datensatz mit hochsensiblen Da- ten auch eine besondere Verantwortung hinsichtlich des Datenschutzes nach sich zieht . Das erreichen wir einer- seits mit der Errichtung von zwei zentralen Stellen: einer Transplantationsregisterstelle und einer Vertrauensstelle . Die Transplantationsregisterstelle ist, wie der Name sagt, der Ort, an dem die Daten zusammenlaufen, das heißt, sie werden dort erhoben, gespeichert, überprüft und wei- tergeleitet . Bevor die Daten die Stelle erreichen, werden sie aber von der Vertrauensstelle pseudonymisiert, sodass der Datenschutz innerhalb der Transplantationsregister- stelle gewahrt bleibt . Das gesamte Register und beide Stellen stehen zudem unter Aufsicht der oder des Bundesbeauftragen für Da- tenschutz . Diese ist zunächst in den Aufbau des Registers und der zuständigen Stellen einzubinden, und ihr obliegt danach die ständige Kontrolle der Einrichtungen . Ich bin davon überzeugt, dass diese Kontrollmöglichkeit einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten gewähr- leisten wird . Mehr als 10 000 Menschen warten derzeit in Deutsch- land auf ein Spenderorgan . Für sie entscheidet die Frage, ob sie ein Organ erhalten, über Leben und Tod . Dabei reicht die Zahl der gespendeten Organe bisher nicht aus, um allen Betroffenen zu helfen . Es ist daher unsere Auf- gabe, in diesem schweren Lebensabschnitt den vielen Menschen eine schnelle und vor allem sichere Hilfe zu bieten . Wir wollen die Transplantationsmedizin so sicher wie nur möglich ausgestalten . Ich glaube, dieses Gesetz wird dazu beitragen . Daher werbe ich um Ihre Zustim- mung . Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ein Transplantations- register ist aus Sicht der Linken überfällig . Bereits am 31 . Januar 2013 hat die Linke dies in einem Antrag im Bundestag gefordert . Erinnern wir uns: Vor vier Jahren wurden zahlreiche Manipulationen und Missstände bei Organtransplantationen öffentlich . Das Vertrauen in das gesamte Transplantationswesen war zutiefst erschüttert . Wir messen den Gesetzentwurf, den die Bundesregie- rung uns hier heute vorlegt, an klaren Zielen . Ist er geeig- net, mehr Transparenz und Qualität zu schaffen? Wird er dazu beitragen, dass Menschen, die auf eine Organtrans- plantation warten, künftig besser versorgt werden? Wer- den wir künftig bessere Daten über die Folgewirkungen von Transplantationen haben, um die Versorgung weiter verbessern zu können? Können wir mit diesem Gesetz künftig auch mögliches Fehlverhalten in der Transplanta- tionsmedizin besser aufklären und bekämpfen? Gemeinsam haben alle Fraktionen am 11 . Juni 2013 einen Antrag beschlossen, in dem von der Bundesregie- rung gefordert wurde, zügig einen Gesetzentwurf für ein solches Transplantationsregister vorzulegen . Damit woll- ten wir auch verloren gegangenes Vertrauen zurückge- winnen . Das ist dringend nötig; denn weiterhin sind bei Eurotransplant 15 000 Menschen auf der Warteliste für eine Organtransplantation registriert . Jahr für Jahr warten und hoffen viele vergeblich . Nun sind drei Jahre eine ziemlich weite Auslegung des Begriffs „zügig“, und der Entwurf der Bundesregierung erfüllt leider dennoch nicht an allen Stellen die hohen Er- wartungen an dieses Vorhaben . So bin ich skeptisch, ob genau diejenigen Organisationen mit der Einrichtung und dem Betrieb eines Transplantationsregisters beauftragt werden sollen, die schon beim damaligen Skandal einen Gutteil des Vertrauens in der Bevölkerung verspielt ha- ben, nämlich Bundesärztekammer, Krankenhausgesell- schaft und Krankenkassen . Dieselben sollen dann auch die Tätigkeit überwachen und Berichte abgeben – ein ziemlich problematisches Konstrukt . Auch die sogenannte Vertrauensstelle, die für den Datenschutz verantwortlich sein soll, will die Bundes- regierung wiederum von Bundesärztekammer, Kranken- hausgesellschaft und Krankenkassen einsetzen lassen . Das Bundesministerium für Gesundheit kann zwar die Genehmigung verweigern, wenn die Verträge nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechen, aber eine inhaltliche Kontrolle durch eine demokratische Instanz soll nicht stattfinden. Das finden wir falsch.  Bei der Datenübermittlung durch die Transplantati- onsregisterstelle soll nur ein ganz kleiner innerer Kreis Einsicht erhalten . Patientenorganisationen, Menschen auf den Wartelisten, aber auch diejenigen, die mit Dia- lyse oder Leberersatztherapie leben müssen, oder deren betreuende Ärztinnen und Ärzte bleiben außen vor . Ein öffentliches Register stellen wir uns ehrlich gesagt an- ders vor . Insgesamt erscheint es uns sinnvoll, nicht nur trans- plantierte Patientinnen und Patienten in das Register auf- zunehmen, sondern auch solche, die in absehbarer Zeit auf die Warteliste kommen könnten; denn nur so erhal- ten wir Daten, die auch Informationen über den Zugang zur Transplantationsmedizin liefern, und Hinweise auf mögliche Probleme beim Übergang von der Dialyse zur Transplantation . Ich hoffe, dass wir hier in den Beratungen noch zu besseren Lösungen kommen, die Transparenz und öffent- liche Kontrolle herstellen, den Datenschutz sichern und die geeignet sind, das Vertrauen in der Bevölkerung wie- derherzustellen . Dafür setzt sich die Linke ein . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben in der letzten Wahlperiode viel darüber debattiert, welche Schlüsse aus den Skandalen in der Transplantati- onsmedizin zu ziehen sind . Dabei hatten wir stellenweise sehr unterschiedliche Vorstellungen . Einig waren sich alle damals im Bundestag vertretenen Fraktionen aber in einem Punkt: Wir brauchen ein Transplantationsregister . Wir brauchen es, um Qualität, Evidenz und Kontrolle der Transplantationsmedizin zu verbessern . Die Bundesregierung hat sich mit der Umsetzung die- ser Forderung reichlich Zeit gelassen, fast drei Jahre . Das Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16539 (A) (C) (B) (D) kann sinnvoll sein, wenn denn ein entsprechend gutes Gesetz dabei herauskommt . Im vorliegenden Fall ist das Ergebnis allerdings dürftig . Die Bundesregierung scheut mit ihrem Gesetzentwurf wieder einmal davor zurück, wichtige Entscheidungen selbst zu treffen . Sie überlässt die Ausgestaltung des Registers den Interessenvertretern der Selbstverwaltung . Sie mag nicht einmal selbst ent- scheiden, wo das Transplantationsregister angesiedelt werden soll . Auch den Datenschutz überlässt sie weitge- hend der Selbstverwaltung; nicht einmal eine BSI-Zerti- fizierung der verwendeten Netze und Anwendungen  ist  vorgeschrieben . Bei der Finanzierung entzieht sich die Bundesregie- rung ebenfalls ihrer Verantwortung . Nach dem vorlie- genden Entwurf sollen die Kosten für das Transplanta- tionsregister von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden . Die private Krankenversicherung wird von der Bundesregierung geschont: Ihre finanzielle Be- teiligung bleibt komplett freiwillig . Eigentlich gibt die PKV ja immer an, sie würde das gesetzliche System querfinanzieren.  Hier  ist  es  aber  umgekehrt:  Nach  der  von der Bundesregierung geplanten Regelung muss im Zweifelsfall die gesetzliche Krankenversicherung auch die Kosten für die Datenübermittlung von Privatversi- cherten übernehmen. Selbst wenn sich die PKV finanziell  nicht beteiligt, erhält die PKV das volle Mitspracherecht bei der Ausgestaltung des Registers . Das ist anders als bei den Klinischen Krebsregistern, die nach dem Grund- satz „quid pro quo“ funktionieren . Wir Grünen haben die Bundesregierung gefragt, warum sie das beim Transplan- tationsregister nicht genauso hält . Eine einleuchtende Antwort konnte sie uns nicht geben . Warum aber die Bundesregierung die Krankenkassen von Lebendspendern bei der Finanzierung mit in die Ver- antwortung nehmen will, leuchtet überhaupt nicht ein . In den letzten Jahren haben wir viele Gesetzesänderungen beschlossen, durch die Lebendspender von den finanziel- len Nachteilen, die sie durch ihr selbstloses Handeln er- leiden, möglichst freigestellt werden . Ihr Vorschlag zeigt nun in die entgegengesetzte Richtung . Auch Ihre Vorschläge zur Forschung sollten Sie noch einmal überarbeiten: Paragraf 15 g Ihres Entwurfs regelt die Herausgabe von pseudonymisierten Daten für For- schungszwecke . Sie wollen, dass über die Herausgabe dieser Daten – und damit letztendlich über Hopp oder Top eines bestimmten Forschungsvorhabens – nicht etwa eine neutrale Instanz entscheidet . Nein, dies soll der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversiche- rung tun, gemeinsam mit der Deutschen Krankenhaus- gesellschaft und der Bundesärztekammer . Dass diese Akteure bei einzelnen Vorhaben durchaus befangen sein könnten, wird geflissentlich übersehen. Und warum bei  solchen Entscheidungen wieder einmal die private Kran- kenversicherung einbezogen werden soll, nicht aber der Bundesdatenschutzbeauftragte, ist mir schleierhaft . Als Hüter von Patienteninteressen sind die vorgenannten In- stitutionen in der Vergangenheit jedenfalls nicht gerade aufgefallen . Warum kann das Register nicht selbst über die Herausgabe entscheiden, wie das noch in Ihrem Refe- rentenentwurf vorgesehen war? Oder warum übertragen Sie es nicht auf eine neutrale Instanz? Sie haben in dem nun vor uns liegenden Gesetzge- bungsverfahren noch gute Gelegenheit, alle diese Fehler zu korrigieren . Ich kann Ihnen nur empfehlen: Nutzen Sie diese Möglichkeit in konstruktiver parlamentarischer Arbeit . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenk- tag werden (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Das Thema „8 . Mai als nationaler Gedenktag – ‚Tag der Befreiung‘“ hat eine starke erinnerungspolitische Komponente . Ich bin deshalb sehr froh, dass ich als ein Erinnerungspo- litiker unserer Fraktion heute diese Rede übernehmen konnte . Dies ist der dritte Anlauf der Linkspartei in dieser Sache, und ich sage es gleich zu Anfang ganz deutlich: Dieser erneute Vorstoß ist für mich Politik von vorges- tern . Zum Inhalt Ihres Antragsaufgusses Numero drei: Ich habe mir die letzten beiden Bundestagsdebatten noch einmal angeschaut und fand insbesondere die Rede des Berliner Altkollegen von Bündnis 90/Die Grünen Wolfgang Wieland sehr bemerkenswert . Ich zitiere Kol- legen Wieland aus der Debatte vom April 2013 zum inhaltlich identischen Antrag der Linksfraktion aus der 17 . Wahlperiode: „Dieser Antrag, in all seiner Kürze, ist ein ganz klassisches Produkt aus der Geschichtswerkstatt der Linkspartei: formal ziemlich unsinnig, geschichts- politisch einseitig und in der Botschaft deswegen höchst fragwürdig“ . – Wolfgang Wieland . Nur als kleines Bonbon: Nicht einmal die harte, aber konstruktive formale Kritik an dem Antrag hat die Links- fraktion im dritten Anlauf berücksichtigt . Der Bundes- präsident proklamiert einen nationalen Gedenktag ganz ohne Gesetz . Es ist also ziemlich hanebüchen, dass die Linkspartei die Exekutive auffordert, der Legislative, also uns, dem Deutschen Bundestag, einen Gesetzent- wurf für einen weiteren nationalen Gedenktag vorzule- gen . Aber das Formale beiseite: „geschichtspolitisch ein- seitig und deshalb in seiner Botschaft höchst fragwür- dig“, formulierte Wolfgang Wieland . Er traf damit den Nagel auf den Kopf . Der 8 . Mai markiert den endgültigen Untergang Hitlerdeutschlands und damit auch das Ende des Holocaust und das Kriegsende in Europa . Der Zweite Weltkrieg war damit übrigens noch lange nicht vorbei . Er wird in Russland und den Nachfolgestaaten der Sow- jetunion am 9 . Mai als Tag des Sieges begangen, und die USA erinnern an ihn als VE, als Victory in Europe Day . Aber für Deutschland und die Deutschen hat den zen- tralen Punkt Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner historischen Rede 1985 formuliert: die Befreiung der Deutschen – Weizäcker sagte ‚uns‘ – von dem „men- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616540 (A) (C) (B) (D) schenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ . Genau an diese verschiedenen Di- mensionen erinnern wir am 8 . Mai im Deutschen Bun- destag und anderen Stellen regelmäßig . Dies reicht der Linkspartei aber nicht . Sie fordert einen weiteren nationalen Gedenktag und verkürzt diesen un- zulässig zum „Tag der Befreiung“ . In der Weizsäcker-Re- de waren es aber zwei integral miteinander verknüpfte Punkte: Befreiung vom „menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ . Also nicht etwa einfach nur „Befreiung“ und nicht etwa vom „Fa- schismus“, von dem Linkspartei-Geschichtsinterpreten immer ausschließlich reden, weil sie beschlossen haben, das Wort „Nationalsozialismus“ zu tabuisieren . Aber das war es nun einmal: „nationalsozialistische Gewaltherr- schaft“ . Die Befreiung war für die Deutschen die Be- freiung vom Führerprinzip, vom Herrenrassedenken, vom Glauben an den Endsieg, von Kraft-durch-Freude- Kindheit und Erwachsenwerden in der Hitlerjugend, von Krieg und Treue bis in den Tod . Damit kommen wir zum Kern des Problems: Wir ha- ben einen nationalen und internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, der von Deutschland aus Europa terrorisierte: der 27 . Januar, der Tag der Be- freiung des Vernichtungslagers Auschwitz . Der 8 . Mai ist der Tag der Befreiung der Deutschen von der selbst installierten nationalsozialistischen Ge- waltherrschaft . Aber der 8 . Mai ist kein Tag der Freiheit, nicht für den einen Teil Deutschlands und erst recht nicht für Osteuropa . Richard von Weizsäcker hat diesen Punkt übrigens auch erwähnt . Diesen Widerspruch kann man auch nicht einfach auflösen, insbesondere nicht als Deut- scher . Schauen wir dafür auf die Wirkungen des 8 . Mai für Osteuropa und Ostdeutschland . In Osteuropa – reden Sie einmal mit den Balten oder den Polen – startet mit der Vertreibung der Nazis durch die Rote Armee die nächste Besatzungszeit, eine Zeit der Unfreiheit, der Repression und, insbesondere in den späten Stalinjahren, also den Jahren unmittelbar nach Kriegsende, auch des blanken Terrors . Dies gilt natürlich auch für den Osten Deutsch- lands, wo die Etablierung der SED-Herrschaft, manda- tiert von der Sowjetunion, unmittelbar nach der Befrei- ung vom nationalsozialistischen Gewaltregime begann . Das wirklich Problematische an diesem Antrag und an dieser von der Linkspartei so starr verfolgten Erin- nerungssicht ist der missbräuchliche Einsatz von Ge- schichtsbildern; denn der staatlich verordnete, gelenkte und dosierte Antifaschismus in der DDR war die wichtig- ste ideologische Rechtfertigung der DDR-Diktatur und der Herrschaft der SED . Ich will daran erinnern, gegen wen sich die staatliche Repression in der DDR unter an- derem gerichtet hat: zum Beispiel gegen Sozialdemokra- ten, die sich gegen die Zwangsvereinigung mit der KPD gewehrt haben, gegen die jungen Gemeinden Anfang der 50er-Jahre, damit der evangelischen Kirche der Zugang zum Nachwuchs genommen wird . Es gab Säuberungen in der als demokratisches Feigenblatt gegründeten CDU, massive Enteignungskampagnen gegen mittelständische Familienbetriebe, zum Beispiel die Aktion Rose im Ost- seebereich, usw . – alles immer auch mit der Keule des Antifaschismus, mit der moralischen Erpressung, dass eine unbedingte Gefolgschaft für den selbsternannten antifaschistischen Friedensstaat moralisch und politisch zwingend ist . Dabei ging es im Kern schlicht und ergrei- fend um den Machterhalt der SED-Führungsclique und den Bestand des Herrschaftsbereichs der Sowjetunion . Dann listen Sie stolz auf, dass es jetzt den „Tag der Befreiung“ in Mecklenburg-Vorpommern und jüngst auch in Brandenburg und Thüringen gibt . Dabei haben Sie schlicht Ihre Machtposition bei der Bildung der je- weiligen Landesregierungen genutzt, um dieses für Sie so wichtige Symbol durchzusetzen . Eigentlich ein nor- maler demokratischer Vorgang, aber es bringt die drei Länder in eine Sonderposition . Jetzt wird also in bester DDR-Tradition in Brandenburg, Thüringen und Meck- lenburg-Vorpommern ein „Tag der Befreiung“ als Ge- denktag des jeweiligen Bundeslandes begangen . Zumin- dest ich finde dies relativ merkwürdig.  Aber vielleicht können wir hier doch etwas von den Machtingenieuren der SED lernen . Ich bin mir nicht ganz sicher, was der genaue Grund war . Vermutlich waren es primär ökonomische Erwägungen, aber sicherlich nicht nur, aber die DDR hat 1966 den „Tag der Befreiung“ als Nationalfeiertag, also als arbeitsfreien Tag, abgeschafft und damit in seiner Bedeutung gewaltig relativiert . Und dies ist auch mein Petitum: Der 8 . Mai ist auf- grund seiner vielschichtigen Bedeutung nicht geeignet, ein nationaler Gedenktag zu werden . Auch die entspre- chenden Landesgedenktage in Thüringen, Mecklen- burg-Vorpommern und Brandenburg sollten bei passen- der Gelegenheit noch einmal überdacht werden . Gabriele Fograscher (SPD): Alle Jahre wieder stellt die Fraktion Die Linke den Antrag, in dem sie die Bun- desregierung auffordert, einen Gesetzentwurf vorzule- gen, um den 8 . Mai als Tag der Befreiung zum gesetzli- chen Gedenktag zu erklären . Richard von Weizsäcker hat 1985 zum 40 . Jahrestag des Kriegsendes diesen Begriff geprägt: „Der 8 . Mai war ein Tag der Befreiung . Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialisti- schen Gewaltherrschaft .“ Doch leider führte das Ende des Zweiten Weltkrieges auch dazu, dass Deutschland geteilt wurde . Diese Trennung haben wir mit der Wie- dervereinigung überwunden . Der 8 . Mai ist auch der Tag, an dem der Parlamentarische Rat unsere demokratische Verfassung verabschiedet hat . Der 8 . Mai ist zweifellos ein wichtiges historisches Datum . Jedes Mal, wenn die Linksfraktion diesen Antrag vorlegt, frage ich mich, was uns ein einzelner Gedenk- tag bringen soll . Sollen wir nur an diesem einen Tag der Befreiung gedenken, nur an diesem einen Tag über die dunkelste Zeit der deutschen Vergangenheit informieren, nur an diesem einen Tag über die Unmenschlichkeit der NS-Herrschaft aufklären? Das wäre zu wenig, vor allem wenn man in Deutschland und Europa das Erstarken der Rechtspopulisten und der Rechtsextremisten sieht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16541 (A) (C) (B) (D) Wir müssen jeden Tag gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass vor- gehen . Wir müssen jeden Tag Demokratie, Freiheit und Vielfalt verteidigen . Wir müssen jeden Tag gegen eine weitere Spaltung unserer Gesellschaft angehen . Wir müs- sen jeden Tag die Menschen ermutigen, für unsere De- mokratie einzustehen . Wir müssen jeden Tag den Men- schen in unserem Land sagen, was Parteien wie die AfD vorhaben . Das Ausrufen eines Gedenktages würde der Heraus- forderung des Erinnerns und Gedenkens, der aktiven Auseinandersetzung mit erstarkenden Phänomenen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausgrenzung, Intoleranz und Vorur- teilen nicht gerecht . Aktuelle Ereignisse wie die rasant zunehmende Zahl von Anschlägen auf Flüchtlingsun- terkünfte, die hasserfüllte Blockade eines Busses mit Flüchtlingen, Zunahme ausländerfeindlicher Parolen auf Pegida-Demonstrationen, die Wahlergebnisse der rechts- extremen AfD und vieles mehr zeigen: Es bedarf weit mehr als eines Gedenktages . Die Menschen, die sich in Programmen, Projekten und Initiativen gegen Extremismus, für Demokratie und Toleranz und für mehr gegenseitigen Respekt engagie- ren, brauchen mehr Unterstützung . Die Mittel für das Programm „Demokratie leben!“ wurden aufgestockt, und in den Eckpunkten für den Bundeshaushalt 2017 hat die Koalition vereinbart, hier weiteres Geld zur Verfü- gung zu stellen . Auch die Bundeszentrale für politische Bildung und die politischen Stiftungen leisten einen un- verzichtbaren Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung und Demokratiestärkung . Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass es bald keine Zeitzeugen mehr gibt und deshalb ein Gedenktag umso wichtiger sei . Das sehen wir anders . Sicherlich spielen Zeitzeugen noch immer eine wichtige Rolle, um über die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus zu berich- ten . Doch ein Gedenktag kann künftig diese Lücke nicht schließen . Ein Gedenktag ist rückwärtsgewandt . Wir brauchen moderne Formen der Wissensvermittlung, um vor allem junge Menschen über die nationalsozialistische Schreckensherrschaft zu informieren und ihnen aufzuzei- gen, auf welch menschenverachtender Ideologie sie ba- sierte . So können wir es erreichen, dass sie sich für die Demokratie begeistern und nicht auf rechtspopulistische und rechtsextreme Parolen hereinfallen . Dabei wird auch der vom Deutschen Bundestag ein- gesetzte Expertenkreis Antisemitismus eine Rolle spie- len; denn wir erwarten uns von ihm konkrete Vorschläge für zeitgemäße Formen der Demokratiebildung und für den Umgang mit neuen Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit . Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land aufklären, was die Rechtspopu- listen und Rechtsextremisten wirklich wollen, nämlich die Beschneidung unserer Freiheitsrechte, die Abkehr von unserer Demokratie . Dabei hilft uns aber kein Ge- denktag . Dabei hilft uns nur die stetige und tägliche Ar- beit und Werbung für unsere Demokratie . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Politikerinnen und Politiker beklagen zu Recht zunehmende Respekt- losigkeit in unserer Gesellschaft . Wir müssen uns aber auch selbst fragen, ob wir eine Politik machen, die res- pektvoll mit Menschen umgeht . Schauen wir uns zum Beispiel das Verhältnis zwi- schen der deutschen und der russischen Regierung an . Wir müssen leider feststellen, dass das Verhältnis zerrüt- tet ist . Dafür gibt es viele Ursachen . Beide Seiten tragen Verantwortung . Doch was ist der deutsche Anteil an die- sem gefährlichen Konflikt? Eine wichtige Ursache ist der  fehlende Respekt der deutschen Politik gegenüber Russ- land . Über 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sow jetunion verloren im Zweiten Weltkrieg ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus . Der Deutsche Bundes- tag ist seit Jahren nicht bereit, diese Opfer angemessen zu würdigen . Immer wieder wurde unser Antrag, dem Tag der Befreiung den Status eines gesetzlichen Gedenktags zu verleihen, abgelehnt . Das ist respektlos . Im Kalender 2016 des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, der eine Auswahl historischer Jahresta- ge sowie alljährlich wiederkehrender Gedenk-, Aktions- und Thementage erfasst, steht am 8 . Mai nur der – zwei- fellos wichtige – Weltrotkreuztag . Das ist respektlos . Botschafter Russlands, Kasachstans und acht weiterer Staaten protestieren gegen ein Open-Air-Festival in un- mittelbarer Nachbarschaft zum Treptower Ehrenmal in Berlin . Auf dem Friedhof sind 7 500 Sowjetsoldaten be- erdigt, die die Befreiung Deutschlands vom Nationalso- zialismus mit ihrem Leben bezahlt haben . Die Botschaf- ter halten das Festival an diesem Ort für „unangemessen und inakzeptabel sowie störend für die Ehre und das An- denken an die Gefallenen .“ Ein Rockfestival an diesem Ort – das ist respektlos . In Bayern, Hessen und Sachsen gibt es einen Ge- denktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung . Seit vergangenem Jahr ist dieser Tag sogar ein nationaler Ge- denktag . Die Bundesregierung ist nur bereit, der eigenen Opfer zu gedenken, nicht aber der Menschen, die unser Land vom Faschismus befreit haben . Das ist respektlos . In den vergangenen Jahren wurde von den Gegnern unseres Antrages argumentiert: Wir begehen mit dem 27 . Januar den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ als nationalen Gedenktag . Das ist richtig . Wir wollen am 27 . Januar der Opfer des Faschis- mus gedenken . Wir wollen aber auch am 8 . Mai an unsere Befreier erinnern und ihnen danken; denn die Befreiung vom Faschismus war für uns Deutsche die Voraussetzung für die Formulierung des Satzes im Grundgesetz, Arti- kel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar .“ Der 8 . Mai – der Tag der Befreiung – ist das Schlüsselerlebnis der Deutschen im 20 . Jahrhundert . Das sollte uns einen Gedenktag wert sein . Wir als Linke werden diesen Tag immer feierlich begehen . Für mich war eine Forsa-Umfrage beeindruckend: Die große Mehrheit der Deutschen ist der Meinung: Der 8 . Mai 1945 war ein Tag der Befreiung . 89 Prozent stimmen dieser Aussage zu . Auch die Bereitschaft, über Kriegserlebnisse zu sprechen, ist gestiegen . Auch das bestärkt uns in der Forderung nach einem gesetzlichen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616542 (A) (C) (B) (D) Gedenktag . Wir wollen, dass sich die Menschen mindes- tens an einem Tag im Jahr die Zeit nehmen, um über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges zu diskutieren und der über 50 Millionen Opfer zu gedenken . Ein gesetzli- cher Gedenktag wäre auch ein Zeichen an die Frauen und Männer aller alliierten Armeen, die Deutschland befreit haben . Unter ihnen waren auch Deutsche, wenige zwar, aber es gab sie . Der Tag der Befreiung wird in Mecklenburg-Vor- pommern,  Brandenburg  und  Thüringen  als  offizieller  Gedenktag begangen . Das geht auf eine Initiative der Linken zurück . Es ist höchste Zeit, dass auch der Bun- destag den Menschen Respekt erweist, die so viel für un- ser Land getan haben . Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Bundestagspräsident hat in seiner Rede im letzten Jahr den 8 . Mai unmissverständlich als „Tag der Befreiung“ bezeichnet und dafür viel Zustimmung und Applaus – von allen Seiten – bekommen . Leider ist dieses Verständ- nis des 8 . Mais hier im Deutschen Bundestag immer noch kein Konsens . Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion stellt in Interviews und in ihren be- rüchtigten Twitter-Tweets immer wieder infrage, dass der 8 . Mai ein Tag der Befreiung war . Ich möchte deshalb hier nochmals in aller Deutlichkeit sagen, auch gerichtet an die Unionsfraktion, die offenbar kein Problem mit dem Revisionismus ihrer Sprecherin für Menschenrechte hat: Der 8 . Mai war ein Tag der Be- freiung für alle Menschen, die unter dem NS-Terror zu leiden hatten, auch für die Menschen hinter dem Eiser- nen Vorhang . Hier geht es nicht darum, das Unrecht und die Unfreiheit kleinzureden, die es im Anschluss gegeben hat . Aber die Verbrechen des Holocaust sind historisch einzigartig und lassen sich nicht mit anderen Diktatu- ren – und ganz sicher auch nicht mit der DDR-Diktatur – gleichsetzen . Deshalb ist es gut und wichtig, dass uns der 8 . Mai – über 30 Jahre nach Richard von Weizsäckers wegwei- sender Rede – immer wieder daran erinnert, dankbar zu sein für die Befreiung von Krieg und dankbar zu sein für das Ende der Vernichtungspolitik der NS-Diktatur . Das beutet im Umkehrschluss keinesfalls, die Augen vor den Leiden und den Schrecken der vielen Millionen Vertrie- benen zu verschließen . Flucht, Gewalt, Ausgrenzung und der tägliche Kampf ums Überleben – all das gehört zur Erfahrung von Millionen deutscher Familien . Auch ihre Erfahrungen müssen Teil der deutschen Geschichte sein . Doch es braucht dafür immer den historischen Kontext . Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nun zu Ihrem Antrag, den Sie hier zum wiederholten Male stellen . Wie wichtig der 8 . Mai als Tag der Befreiung ist, habe ich bereits deutlich gemacht . Ob Ihr Anliegen, ihn zum gesetzlichen Gedenktag zu erheben, der rich- tige Weg ist, um seiner Bedeutung gerecht zu werden, darüber gilt es jetzt zu sprechen . Wir haben bereits den 27 . Januar – auf Initiative von Antje Vollmer hin – zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt . Er ist inzwischen in unserer Erinnerungskultur tief ver- ankert, und das ist gut so; denn die Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte ergibt, ist leider keine Selbstverständlichkeit, sondern muss immer wieder aufs Neue erstritten werden . Das zeigt uns zum einen der Blick zurück: Die kri- tische Aufarbeitung des Nationalsozialismus ist von der Zivilgesellschaft mühsam gegen den Staat erkämpft und durchgesetzt worden . Wichtige Orte des Gedenkens, wie das NS-Dokumentationszentrum Topographie des Ter- rors oder das Holocaustmahnmal, wurden durch bürger- schaftliches Engagement initiiert . Und das zeigt uns auch der Blick ins Heute: Der fortbestehende Antisemitismus, der bis in die Mitte der Gesellschaft hinein reicht, der weit verbreitete antimuslimische Rassismus oder die vie- len aktuellen Angriffe auf Flüchtlingsheime sind dafür nur einige aktuelle Beispiele . Erst letzte Woche wurden im sächsischen Freital fünf mutmaßliche Rechtsterro- risten festgenommen . Die Gruppe soll im vergangenen Herbst auch zwei Anschläge auf Asylbewerberheime verübt haben . Hier heißt es, Demokratie und Menschenrechte tag- täglich ganz konkret zu verteidigen . Dafür braucht es aus meiner Sicht vor allem eine engagierte gesellschaftliche Auseinandersetzung, aber nicht unbedingt einen weite- ren offiziellen Gedenktag. Wenn wir genau hinschauen,  finden  wir  leider  auch  immer  noch  weiße  Flecken  in  unserem Gedenken: Zuletzt wurden die sowjetischen Kriegsgefangenen – nach jahrelangen Debatten – end- lich entschädigt . Aktuell engagieren sich Künstlerinnen und Künstler und Aktivistinnen und Aktivisten für die Anerkennung der Diskriminierungserfahrungen der so- genannten Asozialen im „Dritten Reich“ . Lassen Sie uns lieber darüber reden, wie wir diesem Unrecht endlich an- gemessen gedenken können; denn mir ist ein lebendiges Gedenken von unten, das sich bemüht, noch immer be- stehende Lücken zu schließen, wichtiger als ein weiterer offizieller Gedenktag. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 23. September 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien über Soziale Sicherheit (Tagesordnungs- punkt 19) Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU): Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Entwurf ei- nes Gesetzes der Bundesregierung zu dem Abkommen vom 23 . September 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien über die Soziale Sicherheit . Um was geht es in dem Abkommen? Durch das Ab- kommen wird der soziale Schutz im Bereich der jewei- ligen Rentenversicherungssysteme insbesondere für den Fall koordiniert, dass sich Versicherte im jeweils ande- ren Vertragsstaat aufhalten . Das gilt für einen Entsen- dezeitraum von maximal 24 Monaten . Das Abkommen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16543 (A) (C) (B) (D) bestimmt, dass für Arbeitnehmer und deren Arbeitge- ber grundsätzlich die Rechtsvorschriften des jeweiligen Staates gelten, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird . Durch die Zusammenrechnung der Ver- sicherungszeiten mit denen ihres Heimatlandes können Deutsche künftig aus albanischen Versicherungszeiten und albanische Versicherte aus deutschen Versicherungs- zeiten Rentenansprüche erwerben . Es begründet unter Wahrung des Grundsatzes der Ge- genseitigkeit Rechte und Pflichten von Einwohnerinnen  und Einwohnern beider Staaten, sieht die Gleichbehand- lung der beiderseitigen Staatsangehörigen sowie deren Hinterbliebener vor . Die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch können durch Zusammenrechnung der in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten er- füllt werden . Jeder Staat zahlt aber nur die Rente für die nach seinem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten . Werden also gewöhnlich in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer in die Republik Albanien entsandt, gelten für sie die deutschen Rechtsvorschriften in der Renten- versicherung so, als ob sie weiterhin dort beschäftigt wären; spiegelbildlich gelten für nach Deutschland ent- sandte Arbeitnehmer aus der Republik Albanien weiter- hin die entsprechenden albanischen Rechtsvorschriften . Der Schutz der Rentenversicherung im jeweiligen Her- kunftsland bleibt bestehen, und kostenintensive Dop- pelversicherungen werden dadurch vermieden . Somit stellen wir notwendige Rechtssicherheit für Arbeits- migration her . Dabei sind die Mehrausgaben bei der ge- setzlichen Rentenversicherung moderat: Wir gehen von unter 1 Million Euro aus . Warum ist es wichtig, mit Albanien eine solche Ver- einbarung zu treffen? Die Beziehungen zwischen Alba- nien und der Bundesrepublik Deutschland sind eng . Zum einen liegt die Zahl der in Deutschland lebenden aus- ländischen Personen albanischer Abstammung bei rund 300 000 . Zum anderen entwickelt sich die Wirtschaft nach einigen Jahren der Schwäche zuletzt wieder recht dynamisch: Das Wirtschaftswachstum wird dieses Jahr 3,4 Prozent und in 2017 sogar 4 Prozent betragen . Dabei ist das Wirtschaftswachstum in den Sektoren Bergbau, Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fisch- verarbeitung besonders stark . Durch diese Dynamik in jüngster Zeit haben sich auch die Handelsbeziehungen entsprechend stark entwickelt: So liegen die Einfuhren nach Deutschland bei 30,5 Milli- onen Euro, die Ausfuhren aus Deutschland nach Albani- en lagen bei 92,5 Millionen Euro . Die Einfuhren stiegen zum Vorjahr um 5,8 Prozent und die Ausfuhren sogar um 27,7 Prozent . Eine engere Zusammenarbeit mit Albanien macht aber auch aus anderen Gründen Sinn: Albanien hat bereits im September 2009 einen Antrag auf EU-Beitritt gestellt und ist seit Juni 2014 EU-Beitrittskandidat . Sicherlich ist der EU-Beitritt Albaniens wie auch der anderen Länder des Westbalkans kein Selbstläufer . Das NATO-Mitglied muss vor Beginn der eigentlichen Beitrittsverhandlungen in ei- nigen Jahren noch eine Reihe von Bedingungen erfüllen, etwa im Bereich der Justiz, beim Aufbau eines funktio- nierenden Rechtsstaates, beim Minderheitenschutz oder beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbre- chen . Hier ist Albanien in der Bringschuld . Auch wenn noch keine Beitrittsverhandlungen begon- nen haben, erleichtert ein solches bilaterales Abkommen aus meiner Sicht die spätere Einbindung Albaniens in die bestehende Sozialgesetzgebung der Europäischen Union und hat eine stabilisierende Wirkung auf das Land . Das Abkommen kann dazu beitragen, einen politischen Pro- zess in Gang zu bringen, der positive Veränderungspro- zesse in Wirtschaft und Gesellschaft freisetzt und einen Modernisierungsschub in der Gesetzgebung auslösen kann . Für uns in Deutschland sind derartige Abkommen mit Ländern außerhalb der Europäischen Union, aber in un- serer unmittelbaren Nachbarschaft in einer immer enger zusammenarbeitenden Welt wichtig; denn Deutschland lebt wie kaum ein anderes Land in Europa vom freien Handel und freien Austausch von Kapital und Dienstleis- tungen . Gerade mit der absehbaren Heranführung Alba- niens an die Europäische Union schaffen wir die drin- gend benötigte Stabilität auf dem Westbalkan, die nach den Jugoslawien-Kriegen in den 90er-Jahren immer noch labil ist . Dies bestätigen die jüngsten Entwicklungen im Nachbarland Mazedonien . Deutschland profitiert wie kein zweites Land von ei- nem funktionierenden EU-Binnenmarkt, einem Europa ohne Grenzen, in dem die Völker in einem Raum der Freiheit und des Rechts zusammenleben . Somit kann die- ses Sozialabkommen als Leitfaden für unsere in Deutsch- land und Europa gelebten sozialen Standards dienen und ein höheres Maß an Rechtssicherheit geben . Das zur Abstimmung stehende Sozialabkommen ist daher als ein Baustein für das übergeordnete Ziel deut- scher Europapolitik zu sehen, nämlich die Heranführung Albaniens an die Europäische Union, die damit verbun- dene Überführung der schon existierenden europäischen Gesetze und die Schaffung einer wettbewerbsfähigen so- zialen Marktwirtschaft, die genügend Wohlstand für ver- besserte Lebensbedingungen vor Ort bringt und dadurch den Migrationsdruck aus Albanien langfristig reduzieren wird . Denn wir dürfen nicht vergessen: Albanien nahm 2015 mit knapp 70 000 Asylanträgen den zweiten Platz in Deutschland ein, auch wenn die Aussicht auf Asyl für Antragsteller aus dem Balkan nahezu aussichtslos ist . Seit Albanien im Oktober 2015 zu einem sicheren Her- kunftsland erklärt wurde, ist die Zahl der Asylanträge aus Albanien in diesem Jahr stark zurückgegangen . Dennoch bleibt der Migrationsdruck hoch . Dies liegt an der hohen Jugendarbeitslosigkeit und den schlechten Jobperspekti- ven vor Ort . Daher passt das Abkommen über die soziale Sicher- heit in diese übergeordnete Strategie: Reduktion der Asylbewerber bei gleichzeitiger Erleichterung der Ar- beitsaufnahme; denn ab dem 1 . Januar 2016 gelten er- leichterte Regelungen für albanische Staatsangehörige, um bei uns arbeiten zu können . Aber nicht nur das Abkommen zur Sozialen Sicherheit wurde mit Albanien vereinbart . Wir haben seit diesem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616544 (A) (C) (B) (D) Jahr das Globalvorhaben „Migration für Entwicklung“ ins Leben gerufen . In diesem Programm wird durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit eine Migrationsberatung in Albanien angeboten . In einem Zentrum für Migrantenberatung sollen Albanerinnen und Albaner zu legaler Migration, Fluchtalternativen und Ar- beitsmarktprogrammen beraten werden . Ziel ist es, die Menschen in Albanien zu halten bzw . eine kontrollierte Migration zu erreichen . Wir haben in Deutschland großes Interesse, dieses Land zu stabilisieren und in unsere Wertegemeinschaft langfristig einzubinden . Deswegen unterstützt die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion das Abkommen über die Sozi- ale Sicherheit mit der Republik Albanien . Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD): Die deutsch-al- banischen Beziehungen sind nicht immer nur positiv verlaufen . 1967: Die Bundesrepublik Deutschland nahm erstmals  an  einer  Qualifikation  für  eine  Fußball-Euro- pameisterschaft teil, die 1968 in Italien stattfand . Als Gruppengegner in der Qualifikationsgruppe 4 wurden ihr  Albanien und Jugoslawien zugelost . Die nur drittklas- sigen Albaner galten als krasser Außenseiter, während Deutschland, unter anderem mit Günter Netzer im Aufge- bot, favorisiert in die Gruppenphase ging . Erwartungsge- mäß entwickelte sich ein Zweikampf zwischen Deutsch- land und dem spielstarken Jugoslawien . Die Jugoslawen konnten beide Partien gegen ihr Nachbarland Albanien gewinnen und das Hinspiel gegen Deutschland, im Rück- spiel unterlagen sie . Für die deutsche Mannschaft wurde so das letzte Spiel gegen Albanien zur entscheidenden Partie . Es hätte ein einfacher Sieg genügt, zum Beispiel ein 1:0, um sich zu qualifizieren. Die Tordifferenz gegen- über Jugoslawien sprach für Deutschland . Das Hinspiel gegen Albanien acht Monate zuvor hatte Deutschland mit 6:0 gewonnen . Auf dem harten Spielfeld im Stadion von Tirana gelang es der deutschen Mannschaft jedoch nicht, Albanien mit spielerischen Mitteln in die Knie zu zwingen, sodass am Ende nur ein 0:0 heraussprang . Durch die „Schmach von Tirana“ verpasste Deutschland die Endrunde einer Europameisterschaft zum ersten und bisher einzigen Mal . Auch heute gehört Albanien, trotz der Teilnahme an der Europameisterschaft in Frankreich, nicht nur im Fuß- ball zu den Außenseitern in Europa . Albanien gehört zu den ärmsten Ländern Europas . Das Pro-Kopf-Bruttoin- landsprodukt betrug im Jahr 2015 nach Angaben des Fi- nanzministeriums 3 420,70 Euro . In „absoluter Armut“ leben 7 Prozent der Bevölkerung . Der Durchschnittslohn liegt bei 379 Euro (2014). Die Arbeitslosenrate liegt offi- ziell bei 17,9 Prozent . Albanien hat jedoch seit 1998 bedeutende Fortschrit- te auf dem Weg von einer kommunistischen in eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft erzielt . Dabei zeigte sich die Konjunktur inmitten der globalen Wirt- schafts- und Finanzkrise der letzten Jahre relativ stabil und wies – auch wegen des geringen Ausgangsniveaus – durchgehend Wachstum auf . Durch Wachstumsraten von im Mittel 5 Prozent über die vergangenen zehn Jahre – ein Spitzenwert in Europa – konnte Albanien sein Ein- kommensniveau stabilisieren und sogar erhöhen . Zuletzt ist jedoch wieder Ernüchterung eingekehrt: Im Zuge der europäischen Schuldenkrise und regionaler Stagnation sank auch in Albanien das Wachstum von 6 Prozent – im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2010 – auf 1,1 Prozent 2013 . Nach knapp 2 Prozent 2014 wird das Wachstum für 2015 mit 2,7 Prozent angegeben . Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf über das Abkommen vom 23 . September zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Republik Albanien tragen wir zum einen dafür Sorge, dass im anderen Vertragsstaat erarbeitete Rentenansprüche anerkannt werden, zum an- deren unterstützen wir die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten . Was bedeutet das konkret: Das Abkommen bestimmt, dass für Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber grundsätz- lich die Rechtsvorschriften desjenigen Staates gelten, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird . Um sicherzustellen, dass lediglich vorübergehend im anderen Staat eingesetzte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im sozialen Sicherungssystem ihres bisherigen Beschäf- tigungsstaates integriert bleiben können, bietet dieses Abkommen eine zugeschnittene Lösung für die beteilig- ten Personen an . Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bis zu 24 Monate in dem anderen Vertragsstaat arbeiten, ohne aus ihrem vertrauten Sozialversicherungs- system auszutreten . Diese Regelung erleichtert es für deutsche Unternehmen, Fachpersonal für ein Arbeitsver- hältnis in Albanien zu gewinnen . Mit diesem Fachperso- nal können Investitionen getätigt werden und zeitgleich Personal vor Ort ausgebildet werden . Mit Investitionen im unteren zweistelligen Millionen- bereich ist Deutschland jetzt schon sechstgrößter Inves- tor in Albanien . Auf diesem Ergebnis lässt sich aufbauen, so wie auf das bisherige deutsche Engagement in Albani- en . Die Schwerpunkte liegen im Kreditwesen, Transport und Logistik, Einzelhandel, Mobilfunk, Textilbereich, Kfz-Handel und -wartung, in Produktion und Vertrieb chemischer und pharmazeutischer Produkte sowie der Produktion von Kabelbäumen . Die größten deutschen Direktinvestitionen sind der Flughafen Tirana und Tele- kom Albania . Die Europäische Kommission stellt in ihrem Bericht vom 22 . April 2016 zu Recht zahlreiche Probleme wie zum Beispiel Korruption und organisierte Kriminali- tät fest . Aus diesem Grund ist nachvollziehbar, dass ein Beitritt Albaniens in die Europäische Union in naher Zu- kunft nicht bevorstehen kann . Jedoch gerade deshalb ist es umso wichtiger, enge Beziehungen sowohl auf wirt- schaftlicher als auch auf Sozialstaatsebene zu Albanien zu unterhalten und den Kampf gegen Korruption zu un- terstützen . Auch wenn ich mir keine Wiederholung der „Schmach von Tirana“ bei der diesjährigen Europameis- terschaft in Frankreich wünsche, ist die Teilnahme Alba- niens vielleicht ein gutes Zeichen, dass Albanien nicht nur im Fußball den Anschluss an die europäische Spitze findet.  Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Am 23 . Sep- tember vergangenen Jahres wurde in Tirana das Abkom- men über Soziale Sicherheit mit der Republik Albanien Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16545 (A) (C) (B) (D) unterzeichnet . Mit der heutigen abschließenden Beratung des entsprechenden Gesetzentwurfs schaffen wir die Grundlage für das Inkrafttreten des Abkommens . Die  wirtschaftliche  Verflechtung  innerhalb  Europas  und weltweit nimmt immer weiter zu . Es ist deshalb nur konsequent und selbstverständlich, dass die soziale Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten, die in den jeweili- gen Vertragsstaat entsandt werden, ebenso Berücksichti- gung findet. Die Linke begrüßt den Abschluss dieses und  weiterer Sozialversicherungsabkommen ausdrücklich, solange die Beschäftigten der jeweiligen Vertragsstaaten gleichermaßen profitieren. Dies muss insbesondere auch  in Bezug auf die Wahrung der Arbeitsrechte und Entgelte der Beschäftigten gelten . Ziel des Abkommens ist eine Koordinierung der Ren- tenversicherungssysteme beider Länder auf Grundlage der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung der Staats- angehörigen beider Seiten . Grundsätzlich soll immer das Rentenversicherungssystem des Landes gelten, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird . Entstandene Renten- ansprüche werden dann entsprechend der in den Län- dern erlangten Versicherungszeiten vom jeweiligen Staat auch im anderen Land ausgezahlt . Damit müssen Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den jeweiligen Vertragsstaat entsandt wurden, in Zukunft nicht mehr befürchten, dass sie aufgrund des Erwerbs von Versiche- rungszeiten in zwei unterschiedlichen Rentensystemen einen Nachteil erfahren . Im Übrigen: Dies erleichtert auch die Arbeit der Sozialversicherungsträger und redu- ziert den Verwaltungsaufwand . Hinter all diesen konkreten Erleichterungen steht auch ein grundsätzliches Prinzip: Vom Abkommen er- fasste Personen werden rentenrechtlich in Deutschland und in Albanien mit den jeweiligen Staatsangehörigen gleichgestellt und damit auch gleichbehandelt . Das ist ein wichtiges und richtiges Prinzip . Zugleich sei der Hin- weis erlaubt, dass es hierbei nicht nur um die eigenen wirtschaftlichen Vorteile gehen darf . Im Klartext: keine billigen Facharbeiterinnen und Facharbeiter für die hei- mische Wirtschaft, um etwa in bestimmten Branchen den Fachkräftemangel auszugleichen . Geht man auf die Internetpräsenz der deutschen Bot- schaft  in Albanien, findet man dort Stichworte  für eine  Erklärung an Medienvertreter und -vertreterinnen durch den deutschen Botschafter Herrn Hellmut Hoffmann . Dort heißt es sinngemäß, die Arbeitsaufnahme in Deutschland gehe nicht über einen Asylantrag; dies sei aussichtslos.  Dagegen  seien  qualifizierte  Fachkräfte  in  Bereichen mit hohem Bedarf willkommen . Dafür sei eine gute Ausbildung erforderlich, Deutschkenntnisse seien hilfreich . In das gleiche Horn blies übrigens auch Bun- deskanzlerin Merkel bei ihrem Staatsbesuch in Tirana im Juli 2015: „Wir sind uns einig, dass Albanien kein Land ist, aus dem Asylanträge anerkannt werden .“ Albanien könne aber ein Land sein, aus dem Menschen legal nach Deutschland zum Arbeiten kämen . In einigen Branchen herrsche in Deutschland Fachkräftemangel . Mit diesen Aussagen des deutschen Botschafters und der Bundeskanzlerin wird deutlich: Es geht ganz offen- sichtlich allein um die reine Verwertungslogik, um die Nutzung albanischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer für den deutschen Arbeitsmarkt . Wenn aber nicht nur wir, sondern auch andere Staaten der Europäischen Union massenhaft Fachkräfte aus Albanien anwerben, dann kommt dieses Land mit einem Pro-Kopf-Einkom- men von 3 360 Euro – wohlgemerkt: im Jahr – nie auf die Beine! Und dennoch: Wie ich bereits am Anfang meiner Rede ausgeführt habe, begrüßen wir den Abschluss dieses So- zialversicherungsabkommens . Im Januar dieses Jahres gingen fast 17 500 Albaner und Albanerinnen in Deutsch- land einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung  nach . Dass diese Menschen jetzt unter den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung fallen, ist konsequent, und deshalb werden wir dem Antrag zustimmen . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Sozialschutz muss mit der Dynamik der wirtschaftlichen Globalisierung Schritt halten . Aus diesem Grund wird das vorliegende Sozialversicherungsabkommen mit der Republik Albanien von uns begrüßt . Seit Anfang 2014 ist Albanien  offizieller  Beitrittskandidat  der  Europäischen  Union und bereits jetzt wirtschaftlich eng mit der Euro- päischen Union verbunden . So gingen im vergangenen Jahr drei Viertel der Exporte in die europäischen Staaten . Auch Deutschland zählt zu den wichtigsten Handelspart- nern von Albanien . 2015 beliefen sich die Exporte nach Deutschland auf einen Umfang von rund 54 Millionen Euro, während die Importe ein Volumen von 260 Milli- onen Euro erreichten . Nach Auskunft des Auswärtigen Amts erfolgen deutsche Neuinvestitionen in verschie- denste Bereiche der Wirtschaft: in das Kreditwesen, in Transport und Logistik, in den Einzelhandel oder in die Produktion chemischer und pharmazeutischer Produkte . Die größten deutschen Einzelprojekte in Albanien sind der Flughafen Tirana und die Telekom Albania . Deutsch- land zählt schon heute zu einem der größten ausländi- schen Investoren im Land . Mit der stärkeren Anbindung Albaniens an die Europäische Union wird diese Entwick- lung auch für Deutschland noch weiter verstärkt werden . Das hier vorliegende Abkommen folgt diesen Ent- wicklungen und regelt die Beziehungen der beiden Staa- ten im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung . Werden etwa in Deutschland beschäftigte Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer nach Albanien entsandt, werden sie mit diesem Abkommen von der dortigen Ren- tenversicherungspflicht befreit. Dies gilt selbstverständ- lich auch für den spiegelbildlichen Fall . Kostenintensive Doppelversicherungspflichten werden fortan vermieden,  und der Schutz der Rentenversicherung im jeweiligen Herkunftsland bleibt somit bestehen . Das Abkommen hat bereits mehrere Vorgänger . So hat Deutschland mit einer Reihe von Ländern zweisei- tige Sozialversicherungsabkommen geschlossen . Dazu gehören Staaten wie die USA und Brasilien, aber auch kleinere Länder wie Montenegro und Mazedonien oder zuletzt die Philippinen . Im Grundsatz geht es bei allen Abkommen um den Erwerb von Rentenansprüchen und die Zahlung von Renten in den jeweiligen Staaten . Es geht also um die Vorsorge für das Alter . Wer zeitlich be- grenzt im Ausland arbeitet, aus welchen Gründen auch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616546 (A) (C) (B) (D) immer, soll später, wenn es um seine Rente geht, keine Nachteile erleiden . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiat- rischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetz- buches und zur Änderung anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 20) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit der Verabschie- dung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verstoßen wir gegen das „Struck’sche Gesetz“; denn das Gesetz wird den Bundestag nach der zweiten und drit- ten Lesung so verlassen, wie es von der Bundesregierung in das Parlament eingebracht worden ist . Das hat nichts damit zu tun, dass die Koalitionsfraktionen – wie es ein Oppositionsvertreter im Rechtsausschuss gesagt hat – keine Lust mehr zur Gesetzgebungsarbeit gehabt hät- ten, sondern damit, dass diesem Gesetzgebungsentwurf eine sehr intensive und umfassende Vorarbeit zugrunde liegt . Schließlich bauen wir mit dem Gesetzentwurf auf die sehr konstruktiven Vorschläge der Bund-Länder-Ar- beitsgruppe zum Recht der Unterbringung auf, die im März 2014 gebildet wurde . Dieser Gesetzentwurf setzt die normativen Rahmen- bedingungen für einen schwierigen Abwägungsprozess zwischen den Schutzinteressen von potenziellen Opfern und den Freiheitsinteressen von gefährlichen Straftätern . Es kann nicht per se das Ziel des Gesetzes sein, die Zahl der in psychiatrischen Krankenhäusern Untergebrachten zu reduzieren . Es muss darum gehen, die Prognose zur Gefährlichkeit psychisch kranker Rechtsbrecher zu prä- zisieren . Ich habe bereits aus Anlass der Debatte zur ersten Lesung dieses Gesetzes die höheren Anforderungen an eine stationäre Unterbringung eines als gefährlich ein- gestuften Rechtsbrechers ausführlich dargelegt . Dies gilt insbesondere für die Schwelle der Erheblichkeit und die Darlegungspflicht, wenn aus nicht erheblichen Anlassta- ten trotzdem auf eine positive Gefährlichkeitsprognose des Täters geschlossen wird . Ich will mich im Rahmen meiner Rede deshalb mit den Vorschlägen und Kritikpunkten zum Gesetzentwurf der Bundesregierung befassen . Zunächst einmal gilt fest- zuhalten, dass die Zustimmung zum Gesetzentwurf in der öffentlichen Anhörung sehr groß war . Ein Sachver- ständiger hat mit Blick auf die Praxis gefordert, dass die Gerichte sozusagen eine Öffnungsklausel erhalten, die dafür sorgt, die Anforderungen an die Anlasstaten nicht abschließend zu regeln . Er hat das Beispiel eines Straftä- ters erwähnt, der wegen einer schizophrenen Psychose mehrfach die kunsthistorisch wertvollen Fenster eines Domes zerstört hat . Obwohl die entsprechende Kammer die Anlassdelikte nur als gemeinschädliche Sachbeschä- digung subsumiert hat, ordnete sie die stationäre Unter- bringung des Beschuldigten an, weil auch ideelle Schä- den zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führen könnten . Die Koalitionsfraktionen vermögen sich dieser Argu- mentation nicht anzuschließen . Erstens dürfte in diesem Fall der wirtschaftliche Schaden schon über 5 000 Euro gelegen haben und damit ohnehin eine Unterbringung auch nach zukünftiger Rechtslage nicht ausgeschlossen sein . Wäre es aber anders, dann ist andererseits eine Un- terbringung auch nicht mehr verhältnismäßig . Es würde das zentrale Ziel des neuen Gesetzes geradezu unterlau- fen, wenn man durch eine Öffnungsklausel die strikten Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wieder aufweichen würde . Gleichzeitig ist jedoch auch völlig überzogen, wenn die Oppositionsparteien einen Vorrang für eine ambulan- te Therapie fordern und dabei ausdrücklich auch bereit sind, Gefährdungen für potenzielle Opfer hinzunehmen . Für die CDU/CSU hat der Opferschutz keine nachran- gige Bedeutung hinter den Freiheitsinteressen des psy- chisch kranken Rechtsbrechers . Vielmehr ist der Schutz- gedanke gerade der Sinn und Zweck des § 63 StGB . Dementsprechend muss sich die Dauer der Unterbrin- gung auch nicht am Unwert der Anlasstat orientieren, sondern an der Prognose der Gefährlichkeit des Täters für die Gesellschaft . Hierbei kommen dann die vielfälti- gen Maßnahmen zum Tragen, die bei der Entscheidung über die Unterbringung für die Einhaltung des Verhält- nismäßigkeitsgrundsatzes sorgen sollen . Dabei soll noch- mals hervorgehoben werden, dass die Anforderungen an die Gutachter und die Gutachtenpraxis deutlich optimiert worden sind . Die Prüfungsintensität wird verstärkt, und es werden häufiger externe Gutachter einbezogen. Da es  der Praxis  in den Ländern entspricht, Pflichtverteidiger  hinzuzuziehen, war eine besondere Regelung dafür nicht notwendig . Erstaunlich ist es, dass ausgerechnet die Grünen die Qualität der Unterbringung kritisiert haben . Das ist Sa- che der Länder, und in vielen Ländern regieren die Grü- nen mittlerweile mit, es gibt grüne Justizminister und -senatoren, und insoweit würde ich den Kollegen der Grünen raten, ihre Verbesserungsvorschläge an die grü- nen Kollegen in den Ländern weiterzugeben . Intensiv haben wir uns auch mit der Frage auseinan- dergesetzt, ob die Prüfung der Notwendigkeit der Unter- bringung unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen sollte . Hier sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass dem Gesichtspunkte des Persönlichkeitsrechts und des Datenschutzes entgegenstehen . Insgesamt ist festzu- halten, dass wir mit diesem Gesetz auch die notwendigen Konsequenzen aus der öffentlichen Debatte über Fälle ziehen, in denen wohl in der Tat eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu lange gedauert hat und die Tätigkeit der Gutachter berechtigterweise zu kritisieren ist . Mit dem Gesetz wird aber weiterhin auch für einen umfassenden Schutz der Gesellschaft vor psychisch kranken Rechtsbrechern gesorgt . Das sind wir potenziellen Opfern schuldig; denn auch sie haben das Recht, frei und ohne Angst zu leben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16547 (A) (C) (B) (D) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): In den vergangenen Jahren konnte ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der Personen verzeichnet werden, die gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wur- den . Dazu ist ein Anstieg der durchschnittlichen Unter- bringungsdauern zu beobachten, ohne dass es konkrete Belege für einen parallelen Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrachten gibt . Eine Reform des § 63 StGB ist folglich dringend gegeben, da das deutsche Strafrecht als Rechtsfolge für ein strafbares Verhalten grundsätzlich nur zwei Hauptstrafen kennt: die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe . Eine Strafe bezweckt nach der Vereinigungslehre den Gedanken der Spezialprävention, der Generalpräven- tion und der Vergeltung . Die konkrete Strafe wird im Einzelfall nach diesen Kriterien bestimmt, wobei eine verschiedentliche Gewichtung vorgenommen wird . Im Jugendstrafrecht kommt der spezialpräventive Gedanke besonders zur Anwendung und schließt besonders harte Strafen aus . Die Höchstfreiheitsstrafe beträgt hier bei- spielsweise nur zehn Jahre . Einen anderen Zweck als Strafen hingegen verfolgen Maßregeln . Zum Schutz vor gefährlichen Straftätern und zu deren Besserung können Maßregeln angeordnet wer- den . Es kommt auf eine positive Gefährlichkeitsprognose an, die den Täter als wahrscheinlich gefährlich einstuft . Es handelt sich um keine Strafe, die am Schuldprinzip zu messen ist . Vielmehr schließen sich Strafe und Maßregel durch ihre unterschiedlichen Zwecke nicht aus . Die Maß- regeln können daher unabhängig von der Schuldfähigkeit angeordnet werden . Bei Verkehrsstraftaten wegen alko- holbedingter Fahruntüchtigkeit beispielsweise wird ne- ben einer Strafe regelmäßig die Fahrerlaubnis entzogen . Als Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat sieht das Gesetz in § 61 StGB folgende Maßregeln vor: Unterbrin- gung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Unterbrin- gung in einer Entziehungsanstalt, Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, Führungsaufsicht, Entziehung der Fahrerlaubnis oder Berufsverbot, wobei die ersten drei freiheitsentziehende Maßregeln sind . Gemäß § 67 Absatz 1 StGB soll die Maßregel vor einer Freiheitsstrafe vollzogen werden . Der hier behandelte Gesetzentwurf bezieht sich ins- besondere auf eine freiheitsentziehende Maßregel, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB . Im Wesentlichen behandeln wir hier drei Komplexe zum Maßregelvollzug . Erstens . Die Änderungen zur Unterbringung nach § 63 StGB und deren Fortdauer . Die eingebrachte Neu- regelung des § 63 StGB konkretisiert durch eine Ergän- zung in Satz 1 und einen neu hinzukommenden Satz 2 die Anordnungsvoraussetzungen der Unterbringung in ei- nem psychiatrischen Krankenhaus durch eine Fokussie- rung auf gravierende Fälle. Gravierende Fälle finden sich  dann, wenn das Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet oder schwerer wirt- schaftlicher Schaden angerichtet wurde . Darüber hinaus kann das Gericht eine solche Maßregel nur anordnen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebli- che rechtswidrige Taten begehen wird . Nach § 67d Absatz 6 StGB soll künftig eine zeitliche Begrenzung der Unterbringung bei weniger schwerwie- genden Gefahren vorgenommen werden . Die Obergrenze der Unterbringung liegt dann bei sechs bzw . zehn Jahren . Flankierend erfolgen Änderungen in § 463 StPO hin- sichtlich der Begutachtung bei der prognostischen Unter- suchung . Die Regelung betrifft gutachterliche Stellung- nahmen, die nun immer von der Unterbringungsanstalt einzuholen sind, die Wahl eines Gutachters, der nun aus- drücklich nicht mehr der bisherige Sachverständige sein darf, und die Zeitintervalle von Begutachtungen . Den- noch ist zu bemerken, dass bestehende Schwierigkeiten, etwa bei der Nachvollziehbarkeit der Wahl des Gutach- ters und der Nachprüfbarkeit der Ergebnisse sowie der Festlegung der Zeitintervalle, auch weiterhin bestehen bleiben . Insofern kann der Gesetzentwurf als ein wich- tiger Schritt in die richtige Richtung verstanden werden . Es bleibt darüber hinaus jedoch außer Zweifel, dass es trotz aller berechtigten Kritikpunkte zur gutachterlichen Stellungnahme keine wirksame Alternative gibt . Zweitens . Die Umsetzung der Vorgaben des Beschlus- ses des Bundesverfassungsgerichts . Das Bundesverfas- sungsgericht hat durch Beschluss vom 27 . März 2012 (2 BvR 2258/09) die Vorschrift des § 67 Absatz 4 StGB als teilweise unvereinbar mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes erklärt . Die Vorschrift lautet zurzeit: „Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe er- ledigt sind .“ Die Verfassungswidrigkeit gilt für die Fälle, in denen die Anrechnung nur auf die zugleich mit der Maßregel verhängte Strafe möglich ist und eine Anrechnung auf verfahrensfremde Strafhaft ausnahmslos ausgeschlossen ist . Dies bezieht sich insbesondere auf die Gesamtstra- fenbildung für verfahrensfremde Freiheitsstrafen . Der Entscheidung liegt das Prinzip zugrunde, dass in die Freiheitsrechte des Betroffenen nicht mehr als notwen- dig eingegriffen werden darf . Das Bundesverfassungs- gericht hat als Übergangsanordnung vorgegeben, dass in Härtefällen eine Anrechnung auch auf verfahrensfremde Strafhaft zu erfolgen hat . Zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfolgt die zusätzliche Vorschrift des § 67 Absatz 6 StGB . Drittens . Eine Höchstfrist bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt . Aufgrund einer divergierenden Rechtsprechung erfolgt im vorliegenden Gesetzentwurf eine Klarstellung zur voraussichtlichen Dauer einer er- folgversprechenden Behandlung bei Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Die Höchstfrist der Unterbrin- gung in einer Entziehungsanstalt geht über zwei Jahren hinaus, wenn eine begleitende Freiheitsstrafe vollstreckt wird . Abschließend ist festzustellen, dass die Bundesregie- rung mit dem eingebrachten Gesetzentwurf nicht nur ein unbeliebtes und schwieriges Thema angeht, sondern auch ein erhebliches Mehr an Klarheit, Rechtssicherheit und Verfassungskonformität schafft, was aus Sicht des Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616548 (A) (C) (B) (D) Deutschen Bundestages sehr zu begrüßen ist . Dieser Ge- setzentwurf kann als wesentlicher Schritt in die richtige Richtung verstanden werden, dem nun weitere folgen müssen . Nicht nur im Bereich der Begutachtung, wie kurz ausgeführt, auch im Verständnis des strafgesetzli- chen Gesamtkontextes ist der Ansatz der Bundesregie- rung wegweisend . Dirk Wiese (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf bietet ein wirklich hervorragendes Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern . Das Bun- desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat auf Bitten der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder im Februar 2014 eine interdis- ziplinär besetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, um zu prüfen, inwieweit das Recht der Unterbringung nach § 63 StGB einer stärkeren Ausrichtung am verfas- sungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit be- darf . Anlass hierfür gab die stetig steigende Anzahl von Unterbringungen in psychiatrischen Krankenhäusern mit einer stetig steigenden Unterbringungsdauer, wobei es keine konkreten wissenschaftlichen Belege für einen parallelen Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrach- ten gibt . Darüber hinaus wurden durch die Medien Fälle bekannt, die auf Missstände bei der Einweisung und vor allem bei der stetigen Begutachtung der Eingewiesenen hinweisen . Die mit Vertretern der Landesjustizverwaltungen, der AG Psychiatrie der Länder sowie des Bundesministe- riums für Gesundheit besetzte Arbeitsgruppe nahm am 14 . März 2014 ihre Arbeit auf . Die in fünf Sitzungen er- arbeiteten Ergebnisse werden mit diesem heute zu verab- schiedenden Gesetzentwurf umgesetzt. Zusätzlich fließt  eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Gesetzentwurf mit ein, durch die § 67 Absatz 4 StGB für insoweit als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt wurde, als § 67 Absatz 4 StGB es ausnahmslos ausschließt, die Zeit des Vollzugs einer freiheitsentzie- henden Maßregel der Besserung und Sicherung auf „ver- fahrensfremde“ Freiheitsstrafen anzurechnen . Kern der Gesetzesinitiative ist es, die Anforderungen an die Fortdauer der langjährigen Unterbringung zu kon- kretisieren und die prozessualen Sicherungen zu stärken, um unverhältnismäßig lange Unterbringungen zu ver- meiden . Betonen möchte ich hier, dass die Vermeidung von unverhältnismäßig langen Unterbringungen nicht zwangsweise eine Senkung des Schutzes der Allgemein- heit vor Straftätern zur Folge hat . Gewalt- oder Sexual- straftäter, bei denen die Gefahr besteht, dass sie aufgrund ihres Zustandes auch zukünftig erhebliche Straftaten begehen, durch welche die potenziellen Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, werden zum Schutz der Allgemeinheit weiterhin unbefristet unterge- bracht werden können . Es geht vielmehr darum, unverhältnismäßige Fälle zu vermeiden, die wir auch aus den Medien kennen, also entweder Fälle, in denen Menschen zu wenig rechtliches Gehör geschenkt wird, also die Begutachtungsabstän- de bislang viel zu groß waren und diese sich deshalb in Unterbringung befinden, obwohl kein Grund mehr dazu  besteht, oder auch Fälle, in denen die Einweisung unver- hältnismäßig ist, da die Tat nicht schwer genug wiegt, etwa Fälle des Schwarzfahrens . Künftig müssen also bei Vermögensdelikten solche Taten zu erwarten sein, durch welche „schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“ . Die Schwere des Schadens ist dabei an einem ob- jektiven Maßstab zu messen, insbesondere der materiel- len Lebenshaltung des Durchschnittsbürgers . Die Zeiten, in denen Schadenswerte von 100 Euro zu Unterbringun- gen führten, sind damit vorbei . Lassen Sie mich kurz die neuen Regelungen der Un- terbringungsdauer und Begutachtung erläutern . Eine Fortdauer der Unterbringung über sechs Jahre wird grundsätzlich nur noch möglich sein, wenn Taten drohen, durch die die Opfer körperlich oder seelisch „schwer“ ge- schädigt werden oder in die Gefahr einer schweren see- lischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden . Somit reicht die bloße Gefahr ausschließlich wirtschaft- licher Schäden für eine Unterbringung über sechs Jahre hinaus grundsätzlich nicht mehr aus . Die Unterbringung über zehn Jahre hinaus soll schließlich nur noch möglich sein bei der Gefahr von Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden . Hier ist die Regelung adäquat zur Sicherheitsverwahrung ge- fasst . Auch die regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung wird optimiert . Bei jeder jährlichen Über- prüfung bedarf es künftig einer gutachterlichen Stellung- nahme der Klinik . Darüber hinaus wird die Notwendig- keit eines externen Gutachtens von fünf auf drei Jahre und für Unterbringungen ab sechs Jahren auf zwei Jahre erhöht werden . Der externe Gutachter darf außerdem grundsätzlich nicht das jeweils vorangegangene Gutach- ten erstellt haben . Hiermit begegnen wir der Gefahr der sich selbst bestätigenden Routinebegutachtungen . Abge- rundet werden diese Neuerungen durch eine zwingende mündliche Anhörung des Untergebrachten, auch bei der Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung . Sie sehen, insgesamt bringt der Gesetzentwurf maß- volle Änderungen, die den Anforderungen des Bundes- verfassungsgerichts an den Grundsatz der Verhältnismä- ßigkeit im Maßregelrecht entsprechen . Das berechtigte Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vor psychisch ge- störten Straftätern bleibt gewahrt, indem der Gesetzent- wurf eine gute Balance zwischen Freiheitsinteressen und Sicherheitsinteressen schafft . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Und wieder hat die Koalition Chancen vertan . Im Grunde könnten sich alle Redner auf ihre Reden zur ersten Lesung beziehen, da sich das Gesetz entgegen der Struck’schen Formel seit dem Einbringen ins Parlament bis heute nicht geändert hat . Trotz einer vom Ausschuss durchgeführten Anhö- rung bleibt der dort eingebrachte Sachverstand außen vor . Möglicherweise hätte man die noch nötigen Ände- rungen im Ergebnis eines erweiterten Berichterstatter- gesprächs in das Gesetz einarbeiten können . Aber von dieser Möglichkeit hat die Koalition keinen Gebrauch gemacht . Chance vertan! Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16549 (A) (C) (B) (D) Die Änderungen, Ergänzungen und sonstigen Ver- besserungen dieses Gesetzes, welche von den Sach- verständigen ganz überwiegend einmütig, aber immer mehrheitlich vorgeschlagen wurden, hat die Linke des- halb in ihren Entschließungsantrag aufgenommen . Eine Änderung seitens der Koalition ist leider ausgeblieben . Selbst im Ausschuss, als die Linke der Koalition auf- grund des offenbar noch bestehenden Beratungsbedarfs eine Auszeit gewähren wollte, um über die erforderlichen Änderungen nachzudenken, wurde diese Chance von der Koalition ausgeschlagen . Wie gesagt: vertane Chancen . Der Vorschlag der Fraktion Die Linke, den Anwen- dungsbereich ausschließlich auf schuldunfähige Per- sonen zu beschränken, wurde nicht beachtet . Bedingt schuldfähige Personen sollten aus dem Anwendungsbe- reich herausgenommen werden . Dies würde – und das ist schon in der ersten Lesung betont worden – auch Fol- geprobleme bei der Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) verhindern . Chance vertan! Weiter gibt es nach wie vor keine Beschränkung bei Anlass- und Prognosetat im Rahmen des § 63 StGB . Diese sollten auf schwere Gewalt- und Sexualdelikte beschränkt werden und ein entsprechender Straftatenka- talog im § 63 StGB aufgenommen werden . So wurde es auch in der Sachverständigenanhörung gefordert . Wirt- schaftskriminalität sollte aus Verhältnismäßigkeitsgrün- den außen vor bleiben . Eine Unterbringung nach § 63 StGB darf nur Ultima Ratio sein . Die Begründung der Koalition, dass auch schweren Eigentumsdelikten Gewalt- oder Sexualdelikte folgen können, überzeugt nicht, zeigt aber, welcher Geist die Köpfe der Koalition nach wie vor beherrscht: Vermögen und Eigentum ist höherrangig als die grundrechtlich ga- rantierte Freiheit des Einzelnen . Dabei muss man immer berücksichtigen, dass es sich um Menschen handelt, wel- che schuldlos gehandelt haben oder vermindert schuld- fähig waren . Auch die Forderung aller Sachverständiger, in allen Vollstreckungs- und Vollzugsangelegenheiten im Zusam- menhang mit einer Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus dem Betroffenen einen Rechtsanwalt als notwendigen Verteidiger entsprechend § 140 StPO zur Seite zu stellen, fand bei der Koalition kein Gehör – und das, wie im Ausschuss argumentiert worden ist, aus Kostengründen . Auch hier kommt der wirtschaftliche Vorrang vor Grundrechten deutlich zutage . Die Regie- rungskoalition widerlegt sich selbst, wenn sie behauptet, eine notwendige Verteidigung erfolge schon jetzt . Dann kann sie nicht Kostengründe vorschieben, um die Bei- ordnung eines Verteidigers abzulehnen . Auch die Chance, im Rahmen einer Änderung der §§ 462 und 454 StPO der Beschwerde der Staatsanwalt- schaft gegen eine richterliche Entscheidung die aufschie- bende Wirkung zu versagen, wurde vertan! Genauso hätte der Kreis der Sachverständigen, welche bei der Ent- scheidung zur Fortdauer der Unterbringung gutachterlich herangezogen werden, auf Kriminologen und Pädagogen erweitert werden können, zumal gerade hinsichtlich einer Prognose aus Sicht der Fraktion Die Linke Kriminologen wichtig sind . Auch diesbezüglich hat sich nichts getan . Nun muss auch Die Linke gleichwohl anerkennen, dass der Gesetzentwurf tatsächlich Verbesserungen im Bereich des Rechts der Unterbringung in einem psych- iatrischen Krankenhaus enthält . Auf diese Verbesserun- gen hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung bei weniger schwerwiegenden Gefahren durch die Konkretisierung der Anforderung der Fortdauer der Unterbringung über sechs und zehn Jahre hinaus, brauche ich nicht dezidiert einzugehen, genauso wenig auf die Verkürzung der Fris- ten zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, da die positiven Aspekte, welche die Linke durchaus be- grüßt, von meinen Kollegen der Koalition mit Sicherheit lang und breit erläutert worden sind . Aber diese hätten deutlich besser ausfallen müssen . Aufgrund der oben geschilderten Umstände, der Ver- weigerung der Koalition, den externen Sachverstand in das Gesetz einfließen zu lassen, kann die Linke dem Ge- setz nicht zustimmen . Mehr als eine Enthaltung ist hier nicht drin . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es wird Zeit, dass wir als Gesetzgeber handeln und die Voraussetzungen für die Unterbringung wegen Schuld unfähigkeit nach Begehung einer Straftat ändern . Wir sind uns einig: Der § 63 Strafgesetzbuch (StGB) muss reformiert werden . Es sitzen viel zu viele Menschen viel zu lange in psychiatrischen Anstalten oder Krankenhäu- sern – und das häufig zwangsweise, mit Medikamenten  sediert gegen ihren Willen . Oft ist es dort schlimmer und schwerer zu ertragen als im Gefängnis, und eine solche Unterbringung dauert länger, als die Gefängnisstrafe ge- dauert hätte, wenn es zu einer Verurteilung als schuldfä- hig für das angeklagte Delikt gekommen wäre . In der Anhörung im Februar hier im Deutschen Bun- destag begrüßten die Sachverständigen grundsätzlich, dass die Bundesregierung eine Neuregelung zur Unter- bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorlegt . Das sehen wir grundsätzlich auch so . In dieser Anhö- rung wurde aber auch deutlich, dass mehr notwendig ist, als in dem Gesetzesvorschlag steht . Wir meinen: Ein Paradigmenwechsel muss her . Leider haben die Regie- rungsfraktionen darüber nicht einmal ernsthaft mit uns geredet . Deshalb haben wir unsere Vorstellungen in einen Entschließungsantrag geschrieben, der hier heute Abend ebenfalls zur Abstimmung steht . Wir sehen auch, dass Straftäter, die von Medizinern für schuldunfähig bei der Begehung der Tat erklärt wur- den, nicht alleingelassen, sondern meist betreut und be- handelt werden müssen – gerade auch im Interesse der Opfer der Taten . Aber diese Betreuung muss nicht immer stationär erfolgen . Wir wollen den Maßregelvollzug für ambulante Behandlungs- und Sicherungsmaßnahmen öffnen . Das heißt, ambulante Therapiemöglichkeiten und Kontrolleinrichtungen, wie forensische Ambulanzen und Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie, müssen endlich ausgebaut werden . Eine enge Betreuung in einer Wohn- gemeinschaft etwa kann eine bessere Alternative zur Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt sein, eine Alternative, die dem Betreuten mehr Freiheit lässt, aber auch ausreichend Sicherheitsnotwendigkeiten genügt und jedenfalls mit viel weniger Geld zu finanzieren ist.  Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616550 (A) (C) (B) (D) In Italien beispielsweise ist man auf dem Weg zur ambu- lanten Betreuung statt Zwangsunterbringung viel weiter . Deshalb sollte in allen Fällen, in denen dies ohne eine Gefährdung Einzelner oder der Allgemeinheit möglich erscheint, die ambulante Behandlung den Vorzug haben und angeordnet werden . Nur so kann eine verfassungsge- mäße Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft einerseits und dem Freiheitsentzug Einzel- ner andererseits auch in die Realität umgesetzt werden . Nur wenn eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unumgänglich ist, sollte sie angeordnet werden . Allerdings ist es nicht mit dem Verhältnismäßig- keitsgrundsatz vereinbar, dass eine stationäre Unterbrin- gung länger andauert als der Vollzug der Freiheitsstrafe, die bei einer strafrechtlichen Verurteilung in Betracht gekommen wäre . Die absolute Obergrenze muss das er- kennende Gericht im Urteil festlegen . Bei schweren Ge- walt- und Sexualdelikten können das – entsprechend der zu verhängenden Freiheitsstrafe bei Schuldfähigkeit – Höchstdauern von beispielsweise acht oder zehn Jahren oder gar lebenslänglich sein . Die tatsächliche Dauer der freiheitsentziehenden Unterbringung richtet sich letztlich dann gleichwohl nach der Gefährdungsprognose . Perso- nen, die nach Ablauf dieser Höchstdauer weiterhin als so gefährlich eingeschätzt werden, dass nur eine stationäre Unterbringung genügend Sicherheit schafft, würden aber nicht etwa unkontrolliert entlassen werden müssen . Sie sind, sofern dies zum Schutz der Bevölkerung zwingend notwendig ist, dann weiterhin in für diesen Zweck geeig- neten Einrichtungen nach Landesrecht unterzubringen . Nur würde darüber nicht der Strafrichter urteilen, son- dern nach Landesrecht der Zivilrichter . Ferner sollte die Unterbringung überhaupt nur in Be- tracht kommen bei der Gefährdung von Personen, nicht schon dann, wenn die Gefährdung von Sachen zu erwar- ten ist . Die Abwägung zwischen der Einschränkung von Freiheitsrechten durch Unterbringung und einer Sachbe- schädigung sollte zugunsten der Freiheit ausfallen . Selbst die Bundesregierung hat zur Kenntnis genom- men, dass die Zahl der Menschen, die auf Grundlage des § 63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern un- tergebracht werden, in den letzten Jahren stetig zuge- nommen hat . Ebenso hat die Dauer der Unterbringungen zugenommen, ohne – und genauso steht es richtigerwei- se auch im Gesetzentwurf aus dem Justizministerium – „dass es konkrete Belege für einen parallelen Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrachten gibt“ . Insofern bin ich enttäuscht, dass die Bundesregierung die guten Ansätze, die der Gesetzentwurf enthält, nicht konsequent weiterdenkt und eine umfassendere Reform wagt . Unser Entschließungsantrag enthält ein Dutzend wei- tere Forderungen, den Gesetzentwurf nachzubessern . Um einen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen, soll eine mündliche Anhörung  und  eine  Pflichtverteidigung  bei allen Maßregeln, auch bei der Fortdauerüberprüfung, zwingend vorgesehen werden . Jemand, der in der Psy- chiatrie untergebracht ist, wird kaum in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen . Zudem führt die Anwesenheit eines Anwalts eher zu einer intensiveren Befassung des Gerichts mit einem Sachverhalt und kann zu einer hö- heren Akzeptanz bei den Untergebrachten beitragen . Die Regierungskoalition hat auf eine ausdrückliche Regelung hierzu verzichtet, da Rückmeldungen aus der Praxis er- geben hätten, dass eine Pflichtverteidigung ohnehin häu- fig angeordnet werde. Dieses Argument überzeugt nicht;  denn dann wäre eine gesetzliche Klarstellung hierzu völ- lig unschädlich . Aber es wäre sichergestellt, dass diese Regelung tatsächlich in allen Fällen greift . Vor allem soll das Selbstverständliche geschehen: Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) muss umgesetzt und beachtet werden . Verschiedene Verbände haben auf diesen Mangel hingewiesen . Im Regierungs- entwurf fehlt eine Auseinandersetzung mit dieser Kon- vention völlig . Großer Reformbedarf besteht auch hin- sichtlich der Gutachterbestellung . Der Gesetzentwurf sieht erhöhte Anforderungen an (externe) Sachverstän- digengutachten bei der Überprüfung der Unterbringung vor . Wir haben bereits in der Debatte zur ersten Lesung darauf hingewiesen, dass diese nicht ausreichend sind . Wir wollen die Kriterien für die Auswahl von Gutachtern und Gutachterinnen gesetzlich konkreter vorschreiben . Das bezieht sich auf die Grundqualifikation, die Mindest- berufserfahrung und erforderliche Zusatzqualifikationen  einschließlich Sachkunde über die gemeindeorientierte Soziale Psychiatrie mit ihren Strukturen zur sozialen Be- wältigung von Gefährlichkeit . Nur so ist wirklich sicher- gestellt, dass qualifiziertes Personal mit  entsprechender  aktiver praktischer und therapeutischer Erfahrung zur Begutachtung herangezogen wird . Bei der Abstimmung werden wir mit Enthaltung stim- men . Wir wollen damit deutlich machen, dass wir den Schritt in die richtige Richtung sehen, der leider nicht weit genug geht und wichtige Empfehlungen nicht be- rücksichtigt . Die Chance für eine umfassende, dringend notwendige Reform wird verpasst . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Straßburger Übereinkommen vom 27. September 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnen- schifffahrt (CLNI 2012) – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiff- fahrt (Tagesordnungspunkt 21) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Heute beraten und beschließen wir in zweiter und dritter Lesung das Zweite Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt sowie das Gesetz zu dem Straß- burger Übereinkommen vom 27 . September 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt, das sogenannte CLNI 2012 . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16551 (A) (C) (B) (D) CLNI 2012 löst das Straßburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff- fahrt CLNI ab, dehnt aber in begrüßenswerter Weise den geografischen  Anwendungsbereich  aus.  Während  der  Anwendungsbereich von CLNI nur auf vier Staaten be- schränkt ist, erweitert CLNI 2012 den Anwendungsbe- reich und ermöglicht dadurch eine umfassendere Rechts- vereinheitlichung . Inhaltlich modernisiert CLNI 2012 darüber hinaus das Haftungsbeschränkungsregime des CLNI . Grundlage bleibt bei CLNI 2012 dabei das Prinzip der summenmäßig beschränkten, persönlichen Haftung des Schiffseigentümers, Bergers bzw . Retters . Grundsätzlich haften diese Personenkreise unbeschränkt und mit ihrem gesamten Vermögen, können aber ihre Haftung für An- sprüche, die aus der Verwendung des Schiffes entstehen, auf bestimmte Haftungshöchstbeträge beschränken . Diese durch CLNI 2012 deutlich angehobenen Höchstbeträge ergeben sich aus den technischen Eigen- arten des Schiffes und gelten grundsätzlich für die Sum- me aller sich aus der Verwendung des Schiffes ergeben- den Ansprüche . Wie bereits bei CLNI gelten auch bei CLNI 2012 für Personenschäden gesonderte Haftungs- höchstbeträge . Neu eingeführt wurden durch CLNI 2012 gesonderte Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus der Beförderung gefährlicher Güter . Unverändert kann die Haftungsbeschränkung auch gemäß CLNI 2012 durch Errichtung eines Haftungs- fonds, aus dem alle Gläubigerforderungen zu befrie- digen sind, oder durch einredeweise Geltendmachung der Haftungsbeschränkung bewirkt werden . Ist ein Haf- tungsfonds errichtet, beschränkt CLNI 2012 im Interesse des Schuldners die Haftung gegenüber allen Gläubigern auf diesen Fonds; weitere Ansprüche gegen das sonstige Vermögen des Schiffseigentümers, Bergers oder Retters können nach der Errichtung eines Haftungsfonds nicht mehr geltend gemacht werden . Unerheblich – und damit gegenüber CLNI neu geregelt – ist dabei, ob der Gläu- biger seinen Anspruch tatsächlich gegen den Haftungs- fonds geltend macht . CLNI 2012 und die entsprechende Umsetzung sehen damit einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Schuldner und den Gläubigern, die von den deutlich erhöhten Haftungshöchstbeträgen profitieren, vor.  Durch die Änderungen insbesondere des Binnen- schifffahrtsgesetzes, der Zivilprozessordnung und der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung werden die Klarheit und Einheitlichkeit des Binnenschifffahrtsrechts sichergestellt . Die CLNI-Einarbeitung in das nationa- le Recht erleichtert darüber hinaus die Handhabbarkeit der Vorschriften über die Haftungsbeschränkungen in der Binnenschifffahrt . Anwendungsschwierigkeiten, die sich aus einem Nebeneinander von innerstaatlichen und völkerrechtlichen Regelungen ergeben könnten, werden dadurch vermieden . Die CDU/CSU-Fraktion wird den Gesetzentwürfen zustimmen . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir möchten heute mit diesen beiden Gesetzentwürfen ein einheitliches Sys- tem der Haftungsbeschränkungen in der Binnenschiff- fahrt schaffen . Durch das neue Straßburger Übereinkom- men aus dem Jahr 2012 soll der Kreis der ratifizierenden  Staaten erweitert werden . Das Übereinkommen setzt ei- nen Anreiz zur Ratifizierung an andere Staaten; denn Ziel  ist es, ein einheitliches Haftungsregime in möglichst vie- len Staaten zu schaffen . Die Rechtssicherheit wird über die Ländergrenzen hinweg gestärkt . Das Übereinkommen regelt Ansprüche, die für Schiffseigentümer, Berger und Retter bei der Verwen- dung von Schiffen entstehen . Das Übereinkommen sieht eine deutliche Erhöhung der Haftungshöchstbeträge vor . Die Gläubiger der erfassten Ansprüche gegen Schiffsei- gentümer werden gestärkt . Die Haftungsbeschränkung kann vom Schuldner einredeweise geltend gemacht wer- den oder erfolgt durch Errichtung eines Haftungsfonds . In einem ersten Schritt möchten wir nun dem unter- zeichneten Straßburger Übereinkommen zustimmen . Als parlamentarischer Gesetzgeber sind wir zur Zustimmung eines völkerrechtlichen Vertrags aufgerufen . Auf diesem Weg gelangt das Übereinkommen zur Geltung im deut- schen Recht . In einem zweiten Schritt sollen die Rege- lungen aus dem Abkommen in das deutsche Binnenrecht eingearbeitet werden . Dies erfordert Anpassungen im Binnenschifffahrtsgesetz, der Zivilprozessordnung und weiteren flankierenden Regelungen. Wir haben uns gegen eine unmittelbare Anwendung des Übereinkommens ausgesprochen . Dies stellt jedoch keinen Nachteil dar . Es wird vielmehr der verbindliche Inhalt des Übereinkommens in die bestehenden Geset- ze implementiert . Wir schaffen mehr Klarheit und Ein- heitlichkeit . Die Regelungen sind klar, weil sich für den Rechtsanwender eine bessere Lesbarkeit und Handhab- barkeit der Vorschriften aus einem einzigen Gesetz erge- ben . Ein Nebeneinander von innerstaatlichen Vorschrif- ten und völkerrechtlichen Regelungen wird vermieden . Wir schaffen auch eine Einheitlichkeit von Regelun- gen . Die Vorschriften zur Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt  finden  nicht  nur  bei  internationalen  Sachverhalten, sondern auch bei nationalen Sachverhal- ten ihre Anwendung . Nicht zuletzt wahrt der Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung der nationalen Gesetze eine einheitliche Umsetzung des Übereinkom- mens . Im Ergebnis führt das Mehr an Klarheit und Ein- heitlichkeit zu einem Mehr an Rechtssicherheit . Ich bitte daher um Zustimmung zu den Gesetzentwürfen . Dirk Wiese (SPD): Hintergrund der Regelung, die heute hier zu verabschieden ist, ist die Notwendigkeit der Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen zur Ratifika- tion der Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff- fahrt – CLNI 2012 – vom 27 . September 2012 . Diese soll  das  von Deutschland  ratifizierte Straßburger Über- einkommen vom 4 . November 1988 über die Beschrän- kung der Haftung in der Binnenschifffahrt CLNI 1988 ersetzen, dessen räumlicher Anwendungsbereich im Wesentlichen auf Beförderungen auf Rhein und Mosel beschränkt ist . Das ist notwendig, da das CLNI 1988 nur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616552 (A) (C) (B) (D) für vier Staaten galt und das CLNI 2012 durch bessere Regelungen das Ziel verfolgt, für einen größeren Kreis von Staaten attraktiver zu sein . Deshalb soll also das alte Abkommen schnellstmöglich ersetzt werden . Lassen Sie mich kurz die historische Bedeutung des Ursprungsübereinkommens hervorheben: Das Überein- kommen CLNI 1988 wurde im Rahmen einer von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt – ZKR – er- richteten Arbeitsgruppe ausgearbeitet und auf einer Dip- lomatischen Konferenz unter Beteiligung der vorgenann- ten Staaten sowie Luxemburgs verabschiedet . Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Vertreter von Belgien, Frank- reich, der Niederlande, der Schweiz und Deutschlands . Das Abkommen trat am 1 . September 1997 für Luxem- burg, die Niederlande und die Schweiz und am 1 . Juli 1999 für Deutschland völkerrechtlich in Kraft . Nach Verabschiedung der CLNI 1988 bekundeten Staaten, die nicht an den Arbeiten im Rahmen der ZKR beteiligt ge- wesen waren, ihr Interesse an dem mit der CLNI 1988 geschaffenen Haftungsbeschränkungsregime . Leider war ein Beitritt aller interessierten Staaten jedoch nicht möglich; denn dieser ist nach Artikel 16 Absatz 1 CLNI 1988 nur den Vertragsparteien der Revi- dierten Rheinschifffahrtsakte vom 17 . Oktober 1868 oder des Vertrags vom 27 . Oktober 1956 über die Schiffbar- machung der Mosel gestattet . Nur Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz und das Vereinigte Königreich konnten den Vertrag so- mit zeichnen . Für andere Staaten bietet sich nach Arti- kel 16 Absatz 3 CLNI nur die Möglichkeit des Beitritts, sofern diese eine direkte schiffbare Verbindung zu einer Wasserstraße haben, die der Mannheimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegt, und sie zusätzlich durch ein- stimmigen Beschluss der Staaten, für die die CLNI 1988 in Kraft getreten ist, zum Beitritt eingeladen werden . Für interessierte Staaten ohne direkte Verbindung wurde auf Vorschlag Deutschlands in der ZKR eine Arbeitsgrup- pe eingerichtet und damit beauftragt, Vorschläge für ein Zusatzprotokoll zur CLNI 1988 zu erarbeiten, um den Beitritt zum Übereinkommen zu erleichtern und zugleich bestehende Mängel zu beseitigen . Diese Arbeitsgruppe begann ihre Arbeit im Juni 2007 . Im Laufe der Arbeiten kam die Arbeitsgruppe überein, statt eines Zusatzprotokolls aus rechtstechnischen Grün- den ein neues Übereinkommen auszuarbeiten . Zusätzlich wurde beschlossen, auch die Haftungshöchstbeträge an- zuheben, um sie an die Haftung für Seeforderungen an- zugleichen . Im September 2012 war es dann schließlich so weit . Auf Einladung der ZKR fand in Straßburg eine Diplomatische Konferenz zur Verabschiedung des neuen Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt statt . 13 Staaten nahmen teil: Belgien, Bulgarien, Deutsch- land, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ungarn . Darüber hinaus waren auch fünf nichtstaatliche Organi- sationen vor Ort: Europäische Binnenschifffahrts-Union, Europäische Schifferorganisation, European Transport Workers’ Federation, Internationale Vereinigung zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Binnen- schifffahrt und der Versicherung und zur Führung des Binnenschiffsregisters in Europa und die Union europäi- scher Industrie- und Handelskammern . Per Akklamation wurde das Übereinkommen CLNI 2012 schließlich am 27 . September 2012 verabschiedet . Belgien, Frankreich und Luxemburg unterzeichneten das Übereinkommen noch am Tage seiner Verabschiedung . Bis zum Ablauf der Zeichnungsfrist am 26 . September 2014 zeichneten noch vier weitere Staaten, nämlich Deutschland, Nieder- lande, Polen und Serbien . Kernänderung  ist  der  stark  erweiterte  geografische  Anwendungsbereich der CLNI 2012 im Vergleich mit der CLNI 1988. So findet die CLNI 2012 stets Anwendung,  wenn sich ein Schadensereignis auf einer Wasserstraße im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ereignet . Die in der CLNI 1988 vorgesehene geografische Beschränkung des  Anwendungsbereichs auf Wasserstraßen, die der Mann- heimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegen, entfällt . Dadurch ist gewährleistet, dass das System auch dann zur Anwendung gelangt, wenn sich eine Schiffshavarie etwa auf der Donau, der Elbe, der Oder oder der Save ereignet hat . Bestimmte Binnengewässer, die keine internationale Bedeutung haben, können von der Anwendung des Über- einkommens ausgeschlossen werden . Sie sehen, das ist eine wirklich sinnvolle Erweiterung der CLNI 1988 durch die CLNI 2012 . Bisher haben Ser- bien  und  Luxemburg  das  Übereinkommen  ratifiziert.  Weitere  Staaten  bereiten  die  Ratifikation  gegenwärtig  vor . Mit der Verabschiedung des heute hier vorliegenden Vertragsgesetzes machen wir den Weg für eine Ratifika- tion durch Deutschland frei . Herbert Behrens (DIE LINKE): Sicherheit auf den Flüssen und Kanälen, saubere Transporte und eine Bin- nenschifffahrt mit Zukunft . Das sind die politischen Zie- le der Linksfraktion . Mit dem Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung kommen wir dem Ziel näher; denn mit diesem Gesetz bekommt die Binnenschifffahrt mehr Sicherheit, wenn denn doch einmal etwas passiert . Binnenschiffer und Schifffahrtsunternehmen müssen nicht fürchten, im Falle einer Havarie um Kopf und Kra- gen gebracht zu werden . Das begrüßen wir und stimmen deshalb dem Gesetz zu . Wir reden heute über eine Änderung eines bestehen- den Gesetzes . Mit der Änderung werden die Regelungen des „Straßburger Übereinkommens von 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt“ – abgekürzt CLNI 2012 – in das bestehende Binnenschiff- fahrtsgesetz eingefügt . Das führt zu mehr rechtlicher Klarheit im Binnenschifffahrtsrecht, und es führt auch dazu, dass bestehendes Recht einfacher gehandhabt wer- den kann – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der umweltfreundliche Verkehrsträger Binnenschiff bessere Chancen erhält, mehr Transporte über das Wasser abzu- wickeln . Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt ist keine neue Erfindung. Sie galt bisher aber im Wesentli- chen für die Schifffahrt auf dem Rhein und auf der Mo- sel . Das war im Straßburger Übereinkommen von 1998 so  geregelt,  das  von Deutschland  ratifiziert  worden  ist  und in den vier Staaten Deutschland, Luxemburg, Nie- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16553 (A) (C) (B) (D) derlande und der Schweiz angewendet wird . Das Über- einkommen von 2012 soll das einheitlich Haftungsbe- schränkungssystem der CLNI 2012 für einen größeren Kreis von Staaten attraktiver machen . So soll es dann auch für alle Binnengewässer sowie für Donau, Elbe, Oder und Save gelten . Das ist ein Fortschritt . Des Weiteren waren Haftungshöchstgrenzen gültig, die nicht mehr ganz auf die heutige Wirklichkeit passen . Es ist notwendig, dass Versicherungssummen so hoch angesetzt werden, dass sie auch die möglichen Schadens- fälle abdecken . Dazu ist eine Anpassung erforderlich . Die Erhöhung fällt aber deftig aus: Bei den Ansprüchen wegen Personen- und Sachschäden werden die Höchstbe- träge verdoppelt, bei den Höchstbeträgen für Ansprüche von Reisenden auf Passagierschiffen sind es 66 Prozent mehr . Das bringt die Gefahr mit sich, dass die Versiche- rungsbeiträge ebenfalls deutlich steigen könnten . Bisher gibt es dafür keine Anzeichen . Aber die Position der Versicherungswirtschaft ist ein- deutig . Als vor vier Jahren die Revision des CLNI disku- tiert wurde, gab es eine prompte Reaktion . „Die deutsche Versicherungswirtschaft erkennt keine Notwendigkeit, die bisherigen Haftungsbegrenzungen zu erhöhen“, kom- mentierte der Gesamtverband der Deutschen Versiche- rungswirtschaft, GDV, und er kündigte vorsorglich an, dass sich „wesentlich erhöhte Haftungsrisiken in deutlich höheren Versicherungsprämien niederschlagen“ werden . Die Binnenschifffahrt gehört jedoch zu den sichers- ten Verkehrsträgern . Laut einer Studie der PLANCO Consulting GmbH entfielen in den Jahren 2000 bis 2015  lediglich 1,1 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Unfall- folgen auf die Binnenschifffahrt . Und vom Grundsatz her richten sich die Versicherungsprämien nach dem Risiko des Versicherungsnehmers . Bei gleichbleibendem Risiko dürfen deshalb die Prämien nicht überproportional stei- gen . Die Bundesregierung schätzt das Risiko einer spürba- ren Erhöhung der Versicherungsprämien als gering ein . Wir sagen hier aber ganz klar und deutlich: Wenn die Linksfraktion dem Gesetz zustimmt, dann heißt das, dass wir sehr genau darauf schauen werden, dass die Versiche- rungswirtschaft die Anhebung der Höchstgrenzen nicht zur Abzocke der Versicherungsnehmer missbraucht . Darüber hinaus muss vermieden werden, dass in der Zukunft erneut so extreme Anhebungen der Haftungs- grenzen vorgenommen werden, weil man versäumt, sie rechtzeitig anzupassen . Es ist sinnvoll, dass künftig alle fünf Jahre die Haftungshöchstbeträge anhand der Inflati- onsrate überprüft werden . Das macht es für die Versiche- rungsnehmer kalkulierbar, und den Versicherern werden Vorwände genommen, bei den Prämien zuzuschlagen . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute geht es um die Änderungen der Haftungsbeschrän- kungen durch das Straßburger Abkommen für die Bin- nenschifffahrt . Deutschland wird dieses Abkommen nun ratifizieren und überträgt die notwendigen Maßnahmen  in ein nationales Gesetz . Die Änderungen sehen in der Binnenschifffahrt eine Erhöhung der Haftungshöchst- summen allgemein sowie für Passagierschäden vor . Die Beschränkung der Haftung dient dazu, dass Schuldner, also die Binnenschiffer, etwa im Falle eines Unfalls nicht in jeder Höhe für einen Schaden einzuste- hen haben, sondern nur bis zu einer im Gesetz geregelten Höhe . Die Regelungen für Haftungshöchstsummen gel- ten für Schiffseigentümer, Berger und Retter . Viele Jahre sind die Haftungsbeschränkungen in der Binnenschifffahrt nicht geändert worden; daher ist die aktuelle Anpassung eine notwendige Maßnahme, die längst überfällig war . Im Transport- und Logistikbereich kennen wir so etwas etwa als Haftungsbeschränkung des Auftragnehmers . Dabei handelt es sich um Schäden im Rahmen von Transport oder Lagerung . Diese Beschrän- kungen sind zum Beispiel in den Allgemeinen Geschäfts- bedingungen (AGB) geregelt . Im Fall der Binnenschiff- fahrt gibt es aufgrund des oft grenzüberschreitenden Handels ein Übereinkommen, das sich auf jene Güter- oder Verspätungsschäden bezieht und auch regelt, wann Haftungsbeschränkungen nicht zum Tragen kommen . Interessant wird das Gesetz bezogen auf Passagiere insbesondere dann, wenn sie auf einem Binnenschiff ver- spätet am Ziel ankommen oder auch ihr Gepäck dadurch nicht zum versprochenen Zeitpunkt das Ziel erreicht . Da- mit wird der Schutz der Reisenden auf Binnenschiffen deutlich gestärkt . Der Stellenwert eines Haftungsfonds zur Deckung von Ansprüchen wird nun erhöht; das Vermögen der Schiffs- eigner, Berger oder Retter soll nicht mehr herangezogen werden . Mit der Änderung ist auch zu erwarten, dass die Binnenschiffe mit größerer Sorgfalt betrieben werden . Das ist sehr sinnvoll! Mit höheren Summen für die Be- schränkung der Haftung könnten Versicherungssummen zwar ansteigen, die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten solcher Fälle ist jedoch gering . Die Begründung der Bun- desregierung in der Gesetzesvorlage ist nachvollziehbar . Nur rund 1 Prozent aller Schäden im Verkehrsbereich be- trifft die Binnenschifffahrt . Durch die äußerst geringe Schadensquote im Bereich Binnenschifffahrt hat sie hier einen kleinen Wettbe- werbsvorteil gegenüber anderen Verkehrsträgern . In ei- nem anderen Bereich liegt die Binnenschifffahrt jedoch weit hinter den anderen Verkehrsträgern zurück: Die Zu- verlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur im Bereich Was- serstraße lässt stark zu wünschen übrig . Anders als bei anderen Verkehrsträgern gibt es im Fall von Bauarbeiten kaum Ersatzstrecken . Damit sind zuverlässige Verkehre aufgrund maroder Schleusen in vielen Wasserstraßenab- schnitten nur noch begrenzt möglich . Trotz des hohen In- vestitionsstaus wurden in den vergangenen Jahren immer wieder mehrere 100 Millionen Euro nicht verbaut, weil der Wasserstraßenverwaltung die Planer für neue Projek- te fehlen . Das ist der reale Irrsinn! Die Bundesregierung muss hier dringend für Wettbe- werbsgleichheit sorgen und endlich sowohl den Investiti- onsstau der Wasserstraßen beseitigen als auch eine echte Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung voranbringen . Wir werden dem Gesetz zustimmen, erwarten jedoch von der Bundesregierung, dass die Hürden, die in der Wasserstraßeninfrastruktur bestehen, endlich beseitigt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616554 (A) (C) (B) (D) werden . Zögern sie da endlich nicht mehr! Ein Abwra- cken der Binnenschifffahrt möchte ich nicht erleben, weil der Amtsschimmel gerettet wurde, statt auf die Dienst- leistungsorientierung zu setzen . Bringen Sie in der gro- ßen Koalition auch endlich die Reform der Wasserstra- ßen- und Schifffahrtsverwaltung voran! Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes und anderer Statistik- gesetze (Tagesordnungspunkt 22) Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Heute widmen wir uns zum zweiten und letzten Mal dem Gesetz zur Än- derung des Bundesstatistikgesetzes . Die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf waren aus meiner Sicht ein Pa- radebeispiel dafür, dass das parlamentarische Verfahren ein lernendes Verfahren ist . Es war ein sehr gutes Bei- spiel dafür, dass Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft sehr genau auf das schauen, was wir in unserem Hause dis- kutieren . Beide Aspekte zeigen, dass unsere parlamen- tarischen Verfahren funktionieren und gesetzgeberische Ergebnisse ermöglichen, von denen die Allgemeinheit profitieren kann. In meiner letzten Rede sprach ich beispielsweise da- von, dass ordentliche und gut geführte Statistiken wichtig seien; denn erst dadurch könnten ausgewogene politische Entscheidungen getroffen werden . In der Folge erreich- ten mich prompt viele Zuschriften, die mich sehr genau beim Wort nahmen . Zu Recht haben Vertreter aus der Wissenschaft sowie aus einigen Statistikämtern darauf hingewiesen, dass die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene Speicherfrist von zehn Jahren für Indikato- ren aus dem Unternehmensregister mit dem Anspruch an ordentliche Statistiken nicht zu vereinbaren gewesen wäre . Dies war zwar auch einer der Änderungswünsche des Bundesrates, allerdings hat uns hier der Rücklauf, vor allem aus der Wissenschaft, das Problem nochmals sehr anschaulich vor Augen geführt . Natürlich haben wir diese Hinweise dann in den da- rauf folgenden Berichterstattergesprächen berücksich- tigt, wie es in einem lernenden Gesetzgebungsverfahren üblich ist . Entsprechend konnten wir uns darauf einigen, die Frist auf 30 Jahre zu verlängern . Dies ist daher auch in den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ein- geflossen.  Im Übrigen  beginnt  diese  Frist  erst  dann  zu  laufen, wenn die jeweilige Erhebung abgeschlossen ist und nicht bereits mit der Aufnahme der Daten . Ich möch- te noch erwähnen, dass wir uns diese Fristverlängerung wohl überlegt haben . Schließlich geht es hier auch um die berechtigten Datenschutzbelange der betroffenen Unternehmen . Eine Speicherung darf daher nicht ohne Weiteres vorgenommen werden . Allerdings werden die Daten über die Unternehmen anonymisiert gespeichert. Eine Identifizierung eines ein- zelnen Unternehmens ist aus diesen Daten heraus nicht möglich . Richtig ist, dass es eine theoretische Möglich- keit gibt, die Daten wieder zu deanonymisieren . Hierzu müsste jedoch Recht und Gesetz umgangen werden, und man sollte eine Regelung nicht deshalb in ihrer Wirkung einschränken, weil es rechtswidrige Wege gibt, sie aus- zuhebeln . Liebe Vertreter der Wissenschaft und der verschiede- nen Statistikämter: Vielen Dank jedenfalls dafür, dass Sie sich mit Hinweisen und Zuschriften eingebracht ha- ben . Ich meine, dass wir Ihre Anregungen angemessen berücksichtigen konnten . An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmals herzlich bei meinem Mitbericht- erstatter Matthias Schmidt der SPD-Fraktion für die gute und angenehme Zusammenarbeit bedanken . Mein Dank gilt ebenfalls unserem Parlamentarischen Staatssekretär Dr . Ole Schröder, der zusammen mit den Vertretern des Bundesministeriums des Innern die Berichterstatterge- spräche sehr hilfsbereit und unkompliziert begleitet hat . Als erster Redner möchte ich nun die weiteren Punkte vorstellen, die wir bei der Erarbeitung des Änderungsan- trags im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt haben: Schon vor Beginn des Verfahrens hatte die Bundesregie- rung zugesichert, im Bereich der Zusatzaufbereitungen für Bundeszwecke durch das Statistische Bundesamt den Zusatz „auf Anforderung oberster Bundesbehörden“ auf- zunehmen . Hierdurch wird verdeutlicht, dass sowohl Zu- satzaufbereitungen als auch makro-ökonomische Analy- sen ausschließlich zu Bundeszwecken vom Statistischen Bundesamt durchgeführt werden dürfen . Ansonsten hätte sich bei der Erstellung von Zusatzaufbereitungen eine Aufhebung des Subsidiaritätsprinzips ergeben können . Die Länder sind für Aufbereitungen nämlich grundsätz- lich zuständig, und nur auf besondere Anforderung durch oberste Bundesbehörden erstellt das Statistische Bundes- amt benötigte Zusatzaufbereitungen . Mit dieser Kompro- missformel wird diesem Umstand Rechnung getragen . In eine ähnliche Richtung geht eine weitere Änderung, die sich auf den Abruf von bei anderen Verwaltungsstel- len vorhandenen Daten durch das Statistische Bundes- amt bezieht . Ich hatte diesen Mechanismus, mit dem Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft bei der Datenerhebung entlastet werden sollen, schon in meiner letzten Rede erwähnt . Hier haben wir nun noch den Zu- satz eingefügt, dass sich die Stellen des Bundes, die bei den Verwaltungsstellen der Länder diese Daten abfragen, zunächst mit den zuständigen Ministerien der Länder ins Benehmen setzen . Diese Einfügung hatte zuvor auch der Bundesrat gefordert . Ich denke, dass der Zusatz den Bund-Länder-Beziehungen auf dem Gebiet der Statistik sicherlich zuträglich und daher vernünftig ist . Des Weiteren wurde in den Gesprächen deutlich, dass insbesondere die Interessen der Gemeinden und der Ge- meindeverbände stärker berücksichtigt werden sollen . Bei der Anordnung von Bundesstatistiken per Gesetz sollte bisher lediglich das Informationsbedürfnis der Länder berücksichtigt werden . Künftig soll auch dem In- formationsbedürfnis der Gemeinden Rechnung getragen werden, sobald Bundesstatistiken angeordnet werden . Letztlich haben wir noch redaktionelle Versehen berich- tigt . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16555 (A) (C) (B) (D) Mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsantrag kann der Gesetzentwurf der Bundes- regierung nun verabschiedet werden . Mit Berücksich- tigung dieser Änderungen bin ich sehr zuversichtlich, dass das Statistikwesen im Sinne von Wissenschaft und statistischer Praxis, aber auch zur Entlastung unserer Bürgerinnen und Bürger sowie unserer Wirtschaftsun- ternehmen modernisiert wird . Ich darf mich bei den Be- teiligten nochmals für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Inzwischen habe ich in diesem hohen Hause schon häufiger zu Gesetzes- vorhaben und Anträgen gesprochen, die statistische The- men betreffen . Immer war es mir wichtig, den Wert der Arbeit der Menschen im Statistischen Bundesamt und in den Landesämtern zu betonen . Gerne will ich das heu- te bekräftigen. Ohne die fleißige, akribische Arbeit, die  dort geleistet wird, stünden wir bei unseren politischen Entscheidungen häufig im Nebel. Worauf sollten wir uns  bei Entscheidungen zur Rente, zur Pflege, zur Sozialver- sicherung oder auch zur Wirtschaft stützen? Auf Daten, die uns gut aufbereitet zur Verfügung gestellt werden . Den Kolleginnen und Kollegen – da sind wir uns sicher einig – möchte ich an dieser Stelle danken . Nun haben wir uns mit dem heute vorliegenden Ge- setzentwurf vorgenommen, einige sinnvolle Änderungen im Bundesstatistikgesetz vorzunehmen . So geht es im Kern um die Modernisierung und Vereinfachung von Ver- fahren . Das ist ohne Zweifel ein guter Anlass . Dann geht es um die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft – auch das ist ein guter Ansatz . Letztlich geht es auch um die Herstellung von Rechtsklarheit und die Angleichung an EU-Rechtsnormen, die wir damit er- reichen wollen. Dazu sind wir verpflichtet. In den meis- ten Punkten sind die Änderungen des Gesetzentwurfs vollkommen unstrittig . Sie bringen einen Fortschritt, und das sagen uns die Menschen, die mit den Daten täglich umgehen, sei es als Statistiker oder als Forscher . In einigen wenigen Punkten gibt es jedoch noch Wün- sche . Worum geht es? Lassen Sie uns dazu einmal die Perspektive der Menschen einnehmen, die diese Daten nutzen . Hier möchte ich ein Beispiel aufgreifen, das mir von einer Statistikerin nahegelegt wurde . Nehmen wir einen Wirtschaftswissenschaftler, der im Jahr 2018 die Ursachen und Folgen der Wirtschaftskrise untersu- chen möchte . Sie alle erinnern sich: Das war 2008 . Ein Crash mit Folgen für die ganze Welt und auch für uns in Deutschland . Die Frage nach den Ursachen und nach Strategien, um das in Zukunft zu verhindern, hat also hohe Bedeutung . Nun benötigen die Forscher für ihre Untersuchungen eine Menge an Daten . Nach dem ersten Entwurf konnten sie lediglich auf Datenreihen aus den letzten zehn Jahren zurückgreifen; denn hier war vor- gesehen, die Speicherfrist auf zehn Jahre festzusetzen . Werfen wir einen Blick auf die Forschungsfrage . Für die Betrachtung der Ursachen der Wirtschaftskrise müsste natürlich auch ein Blick auf die Zeit vor 2008 geworfen werden . Das wäre nach dem ursprünglichen Entwurf in Form von Zeitreihen nicht mehr möglich . Damit würden ganz wesentliche Datengrundlagen fehlen . Jedem leuch- tet sofort ein, dass das eine große Einschränkung bedeu- tet und damit das gesamte Forschungsanliegen gefährdet . Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel anführen, das uns allen viel bedeutet: die deutsche Einheit . Jedes Jahr besprechen wir hier im Plenum den „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit“ . Hier erhalten wir einen sehr detailreichen Einblick in die wirtschaftliche, soziale und gesamtgesellschaftliche Ent- wicklung seit 1990 . Dieser Bericht ist voll mit Diagram- men und Tabellen, die alle auf statistischen Daten fußen . Hier werden Entwicklungen nachgezeichnet, analysiert und daraus Schlussfolgerungen für die Wirkung von po- litischen Entscheidungen gezogen . Welche Bedeutung hatten welche Förderprogramme zum Beispiel auf die Abwanderung von Menschen? Das sind ungemein wich- tige Fragen, und hier wird deutlich: Ohne einen Blick über zehn Jahre hinaus, verlieren wir einen ganz wichti- gen Zugang . Die Forschung braucht langfristige Zeitrei- hen, um Entwicklungen aus 25 Jahren nachzuzeichnen . Je nach aktueller Entwicklung sind dabei auch neue Fra- gen zu untersuchen . Daten müssen dafür neu verknüpft werden können, um neue Aspekte zu beleuchten . Das ha- ben wir verstanden und dafür Sorge getragen, dass dieser berechtigte  Einwand  seinen Niederschlag  findet. Dafür  haben wir die Frist, die auf zehn Jahre reduziert werden sollte, auf 30 Jahre verlängert . Damit haben wir dem aus- drücklichen Wunsch der Wissenschaft und auch der Sta- tistikerinnen und Statistiker entsprochen . Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum vorgelegten Än- derungsantrag der Koalition ausdrücklich bestätigt, dass diese Verlängerung im Einklang mit der Rechtsprechung steht . Die Bundesbeauftragte hält jedoch eine Speicher- frist der Unternehmenskennziffern von zehn Jahren für ausreichend bemessen und 30 Jahre für unverhältnismä- ßig . Hier irrt meines Erachtens die Bundesbeauftragte . Zum einen ist es genau Sache des Gesetzgebers, die Frist so festzusetzen, dass verlässliche Aussagen für Politik und Wissenschaft über einen länger zurückliegenden Zeitraum getroffen werden können . Zum anderen wird lediglich eine verschlüsselte Kennnummer gespeichert, die keinen Rückschluss auf das konkrete Unternehmen zulässt . Weiterhin sind die Unternehmensdaten gerade in den ersten zehn Jahren besonders schutzwürdig – und diesen Zeitraum findet auch die Datenschutzbeauftragte  angemessen abgesichert . Da sich der technische und sta- tistische Schutz in der weiteren Laufzeit nicht ändert, ist es Sache des Gesetzgebers, diese Frist angemessen fest- zusetzen . Darüber hinaus haben wir noch an einer weiteren Stel- le eine Verbesserung vorgenommen . So wird künftig auch das Informationsbedürfnis der Gemeinden und Gemein- deverbände, also der Kommunen, bei Anordnungen von Bundesstatistiken Möglichkeiten der Berücksichtigung finden. Diese waren bereits in der alten Fassung des § 5  Absatz 3 benannt . Hiernach muss die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre berichten, welche Kosten die Statistiken nach § 5 Absatz 2 und § 7 Bundesstatistikgesetz bei Bund und Ländern einschließ- lich Gemeinden und Gemeindeverbänden verursachen . Darum war es nun folgerichtig, in der jetzt vorgelegten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616556 (A) (C) (B) (D) Gesetzesnovellierung auch § 5 Absatz 1 um die Gemein- den und Gemeindeverbände zu ergänzen . Da das Infor- mationsbedürfnis der Länder implizit auch Kommunen beinhaltet, sollten diese auch im Gesetzestext erwähnt werden und so ihren legitimen Interessen entsprechend Geltung verschaffen können . Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, bei Gesetzentwürfen Expertinnen und Experten zu Wort kommen zu lassen, sei es in Anhörungen oder in direkten Gesprächen . Die Theorie muss sich an der praktischen Erfahrung messen lassen . Das ist ein wichtiger Grund- satz . Wir haben berechtigte Einwände beherzigt und nachgebessert . Das schafft nicht nur bessere Resultate, sondern stärkt auch das Vertrauen in unsere fachpoliti- sche Arbeit . Lassen Sie mich am Ende noch einmal zusammen- fassen, was wir heute beschließen . Wir bringen mit der Gesetzesänderung eine Novellierung auf den Weg, die wichtige Modernisierungen vornimmt . Sie entlastet die Menschen, macht  die Verfahren  effizienter  und  schafft  Rechtsklarheit . Sie bringt uns mit EU-Recht in Einklang und vereinfacht den Austausch . Das Gesetz folgt in vie- len Punkten den Empfehlungen des statistischen Beirats und trägt durch unsere Arbeit auch noch Erfordernissen der Nachbesserung Rechnung . Also: insgesamt ein gutes Ergebnis . Lassen Sie es uns heute beschließen und damit eine gute Arbeitsgrundlage für Statistik und Forschung legen . Jan Korte (DIE LINKE): Wir beraten hier heute ein- mal mehr ein datenschutzrelevantes Thema, welches auf den ersten Blick nicht nur staubtrocken, sondern auch unbedeutend daherkommt . Dem ist aber mitnichten so; denn das Bundesstatistikgesetz regelt das gesamte Or- ganisations- und Verfahrensrecht der Bundesstatistik in Deutschland . Der Kollege Ostermann hatte deshalb rich- tigerweise in der ersten Lesung bereits festgestellt, dass unsere Debatte „die informationelle Basis unseres Staa- tes und damit unserer Gesellschaft betrifft“ . Worum geht es dabei genau? Es ist unbestreitbar, dass die Politik auf verlässliche statistische Daten zur wirt- schaftspolitischen Steuerung und zur Planung des Res- sourceneinsatzes für den Erhalt und Ausbau öffentlicher Infrastruktur angewiesen ist . Die aktuelle Novellierung soll das Bundesstatistikgesetz „praxisgerecht“ moderni- sieren sowie Unternehmen und Bürgerinnen und Bür- ger bei der Erstellung von Statistiken durch Rückgriff auf bereits vorhandene Verwaltungsdaten entlasten . Die Vermeidung aufwendiger Befragungen von Bürgern und Unternehmen durch die Nutzung ohnehin schon vor- handener Daten leuchtet ein . Allerdings gehen mit den zentralisierten Zusammenführungen der zahllosen be- hördlichen Datensammlungen aus unserer Sicht auch et- liche Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung einher . So gehen die Gesetzesänderungen im Gefolge einer Harmonisierung auf EU-Ebene, die sicherlich sinnvoll ist, allerdings auch mit einer Ermächtigung der Bundes- regierung zum Erlass von Rechtsverordnungen einher . Zugleich sieht der Gesetzentwurf eine nicht hinzuneh- mende Absenkung der Hürden für die Anordnung frei- williger Erhebungen vor . Sie wollen die Anforderung aus dem Gesetz streichen, dass Erhebungen zur Vorbereitung und Begründung anstehender Entscheidungen dienen sollen . Gegen diese Streichung hat auch die Bundesda- tenschutzbeauftragte protestiert . Aber Kritik aus dieser Richtung zu ignorieren, ist offenbar inzwischen Leitlinie Ihrer Politik im Bereich des Datenschutzes geworden . Bedenken haben wir, anders als die Datenschutzbeauf- tragte, hinsichtlich der in § 13 (2) vorgesehenen Einfüh- rung eines bundesweiten Anschriftenregisters . Mit dem Anschriftenregister könnte eine neue Superdatenbank über die Bevölkerung in Deutschland entstehen . Nach der Gesetzesbegründung soll damit die Grundlage für stich- probenartige Erhebungen und Befragungen wie dem Mi- krozensus geschaffen werden . Nun stellt sich schon die Frage nach der Notwendigkeit eines Mikrozensus, wenn die Datenbasis des Statistischen Bundesamtes durch Rückgriff auf Verwaltungsdaten ohnehin deutlich ausge- dehnt wird . Neben den klassischen Bestandteilen einer Anschrift wie der postalischen Adresse, der Geokoor- dinate  zur  eindeutigen  Identifizierung  des Grundstücks  sowie einer Ordnungsnummer zur Unterscheidung der einzelnen Datensätze sollen auch die „Gesamtzahl der Personen“ je Anschrift sowie die „Wohnraumeigen- schaft“ im Sinne von Gebäude mit Wohnraum, mit po- tenziellem Wohnraum oder ohne Wohnraum gespeichert werden . So eine Sammlung ist aus unserer Sicht sehr heikel und könnte in gewisser Form ähnlich wie eine Identifikationsnummer wirken, insbesondere dann, wenn  diese „Ordnungsnummer“ mit anderen Datensätzen und Datenbanken verknüpft wird . Es handelt sich derzeit dabei zwar um ein statistikinternes Register, das damit sowohl den üblichen datenschutzrechtlichen Regelungen als auch dem Statistikgeheimnis unterliegt und dessen Angaben daher nicht übermittelt werden dürfen, solan- ge dafür keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht . Aber die Erfahrung zeigt doch, dass das Vorhan- densein solcher Daten allein schon Begehrlichkeiten bei allerlei Behörden weckt . Das Anschriftenregister ist da- her aus unserer Sicht überflüssig und gefährlich. Problematisch erscheint mir überdies, dass künftig „zur Pflege und Führung des Registers … Angaben aus  Bundes- und Landesstatistiken sowie aus allgemein zu- gänglichen Quellen verwendet werden [dürfen] .“ In Zei- ten zunehmender Digitalisierung des Alltags sollte man es staatlichen Behörden nicht ohne Weiteres erlauben, sogenannte „allgemein zugängliche Quellen“, die zur Rasterung dienen können, zu nutzen . Formulierungen wie in Absatz (3) § 11 a, wonach „bei der elektronischen Übermittlung … ein dem Stand der Technik entsprechendes Verschlüsselungsverfahren zu verwenden [ist]“ sind ebenfalls unzureichend . Es ist nicht nachvollziehbar, warum nicht explizit höhere An- forderungen, ähnlich wie die vom BSI für die Verschlüs- selung der Vorratsdatenspeicherungsdaten verlangten, gestellt werden . Es geht schließlich um massenhafte sensible personenbeziehbare Datensätze der Bürgerin- nen und Bürger . Vor diesem Hintergrund halte ich auch die Vorgaben für die gesonderte Speicherung der unter- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16557 (A) (C) (B) (D) schiedlichen Datensätze in § 12 für technisch unpräzise und unzureichend . Auch dass nun in § 15 (4) die Möglichkeit zur tele- fonischen statistischen Befragung massiv ausgeweitet wird, halte ich für bedenklich . Wie soll sich ein Telefon- gesprächspartner ausweisen bzw . als „zulässiger, echter“ „Erhebungsbeauftragter“ verifizieren? Wie will man den  möglichen Missbrauch eindämmen? All diese Fragen sind leider bislang ungeklärt oder unbefriedigend beant- wortet worden . Damit aber nicht genug: Die Länder sollen weiter- gehend als bislang zur Anlieferung von Daten an das Bundesamt verpflichtet werden. Kein Wunder, dass vom  Bundesrat massive Bedenken gegen den Gesetzentwurf geltend gemacht wurden, die sich auf die föderale Zu- ständigkeitsordnung beziehen . So sollen nach einzelnen Regelungen Verwaltungsdaten der Kommunen direkt an das Bundesamt gegeben werden . Der Bundesrat fordert, dass die Prüfung der Geeignetheit der Daten für eine sta- tistische Aufbereitung bei den Ländern verbleiben soll . Bei der Umgestaltung des Unternehmensregisters fühl- ten sich die Bundesländer zu Recht zu bloßen Zuliefe- rern von Daten herabgestuft . In der Folgenabschätzung des Gesetzentwurfs ist noch nicht einmal angegeben, welcher Erfüllungsaufwand sich für die Länder schon al- lein durch gesetzliche Anpassung und der Änderung von Verordnungen ergibt, zu Kosten äußert sich der Entwurf an dieser Stelle gar nicht . Darauf hat auch der Normen- kontrollrat hingewiesen . In einem Änderungsantrag ist die Koalition nun im- merhin zum Teil auf diese Bedenken eingegangen . Bei der Anforderung von Daten, die auf kommunaler Ebe- ne erhoben werden, soll nun zumindest das Benehmen mit den eigentlich zuständigen Landesämtern hergestellt werden . Das ist gut, reicht aber bei weitem nicht aus . Wie eingangs bereits betont: Erhebungen stellen eine wichtige Grundlage zielgerichteten staatlichen Handelns dar . Statistiken sollen und können helfen, die Welt zu verstehen, um sie besser zu machen . Das Bundessta- tistikgesetz sieht deshalb vor, dass „gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge aufge- schlüsselt“ werden . Meine Fraktion will, dass Politik und Verwaltung ver- lässliche Daten zur Verfügung haben . Dies darf aber nur unter strikter Beachtung und Einhaltung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung geschehen . Den vorliegenden Gesetzentwurf können wir, trotz der Nach- besserungen, aufgrund der oben geschilderten Bedenken nicht mittragen . Wir werden uns deshalb enthalten . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die für Regierungen als auch für vernünftige parlamentarische Betrachtungen der Wirklichkeit so grundlegende und wichtige Arbeit der Statistikbehörden unterliegt, neben zahlreichen anderen Vorgaben, beson- deren datenschutzrechtlichen Anforderungen . Mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungs- gerichts aus den 80er-Jahren zum damaligen Zensusge- setz begann ein Prozess der Vergesetzlichung auch der amtlichen Statistik . Denn, so hielt es das Gericht damals fest, auch die für rein statistische Zwecke erhobenen, aber auf personenbeziehbare Daten basierenden Bestän- de werfen Risiken für die informationelle Selbstbestim- mung der Bürgerinnen und Bürger auf, denen der Gesetz- geber mit effektiven Schutzregelungen begegnen muss . Der heute hier zur Abstimmung gestellte Entwurf des Bundesstatistikgesetzes erweitert und vertieft die Mög- lichkeiten bundesdeutscher Statistikbehörden, insbeson- dere aber des Bundesamtes für Statistik, Informationen und Daten der Bürgerinnen und Bürger zu erfassen und auszuwerten . So sind die verstärkte gegenseitige Nut- zung von Datenbeständen zwischen den Behörden sowie die Schaffung einer dauerhaften Rechtsgrundlage für ein adressgenaues Anschriften- und Gebäuderegister für die gesamte Bundesrepublik, betrieben unter der Federfüh- rung des Bundesamtes, beispielhaft zu nennen . Wir haben, anders als die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, welche dem Innenausschuss freundlicher- weise ihre Stellungnahme zum Gesetzentwurf, dessen grundsätzliche Intention wir wie ausgeführt teilen, hat zukommen lassen, Bedenken, ob dieses geplante Regis- ter die Schwelle der datenschutzrechtlich notwendigen hinreichenden Erforderlichkeit tatsächlich erreicht . Immerhin wird eine umfangreiche bundesweite Be- stände aufweisende Datenbank dauerhaft angelegt, mit der PLZ, Gemeinde, Straße und Hausnummer, eine Ord- nungsnummer, die Anzahl der Personen pro Haushalt, die Wohnraumeigenschaft, mit der Möglichkeit der Zuspei- cherung von Daten aus Registern (aus Land und Bund) und allgemein zugänglichen Quellen, erfasst werden . Wir hatten solche Erfassungsmöglichkeiten bislang nur temporär, aus Anlass eines Zensus, eröffnet . Dass wir allein für Stichprobenerhebungen der Statistikbehörden zu den unterschiedlichsten Zwecken nun eine dauerhafte Speicherung brauchen, das scheint weder zwingend noch scheint es dem Grundsatz der Datensparsamkeit Rech- nung zu tragen . Richtig ist zwar, dass die Daten bereits dadurch ge- schützt sind, dass sie der strengen statistischen Geheim- haltung nach § 16 BStatG unterliegen und an Stellen außerhalb der Statistik nur in gesetzlich geregelten Aus- nahmefällen und in anonymisierter Form übermittelt werden dürfen . Mit der Durchführung von Bundessta- tistiken sind ausschließlich Amtsträger und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes betraut, die bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf die Einhaltung des Statistikgeheim- nisses  besonders  verpflichtet  wurden.  Verstöße  gegen  die statistische Geheimhaltung werden strafrechtlich ver- folgt und können mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jah- ren geahndet werden. Als statistikspezifische Ergänzung  der Strafvorschriften der §§ 203 ff . StGB ist außerdem eine Zusammenführung von Einzelangaben aus Bun- desstatistiken oder solcher Einzelangaben mit anderen Angaben zum Zwecke der Herstellung eines Personen-, Unternehmens-, Betriebs- oder Arbeitsstättenbezugs au- ßerhalb der Aufgabenstellung des BStatG oder der eine Bundesstatistik anordnenden Rechtsvorschrift untersagt (Verbot der Reidentifizierung gemäß §§ 21, 22 BStatG).  Gleichwohl muss es auch für die – zunächst intern blei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616558 (A) (C) (B) (D) benden – Informationen der Bürgerinnen und Bürger in den Statistikbehörden bei der Einhaltung aller zentralen Grundsätze des Datenschutzes bleiben . Eine strafrecht- liche Bewehrung von Verstößen kann das Fehlen der Einhaltung anderer Bestimmungen nicht ohne Weiteres kompensieren . Wir verstehen, dass im Zeitalter von Big Data auch die Statistikbehörden nicht ins Hintertreffen geraten wollen . Und vielleicht ist dies ja eine zwingende Entwicklung: Auch die staatlichen Stellen müssen – Stichwort E-Go- vernment – eine Modernisierung ihrer Informations- und Verwaltungsinfrastrukturen erbringen, die eine der zen- tralen Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte darstellt . Gerade die Statistik wird heute mehr mit Unternehmen wie Google oder Facebook assoziiert, auch wenn wir wenig über deren Berechnungsmethoden und Algorithmen im Einzelnen sagen können, weil sie unter dem Schirm der Betriebs- und Geschäftsgeheim- nisse verwahrt bleiben, obwohl deren Wirkungen heute ganze Gesellschaften betreffen . Es ist also nur verständ- lich, dass unsere Statistikbehörden hier nachrüsten wol- len . Doch wir sollten aufpassen, von Beginn nicht auf das falsche Gleis zu kommen . Die Bundesverwaltung kann und muss mit besonderem Beispiel vorangehen, wenn es um die Wahrung von Allgemeinwohlbelangen und die Gewährleistung der Rechte der Bürgerinnen und Bür- ger im Zuge der Digitalisierung geht . Dies gilt auch für die im Rahmen dieses Verfahrens umstrittene Frage der Speicherung von Wirtschaftsstatistikdaten unter einheit- lichen Ordnungsmerkmalen . Zunächst gilt: Auch wir begrüßen die Möglichkeit der Zusammenführung von Wirtschaftsstatistikdaten für wis- senschaftliche Zwecke . Die Regelung der Vergangenheit sah allerdings eine bis zu 30-jährige zulässige Speicher- frist vor, und zwar mit der Maßgabe, dass die zu Zwecken der Wirtschaftsstatistik in unterschiedlichen Datenban- ken erfassten Daten mit einheitlichen Ordnungsnummern abgespeichert werden . Der Bundesgesetzgeber hat dieser besonderen Risikolage für Betroffene mit einer Geset- zesänderung Rechnung tragen wollen, indem er die in § 13 a BstatG festgelegte Speicherfrist auf zehn Jahre reduzieren wollte . Diese datenschutzrechtlich positive Änderung – wir können das vom Bundesministerium des Innern nicht häufig sagen – begrüßen wir. Leider hat die Große Koalition eine Rolle rückwärts angetreten und zielt mit ihrem Änderungsantrag auf die Beibehaltung der 30-Jahre-Frist . Die BfDI hat dazu ihre Stellungnahme vorgelegt; sie zitiert dazu neuere Recht- sprechung insbesondere des VGH Mannheim, wonach die gleichzeitige Speicherung einheitlicher Kennnum- mern bei Einzelunternehmern, zum Beispiel Rechts- anwälten oder Steuerberatern, in verschiedenen Statis- tikregistern eine Zusammenführung unterschiedlicher Informationen zu Einzelunternehmern erlaube, die so nicht mehr mit dem Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung vereinbar seien . Wer die zum Teil äußerst fein- granulierten Erhebungen der Statistikbehörden in diesem Bereich der Wirtschaftsstatistik kennt, kann nachvollzie- hen, worin hier die Probleme bestehen . So können etwa die monatlichen Einkünfte eines einzelnen Rechtsanwal- tes über den gesamten Erfassungszeitraum von 30 Jah- ren, in Zusammenschau mit weiteren Informationen zu seiner Kanzlei, bei den Statistikbehörden hinterlegt sein . Und diese Datenbestände müssen wir uns vor dem Hin- tergrund einer zunehmend vernetzten Datenverarbeitung dieser Behörden mitsamt den gegenseitigen Zugriffsbe- fugnissen vorstellen . Wir teilen deshalb die Auffassung der Bundesbeauf- tragten für den Datenschutz und die Informationsfrei- heit, dass der Änderungsantrag der Großen Koalition in diesem Punkt zu weit geht und lehnen die Beibehaltung der überlangen Speicherfrist angesichts der einheitlichen Ordnungsmerkmale und der damit verbundenen Daten- schutzrisiken ab . Die Aussagekraft von Wirtschaftsstatis- tiken an sich wird von einer dementsprechend verkürzten Speicherfrist nicht erheblich beeinträchtigt . Im Gesamturteil können wir deshalb diesem Gesetz- entwurf, der in einiger Hinsicht auch die Umsetzung notwendiger EU-rechtlicher Vorgaben sowie nachvoll- ziehbare Verbesserungen der Stellung des Bundesamtes beinhaltet, nicht zustimmen . Unsere Enthaltung mag hin- länglich zum Ausdruck bringen, welche Komplexität die Bewertung der Gemengelage aus unterschiedlichen Zie- len aufweist, die mit Statistikgesetzgebung einhergehen . Umso wichtiger erscheint uns, dass für diesen Bereich im parlamentarischen Verfahren zukünftig versucht wird, von vornherein der Komplexität der zu regelnden Ver- fahren und aufgeworfenen Fragen dadurch Rechnung zu tragen, dass die Möglichkeiten der gemeinsamen vorhe- rigen fachlichen Befassung ausgeschöpft werden . Die Perspektive von Big Data in den Statistikbehörden sollte uns dazu veranlassen, zukünftig dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zu widmen . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ers- ten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstruk- turgesetzes (Tagesordnungspunkt 23) Artur Auernhammer (CDU/CSU): Der Milchmarkt in Deutschland liegt am Boden . Die Agrarwirtschaft in unserem Land wird durch die aktuelle Preispolitik krank . Die Herren Engels und Marx würden heute wohl sagen: Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst katastro- phaler Milchpreise . Wer aber glaubt, die Milchpreissituation auf dem deut- schen Markt sei singulär eine Folge der ausgelaufenen Milchquote, der irrt . Unterschätzen wir nicht die aktuel- len politischen Geschehnisse in Europa, in der Welt; denn der Milchmarkt verändert sich derzeit rasant . Unsere na- tionale Aufgabe ist es, für unsere Bäuerinnen und Bauern Lösungen zu finden, wie der deutsche Milchmarkt gesi- chert werden kann . Die Lösung selbst dafür müssen wir aber mindestens auf der europäischen Ebene finden.  Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16559 (A) (C) (B) (D) Wenn wir bislang unter Globalisierung auch ein Zu- sammenrücken der Staaten im Handel verstanden ha- ben, dann spüren wir derzeit die Auswirkungen einer Globalisierung der Stufe 2 .0 plus . Deutlich wird, dass die eigenen heimischen Milchmärkte unserer Export-Im- port-Partner, wie beispielsweise in China, gestärkt sind und selbstbewusster agieren als früher . Dass bayerische Exportmilch in China bessere Preise erzielt als heimische China-Milch, ist leider ein Fakt der Vergangenheit . Von einem Exporteinbruch kann dennoch nicht ge- sprochen werden . Allein die Gewinnmargen sind ge- ringer und eignen sich kaum noch, den heimischen deutschen Milchmarkt zu subventionieren . Doch das ge- schieht oftmals . Der Rohmilchpreiserlös je Kilogramm liegt bei einigen Molkereien derzeit bei 17 bis 18 Eu- rocent . Mehr zahlt der Lebensmitteleinzelhandel derzeit nicht . Dass vereinzelte Molkereigenossenschaften und -vereinigungen freilich den Milchbauern noch mehr zah- len können, liegt an einer Mischkalkulation mit Quersub- ventionierung aus höheren Erlösen aus beispielsweise Trockenmilch . Zudem spüren wir in Deutschland eine zunehmende Vitalisierung europäischer Konkurrenz . Irland erhöhte die Milchproduktion in den letzten Jahren exorbitant . Die ganzjährige Weidehaltung macht Irland zu einem Milch- hotspot innerhalb der EU . Daran wird deutlich: Es gibt keine nationale Lösung . Das Problem ist schon auf europäischer Ebene schwer zu justieren . Der Milchmarkt macht schon seit etlichen Jahrzehnten nicht mehr an den Alpenkämmen halt . Aber er wird zunehmend auch nicht vom Atlantik und den Karpaten begrenzt . Der Milchmarkt ist dabei, sich gänz- lich der Globalisierung hinzugeben . Wer jetzt eine neue Milchquotierung der EU fordert, verkennt deren markt- verzerrende Wirkung und hat aus den letzten 35 Jahren Milchquotenregelung nichts gelernt . Die Milchquote hat den Start für eine gesunde Agrarmarktaufstellung im Segment Milch ins heutige Jahr verschoben . Einen Ge- fallen haben wir uns damit nicht getan . Was nun greifen muss, ist die soziale Marktwirtschaft . Und dazu gehört eben auch, dass wir die Marktwirtschaft nicht verlassen . Nur so sind wir erfolgreich . Mit dem Agrarstrukturänderungsgesetz wollen wir nun einen Weg beschreiten, der nach marktregulatorischen Mechanis- men sucht, die den Übergang aus der Milchkrise durch Kartellbildungen suchen . Ich bin weiterhin bemüht, den Nutzen dieser Maßnahme zu finden. Bislang vergebens.  Ich weiß, dass Planwirtschaft stets die Theorie der Praxis vorzieht . Daher glaube ich, dass dieses Gesetz bestenfalls psychologisch beruhigend wirken kann . Bestenfalls! Einen praktischen Nutzen, der die Existenzen schützt, der das Einkommen der Landwirte absichert, die Milchwirtschaft nachhaltig stärken kann und nicht zu- letzt die Lebensmittelsicherheit gewährleistet, wird zum jetzigen Zeitpunkt keiner absehen können . Ich kann es derzeit nicht . Unbestritten ist, dass wir die Lieferbeziehungen zwi- schen Molkereien und Erzeugergemeinschaften ver- stärken müssen . Unbestritten ist, dass der Lebensmit- teleinzelhandel sich zunehmend der Verantwortung der Bürgerschaft gegenüber den Erzeugern bewusst wird . Unbestritten aber auch, dass hier noch viel zu tun ist und wir am Anfang eines solchen Bewusstseins stehen . Es ist heute nicht der Anlass, Raubrittermethoden des Handels gegenüber der Bauernschaft anzuprangern . Aber ich stelle als Landwirt und Verbraucher gleichermaßen fest, dass die Rolle des Einzelhandels in der Lebensmit- telversorgung flächendeckend nicht der entspricht, der sie  entsprechen könnte und sollte! Denn Lebensmittelversor- gungssicherheit kann nicht allein Aufgabe der Landwirte sein . Sie ist auch Angelegenheit der Lebensmittelketten . Und da sei klar erklärt: Wer einen Zusammenschluss von Tengelmann und Edeka feiert, kann sich heute nicht als Robin Hood feiern lassen . Den Lebensmittelhandelskon- zernen kommt im besonderen Maße die Aufgabe zu, Fair Trade zu leben . Wer sich über Fair-Trade-Kaffee freut und Milchpreise von 18 Eurocent je Kilogramm zu zah- len bereit ist, versteht nicht, dass gerechter Handel eben auch in Deutschland beginnt . Ob dieses Gesetz die Lösung aus der Krise ist, wird die Zukunft zeigen . Ich wünschte mir eine schnelle und effektivere Lösung, die zudem das zunehmend unausge- sprochene Problem der Mangelernährung in Jemen, in Syrien und anderen Krisenregionen im Blick hat . Unsere Überproduktion wird benötigt! Menschen hungern! Da können wir nicht in Deutschland, in Spree-Athen ernst- haft debattieren, wie wir die Milchmengen künstlich re- duzieren . Ich plädiere für eine aktive humanitäre Hilfe – und das schnell und unkompliziert –, die den Hunger in den Krisengebieten lindert! Entscheidend ist: Diese Hilfe darf nicht stoppen, wenn wir mit den Milchpreisen aus der Talsenke zu höheren Preisen finden. Wenn wir diesen Lösungsansatz verfol- gen, verpflichten wir uns, unseren Mitmenschen  länger  zu helfen und ihr Leid zu lindern . Wir dürfen sie nicht für die Krisenbewältigung benutzen, aber wir dürfen hel- fen – helfen, wo Hilfe dringend nötig ist! Für den Moment gilt: Das Gesetz sollten wir zur Be- ratung in die Ausschüsse überweisen . Ich befürchte aber, dass eine segensreiche Wirkung von diesem Gesetz und den daraus folgenden Maßnahmen eher gering sein wird . Ich würde mich freuen, wenn ich mich irre und dies die Beratungen in den Ausschüssen zeigen . Kees de Vries (CDU/CSU): Mit dem Auslaufen der Milchquote war klar, dass wir die Milchwirtschaft in den, von der Mehrheit der Branche gewollten, freien Markt entlassen . Und wenn wir ehrlich sind, sollten wir nun sagen, dass es jetzt in der Krise keine andere Lösung gibt, als die Marktkräfte im Rahmen der sozialen Markt- wirtschaft zu entfalten . Das bedeutet in der Konsequenz auch: Die Milchproduktion muss reduziert werden . Sonst wird sich die Lage am Milchmarkt nicht entspannen . Eine solidarische, europaweit vereinbarte Produkti- onsverringerung kann eine Lösung sein . Das würde be- deuten: Alle Milchproduzenten in der EU vereinbaren über ihre Organisationen gemeinsam eine Produktions- begrenzung . Dem stehen aber bisher die geltenden Geset- ze im Weg . Deshalb wurde die Kommission am 14 . März 2016 aufgefordert, die befristete Möglichkeit zu schaf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616560 (A) (C) (B) (D) fen, die Rohmilchproduktion auf freiwilliger Basis zu regulieren . Daraufhin hat die Kommission den Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes und eines delegierten Rechtsaktes vorgelegt . Die Entwürfe sehen vor, dass an- erkannte Agrarorganisationen sowie Genossenschaften und andere nicht anerkannte Erzeugervereinigungen im Milchsektor befristet für einen Zeitraum von sechs Mo- naten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen treffen und Beschlüsse fassen können, welche die Planung der Milchproduktion zum Gegenstand haben . Der Anwen- dungsbereich des geltenden Agrarmarktstrukturgesetzes soll hiernach auf nicht anerkannte Agrarorganisationen ausgedehnt werden, da die EU-Rechtsakte auch für die- se Organisationen die Möglichkeit von Vereinbarungen und Beschlüssen anlässlich von Marktkrisen vorsehen . Dem können wir als CDU/CSU-Fraktion zustimmen und haben heute diesen Beschluss als Gesetzentwurf einge- bracht . Damit wollen wir nicht nur kartellrechtliche Er- leichterungen für Mengenabsprachen ermöglichen, son- dern auch eine Steuerung der Angebotsmenge durch die Erzeuger selbst ermöglichen, um so ein besseres Gleich- gewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen . Es wird sicherlich nicht einfach sein, dieses Ziel zu erreichen . Aber damit haben diejenigen, die unter dieser Überproduktion leiden, sie aber gleichzeitig auch zu ver- antworten haben, es selber in der Hand, eine Lösung her- beizuführen . Hoffen wir, dass jeder diese Chance auch versteht . Abschließend lassen Sie mich zusammenfassen: Dieser Gesetzentwurf ist nicht zu beanstanden, und ich bitte um Ihre Zustimmung . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Der internationale Milchmarkt ist derzeit aus dem Gleichgewicht geraten . Ist die Nachfrage nach Milchprodukten weltweit bis 2014 noch gewachsen, leidet der Milchsektor derzeit an einem Überangebot, das die Preise in die Tiefe stür- zen lässt . Die Preise für konventionelle Milch liegen in Deutschland derzeit bei 26 Cent je Kilogramm . An- fang 2014 lag der Preis noch bei über 40 Cent je Kilo- gramm . Auskömmliche Preise liegen, je nach Betrieb, bei 33 bis 35 Cent je Kilogramm . So erzielt ein Landwirt derzeit rund 32,5 Prozent weniger Umsatz je Kuh, was bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von 30 Litern einen Verlust gegenüber 2014 von 3,90 Euro je Tier pro Tag bzw . über 1 400 Euro pro Jahr ausmacht . Die Gründe für die niedrigen Preise sind vielfältig: So ist auf der internationalen Ebene die Nachfrage einge- brochen . Vor allem aufgrund der Wirtschaftskrise in der Volksrepublik China und den arabischen Staaten sowie nach den Handelsrestriktionen durch die Russische Fö- deration wird international weniger Milch gehandelt . Hinzu kommt, dass spätestens mit dem EU-Milchquoten- ende Anfang 2015 die Milchproduktion in der EU zuge- nommen hat . Gerade in EU-Mitgliedstaaten wir Irland oder den Niederlanden stieg die Milchproduktion um 13 bzw . 7 Prozent an, während die Anzahl der Tiere nicht abgenommen hat . Seien wir ehrlich: Auch die Förderprogramme der Bundesländer haben ihren Beitrag dazu geleistet, dass die deutschen Milchbauern in die Modernisierung und die Erweiterung ihrer Kapazitäten zu Zeiten von hohen Preisen investiert haben . Hinzu kommt, dass ein Oligo- pol im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Molkereien den Bauern die Preise diktiert . Dabei ist Gewinnmaxi- mierung die Handlungsmaxime . Hier haben wir auch ein grundlegendes Problem, dass die Andienungspflicht, also  die vertraglich garantierte Abnahme der Milch jeglicher Menge, einen freien Wettbewerb verhindert . Doch nun kommen einige Bauern in die Schwierig- keit, aufgrund des niedrigen Milchpreises ihre Kredite zu bezahlen . Kurzum: Der gesamte Milchmarkt ist derzeit in einer sehr schwierigen Lage . Auch lassen sich keine wesentlichen Produktionsver- ringerungen im Bereich der Milch und der Milcherzeug- nisse für die nächsten Jahre erkennen . Daher wollen wir als SPD die möglichen Stellschrauben drehen, um auf diese Situation angemessen reagieren zu können . Dazu gehört auch der heute diskutierte Entwurf zum Agrar- marktstrukturgesetz . Dieser stellt lediglich eine Umsetzung geltenden EU- Rechts dar . Das geänderte EU-Recht sieht die Möglich- keit vor, dass Agrarorganisationen und genossenschaft- liche Molkereien befristet für einen Zeitraum von sechs Monaten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen zur Milchmengenproduktion treffen können . Die Milchbau- ern und Molkereien können damit die Produktionsmenge flexibler steuern, um wieder zu auskömmlichen Preisen  zu kommen . Allerdings müssen wir noch genau prüfen, wie lange diese Ausnahmeregelung gelten soll . Meines Erachtens darf dies nur vorübergehend gelten . Außerdem sollte die gesamte Produktionskette mit einbezogen werden . Das heißt, es muss noch geklärt werden, wer alles zukünftig freiwillige Vereinbarungen treffen darf; denn im Entwurf heißt es, dass die Rege- lung auch für „nicht anerkannte Vereinigungen land- wirtschaftlicher Erzeugerbetriebe oder nicht anerkannte Vereinigungen dieser Erzeugervereinigungen“ gilt . Das heißt für mich, dass vom Landwirt über die Molkerei bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel alle erfasst sind und alle auch miteinander nun Vereinbarungen treffen dür- fen . Aber diese neue Möglichkeit des Marktes muss auch kontrolliert werden können . Wir als SPD werden da ge- nau hinschauen, dass dies auch geregelt wird . Mit dem Agrarmarktstrukturgesetz stellen wir uns als SPD unserer Verantwortung, aber es kann nur ein Beitrag von mehreren sein, um der Krise zu begegnen . Nur durch nationale Maßnahmen werden wir die Milchkrise nicht bewältigen können . Hierfür muss auch auf internationa- ler Ebene weiter Druck auf den Sektor ausgeübt werden . Wir brauchen seriöse Vorschläge, um den Sektor wirk- lich unterstützen zu können; denn das, was zum Beispiel die AMK beschlossen hat, ist hochgradig widersprüch- lich und mehr Symbolpolitik als tatsächliche Hilfe . Ei- nerseits wollen die Minister keine Rückkehr zur staat- lich  finanzierten  Milchquote,  andererseits  beschließen  sie eine an eine Mengenreduktion gekoppelte staatliche Bonuszahlung und/oder Liquiditätshilfe . Wir als SPD lehnen grundsätzlich jede Form eines erneuten Quoten- systems ab . Auch die Verstetigung des für 2016 um 78 Millionen Euro auf 178 Millionen Euro erhöhten Bundeszuschusses Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16561 (A) (C) (B) (D) zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch für die folgenden Jahre wird den Milchbauern nicht wirklich helfen . Das Geld wird doch dann nur im Gießkannen- prinzip auf alle Landwirtschaftsbetriebe verteilt . Was ha- ben denn die Milchbetriebe davon? Wir werden bei den Haushaltsverhandlungen genau prüfen, inwieweit wir diesen Schritt mitgehen können . Keine staatliche Men- genregulierung hat jemals Preisschwankungen verhin- dern können . Die Schwierigkeiten auf dem Milchmarkt werden sich nur durch mittel- und langfristige Struktur- veränderungen dieser Branche lösen lassen . Hier sind Supermärkte, Molkereien, Landwirte und Politik von Bund und Ländern gleichermaßen gefragt . Daher führt meines Erachtens kein Weg daran vorbei, dass wir die Verhandlungsposition der Landwirte gegen- über den Molkereien stärken müssen . Wir benötigen wie- der einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen den Mol- kereien und den Landwirten. Das geht nur mit flexibleren  Vertragsgestaltungen und einem Ende der Andienungs- pflicht. Auch müssen die Länder über ihre mit EU-Gel- dern gestützten Agrarförderprogramme noch stärkere Anreize schaffen, damit Landwirte vermehrt auf Bio und weitere nachhaltige, klima- und umweltverträgliche Hal- tungsweisen wie Weideprogramme setzen . Sie sehen, es gibt noch zahlreiche Maßnahmen, die er- griffen werden können, und wir haben noch einen langen Weg vor uns . Die Anpassung des Agrarmarktstrukturge- setzes ist dabei ein erster Aufschlag . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Lage in der konventionellen Milchviehhaltung ist sehr ernst . Seit vielen Monaten decken die Erzeugerpreise nicht einmal die Produktionskosten, geschweige denn die explodierten Bodenpreise oder die Zinsen für den Stallneubau . Ohne Solar- oder Biogasanlage könnten sich viele Landwirte Milchkühe längst nicht mehr leisten! Anderen Teilen der Landwirtschaft geht es nicht besser . Und wo ist der zuständige Minister? Auf Tauchstation . Die Koalition verharrt im Beobachtungsmodus . Dabei geht es in den Betrieben ums Überleben . Nicht wenige halten nur durch, weil sie sonst die Beschäftigten raus- werfen müssten . Deshalb frage ich Bundesminister und Koalition: Was sagen Sie Milchbauern, die überlegen, ob sie weiter jede Nacht zum Melken aufstehen oder die Kühe besser zum Schlachthof fahren sollen? Was raten sie dem Junglandwirt, der fragt, ob er den Milchviehbe- trieb der Eltern übernehmen oder sich lieber einen Job in der Stadt suchen soll? Oder was sagen Sie der Genossen- schaft, die fragt, ob sie weiter ausbilden soll? Sie haben die Betriebe mit Ihrer Fata Morgana eines unersättlichen Weltmarktes in eine Sackgasse gelockt! Und jetzt sagen Sie: Sie müssen schon selbst herausfin- den . – Dieser Zynismus ist unerträglich! Ihre Agrarpolitik hat doch versagt, nicht die Betriebe, die Ihnen geglaubt haben! Es war doch Minister Schmidt, der vor einem Jahr die Zukunft der Milchviehbetriebe nach dem Ende der Quote „sehr optimistisch“ sah . Es war doch Staats- sekretär Bleser, der im Bundestag kurz davor sagte: Ich appelliere an uns alle, mehr Vertrauen in die Märkte zu haben . – Genau diese Marktgläubigkeit ist ein schwerer Systemfehler, der endlich behoben werden muss! Man konnte es doch schon damals besser wissen . Zum Beispiel sagte ich in der Debatte vor einem Jahr: „Manche jubeln jetzt darüber, dass die Fesseln der Quote endlich fallen, damit sie endlich so viel Milch produzie- ren können, wie sie wollen . Wachstum ist hier das Zau- berwort . Der Preis für diese Freiheit könnte sich aber als  sehr hoch erweisen; denn die Profiteure dieser Ent- scheidung arbeiten nicht in den Kuhställen . Sie sitzen vor allen Dingen in den Chefetagen des Lebensmitteleinzel- handels und der Molkereien . Sie werden bald auf große Mengen billiger Milch zugreifen können . Gleichzeitig haben sie die Marktmacht, die Preise für die Erzeuger noch unter die Erzeugungskosten zu drücken, zum Wohl der  eigenen Profite.“ Manchmal möchte man  gar  nicht  recht behalten! Der Gipfel der Scheinheiligkeit aber ist, wenn sich jetzt Handel und Molkereien gegenseitig verdächtigen, sich auf Kosten der Betriebe zu bereichern! Sie nutzen beide ihre Marktübermacht aus! Aber weder Koalition noch Bundesregierung hindern sie daran, im Gegenteil . Sie raten zu stufenübergreifenden Branchenverbänden . Das wäre bei der Marktübermacht der Handels- und Mol- kereikonzerne ein Pakt mit dem Teufel! Ja, auch mit der Quote gab es zyklische Milchpreiskri- sen, weil auch sie auf einen unersättlichen Weltmarkt ori- entiert war! Und ja, es war ein sehr teures System, weil die Betriebe die Quoten an Börsen kaufen mussten . Des- halb war der Ausstieg aus dieser Quote richtig . Aber das Gegenteil eines Fehlers ist eben auch oft ein Fehler . Wie- so muss ich als Linke erklären, dass mit übermächtigen Molkerei- und Handelskonzernen ein fairer Wettbewerb nicht funktionieren kann? Die Milchseen und Butterber- ge machen es doch noch leichter, Dumpingpreise durch- zusetzen! Und die aktuelle Milchkrise ist noch härter als die vorangegangenen . Sie trifft nicht nur kleine Betriebe, sondern auch „Zukunftsbetriebe“, die dem Versprechen von den blühenden Landschaften des Ministers geglaubt und investiert haben! Es gilt nicht mehr „Wachse oder weiche“, sondern „Wachse und weiche“! Bei den landwirtschaftlichen Ein- kommen steht Deutschland unterdessen auf dem letzten Platz in der EU nach einem Absturz von 25 Prozent in- nerhalb der letzten fünf Jahre! Und es geht auch nicht nur um zu geringes Milchgeld . Längst ist der Boden als Exis- tenzgrundlage nicht mehr sicher, sondern zum Spekula- tionsobjekt geworden . Landwirtschaftsfremdes Kapital zieht wie Heuschrecken übers Land und treibt die Bo- denpreise in astronomische Höhen, die selbst ohne Krise mit Einkommen aus der Landwirtschaft nicht zu bezah- len sind! Eine Folge: In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel gehören bereits ein Drittel der Landwirtschafts- betriebe nicht mehr Ortsansässigen! Lebendige Dörfer brauchen aber die ortsansässige Landwirtschaft! Was muss sich also ändern? Für die Linke wiederho- le ich die Kernforderungen: Erstens . Wir brauchen eine flexible,  nachfrageorientierte  Mengensteuerung  gegen  Milchseen und Butterberge . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616562 (A) (C) (B) (D) Zweitens . Kartell- und Vertragsrecht müssen die Landwirtschaft auf Augenhöhe mit Molkereien und Han- del bringen . Drittens . Regionale Molkereien sind zum Beispiel in Brandenburg ein Erfolgsrezept . Viertens . Mehr regionale Lebensmittel im Handel – darauf setzt jetzt auch Thüringen . Fünftens: Sonderangebote bei Lebensmitteln gehören endlich verboten! Sechstens . Wenn Weidemilch draufsteht, muss sie auch drin sein . Wenn Brandenburg draufsteht, muss die Kuh auch dort gemolken worden sein . Siebentens . Kein Bauernland in Spekulantenhand! Achtens . Ein Erhaltungsgebot für landwirtschaftliche Flächen muss sichern, dass Milchviehbetriebe ihre Flä- chen nicht auch noch an den Straßenbau verlieren! Neuntens . Gut ausgebildetes Betreuungspersonal muss gut bezahlt werden . Faire Erzeugerpreise sind die Voraussetzung . Zehntens . Die Gesundheit von Kühen misst man an der Lebens-, nicht an der Höchstleistung! Ein einfaches Weiter-so ist jedenfalls keine Option! Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Noch im März 2015 haben Sie von CDU und CSU nicht aufgehört, die Zukunft der Milchbetriebe rosarot zu malen . Den Tüchtigen, denen, die Gas gäben, gehöre die Zukunft . Am 1. April fiel die Quote. 32 Jahre Mengenfessel wa- ren endlich weg, aber am 7 . April 2015 verkündete der LEH, den Liter Milch für 51 Cent zu verkaufen . Damit war der Traum ausgeträumt . Seitdem regieren Heulen und Zähneklappern . Von 35 Cent ging der Milchpreis auf heute teilweise um die 20 Cent zurück . Das führt gerade die großen Wachstumsbetriebe, aber leider auch die bäu- erlichen Betriebe in den Ruin . Alles ist in Bewegung, nur einer bewegt sich nicht: Minister – wie heißt er gleich? Ach ja: Schmidt . Alles ist in Bewegung, allerdings nicht zum Guten hin, son- dern stramm weiter, schneller, nur noch tiefer hinein in die Krise . Die ersten Bauern in NRW erhalten jetzt 15 Cent am Spotmarkt bei der Molkerei Wiegert, heu- te Fude + Serrahn, an denen DMK mehrheitlich, mit 51 Prozent, beteiligt ist . Dagegen könnte man die nied- rigen 23 bis 24 Cent, die DMK zahlt, sarkastisch noch fast als fürsorgliche Unterstützung bezeichnen, wenn die Situation nicht so ernst wäre . Alles bewegt sich . Die Milchanlieferung: höher, hö- her, höher . Immer weiter, aktuell 3,2 Prozent über dem Vorjahresniveau . Über 3 200 Höfe hörten 2015 schon auf, momentan fast 5 Prozent der Betriebe . Wohin uns das bringt, haben uns gerade die Preiskontraktverhand- lungen des LEH mit den Molkereien gezeigt: runter, run- ter, runter . Preisabschläge von 10 Cent sind das Ergebnis . Wir Milcherzeuger wissen, was das bedeutet, welche wegweisende Bedeutung dieses Ergebnis hat . Das ist eine Weichenstellung . Das ist eine Nachricht an den Markt . Jetzt ist die Büchse der Pandora geöffnet . Der LEH nutzt gnadenlos das Überangebot aus und treibt die Preise tie- fer und tiefer . Der Liter Milch für unter 50 Cent, billiger als Mineralwasser . Unmoralischer Tiefstand ist das . Bauernverband-Geschäftsführer Krüsken hat das als Bankrotterklärung des LEH und der Molkereien bezeich- net . Recht hat er . Ich würde das aber auch als Bankrott- erklärung dieses Ministers, den kaum einer kennt, be- zeichnen . Alle bewegen sich . Aber Minister Schmidt verweist alleine auf Besserungen in 2025 . Ich begrüße das Pilotverfahren des Bundeskartellam- tes . Es ist dringend notwendig, die Lieferbeziehungen auf dem Milchmarkt zu durchleuchten . Es ist aber auch dringend notwendig, das Gesetz, das Agrarmarktstruk- turgesetz, zu ändern und die Bündelung der Erzeuger zu stärken . Ich warne aber davor, in zu großer Zuversicht zu schwelgen, und mahne zur Vorsicht . Wenn das Verfahren darauf abzielt, die Flexibilität auf dem Markt zu erhöhen, führt das nicht automatisch zu einer Stärkung der Ver- handlungsposition der Milcherzeuger . Der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverban- des, Herr Eckhard Heuser, begrüßte die Eröffnung des Verfahrens.  Er  sieht  die  Abnahmepflicht  als  das  Pro- blem . Er möchte so von der Verantwortung der Molke- reien ablenken . Da wird das Pferd gefährlich von hinten aufgezäumt, so schwächen wir die Verhandlungsmacht der Erzeuger nur noch mehr . Wir brauchen eine andere Marktstruktur mit mehr und kleineren Molkereien . Das Bundeskartellamt muss prüfen, wie die Verhandlungspo- sition der Erzeuger zu verbessern ist . Alle bewegen sich . Die Agrarminister der Länder ha- ben in der AMK klare Aufträge an den Minister formuliert . Aber auch in Brüssel fordern zahlreiche Mitgliedstaaten wirkungsvolle Maßnahmen zur Mengenreduzierung, al- len voran Frankreichs Agrarminister Le Foll . Die Euro- päische Kommission in Brüssel hat bereits am 23 . März 2016 in ihrem Non-Paper deutlich aufgezeigt, welche Maßnahmen möglich sind: direkte Hilfen für die Erzeu- ger, keine rückzahlbaren Kredite, nur gekoppelt an eine einfache Leistung, Mengenreduzierung! Alle bewegen sich, nur einer steht still: Herr Minister Schmidt . Sie stehen mittlerweile auf einsamem Posten . Wie lange wollen Sie den Kopf in den Sand stecken und sich weigern, den Realitäten ins Auge zu schauen? Das Agrarmarktstrukturgesetz, über das wir heute debattieren, ist notwendig . Wir werden uns dem nicht verweigern . Aber, Herr Minister Schmidt, als Minister müssen Sie mehr tun . Agrarpolitik administrativ verwal- ten reicht nicht . Aktiv gestalten, das ist jetzt gefordert . Herr Minister Schmidt, ich fordere Sie auf: Stützen Sie die Linie vieler Bundesländer, denjenigen Molkereien und Milchbauern finanziell zu helfen, die Verantwortung  übernehmen und die Milchmenge reduzieren . Mengen- reduzierung – das weiß außer Ihrem Haus und Ihnen je- der – ist das Gebot der Stunde . Es hilft den Milchbäue- rinnen und -bauern wenig, wenn sie von Ihnen nur hören, 2025 werde es besser . Ja, bis dahin sind so viele Betriebe ruiniert, dass das sein kann . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16563 (A) (C) (B) (D) Das ist keine grüne Politik, hat aber auch mit christ- lich, wie Sie es proklamieren, nichts, aber auch gar nichts zu tun . Stellen Sie sich jetzt an die Seite Ihres französi- schen Amtskollegen Le Foll . Handeln Sie endlich! Mi- nister Schmidt, lösen Sie Probleme, statt weiter auf der Bremse zu stehen . Helfen Sie jetzt den Betrieben, damit sie morgen noch eine Zukunft haben . Anlage 20 Neudruck: Antwort des Parl . Staatssekretärs Dr . Ole Schröder auf die Fra- gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/8051, Fragen 29 und 30): Wie viele der Verstorbenen hatten nach Kenntnis der Bun- desregierung in den Jahren 2005 bis 2015 jeweils zum Zeit- punkt ihres Ablebens noch nicht das 65 . Lebensjahr erreicht, und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verstorbe- nen des jeweiligen Jahres? Wie viele der Verstorbenen hatten nach Kenntnis der Bun- desregierung in den Jahren 2005 bis 2015 jeweils zum Zeit- punkt ihres Ablebens noch nicht das 60 . Lebensjahr erreicht, und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verstorbe- nen des jeweiligen Jahres? Angaben hierzu liegen aus der Statistik der Sterbefälle des Statistischen Bundesamtes für die Jahre bis 2014 vor . Im Zeitraum 2005 bis 2014 sind insgesamt 1 392 271 Personen im Alter von unter 65 Jahren und davon 963 774 Personen im Alter von unter 60 Jahren gestorben . Der Anteil an den insgesamt Gestorbenen in diesem Zeitraum beträgt – bei den Personen, die noch nicht das 65 . Lebensjahr erreicht hatten, circa 16,3 Prozent, – bei den Personen, die noch nicht das 60 . Lebensjahr erreicht hatten, circa 11,3 Prozent . Ergänzende Angaben für die Jahre 2005 bis 2014, die wegen der begrenzten Antwortzeit nicht vorgetragen werden können, entnehmen Sie bitte der Übersicht, die wegen ihres Umfangs dem Protokoll beigefügt wird: Zahl und Anteil der im Alter von unter 65 bzw. unter 60 Jahren Gestorbenen Jahr Zahl der Gestorbenen im Alter von unter 65 Jahren Anteil an den im je- weiligen Jahr Gestor- benen in % Zahl der Gestorbenen im Alter von unter 60 Jahren Anteil an den im jewei- ligen Jahr Gestorbenen in % 2005 147 797 17,8 100 262 12,1 2006 141 508 17,2 99 373 12,1 2007 138 827 16,8 98 879 12,0 2008 138 096 16,4 98 329 11,6 2009 137 043 16,0 98 139 11,5 2010 137 431 16,0 96 844 11,3 2011 138 419 16,2 95 217 11,2 2012 137 074 15,8 92 627 10,7 2013 139 516 15,6 93 403 10,4 2014 136 560 15,7 90 701 10,4 Summe 1392 271 16,3 963 774 11,3 Quelle: Statistisches Bundesamt (163 . Sitzung, Anlage 17) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 167. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3, ZP 2 u. 3 Stahlindustrie in Deutschland und Europa TOP 4 Flexible Gestaltung der Arbeitszeit TOP 5 Änderung des Sexualstrafrechts TOP 29 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 30 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4 Aktuelle Stunde zu Rentenniveau und Altersarmut TOP 6 Jahresbericht 2015 des Wehrbeauftragten TOP 7 Arbeit für Menschen mit Behinderungen TOP 10 Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes ZP 5 Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union TOP 12 Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie TOP 11 Krankenversicherungsbeitrag auf Direktversicherungen TOP 14 Innovationstransfer in die Gesundheitsversorgung TOP 13 Engagement für Geflüchtete TOP 16 Nationales Reformprogramm 2016 TOP 15 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika TOP 18 Errichtung eines Transplantationsregisters TOP 17 Tag der Befreiung als gesetzlicher Gedenktag TOP 19 Abkommen mit Albanien über Soziale Sicherheit TOP 20 Unterbringung in einempsychiatrischenKrankenhaus TOP 21 Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt TOP 22 Änderung des Bundesstatistikgesetzes TOP 23 Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816700000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich .

Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, möchte
ich zwei Geburtstagsglückwünsche im Namen des Hau-
ses übermitteln, zum einen an die Kollegin Gabriele
Lösekrug-Möller zu ihrem 65 . Geburtstag, zum ande-
ren an den Kollegen Helmut Nowak, der seinen 75 . Ge-
burtstag gefeiert hat . Alle guten Wünsche für das neue
Lebensjahr!


(Beifall)


Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tages-
ordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten
Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Umgang mit der Presse- und Meinungsfreiheit
in der Türkei

(siehe 166 . Sitzung)


ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Ernst, Jutta Krellmann, Susanna Karawanskij,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Sicherung der Arbeitsplätze in der europäi-
schen Stahlindustrie
Drucksache 18/8237

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Oliver Krischer, Katharina Dröge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Europäische Stahlindustrie nachhaltig stär-
ken
Drucksache 18/8240

ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE:
Rentenniveau anheben – Altersarmut verhin-
dern

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Luise
Amtsberg, Manuel Sarrazin, Annalena Baerbock,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Flüchtlingsschutz und faire Verantwor-
tungsteilung in einer geeinten Europäischen
Union

Drucksache 18/8244
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung
Federführung offen

ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie

(9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Dr . Franziska
Brantner, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine öffentlichen Forschungsgelder für den
Wiedereinstieg in atomare Technologien –
6. Energieforschungsprogramm vollständig in
Richtung Energiewende weiterentwickeln

Drucksachen 18/5211, 18/8262

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Kai Gehring, Annalena Baerbock,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Europaweiten Atomausstieg voranbringen –
Euratom-Vertrag reformieren oder aussteigen

Drucksache 18/8242
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union






(A) (C)



(B) (D)


Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit
erforderlich, abgewichen werden . Der Tagesordnungs-
punkt 8 – hier geht es um die Beratung der Beschlussemp-
fehlung zum Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen För-
derung des Mietwohnungsneubaus – soll heute abgesetzt
werden . Die Tagesordnungspunkte der Koalitionsfraktio-
nen rücken entsprechend nach vorne . Der Tagesordnungs-
punkt 9 – hier geht es um den Antrag zur Neuordnung
der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – soll ebenfalls ab-
gesetzt werden und stattdessen ein Antrag mit dem Titel
„Flüchtlingsschutz und faire Verantwortungsteilung in
einer geeinten Europäischen Union“ aufgerufen werden .

Schließlich mache ich noch auf eine nachträgliche
Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunkte-
liste aufmerksam:

Der am 14 . April 2016 (164 . Sitzung) überwiesene
nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung (18 . Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen
werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und ande-
rer Vorschriften

Drucksache 18/8034
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung

Ich frage Sie, ob Sie mit diesen Vereinbarungen ein-
verstanden sind . – Das ist offenkundig der Fall . Dann ist
das so beschlossen .

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 3 sowie
zu den Zusatzpunkten 2 und 3:

3 . Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Stahlindustrie in Deutschland und Europa
stärken

Drucksache 18/8238

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Ernst, Jutta Krellmann, Susanna Karawanskij,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Sicherung der Arbeitsplätze in der europäi-
schen Stahlindustrie

Drucksache 18/8237

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Oliver Krischer, Katharina Dröge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Europäische Stahlindustrie nachhaltig stär-
ken

Drucksache 18/8240

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Aussprache 77 Minuten dauern . – Dazu höre ich keinen
Widerspruch .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Hubertus Heil für die SPD-Frak-
tion .


(Beifall bei der SPD)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1816700100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Auf der Tribüne sitzen Betriebsräte, Arbeit-
nehmervertreter aus Ilsenburg in Sachsen-Anhalt, aus
Salzgitter und auch aus meiner Heimatstadt Peine, von
Peiner Träger, von Salzgitter Flachstahl und einem Un-
ternehmen der Salzgitter AG in Ilsenburg .

Ich will eines vorweg sagen: Ich habe mir die Anträ-
ge angeschaut und festgestellt, dass sie sich in Nuancen
unterscheiden; aber ich glaube, wir können den Arbeit-
nehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertretern, den
Beschäftigten in der Stahlindustrie am heutigen Tag ein
Signal geben: Euer Schicksal ist uns nicht egal . Wir in-
teressieren uns dafür, dass die Arbeitsplätze in diesem
Bereich, dass die Wertschöpfung erhalten bleibt, und wir
geben die Stahlindustrie  in Deutschland nicht kampflos 
preis . – Ich glaube, das ist ein gemeinsames Signal .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich nenne Ihnen einige Zahlen . 90 000 Beschäftig-
te – in Europa sind es insgesamt 330 000 Beschäftig-
te – arbeiten direkt in der deutschen Stahlindustrie . Aber
die Stahlindustrie ist nicht nur Beschäftigungsgarant in
Deutschland, sie ist Grundlage in vielerlei Hinsicht für
das, was wir die industrielle Basis dieses Landes nennen .
Viele loben die industriellen Wertschöpfungsketten, die
wir  in Deutschland haben: von den Grundstoffindustri-
en über den produzierenden Mittelstand bis hin zu den
kleinsten Unternehmen . Diese Wertschöpfungsketten,
meine Damen und Herren, sind ein Grund, warum die
Bundesrepublik Deutschland anders als alle anderen
Volkswirtschaften besser durch die Wirtschafts- und Fi-
nanzkrise gekommen ist . Das entspricht inzwischen dem
Urteil aller Ökonomen .

Gerade weil das so ist, müssen wir begreifen, dass das
Vorurteil mancher, Stahl sei „old economy“, ein blödes
Vorurteil ist . Im Gegenteil: Stahlprodukte sind in vie-
lerlei Hinsicht als ein wesentlicher Grundstoff Voraus-
setzung für Innovation . Ich will das an drei Beispielen
deutlich machen .

Bei den erneuerbaren Energien kann man sagen:
Wind räder brauchen Stahl . Wir wissen, dass vieles, was
wir beim Anlagen- und Maschinenbau haben, von in-
novativen Werkstoffen aus Stahl abhängt . Ich habe ein
Beispiel mit Blick auf die Wasserkraft in Niedersachsen,
wo inzwischen die Salzgitter AG – um dieses Unterneh-
men anzusprechen – in ein großes Wasserrad investiert,
das auch bei Niedrigwasser die Möglichkeit eröffnet,
verlässlich Strom zu produzieren . Ich will gar nicht da-
von reden, dass wir seit gestern eine Entscheidung der

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Bundesregierung in Sachen Elektromobilität haben . Wir
wissen, dass es ein Problem mit den Reichweiten von
Elektromobilität gibt . Deshalb sind Leichtbau und leichte
Werkstoffe ganz wichtig .

Meine Damen und Herren, es gibt in Zukunft keinen
industriellen Fortschritt ohne Stahl . Auch deshalb schau-
en wir nicht tatenlos zu, wie Kapazitäten vernichtet wer-
den .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb wissen wir, dass das Jahr 2016 so etwas wie
ein Schicksalsjahr für die deutsche und für die europäi-
sche Stahlindustrie ist . Drei Dinge stehen in diesem Jahr
zur Entscheidung an . Da ist zum einen die Frage, wie wir
mit Dumping und mit Überkapazitäten vor allen Dingen
aus China am Markt umgehen . Die Europäische Kom-
mission muss entscheiden, wie mit dem Thema „Markt-
wirtschaftsstatus Chinas“ umgegangen wird .

Wir sagen sehr deutlich: Bevor klar ist, dass Dumping
in  diesem Maße  nicht  stattfindet,  sind wir  nicht  bereit, 
dass Europa Instrumente aus der Hand gibt, um sich
wirksam gegen Dumping zu wehren . Wir wollen fairen
Wettbewerb, aber wir wollen keinen unfairen Dumping-
wettbewerb, der zulasten unserer Kapazitäten geht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens ist in diesem Jahr die Entscheidung zum eu-
ropäischen Emissionshandel notwendig . Wir bekennen
uns zu den Klimaschutzzielen . Wir bekennen uns dazu,
dass wir den Emissionshandel, also den Handel mit Ver-
schmutzungszertifikaten,  für  ein  marktwirtschaftliches 
Instrument halten . Er muss belebt werden . Aber wir sa-
gen in gleichem Umfang: Es macht überhaupt keinen
Sinn, die Grundstoffindustrien vollständig so einzubezie-
hen bzw. sie so mit Zertifikaten unterauszustatten, dass 
am Ende des Tages die Industrien nur verlagert werden,
während in anderen Teilen der Welt Produktionen mit hö-
herem CO2-Ausstoß stattfinden. 

Wir haben ein Weltklima, meine Damen und Herren .
Deshalb ist es richtig, dass die Industrien, deren Effek-
tivitätsmaßnahmen physikalisch an Grenzen kommen,
nicht aus Deutschland und Europa vertrieben werden .
Deshalb brauchen wir vernünftige Ausnahmen auch in
Zukunft für die Stahlindustrie beim Thema Emissions-
handel .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Drittens haben wir im Erneuerbare-Energien-Gesetz
gemeinsam als Koalition beim Thema Eigenstrom zu
Recht dafür gesorgt, dass Bestandsanlagen in der Indus-
trie, gerade in der Stahlindustrie, nicht einbezogen wer-
den; denn es macht überhaupt keinen Sinn, die Stahlin-
dustrie, in der Kuppelgase, also Abfallprodukte aus der
Stahlindustrie, verstromt werden, einzubeziehen . Diese
Regelung ist vernünftig . Sie ist geltende Rechtslage, aber
sie wird von der Europäischen Kommission angegriffen .
Wir wollen der Bundesregierung den Rücken stärken, um
in Brüssel deutlich zu machen: Wir bleiben bei unserer
Position, dass industrieller Eigenstrom im Bestand bei

der EEG-Umlage ausgenommen bleiben muss . Dies ist
auch im Interesse der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb will ich zum Schluss sagen: Viele 10 000
Stahlarbeiter haben in den letzten Tagen an verschiede-
nen Orten in Deutschland und Europa demonstriert . Das
Jahr 2016 ist ein Schicksalsjahr der deutschen Stahlin-
dustrie . Wir wissen, dass wir in diesen drei Bereichen
zu Entscheidungen kommen müssen . Sie werden nicht
allein auf nationaler Ebene gefällt, sondern in der Re-
gel in Brüssel . Der Deutsche Bundestag beschäftigt sich
trotzdem heute mit diesem Thema, damit das nationale
Parlament seine Stimme erhebt und in den drei Berei-
chen klare Kante zeigt, um der Bundesregierung, Bun-
deswirtschaftsminister Gabriel und auch Bundeskanzle-
rin Merkel, den Rücken zu stärken, damit sie in Brüssel
zu vernünftigen Entscheidungen kommen .

Ich sage das für diese drei Bereiche: Wir wollen, dass
es in Zukunft eine starke Stahlindustrie in Deutschland
gibt . Strukturwandel hat immer stattgefunden, aber klar
ist auch – unsere Lebenserfahrung ist aus Regionen, in
denen Strukturwandel stattgefunden hat; meine Heimat-
stadt ist Peine –: Wir dürfen niemals darauf verzichten,
diese industriellen Kerne zu erhalten; denn wir brauchen
sie als Grundlage für die Zukunft unseres Industriestand-
ortes . Deshalb hat die Koalition einen Antrag vorgelegt –
ich danke dem Kollegen Fuchs für die guten Beratun-
gen –, in dem wir diese Position deutlich machen . Wir
machen damit deutlich: Wir lassen die Beschäftigten
nicht im Stich .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816700200

Klaus Ernst ist der nächste Redner für die Fraktion

Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816700300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hubertus

Heil hat recht: Die Bedeutung der Stahlindustrie für
Deutschland und Europa ist nicht zu unterschätzen . Etwa
25  Prozent  der  europäischen  Stahlproduktion  findet  in 
Deutschland statt . Das ist für uns ein sehr wichtiger Fak-
tor . 90 000 Personen arbeiten in diesem Bereich . Alles
wurde gesagt; man braucht dem nichts mehr hinzuzufü-
gen .

Vielleicht ist aber noch hinzuzufügen, dass die Men-
schen, die diesen Job machen, ihn unter schwersten Ar-
beitsbedingungen machen: Hitze, Staub und Lärm . Ich
glaube nicht, dass viele von uns hier Lust hätten, das zu
machen . Ich sage: Auch deshalb haben die Menschen un-
seren Schutz, den Schutz der Politik verdient, wenn es
um ihre Arbeitsplätze geht .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)


Ziel der Politik muss sein, Arbeitsplätze und Einkom-
men der Beschäftigten in der Stahlindustrie zu erhalten .
Die Europäische Kommission spricht in ihrer Mitteilung
vom 16 . März über die Stahlindustrie von „einer Reihe
ernster Herausforderungen, die auf weltweite Überka-
pazitäten, einen dramatischen Anstieg der weltweiten
Exporte und eine beispiellose Welle unlauterer Handels-
praktiken zurückzuführen sind .“

Ein weiterer entscheidender Faktor für die Lage der
Stahlindustrie ist allerdings die schwache Konjunktur –
auch das schreibt übrigens die Europäische Union – in
Deutschland, in Europa und weltweit . Mit dieser schwa-
chen Konjunktur geht eine schwache Nachfrage nach
Stahl einher . Die EU-Kommission schreibt: „Die Eu-
ropäische Union und ihre Mitgliedstaaten können der
Stahl industrie und anderen energieintensiven Branchen
helfen, indem sie Investitionen fördern …“ . Diesen Punkt
der Nachfrage, der Investitionsförderung klammern Sie
in Ihren Anträgen leider völlig aus . Ich sage Ihnen: Das
ist ein Problem, weil Sie für diese Nachfrageschwäche
in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Europa
Mitverantwortung tragen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wer ganz Europa eine Austeritätspolitik aufzwingt,
dämpft die Nachfrage in Europa . Wer trotz Nullzinsen
die schwarze Null wie eine Monstranz in einer Fronleich-
namsprozession vor sich herträgt, dämpft die Nachfrage
und ist damit für die Situation in der Stahlindustrie mit-
verantwortlich .


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Dass Sie das nicht gerne hören wollen, verstehe ich ja,
aber es ist die Wahrheit, und das wissen Sie genau .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es lebe die Verschuldung zulasten nachfolgender Generationen!)


Auch die EU-Kommission legt Ihnen ans Herz, man
möge doch bitte beherzt investieren . Wenn Sie sich die
Investitionen in Deutschland anschauen, die staatlichen
und die privaten, sehen Sie, dass wir hier einen Nach-
holbedarf haben, den Sie mit Ihrer Politik mit auslösen .


(Beifall bei der LINKEN)


Nun zu China . Ja, die Konjunktur geht auch dort zu-
rück . Die Überkapazität beim Stahl wird auf das Doppel-
te des jährlichen Produktionsvolumens geschätzt, das in
ganz Europa vorhanden ist . Die Stahlproduktion in China
findet unter Lohn- und Umweltdumping statt. Schon jetzt 
laufen mehrere Verfahren wegen unlauterer Praktiken
gegen China . Die Überproduktion hat den weltweiten
Verfall der Stahlpreise befördert . Das bringt die europä-
ische und auch die deutsche Stahlindustrie natürlich in
einen verzweifelten Kampf um Marktanteile . Ein solcher
Wettbewerb ist nicht fair . Dies zeigt aber auch deutlich,
wo die Probleme im freien Handel sind . Es erstaunt mich
schon ein bisschen, dass ausgerechnet diejenigen, die,
wenn sie morgens aufstehen, statt zu beten, lieber drei-
mal „Freier Handel!“ schreien, jetzt zu Maßnahmen zur

Eingrenzung des Handels aufrufen . Das ist zumindest ein
kleiner Widerspruch .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, die europäische Stahlin-
dustrie, insbesondere die deutsche, produziert im Ver-
gleich zur chinesischen bei weitem umweltfreundlicher
und zu vernünftigeren Löhnen . Deshalb stimme ich Ih-
nen an dieser Stelle zu: Es ist unsere Aufgabe, zu ver-
hindern, dass umweltfreundlichere und besser bezahlte
Arbeitsplätze zugunsten einer Stahlproduktion zu Dum-
pingbedingungen, die mit Belastungen der Umwelt ein-
hergeht, verschwinden . Ja, da haben Sie recht .


(Beifall bei der LINKEN)


Allerdings muss man auch sagen, dass die heutige
Situation der Stahlindustrie bisher kaum etwas mit Kli-
mapolitik zu tun hat . Im Gegenteil: Bisher war die deut-
sche Stahlindustrie vom Zertifikatehandel  eher begüns-
tigt . Übrigens haben die Stahlkonzerne unterschiedlich
reagiert: Während das Geld im Saarland unter dem Dach
einer Stiftung eher in die Rücklagen gesteckt wurde, ha-
ben es andere an die Aktionäre gegeben . Die haben jetzt
natürlich ein besonderes Problem; auch darüber sollten
Sie einmal nachdenken, meine Damen und Herren .

Es geht darum, bei der Vergabe weiterer Zertifikate na-
türlich auch darauf zu achten, dass die Stahlindustrie, die
die Probleme schon bei weitem besser als andere gelöst
hat, nicht in einer Weise belastet wird, dass es zur Ver-
schiebung der Produktion von vernünftigen hin zu un-
vernünftigen Bedingungen kommt; damit bin ich einver-
standen . Aber es ist auch richtig, dass die Aussage: „Wir
müssen bei der Klimapolitik auch darauf achten, wie die
Bedingungen der Stahlindustrie sind“ durch eine solche
Position nicht weggewischt wird . Auch die Stahlindustrie
bei uns hat sicher noch Möglichkeiten, klimapolitisch
nachzurüsten, ohne ihre Wettbewerbsposition zu gefähr-
den . Das müssen wir fördern, allerdings ohne dass es für
die Stahlindustrie zu einem Wettbewerbsnachteil kommt .

Ich danke Ihnen fürs Zuhören .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816700400

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun der Kollege

Michael Fuchs das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1816700500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

leginnen! Liebe Kollegen! Die Stahlindustrie gehört seit
dem industriellen Beginn in Deutschland zu Deutschland
wie kaum eine andere Industrie . Jeder kann sich das vor-
stellen, und der eine oder andere von Ihnen wird auch
schon in Stahlwerken gewesen sein . Ich besuche sie re-
gelmäßig und bin immer wieder davon fasziniert .

Deutschland ist der größte Stahlhersteller in Europa .
Wir stellen rund 43 Millionen Tonnen Stahl in Deutsch-
land her; in ganz Europa werden 112 Millionen Tonnen
hergestellt . Das zeigt, dass wir nach wie vor sehr wett-

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


bewerbsfähig sind . Wir haben bei unserem Stahl einen
Exportanteil von immerhin 39 Prozent; auch das zeigt,
dass wir wettbewerbsfähig sind .

Wir sind wettbewerbsfähig, weil die Stahlindustrie
eben nicht eine uralte Industrie ist, wie uns der eine oder
andere, der sie lieber los wäre, glauben machen möchte –
nein –, sondern weil die Stahlindustrie Spezialstähle und
Legierungen herstellt, die andere Länder nicht herstellen
können, und weil wir im Bereich des Stahls intensive
Forschung betrieben und Wettbewerbsvorsprünge er-
reicht haben . Gott sei Dank ist das so .

Wir importieren in die EU rund 7,2 Millionen Tonnen
Stahl aus China, in aller Regel Billigstähle, Flachstäh-
le bzw . Baustähle, die in Deutschland nur noch schwer
herstellbar sind . Die Stahlproduktion hat einen elementa-
ren Anteil an den Wertschöpfungsketten in Deutschland .
Wenn wir nicht von vornherein alle Stähle produzieren,
dann kommt es in manchen Bereichen zu Verlagerungen .

Es gibt in Sachsen Stahlwerke, die Kurbelwellen für
Schiffe herstellen . Eine Kurbelwelle ist 28 Meter lang
und 45 Tonnen schwer . Diese Produktion kann man nicht
ganz einfach aus Deutschland „wegtun“ . Wenn wir das
täten, dann würde unter Umständen auch die Schiffspro-
duktion woanders stattfinden.

Es gibt noch sehr viele andere Beispiele dieser Art da-
für, dass gerade mit den Spezialstählen, die wir für die
Industrie herstellen, die Wertschöpfungsketten beginnen .
Wenn diese Stähle also nicht mehr in Deutschland herge-
stellt werden, dann verlagert sich auch alles andere .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Stahlindustrie beschäftigt 90 000 Menschen in
Deutschland und 330 000 Menschen in Europa; Hubertus
Heil hat das schon gesagt . Es hängen aber noch viel mehr
Arbeitsplätze daran, weil aufgrund der Wertschöpfungs-
ketten gleichzeitig auch die Arbeitsplätze in den anderen
Industrien zu berücksichtigen sind .

Rund 3,5 Millionen Beschäftigte sind in den stahlin-
tensiven Branchen tätig . Dazu gehört nicht nur die Auto-
mobilindustrie, sondern auch der Fahrzeugbau, der kom-
plette Maschinenbau etc . hängen daran . Sie bestellen den
Stahl, den sie für ihre spezifischen Anlagen brauchen, in 
Deutschland .

Meine Damen und Herren, dass wir für eine einzel-
ne Industriebranche einen Antrag einbringen, geschieht
eigentlich nur selten . Soweit ich mich erinnern kann, ha-
ben wir das in dieser Legislaturperiode bisher noch nicht
gemacht, aber es ist berechtigt; denn wir haben in dieser
Branche durchaus Probleme .

Damit komme ich zum Thema China . China produziert
rund 800 Millionen Tonnen Stahl im Jahr und exportiert
davon rund 112 Millionen Tonnen . Die EU braucht im
Jahr rund 152 Millionen Tonnen Stahl . Das zeigt, dass in
China gewaltige Kapazitäten vorhanden sind und Über-
kapazitäten auf den Markt kommen .

Ich wäre der Erste, der sagen würde, dass das die Kon-
sequenzen von Markt und Globalisierung sind . Die chi-
nesische Stahlpolitik hat in meinen Augen aber nicht all-

zu viel mit dem Markt zu tun . Dort gibt es keinen Markt
in dem Sinne, wie wir ihn uns vorstellen . Deswegen ist es
durchaus berechtigt, dass die EU Antidumpingverfahren
gegen China eingeleitet hat .

Ich finde es auch richtig, dass es in Deutschland zum 
ersten Mal einen gemeinsam Stahlaktionstag gab, an dem
sich die Betriebsräte und die Mitarbeiter in den Betrieben
zusammen mit ihren Gesellschaftern auf die Straße bege-
ben haben, um zu zeigen, dass es notwendig ist, dass wir
dort Veränderungen herbeiführen, und das tun wir auch .

Die Entscheidung, China den Marktwirtschaftsstatus
einzuräumen, wird wohl getroffen werden müssen; denn
wir werden weiter intensiv mit China zusammenarbeiten .
Ich darf daran erinnern, dass China auch für Deutschland
ein gewaltiger Exportmarkt ist . Das Ganze muss aber zu
fairen Bedingungen geschehen .

Wir müssen China gegenüber Anforderungen stellen
können, die zeigen, dass wir gemeinsam eine Marktwirt-
schaft haben wollen, in der wir vernünftig zusammen-
arbeiten . Das chinesische Politbüro wird lernen müssen,
dass zur Marktwirtschaft auch gehört, dass unwirtschaft-
liche Einheiten aus dem Markt verschwinden . Daran
wird man sich in China gewöhnen müssen . Bis jetzt fällt
den Herrschaften das schwer .

Hubertus Heil hat die Klimapolitik schon angespro-
chen, aber ich will es noch ein bisschen deutlicher ma-
chen: Wir helfen dem Klima in der Welt überhaupt nicht,
wenn wir Carbon Leakage organisieren, sodass es zu
Produktionsverlagerungen von Deutschland in andere
Länder kommt .

Ich will hier als Beispiel wieder nur China erwäh-
nen . In Deutschland wird eine Tonne Stahl mit einem
CO2-Ausstoß von rund 1 500 Kilogramm produziert .
Das ist ein Durchschnittswert . Es gibt Stahlwerke, die
ein Stück weit besser sind, aber nicht viel . Viel mehr geht
auch physikalisch nicht . In China wird die gleiche Ton-
ne Stahl mit einem CO2-Ausstoß von rund 2 200 Kilo-
gramm produziert, also mit rund einem Drittel CO2 mehr .
Dem CO2 ist es dabei völlig egal, ob es in China oder
in Deutschland  in  die Luft  geschickt wird.  Es  befindet 
sich in der gleichen Klimawelt . Mit anderen Worten: Je
weniger bei uns produziert wird, desto mehr CO2 wird
ausgestoßen . Das ist eine simple Tatsache, und die sollten
wir berücksichtigen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Man darf es aber nicht übertreiben . Wenn wir unsere
Stahlindustrie immer weiter vor uns hertreiben und den
besten Stahlproduzenten auch noch die 10-Prozent-Regel
wegnehmen wollen, wie es der eine oder andere hier im
Hohen Hause immer wieder von sich gibt, dann dürfen
wir uns nicht wundern, wenn die Stahlproduktion ins
Ausland verlagert wird . Wenn die Stahlproduktion von
Deutschland ins Ausland verlagert wird – von mir aus
von Sachsen nach Polen oder von Nordrhein-Westfalen
nach Belgien –, dann ist dem Klima überhaupt nicht
geholfen . Aber wir verlieren Arbeitsplätze in der Stahl-

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


industrie . Das muss verhindert werden; das wollen wir
nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Ganze gilt natürlich genauso, liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen, für den Bereich der Stromkosten . Wir
müssen die Stromkosten in den Griff bekommen . Deswe-
gen ist es wichtig, dass wir die Kuppelgase weiter ohne
Belastungen verstromen können; denn es ist sinnvoll,
dass Gase, die im Produktionsprozess entstehen, direkt
für die Stromproduktion verwendet werden . Es ist Un-
sinn, diese Art der Stromerzeugung mit der EEG-Umlage
belasten zu wollen . Das sollten wir schön bleiben lassen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


So wie es ist, muss es bleiben . Das müssen wir aber im
Rahmen des Beihilfeverfahrens bei der EU durchsetzen .
Es ist nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass das so
bleibt .

Ein anderer Punkt ist: Wir müssen die Gesamtstrom-
kosten im Blick behalten . Die Stromkosten in Deutsch-
land sind mit weitem Abstand die höchsten . Die Strom-
kosten in der Stahlindustrie sind um 30 Prozent höher – ich
beziehe mich jetzt nicht auf China – als in Frankreich .
Alleine Frankreichs Stromkosten in der Strahlproduktion
liegen 30 Prozent unter unseren . Wir sollten uns Gedan-
ken darüber machen, wie wir das ändern können .

Blicken wir in die USA, wird es besonders kritisch .
Die Kosten für den Strom zur Produktion von Stahl und
ähnlichen Produkten betragen ein Fünftel von unseren .
Das wird am Ende des Tages bedeuten, dass es in Ame-
rika in diesen Wirtschaftsbereichen zu einer Reindustri-
alisierung kommt . Das macht mir schon Sorge . Wenn in
Amerika dadurch mehr Stahlwerke entstehen, wird das
dazu führen, dass wir hier Arbeitsplätze und damit die
Wertschöpfungskette verlieren .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In den USA kommt es doch zu Verlusten!)


– Frau Höhn, davon verstehen Sie nichts; das wissen wir
ja .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo? Ich verstehe davon mehr als Sie!)


Wenn das passiert, wenn also Wertschöpfungsketten weg
sind, ziehen ganze Branchen aus Deutschland weg . Das
will ich verhindern, und das müssen wir gemeinsam ver-
hindern .

Ich finde es gut, dass wir diesen gemeinsamen Stahl-
antrag heute diskutieren, um der Industrie und der Wirt-
schaft zu zeigen: Wir stehen zu ihr . Wir wollen den
Standort sichern . Aber dazu gehört auch, sicherzustellen,
dass die Stromkosten in Deutschland in Schach und Pro-
portion bleiben und dass die Kosten für den Klimawan-
del nicht allein von der Stahlindustrie getragen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816700600

Die Kollegin Kerstin Andreae erhält nun das Wort für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816700700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast

90 000 Menschen arbeiten in der Stahlbranche, Zuliefe-
rer und indirekt abhängige Branchen nicht mitgezählt .
Viele Menschen haben große Sorgen um ihren Arbeits-
platz . Es ist gut und richtig, dass wir hier im Bundestag
einen breiten Konsens darüber haben: Wir lassen euch
nicht im Regen stehen . Ihr seid uns nicht egal! – Es ist
gut, dass von hier dieses Signal ausgeht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Aber es ist auch klug, hier sehr genau und seriös zu
argumentieren und nichts zu vermischen, was nicht ver-
mischt werden darf . Laut OECD waren 2015 mehr als
700 Millionen Tonnen Stahl zu viel auf dem Markt . Die
Überkapazität allein der chinesischen Stahlproduzenten
ist doppelt so hoch wie das gesamte Produktionsvolumen
der europäischen und damit auch der deutschen Stahl-
hersteller . China und Russland drängen auf den europä-
ischen Markt . Preise brechen ein, teilweise dramatisch .
Es ist so: Wenn das Angebot zu hoch ist, sinken die Prei-
se . Das heißt, wir haben ein Problem mit Überkapazi-
täten . Aber Überkapazitäten und Emissionshandel haben
nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Branche tut sich überhaupt keinen Gefallen, jetzt
das ETS ins Spiel zu bringen . Wenn wir keine Lösung
für Überkapazitäten finden, wenn wir keine Lösung für 
unsere Probleme mit der chinesischen Stahlindustrie als
Wettbewerber finden, dann wird die europäische Stahlin-
dustrie in dieser Sache bald gar kein Akteur mehr sein .
Der Emissionshandel ist nicht das Problem . Deswegen
ist er auch nicht die Lösung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das eigentliche akute Problem sind unfaire Handels-
praktiken . Die EU verhängt nicht mal 20 Prozent Zoll auf
den Import von chinesischem Stahl . In den USA liegen
diese Zölle bei rund 250 Prozent . Solange das so ist, wis-
sen wir, wo der Stahl am Ende landet . Deshalb sollte die
deutsche Regierung nicht alleine auf Brüssel zeigen .

Erstens . Die deutsche Regierung soll die EU-Kom-
mission dabei unterstützen, die Schutzmaßnahmen zu
verstärken, zum Beispiel die Regel des niedrigsten Zolls
für den Stahlsektor auszusetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens . Die deutsche Regierung sollte dieses Thema
auf die Agenda der G 20 setzen . Da übernimmt Deutsch-
land 2017 den Vorsitz . Denn darum geht es: Wie schaffen
wir faire Wettbewerbsbedingungen – global?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das  betrifft  die  gesamte Grundstoffindustrie,  nicht  nur 
den Stahl . Da bestehen doch die gleichen Sorgen .

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


Drittens . Die EU muss handlungsfähig werden .
Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass
die Blockade der nötigen Schutzmaßnahmen, also das
Schwarze-Peter-Spiel, das derzeit vorherrscht, endet . Die
EU-Kommission hat vor drei Jahren – vor drei Jahren! –
effektivere handelspolitische Schutzmaßnahmen vorge-
schlagen . Das Europäische Parlament hat sich positiv
dazu verhalten . Und jetzt läuft das Schwarze-Peter-Spiel
im Rat . Hier ist die Bundesregierung gefragt, liebe Kol-
leginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Von Appellen alleine wird kein Arbeitsplatz gesichert .
Hier geht es um konkretes Handeln


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das tut die Bundesregierung!)


und Einsatz der Bundesregierung auf europäischer Ebe-
ne .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt haben wir eine Debatte über den Marktwirt-
schaftsstatus für China . Ich würde ja gerne verstehen,
wie sich die Bundesregierung positioniert . Ich habe die
Aussagen von Herrn Heil und die Aussagen von Herrn
Fuchs, vorsichtig gesagt, nicht als deckungsgleich emp-
funden .


(Heiterkeit der Abg . Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Hochsubventionierter Stahl verdrängt via Dumping
Stahl erzeugnisse  aus  effizienten deutschen und europä-
ischen Anlagen . Das ist nicht im Sinne einer Marktwirt-
schaft . Und für die Aussage, dass in China Marktwirt-
schaft herrscht, muss man sich schon ziemlich biegen .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Deswegen ist für uns klar: Eine bedingungslose Aner-
kennung des Marktwirtschaftsstatus kann es nicht geben .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das haben wir doch auch gesagt!)


Aber Protektionismus ist auch der falsche Weg . Mich in-
teressiert, wie Sie sich positionieren, Herr Gabriel .


(Zuruf des Bundesministers Sigmar Gabriel)


Ein weiterer Punkt ist schließlich Innovation . Einer
unserer großen Standortvorteile in Deutschland ist, dass
wir hier ganze Wertschöpfungsketten haben . Es ist ganz
klar: Stahl muss in Deutschland bleiben . Wir wollen keine
Abwanderung, auch aus einem ganz grünen Grund: Für
Schienenausbau, Gebäudesanierung und Energiewen-
de – überall wird Stahl gebraucht . In einer Windkraftan-
lage steckt mehr Stahl als in 500 Autos . Bei einem Zubau
von 2 000 Windrädern pro Jahr entspricht das 1 Million
Pkws . Die ökologische Modernisierung, die grüne Indus-
triepolitik ist ein gigantisches Konjunkturprogramm für
die Stahlindustrie . Das hilft den Arbeitsplätzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die  Branche  hat  viel  investiert  in  Effizienz  und 
CO2-Minderung . Diese Leistung erkennen wir ausdrück-
lich an; aber dieser Weg ist nicht zu Ende . Die Klima-

frage ist die Zukunftsfrage . Und sie entscheidet sich nicht
an Bestandsanlagen, sondern an Neuinvestitionen . Des-
wegen gilt der Grundsatz: Weniger subventionieren und
mehr investieren .

Die Bundesregierung muss darüber nachdenken, wie
sie die Stahlindustrie bei Investitionen unterstützt, aber
keine Abstriche beim Klimaschutz macht . Das ist die
Aufgabe der Bundesregierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir die Klimaziele von Paris ernst nehmen,
dann bedeutet das konkret, dass auch die Produktion von
Stahl klimafreundlich werden muss . Hier müssen Politik
und Branche eine Vision aufzeigen .


(Abg . Hubertus Heil [Peine] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816700800

Frau Kollegin?


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816700900

Die Industrie hat uns Grüne an ihrer Seite: für faire

Welthandelsbeziehungen, für eine ökologische Moderni-
sierung und für die Zukunftsaufgabe Klimaschutz .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701000

Für die Bundesregierung hat nun der Bundeswirt-

schaftsminister Sigmar Gabriel das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um gleich
einmal die Frage der Kollegin Andreae zu beantworten:
Die Bundesregierung tut all das, was Sie gesagt haben,
zum Beispiel dadurch, dass wir nicht nur alleine, sondern
mit sieben weiteren Industrieministern der Kommission
schon längst gesagt haben, dass sie die Maßnahmen zum
Antidumping in Kraft setzen muss, dass es skandalös
ist, dass wir in Europa für etwas, wofür die Vereinigten
Staaten von Amerika 9 Monate brauchen, 20 Monate be-
nötigen, und dass wir eine Reform dieser Schutzmaßnah-
men, sozusagen völlig neue, brauchen . All das haben wir
getan .

Es ist natürlich richtig, das beim G-20-Gipfel auf die
Tagesordnung zu setzen, aber, Frau Andreae, der ist erst
nächstes Jahr . Bis dahin kann es passieren, dass es bei
uns schon zu einem erheblichen Abbau von Arbeitsplät-
zen in der Stahlindustrie kommt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In Wahrheit geht es um Folgendes, Frau Andreae .

Kerstin Andreae






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701100

Einen Augenblick, Herr Minister, weil ich das zu Be-

ginn Ihrer Rede klarstellen muss . – Ich bitte die interes-
sierten Kolleginnen und Kollegen auf der Tribüne, der
Debatte zwar mit Interesse, vielleicht auch mit innerem
Feuer, aber ohne Beifalls- oder Missfallenskundgebun-
gen zu folgen . Also seien Sie nochmals herzlich will-
kommen . Der Minister nimmt den Begrüßungsapplaus
als Unterstützung für die Absichten, die ja auch der An-
trag formuliert .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Bitte schön .

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Angesichts gelegentlicher öffentlicher Debatten über
mich als SPD-Vorsitzenden freue ich mich über jeden
Applaus .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das kann ich sogar bestätigen!)


Auch wenn es ein ernstes Thema ist, darf man ja trotz-
dem optimistisch miteinander umgehen .

Worum es in Wahrheit in der Europäischen Union
geht, ist die Frage, ob wir den Mut haben, uns auch ge-
genüber China offensiv aufzustellen . Denn in Wahrheit
haben doch alle Angst, dass Maßnahmen für die Stahl-
industrie dazu führen, dass die Chinesen ihrerseits mit
entsprechenden Maßnahmen antworten und wir dann in
einem Handelskrieg landen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)


Diese Angst haben doch alle, und deswegen zucken alle
bei der Frage .

Ich bin dafür, dass wir uns offensiv verhalten, weil wir
für defensives Verhalten auch von den Chinesen nicht
respektiert werden . Niemand will einen Handelskrieg .
Niemand wünscht sich dann Antidumpingmaßnahmen .
Aber wenn wir sie nicht in Kraft setzen und sozusagen
schon signalisieren, dass wir nicht bereit sind, unsere
Stahlindustrie zu stärken – da hat Frau Andreae völlig
recht; als Nächstes geht es um alle Bestandteile der ener-
gieintensiven  Industrien  und  der  Rohstoffindustrien  –, 
dann werden wir uns nie durchsetzen . Deswegen bin ich
sehr dafür, dass wir klar sagen: Es kann keinen Markt-
wirtschaftsstatus für China geben, wenn sich China nicht
an die Regeln der Marktwirtschaft hält . Das ist doch ganz
klar .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Übrigens Klaus bzw . Herr Ernst: Freihandel hat Re-
geln, und wer gegen Regeln verstößt, dem darf man kei-
nen freien Handel ermöglichen . Man darf diese Debatte
nicht dafür nutzen, den Freihandel zu diskreditieren; denn
auch wir exportieren Stahl, übrigens sogar nach China .

Es geht vielmehr um die Durchsetzung von Regeln da-
bei . Übrigens: Würden wir mit den Vereinigten Staaten in
solchen Fragen gemeinsam handeln, dann wären wir bes-
ser aufgestellt . Die Vereinigten Staaten schützen ja ihren
Markt gegenüber Dumpingimporten aus China, was es
derzeit für uns noch schwerer macht, weil die Chinesen
das, was sie dort nicht auf den Markt bringen können, bei
uns auf den Markt drücken . Wir müssen also Regeln für
den Handel und den fairen Wettbewerb durchsetzen, und
wir dürfen nicht Ländern einen Marktwirtschaftsstatus
verleihen, die ganz offensichtlich keine Marktwirtschaft
sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Überkapazitäten, die dort bestehen, sind übrigens
doppelt so groß wie der gesamte europäische Bedarf .
So viele Konjunkturprogramme können wir gar nicht
machen, um das auszugleichen . Das wollen wir auch
gar nicht . Es geht doch darum, dass sich in einem fairen
Wettbewerb die Besten durchsetzen sollen, statt diejeni-
gen mit den miesesten Löhnen und schlechtesten Um-
weltstandards auch noch staatlich dabei zu unterstützen,
dass sie den Markt mit ihren Produkten überschwemmen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701200

Herr Minister, darf der Kollege Ernst Ihnen eine Zwi-

schenfrage stellen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Jede .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701300

Na ja, das wollen wir uns erst einmal anhören, und

dann entscheiden wir, ob jede Zwischenfrage zulässig ist .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nur eine!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816701400

Nur eine also . – Danke, dass Sie die Frage zulassen .

Wie bewerten Sie die Aussage des Kollegen Fuchs,
Amerika hätte im Vergleich zu uns 30 Prozent geringere
Strompreise?


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Nein, das habe ich nicht gesagt! Das ist falsch! – Zuruf von der CDU/CSU: Das war bezogen auf Frankreich!)


– Wie viel waren es denn?


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: Ein Fünftel sind die Strompreise in Amerika!)


– Also deutlich geringere Stromkosten; so war es . Dass
die Stromkosten um 30 Prozent geringer sind, ist ja ge-
genüber der Stahlindustrie in Deutschland ein deutlicher
Wettbewerbsvorteil .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ein Fünftel! Grundrechenarten! Setzen! – Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Der Strompreis in den USA beträgt ein Fünftel von unserem!)





(A) (C)


(B) (D)


– Hört doch erst einmal zu! Das ist doch nicht schlecht .
Das bildet manchmal .

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Ich höre doch zu .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816701500

Nein, ich meine nicht Sie, sondern andere .

Wenn also die bei der Stahlproduktion 30 Prozent ge-
ringere Stromkosten haben


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nein! Das ist aber falsch!)


und wir jetzt ein internationales Handelsabkommen mit
Amerika abschließen, das dazu führt, dass Handels-
hemmnisse, also unter anderem auch die Zölle, zum
Beispiel die Schutzzölle, die wir oder auch die anderen
haben, abgebaut werden, dann ist ja der Strompreis in
den USA nach wie vor billiger, zugleich führt das dann
aber dazu, dass durch ein solches Handelsabkommen die
deutsche Stahlindustrie massiv belastet wird . Nehmt ihr
sie von TTIP aus, oder nehmt ihr sie nicht aus? Wenn
ihr sie nämlich nicht ausnehmt, hat die Stahlindustrie in
Deutschland durch dieses Handelsabkommen drastische
Nachteile .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Das setzt allerdings voraus, dass es Zölle gegen ameri-
kanischen Stahl gibt, die man abbauen kann . Das ist doch
eine Debatte, die völliger Unfug ist . Entschuldige, Klaus,
dass ich das sage, aber das hat nichts miteinander zu tun .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Ulrich Freese [SPD])


Worum es im internationalen Wettbewerb geht, ist
Folgendes: Die Strompreise in den Vereinigten Staaten
sind in der Tat durch Fracking und dadurch, dass dort vie-
le der Abgaben und Steuern, die wir auf Energie erheben,
nicht existieren, deutlich geringer .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Deswegen wollt ihr Fracking auch zulassen!)


Das ist nun einmal so, und zwar nicht nur bezogen auf
Deutschland, sondern auf ganz Europa . Worum es jetzt
geht, ist, darauf zu achten, dass wir das, was zumindest
die Mehrheit des Deutschen Bundestages beschlossen
hat, nämlich dass die energieintensive Industrie – im
Kern die Stahlindustrie – von besonderen Abgaben
wie der EEG-Umlage und der Umlage für Kraft-Wär-
me-Kopplung befreit wird, weiter durchsetzen .

Es war sehr bedauerlich, dass die Fraktion Die Linke
und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier im Deut-
schen Bundestag dagegengestimmt und polemisiert ha-
ben, dass wir die Stahlindustrie und die energieeffiziente 

Industrie von Abgaben befreien . Das hat hier doch statt-
gefunden .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Als ich die Befreiung von der EEG-Umlage durchge-
setzt habe, musste ich mir doch von Ihrer Fraktion, Herr
Ernst, und der Fraktion der Grünen anhören, nun wür-
den die Verbraucher durch höhere Strompreise belastet,
weil wir die energieintensive Industrie ausnehmen . Mei-
ne Antwort lautete: Was hilft es eigentlich einem Drei-
personenhaushalt, wenn er im Jahr rund 40 Euro – das
wäre das Maximum gewesen, wenn wir alle Befreiun-
gen gestrichen hätten – geringere Stromkosten hat, aber
gleichzeitig ein paar Millionen industrielle Arbeitsplätze
vernichtet werden? Dieses Argument haben Sie damals
nicht akzeptiert . Es wäre gut, wenn Sie es heute akzep-
tieren würden .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Hatte mit der Frage nichts zu tun!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701600

Herr Minister, jetzt möchte auch der Kollege Krischer

gerne Ihre Redezeit noch einmal verlängern . Geht das?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Mit großer Freude .


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701700

Bitte schön .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816701800

Herzlichen Dank, Herr Minister Gabriel, dass Sie die

Frage zulassen . – Ehrlich gesagt hat das nichts mit dem
zu tun, was wir im Jahr 2014 im Rahmen der EEG-No-
velle diskutiert haben .


(Zurufe von der SPD: Doch! Doch!)


Sie haben doch auf europäischer Ebene ein Problem be-
kommen, weil Sie die Ausnahmen auf alle möglichen
Branchen ausgeweitet haben . Sie haben die Ausnahme-
regelungen immer weiter ausgedehnt . Es gibt hier einen
Konsens, die energieintensive Industrie – dazu gehört
insbesondere die Stahlindustrie – davon auszunehmen .
Sie haben das Problem verursacht, indem Sie immer
mehr Branchen einbezogen haben . Damit sind Sie am
Ende ein Stück weit dafür verantwortlich, dass wir nun
diese Debatte führen . Genau das ist Ihr Problem .

Herr Gabriel, ein zweiter Punkt . Ich habe nun mehr-
fach gehört, in den USA seien die Strompreise so viel
günstiger als hier . Wir haben im Moment einen Börsen-
preis von 25 Euro, teilweise sogar von 21 Euro pro Me-
gawattstunde .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sagt doch gar nichts!)


Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


Die Ausnahmen, die hier für die energieintensive Indus-
trie und insbesondere für die Stahlindustrie vorhanden
sind, finden Sie in weiten Teilen der USA nicht. Die De-
batte ist an dieser Stelle unredlich . Wir müssen sicherlich
viel über China reden und viele Fragen besprechen, zum
Beispiel die Frage, wie wir den Emissionshandel weiter
gestalten wollen . Aber hier eine Debatte darüber zu füh-
ren, dass die deutsche Stahlindustrie ein Problem mit den
Strompreisen hätte, ist nicht redlich . Ich bitte Sie, dazu
Stellung zu nehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Krischer, ich habe gar nichts zur Frage von
Strompreisen für die Stahlindustrie gesagt . Ich habe nur
darauf hingewiesen, dass es stimmt, dass die Stromkos-
ten – dafür sind nicht die Börsenpreise entscheidend,
sondern die Steuern und Abgaben, die auf die Börsen-
preise obendrauf kommen –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


für die energieintensiven Unternehmen in den Vereinig-
ten Staaten niedriger sind als für vergleichbare Unter-
nehmen in ganz Europa . Das liegt daran, dass wir in den
letzten Jahrzehnten aus guten Gründen überall in Europa
Abgaben auf Strom- und Energieverbrauch entwickelt
haben, die einmal als ökologische Abgaben begonnen
haben, aber in Wahrheit mittlerweile längst allgemeiner
Bestandteil der staatlichen Haushaltsfinanzierung gewor-
den sind und deshalb nicht einfach abzubauen sind .

Wir müssen also darauf achten, dass die Differenz
zwischen den Stromkosten in anderen Industrienationen,
die fairen Wettbewerb machen, und unseren in Europa
nicht zu groß wird, da es ansonsten schwierig wird, bei-
spielsweise im Bereich der Automobilindustrie moderne
Faserverbundwerkstoffproduktion in Europa zu halten .
Die gehen, wie sie es derzeit schon tun, nämlich dann in
die Vereinigten Staaten .


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)


Ich habe mich nicht dafür ausgesprochen, irgendwie
damit anzufangen, an diesen Abgaben herumzudoktern,
sondern habe erst einmal auf ein Problem hingewiesen,
das dazu führt, dass unsere Unternehmen in der Regel
wesentlich forschungsintensiver und effektiver arbeiten
sowie eine höhere Produktivität haben müssen . Eines
möchte ich jedenfalls nicht, nämlich dass diese Wettbe-
werbsunterschiede dazu führen, dass die ökologischer
produzierende Industrie in Deutschland in Schwierigkei-
ten gerät und die besser bezahlten Jobs in Deutschland
gefährdet werden, und das dann zugunsten schlechter be-
zahlter Jobs in anderen Teilen der Welt ausgeht .


(Beifall bei der SPD)


Das war, Herr Krischer, die Antwort auf Ihre zweite
Frage .

Nun zur Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage, wo
Sie sagten, die Debatte habe nichts mit der EEG-Novelle
zu tun . Ein Teil des Problems ist doch, dass sich hier je-

der immer das heraussucht, wo er unproblematisch sagen
kann: Hier will ich der Stahlindustrie helfen . Aber die
Welt ist nicht so einfach . Es gibt ein Problem mit Dum-
ping, das ist das größte Problem . Aber es gibt natürlich
auch ein Problem mit dem Emissionshandel, und es gibt
ein Problem – –


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)


– Das erkläre ich Ihnen gleich, worin das Problem be-
steht . Wenn jemandem das Wasser bis zum Hals steht,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann braucht er einen Schnorchel!)


dann besteht bei jedem Glas Wasser, das Sie zusätzlich
hineinschütten, die Gefahr, dass er dabei ersäuft .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt eine alte Handwerkerregel, die besagt: Nach
„fest“ kommt „ab“ .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Jetzt geht es zum Beispiel darum – darüber gab es ja
auch Streit mit den Grünen im Bundesrat –, ob wir es
durchsetzen können, dass die Befreiungsregel für die
Industrieanlagen bei der Kraft-Wärme-Kopplung und
beim EEG erhalten bleibt . Darüber liegen wir mit der
EU-Kommission im Streit, weil wir glauben, es ist ein
Fehler, diese Befreiungsmöglichkeiten ab 2017 einzu-
schränken . Es wäre gut, wenn Sie sagen würden, Sie sind
dafür, dass dies so bleibt . Das wäre ein großer Fortschritt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das haben Sie bisher nie getan .

Sie haben damals immer so getan, als könnte man bei
den energieintensiven Unternehmen die Branchen sozu-
sagen weiter einschränken . Der eigentliche Vorteil dieses
Landes ist aber, dass wir bei Stahl, bei Chemie und in
vielen anderen Rohstoffbereichen Wertschöpfungsketten
haben .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist es!)


Wenn Sie anfangen, eine herauszubrechen, bricht Ih-
nen die ganze Wertschöpfungskette weg . Das ist doch
unser Vorteil . Deshalb geht es doch nicht nur um die
87 000 Jobs, die es in der Stahlindustrie gibt – dies wäre
bereits Grund genug, sich für die Stahlarbeiter einzuset-
zen –, sondern es geht doch um die gesamte Bandbreite
der Industrie . Beim Emissionshandel ist es eben so, dass
es ein Fehler ist, zu glauben, dass, wenn man es einfach
teuer genug macht, die Sache dann – oh Wunder! – wei-
tergeht .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn teuer?)


Natürlich ist es ein Problem, wenn wir jetzt über die
Frage sprechen, ob die 10 Prozent der besten Stahlun-
ternehmen in Europa zusätzliche Minderungsfaktoren

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


bekommen, die andere in Russland, in Indien, in China
nicht haben . Die 10 Prozent Besten!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wofür wir eintreten und wogegen Sie sind, ist, dass wir
die 10 Prozent Besten von weiteren Minderungsauflagen 
freistellen . Dafür plädieren wir .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Genau! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese  befinden  sich  eben  bei  uns. Das Ergebnis, wenn 
wir dies nicht tun, kann sein, dass die 10 Prozent Bes-
ten weg sind und wir am Ende beides nicht haben, weder
Klimaschutz noch Jobs in Europa . Das wollen wir nicht,
und darum kämpfen wir in dieser Angelegenheit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich kann einfach nur raten, sich bei diesem schwie-
rigen Thema nicht immer nur das herauszusuchen, bei
dem man ideologisch die wenigsten Probleme hat, son-
dern zu schauen, wie wir auf der gesamten Bandbreite
die Grundlage auch für ökologischen Fortschritt in Eu-
ropa erhalten .

Meine Damen und Herren, es gibt ganz gute Beispiele
dafür, wie der Strukturwandel bewältigt werden sollte . Es
ist ja nicht das erste Mal; denn Europa ist ja übrigens die
einzige Region auf der Welt, die bereits Stahlkapazitä-
ten in Höhe von 13 Millionen Tonnen Rohstahl abgebaut
hat . Keine andere Region hat dies getan, nur Europa . Wir
haben in der Vergangenheit bei solchen Prozessen zum
Beispiel Stahlmoderatoren eingesetzt . So haben etwa
Berthold Beitz und Alfred Herrhausen im Auftrag des
damaligen Wirtschaftsministers Anfang der 80er-Jahre
die Branche neu geordnet . Wir sehen, dass auch das da-
zugehört . Wir werden auch darüber zu reden haben . Die
Unternehmen tun das auch .

Ich  finde, man muss  überlegen,  ob wir  nicht  solche 
Entwicklungen auch wieder politisch begleiten . Ich
habe jedenfalls mit meinem französischen Kollegen
Emmanuel Macron, aber auch mit der IG Metall ver-
abredet, dass wir Stahlmoderatoren in Deutschland und
Frankreich beauftragen, mit uns gemeinsam an der Frage
zu arbeiten, wie wir europaweit unternehmensübergrei-
fende Kooperationen schaffen, wie wir stabilisierende
Maßnahmen auf dem Stahlmarkt zustande bringen, wie
wir der Politik Handlungsempfehlungen geben können .
Ich glaube, dass das eine ganz gute Anknüpfung an das
ist, womit Europa einmal begonnen hat, nämlich mit der
Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der
Montanunion. Ich finde, es ist ein ganz guter historischer 
Anknüpfungspunkt, dass Frankreich und Deutschland
gemeinsam sagen: Wir wollen bei diesem Thema die
Grundlagen unserer wirtschaftlichen Erfolge in der Stah-
lindustrie und übrigens auch in allen anderen Industrie-
bereichen weiter sichern .

Ich sage es ganz offen: Ich bin dafür, dass Europa sei-
ne Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 um
mindestens 20 Prozent verringert .


(Zuruf der Abg . Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


– Das ist das Klimaschutzziel, das sich Europa gemein-
schaftlich gesetzt hat . Deutschland muss dabei übrigens
eine Verringerung um 40 Prozent schaffen, damit das
überhaupt klappt .

Aber ich bin auch dafür, dass das Ziel, das sich Europa
gesetzt hat, dass der Anteil der Industrie bis 2020 20 Pro-
zent am europäischen Bruttoinlandsprodukt beträgt, die
gleiche Verbindlichkeit hat . Denn die Menschen werden
uns beim Klimaschutz nicht folgen, wenn in der Kom-
bination aus unfairem Wettbewerb, falschen energiepo-
litischen Entscheidungen und Auflagen für die Besten in 
der Industrie am Ende die Jobs bei uns verloren gehen,
während woanders neue entstehen . Keiner wird uns dann
folgen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Damit dabei kein Scheinwiderspruch entsteht: Das soll
und darf nicht dazu führen, Frau Andreae, dass wir die
Klimaschutzziele verfehlen . Es geht auch nicht darum,
jedes  Stahlunternehmen  von  den  Minderungsauflagen 
zu befreien . Aber ausgerechnet die 10 Prozent Besten,
diejenigen, die nahe an der physikalischen Grenze zur
Vermeidung von Kuppelgasen sind und die Kuppelgase
verstromen, mit weiteren Auflagen zu versehen, während 
vergleichbare Unternehmen in anderen Ländern gar kei-
nen Auflagen unterliegen, das ist doch keine vernünftige 
Klimaschutzpolitik .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sollten nicht so tun, als sei das ein wirkliches Pro-
blem .

Wir kämpfen jedenfalls dafür, dass wir vernünftige
Regeln bekommen, durch die die Besten gefördert wer-
den und die übrigens auch dazu beitragen, dass wir die
Unternehmen erhalten, die gute Löhne zahlen und der
Montanmitbestimmung unterliegen .

Es geht auch – da hat der Kollege Ernst recht – darum,
dass bei harten Arbeitsbedingungen faire Löhne gezahlt
werden, in Deutschland und in Europa, aber insbesonde-
re in Deutschland, weil es da in diesem Unternehmensbe-
reich exzellente Mitbestimmungsstrukturen gibt . Es geht
auch um den Erhalt der Montanmitbestimmung . Es geht
bei all den Konsolidierungsmaßnahmen, die jetzt auf uns
zukommen, auch darum, dass sie immer nur im Rahmen
der Montanmitbestimmung, also mit den Beschäftigten,
durchgeführt werden; sie dürfen nicht vor dem Hinter-
grund unfairen Wettbewerbs gegen die Beschäftigten
durchgeführt werden . Auch dafür bin ich .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816701900

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Lutze für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)



Thomas Lutze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816702000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Gabriel, zu Ihrer Bemerkung vorhin, was die Frak-
tionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angeht:
Dass Sie in Ihrer Politik energieintensive Unternehmen
und Großverbraucher gleichgesetzt und gleichbehandelt
haben, ist der entscheidende Grund dafür, dass diese bei-
den Fraktionen damals sehr kritisch gewesen sind .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Haben wir doch gar nicht gemacht!)


Das macht keinen Sinn . Schauen Sie sich Ihre Tabelle
an, aus der hervorgeht, welche Branchen quasi staatlich
gefördert werden . Da sind höchstens 20 Prozent energie-
intensive Unternehmen wie die Stahlindustrie dabei, die
heute unser Thema ist .

Ich kann mich sehr gut, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, in diejenigen Beschäftigten hineinversetzen, die
heute berechtigte Sorgen um ihre Arbeitsplätze haben .
Ich selbst habe vor rund 30 Jahren in einer Eisengießerei
meine erste Ausbildung gemacht . Dass am 11 . April 2016
beim bundesweiten Aktionstag der IG Metall bei uns an
der Saar rund 20 000 Menschen auf die Straße gingen,
ist mehr als ein deutliches Zeichen; das ist wirklich ein
Alarmsignal . In Dillingen, in Völklingen, in Neunkir-
chen und auch in Saarbrücken, also dort, wo ich zu Hau-
se bin, machen sich die Beschäftigten vollkommen zu
Recht sehr viele Sorgen .

Im saarländischen Landtag kam es zu einer gemeinsa-
men Erklärung von CDU, SPD und Linken


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Oje!)


für eine Zukunft der einheimischen Stahlindustrie . Auch
in diesem Landesparlament ist man sich mit einer großen
Mehrheit der Verantwortung bewusst, die wir gegenüber
den Beschäftigten haben . Diese Verantwortung gegen-
über den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stahlin-
dustrie tragen auch wir, liebe Kolleginnen und Kollegen,
hier im Deutschen Bundestag .


(Beifall bei der LINKEN)


Woher kommen aber die große Skepsis und die Zu-
kunftsangst der Stahlarbeiter? Als 2012 das letzte Stein-
kohlebergwerk an der Saar geschlossen wurde, gab es
zahlreiche Versprechen aus der Politik . Vor allem wur-
den ausreichend Ersatzarbeitsplätze versprochen . Mir
konnte bisher noch keiner einen vergleichbaren Ersatzar-
beitsplatz im Saarland zeigen . Da ist sehr viel liegen ge-
blieben, und da gibt es unter den Bergleuten eine hohe
Frustration; denn die Menschen sind in den Ruhestand
abgeschoben worden, darunter viele, die gern noch wei-
ter berufstätig geblieben wären .

Dieses unwürdige Schicksal der Bergleute ist die Mo-
tivation der Menschen, die sich heute Sorgen um ihre
Jobs in der Stahlindustrie machen . Sie glauben der Poli-
tik nicht einfach so, dass alles gut wird . Uns aber darf das
Schicksal dieser Menschen nicht egal sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Dennoch muss man die Debatte auch sachlich führen .
So beschert der Emissionsrechtehandel den Stahlunter-
nehmen derzeit zusätzliche Erträge . Die Stahlbranche
sieht in der Verschärfung bei den Handelsrechten einen
Nachteil für die Standorte in Deutschland . Wir müssen
sehr genau klären, wie wir zukünftig damit umgehen . Die
entscheidenden Veränderungen gerade bei diesem Thema
stehen erst in der nächsten Handelsperiode ab 2020 an .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber die Entscheidungen werden jetzt vorbereitet!)


Bis dahin muss für die in Bedrängnis geratene Stahlbran-
che eine kurzfristige Lösung gefunden werden .

Für uns ist klar: Wir sind für eine Unterstützung der
Stahlunternehmen zum Schutz der Arbeitsplätze . Wenn
es aber um eine öffentliche Unterstützung geht, dann
muss man auch etwas an der Eigentümerstruktur der be-
troffenen Unternehmen verändern .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: In Niedersachsen gehört das dem Land Niedersachsen!)


An der Saar haben wir einen Saarland-Pakt und da-
mit eine öffentliche Stahlstiftung . Privaten Unterneh-
men wird nur eine Minderheitenbeteiligung einge-
räumt . Mit diesem Modell war es unter der damaligen
Lafontaine-Landesregierung möglich, die sehr stark ange-
schlagenen Unternehmen an der Saar zu retten und sie zu
sanieren . Heute sind sie vergleichsweise gut aufgestellt .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Was jedoch nicht geht, ist, dass international tätige
Stahlkonzerne in der Bundesrepublik in guten Zeiten
fette  Profite machen,  dass  hohe Dividenden  ausgezahlt 
werden und dass am Ende das Geld sonst wohin abwan-
dert, während in schlechten Zeiten die Hände aufgehal-
ten werden, so wie wir das schon bei den Banken erlebt
haben . Die Stahlstiftung an der Saar hat genau diesen
Missbrauch verhindert . Hier wurden aus den Gewinnen
Rücklagen gebildet, die heute, zumindest für eine Über-
gangszeit, das Überleben der Standorte sichern . Saarstahl
und Dillinger Hütte haben eine Eigenkapitalquote von
sage und schreibe 85 Prozent . Deshalb wäre es wichtig,
dass wir uns daran ein Beispiel nehmen . Dieser Saar-
land-Pakt könnte ein bundesweites Modell werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Einen vergleichbaren Vorschlag hat im Übrigen der
SPD-Politiker Beck vor einigen Jahren schon einmal
gemacht, als er einen Deutschland-Pakt vorschlug . Bis
auf einige kritische Details wäre das für meine Begrif-
fe eine hervorragende Diskussionsgrundlage . Hier muss
allerdings der Wirtschaftsminister tätig werden . Allein
markige Sprüche, wie wir sie gerade gehört haben, lieber
Genosse Gabriel, werden den Beschäftigten in der Stahl-
industrie nicht unbedingt weiterhelfen . Hier sind ganz
konkrete Taten gefragt .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss:
Eine Antwort auf die Herausforderung des Klimawan-
dels  gebe  ich  nicht  dadurch,  dass  ich  effiziente Werke 
hierzulande schließe und den Stahl von dorther impor-






(A) (C)



(B) (D)


tiere, wo er eine schlechtere Ökobilanz hat . Es ist vorhin
schon gesagt worden: Im vergangenen Jahr wurden allein
7 Millionen Tonnen Stahl aus China exportiert . Wäre der
gleiche Stahl hierzulande produziert worden, wären rund
30 Prozent CO2 eingespart worden . Auch da geht es um
Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen .

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . Glück auf!


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816702100

Das Wort erhält nun der Kollege Joachim Pfeiffer für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Florian Post [SPD])



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1816702200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Tat: Die heutige Debatte ist, glaube ich, erfreu-
lich . Es gab einmal Zeiten, da wurde auch hier im Haus,
insbesondere von grüner Seite, aber zum Teil auch von
anderen, zwischen der sogenannten Old Economy und
der New Economy unterschieden . Die einen waren ver-
meintlich von gestern, die anderen waren vermeintlich
von morgen . Ich freue mich, dass ich heute keinerlei Aus-
führungen in diese Richtung gehört habe . Ganz im Ge-
genteil: Es wurde sehr differenziert über alle Fraktionen
hinweg dargelegt, dass beides zusammengehört und dass
man es nicht auseinanderdividieren kann . Auch die Rolle
des Stahls, die uns ja heute beschäftigt, wurde und wird
hier entsprechend thematisiert .

Stahl ist nach wie vor ein Innovationsträger, also zu-
kunftsträchtig und zukunftsfähig . Es gibt heute in Europa
2 500 verschiedene Stähle und Legierungen . Davon wa-
ren 25 Prozent vor fünf Jahren sozusagen noch nicht auf
der Welt; die sind erst jetzt entwickelt worden . Das macht,
glaube ich, deutlich, dass der Stahl auch heute noch ein
Innovationsträger ist und in vielen Bereichen des Lebens
und der Wirtschaft, die ja schon angesprochen wurden –
vom Kochtopf im Haushalt über das OP-Besteck bis hin
zu Windkraftanlagen und Kraftfahrzeugen –, eine wich-
tige Rolle spielt .

Daher muss es unser gemeinsames Bestreben sein,
diese Wertschöpfungsketten zu erhalten; denn sie können
nicht einfach importiert werden . Wenn diese Wertschöp-
fungsketten einmal abreißen, dann finden die Innovatio-
nen nicht mehr bei uns, sondern irgendwo anders statt;
das haben wir in anderen Bereichen erlebt . Deshalb ist
es wichtig, dass die energieintensiven Branchen mit den
entsprechenden Wertschöpfungsketten in Deutschland
gehalten werden und hier eine Zukunft haben . Dazu zählt
nicht nur der Stahl, sondern dazu zählen auch Kupfer,
Aluminium und andere Materialien .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sie werden auch weiterhin als langlebige, recycelbare
und nachhaltige Baustoffe in der Infrastruktur unentbehr-
lich sein. Wenn wir über Materialeffizienz reden, wenn 
wir über Recycling reden, dann spielen diese Materialien

auch zukünftig eine wichtige und herausragende Rolle .
Deshalb gilt es, deren Zukunft zu sichern .

Was ist zu tun? Es ist ja teilweise bereits angesprochen
worden oder angeklungen: Wir sollten nicht nur irgend-
wo anders auf der Welt die Schuldigen suchen . Vielmehr
müssen wir zunächst einmal unsere Hausaufgaben vor
Ort machen . Das bedeutet, weiterhin in Forschung und
Entwicklung zu investieren . Wir investieren in Deutsch-
land pro Jahr 200 Millionen Euro in Forschung und Ent-
wicklung im Stahlbereich . So viel wird nirgendwo auf
der Welt investiert – ich glaube, das ist gut angelegtes
Geld –; das sollten wir auch weiterhin tun .

Auch das Thema Klimaschutz ist angesprochen wor-
den . Kollege Fuchs hat dargestellt, dass eine Tonne
Stahl, die in China produziert wird, ein Drittel mehr an
CO2-Emissionen verursacht . Deshalb ist natürlich auch
die Produktions- und Klimaeffizienz ein Maßstab. Durch 
den Verkauf unserer Technologie und unserer Innovatio-
nen sorgen wir dafür, dass nicht nur hier in Deutschland
und in Europa, sondern auch anderswo auf der Welt der
Stahl klimaeffizienter produziert wird.

Da auch das angeklungen ist, vielleicht noch etwas zur
Frage der Kosten . Da gibt es ja doch schon den einen
oder anderen Unterschied; das sollten wir, glaube ich,
durchaus ab und zu einmal darlegen . Kollege Krischer
hat, wenn ich es richtig verstanden habe, die Ausführun-
gen des Ministers bestritten, dass in den USA die Kos-
ten so viel geringer sind . Es gibt ein Beispiel, das Sie
alle kennen . Es stammt nicht aus dem Stahlbereich . Aber
weil diese Problematik angesprochen wurde und ich es
zufällig parat habe, will ich es anführen: Die Firma Au-
rubis in Hamburg, die größte deutsche Kupferhütte, die
wahrscheinlich die meisten kennen, hat quasi das gleiche
Werk in den USA . In den USA hat Aurubis fast doppelt
so hohe Stromkosten wie in Deutschland .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Genau!)


Das hängt natürlich damit zusammen, dass dieses Unter-
nehmen im Wettbewerb steht . Wenn wir solche Unter-
nehmen nicht entlasten, dann werden sie natürlich hier
am Standort Deutschland, am Standort Europa keine Zu-
kunft haben . Genau deshalb brauchen wir eine Differen-
zierung und Entlastungsregeln auch in Deutschland und
in Europa .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Pfeiffer, Sie müssen das korrigieren! In Deutschland doppelt, nicht in Amerika!)


– Habe ich es falsch herum gesagt?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja!)


Sie haben in Deutschland Stromkosten in Höhe von
knapp 50 Millionen Euro, für die gleiche Anlage in den
USA nur die Hälfte, nämlich 25 Millionen Euro .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es richtig!)


Aber Sie haben alle gut aufgepasst und mitgedacht . Inso-
fern hat es wahrscheinlich jeder verstanden . – Frau Roth

Thomas Lutze






(A) (C)



(B) (D)


lacht, also hat sie es auf jeden Fall verstanden und nach-
vollzogen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


An dem Beispiel wird also klar, dass wir diese Sache
auch in Deutschland und in Europa angehen müssen .

Jetzt komme ich zum Thema China . Hier will ich die
Dramatik mit einigen Zahlen unterstreichen und darle-
gen, worum es geht und wie sich die Stahlproduktion
entwickelt hat . Wir haben heute in China über die Hälfte
der Weltstahlproduktion . Während beispielsweise 1990
in China noch weniger als 9 Prozent der Weltstahlpro-
duktion lagen und in Europa 25 Prozent, sind es heute
in Europa nur noch 10 Prozent . In absoluten Zahlen aus-
gedrückt: Heute haben wir eine Weltstahlproduktion von
über 1 600 Millionen Tonnen, von denen über 800 Mil-
lionen Tonnen in China produziert werden . In Deutsch-
land sind es zurzeit gerade einmal 42 Millionen Tonnen .
China hatte 1980 weniger als 40 Millionen Tonnen pro-
duziert . Daran wird deutlich, was sich dort getan hat und
was sich entwickelt hat .

China hat allein in den letzten beiden Jahren mehr
Stahl produziert und verbraucht als das Ursprungsland
der Industrialisierung Großbritannien seit der industriel-
len Revolution Mitte des 18 . Jahrhunderts; das sage ich,
nur um einmal die Dimension anzusprechen . Das bedeu-
tet natürlich auch, dass die Chinesen ihre Kapazitäten an-
passen müssen, wenn es mit dem Wachstum nicht mehr
so weitergeht, und dass die Unternehmen, die nicht mehr
den modernen Anforderungen entsprechen, vom Markt
genommen werden . Dafür müssen wir auch werben und
deutlich machen, dass dies von chinesischer Seite frei-
willig erfolgen muss und entsprechende Bereinigungen
vorgenommen werden .

Es ist auch klar, dass wir ein Level Playing Field brau-
chen . Aber wir brauchen – das können wir uns nicht leis-
ten – keinen Handelskrieg . Hier müssen wir sehr aufpas-
sen . Kollege Gabriel hat es ja angesprochen . Bei der PV
haben wir sehr gemischte Erfahrungen gemacht . Wir ha-
ben gesagt: Bei den Modulen müssen wir entsprechende
Zölle erheben, um so das Dumping zu verhindern . – Im
Ergebnis haben wir heute die Situation, dass die Module
aufgrund unserer Zollaktivitäten in Europa teurer sind als
im Rest der Welt und dass unsere Stromverbraucher heu-
te höhere Kosten zahlen, als es notwendig ist .

Da sind die Europäische Union und wir gefordert,
unsere Mechanismen anzupassen . Frau Andreae, Sie ha-
ben es angesprochen: In den USA geht das wesentlich
schneller; dort gibt es Möglichkeiten für eine schnellere
Reaktion und höhere Zölle . Wir sind in Europa gefordert,
gemeinsam dafür zu sorgen, dass unsere Aktivitäten be-
schleunigt werden .

Ich möchte nur noch auf einen letzten Punkt, weil mei-
ne Redezeit schon fast vorüber ist, eingehen, und zwar
auf das Thema Emissionshandel und Klimaschutz .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816702300

Das muss aber ganz knapp erfolgen .


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1816702400

Wenn die einen keine Instrumente für den Klima-

schutz haben und andere sie haben, dann müssen wir ver-
suchen, gleiche Voraussetzungen zu schaffen . Deshalb
müssen wir die Chinesen unterstützen, dass auch sie In-
strumente zum Emissionshandel einführen und wir dann
die verschiedenen Systeme miteinander verknüpfen und
diese entsprechend innovativ gestalten .


(Abg . Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Jetzt kommt mir Kollegin Baerbock zur Hilfe .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816702500

Nein, sie kommt nicht zur Hilfe .


(Heiterkeit)


Wenn die Redezeit vorbei ist, gibt es auch keine Zusatz-
fragen mehr .


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1816702600

Das ist eigentlich schade .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt muss ich leider langsam zum Ende kommen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816702700

Nein, Kollege Pfeiffer, Sie müssen schnell zum Ende

kommen .


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1816702800

Wir müssen die Dinge miteinander verknüpfen . Wenn

wir dies heute beginnen und in diesem Sinne weiter ar-
beiten, sind wir auf dem richtigen Weg und dann haben
der Produktionsstandort und Stahlstandort Deutschland
und Europa eine Zukunft .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816702900

Nun erhält die Kollegin Bärbel Höhn für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816703000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

habe Ende der 80er-Jahre als Personalratsmitglied der
Uni Duisburg mit den Kollegen aus der Stahlindustrie in
Rheinhausen für den Erhalt der Stahlarbeitsplätze dort
gekämpft . Ich lebe in einer Stadt, die in den 70er- und
80er-Jahren 30 000 Arbeitsplätze vor allen Dingen im
Kohle- und Stahlbereich verloren hat, und ich weiß, was
das für Auswirkungen hat . Aber was Sie hier versuchen,
ist, kurzfristig und zulasten des Klimaschutzes und des
Emissionshandels Arbeitsplätze zu retten, und das wird
nicht gelingen . Durch diese Art der Politik gefährden Sie

Dr. Joachim Pfeiffer






(A) (C)



(B) (D)


die Arbeitsplätze und retten sie nicht, meine Damen und
Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich zeige Ihnen das einmal an einem Beispiel: Als ich
1995 Ministerin in Nordrhein-Westfalen wurde, da wuss-
te ich, dass in Duisburg die höchsten Dioxin- und Furan-
werte gemessen wurden, die wahrscheinlich weltweit
überhaupt jemals gemessen worden sind . Ich wusste,
dass die Benzol- und Benzoapyrenwerte im Bereich der
alten Kokerei so hoch waren, dass zu erwarten war: Men-
schen werden an Krebs erkranken, der ganz bestimmte
Organe befällt . Der Zusammenhang war da .

Dann habe ich mit den Unternehmen – das waren die
Zulieferer der Stahlindustrie und das Stahlunternehmen
selber – gesprochen . Sie mussten Filter einbauen . Die
alte Kokerei wurde geschlossen und durch eine neue
ersetzt . Meinen Sie, die Unternehmen wollten das? Sie
waren davon nicht begeistert . Aber durch diese Investi-
tionen in den Umweltschutz haben wir erreicht, dass der
Stahlstandort Duisburg und die Arbeitsplätze dort erhal-
ten wurden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn ohne Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und
der Gesundheit wäre die Akzeptanz des Stahlstandortes
nicht mehr gegeben gewesen . Insofern wird sehr deut-
lich: Wenn man immer nur sehr kurzfristig den Wün-
schen der Stahlunternehmen nachkommt, dann wächst
das Problem mittelfristig immer mehr an . Damit schafft
man letztendlich keine Perspektive .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben in Paris auf der Klimakonferenz gemein-
sam ehrgeizige Ziele beschlossen . Sie bedeuten für ein
Industrieland wie Deutschland, dass es bis 2050 die
CO2-Emissionen um 95 Prozent reduzieren muss . Es
wird dann in der Stahlindustrie aufgrund des Produkti-
onsprozesses immer noch CO2-Emissionen geben . Aber
auch die Stahlindustrie, die ja in Deutschland bleiben
soll, muss klimafreundlich werden, meine Damen und
Herren, sonst hat sie keine Zukunft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das schaffen wir nicht, indem wir die Stahlindustrie vom
Emissionshandel ausnehmen, sondern indem wir Investi-
tionen fördern, zum Beispiel in einen neuen Hochofen in
Duisburg . Das wäre der richtige Weg, um Arbeitsplätze
zu erhalten und den Klimawandel mit voranzutreiben .

Ich sage sehr deutlich: Der Emissionshandel hat dazu
geführt, dass der Stahlindustrie ein enormes Subventi-
onspaket im Umfang von 2,7 Milliarden Euro auf den
Tisch  gelegt  wurde.  Sie  hat  Zertifikate  in  einem Wert 
von 5,3 Milliarden Euro umsonst erhalten . Sie konnte
einen Teil davon in die Produkte einpreisen . Sie konnte
auch noch mit CDM-Zertifikaten aus dem Ausland Geld 
verdienen . Die Eisen- und Stahlindustrie hat bis 2012
2,7 Milliarden Euro am Emissionshandel verdient .

Wenn wir jetzt darüber reden, dass es für die Stahl-
industrie in Zukunft schwieriger wird, dann muss man
auch Folgendes sehen: Die Stahlindustrie hat am Anfang

so viele Zertifikate erhalten, dass sie über Jahre hinweg 
immer noch davon profitieren kann und sie auch in den 
nächsten Jahren keine kaufen muss . Meine Damen und
Herren, wir haben keinerlei Reduktion der CO2-Emissi-
onen pro Einheit Stahl erreicht, seit es den Emissions-
handel gibt . Das geht nicht . Der Emissionshandel muss
die Wirkung haben, dass auch in der Stahlindustrie CO2
eingespart wird und man nicht einfach weitermacht wie
bisher .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben über die USA geredet . Wo hat denn Thys-
sen seine Probleme? An Standorten in den USA und in
Brasilien, weil Thyssen dort teurer produziert als hier in
Duisburg .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ach was! Es geht da um ganz was anderes!)


Warum hat Thyssen in Brasilien ein Problem? Weil man
im dortigen Stahlwerk auf billigen und schlechten Stahl
aus China gesetzt hat . Also schauen Sie, bitte schön, auf
die eigenen Fehler, die gemacht worden sind, und versu-
chen Sie nicht, jetzt die eigenen Probleme auf den Emis-
sionshandel zu schieben! Das funktioniert nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Gabriel, Sie haben gesagt, momentan geht es um
ein Ertrinken  für die Stahlindustrie.  Ich finde, kurzfris-
tig können Sie da eine sehr gute Sache machen . Neben
dem Emissionshandel in der Stahlindustrie diskutieren
wir das EEG . Was Sie dort, beim EEG, machen, ist, dass
Sie den Anteil der Windkraftanlagen an Land drastisch
reduzieren – und damit auch die Nachfrage nach Stahl .
Machen Sie es einfach so: Ändern Sie das EEG, sorgen
Sie für eine weitere Zunahme der Windkraftanlagen!


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)


Das nützt dem Klima, das nützt der Stahlindustrie . Das
wäre die Lösung, die wir brauchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816703100

Das Wort erhält nun der Kollege Bernd Westphal für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1816703200

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Vor allen Dingen: Einen herzlichen
Gruß an die Beschäftigten der Stahlindustrie, die heute
auf der Besuchertribüne Platz genommen haben! Herz-
lich willkommen!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der heute vorliegende Antrag „Stahlindustrie in
Deutschland und Europa stärken“ könnte den Eindruck
vermitteln, dass es nur um Stahl geht . Nein, es geht hier

Bärbel Höhn






(A) (C)



(B) (D)


um ein Herzstück der deutschen Industrie, es geht um
den industriellen Standort in Deutschland in Gänze .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Höhn, das, was Sie gesagt haben


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: War gut!)


– nein –, zeigt, dass Sie kein Verständnis von Wertschöp-
fung in Deutschland haben .


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben einen Gegensatz von Arbeit und Umweltschutz
konstruiert, den es so nicht gibt . Sie haben gesagt, die In-
dustrie sei das Problem, aber das ist falsch: Die Industrie
ist die Lösung für die Probleme . Die Innovationen aus
der Industrie in Deutschland helfen uns, beim Klima-
schutz etwas zu erreichen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Ausnahmen beim Emissionshandel betreffen nur
10 Prozent der CO2-effizientesten Stahlunternehmen  in 
Deutschland; sie behaupten etwas anderes . Ihre Behaup-
tungen, dass die gesamte Branche ausgenommen werden
soll, sind einfach falsch . Sie müssten Ihre Argumente
noch einmal überprüfen .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen mal Zuhören lernen! – Gegenruf von der SPD: Aber ihr auch!)


Die Stärke unseres Wirtschaftsstandortes sind die
Wertschöpfungsketten in unserem Land . Die industriel-
len Wertschöpfungsketten führen zu Innovationen und
vor allen Dingen auch zu Investitionen . Die Reindustria-
lisierung, die wir uns auf die Fahnen geschrieben haben,
wird genau an diesem Punkt sichtbar . Wir haben es in
Deutschland vor allen Dingen auch geschafft, das Wirt-
schaftswachstum vom Rohstoffverbrauch zu entkoppeln .
Das bedeutet: geringere CO2-Emissionen trotz Wirt-
schaftswachstum . Das ist ein Erfolg dieser Branche .

Auf die Beschäftigtenzahl ist schon hingewiesen wor-
den . Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass die
Branche vor allem Ausbildungsplätze zur Verfügung
stellt . In den Regionen, in denen es Stahlwerke gibt, gibt
es Ausbildungsplätze mit Übernahmegarantie, einen ho-
hen Standard beim Arbeitsschutz, hohe Sozialstandards
und ein Montan-Mitbestimmungsgesetz, Jugendvertre-
tung und Betriebsräte . Das kann sich sehen lassen . Viele
Impulse, die wir in anderen Branchen nutzen, kommen
gerade aus diesem Bereich . Deshalb ist diese Branche für
unsere Wirtschaft so wichtig .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816703300

Herr Kollege Westphal, darf die Kollegin Baerbock

eine Zwischenfrage stellen?


Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1816703400

Ja, selbstverständlich .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Kollege Westphal . – Da wieder-
holt in Reden behauptet wurde, dass nur 10 Prozent der
CO2-effizientesten Stahlwerke kostenlose Zertifikate be-
kommen, möchte ich eine Klarstellung von Ihrer Seite .

In der Handelsperiode des Emissionshandels von 2008
bis 2012 hat die Stahlbranche vollumfänglich kostenlose
Zertifikate  bekommen.  Bestätigen  Sie  das?  Bestätigen 
Sie weiterhin, dass die Stahlbranche Zusatzgewinne von
2,1 Milliarden Euro gemacht hat, weil sie diese Zertifika-
te – es waren zu viele – verkaufen konnte? Können Sie
auch bestätigen, dass die kostenlose Zuteilung dazu ge-
führt hat, dass die Stahlbranche in Deutschland bis zum
Jahr 2020 keine weiteren Zertifikate zukaufen muss? Bis 
zum Jahr 2020 gibt es also kein Problem .

Der letzte Punkt – weil Herr Gabriel das angespro-
chen hat –: Die Reform des Emissionshandels ab dem
Jahr 2021 – also weit nach 2017 – wird derzeit in Brüs-
sel diskutiert . Die Vorschläge, die die EU-Kommission
auf den Tisch gelegt hat, beziehen sich darauf, die Zahl
der Sektoren, die bisher von einer kostenlosen Zuteilung
profitieren,  von  177  Sektoren  auf  50  Sektoren  zu  be-
schränken . Darunter fallen die Stahlindustrie, aber auch
die Aluminiumindustrie und andere energieintensive In-
dustrien . Sie behaupten, dass nur 10 Prozent der Unter-
nehmen eine kostenlose Zuteilung erhalten sollen . Aber
dem ist nicht so, weil die Stahlbranche weiter komplett
ausgenommen werden soll .


(Bundesminister Sigmar Gabriel: Nein!)


Können Sie auch dies bestätigen? Woher kommen Ihre
Zahlen, dass nur 10 Prozent der Stahlbranche eine kos-
tenlose Zuteilung bekommen?

Herzlichen Dank .


Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1816703500

Ich kann Ihre Zahlen nicht bestätigen, weil sie falsch

sind . Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir keine Ausnah-
men für die hochinnovative Stahlindustrie vereinbart hät-
ten, dann wäre sie heute gar nicht mehr da .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das hätte zu einem höheren CO2-Ausstoß geführt, der
ganz andere Effekte auf das Weltklima gehabt hätte, als
wir erreichen wollen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die von mir genannten 10 Prozent gelten für zukünftige
Handelsperioden . Das ist wichtig .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben das Problem – es ist auch von meinen Vor-
rednern angesprochen worden –, dass China Stahl zu
einem Preis auf dem europäischen Markt anbietet, der
unter den Herstellungskosten liegt . Deshalb muss die
EU-Kommission jetzt die außenhandelspolitischen In-
strumente, über die sie verfügt, nutzen . Allerdings be-
steht an dieser Stelle Reformbedarf, weil diese Instru-
mente nicht schnell genug greifen . In den USA kann
bei Schädigung einer Branche wesentlich schneller eine

Bernd Westphal






(A) (C)



(B) (D)


Handelsschranke verhängt werden . Wir müssen dafür
sorgen, dass diese Handelsschranken – dabei geht es um
Antidumpingverfahren und Mindestpreise – auch auf eu-
ropäischer Ebene durchgesetzt werden können .

Ich darf an dieser Stelle sagen, dass ich Sigmar Gabriel,
unserem Wirtschaftsminister, für sein Engagement abso-
lut dankbar bin und auch dafür, dass er nicht nur inner-
halb der Bundesregierung, sondern auch gemeinsam mit
seinen Kollegen aus anderen Ländern auf dieses Defizit 
hinweist . Wir brauchen natürlich keine neuen Handels-
konflikte mit der Volksrepublik China, aber wir brauchen 
klare und faire Handelsbedingungen . Die bestehen im
Moment nicht, und wir müssen gegenüber der chinesi-
schen Seite deutlich machen, dass das so nicht geht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will noch Aspekte zum Klimaschutz anführen .
Auch wenn durch das G-7-Treffen die Debatte über die
Dekarbonisierung bis zum Ende des Jahrhunderts plat-
ziert ist, werden wir in Deutschland unsere industrielle
Produktion nicht aufgeben . Dekarbonisierung darf nicht
Deindustrialisierung heißen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es muss auch zukünftig möglich sein, mit Hochöfen, in
die man Koks, Kohle, Erz und Schrott füllt, Stahl herzu-
stellen .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, wie Sie das machen, deindustrialisieren Sie mit Ihrer Politik!)


– Na ja, mit den Grünen klappt das ja auch nicht . – Wir
müssen zusehen, dass wir ein System finden, in dem bei-
des möglich ist . Ich hatte eben darauf hingewiesen, Frau
Höhn, dass wir sinkende CO2-Emissionen und gleichzei-
tig Wirtschaftswachstum haben . Das ist ein Erfolg, der
zeigt, dass diese Industrie hochinnovativ ist .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht in der Stahlindustrie!)


– Vielleicht sollten Sie sich einmal ein Stahlwerk an-
gucken . Die Dillinger Hütte und andere Stahlwerke in
Deutschland, zum Beispiel in Duisburg und Salzgitter,
zeigen, dass man Umweltschutz und industrielle Produk-
tion durchaus zusammenbringen kann .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, ich habe mir schon mehr Stahlwerke angeguckt als Sie, Herr Westphal!)


Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben überhaupt nichts davon, wenn es zu Car-
bon-Leakage-Effekten, also zur Abwanderung der Pro-
duktion in andere Länder, kommt . Das wollen wir ver-
hindern .

Wir brauchen generell Planungssicherheit für die
Unternehmen . Das heißt, wir brauchen Rahmenbedin-
gungen, die Investitionen ermöglichen . Wir wollen den

Industrialisierungsgrad sichern . Wir wollen den Anteil
der Industrie an der Wirtschaftsleistung nicht schmälern .
Wenn wir wirtschaftlich stark bleiben wollen, dann brau-
chen wir ein Aufleben der Industrie, eine Reindustriali-
sierung . Das hat sich auch die EU-Kommission für ihre
Politik auf die Fahne geschrieben . Das ist der richtige
Weg .

Die Ausgestaltung des Emissionshandels ist derzeit
unklar . Die Einbeziehung industrieller Eigenstromerzeu-
gung wird nicht zu Planungssicherheit führen . So werden
wir keine Investitionen freisetzen . Deshalb brauchen wir
schnellstens Klarheit für die Branche .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutsch-
land braucht auch in Zukunft eine starke und krisenfeste
Industrie . Wir brauchen für die gesamte Wertschöpfungs-
kette in diesem Land sichere Rahmenbedingungen, und
auch der vorhandene Fachkräftebedarf muss gedeckt
werden . Deshalb werbe ich dafür: Stimmen Sie dem von
SPD und CDU/CSU vorgelegten Antrag zu . So schüt-
zen wir die Stahlindustrie, sichern Jobs und erhalten die
Wertschöpfungsketten . Die Stahlindustrie ist nachhaltig
mit einer hohen Recyclingquote und ist innovativ .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816703600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Lanzinger

für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1816703700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Kürzlich sagte ein Augsburger
IG-Metall-Bevollmächtigter bei einer Demonstration für
die Stahlindustrie: Stahl ist nicht alles, aber der Anfang
von vielem . – Dem stimmen wir, denke ich, insgesamt
zu .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Stahlindustrie hat als Basisindustrie eine zentrale
Bedeutung für die industrielle Wertschöpfungskette – das
haben wir heute schon vielfach gehört –; denn ohne Stahl
keine Autos, keine Maschinen, keine Schiffe, keine Flug-
zeuge, keine Messer, keine Töpfe und auch keines der
vielfältigen Präzisionswerkzeuge .

Insbesondere die deutsche und die europäische Stahl-
industrie ist mit ihren hochwertigen Stahlen die Grund-
lage für unzählige Innovationen und Hochtechnologien .
Dazu zählen Windräder genauso wie effiziente Turbinen. 
In der Stahlindustrie und den stahlintensiven Branchen –
auch das wurde schon mehrfach erwähnt – sind Hundert-
tausende Menschen in Deutschland und Europa beschäf-
tigt, davon viele im Mittelstand . Kurzum: Wir brauchen
hochwertigen Stahl, und wir brauchen deswegen eine
deutsche und europäische Stahlindustrie . Damit diese
eine Chance hat, müssen wir uns mit Nachdruck für sie
einsetzen . Deshalb ist der heutige Antrag enorm wichtig,

Bernd Westphal






(A) (C)



(B) (D)


um uns dem zu stellen und darüber heute im Plenum zu
diskutieren .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Lassen Sie mich die Bedeutung der Stahlindustrie auch
anhand einiger Beispiele und Zahlen verdeutlichen . Die
deutsche Stahlindustrie beschäftigt etwa 90 000 Men-
schen . Daneben sind vor allem die nachgelagerten stah-
lintensiven Branchen von großer Bedeutung . Allein auf
den Automobilsektor und auf die Bauindustrie entfallen
über 50 Prozent des deutschlandweiten Stahlbedarfs . Das
heißt: keine Energiewende ohne Stahl, keine Elektromo-
bilität ohne Stahl und kein Wohnungsbau ohne Stahl .

Bayern ist auch dafür bekannt, Stahlindustrieland zu
sein . Zumindest war Bayern bis vor einigen Jahren ein
hochinnovatives Stahlindustrieland . Wir haben allein
in der Oberpfalz sehr viele Arbeitsplätze verloren . Wir
haben es geschafft – vorhin wurde der Strukturwandel
angesprochen –, in der Oberpfalz diesen Strukturwandel
mit sehr viel Engagement zu meistern . Dabei mussten
wir  auch  Verluste  hinnehmen.  Aber  heute  floriert  das 
Ganze . Auch das muss man einmal sagen .

Bayern ist auch dafür bekannt, ein Innovationsstand-
ort zu sein: mit Hochtechnologien und beispielsweise
mit einer mittelständisch geprägten Maschinenbaubran-
che . In der stahlintensiven Baubranche in Bayern sind
rund 140 000 Menschen beschäftigt . Im Automobilbe-
reich sind es 184 000 und in der Maschinenbaubranche
218 000 Menschen . Dies entspricht etwa einem Drittel
des produzierenden Gewerbes in Bayern .

Die Arbeitsplätze sind – obwohl die Arbeit sicherlich
manchmal beschwerlich ist – hochgradig attraktiv . Sie
bieten Arbeit für hochqualifizierte Fachkräfte. Auch das 
muss man festhalten . Gerade in dieser Branche gibt es
sehr gute Arbeitsbedingungen . So haben allein in meiner
Heimat Oberpfalz im Jahr 2014 rund 90 000 Menschen
eine Anstellung in der Metall- und Elektroindustrie ge-
funden . Dabei liegt der Anteil der Betriebe mit weniger
als 250 Beschäftigten bei 85 Prozent . Die kleinen und
mittelständischen Betriebe haben hier eine ganz starke
regionale Verwurzelung .

Ich möchte auch die Ausbildungsplätze erwähnen . In
diesen mittelständischen Unternehmen gibt es ebenso
attraktive und vielfältige Ausbildungsplätze – auch bei
den kleinen Mittelständlern und nicht nur bei den gro-
ßen Unternehmen . Es heißt nicht, dass diese Arbeits- und
Ausbildungsplätze automatisch verloren gehen, wenn es
in Deutschland und in Europa keine Stahlindustrie mehr
gibt . Aber die Unternehmen, die auf hochqualitativen
Stahl und innovative Stahlprodukte angewiesen sind, be-
kämen massive Probleme, wenn sie einseitig von außer-
europäischem Stahl abhängig wären .

Noch einmal ein konkretes Beispiel: In der Maxhütte
in der Oberpfalz werden Stahlrohre sowohl für die Au-
tomobil- als auch für die Energiebranche produziert . Ich
höre, dass das Unternehmen auf hochwertigen Stahl an-
gewiesen ist, der beispielsweise aus den Lech-Stahlwer-
ken nahe Augsburg stammt . Die gesamte Stahlindustrie
hat eine besondere Bedeutung für Bayern, Deutschland
und für Europa .

Noch einmal zu China und den Wettbewerbsverzer-
rungen . Ich möchte es wiederholen: Es ist nicht hinnehm-
bar, dass vor allem die chinesischen Unternehmen den
europäischen und den deutschen Markt mit Stahl fluten. 
Allein von 2012 bis 2015 haben sich die Stahlexporte
aus der Volksrepublik China mehr als verdoppelt: von
etwa 55 Millionen auf 112 Millionen Tonnen Stahl . Ein
fairer Wettbewerb kann dabei nicht aufkommen, wenn
chinesische Unternehmen den Stahl zu Niedrigstpreisen
anbieten . Ich möchte betonen: Das Problem ist nicht,
dass China  eine  florierende  Stahlindustrie  hat,  die  sich 
im Rahmen eines fairen Wettbewerbs durchsetzt . Das
Problem ist vielmehr, dass der chinesische Stahl durch
staatliche Maßnahmen teilweise unterhalb der Herstel-
lungskosten verkauft wird .

Einige Gedanken zur Energiewende und zu den
Strompreisen: Auf nationaler Ebene müssen die richtigen
Weichen für eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie ge-
stellt werden – so auch im Rahmen der Energiewende .

Eine besondere Bedeutung für die Stahlindustrie – da-
rauf möchte ich auch noch einmal kurz eingehen – hat
die Eigenstromerzeugung auf Basis von Kuppelgasen,
anderen Restenergien und auch durch die Kraft-Wär-
me-Kopplung . Mithilfe dieser Verfahrenstechniken kann
die Stahlindustrie einen Großteil ihres Stroms selbst er-
zeugen . Diese Verfahren sind nicht nur energiepolitisch,
sondern auch ökologisch betrachtet sinnvoll .

Die Stahlindustrie ist eine der energieintensivsten
Branchen; wir haben es gehört . Aus diesem Grund ist
sie besonders von den hohen Stromkosten betroffen,
auch durch das Fehlen von Stromleitungen . Auch des-
halb müssen wir dafür sorgen, dass der Leitungsausbau
in den nächsten Jahren zügig vorankommt; denn unsere
energieintensiven Unternehmen brauchen Versorgungs-
sicherheit . Transport und Verbrauch gehen leider nicht
immer zusammen . Im Ergebnis mussten deshalb oftmals
Kraftwerke hoch- oder runtergeregelt werden .

Eine weitere Möglichkeit, steigenden Stromprei-
sen entgegenzuwirken, ist das Thema Speicher . Zu den
Energiespeichern zählen nicht nur Batteriespeicher und
Pumpspeicherkraftwerke, sondern zum Beispiel auch
die Umwandlung von elektrischer Energie in brennbare
Gase oder Wärme . Speicher sind vielseitig und dezentral
einsetzbar, eben dort, wo sie gebraucht werden . Aktuell
können sie durch den Letztverbraucherstatus nicht wirt-
schaftlich betrieben werden . Es geht auch nicht darum,
den Speichern einen Vorteil zu verschaffen, sondern da-
rum, diskriminierende Rahmenbedingungen auch hier zu
beseitigen . Nur so können sie wirtschaftlich betrieben
werden, und nur so wird Deutschland Spitzenreiter – wir
sprechen über die Innovationskraft der Stahlindustrie
und der gesamten Wirtschaft – im Bereich der Speicher-
technologie bleiben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hohen Strompreisen entgegenzuwirken, das dient auch
der Stahlindustrie in Deutschland .

Lassen Sie mich zum Schluss kommen . Die Stahlin-
dustrie in Deutschland und Europa ist kein notwendiges
Übel, wie es früher oftmals formuliert wurde, sondern

Barbara Lanzinger






(A) (C)



(B) (D)


die Grundlage für Wirtschaftskraft und Innovation, ins-
besondere auch in Bayern . Sie hat Strahlkraft auch in
andere europäische Länder . Lassen Sie uns für die rich-
tigen Rahmenbedingungen kämpfen . Ich denke, mit dem
vorliegenden Antrag zur Stärkung der Stahlindustrie in
Deutschland und Europa machen wir einen richtigen
Schritt . Deshalb bitte ich Sie darum, unserem Antrag zu-
zustimmen .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816703800

Andreas Lämmel ist der letzte Redner zu diesem Ta-

gesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1816703900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Frau Höhn, Sie haben in Ihrer Rede ja wieder einmal
Ihre grüne Maske fallen lassen . Bei Frau Andreae hatte
man fast den Eindruck, dass sie das Prinzip der Markt-
wirtschaft tatsächlich verstanden hat .


(Zuruf der Abg . Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber Sie sind wieder in Ihren grünen Einheitsbrei zurück-
gefallen und haben uns hier einen grünen Ökoquark zu-
sammengerührt, der einfach nicht genießbar ist . Denn die
Dinge, die Sie uns dargelegt haben, sind einfach falsch .
Ihre Behauptung, dass die Stahlindustrie in Deutschland
in den letzten 20 Jahren nichts getan hätte, um ihre Emis-
sionen zu reduzieren oder um ihre Produktion energie-
effizienter zu gestalten,  ist doch völliger Unsinn. Wenn 
Sie nur allein die Restrukturierung, die Transformierung
der ostdeutschen Stahlindustrie betrachten, dann können
Sie sehen, dass sozusagen aus Halbruinen hochmoderne,
hocheffiziente Stahlwerke entstanden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Anfang der 90er!)


Diese früheren Ruinen, die 1989 vorhanden waren,
Frau Höhn, stehen heute noch in Russland und zum
Teil in China . Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie da-
rauf hinwirken würden, Russland oder China zu helfen,
ihre Stahlindustrie auf den modernsten Stand zu bringen,
dann hätten Sie einen großen Gewinn für das Klima er-
reicht . Diesen erreicht man nicht, wenn man jetzt mit
hohen Kosten die letzten 2 Prozent aus den Emissionen
rausholt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Überproduktionskrisen hat es immer gegeben . Es ist
sicherlich ein Problem der Weltwirtschaft, dass dann,
wenn die Konjunktur nachlässt, natürlich viele Waren auf
dem Markt sind, die keinen Absatz finden.

Das Problem mit China ist ja nicht zum ersten Mal
Gegenstand der Debatten des Deutschen Bundestages .
Sie erinnern sich, dass wir zum Beispiel das Thema So-

larpaneele hier schon mehrfach behandelt haben . Ganz
entscheidend ist für mich die Frage: Handelt es sich im
Hinblick auf den chinesischen Stahl um Dumpingpreise
oder nicht?


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Das ist schnellstmöglich zu entscheiden . Ich frage mich
manchmal schon, warum all diese Prozesse in Brüssel so
lange dauern .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Bundesregierung sie blockiert!)


Da sind die Amerikaner viel schneller und viel restrik-
tiver . In Europa fahren wir immer Achterbahn, bis letzt-
endlich eine Entscheidung getroffen wird . Man muss die
EU-Kommission in Brüssel auffordern, nun endlich zu
Potte zu kommen und eine gerichtsfeste Entscheidung zu
treffen; denn erst dann kann man entsprechend vorgehen .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt ja noch nicht mal eine Einigung zwischen Kanzleramt und Wirtschaftsministerium! Das würde schon helfen!)


Meine Damen und Herren, man muss sehen: In der
Weltwirtschaft ist Dumping nicht zugelassen – keine
Frage –, und man muss ihm entgegenwirken . Allerdings
rühmen wir uns, was unsere Exportzahlen angeht, dass
der deutsche Maschinenbau und die deutschen Ausrüster
jedes Jahr zu neuen Rekorden eilen . Deutsche Unterneh-
men rüsten sozusagen die Industrienationen der Welt mit
modernsten Maschinen auf, unter anderem auch China .
Aber wir wundern uns, wenn dann moderne Produkte
zu uns auf den Markt kommen . Das wird ein Problem
bleiben, dem man sich stellen muss . Aber: Russland und
China sind Mitglieder der Welthandelsorganisation, und
die Welthandelsorganisation ist letztendlich der Wächter
über einen fairen Welthandel . Auch hier muss die Frage
des Dumpings entschieden werden .

Frau Höhn, wenn Sie den Zusammenhang zwischen
Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit nicht verstanden
haben, dann, muss ich sagen, sollten Sie die Lehrbücher
der Ökonomie noch einmal aufschlagen . Natürlich gibt
es hier einen Zusammenhang . Man kann eine Industrie
immer mehr und durch alle möglichen Auflagen belasten. 
Es  werden  doch  nicht  nur  Klimaauflagen  gemacht.  Es 
gibt auch vielfältige andere Auflagen, die diese Industrie 
in den letzten Jahren auferlegt bekommen hat . Da muss
man sich doch nicht wundern, dass jede Investitionsent-
scheidung länger hinausgeschoben wird oder gar keine
Investitionen mehr getätigt werden und sich die Unter-
nehmen umschauen, ob es im Ausland vielleicht bessere
Standorte gibt . Man muss sagen: Es gibt hier einen direk-
ten Zusammenhang . Deswegen ist es an der Politik, dafür
zu sorgen, dass die Belastungen, die wir der deutschen
Industrie aufbürden, nicht größer werden als ihre Trag-
fähigkeit .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es wird beklagt, dass die deutsche Wirtschaft in den
letzten Jahren zu wenig investiert hat . Das stimmt natür-

Barbara Lanzinger






(A) (C)



(B) (D)


lich nur zum Teil . Sie hat nicht in Deutschland, sondern
im Ausland investiert . Da muss man sich doch fragen:
Warum macht sie das? Sie macht das deswegen, weil sie
wahrscheinlich zu der Auffassung gekommen ist, dass
die Produktion an anderen Standorten effizienter durch-
zuführen ist .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wegen der Märkte!)


Das muss uns zu denken geben . Es ist ja nicht bloß die
Klimapolitik, die hier wirkt, sondern es geht um eine
Vielzahl von Regelungen und Verordnungen, die tagtäg-
lich auf die Unternehmer hereinprasseln . Großunterneh-
men, meine Damen und Herren, haben ganze Abteilun-
gen, die sich damit befassen . Aber denken Sie auch an
mittelständische und kleine Unternehmen, in denen der
Unternehmer zugleich Personalchef, Produktionschef
und Entwicklungschef ist und sich letztendlich auch mit
der ganzen Bürokratie beschäftigen muss . Dort liegen die
Probleme des Standortes Deutschland .

Meine Damen und Herren, wenn wir wollen, dass
die Stahlindustrie auch weiterhin eine wichtige Rolle in
Deutschland und Europa spielt – die CDU/CSU-Fraktion
und die Koalition möchten das –, dann heißt das natür-
lich, dass wir die Innovationskraft der Branche weiterhin
stärken müssen . Deswegen werden wir uns auch im Hin-
blick auf die nächsten Haushaltsansätze und Haushalts-
pläne dafür einsetzen, dass die Ausgaben für Forschung
und Entwicklung und auch die Ausgaben für industriena-
he Forschung weiterhin ein hohes Niveau erreichen .

Noch ein Wort zu den Linken . Herr Ernst, die Linken
haben vom Thema Stahlindustrie ja zuerst gar nicht so
viel mitbekommen .


(Lachen des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Erst nachdem wir einen Antrag eingebracht hatten und
die Grünen einen Antrag nachgeschoben haben, kamen
auch die Linken noch angesprungen und brachten einen
Antrag ein . Sie sollten sich also nicht immer als Retter
der ganzen Branche darstellen; denn Sie sind eigentlich
die Nachzügler . Die Probleme werden bei uns in der Ko-
alition erkannt,


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber wie, Kollege Lämmel!)


und die Opposition tut dann manchmal so, als ob sie das
auch gesehen hat .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein anderer Witz war der Vergleich zwischen den Au-
tos und den Windmühlen . Das war wirklich absurd . Frau
Andreae, Sie haben damit angefangen, Frau Höhn hat das
noch einmal etwas intensiver ausgeführt .

Es stimmt, dass ein Auto heute nicht mehr unbedingt
aus Stahl besteht – vor 30 Jahren war das noch anders –,
weil wir ein bisschen weitergekommen sind . Heute be-
steht ein Auto vielfach aus hochmodernen Verbundwerk-
stoffen und viel Elektronik . Es ist aber absurd, zu sagen,

dass die Stahlindustrie krankt, weil wir nicht mehr so vie-
le Windmühlen produzieren .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben mein Argument nicht verstanden!)


Ich kann nur sagen: Es ist unser Anliegen, die Stand-
orte Deutschland und Europa der Stahlindustrie zu stär-
ken . Dafür ist sicherlich ein breiter Fächer an Maßnah-
men notwendig .

Ich denke, mit unserem gemeinsamen Antrag der Ko-
alition haben wir heute hier einen guten Start hingelegt,
und ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816704000

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Druck-
sache 18/8238 mit dem Titel „Stahlindustrie in Deutsch-
land und Europa stärken“ . Wer stimmt diesem Antrag
zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit
ist der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Unter dem Zusatzpunkt 2 stimmen wir über den An-
trag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/8237
mit dem Titel „Sicherung der Arbeitsplätze in der euro-
päischen Stahlindustrie“ ab . Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition bei
Zustimmung – naheliegenderweise – des Antragstellers
und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab-
gelehnt .

Unter dem Zusatzpunkt 3 stimmen wir über den An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Druck-
sache 18/8240 mit dem Titel „Europäische Stahlindus-
trie nachhaltig stärken“ ab . Wer stimmt diesem Antrag
zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser
Antrag ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei
Zustimmung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt .

Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Beate
Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Kerstin
Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr Zeitsouveränität – Damit Arbeit gut ins
Leben passt

Drucksache 18/8241
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt wieder-

Andreas G. Lämmel






(A) (C)



(B) (D)


um 77 Minuten vorgesehen. – Das findet offenkundig all-
gemeine Zustimmung . Folglich können wir so verfahren .

Nachdem der Schichtwechsel hier einigermaßen kom-
plett vollzogen wurde, eröffne ich die Aussprache . Als
Erstes erteile ich der Kollegin Brigitte Pothmer das Wort
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816704100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast die

Hälfte aller erwerbstätigen Frauen und Männer sind mit
ihrem Arbeitszeitumfang nicht zufrieden . Das IAB hat in
der letzten Woche beeindruckende Zahlen auf den Tisch
gelegt . Danach sind 2014 1 350 000 000 Stunden un-
genutzt geblieben, weil die Arbeitszeitwünsche der Be-
schäftigten nicht berücksichtigt wurden . Das entspricht
815 000 Vollzeitstellen . Was für eine Verschwendung vor
dem Hintergrund des Fachkräftemangels!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU/
CSU-Fraktion, ich rate Ihnen wirklich sehr: Heben Sie
zunächst einmal dieses freiwillige Potenzial, bevor Sie
hier eine Debatte um die Rente mit 70 vom Zaun bre-
chen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das wäre sowohl für die Betriebe als auch für die Be-
schäftigten, aber auch für die deutschen Sozialversiche-
rungssysteme eine echte Win-win-Situation .

Was passiert stattdessen? Frauen bleiben in der Teil-
zeitfalle stecken . Männer, die weniger arbeiten möchten,
weil sie sich vielleicht um ihre Kinder kümmern wollen,
scheuen die Teilzeit wie der Teufel das Weihwasser .


(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)


– Schauen Sie sich einmal an, wie viele Männer Teilzeit
arbeiten und wie viele Frauen Teilzeit arbeiten . Für die
Männer ist Teilzeitarbeit immer noch gleichbedeutend
mit Karriereknick, mit Abstellgleis und sogar mit Mob-
bing . Männer arbeiten nicht Teilzeit, weil sie sehen, was
aus ihrer Teilzeit arbeitenden Kollegin alles nicht wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Quatsch!)


Deswegen, meine Damen und Herren: Wir brauchen
völlig neue und innovative Arbeitszeitmodelle, die eben-
diese  Grenze  zwischen Teilzeit  und Vollzeit  fließender 
machen .

Wir schlagen Ihnen heute vor: Lassen Sie uns Vollzeit-
arbeit als einen Korridor im Rahmen von 30 bis 40 Stun-
den pro Woche definieren. Das alles soll zukünftig Voll-
zeit sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In diesem Korridor können die Beschäftigten ihre Ar-
beitszeit, natürlich nach einer angemessenen Ankündi-
gungsfrist, unkompliziert und bedarfsgerecht bestimmen .
Damit ist endlich auch jene Arbeitszeit, die unterhalb

von 40 Stunden liegt, nicht mehr zwingend Teilzeit und
gleichbedeutend mit dem Abschied von einer Karriere .

Diese flexible Vollzeit ist ein Angebot an die Männer, 
die sich dann endlich einmal Teilzeit trauen können . Sie
ist ein Angebot an die Frauen, die mehr arbeiten wol-
len . Sie ist ein Angebot an Paare, die ihre Arbeitszeiten
angleichen wollen, weil sie sich partnerschaftlich um die
Familie kümmern möchten . Und sie ist ein Angebot an
die Betriebe, Fachkräfte zu gewinnen und Fachkräfte zu
halten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, es ist doch wirklich kein
Geheimnis: Zufriedene Beschäftigte sind weniger ge-
stresst und sind gesünder . Sie bleiben ihrem Unterneh-
men länger erhalten: Sie sind treuer . Das ist ein Zuge-
winn, und zwar an Kreativität und an Produktivität .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Alle Untersuchungen zeigen: Wenn wir die Arbeitszeit-
wünsche der Beschäftigten berücksichtigen, dann bedeu-
tet das die Ausweitung des Arbeitskräftepotenzials . Das
können wir uns doch vor dem Hintergrund des Fachkräf-
temangels nur wünschen . Also bewegen Sie sich an die-
ser Stelle!

Wenn aber Arbeit besser ins Leben passen soll, dann
geht es natürlich auch um die Frage: Wo wird gearbei-
tet? Ich rede hier von Homeoffice. Ich will nicht so tun, 
als würde das Homeoffice alle Probleme lösen. Aber das 
Homeoffice spart Wege, spart Zeit und ist deswegen ein 
Beitrag dazu, unterschiedliche Verpflichtungen unter ei-
nen Hut zu bringen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Aber nicht per Gesetz!)


Ich verstehe wirklich nicht, warum wir in Deutschland
immer noch diesen Anwesenheitswahn haben . Das An-
gebot von Homeoffices war in Deutschland immer gering 
und ist in den letzten Jahren noch einmal zurückgegan-
gen . Das liegt daran, dass die Arbeitgeber offensichtlich
voller Misstrauen gegenüber ihren eigenen Beschäftigten
sind . Dabei zeigen die Untersuchungen: Wer im Homeof-
fice arbeitet, arbeitet eher zu viel als zu wenig. 


(Bernd Rützel [SPD]: Das ist auch schlecht!)


Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit ha-
ben die Betriebe ihre Flexibilitätsanforderungen durch-
gesetzt . Jetzt sind die Beschäftigten an der Reihe, ihre
Wünsche zur Arbeitszeitsouveränität durchzusetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir haben Ihnen heute einen Vorschlag vorgelegt, der
eine Balance zwischen den Anforderungen der Betriebe
und den Bedürfnissen der Beschäftigten schafft . Dafür ist
es wirklich höchste Eisenbahn .

Die Lebensentwürfe der Menschen haben sich geän-
dert . Der Fachkräftemangel fordert neue Lösungen . Aber

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


in der Bundesregierung gibt es einen Totstellreflex. Bis 
heute hat Frau Nahles noch nicht einmal einen Gesetz-
entwurf vorgelegt, der das Rückkehrrecht in Vollzeit
ermöglicht, obwohl das in der Koalitionsvereinbarung
festgeschrieben worden ist . Das kritisieren nicht nur wir,
das kritisieren auch der DGB und viele andere Verbände .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diesen Stillstand können wir uns nicht weiter leisten . Wir
brauchen eine andere, eine Politik für flexible Arbeitszei-
ten, die so beweglich ist, wie die Menschen längst leben .

Wir haben Ihnen einen Vorschlag vorgelegt, den Sie
nicht ablehnen können, meine Damen und Herren . Ich
sage es noch einmal: Liebe Bundesregierung, überneh-
men Sie!

Ich danke Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816704200

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun der Kollege

Uwe Lagosky das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Uwe Lagosky (CDU):
Rede ID: ID1816704300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeitgeber und
Beschäftigte haben zwei wesentliche gemeinsame Ziele:
ihre Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten und Erfol-
ge zu erzielen . Denn davon hängen Wachstum und Be-
schäftigung in unserem Land ab .

Unserer Wirtschaft geht es auch deshalb so gut, weil
wir für unterschiedliche Anforderungen unterschiedliche
Arbeitszeitmodelle gefunden haben und auch in der Zu-
kunft finden werden. Zum Beispiel kann ein Stahlwerk – 
wie wir es eben gerade diskutiert haben – aus technischen
und wirtschaftlichen Gründen nur vernünftig betrieben
werden, wenn rund um die Uhr gearbeitet wird . Dabei
arbeiten Tausende von Beschäftigten entsprechend den
unterschiedlichen Anforderungen in den Abteilungen der
Produktion, der Technik und der Verwaltung .

Aufgrund von Strukturen und der Auftragslage haben
Handwerksbetriebe mit ein oder zwei Gesellen ganz an-
dere Anforderungen in Bezug auf die Arbeitszeit . Dem-
entsprechend kommt es zwangsläufig zu verschiedenen 
Arbeitszeitmodellen in unserer Wirtschaft . Es kommt
dementsprechend aber auch zu ganz eigenen Lösungen,
was flexibel gestaltete Arbeitszeiten angeht. Das funktio-
niert auch ohne staatliche Regelungen, liebe Grüne .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: So sieht es aus!)


Es funktioniert sowohl in kleinen Betrieben ohne Be-
triebsrat als auch in Betrieben, wo die Mitbestimmung
verankert ist .

Wenn Sie in Ihrem Antrag größtmögliche Zeitsouve-
ränität für Beschäftigte fordern, klingt das natürlich zu-
nächst einmal gut .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut!)


Nur wecken Sie damit völlig falsche Erwartungen . Denn
für ein gutes Miteinander unter den Kollegen und funk-
tionierende Betriebsabläufe gilt es, neben der Herstel-
lung der Einzelfallgerechtigkeit insbesondere auch der
Verantwortung allen Beschäftigten gegenüber gerecht zu
werden . Die Kunst besteht darin, Teams so aufzustellen,
dass Arbeit als Gemeinschaftsaufgabe gesehen wird, um
gemeinsame Ziele zu erreichen und dabei die individuel-
len Bedürfnisse des Einzelnen zu berücksichtigen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb wollen wir auch Betriebsvereinbarungen!)


Daher greifen viele Manteltarifverträge unterschiedlichs-
te Regelungen zur Arbeitszeit auf . Sie beinhalten gleich-
zeitig Öffnungsklauseln für Betriebsvereinbarungen . Ins-
gesamt werden bei diesen Tarifverträgen je nach Branche
auch die jeweils wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
und die Leistungsfähigkeit berücksichtigt .

Ich habe einige Jahre lang in der Verdi-Bundeskom-
mission für den Tarifvertrag Versorgungsbetriebe mitge-
wirkt . Aus diesem Tarifvertrag möchte ich drei Beispiele
nennen: Der § 7 regelt unter anderem Teilzeitbeschäfti-
gung . Durch Betriebs- und Dienstvereinbarungen kön-
nen nach § 8 Arbeitszeitkorridore und nach § 11 Arbeits-
zeitkonten eingerichtet werden . Letzteres wiederum gibt
dem Arbeitgeber und den Betriebsräten die Möglichkeit,
Gleitzeitmodelle mit Arbeitszeitkonten zu verbinden, da-
mit die Beschäftigten unter  fest  definierten Rahmenbe-
dingungen mal mehr oder weniger arbeiten können, wo-
mit sie mehr Arbeitszeitflexibilität erhalten. Kurzum, die 
Sozialpartner schaffen also längst mehr Zeitsouveränität
für die Beschäftigten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Bereich der Schichtarbeit werden ebenfalls längst
Betriebsvereinbarungen abgeschlossen und die Bedürf-
nisse der Mitarbeiter berücksichtigt . Das ergab eine
Kurzauswertung der Hans-Böckler-Stiftung aus dem
Jahre 2010 . Danach ist das unproblematisch . Bei al-
len Forderungen nach mehr Zeitsouveränität für den
Schichtbetrieb muss natürlich auch der Biorhythmus der
Beschäftigten berücksichtigt werden, wenn sie hinter-
einander Früh-, Spät-, Nacht- und Freischichten haben .
Dies muss entsprechend eingehalten werden . Man kann
an dieser Stelle auch die Arbeitgeber nicht aus der Ver-
antwortung entlassen .

Wie Arbeit und Privatleben in Einklang gebracht wer-
den können, beschäftigt die Sozialpartner und die Politik
schon seit Jahren . Durchaus interessant sind dabei die Bei-
träge der Hans-Böckler-Stiftung, aber auch beispielsweise
unsere Gesetze zur verbesserten Vereinbarkeit von Fami-
lie, Pflege und Beruf mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015. 

Die Hans-Böckler-Stiftung hat 2015 eine Untersu-
chung von Vanita Irene Matta von der Universität Zürich

Brigitte Pothmer






(A) (C)



(B) (D)


veröffentlicht . Sie hat Daten des Sozio-oekonomischen
Panels in der Version 29 ausgewertet, bei denen über
10 000 Personen in abhängiger Beschäftigung befragt
wurden, ob selbstgesteuerte Arbeitszeiten zu einer Aus-
weitung der wöchentlichen Arbeitszeit führen . Ja, das ist
sowohl bei Frauen als auch bei Männern der Fall, wobei
letztere besonders extreme Steigerungsraten aufwiesen .

Dass, wie es in Ihrem Antrag heißt, mehr Freiheiten
bei der Gestaltung der eigenen Arbeitszeit Stress und
Überlastung vermindern, ist so jedenfalls nicht haltbar .
Homeoffice  –  Frau  Pothmer,  Sie  haben  es  angespro-
chen – stellt davon abgesehen den Arbeitsschutz mit
Blick auf die Maximalarbeitszeiten und Ruhephasen vor
ganz neue Herausforderungen .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die werden wir lösen!)


Sinnvoll erscheint mir daher, bei den Beschäftigten und
Arbeitgebern eine neue Kultur der Prävention zu etablie-
ren, die für gesunde Arbeit sensibilisiert .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir bei!)


Da Sie als Grüne sich Werkzeuge wünschen, die Ar-
beitgebern, Betriebsräten und Personalräten geeignete
und passgenaue Lösungen gegen Stress bieten, verwei-
se ich Sie gerne auf die sehr guten Ausarbeitungen der
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, der
Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie sowie
der Initiative Neue Qualität der Arbeit . Wir brauchen
nicht die von Ihnen geforderte Verordnung dazu, sondern
verantwortungsbewusste Akteure, und diese stellen die
Werkzeuge bereits zur Verfügung .

Aus persönlicher Erfahrung kann ich Ihnen sagen,
dass Mitarbeitergespräche neben Gefährdungsbeurtei-
lungen zum Beispiel die beste Möglichkeit sind, die Be-
dürfnisse von Arbeitgebern und Beschäftigten abzustim-
men . Berufsbedingte Belastungen können so frühzeitig
erkannt und abgebaut werden . Als Politiker sollten wir
mit Blick auf die digitale Arbeitswelt aber durchaus Leit-
planken setzen . Seitens der Union arbeiten wir daran .

Schließlich  sorgt  eine  Zunahme  ortsflexibler  Ar-
beitsplätze außerhalb eines Betriebes, wie sie durch die
Digitalisierung zu erwarten ist, dafür, dass sich die di-
rekte Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten, den
Führungskräften, den Betriebsräten, aber auch mit dem
Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb und den
Datenschützern maximal verändern wird . Das stellt die
Sozialpartner ebenso wie den Gesetzgeber vor neue He-
rausforderungen, die unter anderem die bisherigen Ar-
beitszeitregelungen betreffen werden .

Bezogen auf die Aussagen der Grünen zu flexiblen Ar-
beitszeiten fehlt meines Erachtens das Verständnis für die
unterschiedlichen Vorstellungen gerade älterer und jün-
gerer Generationen. Bei allen Forderungen nach flexibler 
Arbeitszeitgestaltung müssen auch die Wünsche nach
Regelarbeitszeiten respektiert werden .

In jungen Jahren – das weiß ich aus eigener Anschau-
ung als Techniker – können flexible Arbeitszeiten einen 
durchaus an die Leistungsgrenze bringen, vor allem

dann, wenn man für eine Sache brennt und mit Projekten
mehr und mehr verwächst . Seine Kräfte einzuschätzen,
das will durchaus erst einmal gelernt sein .

Stichwort „Bedürfnisse“: Die Grünen schreiben in ih-
rem Antrag:

Ein Arbeitsumfang von 30 Stunden plus wird inte-
ressanter, dagegen verlieren Halbtagsjobs an Attrak-
tivität .

In Ihrer Fraktion wird das anscheinend unterschiedlich
gesehen . Am 25 . April haben Sie eine Referentenstelle
mit 29 Wochenstunden ausgeschrieben . So viel dazu .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Problem?)


Mein Fazit: Unserer Wirtschaft geht es auch deshalb
gut, weil wir für unterschiedliche Anforderungen flexible 
Arbeitszeitmodelle gefunden haben und sie auch weiter-
hin  finden werden. Diese  sind  auf  die wirtschaftlichen 
Rahmenbedingungen zugeschnitten und beziehen schon
heute individuelle Interessen der Beschäftigten mit ein .
Daran haben die Sozialpartner einen Riesenanteil .

So gut gemeint Ihr Antrag ist, möglichst jedem Be-
schäftigten ein Maximum an Zeitsouveränität zu gewäh-
ren, stellt er doch die Arbeitsabläufe in unseren Betrieben
gänzlich auf den Kopf . Damit ist den Beschäftigten am
wenigsten gedient .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816704400

Das Wort erhält nun die Kollegin Jutta Krellmann für

die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816704500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Dass wir über Arbeitszeit reden können, liegt
unter anderem daran, dass es einen kontinuierlichen An-
stieg bei der Produktivität gegeben hat und weiterhin ge-
ben wird, zum Beispiel durch die Industrie 4 .0 . Bei der
Verteilung der Arbeitszeit haben Betriebsräte ein ziem-
lich starkes Mitbestimmungsrecht . Problematisch wird
es aber schon bei den ganzen Ausnahmeregelungen im
Arbeitszeitgesetz: verlängerte Öffnungszeiten und ver-
kaufsoffene Sonntage hier, Wochenend- und Nachtarbeit
da . Wenn wir über mehr Zeitsouveränität reden, können
wir direkt damit beginnen, genau diese Ausnahmerege-
lungen zu streichen .


(Beifall bei der LINKEN)


Millionen Menschen insbesondere im Einzelhandel hätte
man dann sofort geholfen .

Die Grünen haben recht: Wir brauchen eine neue
Arbeitszeitkultur . Aber dazu müssen wir an den realen
Problemen ansetzen . Sie können doch nicht einfach über
flexible  Arbeitszeiten  reden,  ohne  auch  auf  Höchstar-
beitszeiten und Überstunden einzugehen . Nirgends sonst

Uwe Lagosky






(A) (C)



(B) (D)


in Europa werden so viele Überstunden geleistet wie in
Deutschland . Wer in der Arbeitszeitdebatte tatsächlich
Verbesserungen für alle Menschen erreichen will, muss
das Kind beim Namen nennen . Deswegen fordert die
Linke die Reduzierung der gesetzlichen Höchstarbeits-
zeit als Signal an alle Beschäftigten .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir reden doch im Bundestag nicht über Arbeitszeit, weil
wir den Arbeitgebern noch längere Arbeitszeiten ermög-
lichen wollen . Nein, wir reden über Arbeitszeit, damit
sich die Beschäftigten die Zeitsouveränität endlich zu-
rückholen können .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen ein Rückkehrrecht auf Vollzeit, also auf
mehr Arbeit . Gleichzeitig müssen wir über kollektive Ar-
beitszeitverkürzungen zu vollem Lohn- und Personalaus-
gleich nachdenken .


(Beifall bei der LINKEN)


Arbeitsverdichtung herrscht allerorts: immer mehr Arbeit
mit weniger Personal und in höherem Tempo . Selbst in
Krankenhäusern  geht Profit  vor Patienten. Diese Unlo-
gik ist einer neoliberalen Entwicklung geschuldet, an
der sich der Gesetzgeber aktiv beteiligt hat . Das einzu-
gestehen und diese Schieflage zu beheben, wäre ein ers-
ter Schritt hin zu einer ehrlichen Arbeitszeitdiskussion .
Wenn es um die Zeitbedürfnisse der Menschen geht, ist
Ehrlichkeit super wichtig .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist mein grundsätzliches Problem mit dem Antrag
der Grünen . Sie fordern darin einen Vollzeitkorridor und
Wahlarbeitszeiten, selbstbestimmt über Einsatzort und
Wochentage . Diese Wahlfreiheit kommt bei einigen be-
stimmt sehr gut an . Bei denjenigen, bei denen es keinen
Unterschied macht, ob sie vom Büro aus, von zu Hause
aus oder im Café bei einem Cappuccino am Laptop ar-
beiten, geht das. Aber was  ist mit dem Krankenpfleger, 
der Industriemechanikerin oder dem Busfahrer im Drei-
schichtsystem? Was ist mit der Verkäuferin, der Kellne-
rin oder dem Gebäudereiniger? Diese werden aus meiner
Sicht nicht erfasst . Wo sind die Vorschläge zur selbstbe-
stimmten Arbeitszeit für diese Beschäftigten?


(Beifall bei der LINKEN)


Eine Debatte über Zeitsouveränität macht gesell-
schaftlich doch nur Sinn, wenn sie nicht ausschließlich
Menschen in privilegierten Jobs zum Maßstab nimmt .
Genau das tun Sie aber und stellen sich damit aus unse-
rer Sicht auf eine Stufe mit Arbeitgeberpräsident Kramer
mit seinem Flexibilisierungswahn . Ich habe noch nicht
über die Leute in Miniteilzeit, Dauerbefristungen oder
die vielen Erwerbslosen geredet, die alle händeringend
mehr arbeiten wollen .

Wir müssen das Bedürfnis nach Zeitsouveränität aller
Menschen darauf abklopfen, wie es erstens mit einer ge-
rechten, echten Umverteilung von Arbeit machbar ist und


(Beifall bei der LINKEN)


wer zweitens am Ende über Flexibilität entscheidet: der
Beschäftigte oder der Chef . Wir können uns die Diskus-
sion sparen, wenn am Ende immer wieder das Interesse
der Arbeitgeber im Vordergrund steht .


(Beifall bei der LINKEN – Beate MüllerGemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das wollen wir aufbrechen! Einfach mal richtig lesen!)


Wir brauchen endlich einen Perspektivwechsel in die-
ser Frage . Diejenigen, die die Werte schaffen und damit
den Reichtum in dieser Gesellschaft, müssen im Zentrum
der Diskussion stehen,


(Beifall bei der LINKEN – Bernd Rützel [SPD]: Ja, unbedingt!)


sonst verkommt die Arbeitszeitdiskussion nur wieder zu
einem profitablen Deal für die Arbeitgeber. Das werden 
die Beschäftigten nicht mitmachen – und die Linke auch
nicht .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816704600

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Bernd Rützel, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1816704700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Rettet
den Feierabend!“ oder „Wie entkomme ich dem Hamster-
rad?“ sind beliebte Veranstaltungen . Die Menschen kom-
men zu diesen Veranstaltungen; denn dieses Thema treibt
die Menschen um . Es geht um Zeit, um Lebenszeit, und
diese ist endlich . Deshalb freue ich mich, dass wir heu-
te über den Antrag der Grünen sprechen; denn er enthält
sehr viele vernünftige Überlegungen .

Viele Menschen haben sehr weite Wege zu ihrem
Arbeitsplatz . 17 Millionen Berufspendler gibt es in
Deutschland . Studien haben ergeben, dass Pendler häu-
figer unter Kopf-, Rücken- und Magenschmerzen leiden, 
dass sie öfter Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankun-
gen und Schlafstörungen haben, und die Studien haben
auch gezeigt: Sie leben kürzer .

Pendeln schlaucht . Ich weiß, wovon ich rede; denn ich
bin selbst jahrelang vier bis fünf Stunden am Tag gepen-
delt . Nun kann man sagen: Selbst schuld . Aber man ist
auch nicht einfach selbst schuld, wenn es nicht anders
geht . Vielen wäre geholfen, wenn es mehr Gelegenhei-
ten zur Arbeit im Homeoffice gäbe. Homeoffice ist nicht 
gleich Homeoffice. Oft helfen bereits ein oder zwei Tage 
in der Woche, und der Angestellte kann seine Zeit we-
sentlich besser und flexibler planen.

Im Gegensatz zum Homeoffice steht die Präsenzkul-
tur, auch innerhalb der Belegschaft . Wir alle müssen
verinnerlichen: Es ist nicht zwangsläufig die Person am 
nützlichsten, die die meiste Zeit im Betrieb verbringt . Es
soll sogar Kolleginnen und Kollegen geben, die nachmit-

Jutta Krellmann






(A) (C)



(B) (D)


tags durch die Flure streifen, um zu sehen, wer noch ar-
beitet bzw . noch da ist und wer schon in den Feierabend
gegangen ist .

Wir dürfen aber auch nicht ins Gegenteil verfallen .
Bei allen positiven Aspekten flexibler Arbeitszeitplanung 
gibt es auch Risiken . Es darf bei normal Beschäftigten
keine reine Orientierung nur am Arbeitsergebnis geben .
Die Beschäftigten haben einen Arbeitsvertrag, keinen
Werkvertrag, und in einem solchen ist jede Minute zu
vergüten . Punkt! Diese Arbeitszeit muss erfasst werden .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Die Beschäftigten werden für Zeit entlohnt . „Die Zeit
bringt das Geld“ ist ein geflügeltes Wort, und Sie haben 
absolut recht, wenn Sie, liebe Grünen, sagen: Wenn je-
mand im Urlaub dienstlich angerufen wird, dann ist das
ein Arbeitstag . Punkt! Die Ruhe ist gestört, die Erholung
dahin, und das muss auch anerkannt werden . So ganz ne-
benbei ist das nicht zu leisten .

Ich mache bereits seit einigen Jahren das Experiment,
eine Urlaubswoche lang nicht nur auf das Handy zu ver-
zichten, sondern auf alle Kommunikation nach außen
und von außen . Ich habe kein Internet, nicht nur, weil es
Funklöcher gibt, sondern weil ich es gar nicht will . Ich
empfange keine Nachrichten mehr, ich habe nicht einmal
eine Armbanduhr um .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Das nenne ich Urlaub!)


Ich habe das überlebt . Die Welt ist nicht stehen geblie-
ben . Alles hat weiter funktioniert . Das müssen auch die
Arbeitgeber lernen, wenn es um ständige Erreichbarkeit
geht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einführung eines
Anspruchs auf befristete Teilzeit . Das Recht zur Rück-
kehr auf den früheren Stundenumfang muss dringend
umgesetzt werden . In meinem Wahlkreis habe ich es
aktuell mit dem Fall einer Betriebsrätin zu tun, die seit
31 Jahren in einem Betrieb arbeitet . Nach mittlerweile
22 Jahren in Teilzeit will sie aufstocken und wieder Voll-
zeit arbeiten . Doch obwohl sie gebraucht wird, de facto
voll arbeitet, Überstunden ansammelt und dieser Betrieb
Leiharbeiter ohne Ende einkauft, gibt man ihr keinen
Vollzeitvertrag .


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Sauerei!)


– Genau . – Wenn sie in Rente geht, dann fällt sie in die
Altersarmut, weil sie vorher nicht auf die nötigen Stun-
den gekommen ist . Die Teilzeitfalle müssen wir beenden .

Frau Pothmer, Sie haben vorhin die Frage angespro-
chen,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


warum Frau Andrea Nahles nicht schon einen Entwurf
vorgelegt hat . Das liegt nicht an uns . Das liegt nicht am

Ministerium für Arbeit und Soziales . Das liegt nicht an
unserer Bundesministerin . Sie wissen es . Ich glaube, wir
bringen das mit unserem Koalitionspartner noch zustan-
de .


(Beifall bei der SPD)


Wenn die Arbeitszeiten für Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer selbstbestimmter werden sollen, dann
müssen wir uns auch fragen: Müssen da bestimmte Vo-
raussetzungen erfüllt sein? Oder ist mehr Flexibilität nur
bei Kindererziehung oder bei Pflegeleistungen möglich? 
Oder wollen wir darüber hinaus allen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern mehr Zeitsouveränität überall dort
einräumen, wo immer es geht?

Ich meine schon, die Beschäftigten sollten unab-
hängig  von  familiären  Pflichten  das  Recht  auf  private 
Weiterentwicklung und Entfaltung haben, und zwar mit
größtmöglicher Selbstbestimmtheit . Wir sollten an alle
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken . Dazu
reicht es eben nicht aus, auf individuelle Absprachen zu
setzen und die Voraussetzungen für Betriebsvereinbarun-
gen zu schaffen . Wir brauchen gesetzliche Vorgaben, die
allen Beschäftigten offenstehen, auch denen, die in klei-
nen Betrieben arbeiten .


(Beifall der Abg . Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Viele Chancen,  die Arbeitszeiten flexibler  zu gestal-
ten, stecken in der fortschreitenden Digitalisierung . Da-
mit sind aber auch viele Risiken verbunden, gerade aus
Arbeitnehmersicht . Deshalb darf es hier keine Schnell-
schüsse geben . Insofern ist es richtig und gut, dass das
BMAS, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales,
diesen Grünbuch-Prozess in Gang gesetzt hat, um ein-
fach einmal Fragen zu definieren. Dieser Prozess endet in 
einem Weißbuch . Auf dem Fundament der Erkenntnisse
und Ergebnisse aus diesem Prozess, die in vielen Veran-
staltungen diskutiert wurden, lässt sich aufbauen . Aber
ich gebe Ihnen recht: Es muss sich etwas bewegen . Die
Arbeitnehmer werden immer flexibler; sie sind schon im-
mer flexibel gewesen. Flexibilität erwarten wir jetzt auch 
von den Arbeitgebern .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816704800

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Gabriele Schmidt, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1816704900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen im Bundestag! Liebe Besucher im Bundestag!
Guten Morgen! Wir haben uns sicher alle schon einmal
gefragt: Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir,
um zu leben? Die Wahrheit liegt – wie so oft im Leben –
wohl in der Mitte . Arbeit ist für viele Erfüllung, gehört
selbstverständlich dazu und ist sinnstiftend . Idealerweise

Bernd Rützel






(A) (C)



(B) (D)


macht Arbeit Spaß . Arbeit kann auch anstrengend sein,
und Arbeit kann Menschen auch krankmachen . Auch kei-
ne Arbeit kann krankmachen .

Die Bedürfnisse bzw . die Arbeitswelt insgesamt haben
sich in den letzten Jahren stark verändert . Die Digitali-
sierung beeinflusst die Entwicklungen in allen Lebensbe-
reichen . Der Austausch von Informationen, Gütern und
Dienstleistungen sowie die Vernetzung der Märkte neh-
men immer mehr Fahrt auf .

Die Digitalisierung ist gut und wichtig und richtig und
dringender denn je notwendig in einer ländlichen Regi-
on wie der, aus der ich komme . Mit dem von Bundesmi-
nister Alexander Dobrindt mit aller Kraft und viel Geld
vorangetriebenen Ausbau des Breitbandes schließen wir
letzte Lücken, fördern Wirtschaftswachstum und auch
die Entstehung neuer und flexiblerer Arbeitsplätze.

Erst vorgestern durfte ich, wie einige Kollegen hier
auch, einen Förderbescheid für Beraterleistungen für die
Breitbandentwicklung entgegennehmen, und zwar für
die Gemeinde Pfaffenhausen im Hochschwarzwald . Der
Hochschwarzwald hat bekanntlich eine nicht ganz ein-
fache  Topografie,  was  den  Breitbandausbau  erschwert. 
Auch Löffingen im Hochschwarzwald kommt in den Ge-
nuss der Bundesförderung . Mit dem schnellen Zugang
zum Internet machen wir die Betriebe wettbewerbsfähig
und investieren in die Zukunft und damit auch in die Fle-
xibilität der Arbeit für Arbeitnehmer .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie vielleicht im falschen Tagesordnungspunkt?)


– Nein, Frau Pothmer . Ich komme zum Punkt . Danke
schön für den Hinweis .

Die Digitalisierung hat selbstverständlich unmittelba-
re Auswirkungen auf die Arbeitszeit und Folgen für Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer . Das geht von der Gesamtar-
beitszeit bis zur Präsenzzeit und zum Homeoffice. 

Die tägliche Höchstarbeitszeit ist im Arbeitszeitgesetz
geregelt . Es schreibt den Achtstundentag vor, lässt aber
auch viele Ausnahmen zu . Ich erinnere nur an die Gastro-
nomen, die eine viel längere Arbeitszeit gefordert haben,
was wir im Grunde ablehnen .

Das zeigt, dass Flexibilität in beide Richtungen und
von beiden Seiten, der Seite der Arbeitnehmer und der
Seite der Arbeitgeber, erwünscht ist, dass die Wünsche
und Vorstellungen unterschiedlich und sehr individuell
sind . Das zeigt auch, dass die Politik Rahmenbedingun-
gen schaffen muss, um den Bedürfnissen der Beschäftig-
ten und der Betriebe zu entsprechen . Wir müssen beide in
den Blick nehmen; die beiden gehören zusammen, meine
Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Mensch steht für uns Christdemokraten im Mittel-
punkt, aber nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der
Arbeitgeber; Arbeitgeber sind auch Menschen .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Widerspruch!)


Ich spreche nicht von Großfirmen. Ich spreche nicht von 
DAX-Konzernen, sondern von vielen Millionen Famili-
enbetrieben, Kleinunternehmern, Mittelständlern, die das
Rückgrat unserer Wirtschaft sind und den größten Teil
der Arbeitsplätze bereitstellen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ganz besonders kleine Unternehmen kennen die persön-
liche Situation ihrer Arbeitnehmer . Sie nehmen Rück-
sicht darauf, zum größten Teil, freiwillig .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist ja gut so!)


Wenn wir diese mit Gesetzen knebeln,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie es eh machen, knebeln auch die Gesetze nicht!)


wird der Betriebsfrieden leiden, und die freiwillige Be-
reitschaft zur Rücksichtnahme wird mit Sicherheit ab-
nehmen .

Außerdem haben wir in dieser Legislaturperiode be-
reits einige wichtige Maßnahmen ergriffen, um die Ar-
beitsbedingungen und damit die Lebenssituation von
Beschäftigten, insbesondere auch von Familien, zu ver-
bessern . Allen voran ist natürlich der Mindestlohn zu
nennen, der rund 3,7 Millionen Beschäftigten im Nied-
riglohnbereich, davon zwei Drittel Frauen, eine neue Per-
spektive eröffnet . Wir haben die Betreuung von Kindern
ausgebaut und tun es weiter, was vielen Hunderttausend
Familien zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit verhilft .
Das Elterngeld Plus wurde eingeführt. Die Familienpfle-
gezeit wurde verbessert .

Auch der im Koalitionsvertrag vereinbarte Rechts-
anspruch auf Rückkehr aus der Teilzeit in die frühere
Arbeitszeit, der hier schon mehrfach angemahnt wurde,
wird folgen .


(Beifall des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD] – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?)


Das haben Sie in Ihrem Antrag richtig erkannt, liebe Kol-
legen: Das haben wir noch nicht angepackt . Aber erstens
haben wir schon eine Menge sozialpolitischer Vorhaben
abgearbeitet, und zweitens dauert die Legislaturperiode
bekanntlich vier Jahre . Also: Hoffnung, Kollege Rützel!


(Bernd Rützel [SPD]: Sehr gut! Die stirbt zuletzt! – Beifall bei Abgeordneten der SPD)


– Danke für diesen Applaus . Ihr wisst schon, was ich
meine . Wir sind in der Koalition . Nur, falls es da Zweifel
gibt!


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, die sind in der Opposition!)


Längst ist das Thema „Zukunft der Arbeit“ ganz oben
auf der Agenda der Union . Da brauchen wir keine Nach-
hilfe . Am 15 . Dezember letzten Jahres haben wir auf dem
Parteitag der CDU Deutschlands in Karlsruhe intensiv
über das Positionspapier „Arbeit der Zukunft – Zukunft
der Arbeit“ diskutiert und es einstimmig angenommen .

Gabriele Schmidt (Ühlingen)







(A) (C)



(B) (D)


Wir reagieren damit auf die Veränderungen in der Ar-
beitswelt, auch auf den Wunsch nach mehr Souveränität
in der Arbeitszeit . Ich kann das hier nicht alles ausführen .
Sie können es aber gern unter www .cdu .de nachlesen,
liebe Kollegen .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung, die hier schon gescholten wur-
de, hat längst ein Maßnahmenpaket auf den Weg ge-
bracht . Die Opposition ist mit ihrer Forderung da ein
bisschen hinterher . Das Forschungsprogramm des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung mit dem Ti-
tel „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und
Arbeit von morgen“ setzt genau hier an . Es geht darum,
Arbeit wirtschaftlich und sozial verträglich zu gestalten .
Bis 2020 sind für das gesamte Programm etwa 1 Milli-
arde Euro vorgesehen . Die Bundesarbeitsministerin hat
außerdem verkündet, einen Arbeitszeitdialog zu führen –
mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften, den Kirchen –,
was ich ausdrücklich begrüße . Darüber hinaus plant das
Ministerium ein Wahlarbeitszeitmodell .

Auch bei anderen Themen malt die Opposition ein
düsteres Bild von Deutschland . Warum eigentlich? Die
Sklaverei ist abgeschafft . Über die Veränderungen in der
Arbeitswelt hat mein Kollege Lagosky schon alles rich-
tig ausgeführt . Sie scheinen da doch ein paar positive
Entwicklungen verpasst zu haben . Es ist nicht alles so
schlecht, wie Sie es manchmal darstellen . Ganz im Ge-
genteil: Die Mehrheit der Beschäftigten ist mit ihrer per-
sönlichen Arbeitssituation zufrieden .

Ich selbst war lange Jahre berufstätig und alleiner-
ziehend, in einer Zeit, als es noch keine Ganztagskitas,
keine verlässlichen Grundschulen und anderes gab . Am
flexibelsten in all den Jahren war mein Arbeitgeber – und 
das ist schon über 25 Jahre her . Diese Erfahrung haben
viele Arbeitnehmer in meiner Umgebung auch gemacht .
Während einer längeren Krankheitszeit habe ich sehr
viel Homeoffice gemacht, auch ohne Gesetz. Und wenn 
Sie meiner persönlichen Erfahrung nicht glauben, dann
fragen wir einmal die Statistik . Laut einer Befragung
von Erwerbstätigen aus 2012 des Bundesinstituts für
Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin mit den Schwerpunkten Arbeitsbe-
dingungen, Arbeitsbelastungen und gesundheitliche Be-
schwerden sind fast 80 Prozent der Befragten mit den
Arbeitszeiten zufrieden oder sogar sehr zufrieden . Eine
Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung,
DIW Berlin, kommt zu dem Ergebnis, dass nur jeder
Achte mit seiner beruflichen Tätigkeit unzufrieden ist. Es 
gibt laut DIW auch kaum Unterschiede beim Ausmaß der
Zufriedenheit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen . Soll
bedeuten, dass Arbeitnehmer nicht weniger zufrieden
sind, wenn sie zum Beispiel Sonntags- oder Nachtarbeit
leisten müssen oder eine Vollzeit- oder eine Teilzeitstelle
haben .


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816705000

Frau Kollegin, es gibt den Wunsch einer Zwischenfra-

ge von Frau Pothmer . Mögen Sie die zulassen?


Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1816705100

Gerne, ja .


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816705200

Liebe Frau Schmidt, Sie haben mit Ihren statistischen

Zahlen, die Sie hier gerade vorgetragen haben, den Ein-
druck erweckt, als gebe es eine hohe Zufriedenheit mit
dem Arbeitsumfang bei den Beschäftigten . Wie erklären
Sie sich dann, dass 1,35 Milliarden Stunden nicht geleis-
tet werden, weil die Wünsche der Beschäftigten nicht be-
rücksichtigt sind?


Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1816705300

Ich glaube, das sind zwei unterschiedliche Dinge .

Wenn Arbeitsstunden nicht geleistet werden, kann das
unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel weil man
gar  keine Arbeitskräfte  findet,  die  die  Stunden  leisten 
könnten .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Die Beschäftigten, die schon in Arbeit sind, wollen mehr arbeiten!)


– Das ist vielleicht eine Frage der Fragestellung des Fra-
genden .


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Will also sagen: Die Statistiken können auf verschiedene
Weise erfasst werden . Sie werden aber nicht dem Bun-
desinstitut für Berufsbildung und der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unterstellen wollen,
dass sie eine falsche Statistik herausgeben .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich zitiere mit 1,35 Milliarden Stunden das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung!)


– Gut, danke schön . Ich nehme das zur Kenntnis .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das freut mich!)


Es gibt auch europäische Erhebungen wie die sechste
Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen, bei
der unter anderem die Frage nach Dauer und Organisa-
tion der Arbeitszeit gestellt wurde . Auch hier geben die
meisten Erwerbstätigen an, dass sie mit den Arbeitszeiten
in ihrem Hauptberuf zufrieden sind . Zusammengefasst
heißt das nach dem, was ich vorgelegt habe, dass laut
politisch und wirtschaftlich unabhängigen Institutionen
Deutschland international zu den Spitzenreitern bei der
Arbeitszufriedenheit gehört . Ich habe noch eine Statistik
des IAB mitgebracht, auf die ich aber verzichten will .
Lassen Sie mich mit einem Satz von Konrad Adenauer
schließen:

Man kann keine Sozialpolitik treiben, wenn nicht
eine starke, gute und ertragreiche Wirtschaft sowie
die finanzielle Unterlage  für die Sozialpolitik vor-
handen sind .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gabriele Schmidt (Ühlingen)


http://www.cdu.de





(A) (C)



(B) (D)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816705400

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Michael Schlecht, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816705500

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und

Herren! Der Antrag der Grünen enthält ein realistisches
und unterstützenswertes Element . Das ist die Forderung
nach einem Rückkehrrecht auf Vollzeit, wenn jemand
zeitweise Teilzeit gearbeitet hat. Ich finde, das muss drin-
gend eingeführt werden .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber ansonsten ist dieser Antrag schon sehr merkwürdig .
Er ist eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und Welt-
fremdheit .


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


– Ja, weil Sie die Arbeitswelt anscheinend gar nicht ken-
nen .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die Linken haben je gearbeitet!)


Es gibt sicher Beschäftigte, die schon heute ein aus-
geprägtes Bedürfnis nach einer persönlichen Flexibilisie-
rung und die Möglichkeit haben, dieses gegenüber ihrem
Arbeitgeber im unmittelbaren Diskurs durchzusetzen .
Das sind Personenkreise, die zum Beispiel aufgrund ih-
rer fachlichen Kenntnisse eine starke Stellung gegenüber
ihrem Arbeitgeber haben .

Die Ahnungslosigkeit fängt schon damit an, dass Sie
in Ihrem Antrag vorschlagen, dass die Rechte der Be-
triebsräte gestärkt werden sollen, Betriebsvereinbarun-
gen über die Regelung der Arbeitszeit abzuschließen .
Ich will nur darauf hinweisen: Das gibt es alles . In § 87
Absatz 1 Ziffer 2 des Betriebsverfassungsgesetzes gibt es
längst entsprechende Regelungen; die Betriebsräte kön-
nen dies machen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist eine Vereinbarung!)


Viel wichtiger wäre, die Instrumente, die wir seit Jahr-
zehnten haben, zu schärfen und Möglichkeiten zu schaf-
fen, dass Betriebsräte mehr Möglichkeiten haben, dies in
Betriebsvereinbarungen  durchzusetzen.  Das  findet  sich 
aber in Ihrem Vorschlag nicht .

Wenn man sich mit den kollektivvertraglichen Rech-
ten beschäftigt, dann wird deutlich, dass es dringend not-
wendig wäre, die Rahmenbedingungen – sie sind heute
davon gekennzeichnet, dass ein ungeheurer Arbeitsstress
besteht, dass viel zu wenig Stellen besetzt werden, dass
von denjenigen, die arbeiten, verlangt wird, dass sie alles
schaffen,  egal  wie,  häufig  auch mit  unbezahlten Über-
stunden – im Betrieb mitzugestalten und ein erzwingba-
res Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über Perso-
nal- und Stellenpläne zu bekommen, um dem ungeheuren

Stress und der Überlastung von Beschäftigten zu begeg-
nen . Das wäre ganz wichtig, fehlt hier aber komplett .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist übrigens eine Forderung, mit der ich mich
schon seit den 80er-Jahren herumschlage, als ich noch
Tarifpolitik für die Druckindustrie gemacht habe, die wir
aber aufgrund der Kräfteverhältnisse nicht durchsetzen
konnten . Es wäre ein Verdienst, dies hier im Bundestag
voranzubringen .

Ein weiterer Punkt, den ich unter Weltfremdheit ein-
ordne, ist, dass Sie die Individualrechte, also die Rech-
te der einzelnen Beschäftigten, stärken wollen . Das ist
nicht verkehrt . Dann muss man aber erst darüber reden,
wie für die übergroße Masse der Beschäftigten die Ar-
beitsrealität heute aussieht . Glauben Sie, dass jemand,
der als Leiharbeiter tätig ist, der befristet beschäftigt
ist, der einen Werkvertrag hat, individuell eine so starke
Stellung hat, dass er sich traut, seine Wünsche dem Ar-
beitgeber gegenüber zu artikulieren? Glauben Sie, dass
er die Macht hätte, auch nur ansatzweise seine Wün-
sche gegenüber einem Arbeitgeber zu verwirklichen?
Das ist eine vollkommene Illusion . Deswegen sage ich
Ihnen: Bevor wir anfangen, über die Stärkung individu-
eller Rechte nachzudenken, sollten Sie endlich mit uns
gemeinsam den Murks und den menschenverachtenden
Mist, den die Grünen gemeinsam mit der SPD im letz-
ten Jahrzehnt durchgesetzt haben, nämlich die gesamte
Deregulierung am Arbeitsmarkt, zurücknehmen und die
Disziplinierung, die in der Arbeitswelt herrscht, zurück-
drängen . Dann könnten Ihre Forderungen eine realisti-
sche Perspektive werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht noch weiter . Durch Ihre Politik, die Sie vor
zehn Jahren betrieben haben, haben wir heute eine unge-
heure Atmosphäre der Disziplinierung . Das drückt sich
zum Beispiel in der Angst der Beschäftigten aus, arbeits-
los zu werden, weil sie ganz genau wissen, dass Arbeits-
losigkeit in der Folge auch sehr schnell Hartz IV bedeu-
ten kann . Das ist der Absturz in die Armut . Hartz IV ist
schlimm für die Betroffenen; aber Hartz IV ist noch viel
schlimmer für die 20 Millionen, die noch beschäftigt sind
und Angst davor haben, eines Tages in Hartz IV abzu-
rutschen . Deswegen müsste das erst verändert werden .
„Weg mit Hartz IV!“, die alte Forderung der Linken, ist
auch für die Fragen der Arbeitsgestaltung von zentraler
Bedeutung .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Martin Rosemann [SPD]: Wie wäre es denn mal mit konstruktiven Vorschlägen?)


Insofern ist aus meiner Sicht die Voraussetzung dafür,
überhaupt Freiheit in der Arbeitswelt zu schaffen, dass
man die Voraussetzungen dafür schafft, dass Beschäftigte
ihre Wünsche und Bedürfnisse besser durchsetzen kön-
nen . Bevor man solche wunderschönen Dinge hier auf-
schreibt, die sich gut lesen, aber mit der Realität wenig
zu tun haben, ist es notwendig, die Arbeitswelt überhaupt
zu reformieren und die ganze Prekarisierung, die Sie her-
beigeführt haben, zurückzudrängen .






(A) (C)



(B) (D)


Danke schön .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Die Rede heben wir uns auf!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816705600

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten

Markus Paschke, SPD-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Markus Paschke (SPD):
Rede ID: ID1816705700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
finde,  in  dem Antrag wird  ein wichtiges Thema aufge-
griffen; denn es geht um die Entwicklung der Arbeit . Un-
ter den Stichworten „Digitalisierung“ und „Arbeit 4 .0“
wird derzeit darüber diskutiert, wie dieser Prozess ge-
staltet werden kann . Es geht also um nicht weniger als
die Frage: Wie entwickelt sich Arbeit und damit auch das
Verhältnis vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer?

Die Ansprüche der Menschen an Arbeit und Leben
wandeln sich . In den letzten Jahrzehnten haben sich die
Anforderungen und die Bedürfnisse im Hinblick auf die
Gestaltung von Arbeitszeiten verändert . Die Vorstellun-
gen von heute unterscheiden sich im Hinblick auf Ort,
Zeit und Gestaltung der Arbeit erheblich von den Vorstel-
lungen von vor 10 oder 20 Jahren . Die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf hat heute einen ganz anderen Stellen-
wert . Es ist ein zunehmendes Bedürfnis, den individuel-
len Lebensrhythmus mit der Erwerbsarbeit in Einklang
zu bringen: Das kann der Wunsch des jungen Famili-
envaters sein, mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen
zu wollen, das kann die Notwendigkeit sein, die Pflege 
eines Familienmitglieds zu übernehmen, oder auch der
schlichte Wunsch, mehr oder weniger zu arbeiten . Hier
besteht also ein Bedürfnis nach Flexibilität, auch aus Ar-
beitnehmersicht .

Ehrlicherweise müssen wir aber  feststeilen, dass fle-
xible Arbeitszeiten heute immer noch eher aus Arbeitge-
bersicht definiert werden. Flexibilität wird häufig gleich-
gesetzt mit Verfügbarkeit rund um die Uhr: abends noch
mal schnell die Mails checken, per Handy auch nach
Dienstschluss für die Kollegen oder den Chef erreichbar
sein, am Wochenende mal eben schnell noch zwei, drei
Kleinigkeiten erledigen, die man im Büro nicht mehr ge-
schafft hat. Häufig gilt als guter Arbeitnehmer, wer mög-
lichst lange im Büro oder rund um die Uhr erreichbar ist .


(Bernd Rützel [SPD]: Genau! Das ist schlimm!)


Für viele Beschäftigte bedeutet, flexibler zu arbeiten, 
daher nicht, dass sie mehr Gestaltungsspielraum haben .
Im Gegenteil: Es bedeutet häufig, dass ihre Arbeits- und 
Freizeit weniger planbar ist und sie auch außerhalb der
geregelten Arbeitszeiten erreichbar sein müssen . Hier
sage ich ganz klar: Diese Form der Entgrenzung von Ar-
beit und Freizeit gilt es zu verhindern .


(Beifall bei der SPD)


Jeder Mensch hat ein Recht auf Feierabend und auf Wo-
chenende . Mittelfristig – das wissen wir aus vielen Un-
tersuchungen und Studien – ist es sogar schädlich für die
Gesundheit und auch die Produktivität, wenn man nicht
mehr abschalten und sich regenerieren kann .


(Beifall bei der SPD)


Im Antrag wird von Zeitsouveränität gesprochen . Die
Frage, die sich hier stellt, lautet einfach: Wer verfügt
wann über wessen Zeit? Nichts anderes steckt dahinter .
Aus diesem Grund halte ich es für wichtig, dass die Er-
werbstätigen mitbestimmen können, wenn es um ihre Zeit
geht. Wenn wir also über flexiblere Arbeit nachdenken, 
dann bedeutet das eben auch, über die Weiterentwicklung
der Arbeitnehmermitbestimmung nachzudenken .

Vor fast genau einem Jahr hat Andrea Nahles das
„Grünbuch Arbeiten 4 .0“ vorgestellt . In ihm werden
Trends, gewandelte Werte und wichtige Handlungsfelder
der zukünftigen Arbeitsgesellschaft skizziert .

Im öffentlichen Dialog mit Experten aus Betrieben,
mit Beschäftigten, mit Betriebsräten, mit Personalräten,
mit Geschäftsführern etc ., mit der Wissenschaft, mit den
Sozialpartnern, mit den Verbänden und in den sozialen
Medien – sodass sich jeder daran beteiligen kann – wol-
len wir einen neuen sozialen Kompromiss zur Gestaltung
der Arbeitszeit entwickeln, damit die Interessen der Ar-
beitnehmer ebenso wie die Interessen der Unternehmen
Berücksichtigung darin finden. Alle sind herzlich einge-
laden, sich an diesem Dialogprozess zu beteiligen . Es
soll nichts überstürzt werden . Aber es ist wichtig, dass
wir das Thema aufgreifen . Wir müssen uns überlegen:
Wie soll sich die Arbeit der Zukunft entwickeln? Welche
Rahmenbedingungen können wir setzen, damit jeder zu-
frieden arbeiten kann?

Danke schön .


(Beifall bei der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816705800

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grü-
nen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Die Arbeitswelt verändert sich, die
Wünsche der Beschäftigten aber auch . Die Arbeitswelt
wird  flexibler,  sie  wird  arbeitsintensiver,  oft  steht  we-
niger Personal zur Verfügung . Über 50 Prozent der Be-
schäftigten fühlen sich gehetzt . Viele erleben sich Tag für
Tag als Organisationstalente, insbesondere Frauen; denn
sie müssen ihre Erwerbsarbeit und auch noch ihr privates
Leben unter einen Hut bringen .

Aber hier verändert sich etwas . Die Beschäftigten
wollen mehr Zeit für die Familie, sie wollen nicht stän-
dig hetzen, sie wollen sich beispielsweise ehrenamtlich
engagieren . Sie brauchen auch Zeit für sich, um sich zu
erholen . Darauf brauchen wir passende Antworten . Die

Michael Schlecht






(A) (C)



(B) (D)


Beschäftigten brauchen mehr Zeitsouveränität; denn Ar-
beitszeit ist Lebenszeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Manche wollen weniger arbeiten, andere wollen mehr
arbeiten, wieder andere sind mit ihrem Arbeitsumfang
zufrieden . Viele müssen Vollzeit arbeiten, weil sie sich
kürzere  Arbeitszeiten  finanziell  gar  nicht  leisten  kön-
nen . Gerade sie brauchen mehr Zeitsouveränität im Ar-
beitsalltag . Sie wollen vielleicht gerne etwas später an-
fangen wegen der Kinder, sie wünschen sich einen freien
Nachmittag für die alten Eltern, und sie träumen von ei-
nem Tag Homeoffice, um sich die Fahrzeit  ins Büro zu 
sparen . Deshalb fordern wir, dass die Beschäftigten mehr
Einfluss darauf nehmen können, wann sie arbeiten und 
wo sie arbeiten . Herr Lagosky, wir wollen das auch in
Betrieben ohne Betriebsrat . Sie kennen die Zahlen, Sie
wissen, wie es da aussieht . Natürlich wollen wir auch
Betriebsvereinbarungen zu Vereinbarkeitsfragen und für
mehr Zeitsouveränität stärken .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Flexibilität ist keine Einbahnstraße . Deshalb wollen
wir die Arbeitszeit beweglicher gestalten, damit Arbeit
besser ins Leben passt .

Eine neue Arbeitskultur ist auch notwendig, weil das
Arbeitsleben insgesamt Tempo macht . Die Stichwor-
te sind bekannt: Arbeitsverdichtung, zunehmende Ar-
beitsintensität, gleichzeitig verlängern sich die Arbeits-
zeiten wieder, Schichtarbeit, Nachtarbeit, immer mehr
Menschen arbeiten auch am Wochenende . Die Folge:
Den Beschäftigten geht zunehmend die Puste aus . Im-
merhin ergibt sich jede zweite Frühverrentung aufgrund
psychischer Erkrankungen .

Wir müssen hier Druck herausnehmen, und zwar für
alle . Mehr Freiheit bei der Arbeitsgestaltung hilft gegen
ständige Arbeitshetze, aber das reicht natürlich nicht aus .
Politik, Sozialpartner und Wissenschaft müssen den Be-
trieben und Betriebsräten endlich eine Verordnung als
Werkzeug an die Hand geben, damit sie im Betrieb pas-
sende Lösungen gegen Stress am Arbeitsplatz entwickeln
können; denn in der Arbeitswelt brauchen die Menschen
beides: Zeitsouveränität und besseren Schutz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg . Markus Paschke [SPD])


In manchen Bereichen geht der Trend, auch durch die
Digitalisierung, hin zu mehr Zeitsouveränität . Die Men-
schen können arbeiten, wann und wo sie wollen . Arbeit
ist nicht mehr an einen Arbeitsplatz gebunden . Ein Bei-
spiel ist die Vertrauensarbeitszeit: Da geht es nicht mehr
um Stunden und Anwesenheit . Das bringt Freiheiten –
das ist gut so –, aber so entsteht oft auch Mehrarbeit, häu-
fig unbezahlt, und so verschwimmen auch die Grenzen 
zwischen Arbeit und Freizeit .

Hier brauchen wir dringend politische Lösungen .
Wenn beispielsweise die Beschäftigten im Urlaub ar-
beiten müssen, dann kann das nicht als Urlaub zählen .

Vor allem wollen wir auch die Mitbestimmung an die
Gegebenheiten der digitalen Arbeitswelt anpassen . Wenn
durch Vertrauensarbeitszeit Arbeit entgrenzt wird und
Mehrarbeit entsteht, dann soll der Betriebsrat künftig
auch über den Umfang der Arbeit mitbestimmen können .
Wir wollen Flexibilität ermöglichen, aber nicht gren-
zenlose Arbeit; denn Zeitsouveränität soll tatsächlich zu
mehr Lebensqualität führen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Geht es um die Gestaltung der Arbeitszeit, dann neh-
men wir auch die Arbeitsformen in den Blick, bei denen
die Beschäftigten besonders wenige Freiheiten haben .
Dabei ist mir die Arbeit auf Abruf ein besonderes Anlie-
gen. Die so Beschäftigten erhalten häufig einen niedrigen 
Lohn, sie wissen aber nicht, wann und vor allem wie viel
sie arbeiten können . Sie haben keine Zeitsouveränität und
können deshalb nicht einmal einen zweiten Job anneh-
men, damit sie von ihrer Arbeit auch leben können . Das
geht gar nicht . Das wollen wir verändern . Bei der Arbeit
auf Abruf muss die Arbeitszeit berechenbarer werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Regierungsfraktionen, wir legen Ihnen
heute Vorschläge auf den Tisch und wollen damit eine
Debatte, eine Diskussion über mehr Zeitsouveränität er-
öffnen . Arbeit muss besser ins Leben passen . Deshalb
fordern wir eine bessere Balance zwischen allen Berei-
chen des Lebens; denn die Menschen leben ja nicht, um
zu arbeiten, sondern sie arbeiten, um gut zu leben .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816705900

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Albert Stegemann, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Albert Stegemann (CDU):
Rede ID: ID1816706000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder
kennt die Schwierigkeit, das Erwerbsleben und private
Wünsche unter einen Hut zu bekommen . Eine Umfrage
des IAB aus dem Jahr 2014, die hier schon mehrfach zi-
tiert wurde, bestätigt das . In dieser Umfrage erklärten die
befragten Beschäftigten fast durchweg, dass sie sich an-
dere Arbeitszeiten wünschen . Diejenigen, die in Vollzeit
beschäftigt sind, möchten gerne weniger arbeiten, und
diejenigen, die in Teilzeit arbeiten, würden gerne mehr
verdienen . Unter Landwirten haben wir für jenes Phäno-
men eine Redewendung: Das Gras auf der anderen Seite
des Zauns ist immer etwas grüner .


(Heiterkeit)


Ich möchte damit nicht den oftmals berechtigten Anlie-
gen der Beschäftigten abschätzig entgegentreten, ganz
im Gegenteil .

Beate Müller-Gemmeke






(A) (C)



(B) (D)


Die Arbeitswelt  befindet  sich  im Wandel. Durch die 
zunehmende Digitalisierung – Stichwort Industrie 4 .0 –
verändern sich Arbeitsprozesse. Sie werden immer effizi-
enter. Dadurch steigt der Bedarf an flexiblen Arbeitszeit-
modellen . Für die Beschäftigten ergeben sich dadurch
aber nicht ausschließlich Risiken, sondern auch große
Chancen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben, die wollen wir nutzen!)


Genau an dieser Stelle gehen die Analysen der Grünen
und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Entwicklung
der Arbeit von morgen weit auseinander . Sie wollen ge-
setzlich festlegen, wie Arbeit und Leben geregelt werden
sollen . Wir wollen sozialpartnerschaftliche Lösungen,
die die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und der Arbeit-
nehmer intelligent zusammenbringen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und da, wo es keine Betriebsräte und keine Betriebsvereinbarungen gibt?)


Von politischer Seite können wir nun einmal nicht alles
so gestalten, wie wir es privat gerne hätten . Es muss am
Ende auch funktionieren . Ansonsten erweisen wir denen,
die wir schützen wollen, einen Bärendienst, vor allem
wecken wir sonst Hoffnungen, die wir nicht erfüllen
können .

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grü-
nen, Ihre Forderungen hören sich erst einmal gut an . Ich
stimme Ihnen sogar in der Analyse der beschriebenen Si-
tuation zu,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wow!)


allerdings ziehen Sie daraus die falschen Schlüsse .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber welche ziehen Sie denn?)


Lassen Sie mich dies an drei in Ihrem Antrag formulier-
ten Einschätzungen festmachen, die meines Erachtens
gewaltig fehllaufen:

Erstens . Sie betrachten den Arbeitsmarkt ausschließ-
lich aus der Sicht des Arbeitnehmers . Der Arbeitsmarkt
ist nun einmal, wie es der Name schon sagt, ein Markt .
Wenn Unternehmen erfolgreich sind, können sie Be-
schäftigung schaffen, und nur dann . Dies gilt unter den
Bedingungen einer globalen und immer stärker vernetz-
ten Wirtschaft erst  recht. Dies muss nicht zwangsläufig 
eine Einbahnstraße zulasten der Arbeitnehmer sein . In
den allermeisten Branchen geben sich die Betriebe sehr
große Mühe, passgenaue Angebote für ihre Arbeitneh-
mer zu finden. 


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es geht um die, wo es nicht funktioniert! Es geht um die, wo es keinen Betriebsrat gibt!)


Warum tun sie dies? Unternehmen bringen die Wünsche
der Arbeitnehmer und die Marktbedürfnisse so in Ein-
klang, dass auf beiden Seiten Synergien entstehen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie wollen alles gesetzlich regeln . Das wäre allerdings
nur Sand im Getriebe einer sozialpartnerschaftlichen Zu-
sammenarbeit .

Außerdem bin ich felsenfest davon überzeugt, dass
jeder kluge Unternehmer allein schon aus Gründen des
Fachkräftemangels das Wohl seiner Beschäftigten im
Auge hat .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie sehen doch, dass das nicht der Fall ist!)


– Hören Sie mir doch erst einmal zu .

Sie vermitteln zweitens mit Ihrem Antrag ein falsches
Bild von der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt widersprechen Sie sich aber! Am Anfang haben Sie etwas anderes gesagt! – Gegenruf der Abg . Gabriele Schmidt [Ühlingen] [CDU/CSU]: Rufen Sie doch nicht immer rein!)


Ja, es gibt Befürchtungen im Hinblick auf Entgrenzung
der Arbeit . Damit geht die Gefahr einher, dass man im
Beruf jederzeit und überall erreichbar sein muss . Auf der
anderen Seite zeichnen Sie das Bild starrer Bürozeiten,
die den Mitarbeitern kaum Mitsprache erlauben . Beide
Extreme gibt es .

Allerdings erwähnen Sie nicht, dass wir bereits heute
hohe Standards im Arbeitsschutz sowie Mitsprachemög-
lichkeiten haben . Viele Dinge sind bereits geregelt . Sie
fordern beispielsweise, dass berufliche Tätigkeit im Ur-
laub als Arbeitszeit gelten soll . Laut Bundesarbeitsgericht
haben Arbeitnehmer einen fest verbürgten Anspruch auf
Erholungszeit . Arbeitgeber dürfen nur bei sehr zwingen-
den Notwendigkeiten ihre Beschäftigten kontaktieren .
Somit ist diese Sachlage eigentlich klar .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir es doch gesetzlich darstellen!)


Mehr noch: 70 Prozent aller Unternehmen bieten fa-
milienfreundliche Maßnahmen an . In 80 Prozent der Be-
triebe gibt es Beschäftigte, die in Teilzeit arbeiten – nicht,
weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen . Es gibt
individuelle Festlegungen von Wochenarbeitstagen, fle-
xible Pausen und Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit . Kurz
gesagt: Auch hier wird sehr vieles von den Sozialpart-
nern gemeinsam gelöst .

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grü-
nen, am gravierendsten ist aber vielleicht drittens, wel-
ches Bild vom Arbeitnehmer Sie hier generell vertreten .
Sie fordern – ich zitiere –:

Albert Stegemann






(A) (C)



(B) (D)


Die Beschäftigten bekommen mehr Mitsprache über
den Umfang, die Lage und den Ort ihrer Erwerbstä-
tigkeit, damit Arbeit gut ins Leben passt .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Das hört sich nicht nur reichlich weltfremd an .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es aber nicht! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nein, die Rechtsprechung bezieht hierzu auch ganz klar
Stellung – allerdings nicht so, wie Sie es hier fordern .
Per Definition  stellen Arbeitnehmer  gemäß  einem Ver-
trag ihre Arbeitskraft gegen Entgelt zur Verfügung . Mich
würde daher schon interessieren, was genau Sie sich un-
ter „abhängiger Beschäftigung“ vorstellen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das denn jetzt?)


Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen . Es ist ein Tausch
von Zeit gegen Geld . Derjenige, der bezahlt, kann sagen,
was, wie und wo gemacht wird . Das ist nun einmal der
Arbeitgeber . Das ist die Realität .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Super! Toll!)


Diese Realität bringt gewisse Vorteile für den Arbeit-
nehmer mit sich – logischerweise den Lohn .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätten wir das auch geklärt!)


Ohne Geld des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer kei-
ne Leistung zu erbringen . Arbeitnehmer haben dadurch
auch ein Recht auf Erholungsurlaub . Sie haben Anspruch
auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall . Aber vor allem
muss der Arbeitgeber auch zahlen, wenn er nicht in der
Lage ist, seinen Arbeitnehmer voll und ganz auszulasten .
Das Unternehmerrisiko liegt bei ihm .

Wenn aber Arbeitnehmer mitbestimmen, wie, wann
und ob sie überhaupt ihre Arbeit verrichten, frage ich:
Inwiefern sind sie dann noch abhängig?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob? „Ob“ steht nicht im Antrag! – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mir stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber in Zukunft auch
wählen können, wie, wann und ob sie ihre Beschäftigten
überhaupt bezahlen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Ob“ steht nicht im Antrag!)


Wie stellen Sie sich das vor? Kann bald jeder kommen
und gehen, wann er möchte?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So kann das nicht funktionieren .

Ob Automobilindustrie, Tourismus, IT-Bereich oder
Landwirtschaft – die Branchen sind immer volatiler wer-

denden Märkten ausgesetzt . Darauf müssen Unterneh-
men auch reagieren können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn zum Beispiel in einem Gastronomiebetrieb nichts
los ist und die Chefin ihren Mitarbeitern den Nachmittag 
freigibt, kann doch daraus kein dauerhafter Anspruch auf
Wahlarbeitszeit erwachsen,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bei uns steht das denn?)


nur weil die Mitarbeiter dies als angenehm empfinden. 


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man sollte erst den Antrag lesen, dann die Rede schreiben!)


Genauso wenig ist es sinnvoll, dass zum Beispiel mei-
ne Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb beliebig
entscheiden, wann sie die Kühe melken . Das kann allein
schon aus tierschutzrechtlichen Gründen so gar nicht
stattfinden; das müssten Sie als Grüne eigentlich wissen. 


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vom Melken verstehen Sie wirklich nichts!)


Das alles hat also nichts mit Weisungsgebundenheit zu
tun . Das ist eine falsch verstandene Flexibilität . Das kann
nicht funktionieren .

In der Tat – hier haben Sie recht – brauchen wir ohne
Frage Flexibilität . Aber wir brauchen eine Flexibilität,
die beiden Vertragsparteien gerecht wird . Sie muss die
Lebensrealität von Arbeitnehmern und von Arbeitgebern
zusammenführen .

Fazit: Auch uns ist an Lösungen gelegen, die den je-
weiligen Lebensumständen Rechnung tragen . Die letzte
Bundesregierung hat bereits 2012 das Thema Zeitsou-
veränität in den Vordergrund gestellt . Es braucht Lösun-
gen, die zur jeweiligen Lebenssituation der Betroffenen
passen . Dafür wurden in den vergangenen Jahren bereits
eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht,
zum Beispiel die Pflegezeit. Damit können Angehörige 
für eine bestimmte Zeit aus dem Beruf aussteigen und
danach wieder zurückkehren . Seit 2014 ist auch eine
Beschäftigung über das Renteneintrittsalter hinaus un-
komplizierter möglich . Dies gibt beiden Seiten mehr Fle-
xibilität, da sie sich nicht mehr auf lange Zeit festlegen
müssen .

Generell muss es noch leichter werden, zwischen Teil-
zeit- und Vollzeitarbeit wechseln zu können . Da haben
Sie ein Stück weit recht . Dafür brauchen wir bessere
arbeitsrechtliche Instrumente . Wir werden hierfür das
Teilzeitrecht weiterentwickeln und einen Anspruch auf
befristete Teilzeitarbeit schaffen .

Gemeinsam mit der Wirtschaft haben wir Leitsätze
für eine familienbewusste Arbeitszeitkultur erarbeitet .
Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf keine hohle
Phrase sein . Das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor
Familie“ hat sich bewährt . Das zeigt auch die Studie von
Allensbach aus dem Jahr 2015 .

Albert Stegemann






(A) (C)



(B) (D)


Ja, Zeit zu haben, ist ein grundlegendes Bedürfnis von
Menschen . Ein Ruf nach gesetzlichen Änderungen, wie
Sie sie hier fordern, ist jedoch nicht hilfreich . Wir erleben
aktuell epochale Veränderungen im Arbeitsleben .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Und die muss man politisch gestalten!)


Die Digitalisierung bringt unweigerlich Flexibilisierung
der Arbeit mit sich . Dies bietet Risiken, aber auch Chan-
cen . Ich bin davon überzeugt, dass sich in der gelebten
Praxis so manche Herausforderung besser regelt, als Po-
litik dies auf dem Reißbrett verordnen kann . Deshalb leh-
nen wir diesen Antrag ab .

Ich bedanke mich dafür, dass Sie mir zugehört haben .
Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD] – Beate MüllerGemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt diskutieren wir erst einmal im Ausschuss, oder?)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816706100

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Dr . Martin Rosemann, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1816706200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Lieber Albert Stegemann,
Sie sind der Landwirt, und ich will mir nicht anmaßen,
in dem Bereich irgendetwas besser zu wissen, aber ich
habe mir sagen lassen, es gebe bereits moderne Höfe, die
so vollautomatisiert sind, dass dort die Kühe zum Mel-
ken gehen, wann sie wollen . Da haben die Kühe mehr
Zeitsouveränität und damit auch diejenigen, die sie mel-
ken müssen .


(Heiterkeit – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Es gibt Leute, die das aus eigener Anschauung kennen .

Am vergangenen Samstag hatte ich die Möglichkeit,
im Rahmen des Filmfestivals Futurale des BMAS an
einer Diskussion über den Film Digitale Nomaden teil-
zunehmen . Digitale Nomaden sind sicherlich ein extre-
mer Fall . Dabei handelt es sich um Menschen, die völlig
unabhängig von einem Arbeitsort und auch von einem
Wohnort ihrer Arbeit nachgehen . Der Film zeigt, dass die
Welt insgesamt bunter geworden ist . Am Ende des Films
stand die Aussage im Raum, dass es vor allem eine Er-
wartung der jüngeren Generation ist, bei der Arbeit, im
Erwerbsleben mehr Zeitsouveränität zu haben . Deswe-
gen meine ich, dass wir heute über ein sehr, sehr wichti-
ges gesellschafts- und arbeitsmarktpolitisches Zukunfts-
thema diskutieren .

Wenn ich den Antrag der Grünen lese, dann habe ich
den Eindruck, dass Sie – ich sage es einmal positiv –

das Dialogpapier der Projektgruppe „#NeueZeiten“ der
SPD-Bundestagsfraktion gelesen haben, bevor Sie Ihren
Antrag geschrieben haben . Nichtsdestotrotz haben Sie in
Ihrem Antrag leider wichtige Aspekte des Themas aus-
geblendet . Das Ganze geschieht natürlich auch immer
mit dem leicht durchschaubaren Ziel, der Regierungsko-
alition Untätigkeit zu unterstellen, obwohl in Wahrheit
bereits wichtige Schritte unternommen wurden oder zu-
mindest in praktischer Vorbereitung sind .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist uns ein echtes Anliegen!)


Einig sind wir uns – ich meine, das haben Sie auch zu
Recht gesagt –, wenn es um die große Lücke zwischen
Wunscharbeitszeiten und realisierten Arbeitszeiten geht .
Wenn wir einen Strich darunter machen – das ist die
gute Botschaft für die Wirtschaft –, dann würde die Re-
alisierung der Wunscharbeitszeiten eine Ausweitung der
Arbeitszeiten in Deutschland bedeuten . Das Statistische
Bundesamt schätzt das ungenutzte Arbeitspotenzial auf
22 Millionen Stunden . Richtig ist natürlich auch: Vor al-
lem die Frauen, die häufig in Teilzeit um die 50 Prozent 
arbeiten, würden gerne mehr arbeiten . Viele Männer, die
häufig 100 Prozent plus arbeiten, würden gerne weniger 
arbeiten . Wenn wir das in Zukunft besser zusammenbrin-
gen wollen, dann müssen wir die Arbeit umverteilen, und
dann brauchen wir andere Arbeitszeitmodelle . Aber das
reicht natürlich nicht aus, sondern wir brauchen auch an
anderer Stelle Rahmenbedingungen für mehr Partner-
schaftlichkeit . Ich meine, da haben wir in den letzten Jah-
ren große Schritte getan . Mit dem ElterngeldPlus schaf-
fen wir einen Anreiz für eine bessere partnerschaftliche
Aufteilung von Familienarbeit .


(Beifall bei der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das kann doch nur der Anfang sein! Noch zu wenig!)


Mit dem Konzept der Familienarbeitszeit hat Ministerin
Manuela Schwesig bereits den nächsten Schritt angekün-
digt .

Es ist schon angesprochen worden: Im Koalitionsver-
trag verankert ist die sogenannte befristete Teilzeit, also
eine Regelung, die es den Beschäftigten erlaubt, für eine
bestimmte Zeit Teilzeit zu arbeiten und dann zur Vollzeit
zurückzukehren . Von Untätigkeit in Sachen Zeitsouverä-
nität kann also nicht die Rede sein .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso nicht? Ein Gesetzentwurf ist doch gar nicht da!)


Vielmehr haben wir richtige Fundamente gelegt, Funda-
mente, über die dann auch das Dach einer Wahlarbeits-
zeit gelegt werden kann . Richtig ist: Ein Wahlarbeitszeit-
korridor, in dem die Wochenarbeitszeit in regelmäßigen
Abständen neu vereinbart werden kann, wäre tatsächlich
ein Instrument, mit dem dem Gedanken der Partner-
schaftlichkeit und der Lebensphasenorientierung noch
weiter gehender Rechnung getragen werden könnte .

Meine Damen und Herren, ich denke, darin besteht
auch eine Chance, von dem starren Bild von Vollzeit-
beschäftigung einerseits und Teilzeitbeschäftigung an-

Albert Stegemann






(A) (C)



(B) (D)


dererseits wegzukommen . Viele Männer wollen nicht
in Teilzeit arbeiten, und sie wollen nicht das Stigma der
Teilzeitarbeit auf der Stirn haben, wollen nicht die bisher
damit einhergehenden Nachteile . Umgekehrt sind Frauen
häufig  in  der Teilzeitfalle  gefangen. Deswegen  liegt  in 
einem solchen Arbeitszeitkorridor eine Riesenchance .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, zum Schluss will ich deut-
lich sagen: Natürlich gibt es unterschiedliche Erwartun-
gen der Menschen an Zeitpolitik . Was Sie ausblenden,
ist die Tatsache, dass die Mehrzahl der Beschäftigten
mit ihren Arbeitszeiten eigentlich ganz zufrieden ist und
dass es neben denjenigen, die sagen: „Wir brauchen mehr
Flexibilität, auch im Hinblick auf die Verteilung der Ar-
beitszeit über den Tag, um Familie und Beruf besser ver-
einbaren zu können“, auch solche gibt, die wollen, dass
es weiterhin klare, feste Arbeitszeiten und eine klare Ab-
grenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit gibt .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollen sie ja auch behalten! Bitte schön! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können sie auch!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816706300

Herr Kollege .


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1816706400

Es ist, denke ich, nicht Aufgabe der Politik, darüber

zu richten, welche Vorstellung besser oder schlechter ist .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, natürlich nicht!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816706500

Lieber Kollege, die Zeit!


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1816706600

Was wir tun müssen, ist, unterschiedliche Modelle der

Erwerbsarbeit in Deutschland zu ermöglichen .


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816706700

Es gibt zwar auch die Zeitautonomie von Abgeord-

neten; aber die Uhr spielt hier doch eine gewisse Rolle .
Sie haben vor einer Minute angekündigt, Sie kämen zum
Schluss, taten das dann aber nicht . Deswegen wäre es
schön, wenn Sie jetzt mit einem Dank schließen würden .


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1816706800

Herr Präsident, das haben Sie in meinen letzten Satz

hinein gesagt; denn das war eigentlich mein letzter Satz .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tja, das kann passieren, wenn man es provoziert!)


Aber ich habe das extra provoziert, um Ihnen zu sagen:
Zeitsouveränität spielt auch für Abgeordnete bei ihrer
Redezeit eine Rolle .

Vielen Dank .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816706900

Die Geschäftsordnung verbietet zwar die Kommentie-

rung des Präsidenten; aber wir nehmen das heute aus-
nahmsweise einmal hin .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Matthäus Strebl, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Matthäus Strebl (CSU):
Rede ID: ID1816707000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren einen Antrag
zur  flexiblen  Gestaltung  der Arbeitszeit. Arbeiten,  das 
geht zu Hause, am Schreibtisch, im Café, im Zug; außer-
halb des Büros läuft das Arbeiten dank moderner Tech-
nologien fast reibungslos . Zweifelsfrei hat die Arbeit im
Homeoffice  ihre  Vorteile,  wenn  die  Kinder  einmal  er-
krankt sind oder bestimmte Projekte auch am heimischen
Schreibtisch erledigt werden können . Dennoch sehe ich
die Arbeit außerhalb des Büros nicht unkritisch . Homeof-
fice kann auch dazu führen, dass es an gelebter Kommu-
nikation mangelt . Kommunikation, meine sehr verehrten
Damen und Herren, schafft Zusammenhalt, Werte und
gemeinsamen Austausch in einem Unternehmen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb als Ergänzung zum Büroarbeitsplatz!)


Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer wissen es
zu schätzen, spontan ein Gespräch zu führen oder eine
Teambesprechung abzuhalten . Ich frage die Antragstel-
ler: Wie wollen Sie den Arbeitgebern erklären, dass die
Beschäftigten nun selber entscheiden können, wo sie ihre
Aufgaben erledigen?

Aber auch aus ganz praktischen Gesichtspunkten
erscheint mir Ihre Forderung problematisch . Für viele
Branchen – ich nenne nur einmal den Einzelhandel, die
Gastronomie, die Pflege und das Verkehrswesen – ist das 
schlicht nicht umsetzbar . Daneben ist es schwierig, das
Arbeiten des Einzelnen im Homeoffice mit den Arbeits-
zeiten der Kollegen und der Bereitstellung von Büroor-
ganisation in Einklang zu bringen . Deshalb sehe ich den
von Ihnen in Ihrem Antrag geforderten Ausbau der Ar-
beit im Homeoffice als diskussionsbedürftig an.

Ein wichtiges Thema, das wir bei der ganzen Diskussi-
on nicht aus den Augen verlieren sollten, ist die Arbeit in
Teilzeit . Zweifelsfrei entscheiden sich viele Beschäftigte
in Deutschland bewusst für eine Reduzierung der Stun-
denzahl . Vor allem viele Arbeitnehmerinnen verringern
nach der Geburt ihrer Kinder die Zahl ihrer Arbeitsstun-
den . Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Rückkehr
in die Vollzeitarbeit nicht immer gelingt . Es besteht die
Gefahr, dass die Beschäftigten ihre Stundenzahl bis zur

Dr. Martin Rosemann






(A) (C)



(B) (D)


Rente nicht wieder auf Vollzeit aufstocken . Damit droht
ihnen die Teilzeitfalle .

Vor allem Arbeitnehmerinnen sind davon betroffen .
Das bestätigen die Zahlen des Statistischen Bundesam-
tes . 2014 war fast jede zweite erwerbstätige Frau von 20
bis 64 Jahren – exakt waren es 47 Prozent – in Teilzeit
beschäftigt . Bei den Arbeitnehmern lag der Anteil nur
bei 9 Prozent . Dabei wird oft vergessen, dass die Stun-
denreduzierung nicht nur Auswirkungen auf das Gehalt,
sondern auch auf die spätere Rente hat .

Ich möchte das Thema der Aktuellen Stunde, die heu-
te Nachmittag zur Altersarmut durchgeführt wird, nicht
vorziehen, gleichwohl aber doch ein paar Sätze darüber
verlieren . In vielen Fällen reichen die gesammelten Ren-
tenansprüche für ein Leben oberhalb der Grundsiche-
rung nicht aus . Die Gefahr von Altersarmut ist für Frau-
en erheblich höher als für Männer . Zwar gibt es bereits
heute gesetzliche Ansprüche für die Beschäftigten, ihre
Arbeitsstunden nur befristet zu reduzieren; dazu gehö-
ren insbesondere § 15 des Bundeselterngeld- und Eltern-
zeitgesetzes  und  §  3  des  Pflegezeitgesetzes.  Dennoch 
haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir das
Teilzeitrecht weiterentwickeln und ein Rückkehrrecht in
die Vollzeit schaffen wollen . Ich begrüße außerordent-
lich, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf dazu vorlegen
wird .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird das dann von der CSU nicht gestoppt?)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ar-
beitswelt steht im ständigen Wandel . Sie ist geprägt von
vielen Revolutionen, angefangen beim mechanischen
Webstuhl über die Dampfmaschine bis zum Fließband .
Heute befassen wir uns mit den Auswirkungen von Ar-
beit 4 .0 . Nicht nur die Just-in-time-Produktion und die
Globalisierung verschieben die traditionellen Arbeitszei-
ten . Auch die zunehmende Mobilität und Flexibilität, die
ständige Erreichbarkeit und die Digitalisierung lassen die
Grenzen zwischen dem Berufs- und Privatleben für im-
mer mehr Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen
verschwinden . Neue Technologien können mehr Freiräu-
me für Arbeitnehmer bedeuten, aber auch zu mehr Leis-
tungsdruck führen . Das kann sowohl eine Belastung als
auch ein Privileg sein .

Das Internet hat den Arbeitsalltag in den letzten 20
bis 30 Jahren revolutioniert . Die Digitalisierung hat neue
Kommunikationsformen und Arbeitsabläufe gebracht .
Das hat zweifelsfrei Auswirkungen auf den Datenschutz,
auf die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten, auf
fortlaufende Fort- und Weiterbildung und auf Unterneh-
mensstrukturen . Wir alle ertappen uns dabei, dass wir
nach Feierabend die Nachrichten auf Spiegel Online oder
unsere E-Mails noch einmal kontrollieren . Entdecken wir
dabei eine wichtige E-Mail, so tippen wir schnell eine
Antwort . So geht es vielen Beschäftigten . Für die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet das, dass sie
nach dem Feierabend eigentlich weiterarbeiten .

Bei den Veränderungen im Arbeitsleben sind wir ge-
fordert, den Arbeitsschutz der Beschäftigten regelmäßig

zu überprüfen und an die neuen Bedingungen anzupas-
sen . Es geht nicht darum, dass jeder immer und überall
erreichbar sein muss . Es geht auch nicht darum, die Ar-
beitszeiten generell auszudehnen . Es geht darum, die ver-
einbarte Arbeitszeit flexibel und bedarfsgerecht  zu nut-
zen . Das kommt den Arbeitnehmern ebenso zugute wie
den Unternehmen .

Die CDU/CSU-Fraktion möchte mit der Lebenszeit-
politik bessere Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer ermöglichen . Wir wollen eine fami-
lienfreundliche Arbeitszeit . Arbeit, meine sehr verehrten
Damen und Herren, muss sich mit dem Familienleben,
mit  beruflicher  Weiterbildung  und  mit  der  Pflege  von 
Angehörigen vereinbaren lassen . Wichtig ist aber auch,
dass Lösungen nur möglich sind, wenn Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sich gemeinsam abstimmen können . Es
müssen sowohl die Interessen des Unternehmens und die
betrieblichen Prozesse als auch die persönliche Situation
des Arbeitnehmers in Einklang gebracht werden .

Die Forderung in Ihrem Antrag, meine sehr verehrten
Damen und Herren von der Fraktion Die Grünen, nach
flexibler Änderung der Arbeitszeit halte ich für eine nette 
Idee in der Theorie, aber in der Umsetzung für schwierig
und den Unternehmen schwer vermittelbar . Deshalb wer-
den wir Ihrem Antrag nicht folgen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU – Beate MüllerGemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Sie diskutieren erst mal im Ausschuss, oder?)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816707100

Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile

ich das Wort der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm,
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1816707200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grü-
nen, in Ihrem Antrag sprechen Sie den Dialogprozess
„Arbeiten 4 .0“ unserer Bundesarbeitsministerin Andrea
Nahles an, an dem sich über 40 Verbände, Institutionen
und Unternehmen beteiligt haben und in dessen Rahmen
Lösungsvorschläge zur Zukunft der Arbeit entworfen
wurden . Daraus werden jetzt von uns politische Forde-
rungen erarbeitet .

Wie wird die Zukunft aussehen? Betrachten wir nur
einmal die Arbeit eines Fernfahrers . Heute sitzt er auf
seinem Fahrersitz am Steuer . Doch wo arbeitet er mor-
gen? In einem Logistikzentrum, in dem er mehrere Lkw
überwacht, die Güter ferngesteuert von A nach B trans-
portieren? Oder kontrolliert er die Brummis gar von zu
Hause aus? Zukunftsentwicklungen abschätzen und Lö-
sungen vorbereiten, genau darum geht es im Dialogpro-
zess „Arbeiten 4 .0“ .

Matthäus Strebl






(A) (C)



(B) (D)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, be-
klagen, dass wir in diesem Dialogprozess nur ankündi-
gen und Erwartungen wecken würden .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Es gilt doch der Koalitionsvertrag!)


Die Umsetzung unserer Vorstellungen stehe jedoch in
den Sternen, so schreiben Sie in Ihrem Antrag . Liebe
Kolleginnen und Kollegen der Grünen, da fassen Sie sich
lieber einmal an Ihre eigene Nase . Wo setzen Sie denn
etwas um? Sie legen uns einen Antrag mit vielen Forde-
rungen vor; aber im Gegensatz zu uns können Sie nicht
eine einzige davon verwirklichen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir hingegen haben die politische Kraft, etwas auf den
Weg zu bringen . Dafür müssen wir uns als kleinerer Part-
ner zwar immer wieder mit unserem Koalitionspartner
zusammenraufen, und oft kommen Kompromisse da-
bei heraus, die Sie dann heftig kritisieren; aber es sind
Schritte in die richtige Richtung, Schritte, die das Leben
von Menschen Stück für Stück besser machen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über was reden wir denn jetzt?)


Das tun wir jetzt schon in vielen Bereichen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können wir eine Sprechstunde einrichten!)


Vier Beispiele . Liebe Kolleginnen und Kollegen der
Grünen, Sie fordern in Ihrem Antrag, dass Paare ihre Er-
werbstätigkeit partnerschaftlicher gestalten sollen . Dafür
haben wir bereits gesorgt . Den Einstieg haben wir durch
das Elterngeld und das ElterngeldPlus geschaffen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Seit dem 1 . Juli 2015 haben Mütter und Väter durch das
ElterngeldPlus mehr Möglichkeiten als vorher, um Kin-
der und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat jetzt nicht wirklich etwas mit dem Antrag zu tun!)


Sie fordern den Ausbau von Kitaangeboten . Eltern
sollen besser über ihre Zeit bestimmen können . Ich ver-
weise hier beispielhaft auf eine jüngste Maßnahme des
Bundesfamilienministeriums, nämlich das Bundespro-
gramm „KitaPlus“ . Mit diesem Programm werden Kitas
darin unterstützt, ihre Öffnungszeiten besser an den
Wünschen der Eltern auszurichten . Dabei geht es nicht
darum, dass die Kinder länger in den Kitas verbleiben
sollen,  sondern um flexiblere Betreuungszeiten.  Ich  als 
Journalistin sowie alleinerziehende und voll berufstäti-
ge Mutter hätte mich sehr über ein derartiges Angebot
gefreut . Damals hatte auch ich keine geregelten Arbeits-
zeiten . Die Kita machte jedoch um 16 Uhr und freitags
sogar schon um 15 Uhr dicht . Es gab keine Alternativen .
Ich freue mich deshalb sehr, dass sich allein in meinem
Wahlkreis Lübeck zwölf Kitas an dem Bundesprogramm
beteiligt haben .

Was passiert, wenn in der Familie plötzlich Angehöri-
ge gepflegt werden müssen? Sie, liebe Kolleginnen und 
Kollegen der Grünen, haben auch dazu eine Forderung
aufgestellt . Das ist gut; denn inzwischen werden schon
mehr als ein Drittel der über 2,6 Millionen Pflegebedürf-
tigen  zu  Hause  von  ihren Angehörigen  gepflegt.  Zum 
Glück haben wir im Januar 2015 die sogenannte Fami-
lienpflegezeit eingeführt. Das ist ein guter Schritt in die 
richtige Richtung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich nenne einen weiteren Erfolg, der auch in die Zu-
kunft wirkt: Seit Januar 2015 gilt der gesetzliche Min-
destlohn . 4 Millionen Beschäftigte, davon 62 Prozent
Frauen, bekommen dadurch heute durchschnittlich
18 Prozent mehr . Der Mindestlohn führt auch dazu, dass
viele Minijobs, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
der Grünen, in Ihrem Antrag erwähnen, in reguläre sozi-
alversicherungspflichtige Beschäftigungen umgewandelt 
werden . – Sie sehen, wir haben schon vieles auf die rich-
tige Schiene gesetzt . Das Rückkehrrecht von Teilzeit in
die vorherige Arbeitszeit steht noch an . Wir werden auch
dies schaffen .

Damit Arbeit gut ins Leben passt, müssen wir uns aber
unbedingt um eine weitere Sache kümmern, nämlich
endlich ein Lohngerechtigkeitsgesetz für uns Frauen zu
schaffen . Gleicher Lohn für gleiche bzw . gleichwertige
Arbeit – diese so wichtige Forderung auch für die Zu-
kunft von guter Arbeit habe ich in Ihrem Antrag leider
nicht gefunden .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, weil das nicht das Thema war!)


Wir kämpfen darum, und wir werden auch dies schaffen .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816707300

Ich schließe die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/8241 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Wir kommen jetzt zu einem rechtspolitisch äußerst
wichtigen Thema im Sexualstrafrecht . Es geht um die
Schließung einer  empfindlichen Strafbarkeitslücke zum 
Schutz der sexuellen Selbstbestimmung . Ich rufe die Ta-
gesordnungspunkte 5 a und 5 b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än-
derung des Strafgesetzbuches – Verbesserung
des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung
Drucksache 18/8210
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)


Gabriele Hiller-Ohm






(A) (C)



(B) (D)


Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Cornelia Möhring, Frank Tempel,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Straf-
rechtsänderungsgesetzes zur Änderung des
Sexualstrafrechts (… StrÄndG)


Drucksache 18/7719
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Es wäre schön, wenn die Kolleginnen und Kollegen,
die uns jetzt verlassen müssen, das still tun, während die
anderen ihre Plätze einnehmen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erstem Redner erteile
ich das Wort dem Bundesminister Heiko Maas für die
Bundesregierung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank für die po-
sitive Einführung in dieses Thema . – Meine Damen und
Herren! Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor,
mit dem wir Frauen besser vor sexueller Gewalt schützen
wollen . Das ist auch bitter nötig .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In Deutschland haben wir bei den Straftaten Vergewal-
tigung und sexuelle Nötigung eine Verurteilungsquote
von 8 Prozent . Dabei wissen wir, dass nur etwa 10 Pro-
zent der Vergewaltigungen überhaupt angezeigt werden .
Dies führt dazu, dass Frauen, die Opfer sexueller Gewalt
werden, sich nicht ermuntert fühlen, die Taten, die ge-
gen sie begangen worden sind, auch strafrechtlich ahn-
den zu lassen . Der Grund besteht nicht nur darin, dass
es Beweisschwierigkeiten gibt, sondern vor allen Dingen
darin, dass unser Strafrecht eklatante Schutzlücken auf-
weist . Diese Schutzlücken wollen wir mit diesem Gesetz
schließen . Es ist auch an der Zeit, dass wir das tun .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben uns in den letzten Monaten – auch zusam-
men mit den Landesjustizverwaltungen, in der Gerichts-
praxis – sehr intensiv mit den Fällen befasst, bei denen
Schutzlücken bestehen und auf die in der Vergangenheit
auch immer wieder von Frauen und Opferverbänden auf-
merksam gemacht worden ist . Es gibt insbesondere drei
Konstellationen mit Schutzlücken, die wir mit diesem
Gesetz jetzt ein für alle Mal schließen wollen .

Erstens . Der Täter bricht den Willen des Opfers nicht
direkt vor einer Tat, sondern hat ihn schon lange zuvor
gebrochen . Bedauerlicherweise ist das in vielen, vielen
Fällen so . Es geht dabei um Beziehungen, in denen ein

Klima der Gewalt herrscht . Die betroffenen Frauen weh-
ren sich schon lange nicht mehr gegen den sogenannten
Haustyrannen, wie er auch in der Rechtsprechung be-
schrieben wird . Selbst wenn der Mann diesen Umstand
bewusst für Sex ausnutzt, ist das in der Vergangenheit
für eine Verurteilung nicht ausreichend gewesen . Die
Tatsache, dass die Gewalt zwar für das Opfer dauerhaft
präsent war, sie aber nicht gezielt für die Tat eingesetzt
worden ist, kam dem Täter in der Rechtsprechung und
vor Gericht auch noch zugute. Ich finde, das ist eine zy-
nische Logik, und die wollen wir nicht länger zulassen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb soll in Zukunft der Übergriff auch dann straf-
bar sein, wenn der Täter es ausnutzt, dass das Opfer aus
Angst vor weiterer Gewalt auf Gegenwehr gänzlich ver-
zichtet .

Die zweite Konstellation, um die es geht, sieht wie
folgt aus: Der Täter nutzt die Furcht seines Opfers be-
wusst aus, um sich an ihm zu vergehen . Aber dabei fürch-
tet das Opfer nicht um Leib und Leben . Es geht um die
Angst, dass man zum Beispiel seinen Arbeitsplatz ver-
liert, wenn man sich den sexuellen Handlungen verwei-
gert, oder dass man als Ausländerin abgeschoben wird,
wenn man sich dem Täter verweigert . Solche und noch
viele andere Fallkonstellationen hat unser Strafrecht bis-
her überhaupt nicht erfasst . Mit diesem Gesetzentwurf
wird das anders . Auch diese Änderung ist längst über-
fällig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Es geht drittens um Fälle, in denen die Attacke für das
Opfer vollkommend überraschend ist, sodass es schon
deshalb überhaupt keinen Widerstand leisten kann . Das
ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Frau den Täter und
die Handlung, die vom Täter ausgeht, nicht bemerkt, zum
Beispiel, weil sie sie nicht sieht und sich schon deshalb
gar nicht dazu verhalten kann . Bislang konnte so etwas,
zum Beispiel, wenn einer Frau unter den Rock in den
Schritt gegriffen wurde, allenfalls als Beleidigung be-
straft werden .


(Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!)


Aber ich finde, so etwas ist nicht als Beleidigung zu be-
strafen . So etwas verletzt die sexuelle Selbstbestimmung
einer Frau und muss auch als solche bestraft werden .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, es ist gut, dass darüber
breit diskutiert wird und ganz unterschiedliche Vorschlä-
ge gemacht werden, wie man Frauen besser vor sexueller
Gewalt schützen kann . Diese Diskussion hat insbesonde-
re nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln ein-
gesetzt . Ich will nur der Form halber darauf hinweisen,
dass unser Gesetzentwurf schon viel länger vorliegt . Das
Thema und ebenso der Gesetzentwurf beschäftigen uns
nicht in erster Linie seit den Ereignissen in der Silves-
ternacht in Köln . Es ist allerdings traurig, dass erst so

Vizepräsident Peter Hintze






(A) (C)



(B) (D)


etwas geschehen muss, bis es in Deutschland eine breite
Debatte darüber gibt, wie man Frauen besser vor sexuel-
ler Gewalt schützen kann, egal wo sie stattfindet und egal 
welchen Pass der Täter hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir wollen die Schutzlücken schließen und damit auch
den Vorgaben der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gerecht
werden . Dies tun wir mit diesem Gesetzentwurf . Aber
wir haben, wie Sie wissen, eine Expertenkommission
eingesetzt, die das ganze Sexualstrafrecht überarbeitet .
Es gibt an vielen anderen Stellen Reformbedarf . Deshalb
haben wir diesen Gesetzentwurf im Vorgriff auf die Er-
gebnisse der Expertenkommission eingebracht . Das Se-
xualstrafrecht wird uns weiterhin beschäftigen müssen .
Allerdings sind die Schutzlücken, die es hier gibt, so ek-
latant, dass man sie nicht länger offenlassen kann . Sie
müssen jetzt und sofort geschlossen werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind gerne bereit, all die Ergebnisse, die im Herbst
von der Expertenkommission vorgelegt werden, im poli-
tischen Raum zu besprechen . Wir werden auch die Dis-
kussion über die sogenannten Grapscherfälle – das spielt
hier im Parlament eine wesentliche Rolle – positiv be-
gleiten . Wir wollen dieses Gesetz so schnell wie möglich
beschließen . Es ist längst überfällig, Frauen in Deutsch-
land besser vor sexueller Gewalt zu schützen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816707400

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Halina Wawzyniak, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816707500

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Nein heißt nein . Das ist eigentlich eine banale
Selbstverständlichkeit . Aber im Sexualstrafrecht gilt sie
leider noch nicht . Daran ändert auch der von der Bun-
desregierung vorgelegte Gesetzentwurf nichts . Deshalb
hat die Linke, nachdem bereits die Grünen einen Gesetz-
entwurf vorgelegt haben, einen Gesetzentwurf vorgelegt,
der diesen Grundsatz im Strafgesetzbuch verankern soll .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Problem des derzeit geltenden Vergewaltigungs-
tatbestands besteht darin, dass er für alle Tatbestandsal-
ternativen eine Nötigung verlangt . Dies wird an der For-
mulierung „Wer eine andere Person . . . nötigt“ deutlich .
Selbst im Kommentar von Bundesrichter Fischer, der
das manchmal gar nicht wahrhaben will, heißt es, dass
das Opfer „gegen seinen Willen zu einem Tun, Dulden
oder Unterlassen gezwungen werden“ muss „bzw . der
Täter den entgegenstehenden Willen des Opfers durch

Gewalt brechen“ muss . Mithin ist es, um den Straftat-
bestand der Vergewaltigung zu erfüllen, notwendig, mit
Zwang den Willen einer Person zu brechen . Genau das
führt im Hinblick auf die sexuelle Selbstbestimmung zu
nicht hinnehmbaren Schutzlücken . Gerade Fälle, in de-
nen objektiv keine schutzlose Lage gegeben ist oder auf
eine Nötigung verzichtet wird, oder Fälle überraschender
sexueller Übergriffe sind nicht geregelt . Diese Schutzlü-
cken sind im Sexualstrafrecht nicht hinnehmbar .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun löst das Gesetz der Bundesregierung einen Teil
des Problems, aber nicht das Problem an sich . Das Ge-
setz versucht das Problem der sogenannten Überra-
schungsfälle zu lösen, also der Fälle, in denen das Opfer
zum Widerstand unfähig ist oder im Fall des Widerstan-
des ein Übel befürchtet . Der Gesetzentwurf regelt aber
nicht den Grundsatz „Nein heißt nein“ . Selbst die Rege-
lung der Überraschungsfälle finde ich suboptimal wegen 
des Begriffs „Widerstandsunfähigkeit“ . Es wäre besser,
zu formulieren: wo ein Wille nicht gebildet werden kann .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Weil die Linke die Schutzlücken im bestehenden Se-
xualstrafrecht für nicht hinnehmbar und den Vorschlag
der Bundesregierung für nicht ausreichend hält, haben
wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt . Dieser ist
einfach und verständlich, klar strukturiert und schließt
bestehende Schutzlücken .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke sagt:

Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen
Person

– das ist die zentrale Formulierung –

sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt
oder an sich vornehmen lässt oder diese Person zur
Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung
an oder mit einem Dritten bestimmt, wird . . . bestraft .

Wir haben uns also entschieden, den Grundsatz „Nein
heißt nein“ im Rahmen des Sexualstrafrechts an den An-
fang zu stellen, das Sexualstrafrecht umzustrukturieren
sowie die exhibitionistische Handlung und die Erregung
öffentlichen Ärgernisses als Ordnungswidrigkeit einzu-
stufen .


(Beifall bei der LINKEN)


Mit unserer Formulierung eines Grundtatbestandes
der nicht einvernehmlichen sexuellen Handlung und
Vergewaltigung wollen wir die gesellschaftliche Erwar-
tungshaltung des Grundsatzes „Nein heißt nein“ gleich
am Anfang des Sexualstrafrechts festschreiben; denn es
geht vor allen Dingen um eine gesellschaftliche Erwar-

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


tungshaltung, die Erwartungshaltung, dass die sexuelle
Selbstbestimmung umfassend geschützt wird .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun gibt es an der einen oder anderen Stelle Einwände
gegen diesen Vorschlag, und ich sage klar und eindeutig:
Diese sind nicht überzeugend . Da wird argumentiert, es
gäbe Beweisschwierigkeiten, wenn der Grundsatz „Nein
heißt nein“ verankert werden würde . „Wie soll denn ein
Nein nachgewiesen werden?“, heißt es . So schlüssig das
auf den ersten Blick scheint, so wenig schlüssig ist es,
wenn man sich das im Detail anschaut; denn schon im
derzeitigen Vergewaltigungsparagrafen gibt es die Tatbe-
standsalternative der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr
für Leib oder Leben, und in sogenannten Zweierkonstel-
lationen stellt sich auch bei dieser Tatbestandsalternative
die Frage, wie die Drohung nachgewiesen werden soll .
Mithin: Dieses Argument ist vorgeschoben .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


An anderer Stelle wird argumentiert, das Nein könne
ja möglicherweise nicht ernst gewesen sein, im Übrigen
ein seit vielen Jahren vorgetragenes Argument . Ich zitie-
re:

Deswegen muß mit diesem Beschluß einhergehen,
… daß immer mehr Männer empört sind, wenn ganz
locker gesagt wird: Na ja, wenn eine Frau Nein sagt,
meint sie es vielleicht doch nicht so!

Diesen Wunsch hatte die Abgeordnete Philipp, CDU/
CSU, in der Debatte zur Strafbarkeit der Vergewaltigung
in der Ehe  im Mai 1997.  Ich finde es ziemlich beschä-
mend, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist
und dieses Argument an der einen oder anderen Stelle
immer noch vorgetragen wird .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Argument ist auch in der Sache ziemlich absurd .
Wer es vorbringt, zeigt, welchen Stellenwert er der sexu-
ellen Selbstbestimmung beimisst . Stellen Sie sich einen
Moment vor, Ihr Nachbar fragt Sie, ob er nicht eine Pro-
berunde mit Ihrem tollen neuen metallic-braunen Fahr-
zeug fahren darf, und Sie sagen Nein . Der Nachbar, mit
dem Sie sich seit vielen Jahren gut verstehen, glaubt aber
nicht daran und fährt trotzdem bei passender Gelegen-
heit eine Proberunde . Dieser unbefugte Gebrauchs eines
Kraftfahrzeugs ist nun aber – wenn aus meiner Sicht
auch überflüssigerweise – strafbar, wenn ein Strafantrag 
vorliegt; denn nach dem einschlägigen Paragrafen wird
bestraft, wer – Achtung! – gegen den Willen des Berech-
tigten ein Kraftfahrzeug in Gebrauch nimmt . Das heißt,
im Hinblick auf ein Kraftfahrzeug soll „Nein heißt nein“
ausreichen, im Hinblick auf die sexuelle Selbstbestim-
mung aber nicht . Das verstehe, wer will – ich nicht .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen allerdings im Rahmen solcher Debatten
wie heute, in denen es vorrangig um das Strafrecht geht,
über mehr reden: Wir müssen über gesellschaftliche Hal-
tungen reden, und wir müssen deutlich widersprechen,
wenn sexualisierte Gewalt und Sexismus bagatellisiert
werden . Ich zitiere aus einem Kommentar auf meinem
Blog:

Wenn du dich schützen willst vor Sexismus der
Männer, dann zieh einfach eine lila Latzhose an .

Mir geht diese Verantwortungszuschreibung an Frauen
auf den Wecker .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um es einmal klar und deutlich zu sagen: Egal, was eine
Frau anhat, es ist niemals eine Einladung für Sexismus
oder sexuelle Handlungen .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen widersprechen, wenn gefordert wird, die
Frau solle den Bedürfnissen der Männer dienen . Ich zitie-
re noch einmal aus einem Kommentar auf meinem Blog:

Vor allem darf sich die Protesthaltung als Opfer
nicht verfestigen, damit diese Frauen nicht män-
nerfeindlich werden . Es ist unendlich schade um
jede einzelne Frau, die den Männern durch so eine
Scheiße als mögliche Sexualpartnerin verloren geht .
Sie müssen die Gelegenheit erhalten, übers Ziel hi-
nauszuschießen, damit sie ihren Fehler erkennen
und sich selbst wieder einkriegen können .

Es tut mir leid, an dieser Stelle kommt mir das – – Ich
sage das jetzt nicht; das wäre unparlamentarisch . Wir
müssen deutlich sagen: Das ist unverschämt, das ver-
ursacht Übelkeit . Solchen Äußerungen müssen wir klar
und deutlich gemeinsam entgegentreten .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])


Mithin: Wir müssen nicht nur eine strafrechtliche Re-
gelung verankern, von der ich immer noch hoffe, dass sie
„Nein heißt nein“ heißt, sondern vor allem dafür sorgen,
dass in der Gesellschaft Sexismus und sexualisierte Ge-
walt geächtet werden, und zwar jeden Tag und an jeder
Stelle . Eine strafrechtliche Verankerung des Grundsatzes
„Nein heißt nein“ kann dazu einen Beitrag leisten, dem
aber viele weitere folgen müssen .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816707600

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Ab-

geordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Halina Wawzyniak






(A) (C)



(B) (D)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1816707700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir machen uns neuerdings viele Sorgen um Einbruchs-
diebstähle und die Opfer solcher Taten . Wenn man diese
Opfer fragt: „Was hat Sie am meisten belastet?“, dann
kommt in der Regel heraus: Es ist gar nicht das fehlende
Bargeld oder der fehlende Schmuck, sondern es sind die
psychischen Folgen der Vorstellung, hier hat jemand in
meinen Sachen gewühlt, hier hat sich jemand in meine
Intimsphäre hineingewagt und ist übergriffig geworden.

Dabei geht es nur um Räume . Wie viel muss es im Ver-
gleich dazu erst ausmachen, wenn tatsächlich in die kör-
perliche Intimsphäre eingegriffen wird, wenn man einem
fremden Täter ausgeliefert ist, der sich dort zu schaffen
macht, wo man es nicht will?! Das ist traumatisierend .
Das führt bei den Opfern zu Depressionen, zu Ängsten
und sogar zu Selbstmordabsichten . Das ist das, was uns
auf den Plan ruft . Davor müssen wir alle Opfer schützen .


(Beifall im ganzen Hause)


Der Schutz vor solchen Übergriffen muss umfassend
sein . Die Freiheit in jeder Situation – egal was vorher
passiert ist –, Ja oder Nein zu sagen, muss ganz klar ge-
geben sein, unabhängig davon, wie verheißungsvoll der
Abend war, wie teuer das Abendessen war, ob man schon
lange verheiratet ist, wie die Beziehung ist, ob es eine
Gewaltbeziehung gibt, unabhängig von Religion und
kulturellem Hintergrund und auch unabhängig davon,
ob ein Täter dafür bezahlt hat . Wenn wir demnächst über
Prostitution reden, ist das sicherlich ein wichtiger Aspekt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Cornelia Möhring [DIE LINKE])


In all diesen Fällen hat niemand das Recht, sich über den
entgegenstehenden Willen eines anderen Menschen hin-
wegzusetzen .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Unser geltendes Strafrecht stellt solche Übergriffe in
§ 177 StGB unter Strafe, wenn der Übergriff mit Gewalt
oder Androhung von Gewalt einhergeht oder sich das
Opfer  in  einer  schutzlosen  Lage  befindet.  §  179  StGB 
ergänzt diese Regelung für den Fall, dass das Opfer wi-
derstandsunfähig ist . Also alles gut?

Deutschland hat die sogenannte Istanbul-Konventi-
on des Europarats aus dem Jahr 2011 gezeichnet . Die-
se verlangt, dass alle nicht einverständlichen sexuellen
Handlungen unter Strafe gestellt werden . Das ist der eine
Grund, weshalb wir schauen müssen, ob unser Strafrecht
noch up to date ist .

Der andere Grund ist noch wichtiger – es wurde be-
reits gesagt –: Wenn man sich genau anschaut, was unter
§§ 177 und 179 StGB fällt, stellt man fest: Es gibt über-
raschende Schutzlücken in der Strafbarkeit . Der Bun-
desverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
hat dazu etliche Fälle aus der Praxis zusammengestellt,
die absolut strafwürdiges Verhalten beschreiben, das von
§§ 177 und 179 StGB heute aber nicht erfasst wird . Das
hat in der Tat damit zu tun, dass wir es hier mit einem Nö-
tigungstatbestand zu tun haben, bei dem man letztendlich

von der Erwartung ausgeht, dass sich jedes erwachsene
Opfer wehrt, wenn es eine sexuelle Handlung nicht mag,
dies zum Ausdruck bringt und dadurch Gewalt oder An-
drohung von Gewalt provoziert .

Das ist aber nicht richtig . Es ist ein Irrtum, zu glauben,
dass jedes Opfer so handelt . Es gibt dabei verschiedene
typische Konstellationen . Ein besonderer Fall wurde be-
reits genannt: die Gewaltbeziehung, in der zwar nicht die
situative Gewalt gegeben ist, aber das Opfer schon weiß,
was passiert, wenn es sich wehrt . Vor allem die Konstel-
lation einer Gewaltbeziehung, in der ein Opfer etwa da-
rauf Rücksicht nimmt, dass die Kinder im Nebenzimmer
nicht geweckt werden sollen, ist ein Fall, der gerade die
Reform aus dem Jahre 1997 sozusagen ins Leere laufen
lässt.  Häufig  spielt  eine  Gewaltkonstellation  gerade  in 
der Ehe eine Rolle . Der Fortschritt, der 1997 gemacht
wurde, kann hier nicht zum Erfolg führen, weil Voraus-
setzungen des § 177 StGB nicht erfüllt sind .

Eine weitere typische Konstellation wäre: Das Opfer
wehrt sich nicht aus Angst, aus Ekel, weil es irgendwie
das nicht erwartet hat, was passiert, und nicht die Kraft
aufbringt, zu gehen, vielleicht weil etwas Alkohol im
Spiel ist, zum Beispiel nach einer gemeinsamen Feier .

Das heißt, das Opfer wehrt sich nicht immer . Die
Anforderung an das Opfer, sich zu wehren, schiebt die
Schuld für das, was passiert, in die völlig falsche Rich-
tung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Diese Anforderung vermittelt dem Opfer den Vorwurf,
sich falsch verhalten zu haben . Dem Opfer wird gesagt:
Du hättest dich wehren müssen . Dabei heißt es in allen
Ratschlägen der Kriminalpolizei an die Opfer: Wehre
dich bloß nicht; sonst passiert noch Schlimmeres . Das ist
ein Widerspruch . Hier muss das Strafrecht besser zum
Ausdruck bringen, dass es kein Recht gibt,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


sondern dass es strafwürdiges Unrecht ist, sich über den
klaren entgegengesetzten Willen des anderen hinwegzu-
setzen . Das ist das, was die Menschen bereits jetzt für
strafbar halten und was auch klar strafwürdig ist .

Eine weitere Konstellation ist im geltenden Recht
nicht überzeugend gelöst: wenn das Opfer wegen einer
geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung
nicht zum Widerstand fähig ist . Da darf es doch keinen
Rabatt in der Strafbarkeit geben .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So sieht es § 179 StGB aber vor . Hier ist das Strafmaß
nur sechs Monate bis zehn Jahre statt Freiheitsstrafe
nicht unter einem Jahr bis zehn Jahre . Es ist damit bei
§ 179 StGB nur ein Vergehen .

Die Istanbul-Konvention sieht das gerade andershe-
rum . Da, wo eine besondere Widerstandsunfähigkeit






(A) (C)



(B) (D)


ausgenutzt wird, ist das eigentlich strafverschärfend zu
berücksichtigen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Paul Lehrieder [CDU/CSU])


Deshalb ist es gut, dass wir uns hier an die Arbeit ma-
chen .

Es liegt nun ein Entwurf vor, der darauf abzielt, diese
Lücken zu schließen und den Strafrabatt bei Widerstands-
unfähigkeit aufgrund einer Behinderung aufzuheben . Vor
allem die beiden Konstellationen der Überraschung und
der Befürchtung des Opfers, dass ihm sonst ein besonde-
res Übel droht, werden ergänzt, und der Strafrahmen für
Taten gegenüber Opfern, die aufgrund einer Behinderung
zum Widerstand unfähig sind, wird gleichgezogen; der
Minister hatte es schon ausgeführt .

Bei Verurteilungsquoten im einstelligen, in Zukunft
dann vielleicht knapp zweistelligen Bereich ist es umso
bedeutender, dass das Strafrecht an dieser Stelle auch
eine andere Funktion erfüllt, nämlich für jedermann klar-
zumachen, was in dieser Gesellschaft nicht nur lästig,
unmoralisch, unerwünscht, unanständig ist, sondern was
bei Strafe verboten ist .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das war auch 1997 der tragende Grund, als es um die
Gleichbehandlung der Vergewaltigung in der Ehe ging .

Ich muss sagen: Je mehr Gespräche ich mit Bürgern
und Bürgerinnen führe, auch mit meiner Frauen Union zu
Hause, je mehr Fälle man betrachtet, die von der gelten-
den Regelung nicht erfasst sind und die allem Anschein
nach auch von der vorgeschlagenen Regelung nicht er-
fasst werden, desto mehr zeigt sich: Der Grundsatz, dass
allein der Wille des Opfers maßgeblich ist, verträgt keine
Einschränkung, auch nicht im Strafrecht .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb müssen wir uns noch einmal sehr genau an-
schauen, welche Herangehensweise diejenige ist, die uns
da zum Ziel führen kann .

Aus meiner Sicht sind weitere Ergänzungen notwen-
dig . Sexuelle Übergriffe, die nicht gleich unter „Verge-
waltigung“ zu fassen sind, sondern als bloßes Grapschen
oberhalb der Kleidung gelten, sind bisher nicht angemes-
sen sanktioniert, allenfalls als Beleidigung, und das geht
am Schutzgut völlig vorbei; das ist nicht überzeugend .
Grapschen ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann für das
Opfer auch schon dramatische psychische Folgen haben,
und deshalb muss das in den vorliegenden Gesetzentwurf
noch eingefügt werden .

Auf der Agenda steht sicherlich auch, dass wir uns
noch einmal anschauen, ob Taten aus einer Menge he-
raus strafbar gemacht werden sollen, ob das schon gelöst
ist, wenn wir das Grapschen als Tatbestand einführen und
dann andere Regeln über Täterschaft und Teilnahme zur
Anwendung kommen .

Wir stehen hier also am Anfang von parlamentari-
schen Beratungen, die sicherlich ganz interessant werden
und auf die ich mich schon freue . Am Ende brauchen wir
eine Regelung, die die Istanbul-Konvention erfüllt, die
alle Straflücken schließt und die dem Gerechtigkeitsemp-
finden der Bürger in diesem Land entspricht.

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816707800


Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-
ordneten Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen .


Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816707900


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Das Sexualstrafrecht wurde vor knapp 20 Jahren
zum letzten Mal reformiert . Dass es wieder auf der Agen-
da steht, ist zwingend notwendig, nicht nur deshalb, weil
sexualisierte Gewalt gegen Frauen durch die furchtbaren
Ereignisse in der Silvesternacht in Köln jetzt wieder ins
Scheinwerferlicht gerückt ist . Nein, es geht darum, dass
der aktuelle § 177 StGB gravierende Schutzlücken für
die Betroffenen aufweist .

Ich will Ihnen drei Beispiele nennen: Es geht um die
Mutter, die aus Angst um ihre im Nebenzimmer schlafen-
den Kinder keine Gegenwehr leistet, es geht um das Op-
fer, das sich aus Angst vor schweren Verletzungen nicht
wehrt, und es geht um Überraschungsfälle, in denen die
Frau im Schlaf überrumpelt wird und sich deshalb nicht
genug wehren kann . In all diesen Fällen wurden die Täter
nicht angeklagt oder verurteilt, weil sich die Opfer nicht
aktiv gewehrt haben . Es waren Sie, Herr Minister Maas,
der lange zögerte und lange keinen Handlungsbedarf
sah – so viel zu dieser Wahrheit –, und anschließend blo-
ckierte das Bundeskanzleramt . Ich will Ihnen ganz klar
sagen: Ohne den Druck der Frauenverbände, allen voran
der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauen-
notrufe mit seiner bedrückenden Fallsammlung, ohne
den Deutschen Juristinnenbund, Terre des Femmes und
den Deutschen Frauenrat würden wir heute nicht über die
dringend notwendige Schließung von Schutzlücken bei
Vergewaltigung und sexueller Nötigung debattieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber worum geht es hier im Kern? Es geht schlicht
und einfach darum, dass im geltenden Recht die sexu-
elle Selbstbestimmung nicht an sich als schützenswert
angesehen wird, anders als übrigens das Eigentum . Viel-
mehr – das ist der Unterschied – muss das Opfer sein
Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aktiv verteidigen,
es muss sich wehren . Sie haben inzwischen eingesehen,
Herr Minister, dass das nicht sachgerecht ist; aber es
fruchtet bei Ihnen nicht . Das Problem an Ihrem vorgeleg-

Elisabeth Winkelmeier-Becker






(A) (C)



(B) (D)


ten Gesetzentwurf ist: Er geht definitiv nicht weit genug. 
Sie bleiben hier auf halber Strecke stehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie wollen einige Schutzlücken schließen; das ist gut .
Aber was Sie nicht ändern, ist, dass Sie weiter auf die
Frage abstellen, ob oder warum das Opfer keinen Wider-
stand geleistet hat . Grundsätzlich reicht es Ihnen nicht
aus, wenn das Opfer Nein sagt und der Täter das auch
versteht . Das machen Sie in Ihrem Gesetzentwurf deut-
lich . Damit – das sage ich in aller Deutlichkeit – wird
das Rechtsgut auf sexuelle Selbstbestimmung weder aus-
nahmslos geschützt noch alle Schutzlücken geschlossen .
Das reicht nicht; das ist zu wenig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich benenne jetzt einmal sehr deutlich, was Sie da ma-
chen, Herr Minister: Sie halten so an tradierten Denk-
mustern von weiblicher Verfügbarkeit und der Irrelevanz
weiblicher Willensäußerungen fest . Ihnen reichen die
Aussage der Frau und ihr geäußerter Wille eben nicht
aus . Den stellen Sie weiter in Zweifel . Deshalb frage ich:
Wem nutzt diese Reform? Den Frauen jedenfalls nicht,
und darum ist Ihr Vorschlag inakzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch die bei Sexualdelikten in der Regel schwierige Be-
weisführung darf den Gesetzgeber doch nicht von sei-
ner Pflicht entbinden, die Unantastbarkeit der sexuellen 
Selbstbestimmung im Gesetz festzuschreiben . Das hätte
ich von Ihnen erwartet .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Also: Warum schaffen Sie nicht endlich ein modernes
Sexualstrafrecht mit einem glasklaren „Nein heißt nein“,
ohne Wenn und Aber? Jede sexuelle Handlung, auch das
Begrapschen, wäre gegen den erkennbaren Willen einer
anderen Person strafbar . Damit würde die Istanbul-Kon-
vention umgesetzt und der längst überfällige Paradig-
menwechsel vollzogen . Gesellschaftlich, meine ich, sind
wir da schon weiter, meine Damen und Herren . Ihnen
liegen gute Vorschläge vor, Herr Minister . Meine Frak-
tion hat einen Gesetzentwurf mit dem Grundsatz „Nein
heißt nein“ vorgelegt, die Linke hat heute nachgezogen .
Ich appelliere an Sie alle, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen in den Regierungsfraktionen – einige von Ihnen, wie
gerade die Kollegin Winkelmeier-Becker, haben sich ja
schon entsprechend geäußert –: Lassen Sie uns dieses
Flickwerk beheben und den Grundsatz „Nein heißt nein“
umsetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . Karin Maag [CDU/ CSU])


Die Frauenverbände fordern dazu auf, und es kommt
auch Unterstützung aus den Ländern .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt jetzt die
Chance auf eine umfassende und wichtige Reform .

Schieben wir sie nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag .
Um potenzielle Opfer zu schützen, braucht es mehr als
ein Flickwerk .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816708000

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Dr . Eva Högl, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1816708100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die körperliche Unversehrtheit und die sexu-
elle Selbstbestimmung sind unantastbar . Sie sind hohe
Rechtsgüter, und zwar für alle Menschen und in allen Si-
tuationen . Deswegen unterstütze ich alle, die hier heute
schon gesagt haben, dass wir eine umfassende Reform
des Sexualstrafrechts brauchen . Wir brauchen einen Pa-
radigmenwechsel .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg . Alexander Hoffmann [CDU/CSU] – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo ist der?)

– Den machen wir noch, nur Geduld .

Wir haben folgende vier Probleme im Sexualstraf-
recht: Wir  haben  eine  Schieflage  zwischen Eigentums-
delikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestim-
mung .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wohl wahr!)


Das ist schon beschrieben worden . Diejenigen, die ihre
sexuelle Selbstbestimmung verteidigen wollen, müssen
dies aktiv tun . Bei Eigentumsdelikten ist dies nicht er-
forderlich.  Das  ist  eine  Schieflage,  die  wir  abschaffen 
müssen .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Schieflage führt dazu, dass es bei den Strafverfah-
ren viel mehr um das Verhalten der Opfer geht – das hat
Frau Winkelmeier-Becker schon hervorgehoben – als um
das Verhalten der Täter .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Die Opfer müssen immer begründen, warum sie sich
wie in welcher Situation verhalten haben . Die Absurdi-
täten kennen wir alle, bis zu der Frage, ob man sich an
dieser dunklen Ecke hätte aufhalten müssen oder diese
Kleidung hätte tragen müssen . Das ist inakzeptabel . Das
führt dazu, dass wir wenige Anzeigen und wenige Verur-
teilungen haben . Deswegen haben sich viele sehr inten-
sive Gedanken gemacht, wo genau die Schutzlücken in

Ulle Schauws






(A) (C)



(B) (D)


unserem Strafrecht liegen . Es ist unsere Aufgabe, diese
Schutzlücken, diese Strafbarkeitslücken, mit einer besse-
ren Regelung zu schließen .

Unser Ziel – ich habe wahrgenommen, dass es viele
sind, die dieses Ziel haben – ist: Nein heißt nein .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir wollen jede Form der nicht einvernehmlichen sexu-
ellen Handlung unter Strafe stellen . Das drückt sich in
der Formel „Nein heißt nein“ aus . Das ist im Übrigen
schon lange unser Ziel . Deswegen ist es genau richtig ge-
wesen, dass das Justizministerium eine Strafrechtskom-
mission mit Expertinnen und Experten eingesetzt hat, die
den Dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs grundle-
gend überarbeiten soll . Das ist genau der richtige Ansatz .

Es ist auch richtig, dass wir heute einen Gesetzentwurf
beraten, die Schutzlücken, die wir schon identifiziert ha-
ben, jetzt schnell zu schließen . Das ist ein erster Schritt
in eine absolut richtige Richtung . Wir wissen auch genau,
dass dieser Schritt einigen schon viel zu weit geht und
dass einige dazu beigetragen haben, dass wir den Gesetz-
entwurf erst jetzt beraten können und nicht schon viel
früher; denn er hat mindestens ein halbes Jahr im Bun-
deskanzleramt gelegen, und zwar nicht, weil er nicht weit
genug geht, sondern weil er zu weit geht .


(Beifall bei der SPD)


Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich will
das einmal ganz deutlich sagen –, sind wir hier in einer
misslichen Situation . Einerseits arbeitet eine Strafrechts-
kommission an einer umfassenden Regelung, und ande-
rerseits wollen wir jetzt die Chance nutzen, zumindest
die identifizierten Schutzlücken zu schließen, von denen 
wir bereits wissen . Deswegen wissen wir ganz genau,
dass wir jetzt die Chance ergreifen sollten, das Strafrecht
zu verbessern,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


jetzt den Gesetzentwurf noch in zwei Richtungen zu
verbessern, nämlich die sexuelle Belästigung aufzuneh-
men – auch das ist eine wichtige Schutzlücke, die wir
dringend schließen müssen – und den Gesetzentwurf
in Richtung „Nein heißt nein“ weiterzuentwickeln . Wir
können nicht darauf warten; denn zum Beispiel aus der
Debatte zur Vergewaltigung in der Ehe wissen wir, dass
es vom ersten Antrag 25 Jahre gedauert hat, bis dieses
wichtige Vorhaben im Gesetz seinen Niederschlag gefun-
den hat .

Ich setze auf die Zusammenarbeit der Frauen, ganz
klar . Wenn wir heute die Debatte sehen, dann haben wir
auch eine Chance . Frauenverbände haben sich für die Re-
gelung „Nein heißt nein“ ausgesprochen . Wir haben über
die Fraktionsgrenzen  hinweg flammende Plädoyers  ge-
hört . Ich habe gerne applaudiert: bei Halina Wawzyniak,
bei Ulle Schauws, bei Frau Winkelmeier-Becker . Wenn
wir uns jetzt hier ganz tief in die Augen schauen und sa-
gen, wir wollen „Nein heißt nein“, wir wollen den guten
Gesetzentwurf von Heiko Maas und dem Justizministe-

rium noch nachbessern, dann sollten wir diese Chance
ergreifen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816708200

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Katja Keul, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816708300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Maas, wenn ich diese Re-
den höre, dann haben Sie, glaube ich, ein Problem .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Eva Högl [SPD]: Nein! – Zuruf von der SPD: Überhaupt nicht!)


Nicht alles, was lange währt, wird gut . Nachdem Sie sich
in der Koalition nun ein knappes Jahr um diesen Entwurf
gestritten haben, ist er um keinen Deut besser geworden
als zu Beginn . Das hehre Ziel, endlich die Istanbul-Kon-
vention umzusetzen und nicht einverständliche sexuelle
Handlungen unter Strafe zu stellen, ist komplett verfehlt .
Dazu wäre es erforderlich gewesen, den Tatbestand des
§ 177 StGB von Grund auf neu zu fassen und so zu for-
mulieren, dass es weder auf eine Nötigungshandlung des
Täters noch auf den Widerstand des Opfers ankommt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Was machen Sie stattdessen? An § 177 StGB trauen
Sie sich gar nicht heran und verschlimmbessern stattdes-
sen § 179 StGB, der schon durch seinen bisherigen Titel
deutlich macht, wo das Problem liegt: „Sexueller Miss-
brauch widerstandsunfähiger Personen“ . Alle Ihre drei
neuen Tatbestandsvarianten stellen darauf ab, warum
und wieso ein Opfer keinen Widerstand leistet . Selbst
wenn dem Täter nachgewiesen werden kann, dass er den
entgegenstehenden Willen des Opfers erkannt hatte, ist
diese Tat bei fehlendem Widerstand nicht strafbar, es sei
denn, das Opfer kann beweisen, dass es – erstens – auf-
grund eines körperlichen oder psychischen Zustands wi-
derstandsunfähig war oder – zweitens – für Widerstand
zu überrascht war oder – drittens – im Fall des Wider-
standes mit einem empfindlichen Übel gerechnet hat. In 
allen drei Varianten hängt die Strafbarkeit vom Verhalten
des Opfers und den Gründen für den fehlenden Wider-
stand ab . Das ist genau das Gegenteil von dem, was in
der Istanbul-Konvention vereinbart wurde .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Sie bereinigen bei dieser Gelegenheit nicht einmal die
in der geringeren Strafandrohung liegende Diskriminie-
rung widerstandsunfähiger Personen . Das ist offensicht-
lich kein Versehen, da Sie in der Begründung ausdrück-
lich betonen, dass Sie die Überwindung von Widerstand

Dr. Eva Högl






(A) (C)



(B) (D)


schlimmer  finden  als  die Ausnutzung  von Widerstand-
sunfähigkeit . Zum Ausgleich konstruieren Sie dann in
Absatz 3 wiederum einen besonders schweren Fall, der
vorliegt, wenn die Widerstandsunfähigkeit auf einer Be-
hinderung beruht . Logisch ist das nicht . Es ist die Feh-
lerkorrektur der Fehlerkorrektur einer fehlerhaften Grun-
dannahme . Sie schaffen es einfach nicht, sich davon zu
lösen, dass das Opfer Widerstand leisten muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Streichen Sie den § 179 StGB komplett, vergessen Sie
den Widerstand, und konzentrieren Sie sich endlich auf
die eigentliche Tathandlung!

Wir haben Ihnen mit unserem Gesetzesentwurf eine
rechtliche Lösung vorgeschlagen, mit der wir auf den
erkennbar entgegenstehenden Willen des Opfers abstel-
len . Ob das Opfer diesen Willen verbal äußert oder durch
Gesten, Mimik, Körperhaltung, Tränen oder von mir aus
schriftlich, ist dabei nicht entscheidend . Wie immer sind
die Gesamtumstände der Tat vom Gericht zu bewerten .
Fälle, in denen das Opfer aus Überraschung oder wegen
körperlicher Gebrechen gar keinen entgegenstehenden
Willen bilden konnte, sind in unserem Entwurf unter
dem Aspekt des Ausnutzens der Arg- und Wehrlosigkeit
erfasst . Damit würden wir alle nicht einverständlichen
sexuellen Handlungen unter Strafe stellen, so wie es die
Istanbul-Konvention erfordert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Kommen Sie mir jetzt nicht wieder mit der Beweisla-
ge! Die Beweiserhebung wird dadurch nicht schwieriger
oder weniger schwierig . Diese ureigene Aufgabe des Ge-
richts können wir ihm nicht abnehmen . Unsere Aufgabe
als Gesetzgeber ist es, festzulegen, was bewiesen wer-
den muss, und das darf eben gerade nicht der Widerstand
sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Der von den Linken eingebrachte Vorschlag sieht auf
den ersten Blick ganz anders aus als unser grüner Vor-
schlag, weil er einer anderen Systematik folgt . Inhalt-
lich entspricht der Grundtatbestand des vorgeschlagenen
§ 174 StGB dort aber dem von uns gewählten Anknüp-
fungspunkt des erkennbaren Willens . Diejenigen, die
aus bestimmten Gründen nicht zur Willensbildung in der
Lage sind, werden durch einen neuen § 177 StGB erfasst .
Leider wird damit, wie auch im Regierungsentwurf, eine
Sonderregelung für Behinderte gewählt . Außerdem führt
die Systematik zu sehr langen Tatbeständen, in denen
sich  einiges  zwangsläufig  wiederholt.  Beim  Umfang 
von Gesetzestexten favorisiere ich das Motto: so viel
wie nötig und so wenig wie möglich . Grundsätzlich ist
jedenfalls auch der Vorschlag der Linken gut geeignet,
die Istanbul-Konvention umzusetzen und die Strafbarkeit
von der leidigen Frage des Widerstandes zu lösen . Der
Regierungsentwurf hingegen hat sein Ziel verfehlt und

ist absolut ungeeignet, um die Istanbul-Konvention um-
zusetzen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1816708400

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten

Alexander Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alexander Hoffmann (CSU):
Rede ID: ID1816708500

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir reden heute über ein sehr wichtiges Thema . Ich bin
zunächst einmal sehr froh, dass es gelingt, dass wir über
die Fraktionen hinweg heute doch eine sehr klare Bot-
schaft formulieren können: Wir wollen Frauen besser
vor sexuellen Übergriffen schützen . Ich glaube, in der
Diskussion ist heute kein Raum dafür, dass die einen mit
dem Finger auf die anderen zeigen . Denn ich behaupte,
bei selbstkritischer Betrachtung stellt man fest, dass mo-
mentan keiner der Entwürfe, die hier auf dem Tisch lie-
gen, zu 100 Prozent der Zielsetzung entspricht, Frauen
besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen .

Ich habe in den letzten Wochen und Monaten als Be-
richterstatter meiner Fraktion viele Gespräche in der Sa-
che geführt, habe an vielen Veranstaltungen teilnehmen
dürfen und viele Zuschriften bekommen . Ich möchte
mich ausdrücklich für die gestrige Veranstaltung bei der
Gruppe der Frauen bedanken, weil dort sehr tiefgreifend
das eigentliche Problem beleuchtet wurde .

Nach den Gesprächen und Veranstaltungen wurde
klar: Wenn ich eine Agenda oder eine To-do-Liste für
diesen Problemkreis aufstellen will, dann müssen meiner
Meinung nach vier Punkte vorhanden sein: Wir müssen
die Botschaft „Nein heißt nein“ in eine gesetzliche Form
gießen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE] und Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


wir brauchen einen gesetzlichen Tatbestand, der sexuelle
Übergriffe in Form von Grapschen eigenständig bestraft,
wir brauchen einen besseren Schutz vor Übergriffen
sexueller Art aus einer Gruppe heraus, und wir müssen
beim Schutz vor sexuellen Übergriffen aufpassen, dass
wir Menschen mit Behinderungen nicht diskriminieren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich diese Punkte im Einzelnen ausführen .

Wir sollten uns im Rahmen dieser Reform die Frage
stellen, ob sexuelle Übergriffe in Form von Grapschen
bei uns in der aktuellen Rechtsprechung so abgebildet
werden, wie wir uns das in einem Rechtsstaat wünschen .
Sie alle kennen die Fälle, die die Schwachpunkte aufzei-

Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


gen . Der Griff an den Po oder an den Busen oberhalb der
Bekleidung stellt laut derzeitiger Rechtsprechung maxi-
mal eine sexuelle Beleidigung dar . In Köln gab es hierzu
jüngst eine gerichtliche Entscheidung . Die Richterin hat
entschieden, dass die Berührung alleine nicht ausreicht,
um die Ehre des Opfers zu verletzen . Das Problem ken-
nen wir alle: Es ist § 184 h StGB, in dem für die Strafbar-
keit einer sexuellen Handlung eine gewisse Erheblichkeit
gefordert wird .

Ich warne, sehr geehrter Herr Minister, davor, dass
wir uns dem Glauben hingeben, dass wir dieses Problem
dadurch beseitigen, dass wir die Überraschungsfälle re-
geln . Wir beseitigen damit das Problem nur oberhalb der
Erheblichkeitsschwelle und nicht unterhalb . Deswegen
sehe ich es anders als Sie, Herr Minister, als sie vorhin
auf die Überraschungsfälle Bezug genommen haben . Wir
brauchen einen eigenen Tatbestand . Der bayerische Jus-
tizminister Winfried Bausback hat Recht, wenn er sagt:
Für eine Frau ist der Griff an den Busen mehr als eine
Beleidigung . – Das muss auch im Gesetz abgebildet wer-
den .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Dies führt mich zu dem Punkt: sexuelle Übergriffe aus
einer Gruppe . Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen,
kennen – und zwar schon vor Köln – folgendes Tatbild:
Eine Gruppe Männer geht auf eine Frau zu, zunächst la-
chend, die Frau wird angetanzt, die Frau wird umzingelt,
und dann wird sie aus der Gruppe heraus angefasst, ohne
dass die Frau zuordnen kann, von wem die Hand kam .
Nach Köln wissen wir, dass wir trotz Augenzeugenbe-
richten, trotz Videomaterial keinerlei Zuordnung vor-
nehmen können, wer Täter und wer Teilnehmer gewesen
ist . Wir können aber aufgrund des Videomaterials sagen,
dass es eine Gruppe gab, dass aus dieser Gruppe heraus
Übergriffe erfolgt sind, und wir können zumindest teil-
weise zuordnen, wer Beteiligter dieser Gruppe war . Ich
sage Ihnen: Wenn der Nachweis der Beteiligung an einer
Schlägerei zur Strafbarkeit genügt, dann muss auch der
Nachweis der Beteiligung an einer Gruppe, aus der he-
raus sexuelle Übergriffe in Form von Grapschen bei einer
Frau stattfinden, zur Strafbarkeit genügen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn es unser Ziel ist, die Istanbul-Konvention lü-
ckenlos umzusetzen, dann müssen wir selbstverständlich
Artikel 36 im Blick haben: Jedwede sexuelle Handlung
gegen den Willen des Opfers ist unter Strafe zu stellen,
Nein heißt nein . Dabei sollten wir Artikel 46 der Istan-
bul-Konvention nicht aus den Augen verlieren . Er gibt
nämlich den Mitgliedstaaten auf, zu prüfen, ob es sich
nicht strafschärfend auswirkt, wenn die Tat an einem Op-
fer mit Behinderung begangen wird und der Täter diese
Behinderung ausnutzt. Das ist, wie ich finde, im Referen-
tenentwurf sehr gut gelöst . Es gibt dort eine Ergänzung
des § 179 Absatz 3 StGB, der einen besonders schweren
Fall für diese Konstellation formuliert . Die Lebenshilfe
hat das bereits ausdrücklich gelobt . Zur Strafschärfung,

Kollegin Keul, gibt es im Antrag der Grünen keinerlei
Vorschläge .

Wir sollten, wenn wir Strafbarkeitslücken schließen,
natürlich vermeiden, dass neue Strafbarkeitslücken ent-
stehen . Ich möchte an dieser Stelle hinterfragen, ob wir
den § 240 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 StGB tatsächlich
ersatzlos streichen können – das schlagen die Grünen vor;
das wird auch im Ministerialentwurf vorgeschlagen, Herr
Minister Maas –; denn dieser Tatbestand erfasste bisher
auch die Nötigung zur Vornahme sexueller Handlungen
durch das Opfer an sich selbst . In allen Gesetzentwürfen
wird diese Konstellation nicht durch eine anderweitige
Formulierung erfasst . Deswegen bitte ich ausdrücklich
darum, dass wir das noch einmal tiefer untersuchen .

Ich will diese Gelegenheit nutzen, ein paar Sätze zum
Gesetzentwurf der Linken zu sagen . Kollegin Wawzyniak,
Sie haben heute wieder das Wort „beschämend“ benutzt
und gesagt, dass es wichtig ist, Frauenrechte umfassend
zu schützen . Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe es
als starkes Stück empfunden – bei uns würde man sagen:
mir hätt es fast den Vogel rausgehauen –, als ich festge-
stellt habe, dass Sie den § 183 StGB – Exhibitionistische
Handlungen – streichen wollen . Die exhibitionistische
Handlung ist bislang laut StGB mit Geldstrafe oder mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Genau!)


Sie wollen nun keine Strafbarkeit mehr, sondern eine
Ordnungswidrigkeit, die möglicherweise mit einer Geld-
buße geahndet werden kann . Liebe Kolleginnen und
Kollegen von den Linken, wir haben im Jahr 8 000 ange-
zeigte Fälle von exhibitionistischen Handlungen . Es gibt
keinen Grund, das zu bagatellisieren,


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ultima-Ratio-Prinzip!)


und es gibt auch keinen Grund, exhibitionistische Hand-
lungen genauso zu bestrafen wie zu schnelles Fahren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte noch ein paar Gedanken zu der Zielset-
zung „Nein heißt nein“ formulieren . Es muss klar sein:
Wenn der Täter weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass
das, was da geschieht, gegen oder ohne den Willen des
Opfers geschieht, dann muss das strafbar sein . Wir müs-
sen dieses Gesetzgebungsverfahren nutzen, um eine For-
mulierung zu finden, mit der wir in der Praxis gut arbei-
ten können . Ich sage Ihnen: Ich bin da zuversichtlich . Es
gibt mittlerweile die unterschiedlichsten Vorschläge, die
für mich durchaus gute Ansätze darstellen, unter ande-
rem zum Beispiel der Vorschlag aus Mecklenburg-Vor-
pommern .

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang aber auch
mit der Argumentation des Ministeriums auseinanderset-
zen, die durchgedrungen ist, die in die Richtung geht: Na
ja, die „Nein heißt nein“-Lösung können wir im Moment
nicht umsetzen, weil das eine Neuordnung des gesam-
ten Abschnitts erfordern würde, und das schaffen wir in
dieser Legislaturperiode nicht mehr . – Ich möchte an die-
ser Stelle schon sagen, dass ich an dieser Argumentation
Zweifel habe . Sehr viele Straftatbestände in diesem Ab-

Alexander Hoffmann






(A) (C)



(B) (D)


schnitt stellen für mich abgeschlossene Tatbestände dar .
Da lässt sich ohne Weiteres eine neue Norm einsetzen,
bzw . Tatbestände lassen sich verschieben .

Ich will an die Chronologie erinnern: Wir hatten im
Frühjahr 2014 ein erstes großes Novellierungsverfahren
im Sexualstrafrecht . Am 7 . April 2014 wurde ein Refe-
rentenentwurf Ihres Hauses, Herr Minister Maas, vorge-
legt, in dem zu § 177 StGB folgende Einschätzung for-
muliert war: Es gibt dort keinen Handlungsbedarf . – Das
ist bei vielen Frauengruppen, auch der Grünen und der
Union, auf große Kritik gestoßen . Herr Minister, Ihr ers-
tes Argument war: Wir versuchen jetzt erst einmal, die-
se Novellierung durchlaufen zu lassen; mit der anderen
Frage beschäftigen wir uns später. – Ich finde, dass diese 
Verzögerung, die aufgrund einer Fehleinschätzung Ihres
Hauses entstanden ist, nicht dazu führen darf, dass wir
in dieser Legislaturperiode zu keinem Ergebnis kommen .

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen . Ich glau-
be, wir haben fraktionsübergreifend einen großen Kon-
sens .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816708600

Vielen Dank, Alexander Hoffmann . – Einen schönen

guten Tag von mir . – Die nächste Rednerin ist Dr . Carola
Reimann für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1816708700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir reden heute über ein Thema, das nach den
Vorfällen in Köln eine sehr große öffentliche Aufmerk-
samkeit erfahren hat, dessen gesellschaftliche Relevanz
aber schon seit langer Zeit besteht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Seit vielen Jahren!)


Seit 30 Jahren kämpfen vor allem Frauen dafür, dass
das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besser ge-
schützt wird . Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein
weiterer wichtiger Schritt dahin . Bestehende Lücken im
Sexualstrafrecht werden geschlossen . Deshalb ist das ein
guter Gesetzentwurf . Ich bin Justizminister Heiko Maas
dankbar dafür, dass er dieses wichtige Vorhaben schon
früh – ich sage das hier sehr klar –, vor Köln, lange vor
Köln, auf den Weg gebracht hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Neben diesem guten Gesetzentwurf von Heiko Maas
gibt es ein Gesetz, das noch ein bisschen älter ist, näm-
lich das Gesetz, wie man gute Gesetzentwürfe noch bes-
ser macht, benannt nach unserem früheren Fraktionsvor-
sitzenden Peter Struck . Es besagt, dass kein Gesetz den
Bundestag so verlässt, wie es eingebracht worden ist . So

wird es auch dieses Mal sein . Ich freue mich, dass sich
heute Morgen so viele Kolleginnen und Kollegen zu er-
kennen gegeben haben, als Mitstreiterinnen und Mitstrei-
ter an unserer Seite zu sein .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Kolleginnen und Kollegen, zum einen brauchen wir –
das hat nicht zuletzt Köln gezeigt – eine Strafbarkeit der
tätlichen sexuellen Belästigung . Zum anderen geht es uns
natürlich darum, wie wir den Schutz des Rechts auf sexu-
elle Selbstbestimmung gesetzlich noch besser umsetzen
können .

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier-
bei nicht um Lappalien . Wer mit Frauenberatungsstellen
spricht, weiß, welche schwerwiegenden Folgen sexuelle
Übergriffe haben . Die Verletzung der sexuellen Selbstbe-
stimmung bedeutet für die Betroffenen einen massiven
Einschnitt im Leben . Vertrauen in zwischenmenschliche
Beziehungen geht verloren oder ist zerbrochen . Ohn-
machtsgefühle entstehen . Viele leiden in der Folge un-
ter ganz schwerwiegenden Symptomen . Als ob das nicht
schon schlimm genug wäre, müssen Betroffene in der
Folge häufig erleben, dass nicht das Verhalten des Täters 
im Mittelpunkt steht, sondern ihr eigenes vermeintlich
fehlerhaftes Verhalten .


(Zuruf von der SPD: Genau!)


Das sind die alten Mythen und unerträglichen Schuld-
zuweisungen gegenüber dem Opfer, die wir alle kennen:
Warum bist du denn mit ihm mitgegangen? So hätte ich
mich nicht angezogen . Warum hast du nicht geschrien?

Schwerwiegender ist aber noch, dass selbst das Gesetz
auf das Verhalten der Opfer abstellt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Denn vom Grundsatz her muss das Recht auf sexuelle
Selbstbestimmung anders als andere Rechtsgüter – das
ist hier schon gesagt worden – vom Träger oder von der
Trägerin wehrhaft verteidigt werden . Damit bleibt das
Verhalten der Betroffenen bei einem sexuellen Übergriff
natürlich im Fokus auch der Ermittlungsbehörden und
der Gerichte .

Der vorliegende Gesetzentwurf schafft wichtige Aus-
nahmen von diesem Grundsatz, bleibt aber noch in die-
ser Systematik. Kolleginnen und Kollegen, ich finde: Da 
müssen wir noch einmal ran .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Es ist schon reichlich absurd: Dieser Grundsatz ver-
langt von Opfern – in der Regel sind das Frauen –, dass
sie sich körperlich wehren . Vielen Mädchen und Frauen
ist das aber gerade in ihrer Erziehung nicht nahegelegt
worden, es ist ihnen geradezu aberzogen worden .


(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: So ist das!)


Deshalb wird es Zeit, dass wir das Recht auf sexuel-
le Selbstbestimmung eindeutig und unmissverständlich
schützen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Alexander Hoffmann






(A) (C)



(B) (D)


wie wir es im Übrigen auch mit Eigentum tun . Das muss
ich auch nicht wehrhaft verteidigen . Wenn mir jemand
die Tasche klaut, ist das ganz klar eine Straftat, egal wie
ich mich verhalten habe . Wenn ich Opfer eines sexuellen
Übergriffs werde, kommt es zunächst einmal auf mein
Verhalten an? Das ist niemandem mehr zu vermitteln .

Deshalb werbe ich mit Nachdruck dafür, den vorlie-
genden Gesetzentwurf, der völlig unbestritten in die rich-
tige Richtung weist, weiterzuentwickeln und alle sexuel-
len Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen unter
Strafe zu stellen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Gesetz, Kolleginnen und Kollegen, muss eine klare
Botschaft für alle haben: Nein muss wirklich nein heißen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816708800

Vielen Dank, Carola Reimann . – Der Saal füllt sich zu

den namentlichen Abstimmungen . Ich möchte die Kol-
leginnen und Kollegen, die bisher nicht unmittelbar an
der Debatte beteiligt waren, bitten, der folgenden Red-
nerin und dem letzten Redner zu diesem Tagesordnungs-
punkt Aufmerksamkeit zu schenken, um so selber von
der Debatte zu profitieren. Denn sie ist sehr wichtig und 
intensiv . – In diesem Sinn gebe ich das Wort jetzt Sylvia
Pantel von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1816708900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der vorliegende Gesetzentwurf ist auf einem richtigen
Weg, aber, wie wir festgestellt haben, noch unzureichend .

„Nein heißt nein“ – wir haben beim vorherigen Bei-
trag damit begonnen; ich beginne damit meine Rede –,
das ist eine ganz klare Aussage . An dieser Aussage gibt
es nichts zu rütteln . Das Strafrecht soll jedem Einzelnen
in unserem Land klarmachen, was erlaubt und was ver-
boten ist . Das tun die Paragrafen zur sexuellen Selbstbe-
stimmung bisher nicht ausreichend, leider auch nicht im
neuen Gesetzentwurf .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die rechtspolitische Debatte dreht sich zu sehr um Be-
grifflichkeiten  und  die  Frage,  was  genau  „Nein  heißt 
nein“ bedeuten soll . Dabei ist diese Frage eigentlich ab-
surd; denn ein Nein ist ein klares Nein .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist auch eindeutig, was wir in der Gesellschaft
wollen . Wenn eine Frau oder ein Mann einen sexuellen
Kontakt nicht will, ist das ohne Wenn und Aber zu akzep-
tieren . Es geht uns bei diesem Gesetzgebungsverfahren

darum, Schutzlücken zu schließen und ein klares Zeichen
für die Opfer zu setzen . Ich war schockiert, als ich mich
zum ersten Mal mit den Feinheiten des Sexualstrafrechts
auseinandergesetzt hatte . Dinge, von denen ich dachte,
dass sie geregelt wären und klar zu einer Verurteilung
führen würden, sind im bisherigen Strafrecht nicht aus-
reichend geregelt . Ich musste unter anderem lernen, dass
es weniger hart bestraft wird, wenn eine behinderte Per-
son vergewaltigt wird, die sich nicht wehren kann . Die-
se Schutzlücke wird nun geschlossen, und solche Taten
sollen härter bestraft werden . Daran werden wir alle ar-
beiten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Doch dort, wo solche Schutzlücken bestehen, werden
wir nachbessern müssen . Ein Täter muss zukünftig auch
dann bestraft werden, wenn er das Opfer nicht direkt be-
droht hat . Für eine Bestrafung muss ausreichen, wenn
das Opfer klare Signale ausgibt, keine sexuelle Berüh-
rung oder sexuelle Handlung zu wollen . Auch müssen
wir zukünftig Täter besonders hart bestrafen, wenn sie
die Behinderung oder Hilflosigkeit eines Opfers ausnut-
zen oder aus einer Gruppe heraus handeln .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wie so häufig  in der Politik geht es bei der öffentli-
chen Debatte weniger um das Ziel selbst, sondern um die
Frage, wie wir dieses Ziel erreichen wollen . Jeder hier im
Saal wird verhindern wollen, dass ein Opfer – meistens
sind es Frauen – gegen seinen Willen zum Geschlechts-
verkehr gezwungen wird oder sexuelle Handlungen er-
dulden muss .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein erster Schritt,
aber noch nicht das Ergebnis, so wie ich es mir vorstelle .
Meiner Meinung nach muss jeder Mann und jede Frau
zu jedem Zeitpunkt Nein sagen können – und das ist zu
respektieren –, ohne sich körperlich wehren zu müssen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es kann nicht sein, dass in der vorliegenden Fassung
der §§ 177 und 179 weiterhin auf die Drohung mit Ge-
walt oder die Schutzlosigkeit und den Widerstand des
Opfers abgestellt wird . Ein „Nein, ich will das nicht“
muss zu jedem Zeitpunkt für den Täter klarmachen, dass
er sich strafbar macht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Übrigens muss genauso jedem klar sein, dass der Partner
überhaupt noch fähig sein muss, die Situation zu erfas-
sen .

Leider sind die wenigstens Situationen im Leben
eindeutig, zumindest nicht so eindeutig, wie wir es im
Streitfall gerne hätten . Ziel dieses Gesetzgebungspro-
zesses muss daher sein, Rechtssicherheit und Schutz zu

Dr. Carola Reimann






(A) (C)



(B) (D)


schaffen, ohne dabei eine Beweislastumkehr herbeizu-
führen . Die Sorge, dass nun zu Hunderten falsche Ankla-
gen wegen sexueller Übergriffe oder Vergewaltigungen
entstehen, teile ich überdies nicht . In unserem Rechts-
staat gilt der Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten .
Davon werden wir nicht abweichen .

Strafgesetze alleine sind aber kein Allheilmittel . Das
Verständnis der sexuellen Selbstbestimmung in Deutsch-
land wird nicht durch eine Reform des Sexualstrafrechts
allein verbessert werden . Das ist eine Frage des Bewusst-
seins und der Wertevorstellung in unserer Gesellschaft
und damit eine Aufgabe für uns alle .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen gesellschaftlich klarmachen, dass Frauen
keine Objekte sind, nie, zu keinem Zeitpunkt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Stadt Stuttgart lässt gerade in der Innenstadt Plakate
aufstellen, die auf die Lage von Prostituierten aufmerk-
sam machen sollen . „Kondome benutzt man, Frauen
nicht“ – das steht dort in großen Buchstaben geschrie-
ben . Auch andere sehr deutlich gewählte Formulierungen
weisen auf das Recht der Menschen in unserem Land auf
sexuelle Selbstbestimmung hin .

Wir müssen auch klar und deutlich aufzeigen, dass
wir keine kulturelle oder religiöse Entschuldigung in
unserem Land dulden, wenn Menschen zum Sex genö-
tigt werden oder sexuelle Handlungen über sich ergehen
lassen müssen . Dazu gehört auch, dass sich keine Frau
begrapschen lassen muss .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


In der öffentlichen Debatte wird gerade aus der Op-
position heraus lautstark gefragt, warum Deutschland
die Istanbul-Konvention nicht schneller umgesetzt hat .
Die Istanbul-Konvention, das sogenannte Übereinkom-
men des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, ist ein
100 Seiten starkes Vertragswerk mit Regelungen zu den
unterschiedlichsten Lebensbereichen . Wir wollen Schutz
aber nicht nur auf dem Papier schaffen, sondern Regelun-
gen treffen, die wirklich etwas bewirken .

Ein Beispiel . Die Türkei hat die Istanbul-Konvention
am 14. März 2012 ratifiziert. Zwei Jahre später berichtete 
die Zeitung Die Welt, dass nach neuesten Erkenntnissen
mehr als jede vierte Braut in der Türkei bei der Ehe-
schließung noch minderjährig war und meist gegen ihren
Willen verheiratet wurde . Die türkische Zeitung Hürriyet
berichtete im November vergangenen Jahres, dass nicht
nur die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen in der Türkei
zunehme, sondern auch die Brutalität . In den vergange-
nen fünf Jahren seien 1 134 Frauen ermordet worden,
weil sie sich von ihrem Mann scheiden lassen wollten;
dies seien nur die Zahlen, die die Frauenrechtsgruppe
„We Will Stop Femicide Platform“ bestätigen konnte .

Machen  wir  uns  also  nichts  vor:  Die  Ratifizierung 
der Istanbul-Konvention und ein schönes Gesetz allein
schützen noch keine Frauen . Wichtig sind gesellschaftli-
ches Umdenken und solide finanzierte und professionell 
aufgestellte Fortbildungen und Hilfsangebote .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Denken Sie nur an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frau-
en“ .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Ganz wichtig!)


Dort wird großartige Arbeit geleistet .

Als Familienpolitikerin ist es mir wichtig, dass diese
Reform gerade von uns Frauen gemeinsam nach vorne
gebracht wird .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht um Qualität vor Schnelligkeit . Dabei ist dieser
Gesetzentwurf ein guter Anfang . Das Prinzip „Nein heißt
nein“ muss jedoch noch etwas deutlicher umgesetzt wer-
den .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709000

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Ich rufe den nächsten

Redner nicht auf, solange Sie sich nicht hinsetzen und
zuhören, und das meine ich ganz ernst .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Dies ist eine extrem wichtige und sehr intensive Debatte .
Alle Fraktionen haben an diesem Thema mitgearbeitet
und diskutieren intensiv miteinander . Es gebietet der Re-
spekt in diesem Haus, dass Sie sich jetzt hinsetzen und
dem letzten Redner die letzten drei Minuten zuhören .
Bevor Sie das nicht getan haben, werde ich die Debatte
nicht eröffnen .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Das gilt für den Herrn Friedrich, für den Herrn Mayer .
Das gilt bei der SPD ganz genauso . Ich bitte Sie, sich
hinzusetzen . Das gilt auch für ein paar Grüne, die he-
rumstehen .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Bitte nehmen Sie Platz, und geben Sie dem letzten Red-
ner in dieser Debatte – das ist Dr . Johannes Fechner – die
ihm gebührende Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sylvia Pantel






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Johannes Fechner (SPD):
Rede ID: ID1816709100

Frau Präsidentin, selten ist, glaube ich, ein Redner so

sehr unter Leistungsdruck gesetzt worden .


(Heiterkeit)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz im Ernst: Wir beraten heute einen wichtigen Ge-
setzentwurf . Ich freue mich sehr, dass wir endlich mit
dem parlamentarischen Verfahren beginnen können .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings!)


Herr Maas hat diesen Gesetzentwurf schon im Juli 2015
vorgelegt . Insofern ist es gut, dass die Kanzlerin heute da
ist und sich einen Rüffel abholt . Hätte das Kanzleramt
diesen Gesetzentwurf nicht ein halbes Jahr blockiert, wä-
ren wir bei diesem Thema schon weiter .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zur Sache . Die Rechtsprechung hat in der Vergangen-
heit in Vergewaltigungsverfahren allzu oft Freisprüche
ausgesprochen, weil man Abwehrhandlungen von Frau-
en – in der Regel ging es um Frauen – gefordert hat, die
aus meiner Sicht nicht zumutbar sind . Das zeigt, dass wir
im Strafrecht nicht hinnehmbare Strafbarkeitslücken ha-
ben . Ein sexueller Missbrauch muss auch dann vorliegen,
wenn eine Frau, etwa wegen der überraschenden Bege-
hung der Tat, zum Widerstand unfähig ist, sie im Falle ih-
res Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet oder 
der Täter sich diesen Umstand zunutze macht . In diesen
Fällen kann man von einem Opfer nicht verlangen, dass
es sich wehrt, weil es hierzu schlicht nicht in der Lage ist .
Hier müssen wir zu Verbesserungen kommen, und genau
diese Verbesserungen schafft der Entwurf von Justizmi-
nister Maas .


(Beifall bei der SPD)


Die SPD-Fraktion kann sich zudem weiter gehende
Regelungen vorstellen . Nicht erst seit den Kölner Vor-
fällen diskutieren wir über einen Straftatbestand des se-
xuellen Übergriffs . Auch der Griff in den Schritt oder an
die Brust ist unrechtmäßiges Handeln und stellt strafwür-
diges Unrecht dar . Auch solche Handlungen sind keine
sogenannten Kavaliersdelikte, sondern gehören bestraft .
Sie belasten die Opfer ganz erheblich, und das dürfen wir
nicht weiter hinnehmen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch in meiner Fraktion hat die „Nein heißt nein“-Lö-
sung viele Anhängerinnen und Anhänger, und deswegen
wollen wir diese Regelung weiter verfolgen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Auch in dem Entwurf von Justizminister Maas steht die-
se Regelung ausdrücklich drin .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eben nicht!)


Daher wollen wir von unserem Koalitionspartner sehr
rasch Klarheit haben . Wie sieht es denn bei euch aus?
Liebe Lisa Winkelmeier-Becker und liebe Frau Pantel,
ich fand eure Reden hervorragend, aber ich hätte mich
gefreut, wenn Herr Kauder und Herr Strobl diese Reden
hier gehalten hätten . Dann hätten wir nämlich Klarheit .


(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich würde die Frauen in unserer Fraktion mal nicht unterschätzen!)


– Ich würde die Frauen niemals unterschätzen . Niemals .

Wir haben Herrn Strobl und Herrn Kauder in den Vor-
beratungen explizit gefragt: Wie sieht es bei ihnen mit
„Nein heißt nein“ aus? Darauf haben wir eine glaskla-
re Antwort bekommen . Sie war nicht etwa im Sinne der
Mainzer Erklärung, die Sie da beschlossen haben, son-
dern die klare Antwort war: „Nein heißt nein“ gibt es mit
der Union nicht . – Wenn sich daran etwas ändert, dann
ist das wunderbar .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Ich wünsche euch alles Gute für die Debatten und dass
ihr eure Fraktionsführung überzeugt .

An dieser Stelle aber noch einmal herzlichen Dank
an Heiko Maas . Es ist keine Fehlleistung, wie es gesagt
wurde, sondern mit seinem Entwurf werden gewichtige
Lücken, die wir im Strafrecht in Bezug auf den Schutz
der Frauen vor sexuellen Übergriffen haben, geschlos-
sen . Das ist ein guter Gesetzentwurf, dem wir zustimmen
sollten .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709200

Vielen Dank, Herr Kollege Fechner . – Damit schließe

ich die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwür-
fe auf den Drucksachen 18/8210 und 18/7719 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . – Es gibt keine anderweitigen Vorschläge . Dann sind
die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 c auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes
zur Änderung des Berufskraftfahrer-Qualifi-
kations-Gesetzes

Drucksache 18/8183
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Protokoll vom 11. Januar 2016 zur Änderung






(A) (C)



(B) (D)


des Abkommens vom 12. April 2012 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem
Königreich der Niederlande zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung
der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen

Drucksache 18/8208
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sigrid
Hupach, Dr . Rosemarie Hein, Nicole Gohlke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Bundesprogramm „Kultur macht stark.
Bündnisse für Bildung“ weiterentwickeln und
seine Fortführung jetzt vorbereiten

Drucksache 18/8181
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen . – Auch hier sehe ich keine Gegenposition .
Dann sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 i auf .
Es handelt sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu
denen keine Aussprache vorgesehen ist .


(Zuruf von der SPD: Warum?)


Tagesordnungspunkte 30 a und 30 b:

a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock,
Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Bundesberggesetzes zur Untersagung der
Fracking-Technik

Drucksache 18/7551

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Energie (9 . Ausschuss)


Drucksache 18/8125

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel,
Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE

Verbot von Fracking in Deutschland

Drucksachen 18/4810, 18/8113

Zu den Tagesordnungspunkten 30 a und 30 b werden
wir gleich jeweils eine namentliche Abstimmung durch-
führen . Zu diesen beiden Tagesordnungspunkten liegt
eine Vielzahl von schriftlichen Erklärungen zur Abstim-
mung gemäß § 31 der Geschäftsordnung vor .1)

Der Abgeordnete Lars Klingbeil hat außerdem ange-
kündigt, eine mündliche Erklärung zur Abstimmung ab-
geben zu wollen . – Ich gebe ihm das Wort nach § 31 der
Geschäftsordnung . Lars Klingbeil hat das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1816709300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herzlichen Dank, dass ich zu diesem für mich, für mei-
nen Wahlkreis und auch für viele andere hier im Parla-
ment wichtigen Thema eine persönliche Erklärung abge-
ben kann .

Das Thema Fracking ist in meinem Wahlkreis – spezi-
ell im Landkreis Rotenburg – von sehr hoher Bedeutung .
Ich glaube, viele von Ihnen kennen die Situation, die es
in meiner Region durch zahlreiche Erdgasförderstätten
gibt, aus der Diskussion der letzten Jahre . Es gibt eine
große Verunsicherung bei den Menschen, und ich will
Ihnen von einer Begegnung erzählen, die ich am letzten
Freitag hatte, als ich in dem Dorf Bellen in der Samtge-
meinde Bothel unterwegs war . In Bellen leben 52 Men-
schen, davon sind mittlerweile 12 nachweislich an Krebs
erkrankt . Man geht durch den Ort, und Vertreter der Bür-
gerinitiativen können zu jedem Haus und jeder Familie
eine Krebsgeschichte erzählen . Die Menschen sind tief
verunsichert .

Ein Blick auf die Statistiken der Samtgemeinde und
auch in die der Nachbarstadt Rotenburg zeigt, dass die
Zahl von Krebserkrankungen überall signifikant hoch ist. 
Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass das Ganze
mit der Erdgasförderung zusammenhängt . Aber es gibt
momentan Untersuchungen durch den Landkreis und
das Land Niedersachsen, die mit einer Arbeitshypothese
arbeiten, nämlich der Erdgasförderung . Die Menschen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen Erklärungen für
das Schicksal, das ihnen widerfährt . Sie wollen Aufklä-
rung . Sie wollen, dass die Politik mit dem Thema seriös
umgeht. Dazu sind wir verpflichtet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will das hier schildern, um deutlich zu machen:
Niemanden hier im Haus lässt dieses Thema kalt . Lassen
Sie uns bitte aufhören, so zu tun, als ob das ganz einfach
wäre . Wir sind über 600 Abgeordnete . Die Grenzen zwi-
schen Gegnern und Befürwortern verlaufen nicht einmal
unbedingt zwischen den Parteien . Es gibt Fracking-Geg-
ner wie mich . Es gibt Graustufen, es gibt Schattierungen
in allen Fraktionen . Auch in den Landesregierungen gibt
es unterschiedliche Positionen . Wir müssen dieses The-
ma hier im Parlament ehrlich diskutieren .


(Beifall bei der SPD)


1) Anlagen 2 bis 11

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Was ich nicht verstehe – das will ich in aller Deut-
lichkeit sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
Grünen und den Linken –: Sie setzen ein Thema mit einer
so hohen Bedeutung auf die Tagesordnung . Sie wollen
darüber eine namentliche Abstimmung . Aber dann ver-
hindern Sie eine inhaltliche Diskussion zu diesem The-
ma . Das kann ich nicht nachvollziehen . Das wird diesem
Thema nicht gerecht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage Ihnen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen:
Wenn wir es ernst meinen,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn mal Ihre persönliche Erklärung?)


wenn es wirklich darum geht, die Probleme mit der Erd-
gasförderung in Deutschland lösen zu wollen, dann brau-
chen wir umfassende Regeln . Dann brauchen wir Geset-
ze, die umfassender sind als das, was Sie heute vorlegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In Ihrem Gesetzentwurf ist beispielsweise nichts zum
Thema Lagerstättenwasserverpressung vorgesehen .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn Ihre persönliche Erklärung?)


Das wäre für meine Region wichtig . In Ihrem Gesetz-
entwurf wird nichts zum Thema Beweislastumkehr bei
Erdbeben ausgesagt . Das wäre für meine Region wichtig .
Sie schlagen keine Änderung im Wasserhaushaltsrecht
und im Bundesnaturschutzrecht vor . Sie wollen keine
zusätzlichen Vetorechte für die Kommunen und für die
Wasserbehörden .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist keine persönliche Erklärung!)


Sie schaffen mit dem, was Sie hier heute vorlegen, kei-
ne zusätzlichen Transparenzpflichten. Auch die Mitwir-
kungsrechte von Umweltverbänden und Wasserverbän-
den sind nicht vorgesehen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Punkte wä-
ren für meine Region wichtig . All diese Punkte würden
uns vor Ort weiterhelfen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage Ihnen auch: Diese Punkte verhandeln wir gera-
de in den Regelungspaketen der Großen Koalition . Sie
schlagen vor, zwei Paragrafen im Bergrecht zu ändern .
Ich kann aber nicht so tun, als ob damit die Probleme vor
Ort gelöst würden . Das ist einfach nicht der Fall .

Gehen Sie davon aus: Es ist mein persönliches Anlie-
gen, dass wir beim Fracking eine umfassende Regelung
bekommen . Ich werde keine Ruhe geben, bis wir sie er-
reicht haben . Ich möchte nach Bellen zurückkehren und
den Menschen sagen können: Wir in der Politik haben im
Deutschen Bundestag gemeinsam etwas geschafft . Das
ist die Verantwortung, die wir haben .

Ich bin mir sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Große Koalition wird beim Thema Erdgasförderung
und Fracking etwas erreichen . Ich schlage vor, dass wir
gemeinsam, SPD, CDU/CSU und Opposition, in dieser
Legislatur


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das eine persönliche Erklärung?)


hier in diesem Haus eine umfassende Regelung zur Erd-
gas- und Fracking-Gesetzgebung hinbekommen, dass wir
den Trinkwasservorrang und den Gesundheitsschutz so-
wie die Transparenz und die Beteiligung regeln . Lassen
Sie uns das als Haus gemeinsam tun . Das ist die Verant-
wortung, die wir tragen . Wir, die SPD, sind dazu bereit .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709400

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen in dieser

Sitzung einen geregelten Ablauf haben . Deswegen bitte
ich die Parlamentarischen Geschäftsführer der einzelnen
Fraktionen, zu mir nach vorne zu kommen .

Ich unterbreche kurz die Sitzung .


(Unterbrechung von 13 .29 bis 13 .33 Uhr)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709500

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ruhe

und Beruhigung . – In § 31 unserer Geschäftsordnung
geht es um eine Erklärung zur Abstimmung . Sie haben
gemerkt: Das war sozusagen eine weite Auslegung des-
sen, was eine Erklärung zur Abstimmung eigentlich ist .
Die Präsidentin und die beiden Schriftführerinnen bzw .
Schriftführer hier oben können aber nicht wissen, was ein
Kollege gedenkt zu sagen . Deswegen haben wir jetzt ver-
einbart, dass die anderen Fraktionen ihrerseits die Mög-
lichkeit bekommen, eine maximal fünf Minuten lange
Erklärung zur Abstimmung abzugeben .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Linken und die Grünen werden das machen . Und ich
bitte, dass sich eventuell noch ein Kollege von der CDU/
CSU-Fraktion meldet .

Wir werden – seien Sie da ganz sicher – die Frage des
Umgangs mit dem § 31 am gegebenen Ort und nicht mit
lauten Zurufen, wie sie hier erfolgten, klären .

Ich gebe jetzt dem Kollegen Krischer nach § 31 un-
serer Geschäftsordnung das Wort zu einer Erklärung zur
Abstimmung .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709600

Herr Kollege Klingbeil, ich bin, ehrlich gesagt, betrof-

fen,


(Zurufe von der SPD: Oh!)


dass Sie gesagt haben: „hier in diesem Haus“ . Ich gehöre
dazu . Ich bin durch eine Vielzahl von Orten in dieser Re-

Lars Klingbeil






(A) (C)



(B) (D)


publik gefahren, und ich bin auf viele Menschen getrof-
fen – nicht nur bei Ihnen zu Hause in Rotenburg an der
Wümme, sondern in der ganzen Republik –, für die das
Thema Fracking ein Riesenproblem ist .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Mich fragen die Menschen: Wann handelt ihr in Berlin
endlich? Wann löst ihr dieses Problem? Wann schafft ihr
eine Regelung?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wissen Sie, was ich diesen Menschen dann sagen
muss? Die Große Koalition hat vor fast einem Jahr die
Verabschiedung eines Gesetzes auf die Tagesordnung ge-
setzt . Wenige Stunden vor der Beschlussfassung haben
Sie den Punkt wieder von der Tagesordnung herunter-
genommen, und seitdem passiert überhaupt nichts mehr .
Das ist ein Skandal .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenn Sie für betroffene Menschen reden, dann müssen
Sie da handeln . Da ist Ihre Verantwortung, lieber Herr
Klingbeil und liebe andere Kolleginnen und Kollegen,
die Sie da eben Beifall geklatscht haben .

Wir haben in diesem Hause – auch ich ganz persön-
lich; das können Sie in den Protokollen nachlesen – das
Thema Fracking oft diskutiert – sehr, sehr häufig. 


(Zurufe der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht,
und er ist hier diskutiert worden . Wissen Sie, was die
Große Koalition im Wirtschaftsausschuss vorhatte? Sie
wollte die Beratung dieses Gesetzentwurfs vertagen . Sie
wollte ihn im Ausschuss nicht behandeln . Sie wollte über
das Problem wieder nicht reden . Das heißt, wenn Sie hier
Redebedarf anmelden, dann halten Sie sich selbst erst
einmal daran . Das ist die Wahrheit an dieser Stelle .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich will Ihnen noch etwas sagen . Sie haben völlig zu
Recht angesprochen, dass es nicht nur um Fracking, son-
dern auch um die Problematik der Verpressung von La-
gerstättenwasser und viele Probleme der konventionellen
Gasförderung geht . Auch das sagen mir die Menschen
vor Ort, wenn ich unterwegs bin . Lieber Herr Klingbeil,
wenn Sie sich damit beschäftigt hätten,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD)


dann wüssten Sie, dass wir einen umfassenden Antrag
eingebracht haben, den Sie seit über einem Jahr im Wirt-
schaftsausschuss blockieren und über den wir hier nicht
abstimmen können, weil Sie es nicht wollen, weil Sie es
aussitzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es mag ja sein – ich unterstelle das durchaus –, dass
es in der Großen Koalition viele gibt, die wie ich die Be-
troffenheit der Menschen wiedergeben wollen, die ent-
scheiden wollen . Aber dann stimmen Sie doch unserem
Gesetzentwurf einfach zu! Entscheiden Sie doch einfach!
Beziehen Sie eine klare Position, statt an dieser Stelle he-
rumzueiern!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der SPD)


Wenn Sie das nicht können – und das empört mich wirk-
lich persönlich –,


(Zuruf des Abg . Hubertus Heil [Peine] [SPD])


dann sagen Sie wenigstens offen und ehrlich, warum Sie
Ihr eigenes Gesetz seit einem Jahr nicht voranbringen .

Dass wir beim Fracking keine Regelung haben, ist ein
Problem der Großen Koalition, und die Verantwortung
müssen Sie übernehmen . Wenn Sie das ändern wollen,
dann stimmen Sie entweder unserem Antrag zu oder
schließen endlich Ihr Gesetzgebungsverfahren ab .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist Ihre Verantwortung als Regierungsfraktion .

Sie drücken sich . Sie ignorieren die Sorgen und Nöte
der Menschen bei diesem Thema . Das können Sie nicht
bei uns abladen . Meine Damen und Herren, das ist unver-
antwortlich, und ich sage auch ganz deutlich: Das, was
Sie hier tun, ist heuchlerisch . Das werden wir Ihnen nicht
durchgehen lassen, und das werden Ihnen auch die Bür-
gerinnen und Bürger nicht durchgehen lassen .

Ich danke Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709700

Das Wort nach § 31 Absatz 1 unserer Geschäftsord-

nung hat Hubertus Zdebel für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816709800

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich bin nun seit ungefähr zwei Jahren Mitglied des Deut-
schen Bundestages, aber so eine Heuchelei, wie Sie sie
hier aufführen, habe ich hier noch nie erlebt:


(Beifall bei der LINKEN)


Uns vorzuwerfen, dass wir eine Debatte über Fracking
blockieren wollten!


(Zurufe der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Ich fühle mich persönlich total betroffen, weil wir
schon vor einem Jahr, genau zu dem Zeitpunkt, zu dem
der Gesetzentwurf der Bundesregierung in das Parlament
eingebracht wurde, einen eigenen Antrag auf Verbot von
Fracking in den Bundestag eingebracht haben . Wer hat
denn die ganze Zeit die Debatte darüber blockiert? Das

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


waren doch Sie in den Ausschüssen, die das Ganze nicht
ermöglicht haben .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist der Gipfel der Heuchelei; das muss ich Ihnen ehr-
lich sagen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich es richtig verstanden habe, dann wollen Sie
jetzt noch immer keine Debatte, obwohl genau das ge-
rade von Herrn Klingbeil angestoßen wurde – aber gut .


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Stopp! Wir haben feste Regeln!)


Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das ist eine abso-
lute Heuchelei; denn wir wollten eine Diskussion .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sind nun tatsächlich an dem Punkt, dass die Ko-
alition seit einem Jahr den Fracking-Gesetzentwurf der
Bundesregierung blockiert, weil Sie von der Koalition
sich offensichtlich nicht einigen können . Dabei brauchen
alle Beteiligten, insbesondere die Bevölkerung in den
Wahlkreisen und Bezirken, Sicherheit darüber . Wie Sie
wissen, lehnen mindestens 80 Prozent der deutschen Be-
völkerung Fracking ab . Mit dem Thema ist – das sagen
sogar CDU-Abgeordnete – kein Blumentopf zu gewin-
nen . Lernen Sie endlich daraus,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und ziehen Sie entweder den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung zurück, oder schließen Sie sich dem Gesetz-
entwurf der Grünen oder unserem Antrag auf Verbot von
Fracking an . Er steht heute zur namentlichen Abstim-
mung .

Aber es geht nicht, wie ich es teilweise in meinem
eigenen Wahlkreis erlebe, dass Abgeordnete der CDU,
aber auch der SPD sagen, sie seien für ein Verbot von
Fracking, dann aber, wenn es zum Schwur kommt, nicht
zu Hause sind und nicht abstimmen wollen . In der heu-
tigen namentlichen Abstimmung muss deutlich werden,
wo Sie im Endeffekt stehen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Klar in der Mitte!)


Fracking nutzt nur den Konzernen, die sich davon hö-
here Gewinne versprechen . Es geht nicht um volkswirt-
schaftliche Sachen, sondern schlichtweg um Profite und 
betriebswirtschaftliche Interessen, die dahinterstecken .
Wenn das Gesetz der Bundesregierung in Kraft treten
würde, wäre es tatsächlich möglich, auf Dreiviertel der
Fläche der Bundesrepublik zu fracken . Das lehnen wir
ab .


(Beifall der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen . Deswegen
sage ich: Ich stimme heute dem Gesetzentwurf der Grü-
nen zu, und ich stimme gegen die Beschlussempfehlung
des Umweltausschusses, der unseren Antrag abgelehnt
hat . Insofern hoffe ich, dass wir heute eine Mehrheit da-
für bekommen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816709900

Die CDU/CSU-Fraktion möchte nicht von dem Ange-

bot, zu reden, Gebrauch machen .


(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh!)


– Das ist ihr gutes Recht .


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Ist ja keine Debatte! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Das ist keine Debatte!)


Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung über den
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberg-
gesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik . Der
Ausschuss  für Wirtschaft und Energie empfiehlt  in  sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8125, den
Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/7551 abzulehnen .

Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlan-
gen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab .
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die da-
für vorgesehenen Plätze einzunehmen . – Sind alle Urnen
besetzt? – Ich gehe davon aus, dass die Urnen besetzt
sind . Dann eröffne ich die Abstimmung über den Gesetz-
entwurf vom Bündnis 90/Die Grünen .

In dem Gewühl ist nicht abzusehen, ob schon alle Kol-
leginnen und Kollegen ihre Stimme abgegeben haben
oder ob Sie schon für die zweite Abstimmung anstehen .

Sind noch Kolleginnen oder Kollegen im Saal, die ihre
Stimme noch nicht abgegeben haben? – Wir sehen keine
mehr . Damit schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
wie immer später bekannt gegeben .1)

Tagesordnungspunkt 30 b: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit
dem Titel „Verbot von Fracking in Deutschland“ .


(Unruhe)


– Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, was ich hier vor-
trage .


(Zurufe: Ja!)


– Ja, das denke ich mir . Dann erzähle ich Ihnen jetzt, wie
die Beschlussempfehlung ausschaut .

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/8113, den Antrag der Fraktion

1) Ergebnis Seite 16407 C

Hubertus Zdebel






(A) (C)



(B) (D)


Die Linke auf Drucksache 18/4810 abzulehnen . Wir
stimmen nun über die Beschlussempfehlung auf Verlan-
gen der Fraktion Die Linke namentlich ab . Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen . Die Urnen sind schon bereit . – Sind
alle Plätze an den Urnen besetzt? – Ich glaube, die Urnen
sind jetzt besetzt . Dann eröffne ich die Abstimmung über
die Beschlussempfehlung .

Die Urne vorne rechts ist beschädigt; ich glaube, wir
brauchen eine Ersatzurne . – Das Problem ist gelöst, alles
klar .

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das sieht nicht so
aus . Dann ist die Abstimmung geschlossen . Ich bitte die
Schriftführer und Schriftführerinnen, mit der Auszählung
zu beginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben .1)

Bevor wir zu den weiteren Abstimmungen kommen,
darf ich Sie herzlich bitten, Ihre Plätze einzunehmen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 c auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
der Verordnung der Bundesregierung
Vierte Verordnung zur Änderung der Elektro-
und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung

Drucksachen 18/7752, 18/7918 Nr. 2, 18/8230

Der  Ausschuss  empfiehlt  in  seiner  Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/8230, der Verordnung auf
Drucksache 18/7752 zuzustimmen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist von allen
Fraktionen einstimmig angenommen .

Tagesordnungspunkt 30 d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz

(6 . Ausschuss)


Übersicht 7

über die dem Deutschen Bundestag zugeleite-
ten Streitsachen vor dem Bundesverfassungs-
gericht

Drucksache 18/8251

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist einstimmig angenommen .

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-
titionsausschusses, Tagesordnungspunkte 30 e bis 30 i .

Tagesordnungspunkt 30 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 304 zu Petitionen

Drucksache 18/8093

1) Ergebnis Seite 16410 A

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 304 ist damit einstimmig
angenommen .

Tagesordnungspunkt 30 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 305 zu Petitionen

Drucksache 18/8094

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Sammelübersicht 305 ist angenommen:
Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, also die Große
Koalition, dagegengestimmt haben die Linken, enthalten
haben sich Bündnis 90/Die Grünen .

Tagesordnungspunkt 30 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 306 zu Petitionen

Drucksache 18/8095

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 306 ist einstimmig ange-
nommen .

Tagesordnungspunkt 30 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 307 zu Petitionen

Drucksache 18/8096

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Sammelübersicht 307 ist angenommen:
Zugestimmt haben CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen,
SPD, dagegengestimmt hat die Linke .

Tagesordnungspunkt 30 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 308 zu Petitionen

Drucksache 18/8097

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Sammelübersicht 308 ist angenommen:
CDU/CSU, SPD dafür, dagegen Bündnis 90/Die Grünen
und die Linke, keine Enthaltungen .

Jetzt rufe ich den Zusatzpunkt 4 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE

Rentenniveau anheben – Altersarmut verhin-
dern

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Sabine
Zimmermann für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816710000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grü-
nen, Sie haben 2001 hier in diesem Hause angesichts Ih-
rer angeblichen Jahrhundertreform wahre Lobeshymnen
angestimmt . Erinnern Sie sich noch?


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da war ich noch nicht dabei!)


– Das ist aber keine Entschuldigung, Herr Kurth . – Sie
wollten den Menschen ernsthaft weismachen, dass die
Rente zukunftsfest und generationengerecht gemacht
wird . Ich will Ihnen sagen, was Sie gemacht haben: Sie
haben die Axt an die gesetzliche Rentenversicherung ge-
legt – zur Freude der Versicherungswirtschaft . Das war
Ihr Erfolg, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ist das! Traurig, aber wahr!)


Heute hält selbst Horst Seehofer, der nun nicht unser
Freund ist,


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


die Riester-Rente für gescheitert .


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist aber etwas Neues, Frau Zimmermann!)


– Ich finde das wirklich nicht lustig – das muss ich Ihnen 
sagen –; das Thema ist nämlich sehr ernst .


(Beifall bei der LINKEN)


Profitiert  hat  ganz  allein  die  Versicherungswirtschaft; 
denn die hat sich in diesem Land dumm und dämlich ver-
dient, meine Damen und Herren .

Sie haben dafür gesorgt, dass die Beiträge für die Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer massiv angestiegen
sind . Sie haben die Kosten der privaten Vorsorge wei-
testgehend allein den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern aufgebürdet . Sie haben damit die paritätische
Finanzierung der Rente zerstört . Heute zahlen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur mehr; sie be-
kommen auch viel weniger raus, weil die Regierung das
Rentenniveau immer weiter absenkt . In keiner Bevöl-
kerungsgruppe wächst der Anteil der Armen so schnell
wie unter den Rentnerinnen und Rentnern . Sie haben die
Rente nicht reformiert, Sie haben sie demontiert, und das
ist schäbig, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Weder Riester noch das Konzept der betrieblichen Al-
tersvorsorge ist wirklich aufgegangen . Eine betriebliche
Altersvorsorge, an der sich tatsächlich auch die Betrie-
be und Unternehmen beteiligen, gibt es praktisch nur in
Großunternehmen . Und im Osten werden Sie betriebli-
che Altersvorsorge fast nirgendwo finden.

Was Sie völlig ignorieren, ist, dass viele überhaupt
nicht privat vorsorgen können . Das ist keine Frage der
Einsicht, sondern es ist eine Frage des Einkommens .
Nach dem Zusammenbruch der Textilindustrie im Vogt-
land zum Beispiel nach der Wende hieß das für viele

Kolleginnen und Kollegen: Arbeitslosigkeit . Sie haben
sich dann über Jahre hinweg von einer ABM zur anderen
ABM gehangelt. Sie haben mal eine Qualifizierungsmaß-
nahme gehabt, zum Schluss einen 1-Euro-Job . Ich frage
Sie: Wovon sollten die Kolleginnen und Kollegen eine
private Altersvorsorge bilden? Das war überhaupt nicht
möglich .


(Beifall bei der LINKEN)


Sie schaffen einerseits in Europa den größten Nied-
riglohnsektor und wundern sich andererseits, dass die
Menschen kein Geld für private Vorsorge haben . Geht’s
noch? – Mit dem Mindestlohn vielleicht auch noch für
das Alter vorsorgen – wie soll denn das gehen? Glauben
Sie das wirklich? Die Linke sagt: Wir brauchen vernünf-
tige Löhne . Das ist einfach Grundlage für eine gute Ren-
te, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Ein weiteres Thema, das hier unbedingt angesprochen
werden muss: Die Bertelsmann-Stiftung hat kürzlich fest-
gestellt, dass die Armutsgefährdung der über 65-Jährigen
vor allem in weiten Teilen Ostdeutschlands deutlich an-
gestiegen ist . Brauchen Sie eigentlich noch irgendeinen
anderen Grund, um 25 Jahre nach der deutschen Einheit
dieses schreiende Unrecht ungleicher Renten in Ost und
West endlich zu beseitigen?


(Beifall bei der LINKEN)


Oft genug hat die Große Koalition, insbesondere die
Kanzlerin, das ja versprochen . Aber das glaubt Ihnen nie-
mand mehr . Schluss mit den Reden! Rentenangleichung
jetzt! Das fordert die Linke, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Und hören Sie endlich auf, so zu tun, als sei das nicht
finanzierbar.  Seit  2001  ist  die  Wirtschaftsleistung  des 
Landes enorm gewachsen . Diese Leistung wird von Mil-
lionen Beschäftigten erbracht . Aber bei denen kommen
die Zuwächse leider immer weniger an . Wenn wir in den
vergangenen Jahrzehnten eine so beispiellose Umver-
teilung von unten nach oben nicht gehabt hätten, würde
heute niemand mehr über die Verlängerung der Lebens-
arbeitszeit reden . Ihre Argumente für die Rente erst ab
70, vielleicht demnächst ab 75, sind nichts anderes als
eine Verschleierung eines neuerlichen Rentenklaus, und
das haben die Menschen nicht verdient .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zum Schluss . Wenn die Menschen auch im
Ruhestand ein sorgenfreies Leben haben sollen, kann die
Lösung nur eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversi-
cherung sein . Das fordert die Linke .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816710100

Vielen Dank, Kollegin Zimmermann . – Das Wort hat

Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1816710200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die Deutsche Rentenversi-
cherung befindet sich im Jahre 2016 in einer exzellenten 
Verfassung . Sie ist wesentlich besser, als vorher noch
prognostiziert worden ist .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Und wie geht es den Rentnern?)


Wir werden im Juni die Renten anheben, und zwar um
4,25 Prozent im Westen und 5,95 Prozent im Osten . Wir
erleben, dass sich das Rentenniveau im Osten seit der
deutschen Einheit auf fast 94 Prozent des Westniveaus
angeglichen hat . Wir erleben auch, dass 3,2 Prozent al-
ler Rentnerinnen und Rentner auf Grundsicherung ange-
wiesen sind. Da kann von einer flächendeckenden Armut 
durch die Rente keine Rede sein . Es ist unverantwortlich,
was Sie hier propagieren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: 15,6 Prozent und nicht 3,2 Prozent sind arm!)


Meine Damen und Herren, ich bitte Sie mit großem
Nachdruck, mit diesem Rentensystem und der Debatte
darüber sorgsam umzugehen, weil sowohl die Entwick-
lungen in der gesetzlichen als auch die Entwicklungen
in der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge im-
mer  vor  dem Hintergrund  der  demografischen  und  der 
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu sehen sind . Es
geht nicht darum, unter Menschen Angst und Schrecken
zu verbreiten, sondern darum, verlässliche Rahmenbe-
dingungen zu schaffen, damit die Menschen im Alter gut
leben können .

Die Grundlagen dafür haben wir in der letzten Gro-
ßen Koalition mit dem damaligen Rentenpaket gelegt .
Wir haben geklärt, dass bis 2030 das Renteneintrittsalter
sukzessive auf 67 Jahre ansteigen wird . Wir haben diesen
Punkt bei weitem noch nicht erreicht . Wir sind jetzt bei
65 Jahren plus fünf oder sechs Monaten, soweit ich das
in Erinnerung habe .

Wir sind in einer Situation, in der wir durch die Ein-
führung der Mütterrente insbesondere denjenigen gehol-
fen haben, die dazu beigetragen haben, dass überhaupt
Generationengerechtigkeit möglich wurde, indem Kin-
der geboren und so erzogen werden konnten, dass sie
lebenstüchtige Menschen sind und hinterher Beiträge
leisten, damit die Renten finanziert werden können.

Wir haben im letzten Rentenpaket vereinbart, die Ren-
te mit 67 so zu gestalten, dass jemand, der 45 Beitrags-
jahre hat, auch in Zukunft auf jeden Fall mit 65 in Rente
gehen kann, und auch, dass das jetzt vorgezogen wird .
Das wird sich aufbauen bis zum Jahre 2030 .

Ich rate uns dringend, die unterschiedlichen Säulen,
die wir für die Altersabsicherung benötigen – die ge-
setzliche Rente, die betriebliche Altersvorsorge und die
private Altersvorsorge –, nicht in Bausch und Bogen ka-
puttzureden . Das würde jeder wirtschaftlichen Vernunft

entgegenstehen, und die, das will ich ehrlich sagen, habe
ich Ihnen noch nie unterstellt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist das Problem!)


Wir können Rentenversicherung, Sozialpolitik und
Wirtschaftspolitik, Wirtschaftswachstum und Wohlstand
nicht voneinander trennen . Es hängt alles mit allem zu-
sammen . Dies verlangt wirtschaftliche Vernunft und ver-
antwortungsvolles Umgehen mit der Rentenversicherung
und der Altersabsicherung . Und – darin gebe ich Ihnen
allerdings recht – nach allen Debatten, die wir in der letz-
ten Zeit geführt haben und führen werden, müssen wir
dafür sorgen, dass die Menschen am Ende der Tage von
dem, was sie in ihrem Leben erwirtschaftet haben, auch
leben können .

Wenn jemand sein Leben lang auf Grundsicherung an-
gewiesen ist, dann wird er zwangsläufig am Ende des Le-
bens nicht von einer Rente leben können, weil er nichts
eingezahlt hat,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: In Dänemark geht das!)


sondern er wird auch weiterhin auf Grundsicherung an-
gewiesen sein . Aber ich will Ihnen sagen: Es heißt in
Deutschland – weil Sie von den Linken das immer ka-
puttreden – deshalb Grundsicherung, weil niemand unter
diesen Betrag fällt .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel ist das denn?)


Grundsicherung heißt auch, dass Menschen im Alter von
dieser Grundlage leben können . Unser Ziel ist allerdings,
dass die, die 45 Jahre gearbeitet, eingezahlt, Kinder erzo-
gen und Eltern gepflegt haben, am Ende der Tage mehr 
haben müssen als die, die nichts erbracht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


An dem Rentenpaket, meine Damen und Herren, ar-
beiten wir . Das große Interesse unserer Fraktion besteht
darin, die jetzt aufgekommene Diskussion über die Frage
des Rentenniveaus, über die Frage des Renteneintrittsal-
ters, über die Frage des Rentenbeitrags, über die Frage,
wer  davon  alles  profitiert,  in  eine  vernünftige  und  kla-
re Bahn zu lenken, um für die Zeit nach 2030 – soweit
wir das überblicken können – die Weichen rechtzeitig zu
stellen . Das geht nicht, indem man mit Schaum vor dem
Mund Katastrophen darstellt, sondern das geht nur, in-
dem man mit Sachverstand und Klarheit den Menschen
sagt, wohin die gesamte Entwicklung geht .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das Herrn Seehofer!)


An diesem Punkt sind wir . Daran werden wir arbeiten .
Sie werden erleben, dass unsere Konzepte zukunftsfä-
hig sind . Ihre Konzepte bringen Verheißungen, die kein
Mensch bezahlen kann .






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Völliger Unsinn!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816710300

Vielen Dank, Herr Kollege Schiewerling .

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möch-
te ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schrift-

führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mungen mitteilen .

Zuerst wurde über den Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung
der Fracking-Technik von Bündnis 90/Die Grünen ab-
gestimmt – Drucksachen 18/7551 und 18/8125 –: abge-
gebene Stimmen 593 . Mit Ja haben gestimmt 125, mit
Nein haben gestimmt 425, Enthaltungen 43 . Der Gesetz-
entwurf ist damit abgelehnt . Damit entfällt nach der Ge-
schäftsordnung die weitere Beratung .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 591;
davon

ja: 125
nein: 423
enthalten: 43

Ja

CDU/CSU

Maik Beermann
Josef Göppel
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Martin Patzelt

SPD

Christina Jantz-Herrmann

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping

Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)


Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche

Dr . Wolfgang Strengmann-
Kuhn

Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött

Karl Schiewerling






(A) (C)



(B) (D)


Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum

Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz

Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)


Dr . Wolfgang Schäuble
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt


(Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)







(A) (C)



(B) (D)


Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner

Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Michael Gerdes
Martin Gerster
Angelika Glöckner
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Sebastian Hartmann

(Wa ckernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Anette Kramme
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange


(Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Detlef Müller (Chemnitz)

Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen

Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Frank Schwabe
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr . Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese

Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Enthalten

CDU/CSU

Reinhard Grindel
Wilfried Oellers
Dr . Patrick Sensburg

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Klaus Barthel
Willi Brase
Marco Bülow
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Michaela Engelmeier
Dr . Ute Finckh-Krämer
Dr . Edgar Franke
Dagmar Freitag
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Dirk Heidenblut
Wolfgang Hellmich
Petra Hinz (Essen)

Oliver Kaczmarek
Ralf Kapschack
Arno Klare
Birgit Kömpel
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Hilde Mattheis
Michelle Müntefering
Sabine Poschmann
Dr . Sascha Raabe
Andreas Rimkus
Petra Rode-Bosse
René Röspel
Udo Schiefner
Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Norbert Spinrath
Christoph Strässer
Michael Thews
Gülistan Yüksel






(A) (C)



(B) (D)


Die zweite namentliche Abstimmung fand statt über
die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem An-
trag der Linken mit dem Titel „Verbot von Fracking in

Deutschland“ – Drucksachen 18/4810 und 18/8113 –:
abgegebene Stimmen 589 . Mit Ja haben gestimmt 440,
mit Nein haben gestimmt 120, Enthaltungen 29 . Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 589;
davon

ja: 440
nein: 120
enthalten: 29

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann

Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann

Thorsten Hoffmann

(Dortmund)


Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz

Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr . Wolfgang Schäuble
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack

Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert

Petra Crone
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr . Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Angelika Glöckner
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)


Dr . Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir


(Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)







(A) (C)



(B) (D)


Elfi Scho-Antwerpes
Swen Schulz (Spandau)

Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr . Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Nein

SPD

Christina Jantz-Herrmann

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke

Annette Groth
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin

Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer

Enthalten

CDU/CSU

Reinhard Grindel
Wilfried Oellers
Martin Patzelt

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Klaus Barthel
Marco Bülow
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Michaela Engelmeier
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Michael Groß
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Dirk Heidenblut
Petra Hinz (Essen)

Oliver Kaczmarek
Ralf Kapschack
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Sabine Poschmann
Dr . Sascha Raabe
Andreas Rimkus
Petra Rode-Bosse
René Röspel
Ursula Schulte
Ewald Schurer
Christoph Strässer
Michael Thews
Gülistan Yüksel

Dann geht es jetzt in der Aktuellen Stunde weiter . Das
Wort hat Markus Kurth für Bündnis 90/Die Grünen .


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816710400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Schiewerling, Sie haben eine sorgsame Debatte und

eine vernünftige klare Linie angemahnt . Ich nehme ein-
mal an, Sie haben hauptsächlich Herrn Seehofer, Herrn
Gabriel und Herrn Schäuble im Kopf gehabt, als Sie da-
von gesprochen haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Was wir hier im Moment erleben, sind die rentenpoliti-
schen Chaoswochen der Großen Koalition .

Fangen wir mit Herrn Seehofer an, der von der Neoli-
beralisierung der Rente gesprochen hat . Das ist eine Ton-
lage, die sogar der Linken gut gefallen hat .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Was heißt denn „sogar“?)


Nun kann man wirklich – wir sind die erste und einzige
Fraktion, die Riester mit beschlossen hat und dazu jetzt
einen Antrag eingebracht hat – sehen, dass die Ries-
ter-Rente die ihr zugedachte Funktion so nicht erfüllt .
Wir haben mit dem Basisprodukt Alternativen aufge-
zeigt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber die CSU ist wirklich die letzte Partei, die sich zum
Rentenniveau und zur Riester-Rente äußern darf, weil sie
nichts, aber auch wirklich nichts vorgelegt und konstruk-
tiv nichts dazu beigetragen hat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man gewinnt den Eindruck, dass Herr Seehofer Orban
als sein Vorbild ansieht, angstgetrieben wie er ist: ers-
tens aggressive Haltung gegenüber Flüchtlingen, zwei-
tens antieuropäische Gesinnung und jetzt kommt drittens
noch sozialpolitischer Populismus vom Übelsten hinzu .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich finde, dass die Linke, 
die diese Aktuelle Stunde beantragt hat, an dieser Stel-
le leider tatsächlich einem ganz ähnlichen Muster folgt:
Sahra Wagenknecht spielt gegenüber Flüchtlingen die
nationale Karte .


(Dr . Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Das ist ja unverschämt!)


Sie haben die EU ständig als Projekt des Imperialismus
diffamiert . Jetzt kommt auch noch der sozialpolitische
Populismus mit  letzten Endes nicht finanzierbaren Pro-
grammen dazu .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Markus, das weißt du doch besser!)


CSU, AfD, Linke – die Troika des Populismus!

Was ich wirklich schlimm finde: Jetzt meint auch noch 
Gabriel von der stolzen Sozialdemokratischen Partei, er
müsse sich dazugesellen, indem er hier erzählt, das Ren-
tenniveau müsse sofort auf dem heutigen Niveau stabi-
lisiert werden, ohne auch nur einen Schimmer oder eine
Idee zu haben, wie man so etwas finanzieren kann. Ähn-
lich wie bei der Riester-Rente sagen wir auch hier nicht,
dass alles in Butter ist . Natürlich muss man über das Ren-
tenniveau diskutieren, auch darüber, ob die Absenkung
des Rentenniveaus angesichts der Perspektive bis 2030
nicht vorher abgefedert werden muss . Das diskutieren

wir übrigens in unserer Rentenkommission und auch im
Herbst auf unserem Parteitag .


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Oh! Tatsächlich?)


Aber diese Art des hektischen, von Panik getriebenen
Vorspringens, ohne sich irgendetwas zu überlegen, kostet
Sie Glaubwürdigkeit bei den Menschen . Ich sage Ihnen:
Damit stabilisieren Sie nicht das Rentenniveau, sondern
Politikverdrossenheit und Rechtspopulismus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Ganze hat auch nur 24 Stunden gehalten . Dann
hat Frau Fahimi gesagt – so stand es in der Berliner Zei-
tung  –:  „Der  demografische Faktor  lässt  sich  nicht  ne-
gieren .“ Das ist erst einmal interessant . Glückwunsch!
Das ist dieselbe Frau Fahimi, die noch vor zwei Jahren
bejubelt hat, dass das Rentenpaket nicht über Steuern fi-
nanziert wird – die Beitragszahlerinnen und Beitragszah-
ler müssen nämlich dafür aufkommen . Müntefering hätte
noch hinzugefügt: „Da reicht Volksschule Sauerland“;
aber das reicht für Herrn Gabriel offensichtlich nicht .
Wenn Sie so weitermachen, dann werden die Prozente
der SPD bei der nächsten Bundestagswahl weniger sein
als der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversiche-
rung, und das ist traurig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Um das Chaos komplett zu machen, glaubte dann Herr
Schäuble wahrscheinlich, er dürfe jetzt nicht abseitsste-
hen: Er schlug nonchalant die Rente mit 70 vor und ver-
unsicherte die Leute damit zusätzlich . Da sage ich: Wir
Grüne haben hier einen Antrag zu flexiblen Rentenein-
tritten eingebracht . Sie sind natürlich vernünftig; aber da
muss man auch an die denken, die gesundheitlich nicht
mehr können und vielleicht auch schon vorher in Ren-
te gehen müssen. Nur wenn man überlegte und flexible 
Antworten hat, kann man sich über das Renteneintrittsal-
ter unterhalten . Aber so, wie es Herr Schäuble tut, ver-
schreckt man doch alle und jagt den Leuten Angst ein .
Das ist vollkommen kontraproduktiv .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss schon sagen: Das, was wir hier in den letz-
ten Wochen erlebt haben, ist ein Panoptikum der Panik-
politiker . Ich kann wirklich nur sagen: Schauen Sie sich
an, was wir machen! Wir gehen tatsächlich überlegt vor,
seit zwei Jahren, in einem organisierten Prozess . Wir be-
haupten nicht, alles wäre in Butter, aber versprechen auch
nicht das Blaue vom Himmel, sondern bemühen uns tat-
sächlich um Verlässlichkeit . Das bringt uns um den einen
oder anderen Knalleffekt; damit kommt man nicht immer
auf Seite eins in der Zeitung . Aber ich glaube, am Ende
des Tages ist es das Wichtigste, dass sich Beitragszahle-
rinnen und Beitragszahler, Rentnerinnen und Rentner auf
die Aussagen der Politik verlassen können, auch wenn
sie nicht spektakulär sind . Das ist das Entscheidende, und
dafür stehen wir als Bündnis 90/Die Grünen . Wenn man
so will, sind wir die einzige vernünftige Rentnerpartei
hier im Deutschen Bundestag .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Markus Kurth






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816710500

Das Wort hat der Kollege Dr . Martin Rosemann für

die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1816710600

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lie-
ber Markus Kurth, Sie haben von Hektik und Panik in der
Großen Koalition gesprochen . Hektik und Panik waren
doch eher die Attribute Ihres Auftritts hier .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Jetzt also einmal ganz ruhig und ganz langsam:


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Inhalte!)


Mit unserem Rentensystem müssen wir Lebensleistung
anerkennen und Altersarmut verhindern . Diejenigen, die
ihr Leben lang gearbeitet und dieses System mitgetragen
haben, müssen sich im Alter darauf verlassen können .
Das, meine Damen und Herren, ist das zentrale Verspre-
chen unseres Sozialstaats .

Unser Rentensystem – Karl Schiewerling hat darauf
hingewiesen – steht derzeit gut da, deutlich besser, als
noch vor 10 Jahren oder 15 Jahren vorhergesagt . Sigmar
Gabriel, unser Parteivorsitzender, hat aber ein zentrales
Problem angesprochen, nämlich dass das Rentenniveau
auch langfristig nicht in Richtung 40 Prozent sinken darf .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er ja nicht gesagt! Er meinte, es auf heutigem Niveau zu stabilisieren!)


Aber wie stabilisiert man das Rentenniveau?

Erstens . Das Rentenniveau stabilisiert man am aller-
besten durch eine gute Entwicklung auf dem Arbeits-
markt . Deswegen müssen wir die Rahmenbedingungen
weiter so gestalten, dass möglichst viele Menschen in
Deutschland  sozialversicherungspflichtig  beschäftigt 
sind .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zweitens . Gesamtgesellschaftliche Aufgaben müssen
konsequenterweise auch von allen getragen werden, also
über Steuermittel . Ein erster guter Start wäre, die Mütter-
rente vollständig über Steuern zu finanzieren. 


(Beifall der Abg . Dr . Carola Reimann [SPD])


Wenn die CSU ihre Haltung hierzu geändert hat, dann
freut mich das . Wir sind zu Veränderungen bereit .


(Beifall bei der SPD)


Es  ist  klar:  Die  demografischen Herausforderungen, 
die sinkende Geburtenrate zum einen und die steigende

Lebenserwartung zum anderen, können wir nur mit zwei
starken Säulen bewältigen . Ein Blick in andere Länder
zeigt, dass diejenigen Länder das höchste Sicherungsni-
veau haben, die beides haben: eine erste starke gesetz-
liche umlagefinanzierte oder steuerfinanzierte Säule und 
eine zweite starke kapitalgedeckte Säule . Deshalb ar-
beiten wir gerade daran, eine stärkere Verbreitung von
betrieblicher Altersvorsorge in Deutschland zu ermögli-
chen .

Dabei gibt es drei Aspekte, die für mich von zentra-
ler Bedeutung sind . Erstens . Statt individueller Lösungen
brauchen wir große kollektive Lösungen . Wir müssen
den Tarifpartnern mehr Handlungsspielraum geben und
sie gleichzeitig stärker in die Pflicht nehmen. Zweitens. 
Geringverdiener  müssen  mehr  profitieren  und  besser 
gefördert werden . Drittens . Wir müssen nicht nur die
Beschäftigten von großen Unternehmen, sondern auch
von kleinen und mittleren Unternehmen erreichen . Ich
füge hinzu: Das werden wir am Ende nur durch ein ver-
pflichtendes System, das eine stärkere finanzielle Beteili-
gung des Arbeitgebers vorsieht, hinbekommen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mit den von mir genannten Maßnahmen können wir
das Sicherungsniveau insgesamt stabilisieren . Altersar-
mut hat aber viele Ursachen, und die wesentlichen liegen
in der Versicherungsbiografie: in langen Phasen der Ar-
beitslosigkeit, in langen Familienphasen, in geringfügi-
ger Beschäftigung, in Teilzeit mit geringer Stundenzahl,
in Selbstständigkeit ohne Absicherung


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Im Niedriglohnsektor!)


und im Niedriglohn . Von Armut im Alter sind vor allem
Frauen betroffen . Altersarmut ist also nicht nur eine Fra-
ge des Rentenniveaus, sondern auch eine Frage der Aus-
gestaltung des Rentensystems an anderer Stelle und der
Frage, wie unser Arbeitsmarkt funktioniert .

Ich finde, wir haben in dieser Koalition schon vieles 
auf den Weg gebracht . Wir haben die Erwerbsminde-
rungsrente gestärkt, aber das wird freilich nicht reichen .
Um Altersarmut erfolgreich zu bekämpfen, brauchen wir
mehr Mindestsicherung in der Rente . Deshalb werden
wir die solidarische Lebensleistungsrente auf den Weg
bringen, mit der wir geringe Renten aufwerten werden .
Diese Mindestrente ist quasi die kleine Schwester des
Mindestlohns .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr klein!)


Für uns Sozialdemokraten gilt: Wer 40 Jahre lang gear-
beitet hat, muss mehr haben als Grundsicherung .


(Beifall bei der SPD – Dr . Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: 25 Euro mehr! Großartig!)


Und schließlich: Altersarmut von morgen verhindern
wir, indem wir die Weichen im Bildungsbereich und auf
dem Arbeitsmarkt richtig stellen; denn es gibt einen Zu-
sammenhang zwischen guter Bildung und guter Arbeit,
zwischen guten Löhnen und guter Rente . Deswegen ar-
beiten wir an vielen Stellen daran, gleiche Bildungschan-
cen und gute Förderung von Beginn an zu schaffen . Des-

Markus Kurth






(A) (C)



(B) (D)


halb haben wir den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt,
und deshalb stärken wir die Tarifautonomie . Deshalb
müssen wir Selbstständige in die Systeme der sozialen
Sicherung, auch in die Rentenversicherung, einbeziehen .
Deshalb regulieren wir Leiharbeit und Werkverträge .
Deshalb arbeiten wir daran, das Prinzip „Gleicher Lohn
für gleiche Arbeit“ für Frauen und Männer zu stärken .
Deshalb arbeiten wir an unterschiedlichen Stellen daran,
Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen besser zu
verteilen .


(Beifall bei der SPD)


Zum Schluss: Wir brauchen jetzt keine neue Debatte
über ein höheres festes Renteneintrittsalter .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Vielmehr müssen wir die Möglichkeiten verbessern,
flexibel  aus  dem Arbeitsleben  auszusteigen,  um  unter-
schiedlichen individuellen Situationen gerecht zu wer-
den . Wir müssen dafür sorgen, dass es Menschen bei
guter Gesundheit schaffen, das gesetzliche Rentenein-
trittsalter überhaupt zu erreichen .


(Beifall bei der SPD)


Dazu müssen wir – das werden wir auch tun – schleu-
nigst das umsetzen, was wir unter der Überschrift „fle-
xible Übergänge“ in der Koalitionsarbeitsgruppe verab-
redet haben .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816710700

Und Sie müssen schleunigst zum Schluss kommen .


Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1816710800

Meine Damen und Herren, nicht nur die ältere Gene-

ration, sondern auch die junge Generation darf das Ver-
trauen in unsere Alterssicherungssysteme nicht verlieren .
Wie die ältere Generation muss sie sich als zukünftige
Rentnergeneration auf eine gute Absicherung im Alter
verlassen können . Dafür müssen wir sorgen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816710900

Darf ich die Rednerinnen und Redner darauf hinwei-

sen,  dass  sich  vorne  am Redepult  eine Leiste  befindet, 
an der manchmal das Wort „Präsident“ aufleuchtet? Das 
müsste man vielleicht geschlechtergerecht verändern .


(Beifall der Abg . Gabriele Hiller-Ohm [SPD])


Das heißt, die Redezeit ist zu Ende . Ich bitte Sie wirklich,
sich einigermaßen an die vorgegebene Redezeit zu hal-
ten . Also: Wenn es vorne leuchtet, wird es eng .

Der nächste Kollege, der das Wort ergreift, ist Peter
Weiß für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1816711000

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Rente ist


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sicher!)


der zentrale Bestandteil, die zentrale Säule des deutschen
Sozialstaats . Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
in unserem Land wollen vor allen Dingen eines wissen:
Kann ich mich, wenn ich von dem Lohn für meine Ar-
beit jeden Monat meine Beiträge abgeführt habe, darauf
verlassen, dass diese Säule mich im Alter wirklich trägt?
Das wollen sie von uns klar und deutlich und vernünftig
erklärt bekommen, und ohne Polemik . Deswegen war
das, was die Oppositionsvertreter in dieser Aktuellen
Stunde bislang geleistet haben – sie haben hier eine po-
lemische Show abgezogen –, nichts, was das Vertrauen
in die Rente stärkt, sondern etwas, was in Wahrheit das
Misstrauen in die Rente stärkt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der Herr Seehofer stärkt das Vertrauen, oder was? Und Herr Schäuble stärkt das Vertrauen? – Gegenruf von der LINKEN: Der war gut!)


Das sinkende Rentenniveau ist kein Naturgesetz .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist richtig! Das ist Menschenwerk!)


Mit der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt, mit der gu-
ten wirtschaftlichen Entwicklung im Land haben wir es
geschafft, dass mit der Rentenanpassung im Jahr 2015
und der Rentenanpassung, die es zum 1 . Juli 2016, also
dieses Jahr, geben wird, das Rentenniveau nicht weiter
sinkt, sondern stabilisiert wird . Das zeigt: Das zentra-
le Element einer Stärkung des Rentenniveaus ist eine
wachstums- und beschäftigungsorientierte Politik, wie
wir sie in diesen Tagen mit Erfolg betreiben . Deswegen
ist die allerwichtigste Botschaft an die Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer in unserem Land: Eure Rente ist
sicher, wenn wir weiter eine wachstums- und beschäf-
tigungsorientierte Politik betreiben und auf jeden Fall
nicht das tun, was uns die Linken raten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun muss man allerdings auch sagen: Die Rentenre-
form, die Rot-Grün mit Walter Riester 2001 gemacht hat,
hat offenkundig Mängel .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist richtig!)


Insbesondere für die Zeit nach 2030 gibt es in dem von
Rot-Grün geschaffenen Gesetz, was das Rentenniveau
anbelangt, überhaupt keine Grenze nach unten . Natürlich
erwarten die mittlere und die jüngere Generation, dass
wir ihnen eine klare Ansage machen, dass das Renten-
niveau nicht ins Bodenlose fallen kann .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Martin Rosemann






(A) (C)



(B) (D)


Deshalb werden wir nicht umhinkommen, den Fehler
von 2001 zu korrigieren und ein Mindestsicherungsni-
veau in der Rente auch für die Zukunft, auch für die jun-
ge Generation festzuschreiben .

Die rot-grüne Reform von 2001 sah vor, dass durch
eine starke öffentliche Förderung jeder eine ergänzende
Betriebsrente aufbauen kann und eine ergänzende priva-
te Altersvorsorge in Form der Riester-Rente . Doch auch
dieser Reformteil von 2001 ist unvollständig geblieben .
Spätestens seit dem Jahr 2009 erleben wir, dass die Zahl
der Betriebsrentner und die Zahl derer, die einen Ries-
ter-Sparvertrag abschließen, nicht mehr steigt, sondern
stagniert, sprich: Für immer mehr Menschen tut sich eine
riesige Versorgungslücke auf, wenn sich da nichts ver-
ändert .

Man kann es so machen wie die Linke und sagen:
Alles, was damals beschlossen worden ist, wird wieder
abgeschafft . Alles ist Quatsch . Zurück in die rentenpoli-
tische Steinzeit .


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Der Punkt ist aber: Was die Linke vorschlägt – alles ka-
puttmachen –,


(Widerspruch bei der LINKEN)


ist keine Lösung für die Zukunft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Lösung für die Zukunft kann nur sein – der Kol-
lege Rosemann hat darauf hingewiesen, dass es andere
Länder genauso machen –, dass wir eine starke gesetzli-
che Rente haben, die die Grundabsicherung für das Alter
darstellt und immer die stärkste Säule der Altersversor-
gung bleiben wird, und dass dazu zwingend eine Zusatz-
rente gehört, weil man nur dann im Alter einigermaßen
anständig leben kann . Das ist unser Ziel .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Stellen Sie doch die Parität wieder her!)


Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
ist der zweite Teil der Reformnotwendigkeit, dass wir die
Steine wegräumen, die es heute Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern – vor allem Geringverdienern – als unat-
traktiv erscheinen lassen, in Sachen Zusatzrente etwas zu
machen .


(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Die haben kein Geld!)


Wir als Große Koalition haben in der Koalitionsver-
einbarung gesagt: Wir wollen uns als Erstes an die be-
triebliche Altersversorgung machen . – Dazu liegen seit
anderthalb Wochen die beiden Gutachten vor, die vom
Arbeits- und vom Finanzministerium in Auftrag gegeben
wurden . Sie wurden offensichtlich von der Opposition
nicht gelesen; denn dazu wurde kein Wort in dieser De-
batte gesagt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde bemerkens-
wert, was da vorgeschlagen wird: ein eigener finanzieller 
Förderbetrag für Geringverdiener für eine betriebliche
Altersversorgung, eine Entlastung für kleine und mittel-

ständische Unternehmen, wenn sie bereit sind, in betrieb-
liche Altersvorsorge einzusteigen . Das sind Anreize, die
sich sehen lassen können und die auch finanziell attraktiv 
sind . Deshalb ist unsere Botschaft: Wir wollen eine starke
gesetzliche Rente plus eine starke Zusatzrente .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Dann macht es doch mal!)


Das ist das Zukunftskonzept, das ein auskömmliches
Einkommen im Alter sichert . Das sollten wir den deut-
schen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sagen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816711100

Vielen Dank, Peter Weiß . – Jetzt hat das Wort Matthias

W . Birkwald für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816711200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! In der Koalition kann zurzeit anscheinend jeder
zur Rentenpolitik sagen, was er will . Horst Seehofer und
Sigmar Gabriel kümmern sich auf einmal um das Ren-
tenniveau . Die Rentenministerin Andrea Nahles redet
seit einem Jahr über Betriebsrenten, flexible Rentenein-
stiege und eine sogenannte Lebensleistungsrente, die
ihrem Namen Hohn spricht . Gesetzentwürfe dazu gibt
es nicht . Wolfgang Schäuble fordert: Malochen bis zum
Sterben minus x . – Da sage ich, Herr Schiewerling: Da-
mit versetzt er viele Menschen in Angst und Schrecken .
Das ist völlig neben der Kappe .


(Beifall bei der LINKEN)


Was tut die Bundeskanzlerin? Sie warnt mit CDU/
CSU-Fraktionschef Kauder vor einem Rentenwahl-
kampf . Ich sage Ihnen: Es wird einen Rentenwahlkampf
geben . Die Gewerkschaften werden schon im Herbst eine
Kampagne für eine höhere gesetzliche Rente starten . Die
Linke hat keine Angst vor einem Rentenwahlkampf .

Wir wissen auch: Je höher die Löhne, desto besser die
Rente . Darum wünschen wir Linken allen derzeit strei-
kenden Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst
von ganzem Herzen viel Erfolg für ihren Kampf um hö-
here Löhne und eine gute Altersversorgung .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wir Linken sagen schon
seit 2012: Riester ist gescheitert . – Im Gegensatz zu den
Grünen, Markus Kurth, hat das jetzt auch Horst Seehofer
verstanden – prima . Darum fordern wir, dass alle Ries-
ter-Sparer und -Sparerinnen ihr Geld von den Versiche-
rungen freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung
überführen dürfen sollten . Da kostet es nämlich keine
Provision . Da ist es vor allem sicher .


(Beifall bei der LINKEN)


Die gesetzliche Rente muss den Lebensstandard wie-
der sichern, und sie muss vor Altersarmut schützen . Dazu
brauchen wir eine große Rentenreform . Das Rentenkon-

Peter Weiß (Emmendingen)







(A) (C)



(B) (D)


zept der Linken umfasst elf Punkte, hier die drei wich-
tigsten:

Erstens . Alle Menschen mit Erwerbseinkommen müs-
sen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein-
zahlen – auch die Ärztin, der Bundestagsabgeordnete, die
verbeamteten Staatssekretäre und die Selbstständigen .
Für Langzeiterwerbslose müssen endlich wieder Beiträ-
ge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens . Es muss gelten: Wer 10 000 Euro Gehalt
hat, muss auch für 10 000 Euro Beiträge zahlen .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Beitragsbemessungsgrenze muss schrittweise aufge-
hoben werden .

Drittens . Das Wichtigste ist, Herr Weiß: Das Renten-
niveau muss wieder auf 53 Prozent angehoben werden .
Das ist nämlich das Rentenniveau, das wir im Jahr 2000
hatten, bevor Gerhard Schröder, SPD, Walter Riester,
SPD, und die Grünen, Markus Kurth, die Rente in den
Sinkflug geschickt haben.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg . Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ein höheres Rentenniveau zu fordern, ist kein Populis-
mus, lieber Markus, das ist auch finanzierbar.

Jetzt rechne ich Ihnen allen hier einmal vor, was das
kostet und wie viel mehr Rente das bringt . Wer zum Bei-
spiel in Köln lebt und in 45 Arbeitsjahren immer durch-
schnittlich verdient hat und am 1 . Juli in Rente geht,
wird 1 370 Euro Rente erhalten . Auf diesem Niveau will
Sigmar Gabriel es einfrieren; das sagt er jedenfalls .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Das ist Unsinn!)


Wir Linken wollen das Rentenniveau auf 53 Prozent an-
heben . Das würde den Lebensstandard sichern . Der Rent-
ner hätte dann eine Rente von 1 522 Euro brutto . Das sind
152 Euro mehr Rente – ganz ohne Riester .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich weiß, viele Menschen schaffen keine 45 Arbeits-
jahre, und viele haben deutlich unterdurchschnittliche
Löhne . Aber lassen Sie uns einmal beim Durchschnitt
bleiben . Was müsste denn eine durchschnittlich verdie-
nende Beschäftigte mit 3 022 Euro brutto für 152 Euro
mehr Rente mehr an Beitrag zahlen, Herr Staatssekretär
Spahn? Nur 35 Euro . Ihr Arbeitgeber müsste ebenfalls
35 Euro mehr zahlen . Ich sage Ihnen: Das schafft kein
Riester-Vertrag .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD])


Die jungen Leute wären auch bereit, Herr
Dr . Rosemann, diese knapp 35 Euro zu zahlen . Das be-
haupte nicht ich, nein, das hat eine Studie der IG Metall
ergeben . 72 Prozent der befragten 18- bis 34-Jährigen
wären bereit, höhere Rentenbeiträge zu zahlen, wenn sie
später eine gute Rente erhielten und wenn sie sich nicht

durch das Kleingedruckte von 5 000 verschiedenen Ries-
ter-Verträgen wühlen müssten .


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie uns die gesetzliche Rente stärken . Wenn
die Arbeitgeber wieder ihren Anteil zahlten, wäre eine
gute Rente möglich . In Österreich, Herr Kollege Weiß,
gibt es die schon seit Jahrzehnten . Dort zahlen alle Er-
werbstätigen in die Rentenkassen ein, auch Beamte und
auch Politiker und Politikerinnen .


(Beifall bei der LINKEN)


Dort sind die Rentenbeiträge höher als in Deutschland
und seit 28 Jahren stabil . Dort zahlen die Arbeitgeber
sogar mehr ein als die Beschäftigten . Deshalb sind die
Renten deutlich höher als in Deutschland . Ein langjährig
versicherter Mann, der 2013 in Rente ging, erhält in Ös-
terreich 1 820 Euro Rente . Das sind 770 Euro mehr im
Monat, als ein vergleichbarer Mann in Deutschland Ren-
te bekommt . 770 Euro! Jeden Monat! – Und alles über
die gesetzliche Rente . Würden wir das so machen, gäbe
es auch bei uns weniger Altersarmut .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Für all diejenigen, die trotz eines höheren Renten-
niveaus nur eine niedrige Rente bekämen, bräuchten wir
innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung eine soli-
darische Mindestrente . Sie soll als Zuschlag nach einer
Einkommens- und Vermögensprüfung aus Steuermitteln
gezahlt werden . Die Linke kämpft dafür, dass niemand
im Alter von weniger als 1 050 Euro leben muss .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816711300

Vielen Dank, Kollege Birkwald . – Das Wort hat jetzt

Daniela Kolbe für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1816711400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Puh, Matthias, was für eine Rede . Ich versuche
einmal, die Debatte wieder ein bisschen runterzubringen


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der LINKEN)


und mit dem Gedanken einzusteigen, dass angesichts der
extrem niedrigen Zinsen und einer exzellenten Arbeits-
marktlage eines noch einmal ganz deutlich wird: Unser
Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, dass Men-
schen für Menschen eintreten, führt zu einem kongenia-
len System, und wir können stolz sein, dass wir ein stabi-
les Rentensystem in Deutschland haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Aber ganz klar: Wir haben große Themen vor der
Brust . Das Thema Rentenniveau ist eines, das uns in den
kommenden Jahren begleiten wird . Da müssen wir ran .
Jeder Politiker muss verantwortungsvoll damit umgehen

Matthias W. Birkwald






(A) (C)



(B) (D)


und sich des Themas annehmen . Aber auch andere The-
men stehen auf der Tagesordnung: Gerechtigkeitslücken,
die es gibt, etwa Altersarmut, die wegen gebrochener Er-
werbsbiografien oder  sehr niedriger Löhne  in manchen 
Branchen immer mehr auftaucht, und eben auch das
Thema der unterschiedlichen Rentensysteme in Ost und
West, die sich offenkundig nicht von alleine aneinander
angleichen .

Ich kann ja die Opposition und insbesondere die Linke
verstehen, dass ihr schon im hektischen Wahlkampfmo-
dus seid .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nein, hektisch nicht! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wir doch nicht!)


Aber wir als SPD regieren, und wir haben noch einiges
vor . Wir haben einige sehr gute Inhalte in den Koalitions-
vertrag hineingekämpft und wollen sie umsetzen . Dass
wir das auch tun, haben wir mit der Rente mit 63 und mit
der Mütterrente bewiesen .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und damit das Niveau geschwächt!)


Andere Themen wie die solidarische Lebensleistungs-
rente als ersten Schritt gegen Altersarmut, die Betriebs-
renten


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja eher ein CDU-Konzept!)


und die Rentenangleichung zwischen Ost und West ste-
hen uns noch bevor . Auch sie werden wir angehen .


(Beifall bei der SPD – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich ja mal gespannt!)


Zum Thema „Ost und West“ will ich ein paar Sätze
mehr sagen . Zurückblickend auf die Zeit der friedli-
chen Revolution kann man erst einmal festhalten, dass
die Rentenüberleitung eine riesengroße Leistung war .
Zu DDR-Zeiten und in der Nachwendezeit hatten wir in
der ehemaligen DDR extrem niedrige Löhne . Diese sind
dann sehr stark hochgewertet worden, damit überhaupt
erst einmal Rentenpunkte auf den Rentenkonten der ehe-
maligen DDR-Bürger gelandet sind . Bei Rentenauszah-
lung werden sie mit dem Rentenwert multipliziert; so
ergibt sich dann die Höhe der Rente . Der Rentenwert ist
in Ostdeutschland niedriger als in Westdeutschland . Das
Prinzip ist im Grunde immer noch dasselbe: Die Löhne
werden hochgewertet . Ein Rentenpunkt ist in Ostdeutsch-
land also leichter zu erwerben; aber der bei Auszahlung
angewendete Rentenwert ist niedriger . Im Moment liegt
er bei 94 Prozent des Westwertes .

Differenzen gibt es aber nicht nur bei Erwerbseinkom-
men, sondern auch bei Rentenpunkten, die etwa im Rah-
men der Mütterrente erworben werden . Auch für sie wird
weniger Rente ausbezahlt als in Westdeutschland .

Ich höre ganz oft die Frage: Ist denn meine Erzie-
hungszeit in Ostdeutschland weniger wert als die Erzie-
hungszeit in Westdeutschland?


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Berechtigte Frage!)


Auch ich bin ja nicht mehr ganz jung;


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Ach, das ist alles relativ!)


ich war zur Zeit der friedlichen Revolution neun Jahre
alt . Aber auch ich persönlich frage mich: Wann kommen
wir denn endlich zu einem einheitlichen Rentensystem?
Wann vollenden wir die deutsche Einheit in dem Sinne,
dass wir auch ein einheitliches Rentensystem in Ost und
West haben und wirklich jeder Rentenpunkt gleich viel
wert ist?


(Beifall bei der SPD – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt einen sehr guten grünen Vorschlag, wie man das machen kann!)


Es war ja so gedacht, dass irgendwann automatisch
eine Angleichung stattfindet, wenn die Löhne in Ost und 
West gleich hoch sind .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es fehlt auch nicht mehr viel!)


Wenn wir uns die beiden Linien anschauen, dann müssen
wir aber feststellen: Sie werden sich womöglich erst am
Sankt-Nimmerleins-Tag kreuzen . Deswegen sagen wir
ganz klar: Der letzte Schritt muss politisch gemacht wer-
den . Wir haben die Angleichung der Rentensysteme in
den Koalitionsvertrag hineinverhandelt . Wir wollen und
werden sie auch umsetzen . Das ist gut für viele Ostdeut-
sche und beseitigt viele Ungerechtigkeiten, die zwischen
Ost und West noch bestehen . Das ist ein Schritt zur ech-
ten Vollendung der Einheit .

Für uns ist aber auch klar: In vielen Branchen sind die
Löhne im Osten deutlich niedriger als in Westdeutsch-
land . Ein Grund dafür ist, dass auch die Tarifbindung
deutlich niedriger ist als in Westdeutschland . Daran
müssen wir arbeiten . Auch hier wird entschieden, ob wir
Rentengerechtigkeit in Deutschland hinbekommen .


(Beifall bei der SPD)


Einen ersten Schritt haben wir übrigens schon gemacht,
und zwar durch die Einführung eines einheitlichen ge-
setzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro in Ost und West .


(Beifall bei der SPD)


Dass der Mindestlohn im Hinblick auf die Renten
etwas bringt, zeigt sich an der fast 6-prozentigen Ren-
tenerhöhung im Osten; sie ist ganz eindeutig ein Min-
destlohneffekt . Auch weil die Höherwertung irgendwann
wegfällt, müssen wir uns um die Niedrigverdiener küm-
mern . Wir dürfen aber nicht nur die Niedrigverdiener in
Ostdeutschland im Blick haben . Es ist überall ungerecht,
wenn jemand jahrzehntelang gearbeitet hat und dann we-
niger oder genauso viel Rente bekommt wie jemand, der
gar nicht gearbeitet hat . Deswegen ist uns die solidari-
sche Lebensleistungsrente so wichtig . Sie ist de facto die

Daniela Kolbe






(A) (C)



(B) (D)


Höherwertung in Ost und West für Niedrigverdiener . Die
solidarische Lebensleistungsrente ist für uns ein erster
Schritt zur Armutsbekämpfung .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Minischritt!)


Wir als SPD haben das Ohr bei den Menschen, die hart
arbeiten . In diesem Sinne werden wir das Rentensystem
fortentwickeln . Dazu gehört für uns die Angleichung der
Rentensysteme in Ost und West .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816711500

Vielen Dank, Kollegin Kolbe . – Nächster Redner:

Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn für Bündnis 90/Die
Grünen .


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Daniela Kolbe, zur Ost-West-Rentenangleichung
gibt es einen exzellenten grünen Vorschlag, mit dem man
die Vereinheitlichung tatsächlich sofort hinbekommen
könnte . Den könnten Sie einfach übernehmen . Dann
bräuchte man nicht bis 2019 zu warten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Daniela Kolbe [SPD]: Der ist nicht gerecht! Den sollte man sich genauer ansehen! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Bloß nicht!)


Zum Thema Rentenniveau und Altersarmut, worum es
in dieser Aktuellen Stunde ja gehen soll: Ich darf noch
einmal daran erinnern, dass es in dieser Legislaturperi-
ode schon einmal eine große Rentenreform von SPD,
CDU und CSU gegeben hat .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war teuer!)


Sie haben es tatsächlich hingekriegt, 10 Milliarden Euro
jährlich zusätzlich für die Rente auszugeben, ohne damit
irgendetwas gegen die Altersarmut zu tun .


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Stimmt nicht! – Dr . Martin Rosemann [SPD]: Erwerbsminderungsrente! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man erst einmal schaffen!)


Die Rentenversicherungsbeiträge werden stärker stei-
gen, und das Rentenniveau, liebe Kolleginnen und Kol-
legen von der SPD, wird durch Ihre Rentenreform stärker
sinken . Jetzt kommt Sigmar Gabriel und sagt, wir brau-
chen nun einen Rentenwahlkampf mit den Themen „Al-
tersarmut“ und „Stabilisierung des Rentenniveaus“ .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Das hätte die Regierung machen können . Deshalb ist das
völlig unglaubwürdig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Er sagt auch nicht, wie das gehen soll . Die Linke ist
hier ja wenigstens ehrlich und sagt: Wir wollen die Bei-
träge dafür anheben . – Das wäre nicht unsere Lösung,
weil eine Beitragsanhebung Menschen mit geringem und
mittlerem Einkommen natürlich deutlich stärker belastet
als Menschen mit hohem Einkommen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: 35 Euro pro Monat! Das ist viel weniger als bei Riester!)


Deswegen ist unsere Lösung an dieser Stelle die Wei-
terentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu
einer Bürgerversicherung . Dadurch würden wir es tat-
sächlich hinbekommen, dass die Beitragssätze einiger-
maßen stabil bleiben, während das Rentenniveau gleich-
zeitig stabilisiert wird . Der erste wichtige Punkt ist also
die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversiche-
rung zur Bürgerversicherung .

Der zweite wichtige Punkt an dieser Stelle ist ein
Mindestniveau in der Rentenversicherung . Die meisten
anderen Länder in der Europäischen Union und sogar
im gesamten OECD-Raum haben es, Deutschland nicht .
Deswegen ist Altersarmut hier schon immer durchaus ein
Problem gewesen, insbesondere bei Frauen . Während
wir im internationalen Vergleich insgesamt nicht schlecht
dastehen, gilt das in Bezug auf die Frauen nicht . Dort
stehen wir besonders schlecht da . Unter anderem deswe-
gen, aber auch für die Akzeptanz der Rentenversicherung
brauchen wir hier ein Mindestniveau .

Wir sagen: Wer den größten Teil seines Lebens Ren-
tenversicherungsbeiträge gezahlt hat, der soll am Ende
des Lebens auch eine Rente bekommen, die über dem
Grundsicherungsniveau liegt . Das würde zur Akzeptanz
der Rentenversicherung führen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit unterscheidet sich unser Konzept, die grüne Ga-
rantierente, von der sogenannten Lebensleistungsrente
und auch von der Mindestrente der Linken .

Apropos Lebensleistungsrente: Das Copyright auf
diese Idee besitzt eigentlich Frau von der Leyen . Das ist
also eigentlich kein SPD-Konzept . Sigmar Gabriel sagt
jetzt auf einmal aber, dass wir sie unbedingt einführen
müssen .

Heute Abend diskutieren wir noch über das Natio-
nale Reformprogramm 2016, wofür das Bundeswirt-
schaftsministerium zuständig ist . In dem Länderbericht
der Europäischen Kommission zu Deutschland wurde
angemahnt, dass die Lebensleistungsrente endlich um-
gesetzt wird, und das Nationale Reformprogramm ist
eine Reaktion darauf . Wenn man sich die Liste der Maß-
nahmen dort anguckt, dann sieht man, dass die Lebens-
leistungsrente dort nicht auftaucht . Vielleicht sollte der
SPD-Vorsitzende einmal ein Zweiergespräch mit dem

Daniela Kolbe






(A) (C)



(B) (D)


Wirtschaftsminister führen und sich mit ihm einigen, ob
die Lebensleistungsrente wichtig ist oder nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sagen also, wir brauchen diese zwei Bausteine:
die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversiche-
rung zur Bürgerversicherung und ein Mindestniveau in
Form einer Garantierente .

Die Rente innerhalb des Rentensystems sollte eben
nicht bedürftigkeitsgeprüft, wie die Grundsicherung im
Alter oder die Lebensleistungsrente, und auch nicht ein-
kommens- und vermögensgeprüft sein, wie das bei den
Vorschlägen der Linken der Fall ist und was auch nur
eine verkappte Grundsicherung darstellt, wenn auch auf
etwas höherem Niveau .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: 1 050 Euro und nicht bedürftigkeitsgeprüft!)


Deswegen ist die einzige Lösung gegen Altersarmut und
zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente tatsächlich die
grüne Garantierente .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen also eine grüne Bürgerrente mit Bürger-
versicherung und Garantierente, die armutsfest, nachhal-
tig finanziert und gerecht ist.

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816711600

Vielen Dank, Wolfgang Strengmann-Kuhn . – Das

Wort hat die Kollegin Jana Schimke für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jana Schimke (CDU):
Rede ID: ID1816711700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ide-

en der Linken zur Zukunft unseres Sozialstaats und zum
Rentensystem sind uns hinlänglich bekannt .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Dann würden Sie sie ja übernehmen!)


Im Wesentlichen geht es immer wieder darum, richtige
und gerechte Entscheidungen der Vergangenheit wieder
zurückzunehmen . Das Rentenniveau, um das es heute
unter anderem auch geht, dauerhaft auf 53 Prozent fest-
zuschreiben, ist eine davon . In der Tat, die Linke wäre
nicht die Linke, wenn sie sich an dem momentanen Über-
bietungswettbewerb rund um das Rentenniveau nicht be-
teiligen würde .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wir waren doch die Ersten! Ihr kommt hinterher!)


Diese Forderung, Herr Birkwald, kann man aufstellen,
wenn man  die  demografische  Entwicklung  in  unserem 
Land vollends ignoriert, wenn man die gesetzliche Rente

mit noch mehr Steuergeld bezuschussen will, weil einem
noch mehr Schulden völlig egal sind


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wieso geht es dann in Österreich?)


oder weil man trotz Rekordsteuereinnahmen noch stärker
als bisher an der Steuerschraube drehen und die Steuer-
zahler mit noch höheren Beiträgen in die Rentenversi-
cherung belasten will .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn die Beitragszahler belastet? Ihr Rentenpaket! Sie müssten sich Asche auf den Kopf streuen! Das ist ja unglaublich!)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, soll-
ten sich in der Diskussion ehrlich machen . Sagen Sie den
Beschäftigten gerade der jungen Generation in unserem
Land, dass diese dann sehr viel höhere Rentenbeiträge zu
zahlen hätten


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: 35 Euro, Frau Kollegin, beim Durchschnittsverdienst!)


und damit am Ende des Monats netto weniger in der Ta-
sche hätten als heute .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ein Quatsch! Das ist falsch!)


Sagen Sie den Menschen, dass Arbeit in Deutschland
künftig noch teurer wird, und zwar auf Kosten bestehen-
der und künftiger Arbeitsplätze, und dass man sehenden
Auges die Axt an die Wurzel des Generationenvertrages
legt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Jeder zusätzliche Prozentpunkt in der Sozialversiche-
rung kostet Jobs . Die Schmerzgrenze von Arbeitgebern
und Arbeitnehmern bei Steuern und Beiträgen ist wahr-
lich erreicht . Das bestätigt auch eine aktuelle Umfrage
von Infratest dimap . Danach lehnen 79 Prozent der Be-
schäftigten noch höhere Rentenbeiträge ab .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wenn man ihnen sagt, dass sie die Riester-Rente nicht mehr brauchen, nicht!)


Meine Damen und Herren, die Erfüllung Ihrer Forde-
rungen wie die Anhebung des Rentenniveaus auf Kosten
der jungen Generation, die Rücknahme der Rente mit 67
oder die Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors – wohl-
gemerkt: einem ganz entscheidenden Merkmal bei der
Berechnung der Renten, um überhaupt für Generationen-
gerechtigkeit zu sorgen –, wäre vor dem Hintergrund der
demografischen  Entwicklung  eine  fatale  Fehlentschei-
dung . Deshalb waren und sind die Entscheidungen der
vergangenen Jahre richtig . Die Menschen in unserem
Land haben verstanden, dass es Einschnitte bei der ge-
setzlichen Rente geben wird und Eigenvorsorge für das
Alter elementar ist. Das alles ungeachtet der demografi-
schen Situation zurückzunehmen, grenzt an politischen
Realitätsverlust .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Na, na, na!)


Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn






(A) (C)



(B) (D)


Natürlich sind wir uns der Folgen einer Niedrigzins-
politik durch die EZB bewusst . Wir stellen fest, dass zu-
sätzliche Belastungen von Betriebsrenten mit Sozialbei-
trägen auf Sparer nicht gerade motivierend wirken .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Schaffen Sie sie doch ab!)


Wir wissen auch, dass Altersvorsorge gerade bei Gering-
verdienern ein Problem ist . Aber die richtige Antwort
darauf ist doch nicht, dass die betriebliche und private
Altersvorsorge gescheitert ist, so wie Sie es in Ihren An-
trägen immer wieder behaupten . Die richtige Antwort
lautet, Fehlanreize und Bürokratie zu beseitigen, Mög-
lichkeiten der Förderung zu prüfen, Strukturen zu opti-
mieren und das System der betrieblichen und privaten
Altersvorsorge damit insgesamt zu verbessern . Das gilt
natürlich auch für die Riester-Rente . Die Riester-Rente
ist, wohlgemerkt, nicht gescheitert .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


Wir müssen uns gerade auch mit Blick auf die Ge-
ringverdiener die Frage stellen: Wie gehen wir mit der
Grundsicherung um? Auch darüber diskutieren wir ganz
offen . Es gibt nicht wenige, die dafür sind, gerade Emp-
fängern von Grundsicherung Freibeträge für die betrieb-
liche und private Altersvorsorge einzuräumen . Das ist
alles richtig .

Ich möchte aber etwas anmerken . Ich frage mich im-
mer wieder: Wie ist eigentlich Ihr Bild von Menschen,
die wenig verdienen, die möglicherweise keine Aus-
bildung haben oder die über eine sehr geringe Bildung
verfügen? Sie vermitteln den Menschen den Eindruck:
Verlasst euch ruhig auf die gesetzliche Rente, wir regeln
das schon . – Die Botschaft, die Sie auch immer wieder
ausgeben, lautet, dass diese Menschen im Alter sowieso
Grundsicherung bekommen und man sich deshalb poli-
tisch darauf einstellen müsse .

Aber das kann es doch nicht sein . Wir müssen den
Menschen frühzeitig und dauerhaft, gerade den jungen
Menschen, die heute hier im Plenum auf den Besuchertri-
bünen sitzen, immer wieder klarmachen, dass es im Le-
ben auch darum geht, aufzusteigen, und zwar durch Bil-
dung, dass das Leben eben nicht dadurch gekennzeichnet
ist, dauerhaft auf einem Lohnniveau zu verharren und
irgendwann einmal Grundsicherung zu bekommen, son-
dern dass unser Antrieb, auch in der Politik, der ist, eben-
jenen Menschen zu einem besserem Einkommen und zu
einer besseren Absicherung im Alter zu verhelfen .

Ein Weg ist natürlich auch die Wirtschaftspolitik . Sie
hängt mit der Rentenpolitik ganz eng zusammen . Eine
gute Wirtschaftspolitik sorgt für bessere Löhne und hat
damit auch eine bessere Absicherung im Alter zur Folge .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Deswegen haben die Leute teilweise zwei Jobs, damit sie überhaupt überleben können!)


Das ist zumindest der politische Geist, der mich umtreibt,
der mich begleitet und nach dem ich Politik gestalten
möchte .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Deshalb, meine Damen und Herren, geht es bei der
Rente eben auch um die arbeitsmarktpolitische Kompo-
nente . Denn Rente ist immer noch auch Ausdruck von
Erwerbstätigkeit . Das verfolgen wir jetzt auch ganz kon-
kret mit der Flexirente . Wir schaffen zunächst einmal das
Bewusstsein, dass sich auch längeres Arbeiten sowohl
für Beschäftigte als auch für die Unternehmen lohnt . Der
Beruf ist eben nichts mehr, aus dem man von heute auf
morgen ausscheidet . Und die Rente ist nichts mehr, in
dem man von heute auf morgen feststeckt . Es geht da-
rum, längeres Arbeiten attraktiv zu gestalten . Das ist eine
ganz entscheidende Antwort im Umgang mit dem demo-
grafischen Wandel und mit der Absicherung im Alter.

Mit fast 18 Jahren ist die durchschnittliche Rentenbe-
zugsdauer in Deutschland so lang wie nie zuvor, und sie
wird weiter steigen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816711800

Frau Kollegin .


Jana Schimke (CDU):
Rede ID: ID1816711900

Ich bin sofort fertig .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816712000

Ja, Sie sind jetzt fertig .


Jana Schimke (CDU):
Rede ID: ID1816712100

Natürlich ist es vor dem Hintergrund steigender Le-

benserwartung absolut legitim, auch über einen späteren
Renteneintritt nachzudenken . Herr Birkwald, in Bezug
auf diesen Punkt möchte ich noch einmal meinen Kolle-
gen Wolfgang Schäuble ganz konkret in Schutz nehmen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816712200

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende .


Jana Schimke (CDU):
Rede ID: ID1816712300

Sein Vorstoß ist nichts Verwerfliches, sondern eine lo-

gische Konsequenz .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Malochen bis zum Sterben! Sehr gut!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816712400

Erinnern Sie sich bitte an die Lichter da vorne . – Der

Kollege Kapschack ist schon da . Er hat dann auch das
Wort für die SPD .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)



Ralf Kapschack (SPD):
Rede ID: ID1816712500

Sehr schön . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Bei der öffentlichen
Debatte über die Rente hat man manchmal den Eindruck,
dass es um ein populäres Schneller, Weiter und Höher,
aber nicht so sehr um nachhaltige Konzepte geht . Das
bringt Schlagzeilen, aber keine Lösung des Problems .

Jana Schimke






(A) (C)



(B) (D)


Ja, es ist richtig – das wurde auch angesprochen –,
dass wir über das Niveau der gesetzlichen Rente spre-
chen müssen . Denn es geht nicht zuletzt darum, die Ak-
zeptanz für diese zentrale Säule der Altersversorgung zu
erhalten . Klar ist: Wer lange gearbeitet hat, muss auch im
Alter eine auskömmliche Rente haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Allerdings ist es so, dass die wenigsten Rentenbezieher
45 Jahre lang durchgearbeitet und Sozialbeiträge gezahlt
haben . Das ist aber die Grundlage des Rentenniveaus . In
Zukunft werden deutlich mehr Menschen in Rente ge-
hen, die diesem Idealbild nicht entsprechen . Männern
und Frauen, die lange arbeitslos waren oder lange in Teil-
zeit bzw . im Niedriglohnbereich gearbeitet haben, hilft
man nicht allein mit der Anhebung des Rentenniveaus .

Die Rente ist ein Spiegelbild des Erwerbslebens . Des-
halb ist ein zentraler Ansatzpunkt, für gute Arbeit zu sor-
gen . Der Mindestlohn war ein erster wichtiger Schritt .


(Beifall bei der SPD)


Nur wer ordentlich verdient, kann auf eine ordentliche
Rente hoffen und hat die Möglichkeit, auch selbst für
das Alter vorzusorgen . Zusätzliche Vorsorge wird auch
künftig sinnvoll sein . Die Frage ist nur, wie man sie or-
ganisiert und welche Lehren man aus der Vergangenheit
zieht – in der Tat .

Mehr als 40 Prozent derjenigen, die 1 500 Euro oder
weniger verdienen, betreiben keine private oder betrieb-
liche Vorsorge . Für die SPD ist die betriebliche und tarif-
vertraglich abgesicherte Altersversorgung die beste Form
der zusätzlichen Vorsorge . Wir wollen sie stärken .


(Beifall bei der SPD)


Eine Umfrage des nordrhein-westfälischen Arbeits-
ministeriums unter 10 000 kleinen und mittelständischen
Unternehmen hat ergeben, dass es sehr wenig bzw . fast
keine arbeitgeberfinanzierte Vorsorge gibt. 


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!)


In rund 40 Prozent findet nicht einmal eine Entgeltum-
wandlung statt . Die Gründe: Betriebliche Altersversor-
gung ist zu kompliziert, der Personalaufwand zu hoch .
Weil kleine Betriebe mit dem Thema der betrieblichen
Altersversorgung oft überfordert sind, muss es nach un-
serer Ansicht Branchenlösungen geben, die diesen Un-
ternehmen Risiko und Organisationsaufwand abnehmen .


(Beifall bei der SPD)


Tarifvertragliche Lösungen, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, sind nach unserer Meinung der entscheiden-
de Hebel für eine stärkere Verbreitung der betrieblichen
Altersversorgung . Ich bin mir nicht sicher, ob das die
Kollegen von der Koalition auch so sehen . Für uns sind
tarifvertragliche Lösungen eben nicht nur eine Möglich-
keit unter vielen anderen .


(Beifall bei der SPD)


Die Vorteile des Sozialpartnermodells, wie es vom
Bundesarbeitsministerium vorgeschlagen wird, liegen

auf der Hand . Es ist kostengünstig, bietet passgenaue Lö-
sungen für Branchen, hat eine breite Akzeptanz und führt
zu einer Reduzierung der Probleme für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer beim Unternehmenswechsel . Die
jüngsten Gutachten bestätigen das .

Wenn das Sozialpartnermodell umgesetzt wird, sind
die Tarifpartner am Zug, und zwar in der Erwartung,
dass sie den neuen Spielraum dann auch nutzen . Bis-
lang haben in der Privatwirtschaft nur etwa 50 Prozent
der Beschäftigten Anspruch auf eine betriebliche Al-
tersversorgung.  Um  eine  flächendeckende  Verbreitung 
sicherzustellen, halten wir eine gesetzliche Verpflichtung 
der Arbeitgeber  zur finanziellen Beteiligung an der be-
trieblichen Altersversorgung für notwendig . Die gängi-
ge Praxis der Entgeltumwandlung wollen wir dabei aber
nicht ausweiten; denn das führt zu Mindereinnahmen der
Rentenversicherung und zu geringeren Ansprüchen der
Versicherten .

Es bleibt dabei: Betriebliche Altersversorgung ist für
die SPD eine notwendige Ergänzung der gesetzlichen
Rente, aber kein Ersatz, um das noch einmal ganz klar zu
sagen . Die Debatte über die Reform der Betriebsrenten
ersetzt nicht die Diskussion über die Zukunft der gesetz-
lichen Altersversorgung . Die gesetzliche Rente steht für
uns nach wie vor im Mittelpunkt der Alterssicherung .


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Für uns auch!)


Es bleibt auch dabei: Wir wollen eine Erwerbstätigen-
versicherung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir wollen die gesetzliche Rente zu einer Erwerbstäti-
genversicherung umbauen . Das ist nicht nur gerecht; es
schafft auch zusätzliche finanzielle Spielräume. Es gibt 
noch viel zu tun .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816712600

Vielen Dank, Kollege Kapschack . – Das Wort hat als

nächster Redner Dr . Carsten Linnemann für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1816712700

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Herr Kapschack hat natürlich völlig recht,
dass wir keine Schlagzeilen produzieren sollten, son-
dern die Probleme angehen und um Lösungen ringen .
Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen der Frakti-
on Die Linke – ich denke dabei an die Äußerungen der
letzten Tage –, man muss auch im Sinne der Demokratie
aufpassen, dass man nicht Erwartungen schürt, die man
am Ende des Tages gar nicht erfüllen kann . Damit bietet

Ralf Kapschack






(A) (C)



(B) (D)


man nur der Politikverdrossenheit in Deutschland neuen
Nährboden .


(Widerspruch des Abg . Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Man wird noch Forderungen stellen dürfen!)


Das wollen wir nicht . Deswegen sollten wir uns an den
Fakten orientieren, und das können wir gerne auch in sol-
chen Debatten wie heute machen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da würde ich den Blick in die eigenen Reihen werfen! Da ist das besser aufgehoben!)


Die letzte große Rentenreform war 2001 . Wir hat-
ten einen Korridor bis 2030 im Blick . Jetzt sind wir im
Jahr 2016 . Das heißt, man geht in die Halbzeitpause, und
nach der Halbzeit zieht man Bilanz .

Als Bilanz kann man erstens festhalten, dass sich die
Bedingungen grundsätzlich nicht geändert haben . Die
demografische Entwicklung verläuft so wie damals pro-
gnostiziert . Zweitens muss man offen zugeben, dass wir
auf jeden Fall Nachjustierungen machen müssen .

Werfen wir einen Blick auf die drei Säulen der Alters-
sicherung . Bei der ersten, der gesetzlichen, Säule ist es,
glaube ich, wichtig, dass wir den Schulterschluss von
damals erneuern . Wir haben eine Ausbalancierung der
verschiedenen Generationen organisiert, indem wir ge-
sagt haben: Auf der einen Seite gibt es als Bremse eine
Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent; auf der
anderen Seite belasten wir die arbeitende Generation bei
den Versicherungsbeiträgen nicht über Gebühr, und lang-
fristig wollen und müssen wir dort, wo es geht, länger
arbeiten . Diesen Schulterschluss von damals sollten wir
erneuern .

Bei der zweiten Säule, der betrieblichen Altersvorsor-
ge, sollten wir daran festhalten, in dieser Legislaturperi-
ode noch etwas zu tun . Das ist auch im Koalitionsvertrag
vereinbart worden . Beim Ziel sind wir uns einig, dass wir
das attraktiver machen wollen . Ich glaube, der Vorschlag
von Wolfgang Schäuble, auch hier über ein Zulagenmo-
dell ähnlich wie bei der Riester-Rente nachzudenken, ist
richtig .

Was die Riester-Rente angeht, muss man ehrlich sa-
gen: Frau Nahles hat an dieser Stelle recht, dass sich die
private Altersvorsorge grundsätzlich immer lohnt . Bei
der Riester-Rente gibt es ein Kapitalversprechen, dass
auf jeden Fall die eingezahlten Beiträge plus die Zulagen
des Staates ausgezahlt werden .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nominal!)


Aber – das hat Frau Schimke richtig gesagt – die furcht-
bare Bürokratie, das wenig nachhaltige Denken, dass
Riester-Verträge abgeschlossen werden und die Kunden
dann zum Teil von dem einen oder anderen im Stich ge-
lassen werden, und die Nachweise über die Bruttolöhne,
die jedes Jahr erbracht werden müssen, sind Themen,
über die wir reden müssen . Das sollten wir noch in dieser

Legislaturperiode machen, damit wir zu entsprechenden
Änderungen kommen und Riester attraktiv halten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Einen weiteren Punkt hat Frau Schimke auch bereits
angesprochen . Wir haben damals im Zusammenhang mit
dem Rentenniveau einen Zuschuss zur privaten Alters-
vorsorge vorgesehen . Wir haben also den Menschen ge-
sagt: Ihr müsst privat vorsorgen . – Man kann aber nicht
im selben Atemzug sagen: Dann, wenn ihr in der Grund-
sicherung seid, nehmen wir euch das Geld wieder weg .

Deshalb bin ich froh, dass es auch in diesem Hause
einen gewissen Konsens über einen Freibetrag für die
private Vorsorge bei der Grundsicherung gibt . Private
Vorsorge heißt natürlich auch Eigentum allgemein . Ich
glaube, dass wir in den letzten 10 bis 15 Jahren zu we-
nig über Eigentum und Eigentumsbildung gerade auch
bei der Mittelschicht, vor allem beim Wohneigentum, ge-
sprochen haben . Auch solche Dinge sollten wir berück-
sichtigen .

Zu guter Letzt komme ich – Frau Schimke hat das be-
reits angesprochen – auf die Flexirente zu sprechen . Ich
bin froh, dass wir uns in der Koalition geeinigt haben .
Die Regierung möchte nun einen Referentenentwurf vor-
legen . Ich glaube, es ist ein richtiger Schritt, das längere
Arbeiten attraktiver zu machen . Wir sollten nicht mehr
von Renteneintrittsalter reden; denn es handelt sich oft
nicht mehr um den Eintritt in den Ruhestand . Viele Men-
schen möchten Rente beziehen und noch Teilzeit arbei-
ten . Es handelt sich also um ein Rentenbezugsalter, in
dem jeder selbst entscheiden kann, wie viel und wie lan-
ge er weiterarbeiten will . Diejenigen, die länger arbeiten
und Beiträge zahlen, sollen mehr Rente bekommen . Des-
wegen ist es richtig und wichtig, dass die Flexirente jetzt
kommt . Das ist das richtige Signal zur richtigen Zeit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Und nach unten? Wann kann man gehen, wenn man nicht mehr kann?)


Ich habe noch 20 Sekunden . Deswegen komme ich
zum Schluss . Grundsätzlich sollte sich die Rentenpolitik
zwischen zwei Polen bewegen . Auf der einen Seite soll-
ten wir für die Menschen da sein, die länger arbeiten wol-
len, aber nicht können . Ich denke hier insbesondere an
die Erwerbsgeminderten . Auf der anderen Seite sollten
wir für diejenigen, die länger arbeiten wollen und kön-
nen, Anreize schaffen und sie belohnen .

Ich bin im Zeitfenster geblieben . Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816712800

Vielen Dank . Das war fast eine Punktlandung . – Als

letzter Redner hat jetzt der Kollege Stephan Stracke,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Carsten Linnemann






(A) (C)



(B) (D)



Stephan Stracke (CSU):
Rede ID: ID1816712900


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Als letzter Redner hat man die Gelegenheit, die
Argumente etwas zu ordnen und die Debatte zusammen-
zufassen . Was uns in der Rentenpolitik verbindet, sind
vor allem Vertrauen und Verlässlichkeit . Das ist das, was
die Menschen von uns einfordern . Deswegen gingen
Kurzatmigkeit und Schnappatmung als Leitlinien, wie
wir es häufig aufseiten der Linken erleben, in die falsche 
Richtung. Hier findet oft ein regelrechter Überbietungs-
wettbewerb statt . Herr Birkwald, Sie haben vorhin ge-
sagt, dass Sie sich als Erster zum Überbietungswettbe-
werb zu Wort gemeldet haben . Das ist für Sie so etwas
wie ein Lebenselixier . Das, was die Linke in diesem Be-
reich tut, ist nichts anderes als Selbstrechtfertigung .

Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass es der
gegenwärtigen Rentnergeneration schlecht geht oder
dass sie sich massenhaft in der Altersarmut befindet. Das 
genaue Gegenteil ist richtig . Der heutigen Rentnergene-
ration geht es so gut wie keiner anderen zuvor . Wir sind
es im Übrigen gewesen, die zum ersten Mal seit vielen
Jahren die Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung gestärkt haben . Wir haben Leistungserweite-
rungen durchgesetzt . Wir waren es, die die Mütterrente
durchgesetzt haben . Sie kommt vor allem denjenigen
zugute, die vor 1992 Kinder erzogen haben . Sie ist ein
wichtiger Beitrag für das Generationenband und für die-
jenigen, die Kinder erzogen haben . Sie kommt den Men-
schen in diesem Land zugute .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben zugleich das Niveau in der gesetzlichen
Rentenversicherung stabilisiert . Ja, wir sind in der Ren-
tenversicherung  dem  demografischen  Wandel  ausge-
setzt . Das hat viel mit der Geburtenrate, aber auch mit
der steigenden Lebenserwartung zu tun . Das beste Mittel
gegen Altersarmut und für Generationengerechtigkeit
ist eine Politik für Wachstum und Beschäftigung; denn
die Rente von morgen bemisst sich nach den Einnahmen
von heute . Da sind wir ein gutes Stück vorangekommen .
Wir brauchen möglichst viele gut bezahlte Arbeitsplätze .
Wir verzeichnen heute ein Allzeithoch bei der Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die nied-
rigste Aprilarbeitslosigkeit seit 1991 . Gleichzeitig haben
wir den Mindestlohn durchgesetzt . Das ist ein wichtiger
Schritt dahin gehend, dass gute Arbeit auch angemessen
entlohnt wird . Dass unsere Politik für Wachstum und Be-
schäftigung wirkt, zeigen die höchste Rentenanpassung
seit 23 Jahren und ein Beitragssatz, der so niedrig ist wie
vor 30 Jahren . Einen Beitragssatz von 18,7 Prozent gab
es auch 1985 . Das zeigt: Wir sind sehr zuverlässig und
sehr gut aufgestellt .

Wir würden sicherlich keine Debatte über die Rente
führen, wenn die derzeitige Situation auf dem Kapital-
markt nicht so niedrige Zinsen generieren würde . Die
Rente ist sicherlich weiterhin die zentrale Säule der Al-
tersvorsorge . Wer arbeitet und für sein Alter vorsorgt,
muss im Ruhestand besser dastehen als jemand, der dies
nicht getan hat . Deswegen ist der Dreiklang aus gesetzli-
cher, betrieblicher und privater Vorsorge richtig .

Aber die Debatte, die wir derzeit führen, hat natür-
lich auch etwas mit der Nullzinspolitik der Europäischen
Zentralbank zu tun . Deutschland ist das Land der Sparer,
der Mieter und der Lebensversicherungsbesitzer, deshalb
sind es jene, die momentan infolge dieser Politik der
Europäischen Zentralbank den Preis zahlen . Natürlich
wissen wir, dass die niedrige Inflationsrate in diesem Be-
reich hilft .

Allerdings hat die Nullzinspolitik vor allem einen psy-
chologischen Effekt: Nullzinsen – das entwertet das Spa-
ren, und man hat das Gefühl, dass es einer Altersvorsor-
ge nicht mehr bedarf bzw . diese unattraktiv ist, obwohl
eigentlich genau das Gegenteil richtig ist: Man müsste
mehr Geld zurücklegen, damit man den Lebensstandard
im Alter tatsächlich wahren kann . Deshalb brauchen
wir weniger Wall Street innerhalb der Geldpolitik, mehr
Bundesbank, und vor allem: Es gibt keine Alternative zu
stabilen Staatsfinanzen und guten wirtschaftlichen Rah-
menbedingungen . Wenn sich auch die südeuropäischen
Staaten auf den Weg machen würden, Reformen hart-
näckig durchzuführen, dann gäbe es auch eine Chance
dahin gehend, dass die Europäische Zentralbank schnell
ihre Zinspolitik ändert .

Angesichts dieses zinspolitischen Umfelds müssen
wir uns darüber Gedanken machen, wie wir das Sparen
für Geringverdiener verbessern und ein Renteneinkom-
men über dem Grundsicherungsniveau für Menschen
mit Erwerbsminderung sichern können . Wir als Große
Koalition diskutieren, entscheiden und beschließen . So
halten wir es auch in der Rentendebatte . Hektik ist in der
Rentenpolitik sicherlich der falsche Ratgeber, und auf die
lange Bank schieben wir sie auch nicht .

Herzliches Dankeschön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816713000

Vielen Dank . – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbe-
auftragten

Jahresbericht 2015 (57. Bericht)


Drucksache 18/7250

Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen, und eröffne die
Aussprache .

Das Wort hat der Wehrbeauftragte des Deutschen
Bundestages, Herr Dr . Hans-Peter Bartels . – Bitte schön .






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deut-
schen Bundestages:

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ende Januar habe ich dem Bundestagspräsi-
denten meinen ersten Jahresbericht, den Bericht für das
Jahr 2015, übergeben . Das Hauptmotiv, das diesen Be-
richt prägt, lautet: „Bundeswehr am Wendepunkt“ . Wa-
rum Wendepunkt? Dieses Jahr, 2016, muss aus meiner
Sicht das Jahr der Trendwende werden . Die Trendwende
muss jetzt erfolgen, nicht irgendwann .

Fast ein Vierteljahrhundert lang sind die deutschen
Streitkräfte kontinuierlich kleiner geworden, und sie
konnten auch kleiner werden, weil das Ende des Kalten
Krieges endlich eine enorme Friedensdividende ermög-
lichte . Deshalb gab es von Jahr zu Jahr, von Reform zu
Reform immer weniger Soldatinnen und Soldaten, we-
niger Zivilbeschäftigte, weniger Standorte und weniger
Kasernen, weniger Fahrzeuge, Waffen und Munition
und einen immer geringeren Anteil der Verteidigungs-
ausgaben am Bundeshaushalt und am Bruttoinlandspro-
dukt – im letzten Jahr 1,16 Prozent . Frankreich kommt
auf 1,8 Prozent, Großbritannien auf 2 Prozent und die
USA auf 3,6 Prozent .

Nach der neuesten Stärkemeldung vom März 2016
stehen derzeit 177 000 aktive Soldatinnen und Soldaten
im Dienst der Bundeswehr, so viele wie schon im De-
zember 2015 . Das ist weit entfernt vom Ziel 185 000, und
selbst 185 000 würden nicht ausreichen, weil manche Be-
reiche einfach zu knapp ausgeplant sind .

Beispiel FlaRak: Der Türkeieinsatz unseres Patri-
ot-Geschwaders hat gezeigt, dass zu viele Soldaten nach
zu kurzer Zeit wieder antreten mussten, weil die Perso-
naldecke einfach zu kurz ist .

Beispiel Luftbildauswertung: Die einzige Staffel, die
das kann, ist schon in Afghanistan und in der Türkei im
Einsatz, bald auch noch in Mali . Damit leisten die Solda-
ten Dienst weit jenseits des Limits .

Beispiel Sanität: Hier ist viel zu wenig Vorsorge ge-
troffen für den ganz normalen, völlig korrekten und
erwartbaren Schwund bei Urlaub, Krankheit, Dienst-
zeitausgleich, Mutterschutz, Elternzeit, Lehrgängen,
Auslandseinsatz oder schlicht Vakanzen, weil es zu we-
nig Nachwuchs gibt . Das spüren die Soldatinnen und
Soldaten dann oft durch eine lückenhafte sanitätsdienstli-
che Versorgung in der Fläche . Die Ärzte, Assistenzkräfte
und Notfallsanitäter sollen Lücken stopfen, indem einer
für zwei arbeitet . Gesund ist das nicht .

Ich freue mich deshalb, dass das Ministerium jetzt
beginnt, auf diese Lage zu reagieren, und hohle Struk-
turen durch zusätzliches Personal auffüllen will . Das ist
dringend nötig . Es erfordert Geld . Und dann muss man
natürlich auch noch den Nachwuchs finden.

Aber die Bundeswehr hat zu viele wichtige Aufga-
ben – NATO Response Force, Reassurance, Afghanistan,
Irak, Balkan, Mali, Mittelmeer, Anti-IS –, als dass man
die vielen personellen Fehlanzeigen einfach so weiter
hinnehmen könnte . Seit dem Epochenjahr 2014, Stich-
wort „Krim“, ist für uns kollektive Verteidigung in Euro-
pa wieder ein Thema . Das heißt, die Bundeswehr, die auf

dem Papier steht, muss jetzt tatsächlich in der Realität
existieren .

Im Zusammenhang mit den Personalfragen macht mir,
wenig überraschend, auch das Thema Soldatenarbeits-
zeitverordnung Sorgen . Dazu gibt es viele Eingaben,
und es ist ein Hauptthema vieler Gespräche bei meinen
Truppenbesuchen . Beklagt werden vor allem mangeln-
de Flexibilität, befohlener Dienstzeitausgleich mitten in
der Woche – für Pendler eine Zumutung –, Kürzung von
Ausbildungsinhalten, um mit der Zeit auszukommen, be-
fohlene Freizeit während mehrtägiger Übungen auf dem
Truppenübungsplatz und bisher keine Auszahlung von
Mehrarbeit, was für viele Soldaten wie eine Gehaltskür-
zung wirkt .

Ich glaube, wenn die neue Verordnung zum Erfolg
geführt werden soll – ich finde, sie sollte zum Erfolg ge-
führt werden –, brauchen wir hier eine schnelle Reaktion
auf erkannte Probleme . Man darf nicht ein halbes Jahr
warten, bis evaluiert wird . Man darf nicht ein ganzes Jahr
warten, bis über die Auszahlung von Überstunden ent-
schieden wird . Man darf nicht auf superneue Software
warten . Die Soldatinnen und Soldaten brauchen Rechts-
sicherheit, Handlungssicherheit und lebenspraktische
Lösungen, die in ihrem Bereich auch funktionieren .

Am Beispiel Wilhelmshaven sehen wir im Übrigen,
dass manche existenziellen Fragen der neuen Rechtsla-
ge einfach nicht rechtzeitig bedacht wurden . Wenn die
Soldaten Arbeitszeit sparen sollen und unsere großen
Schiffe deshalb keine eigene Wache mehr haben, können
diese Schiffe im Hafen auch nicht mehr als Unterkunft
dienen – logisch . Wenn die Soldaten also nicht mehr
an Bord schlafen können, müssen sie an Land schlafen .
Aber da gibt es für die Einsatzflottille 2 gar keine zusätz-
lichen Unterkünfte . Die Frustration in Wilhelmshaven ist
erheblich; man muss sich kümmern – zügig .

Was die Infrastruktur angeht, braucht die Bundeswehr
ohnehin eine Trendwende . Allzu viel ist bisher abgege-
ben worden . Wer glaubt, es gebe für jede Soldatin und
jeden Soldaten ein Bett und einen Spind in einer Stube
einer Kaserne der Bundeswehr, der irrt sich gewaltig .
Gerade für die vielen Pendler ist kein Platz mehr da . Die
Unterscheidung  zwischen  Unterkunftspflichtigen  –  das 
sind die bis 25-Jährigen – und Nichtunterkunftspflichti-
gen – das sind in der Praxis nichtunterkunftsberechtigte
Soldaten – ist ein Anachronismus aus den Zeiten der gro-
ßen jungen Wehrpflichtarmee. 

Heute haben wir eine sehr viel ältere Armee, eine
Familienarmee und deshalb eine Pendlerarmee . Nach
Zahlen des Ministeriums pendeln insgesamt 70 Pro-
zent der Soldaten . 40 Prozent sind Wochenendpendler .
Längst nicht alle bekommen Trennungsgeld . Sie hätten
gern einen günstigen Platz in der Kaserne . Ich weiß, dass
es dazu im Ministerium unterschiedliche Auffassungen
gibt . Deshalb freue ich mich umso mehr, dass die Minis-
terin in die Diskussion darüber eintreten will . Ich sage,
was die Attraktivität der Bundeswehr angeht: Attraktiv
heißt pendlerfreundlich .

Zur Attraktivität gehört auch das Thema, mit dem ich
meinen Dienst im neuen Amt begonnen habe: die Voll-
ausstattung der Bundeswehr . Wenn man seinen Beruf






(A) (C)



(B) (D)


nicht ausüben kann, weil das Material, an dem man aus-
bilden und üben soll, fehlt, ist der Beruf nicht attraktiv .
Aber darüber hinaus geht es auch um Gesundheit und
Leben; denn wenn zu Hause das Gerät für Ausbildung
und Übung nicht da ist, kann das im Einsatz gefährli-
che Folgen haben . Meine Vorgänger im Amt, Hellmut
Königshaus und Reinhold Robbe, haben dem Parlament
über entsprechende Klagen aus den Einsatzgebieten auf
dem Balkan und in Afghanistan berichtet .

Ich hatte aus gutem Grund meinen ersten Besuch im
neuen Amt bei dem deutschen Gefechtsverband für die
neue NATO-Speerspitze, die VJTF, auf dem Truppen-
übungsplatz in Munster angemeldet . Die Präsentation
dort war ein Weckruf, den man nicht mehr ignorieren
kann . Die Truppe um das Panzergrenadierbataillon 371
war hoch motiviert und voll ausgerüstet . Um aber
voll ausgerüstet zu sein, hatte man sage und schreibe
15 000 einzelne Dinge aus 56 anderen Verbänden der
Brigade, der Division, des Heeres und der übrigen Bun-
deswehr ausleihen müssen: vom Panzer bis zur persönli-
chen Ausstattung . Das hat Monate gekostet, und bei den
anderen fehlte dann natürlich noch mehr Material für
Ausbildung und Grundbetrieb .

Dieses Hin-und-her-Leihen, diese systematische Man-
gelverwaltung wird von den Soldatinnen und Soldaten
heute mit zusammengebissenen Zähnen ertragen, aber es
macht sie in Wahrheit sehr unfroh . Ich sage: Es ist eine
Zumutung .


(Henning Otte [CDU/CSU]: Gut, dass wir viel verbessert haben!)


Deshalb: Mit der Verbesserung der Ausstattung muss
jetzt begonnen werden .


(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Machen wir!)


Selbst wenn es unpopulär wäre, müsste es mehr Mittel
für die Bundeswehr geben . Aber es ist gar nicht unpopu-
lär . Die Mehrheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger
stimmt in Umfragen zu, wenn es um finanzielle Verbes-
serungen für die Bundeswehr geht .

Lassen Sie mich abschließend Dank sagen für das In-
teresse, die Offenheit und die Diskussionen, mit denen
Sie meine Arbeit begleiten . Ich bin dankbar, dass Gesprä-
che mit Kolleginnen und Kollegen wirklich aller Fraktio-
nen stattfinden. Da geht es um Themen wie den Umgang 
mit den „Radarsoldaten“ oder das Langzeitthema PTBS;
viel ist da besser geworden, aber Wartezeiten von drei bis
sechs Monaten bis zum Therapiebeginn sind immer noch
definitiv  zu  lange.  Es  geht  um  das  Beurteilungswesen 
und die Situation von Frauen in der Bundeswehr; da ist
längst noch nicht alles im Lot . Wir haben uns über Pro-
bleme bei der Errichtung von Feldlagern ausgetauscht;
ich sage nur: Erbil . Wir haben gemeinsam den Einsatz
von bis zu 8 000 Bundeswehrsoldaten in der Flüchtlings-
hilfe diskutiert . Super, dass diese schnelle Hilfe möglich
war . Gut, dass das jetzt wieder zurückgefahren werden
kann . Amtshilfe im Innern darf nie zur Daueraufgabe
werden .

Zu guter Letzt sage ich den Soldatinnen und Soldaten
Dank, denen, die mit ihren Eingaben auf Verbesserungen

drängen, und denen, die wissen, dass sie das jederzeit tun
können . Ich danke meinen Ansprechpartnern im Ministe-
rium und in den Dienststellen für ihre ganz überwiegend
konstruktive Haltung und natürlich den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern im Amt des Wehrbeauftragten, ohne die
meine Arbeit gar nicht möglich wäre .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816713100

Vielen Dank . – Herr Wehrbeauftragter, Sie haben dem

Parlament für die Anregungen gedankt . Lassen Sie mich,
auch im Namen des gesamten Hauses, Ihnen und Ihren
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die Vorlage des
Jahresberichts 2015 danken . Für uns als Parlamentarie-
rinnen und Parlamentarier ist dieser Bericht sehr wert-
voll, damit wir unsere Verantwortung für die Bundes-
wehr, die eine Parlamentsarmee ist, auch wahrnehmen
können . Herzlichen Dank dafür!


(Beifall im ganzen Hause)


Als Nächstes erteile ich der Bundesministerin
Dr . Ursula von der Leyen das Wort . – Bitte schön, Frau
Ministerin .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der
Verteidigung:

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Lieber Wehrbeauftragter Herr Bartels, wir
diskutieren heute Ihren ersten eigenen Bericht als Wehr-
beauftragter . Sie haben im Vorwort dieses Berichts mit
dem Satz geschlossen – ich zitiere –: „Veränderung zum
Besseren beginnt damit, auszusprechen, was ist .“ Ich
kann nur feststellen, dass diese Haltung sich nicht nur
durch Ihr erstes Jahr als Wehrbeauftragter zieht, sondern
nahtlos auch durch die Tätigkeiten, in denen ich Sie vor-
her schon erlebt habe . Sie bleiben sich da treu . Es ist ein
gutes Motto, mit dem wir gemeinsam vorangehen kön-
nen .

Sie sind jetzt seit einem Jahr der zwölfte Wehrbeauf-
tragte des Deutschen Bundestages, der Anwalt unserer
Soldatinnen und Soldaten oder, wie Sie selber einmal
gesagt haben, – ich zitiere – „eine Art wandelnder Unter-
suchungsausschuss“ .

Gewandelt sind Sie im letzten Jahr fürwahr häufig. Sie 
haben aus 35 Truppenbesuchen im In- und Ausland Ihre
Eindrücke mit nach Hause gebracht, von Augustdorf bis
Wilhelmshaven, von Ämari bis Bamako . Als ich zuletzt
vor zwei Tagen, am Dienstag, mit Ihnen telefoniert habe,
da waren Sie in Thessaloniki, kamen aus der Ägäis und
wollten nach Incirlik . Ich kann nur sagen: Chapeau!

Die Bundeswehr ist an einem Wendepunkt, so haben
Sie es eben noch einmal beschrieben und schon im Janu-
ar in Ihrem Jahresbericht festgestellt . Sie meinen damit
den Wendepunkt nach 25 Jahren des kontinuierlichen
Schrumpfens im Hinblick auf Personal, auf Material und

Dr. Hans-Peter Bartels






(A) (C)



(B) (D)


vor allem auch im Hinblick auf Finanzen . Für diesen
Schrumpfungsprozess gibt es viele Gründe . Einige haben
Sie eben genannt; das auszuführen, würde den Rahmen
sprengen . Es ist aber in den letzten zwei Jahren deutlich
geworden, dass diese Schrumpfung auf eine neue Reali-
tät mit einer wachsenden Zahl von Aufgaben und Einsät-
zen geprallt ist . Schrumpfen auf der einen Seite und mehr
Aufgaben auf der anderen Seite, das passt einfach nicht
zusammen . Wir haben eine neue sicherheitspolitische
Lage . Wir haben im letzten Jahr viel darüber in unseren
Workshops im Rahmen des Weißbuch-Prozesses disku-
tiert . Deswegen haben auch wir angefangen, kritisch zu
hinterfragen . Viele der Ergebnisse kennen Sie, meine Da-
men und Herren; denn Sie als Parlament haben uns dabei
den Rücken gestärkt .

Da ist zunächst der Wendepunkt, den wir mit dem
Haushalt 2016 eingeleitet haben . Das muss sich jetzt
verstetigen; der Wehrbeauftragte hat es eben auch ange-
mahnt . Wenn die Vorgaben des Eckwertebeschlusses des
Kabinetts für 2017 im Großen und Ganzen so vom Bun-
destag mitgetragen werden, dann wäre das ein substanzi-
eller Zuwachs, wie wir ihn im letzten Vierteljahrhundert
nie gehabt haben . Das ist notwendig, sachgerecht und
eine wichtige Trendwende für die Bundeswehr .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das gilt auch für Material und Ausrüstung . Auch hier
haben wir in den letzten Monaten eine Wende eingelei-
tet – hier darf ich den Wehrbeauftragten zitieren, der zu
Recht von einer „Mangelverwaltung“ gesprochen hat –
hin zu einer substanziellen, das heißt am tatsächlichen
Bedarf orientierten Ausstattung für die Aufgaben, die
wir tatsächlich haben . Wir stehen da am Anfang eines
schmerzhaften Prozesses . Denn es wird die Lücke offen-
bar, die zwischen den Mitteln auf der einen Seite – damit
meine ich nicht nur Finanzmittel, sondern auch die Aus-
stattung – und den Aufgaben auf der anderen Seite klafft,
die die Bundeswehr zu bewältigen hat . Aber ich glaube,
wir haben Einigkeit darüber hier im Hohen Hause, dass
diese selbstkritische Schau unverzichtbar ist; denn im
Kern wollen wir dahin, dass wir zu jeder Zeit für jeden
neuen Auftrag möglichst gut aufgestellt sind . „In der
Lage leben“ heißt das in der Truppe .

Das gilt auch fürs Personal, für die Menschen, die die-
se steigenden Aufgaben zu bewältigen haben . Auch hier
ist eine Trendwende nötig . Wir haben lange mit starren
Obergrenzen gelebt . Damit ist niemandem mehr gedient;
der Wehrbeauftragte hat es eben auch ausgeführt . Zu
lange war die Grundhaltung: Abbau, schrumpfen, weni-
ger . „kw“ ist, glaube ich, ein Synonym, das dafür steht,
nämlich „kann wegfallen“ . Wir können uns vorstellen,
was das mit einer Organisation macht, die immer nur in
der Reduktion denkt. Aber in Zeiten des demografischen 
Wandels und vor allen Dingen in Zeiten des Fachkräf-
temangels muss man genau andersherum denken und
handeln . Man muss Menschen gezielt ansprechen, man
muss sie für uns, für die Bundeswehr, interessieren . Wir
müssen Fachkräfte ausbilden, wir müssen Fachkräfte
halten . Das ist schwer bei der Konkurrenz, die wir am
Markt haben . Ich glaube, wir sind uns nach dem, was
ich in den letzten Wochen gehört habe, einig, dass wir

gemeinsam auch behutsam darüber sprechen müssen,
ob wir Lebenserfahrung und Berufserfahrung in unserer
Bundeswehr eigentlich genug würdigen . Das heißt in
Summe: Wir müssen zu einem atmenden Personalkörper
kommen . Hier wird sich einiges verändern .

Damit komme ich zum nächsten Punkt . Wir wollen
die Menschen, die bei uns arbeiten und Dienst tun, nicht
überfordern, aber auch nicht unterfordern . Das ist das
Thema bei der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie,
die in der Tat einiges Grummeln erzeugt . Das wundert
mich auch gar nicht . Ich kenne die Bedenken, ich kenne
die kritischen Stimmen . Aber wenn man so etwas Neues
einführt, dann ist es selbstverständlich, dass es am An-
fang ruckelt . Ich möchte dazu einige Bemerkungen ma-
chen .

Ich finde, wenn es in 14 europäischen Armeen gelun-
gen ist, die EU-Arbeitszeitrichtlinie umzusetzen, dann
können auch wir Transparenz herstellen bei der Frage,
wie wir die Zeit anlegen, die wir für die Aufgaben haben,
und der Frage, wie viel Zeit wir verbrauchen . Das wird
auch nicht unsere Einsatzbereitschaft lähmen; denn wir
reden hier ausschließlich vom Grundbetrieb . Wir reden
nicht von den Einsätzen, wir reden auch nicht von we-
sentlichen Teilen des Übungsbetriebes . Für uns ist die
Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie ganz klar eine Frage
der Fürsorge für unsere Beschäftigten .

Ich nehme gerne den Punkt des Wehrbeauftragten auf,
dass man nicht zu viel Zeit verstreichen lassen sollte,
gerade bei den Beispielen, die er genannt hat . Das sind
Ausreißer, die so nicht sein sollen . Das steht so auch
nicht in der Arbeitszeitrichtlinie und ihren Ausführungs-
bestimmungen . Diesen Dingen muss man sofort nachge-
hen . Man muss sie sofort abstellen . Aber – darin sind wir
uns einig – wir müssen zusammen ein Bündel an Beur-
teilungen, Evaluationen sammeln, um dann in Kürze im
Sommer den runden Tisch zu haben, um all die Dinge,
die aufgetreten sind, auch abstellen zu können, wenn sie
stören .

Ein weiterer Punkt. Ich finde, es ist ganz entscheidend, 
Transparenz über unsere Organisation herzustellen . Wir
müssen der Frage nachgehen, wie wir mit Zeit umgehen .
Sind es die Soldatinnen und Soldaten, die den Dienst-
herrn mit Zeit subventionieren? Stimmt die Personalbe-
messung, oder verlangen wir von ihnen mehr Zeit, um
Aufgaben zu erledigen, für die zu wenig Personal vor-
handen ist? Wenn ich dem Finanzminister plausibel dar-
legen möchte, warum wir gegebenenfalls mehr Personal
brauchen, dann muss ich Daten und Fakten haben . Dafür
müssen wir messen .

Letzter Punkt . Eine Wende brauchen wir auch bei
dem Thema „angemessene Unterkünfte“, Stichwort: Sa-
nierungsstau . Wir haben ein gründliches Screening von
fast 2 500 Unterkunftsgebäuden gemacht . Das wird jetzt
halbjährlich aktualisiert . Das Sofortprogramm ist auf den
Weg gebracht worden . Sie kennen die Zahlen . Wir haben
rund 3 600 erste Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt,
1 900 sind in Planung . In Gesprächen mit dem Finanz-
ministerium ist es gelungen, 400 große Bauvorhaben im
Volumen von rund 2,5 Milliarden Euro vorzuziehen . Bis
2019 werden sie beschleunigt beendigt sein . Der Großteil

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen






(A) (C)



(B) (D)


ist bereits genehmigt . Ob das dann reicht, um auch den
nötigen Raum für unsere Pendlerinnen und Pendler zu
schaffen, lieber Herr Wehrbeauftragter, werden wir beide
in der nächsten Woche in unserem Arbeitsgespräch mit-
einander diskutieren .

Damit bin ich am Schluss . Wir können uns keine Ver-
schnaufpause gönnen . Es ist gut, dass wir einen umsichti-
gen Wehrbeauftragten haben . Auch ich möchte an dieser
Stelle Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
für eine konstruktive, unaufgeregte Zusammenarbeit und
ihr Engagement zum Wohle unserer Soldatinnen und
Soldaten von Herzen danken .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816713200

Herzlichen Dank . – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Christine Buchholz, Fraktion Die Linke . Bitte schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816713300

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bartels! Meine

Damen und Herren! Der vorliegende Jahresbericht 2015
des Wehrbeauftragten Herrn Bartels beginnt mit der For-
derung nach Vollausstattung der Bundeswehr und mate-
rieller Einsatzbereitschaft sowie mit Problemen bei der
Beschaffung von Ausrüstung, obwohl die Statistik zeigt,
dass es sich bei fast allen Eingaben an den Wehrbeauf-
tragten um Probleme wie Vereinbarkeit von Beruf und
Familie, Beförderungsstau oder Schikanen von Vorge-
setzten handelt . Ich betone das; denn seit Herr Bartels
von der SPD der Wehrbeauftragte geworden ist, hat sich
die Berichterstattung leicht verändert .

Der Jahresbericht 2013 unter dem damaligen Wehrbe-
auftragten Herrn Königshaus begann mit den Kapiteln zu
Führungsverhalten  und  Umgangston,  zu  Dienstpflicht-
verletzungen und fremdenfeindlichen Vorfällen in der
Bundeswehr . Herr Bartels aber nutzt den Bericht, um
zuallererst der weiteren Aufrüstung und der Aufstockung
der Bundeswehr sowie der Erhöhung des Rüstungsetats
das Wort zu reden . Mir drängt sich der Eindruck auf, dass
Sie sich mit der Ministerin gegenseitig die Bälle zuspie-
len, anstatt die sozialen, dienstrechtlichen und disziplina-
rischen Probleme ins Zentrum zu stellen . Die Linke sagt:
Das ist nicht in Ordnung .


(Beifall bei der LINKEN)


Haben Probleme in der Bundeswehr, wie der Um-
gang mit Untergebenen, an Bedeutung verloren? Nein .
Erstens, die Zahl der Eingaben von Soldatinnen und Sol-
daten bleibt insgesamt auf unvermindert hohem Niveau .
Zweitens ist kein Bereich derart häufig Gegenstand von 
Beschwerden wie der Bereich Menschenführung und
soldatische Ordnung . Der Bericht gibt selbst einige Bei-
spiele dafür, wie Untergebene in vulgärer Form von ihren
Dienstvorgesetzten beschimpft werden oder ihnen mit
Gewalt bis hin zur Exekution gedroht wurde . Es ist gut,
dass der Bericht so etwas offenlegt . Aber zur Wahrheit
gehört auch: Solche Rohheiten sind keine Einzelfälle in
der Bundeswehr .

Wie wenig die Realität mit den Hochglanzbroschüren
der Rekrutierungskampagnen des Verteidigungsminis-
teriums zu tun hat, hat jüngst ein Stern-Reporter aufge-
deckt, der undercover als Freiwilliger bei der Bundeswehr
gewesen ist . Er berichtete von sinnentleerten Diensten
und überbelegten Stuben sowie von rohen Vorgesetzten,
etwa einem Feldwebel, der die Afghanen rassistisch als
„Terroristen“ und – Zitat – „völlig bekiffte Ziegenficker“ 
beschimpfte . Ich sage: Auch das ist ein Ergebnis des nun
bald 15 Jahre alten Afghanistan-Einsatzes der Bundes-
wehr . Während der Bundeswehreinsatz in Afghanistan
vor allen Dingen eine korrupte Regierung und unzählige
Tote hinterlassen hat, bringt er nach Deutschland Solda-
tinnen und Soldaten zurück, die zum Teil durch Gewalt-
erfahrungen gebrochen wurden, die demoralisiert oder
zynisch geworden sind . Ich sage Ihnen: Einsätze der
Bundeswehr – und eine Trendwende in diese Richtung
sollte es geben – lösen im Ausland keine Probleme, aber
schaffen dafür viele neue bei uns zu Hause .


(Beifall bei der LINKEN)


Das alles sind Gründe, warum sich immer weniger
Menschen freiwillig zum Wehrdienst verpflichten. 2015 
ist die Zahl um 10 Prozent gesunken . In jedem Quartal
brachen darüber hinaus zwischen einem Viertel und ei-
nem Drittel der Freiwilligen ihren Dienst ab . Das Minis-
terium sagt: „Mach, was wirklich zählt .“ Damit möchte
die Ministerin junge Leute in die Bundeswehr locken .
Ein besserer Rat wäre: Lasst euch nicht verheizen .


(Beifall bei der LINKEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Ein Unding! – Henning Otte [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit! – Gisela Manderla [CDU/CSU]: Unverschämt!)


Der Bundesregierung geht es nicht um die Zukunfts-
chancen junger Menschen . Es geht ihr – da ist die Ver-
bindung zur Debatte um das Weißbuch – ganz klar um
geostrategische und wirtschaftliche Interessen . Das zeigt
auch, wo ihre Prioritäten liegen . So ist man im Allgemei-
nen ganz schnell, wenn es darum geht, Einsätze und Ein-
satzgebiete auszuweiten – beispielsweise in Syrien oder
Mali: Mandate wurden in kürzester Zeit beschlossen und
dann auch umgesetzt . Doch im vorliegenden Bericht
müssen wir lesen, dass für die „einsatzrelevante Verbren-
nungsmedizin … seit Jahren nur noch eine sehr einge-
schränkte Versorgungskompetenz vorgehalten wird“ . Ich
frage Sie: Was heißt das im Ernstfall für die eingesetzten
Soldatinnen und Soldaten?

Ein weiteres Beispiel für ihre Prioritäten: Im Bericht
heißt es, dass die im malischen Koulikoro eingesetzten
Soldatinnen und Soldaten weder eine Internetverbindung
nutzen noch den Soldatensender Radio Andernach emp-
fangen können, sodass sie – zweieinhalb Jahre, nachdem
der Einsatz begonnen hat – von dem Terroranschlag im
60 Kilometer entfernten Bamako im letzten November
über privaten Mobilfunk aus Deutschland erfahren ha-
ben . Das ist doch absurd .


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben Geld für die Einsätze, aber nie genug Geld für
die Menschen .

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen






(A) (C)



(B) (D)


Insofern heißt Trendwende für uns, für die Linke: Die
Bundeswehr muss abgerüstet werden, der Rüstungsetat
muss reduziert werden,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie haben doch vorhin eine bessere Ausstattung gefordert!)


die Auslandseinsätze beendet werden . Das ist nicht nur
ein Schritt zu einer Friedenspolitik, sondern es ist auch
die Antwort auf viele der Probleme, mit denen sich die
Soldatinnen und Soldaten sowie ihre Familien herum-
schlagen müssen .

Vielen Dank, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816713400

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kol-

legin Heidtrud Henn das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Heidtrud Henn (SPD):
Rede ID: ID1816713500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr

Wehrbeauftragter, lieber Hans-Peter! Sehr geehrte Frau
Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge-
ehrte Damen und Herren! Liebe Soldatinnen und Solda-
ten auf der Besuchertribüne!


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Da ist Ihre Redezeit gleich abgelaufen!)


– Ich habe elf Minuten Redezeit . Sie ist nicht gleich ab-
gelaufen . –


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Auch mein Dank geht an den Wehrbeauftragten für sei-
nen Bericht, aber nicht nur an ihn, sondern auch an die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Hauses . Sie alle
leisten nicht nur eine besonders wertvolle Arbeit bei der
Erstellung des Jahresberichtes, sondern Sie helfen mit
Ihrer täglichen Arbeit den Soldatinnen und Soldaten und
tragen damit zur Verbesserung der Bundeswehr als Ar-
beitgeber bei . Sie sind eine tolle Truppe, und jeder Ein-
zelne von Ihnen ist unverzichtbar .

4 108 Eingaben sind im letzten Jahr von Ihnen bear-
beitet worden . Hinter jeder Eingabe steht ein Mensch, der
sich erst einmal die Mühe machen muss, sich hinzusetzen
und darzulegen, warum er oder sie sich an den Wehrbe-
auftragten wendet . Das kostet nicht alle, aber den einen
oder anderen vielleicht auch Mühe und Mut . Ich kann nur
dazu ermuntern, Sand im Getriebe zu sein . Denn auch ein
persönliches Problem kann, wenn es erst einmal auf dem
Tisch ist, zur Verbesserung für alle beitragen .


(Beifall bei der SPD)


Insofern sollte auch ein Dank an alle gehen, die sich an
den Wehrbeauftragten wenden .

„Die Bundeswehr am Wendepunkt“, das ist der Ti-
tel, mit dem unser ehemaliger Kollege Dr . Hans-Peter

Bartels seinen ersten Bericht vorgestellt hat . Mit Wen-
depunkten ist das so eine Sache, bei der Bundeswehr wie
bei uns allen im Privat- oder Berufsleben . Wer an einem
Wendepunkt ankommt, kann nicht mehr einfach so wei-
tergehen wie bisher .

Im Vorwort seines sachlichen Berichts greift der
Wehrbeauftragte fast schon ein wenig anrührend auf, was
ich bei meinen Besuchen und Gesprächen erlebe: Trotz
Mangel an Personal und Material erfüllt die Bundeswehr
ihre Aufgabe . Ich habe große Achtung vor Ihnen, liebe
Soldatinnen und Soldaten, wie schnell und gut Sie orga-
nisieren können und Ihre Aufgaben umsetzen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte insbesondere die Hilfe der Bundeswehr
für Flüchtlinge betonen . Hier hat manche Hand mehr
geholfen, als der Tag Arbeitsstunden hat; ich habe mir
in Lebach ein Bild davon machen können . Es ist lobens-
wert, dass die Menschen bei der Bundeswehr persönli-
ches Engagement und Zusammenhalt zeigen . Aber bei
allem Lob für diese Eigeninitiative und Kreativität: Wir
als Abgeordnete können diesen Mangel, diese Baustellen
bei der Bundeswehr nicht hinnehmen . Wir tragen Verant-
wortung für die Menschen, die für uns Verantwortung
tragen, und für deren Familien auch .

Ich will gleich bei einer Baustelle im wahrsten Sin-
ne des Wortes beginnen, und zwar direkt in meiner alten
Heimat, im schönen Kreis Birkenfeld in Rheinland-Pfalz .


(Thomas Hitschler [SPD]: Bravo!)


Fehlende Ausrüstung und schlechte Infrastruktur, beides
ist leider immer noch an der Tagesordnung .

Ich will beim Thema Infrastruktur anfangen . Das Artil-
lerielehrbataillon 345 ist 2014 von Kusel nach Idar-Ober-
stein in die Klotzbergkaserne gezogen . Seitdem warten
die Soldaten auf eine Betreuungseinrichtung, und zwar
in Form von Containern; denn das wunderschöne Betreu-
ungshaus konnte man nicht sanieren . Nach Aussage des
Dienstleistungszentrums gibt es zurzeit auf dem Markt
keine Container . Für die EU-Ausschreibung 2015 hat
kein Unternehmer ein Angebot abgegeben . Man merke:
Umzug 2014, Ausschreibung 2015 . Aber wie schön, dass
die Soldaten vor Ort jetzt ein Freischwimmbad haben;
denn Anfang Dezember 2015 hat man schon einmal eine
Baugrube ausgehoben, auf der die Betreuungscontainer
stehen sollten . Diese ist bei Regen mit Wasser gefüllt .
Die Soldaten freuen sich über ihr Freischwimmbad .


(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Aber es ist kalt!)


Kennen Sie die Geschichte von den Schildbürgern?

Auch das Thema Ausrüstung nimmt immer wieder
einen umfangreichen Teil im Bericht des Wehrbeauftrag-
ten ein . Ich bin der Meinung: Ausrüstung fängt nicht bei
Hubschraubern, Panzern oder Schiffen an, Ausrüstung
fängt direkt am Leibe an .

Ich bin in den letzten sechs Monaten zweimal in Erbil
gewesen . Die Soldaten dort sind und waren sehr glück-
lich mit ihrer neuen Flecktarnbekleidung . Super, alles

Christine Buchholz






(A) (C)



(B) (D)


gut – denkt man . Zu Hause angekommen, habe ich dann
gehört, dass die Produktion genau dieser von allen gelob-
ten Bekleidung eingestellt worden sei . Begründung des
BAAINBw: Die Stoffe seien fehlerhaft . Da staunt der
Laie, und auch die Fachmänner haben sich gewundert;
denn die Stoffe waren im November ja noch in Ordnung .
Wie fühlt sich der Soldat, der seiner Ausrüstung im Ein-
satz vertraut hat, wenn er nun erfährt, dass der Stoff feh-
lerhaft gewesen ist?

Ich möchte noch einmal die Kampfstiefel ansprechen,
die immer noch nicht da sind . Füße tragen einen ein gan-
zes Leben, und darum ist es wichtig, gutes Schuhwerk
zu haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zur Jahreswende habe ich die Soldatinnen und Solda-
ten im Kosovo besucht . Auch hier gibt es Probleme mit
der Bekleidung . Hier war bei der Ausgabe keine passen-
de Schutzweste zu bekommen . Der Soldat hatte zu Hause
Größe M angegeben, bei der Ausgabe war nur noch die
Größe XL vorrätig . Kein Problem bei einem Schlafan-
zug,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eine Schutzweste muss jedoch passen . Das wissen Sie,
das weiß ich, und man fragt sich, wo eigentlich das Pro-
blem liegt .

Was stellen Sie sich unter einer NATO-Übung mit
dem Titel „Fire Phobia“ vor? Feuer und die Angst davor .
Wenn man weiß, was auf einen zukommt, hat man weni-
ger Angst . Darum wird ja auch geübt . Feuer ist heiß, Ver-
branntes riecht und Verbrennendes raucht . Feuer wirkt
intensiv auf die Psyche, weil es so zerstörerisch sein
kann . An dieser Übung haben sich unsere Soldaten mit
dem Werfen von Wasserplastikflaschen beteiligt. Ich fra-
ge Sie: Wie soll der Soldat im Ernstfall reagieren, wenn
er tatsächlich mit Feuer in Berührung kommt? „Übe, wie
du kämpfst“, heißt es; denn Übungen sind dafür da, im
Ernstfall mit Situationen umgehen zu können .

Auch die Verpflegung gehört zu einem gut ausgerüs-
teten Soldaten .


(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Ohne Mampf kein Kampf!)


Die Verpflegung muss stimmen, auch in Erbil, wo ich ein 
paar Tage verbracht habe . Drei Tage hält man die Ver-
pflegung aus, vier Monate sind schon eine Herausforde-
rung für den Magen . Zu Hause wird auf ausgewogene
Ernährung und den BMI geachtet . Im Einsatz ist das
Essen aber fetthaltig und das Brot ungetoastet ungenieß-
bar . Die Soldaten, die morgens zur Ausbildung rausfah-
ren, bekommen ein Lunchpaket mit . Ich habe ihnen drei
Sandwichtoaster spendiert, damit sie wenigstens das Brot
toasten können .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Henning Otte [CDU/CSU]: Sehr schön!)


Sehr geehrte Damen und Herren, Frauen in der Bun-
deswehr werden gebraucht und gesucht . Hier ist noch

Luft nach oben . Im Berichtsjahr haben wir insgesamt
einen Frauenanteil von knapp 11 Prozent . Beim Sanitäts-
dienst liegen wir bei fast 40 Prozent . Die Zahl der Be-
werberinnen hat sich zwar leicht erhöht, aber wir wollen
auch, dass Sie, wenn Sie zur Bundeswehr gehen, dabei
bleiben, liebe Frauen . Ich weiß, dass Frau Ministerin von
der Leyen die Förderung von Frauen und die Chancenge-
rechtigkeit zur Chefinnensache gemacht hat. Ich glaube, 
dass wir auf einem guten Weg sind, auch wenn wir lang-
sam vorankommen . Zornig macht mich allerdings, dass
die militärischen Gleichstellungsbeauftragten Grund zur
Klage haben . Fehlende Akzeptanz, mangelnde Unterstüt-
zung und Information durch einige Dienststellenleiter
sind nicht zu akzeptieren, meine Herren .


(Beifall bei der SPD)


Beim Thema Vielfalt leistet übrigens auch die Zentra-
le Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer
Glaubensrichtungen eine wichtige Arbeit . „Interkulturel-
le Kompetenz“ ist das Stichwort . In diesem Zusammen-
hang will ich natürlich auch die Militärseelsorge erwäh-
nen . Hier verzeichnet der Wehrbeauftragte keine Klagen;
aber es darf nicht vergessen werden, dass die Militärseel-
sorge auffängt, was an anderen Stellen schiefläuft. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Da-
men und Herren, es sind noch viele Punkte offen, die ich
gerne angesprochen hätte: Büchel, Marine, Zuschlag,
Trennungsgeld,  Unterkunftspflicht,  Meldepflicht  und 
auch die Probleme der Soldatinnen und Soldaten an der
Basis . Nicht alles, was ich angesprochen habe, bewegt
die Basis; es geht nicht vorrangig um Flachbildschirme
oder Kühlschränke . Viele Soldatinnen und Soldaten kau-
fen sich Stiefel oder Bekleidung von ihrem Geld . Das ist
nicht der richtige Weg . Die Bundeswehr hat als Arbeitge-
ber dafür Sorge zu tragen, dass unsere Soldatinnen und
Soldaten richtig und gut ausgestattet sind . Diese Ausrüs-
tung muss zügig erfolgen . Daraus dürfen keine jahrzehn-
telangen Projekte werden . Miteinander kommunizieren
hilft oft . Man sollte dem Soldaten an der Basis einfach
eine Kurzmitteilung geben, zum Beispiel, wie lange die
Beschaffung von Bekleidung dauert . Man sollte das Ohr
an der Basis haben . Der Bundeswehrverband kann hier
übrigens eine große Stütze sein .

Ich möchte schließen mit einem Zitat von Humboldt:

Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Men-
schen, die dem Leben seinen Wert geben .

Ich freue mich weiterhin auf den Austausch mit dem
Wehrbeauftragten, mit dir, lieber Hans-Peter .

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wün-
sche Ihnen Gottes Segen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816713600

Vielen Dank . – Als Nächste hat die Kollegin Doris

Wagner, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .


Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816713700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi-

nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundes-

Heidtrud Henn






(A) (C)



(B) (D)


wehr hat von allem zu wenig – so bringen Sie, lieber Herr
Bartels, auf den Punkt, was zur Ausrüstung der Bundes-
wehr zu sagen ist . Wir alle wissen, dass es der Bundes-
wehr nicht nur an vielen Ausrüstungsgegenständen fehlt .
Seit Jahren hören wir: Die Bundeswehr hat zu wenig Per-
sonal und natürlich viel zu wenig Geld .

Woran es aber der Bundeswehr, glaube ich, ganz be-
sonders mangelt, ist eine konkrete Vorstellung davon,
was sie eigentlich ist und wozu sie dienen soll . Solange
Sie, Frau Ministerin, dieses konzeptionelle Defizit nicht 
beheben, wird sich auch an den Missständen, die der
Wehrbericht auflistet, nichts ändern. 

Herr Bartels kritisiert, dass sich die Soldatinnen
und Soldaten nur unzureichend auf den Einsatz vor-
bereiten können . Die Truppeneinheiten müssen sich
die Ausrüstung erst einmal ausleihen, um üben zu
können . Der Wehrbeauftragte hat es gerade schon er-
wähnt: 15 000 Ausrüstungsgegenstände musste sich
das Panzergrenadierbataillon 371 ausborgen, um an ei-
ner NATO-Übung teilnehmen zu können . Das ist doch
wirklich absurd . Dieses Bataillon bildet den Kern des
deutschen Beitrags zur schnellen NATO-Eingreiftruppe
in Osteuropa .


(Zuruf des Abg . Henning Otte [CDU/CSU])


Wenn sogar eine international derart bedeutsame Ein-
heit nicht ohne Weiteres für den Einsatz üben kann, zeugt
das vor allem davon, dass die Bundesregierung keine Pri-
oritäten setzt .

Frau Ministerin, ich habe nicht den Eindruck, dass
die Bundesregierung eine klare Vorstellung hat, welche
Aufgaben die Bundeswehr eigentlich erfüllen soll . Dient
die Bundeswehr vor allem der Bündnisverteidigung, oder
soll sie Krisenmanagement in Afrika betreiben?


(Zuruf von der CDU/CSU: Beides!)


Welche Rolle soll die Bundeswehr im Verbund mit den
Partnern, der EU und der NATO, spielen?


(Zuruf von der CDU/CSU: Je nach Lage!)


Auf all diese Fragen hat die Bundesregierung keine klare
Antwort . Deshalb hilft es auch nicht, einfach mehr Geld
für die Rüstung anzukündigen . Nur wenn Klarheit über
die Aufgaben der Streitkräfte besteht, lässt sich die Aus-
rüstung beschaffen, die unsere Soldatinnen und Soldaten
zur Vorbereitung auf den Einsatz brauchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb warten wir ganz dringend darauf, dass Sie im
Weißbuch endlich einen klaren Auftrag für die Bundes-
wehr entwickeln . Auch beim Personal sollten Sie sich
noch ein paar grundlegende konzeptionelle Gedanken
machen .

Der Bericht von Herrn Bartels zeigt: Einzelne Attrak-
tivitätsmaßnahmen reichen nicht aus, um das Gesamt-
klima in der Bundeswehr zu verbessern . Aber genau
das ist das Problem . Wieder lesen wir im Wehrbericht,
wie schleppend das Personalamt Anträge auf Elternzeit
oder eine Verlängerung der Dienstzeit bearbeitet . Wieder
lesen wir von der Gleichgültigkeit, mit der ein riesiger
bürokratischer Apparat den Anliegen der Bundeswehran-

gehörigen begegnet – egal, ob es um Schutzwesten für
Soldatinnen und Soldaten geht, um die Pflegebedürftig-
keit von Eltern oder die Finanzierung von Vätermonaten .
Die Bundeswehrverwaltung hat den Schalter immer noch
nicht umgelegt .

Auch das Miteinander in den Kasernen entspricht of-
fenbar nicht dem Bild, das die schicken Rekrutierungs-
kampagnen der jüngsten Zeit vermitteln sollen . Liebe
Kolleginnen und Kollegen, wir haben gerade schon ein
Zitat aus dem Stern-Artikel „Bundeswehr undercover“
gehört . Ich muss sagen: Ich war nach der Lektüre gleich
doppelt baff . Einerseits scheint die Grundausbildung
noch immer dem gängigen Klischee zu entsprechen . In
dem Artikel werden junge Rekrutinnen und Rekruten an-
geschrien, sie sollten nicht denken, sondern die „Fresse
halten“ . Frauen werden von den Ausbildern als „Schlitz-
bevölkerung“ verunglimpft – unterirdisch .

Andererseits zeigt der Text aber auch, wie verunsi-
chert die Bundeswehr mittlerweile eigentlich ist . Ein
Ausbilder erzählt den Rekrutinnen und Rekruten, er habe
Angst, sie während der Grundausbildung zu über- oder
auch zu unterfordern . Denn:

Ihr könnt ja sofort aufhören, wenn ihr keine Lust
mehr habt .

Was der Bundeswehr also ganz offensichtlich eigent-
lich fehlt, ist eine eindeutige Identität . Eine Organisation,
die weiß, wofür sie steht, hat es nicht nötig, Menschen
kleinzumachen . Sie hat es aber auch nicht nötig, um die
Zuneigung potenzieller Mitglieder zu betteln .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundeswehr ist von einer solchen klaren Identität
mittlerweile meilenweit entfernt . Deswegen, Frau Mi-
nisterin, ist in meinen Augen eine Ihrer vordringlichsten
Aufgaben, dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr eine
solche Identität wiedergewinnt .

Was muss also passieren? Am wichtigsten ist, dass wir
die Innere Führung im Alltag wieder stärker lebbar ma-
chen; sie bildet den Kern der Identität der Bundeswehr .
Herr Bartels hat in seinem Bericht mehrfach einen Hin-
weis darauf gegeben, wie das gelingen kann .

Wir müssen wieder mehr Vertrauen, Verbindlichkeit
und Verantwortlichkeit in der Bundeswehr schaffen .
Dazu müssen wir die Stehzeiten auf den Dienstposten
verlängern und mehr Raum für die politische Bildung
vorsehen . Vorgesetzte und Untergebene müssen ausrei-
chend Zeit miteinander verbringen . Nur dann können
Gespräche  stattfinden,  in  denen  wirklich  Grundsätzli-
ches besprochen und auch verstanden wird . Warum zum
Beispiel geht die Bundeswehr nach Mali? Lohnt es sich
wirklich, Leib und Leben dafür zu riskieren? Ich glau-
be, ein Soldat oder eine Soldatin kann es ertragen, von
vielem zu wenig zu haben, nicht zu ertragen ist aber ein
Mangel an Identität und Sinn .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Doris Wagner






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816713800

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Anita Schäfer,

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jetzt höre ich genau zu!)



Anita Schäfer (CDU):
Rede ID: ID1816713900

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Lie-
ber Hans-Peter Bartels, dies ist der erste Jahresbericht,
der unter Ihrer Verantwortung entstanden ist . Sie haben
darin klar benannt, was die größten Beeinträchtigungen
für die Bundeswehr sind: ein Fehl an Material und Per-
sonal angesichts nie dagewesener sicherheitspolitischer
Herausforderungen . Von der Rückversicherungspolitik
der NATO gegenüber den osteuropäischen Verbündeten
über den Kampf gegen den Terror des sogenannten „Is-
lamischen Staates“ bis zur Stabilisierung von Ländern
wie Afghanistan und Mali muss die kleinste Truppe aller
Zeiten mehr denn je leisten . Das schließt die Präsenz im
Multinationalen Korps Nordost sowie im Baltikum ein,
um gegenüber den Verbündeten dort unsere Verlässlich-
keit zu demonstrieren, aber auch die schnelle und um-
fangreiche Unterstützung bei Ausnahmesituationen im
Inland wie kürzlich bei der Bewältigung der Flüchtlings-
krise .

Inzwischen führt kein Weg mehr an der Erkenntnis
vorbei, dass es eine deutliche Trendwende beim Vertei-
digungshaushalt sowie der Personalstärke der Bundes-
wehr geben muss . Ein wichtiger Schritt ist bereits im
letzten Monat mit der Finanzplanung für den Bundes-
haushalt gemacht worden . Der Bundesminister der Fi-
nanzen hat dabei ausdrücklich die äußere Sicherheit als
einen Schwerpunkt bezeichnet . Bis 2020 sollen demnach
10 Milliarden Euro zusätzlich für den Einzelplan 14 aus-
gegeben werden . Im Hinblick auf die weltweite Bedro-
hungslage darf es hier kein falsches politisches Zögern
geben . Einerseits müssen Beschaffung und Materialer-
halt von Ausrüstung langfristig auf eine gesunde Basis
gestellt werden . Andererseits muss die Bundeswehr auch
personell angemessen ausgestattet und zugleich zu einer
noch attraktiveren Truppe werden .

Zur weiteren Attraktivitätssteigerung des Dienstes in
der Bundeswehr haben wir bereits umfangreiche Maß-
nahmen ergriffen . Ein zusätzlicher Beitrag soll die Um-
setzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie sein . Allerdings sind
viele Soldaten damit bisher nicht zufrieden . Kürzlich
wurde mir bei einem Besuch an dem Standort Zweibrü-
cken in meinem Wahlkreis erläutert, dass das vielleicht
für Bürotätigkeiten attraktiv sei . Bei den Fallschirmjä-
gern gebe es aber praktisch keinen Grundbetrieb, son-
dern  alles  sei  Einsatzvorbereitung. Vorher  sei man  fle-
xibler beim Dienstzeitausgleich gewesen, jetzt gebe es
Schwierigkeiten, Dienstzeiten und Übungen, aber auch
Repräsentation in der Öffentlichkeit unter einen Hut zu
bringen . Auch Lehrgänge dauerten jetzt länger . Hinzu
kommt, dass viele Soldaten von außerhalb sind und die
Freizeitgestaltung am Standort Geld kostet . Nicht richtig
sind dagegen kürzlich erschienene Presseberichte, wo-
nach die Bundeswehr nicht mehr an längeren Übungen
teilnehmen kann . Für Übung und Einsatz gibt es natür-

lich Ausnahmeregelungen . – Da besteht also noch Ver-
besserungsbedarf bei der Vermittlung .

Raum für Verbesserungen gibt es auch noch bei der
Unterbringung der Soldaten . Langfristig plant der Bund,
bis zu 800 Millionen Euro in den Neubau und die Sa-
nierung von Unterkünften zu investieren . Zu Recht sagt
der Wehrbeauftragte aber, dass dies eine Aufgabe ist,
die dauerhaft, zügig und mit ausreichenden Mitteln er-
füllt werden muss . Frau Ministerin, Sie haben kürzlich
festgestellt, dass bis 2030 eine zusätzliche Summe von
130 Milliarden Euro investiert werden sollte, um die
durch jahrzehntelanges Sparen entstandenen Lücken bei
der Ausstattung zu schließen . Das ist langfristige, vo-
rausdenkende Sicherheitsplanung, wie sie sein sollte .
Das ist richtig und notwendig für unsere Soldatinnen und
Soldaten, deren Dienst zu unser aller Schutz in einer un-
sicheren Welt beiträgt . Das sollten wir über die Partei-
grenzen hinweg anerkennen und entsprechend handeln .
CDU und CSU werden sich in verschiedenen Gremien
auch weiterhin dafür einsetzen, dass für die Bundeswehr
die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden .

Lassen Sie mich an dieser Stelle den Soldatinnen und
Soldaten und den Zivilangestellten der Bundeswehr für
das, was sie für uns tun, Dank sagen .

Zum Schluss möchte ich, wie immer, dem Wehrbe-
auftragten und seinen Mitarbeitern für die Erstellung
des Berichts ganz herzlich danken . Lieber Hans-Peter
Bartels, angesichts der Herausforderungen für die Bun-
deswehr ist Ihr Amt wichtiger denn je .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816714000

Vielen Dank . – Letzte Rednerin zu diesem Tagesord-

nungspunkt ist jetzt die Kollegin Julia Obermeier, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Julia Bartz (CSU):
Rede ID: ID1816714100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Seit Beginn dieser Legislaturperiode haben
sich uns viele neue Herausforderungen gestellt: das ag-
gressive Vorgehen Russlands in der Ukraine, der IS-Ter-
ror und die Flüchtlingskrise . Diese neuen sicherheitspoli-
tischen Herausforderungen bringen massive Belastungen
für die Soldaten der Bundeswehr mit sich . So haben wir
hier im Hohen Haus neue Mandate beschlossen – die
Ausbildungsmission im Irak, den Anti-IS-Einsatz in Sy-
rien, die Mittelmeermission EUNAVFOR MED Opera-
tion Sophia –, und wir haben den Einsatz in Mali auf-
gestockt . Gleichzeitig laufen die Einsätze in Afghanistan
und im Kosovo weiter . Zudem haben sich andere Ver-
pflichtungen aufgetan wie das Air Policing im Baltikum, 
die NATO-Speerspitze, der NATO-Einsatz in der Ägäis
und auch die Flüchtlingshilfe, zu deren Hochzeiten bis zu
9 000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz waren .

Daher ist es fast erstaunlich, dass 2015 300 Eingaben
weniger beim Wehrbeauftragten eingegangen sind als im






(A) (C)



(B) (D)


Vorjahr . Nichtsdestotrotz sind wir für alle diese Eingaben
dankbar, da sie wichtige Anregungen für unsere Arbeit
sind . Viele der Eingaben betreffen die materielle Ausstat-
tung der Bundeswehr . Der langjährige Sparkurs, der dann
schließlich im dynamischen Verfügbarkeitsmanagement
gipfelte, hat an vielen Stellen zu Unmut und Unzufrie-
denheit bei den Soldaten geführt . Aber damit, meine Da-
men und Herren, ist jetzt Schluss . Wir haben gemeinsam
mit unserer Ministerin Frau von der Leyen die Trend-
wende eingeleitet, sowohl materiell als auch finanziell.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist eine gute Nachricht, meine Damen und Herren,
dass der Verteidigungshaushalt im Jahr 2017 um 6,8 Pro-
zent ansteigen wird; denn unsere Sicherheit und die Si-
cherheit der Einsatzkräfte sind das wert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In diesen unsicheren Zeiten braucht die Bundeswehr eine
moderne und bedarfsgerechte Vollausstattung, und die
Bundeswehr braucht auch gute Köpfe . Wir haben im Be-
richt des Wehrbeauftragten gelesen, dass viele Eingaben
die Personallage betreffen . Ja, aktuell sind 8 000 Stellen
unbesetzt . Mit der Agenda Attraktivität sind wir hier auf
einem guten Weg . Wir werden künftig noch mehr tun
müssen, um Personal zu gewinnen und zu halten .

Oft sind es hier die kleinen Dinge, die den Unterschied
machen . So ist es gut, dass wir bei der Feldpost Verbes-
serungen erreichen konnten . Ich bin wirklich froh, dass
wir für die Soldaten im Einsatz endlich eine gute Lö-
sung beim Thema Internet gefunden haben . Denn gerade
während eines langen Auslandseinsatzes ist es wichtig,
dass man den Kontakt zur Familie halten kann . An dieser
Stelle möchte ich ganz ausdrücklich allen Familienange-
hörigen und Freunden unserer Soldatinnen und Soldaten
danken, die eine wichtige Stütze sind und einen großen
Teil der Einsatzlast mittragen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sehr geehrte Damen und Herren, trotz der hohen Be-
lastungen der Bundeswehr müssen wir sie auch für neue
Herausforderungen rüsten . Deshalb ist es richtig und
wichtig, die Cyberfähigkeiten jetzt noch stärker aufzu-
bauen .

Wir müssen aber auch an neue Gefahren denken wie
die Terroranschläge in Paris und Brüssel . Diese schreck-
lichen Ereignisse mahnen uns, dass auch wir darüber re-
den müssen, welche Möglichkeiten wir für einen Einsatz
der Bundeswehr im Innern im Fall solcher Katastrophen
haben .


(Beifall des Abg . Robert Hochbaum [CDU/ CSU])


Daher möchte ich die Bitte an unseren Koalitionspartner
richten, jetzt darüber zu reden,


(Rainer Arnold [SPD]: Vergessen Sie es!)


Herr Arnold, und zwar mit kühlem Kopf, bevor Gefähr-
dungslagen eintreten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen zukunftsfähige Sicherheitsstrukturen
und eine starke Bundeswehr . Personal und Material sind
hierfür entscheidend . Das gehen wir an, damit unsere
Soldatinnen und Soldaten nicht weiter belastet, sondern
entlastet werden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU – Rainer Arnold [SPD]: Das ist eine Botschaft an die CSU! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Noch sagen wir Nein!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816714200

Vielen Dank . – Ich schließe die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7250 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit
einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall . Dann ist die
Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozi-
ales (11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Sabine
Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen

Drucksachen 18/5227, 18/8118

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich sehe, Sie
sind damit einverstanden . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Kerstin Tack, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Kerstin Tack (SPD):
Rede ID: ID1816714300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der inklusi-
ve Arbeitsmarkt, also der Arbeitsmarkt für Menschen
mit Behinderungen, ist uns ein sehr wichtiges Anliegen .
Heute haben wir aus Anlass eines Antrages der Fraktion
Die Linke die Möglichkeit, über dieses Thema zu disku-
tieren .


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Guter Antrag!)


– Ja, das ist in vielen Teilen ein guter Antrag . Sie wer-
den aber gleich wahrnehmen, dass wir an vielen Stellen
schon mindestens so weit sind, wie Sie es in Ihrem An-
trag fordern .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Uwe Schummer [CDU/CSU])


Menschen mit einer Behinderung haben es auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt doppelt schwer, weil sie dop-
pelt so viele Tage arbeitslos sind wie Menschen ohne
eine Behinderung und weil die Arbeitslosenquote der
Menschen mit einer Behinderung doppelt so hoch ist wie

Julia Obermeier






(A) (C)



(B) (D)


die Arbeitslosenquote der Menschen ohne eine Behinde-
rung . Natürlich lässt uns das nicht ohne Sorge .

Die Linken haben in ihrem Antrag zu Recht analysiert,
woran es liegt, dass nicht so viele Arbeitgeber Menschen
mit Behinderungen einstellen, wie wir uns das wünschen .
Ich möchte auf diese Thesen näher eingehen .

Eine dieser Thesen ist, dass die Arbeitgeber mehr
Unterstützung benötigen, um sich dafür zu entscheiden,
Menschen mit einer Behinderung einen Arbeitsplatz in
ihrem Unternehmen zu geben . Wir freuen uns, dass wir
an dieser Stelle bereits umfangreich tätig werden konn-
ten . Für die „Initiative Inklusion“, die in den Jahren 2011
bis 2018 umgesetzt wird, haben wir Mittel in Höhe von
140 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, damit
genau dies mit Mitteln des Ausgleichsfonds angegangen
werden kann . 80 Millionen Euro sind dafür vorgesehen,
dass jährlich 10 000 Schülerinnen und Schüler im Über-
gang von der Schule in den Beruf unterstützt werden .
15 Millionen Euro sind dafür vorgesehen, dass 1 300
neue betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen wer-
den . 40 Millionen Euro wurden für die Schaffung von
4 000 Arbeitsplätzen für Menschen über 50 Jahre mit
einer wesentlichen Behinderung eingestellt . 5 Millionen
Euro haben wir zur Verfügung gestellt, um bei den Hand-
werkskammern und Industrie- und Handelskammern In-
klusionskompetenzen einzurichten .

Eine andere These ist: Unternehmerinnen und Unter-
nehmer wissen zu wenig um die Möglichkeiten, Men-
schen mit Behinderung einzustellen . Auch dieser Aufga-
be haben wir uns gestellt . Wir haben mit der Initiative
„Wirtschaft inklusiv“ ein Programm auf den Weg ge-
bracht, durch das fast 10 000 Unternehmen mit der Hilfe
von  Inklusionslotsen  und  anderen Maßnahmen  qualifi-
ziert werden und um die Möglichkeiten der Unterstüt-
zung wissen .

Eine dritte These ist: Es gibt zu wenig Beschäftigungs-
möglichkeiten für Menschen mit Behinderung . Auch die-
ser Aufgabe haben wir uns gestellt . Wir haben bereits im
letzten Jahr – in diesem Jahr wird es wirksam – 150 Mil-
lionen Euro eingesetzt, um die Zahl der Integrationsbe-
triebe, in denen Menschen mit Behinderung eine Chance
haben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sozialversi-
cherungspflichtig beschäftigt zu werden, zu verdoppeln 
und sie flächendeckend auszubauen. 


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Uwe Schummer [CDU/CSU])


Das sind Maßnahmen, von denen wir überzeugt sind,
dass sie uns auf dem Weg zu einem besseren inklusiven
Arbeitsmarkt massiv weiterbringen .

Das alles haben wir bereits erreicht . Aber natürlich ge-
ben wir uns nicht damit zufrieden . Wir freuen uns ganz
besonders, dass die Bundesministerin für Arbeit und
Soziales, Andrea Nahles, in dieser Woche den Entwurf
eines Bundesteilhabegesetzes auf den Weg gebracht hat .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Uwe Schummer [CDU/CSU])


Mit diesem Gesetz – das war eine große Kraftanstren-
gung und ein sehr mutiger Schritt der Ministerin – wer-

den wir für Menschen mit Behinderung vieles verbessern
und ihre Teilhabe in der Gesellschaft ausbauen . Aber
auch für den inklusiven Arbeitsmarkt werden wir mit
diesem Gesetzespaket eine ganze Reihe von Maßnahmen
auf den Weg bringen .

Das Budget für Arbeit soll dazu dienen, dass Menschen
mit einer Behinderung die finanzielle Unterstützung, die 
sie am Arbeitsmarkt benötigen, in eigener Verantwortung
erhalten . Es hilft sowohl den Menschen im Übergang von
der Schule in den Beruf als auch den Menschen, die in
einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig sind, diese
aber gerne verlassen wollen, wofür ihnen die nötige Un-
terstützung fehlt . Hierfür ist das Budget für Arbeit eine
sehr gute Möglichkeit .

Wir werden das Rückkehrrecht für die Menschen ein-
führen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen
gearbeitet haben und dann auf den allgemeinen Arbeits-
markt gegangen sind, das aber, aus welchem Grund auch
immer, nicht schaffen, sei es, weil sie sich überschätzt
haben, sei es, weil der Betrieb nicht mehr existiert, pleite-
gegangen ist oder was auch immer . Diese Menschen wer-
den dann ein gesichertes Rückkehrrecht in die Werkstatt
haben, was heute nicht existiert .

Wir werden die Stellung der Schwerbehindertenver-
tretungen in den Unternehmen ausbauen, weil wir wis-
sen: Wo starke Schwerbehindertenvertretungen sind, gibt
es viele Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung . Da
sind die Kompetenzen; das wollen wir ausbauen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden auch die Position der Werkstatträte stärken .
Das sind die Betriebsräte in den Werkstätten für behin-
derte Menschen, die die Rechte der behinderten Men-
schen in den Werkstätten vertreten . Auch deren Stellung
wollen wir verbessern .

Wir wollen uns im Rahmen eines Modellvorhabens
der Jobcenter und der Rentenversicherung mit einem prä-
ventivem Ansatz ansehen: Warum werden Menschen im
Arbeitsleben krank und erfahren eine Behinderung? Wie
können wir den Arbeitsschutz so gestalten, dass schluss-
endlich weniger von Behinderung bedrohte Menschen
aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt in das System der
Eingliederungshilfe rutschen? Was können wir präventiv
tun, um deren Zahl zu verringern?

Ich freue mich auf eine sehr spannende und lebhafte
Debatte über das Bundesteilhabegesetz, die wir in den
nächsten Wochen und Monaten führen werden . Für den
inklusiven Arbeitsmarkt wünsche ich mir einen Appell an
all diejenigen, die jetzt noch freie Ausbildungsplätze ha-
ben und diese nicht besetzen können: Es gibt viele toughe
Menschen mit Behinderung, die einen Ausbildungsplatz
suchen, und wir haben die Assistierte Ausbildung und die
Unterstützte Ausbildung . Ich bitte jeden, der noch einen
Ausbildungsplatz frei hat: Bitte sehr, machen Sie sich auf
den Weg! Viele junge Menschen warten darauf, dass sie
von Ihnen, den Unternehmerinnen und den Unterneh-
mern in Deutschland, eine Chance bekommen .

Kerstin Tack






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816714400

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Katrin Werner, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Werner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816714500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ja, wir reden heute wieder zu unserem Antrag
vom Juni letzten Jahres: „Gute Arbeit für Menschen mit
Behinderungen“ . Wir wollten Sie mit diesem Antrag auf
Ihrem Weg zu einem guten Teilhabegesetz begleiten . Wir
haben Ihnen Wege aufgezeigt, wie Sie die UN-Behinder-
tenrechtskonvention umsetzen können . Wir haben Ihnen
aufgezeigt, dass Sie sie sogar umsetzen müssen .

Bei der Anhörung zu unserem Antrag wurde zum wie-
derholten Mal ganz deutlich, dass Menschen mit Behin-
derungen bei der Teilhabe am Arbeitsleben diskriminiert
werden . Sie bekommen oft nicht die nötige Unterstüt-
zung, weil die Gelder fehlen . Nach monatelangem War-
ten der Verbände bzw . Organisationen, 316 Tage nach
Einbringung unseres Antrages könnte man denken, dass
die Bundesregierung im Bereich der Behindertenpolitik
jetzt endlich die Handbremse gelöst hat . Wenige Tage
vor dem 1 . Mai, dem Tag der Arbeit, und wenige Tage
vor dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von
Menschen mit Behinderungen am 5 . Mai könnte man
feststellen, dass Sie der Forderung in Punkt 1 unseres
Antrages, entsprechende Gesetzentwürfe auf den Weg zu
bringen – Frau Tack hat weitere Beispiele genannt –, be-
reits nachgekommen sind und sich daher aus Ihrer Sicht
unser Antrag erledigt hat .

Am Dienstag haben Sie den Referentenentwurf des
Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestim-
mung von Menschen mit Behinderungen freigegeben .
Zuvor hatten Sie den Entwurf zur Weiterentwicklung
des Behindertengleichstellungsgesetzes auf den Weg
gebracht und vor ein paar Tagen auch noch den Refe-
rentenentwurf des Nationalen Aktionsplans 2 .0 veröf-
fentlicht . Die Schnecke hat sich zum Hasen verwandelt .
Man könnte sagen: Alles ist gut oder wird gut, und unser
Antrag hat sich tatsächlich erledigt . Das ist aber bei wei-
tem nicht so .

Mit dem vorgelegten Referentenentwurf des Bun-
desteilhabegesetzes wird es keine selbstbestimmte und
gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Men-
schen mit Behinderung geben, auch nicht im Arbeits-
leben . Sie schaffen nämlich keine einkommens- und
vermögensunabhängige persönliche Assistenz in allen
Lebenslagen und -phasen, was wir in unserem Antrag
fordern . Damit machen Sie die gesellschaftliche Teilhabe
immer noch vom Geldbeutel der Menschen mit Behin-
derungen abhängig . Das ist – auch bei allen Verbesse-
rungen, die Sie vorgestellt haben – trotz alledem noch
menschenrechtswidrig .

Darüber hinaus schränken Sie an vielen Stellen das
Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderun-

gen ein . Betroffene müssen ihre Wünsche rechtfertigen,
und da stehen auch wieder finanzielle Überlegungen im 
Vordergrund . Auch das ist menschenrechtswidrig . Wir
fordern ein uneingeschränktes Wunsch- und Wahlrecht .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir uns unsere nächste Forderung anschauen,
nämlich Sonderarbeitswelten abzubauen und umzuge-
stalten, und das mit dem Bundesteilhabegesetz verglei-
chen, stellen wir fest, dass Sie diese verfestigen . Wenn
Sie noch nicht einmal das neu eingeführte Budget für
Arbeit, das wir begrüßen, bundeseinheitlich und ausrei-
chend sichern: Wo bleibt dann der Menschenrechtssinn?
Wir hatten auch hierzu in unserem Antrag Vorschläge un-
terbreitet . Greifen Sie sie auf!


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie haben so gut wie nichts aus unserem Antrag über-
nommen . Wir haben doch versucht, Ihnen damit eine
Grundlage für das neue Bundesteilhabegesetz zu geben .
Warum übernehmen Sie das nicht? Inklusion ist nicht
zum Nulltarif, geschweige denn zum Spartarif zu haben .
Aber genau das möchten Sie, sehr geehrte Regierungs-
mitglieder, mit Ihrem Referentenentwurf erreichen .

Wir brauchen Investitionen, um einen offenen und in-
klusiven ersten Arbeitsmarkt zu schaffen, der den Men-
schenrechten entspricht . Stimmen Sie unserem Antrag
zu! Überarbeiten Sie das Bundesteilhabegesetz in allen
Bereichen, vor allem aber auf Grundlage dieses Antrags
im Bereich Arbeit! Setzen Sie, was den Bereich Arbeit
anbelangt, den Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskon-
vention um!

Um auf den Hasen zurückzukommen: Hören Sie auf,
hasenfüßige Vorlagen zu bringen! Die Selbstvertretungs-
organisationen und Verbände sowie die Menschen, die an
einer gleichberechtigten Teilhabe gehindert werden, for-
dern die bedingungslose und uneingeschränkte Umset-
zung der UN-Behindertenrechtskonvention seit Jahren .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nutzen Sie ihre Stellungnahmen, und nutzen Sie die Ver-
bandsanhörung im Mai . Hören Sie auf, der Hase zu sein,
der in der Fabel vom Hasen und Igel mehr als 70 Anläufe
brauchte . Lassen Sie nicht zu, dass ein gutes Bundesteil-
habegesetz beerdigt wird .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816714600

Vielen Dank . – Als Nächster hat jetzt der Kollege Uwe

Schummer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Kerstin Tack






(A) (C)



(B) (D)



Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1816714700

Frau Kollegin Werner, ein Teilhabegesetz zu beerdi-

gen, bevor es parlamentarisch beraten wurde, ist ein biss-
chen arg flott. 


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Referentenentwurf für das Teilhabegesetz liegt jetzt
vor, und ich denke, dass wir, wenn der Gesetzentwurf
eingebracht wird, im Parlament eine gute Entwicklung
auf den Weg bringen werden .

Was Sie vor einem Jahr in Ihrem Antrag zusammen-
geschrieben haben, ist ein Sammelsurium von mehr oder
weniger guten Ideen . Wichtig ist aber, dass man nicht nur
Ideen sammelt, sondern dass auch konkrete Gesetzent-
würfe und Maßnahmen im Parlament und in der Bun-
desregierung beschlossen werden . Wir haben derzeit
1,3 Millionen anerkannt schwerbehinderte Menschen
auf dem ersten Arbeitsmarkt . Damit ist der größte Teil
der betroffenen Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt
tätig . 300 000 Menschen, die wesentlich behindert sind,
arbeiten in Werkstätten . In den letzten Jahren war ein
Aufwuchs an beschäftigten Menschen, die anerkannt
schwerbehindert sind, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu
verzeichnen.  Aufgrund  des  demografischen  Wandels 
steigt die Zahl derer, die eine solche Behinderung auf-
weisen . Wenn sie arbeitslos werden, dann ist es umso
schwieriger, sie wieder in den Arbeitsprozess zu bringen .
Das müssen wir gemeinsam angehen .

Arbeit ist der Schlüssel für eine gelungene Teilhabe .
Wir alle wollen den Paradigmenwechsel im Sinne der
UN-Behindertenrechtskonvention . Das heißt, es stehen
nicht mehr die Defizite im Vordergrund, sondern die Po-
tenziale, die die Menschen mitbringen . Unternehmen, die
das Potenzial der Menschen nicht nutzen, behindern . Sie
behindern nicht nur die betroffenen Menschen, sondern
auch ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg . Wir müssen
nicht mehr darum betteln, dass sie behinderte Menschen
einstellen . Wir müssen den Unternehmern sagen: Wenn
ihr nicht die Gelegenheit und die Förderinstrumente
nutzt, um diese motivierten Menschen einzustellen, dann
behindert ihr euer eigenes Unternehmen . – Das betrifft
auch die Vorsorge, indem gutes Arbeitnehmerpotenzial
frühzeitig in die Unternehmen geholt wird . Das ist das
Entscheidende, und das ist auch im Sinne der Behinder-
tenrechtskonvention der UN .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wichtig ist, dass wir entsprechende Informationen
stärker an die Unternehmen herantragen . Wichtig ist
auch, dass wir gute Geschichten erzählen und Beispiele
anführen, damit die Unternehmen, die noch keine Erfah-
rungen gemacht haben, von denen, die bereits seit Jahren
in diesem Bereich aktiv sind und Inklusion leben, posi-
tive Eindrücke vermittelt bekommen und merken, dass
dies ein Potenzial ist, das in die Unternehmen einzustel-
len ist .

Wir müssen mit dem Teilhabegesetz ein weiteres
zentrales Thema angehen . 60 Prozent der Zugänge in
die Werkstätten sind Menschen mit einer psychischen
Erkrankung bzw . einer psychischen Behinderung, die

vom ersten Arbeitsmarkt kommen; das sind jährlich
13 000 Zugänge in die Werkstätten . Die eigentliche Kos-
tendynamik auch bei der Eingliederungshilfe besteht da-
rin, dass allein diese 13 000 zusätzlichen Werkstattplätze
für psychisch behinderte Arbeitnehmer zu einer Kosten-
steigerung um jährlich etwa 300 Millionen Euro führt .
Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Schwerbehinder-
tenvertretungen stärken .

Die Schwerbehindertenvertretungen sagen uns immer
wieder, dass sie mehr Zeit brauchen . Das bedeutet in der
Konsequenz mehr Freistellungen, damit sie in den Un-
ternehmen ein Eingliederungsmanagement nach chroni-
schen Erkrankungen und ein Frühwarnsystem in den Be-
trieben und Verwaltungen organisieren und betriebliche
Gesundheitsprävention anschieben können, damit das
Potenzial in den Unternehmen gehalten werden kann .
Insofern sind Schwerbehindertenvertretungen keine Be-
lastung, sondern eine Entlastung der Unternehmen und
der Gesellschaft,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


weil sie das wichtigste Kapital im Unternehmen stärken,
nämlich die Menschen .

Werkstätten bleiben wichtig; aber sie müssen sich
wandeln und verändern . Es gibt interessante Konzepte
wie die virtuellen Werkstätten im Saarland . Es gibt auch
verstärkt Ausgliederungen aus den Werkstätten durch In-
tegrationsfirmen, die wir mit einem Förderprogramm von 
150 Millionen Euro ausbauen wollen .

Es gibt aber auch Probleme . Beispielsweise hatten
viele Werkstätten in Niedersachsen das Problem, dass
die Umsatzsteuerermäßigung nur noch für Produkte und
nicht mehr für personelle Dienstleistungen von den Fi-
nanzämtern berechnet wurde . Das hatte zur Konsequenz,
dass die Werkstätten, die besonders kreativ sind und in
Betrieben Wahlfreiheit und Möglichkeiten auf dem ersten
Arbeitsmarkt entwickeln, steuerlich bestraft wurden . Ich
danke  unserem  Bundesfinanzminister  Herrn  Schäuble, 
dass er gemeinsam mit den Finanzministern der Bundes-
länder diese falsche Steuerpolitik beendet hat und durch
eine entsprechende Neuformulierung des Anwendungs-
erlasses dafür gesorgt hat, dass nicht nur Produkte aus
den Werkstätten, sondern auch personelle Dienstleistun-
gen – auch auf dem ersten Arbeitsmarkt – steuerlich po-
sitiv bewertet und nicht diskriminiert werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die 850 Integrationsunternehmen sind Lotsenboote
auf dem ersten Arbeitsmarkt . Diese Unternehmen – das
sind Druckereien, Hotels, Gaststätten, Gartenbaubetrie-
be; sie stellen einen Querschnitt unserer Wirtschaft dar –
zeigen, wie man auch mit einer Quote von 25 bis 30 Pro-
zent behinderte Menschen wirtschaftlich arbeiten kann .
Diese Unternehmen weisen in der Regel eine geringere
Insolvenzrate auf als Betriebe in der übrigen Wirtschaft .
Es gibt natürlich einen Minderleistungsausgleich durch
einen Lohnkostenzuschuss . Diesen wollen wir mit dem
Budget für Arbeit, über das wir im Zusammenhang mit
dem Teilhabegesetz debattieren werden, dauerhaft ge-
währen . Nach unserer Auffassung sollten sich andere






(A) (C)



(B) (D)


Unternehmen diese Integrationsunternehmen zum Vor-
bild nehmen, wenn sie schwerbehinderte Menschen ein-
stellen oder sie länger beschäftigen wollen .

Wir wollen die Integrationsunternehmen nicht nur
quantitativ, sondern auch qualitativ zu Inklusionsunter-
nehmen weiterentwickeln . Dazu gehört beispielsweise
eine präventive Öffnung dieser Unternehmen für psy-
chisch erkrankte Arbeitnehmer ohne eine anerkannte
Schwerbehinderung . Wir wollen nicht erst dann tätig
werden, wenn eine entsprechende Diagnose vorliegt,
sondern schon im Vorfeld, damit die betroffenen Arbeit-
nehmer erst gar nicht in die Werkstätten kommen, son-
dern in Integrationsunternehmen untergebracht werden,
um eine Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt zu er-
halten .

Wir wollen zudem Arbeitszeitmodelle entwickeln
und fördern, die kurzzeitig sind . Wir wollen Hinzuver-
dienstmöglichkeiten für psychisch erkrankte Arbeitneh-
mer schon ab zwölf Stunden pro Woche schaffen, damit
sich diese langsam auf dem ersten Arbeitsmarkt weiter-
entwickeln können . Wir wollen des Weiteren den Aus-
bildungsort „Integrationsunternehmen“ stärken, damit
junge Menschen nicht mehr den klassischen Weg von
der Förderschule in die Werkstatt einschlagen, sondern
durch assistierte, begleitete und vernetzte Ausbildung
Ausbildungsmöglichkeiten in den Integrationsunterneh-
men nutzen können . Dafür wollen wir Arbeitsassistenz
und Jobcoaching mitfinanzieren. 

Die Beauftragten der einzelnen Fraktionen für Men-
schen mit Behinderung haben eine Idee aus Österreich
aufgegriffen.  Ich  finde  das  dortige Mentorenprogramm 
sehr spannend . Die Assistenz kommt dort nicht erst mit
dem behinderten Arbeitnehmer von außen in das Unter-
nehmen hinein . Vielmehr gibt es dort in den Unterneh-
men Mentoren, die sich um die Arbeitnehmer mit Han-
dicap, die neu im Unternehmen sind, kümmern . Diese
Mentoren, die die Belegschaften und die Arbeitsabläufe
kennen, stehen den behinderten Arbeitnehmern zur Seite .
Wir können, wenn es um konkrete Unterstützung in Un-
ternehmen durch ein solches Mentorenprogramm geht,
durchaus von Österreich lernen und sollten ein ähnliches
Programm hier bei uns umsetzen . Diesen Aspekt soll-
ten wir in den kommenden Debatten, die wir über die
Schwerbehindertenvertretungen und das Bundesteilha-
begesetz führen werden, aufgreifen .


(Beifall des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD])


Stärkung der Schwerbehindertenvertretung, Zahl der
Integrationsunternehmen verdoppeln und diese qualitativ
weiterentwickeln, die Durchlässigkeit der Werkstätten
verbessern und ein Budget für Arbeit als dauerhaften Zu-
schuss auf dem ersten Arbeitsmarkt gewähren, das alles
sind gute Dinge . Das, was im Antrag der Linken gut ist,
machen wir . Was wir nicht machen, das ist nicht gut .

Ich freue mich auf die weitere Debatte .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Kerstin Tack [SPD])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816714800

Vielen Dank . – Als Nächste hat jetzt Corinna Rüffer,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .


Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816714900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Lieber
Herr Schummer, wir hören Ihre Geschichten gerne; aber
eigentlich sind wir nicht zum Geschichtenerzählen hier,
sondern dazu, Realität zu verändern . Es gibt vielerlei An-
lass, darüber zu sprechen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Insofern bin ich dankbar, dass uns der Antrag der Linken
heute Gelegenheit dazu gibt . Seit zwei Tagen – wir haben
sehr lange darauf gewartet – liegt der Referentenentwurf
zum Bundesteilhabegesetz vor . Er gibt mir keinen An-
lass, an Geschichten Gefallen zu finden. Ich möchte mich 
schon mit der Realität und dem Text, den Sie vorgelegt
haben, beschäftigen .

Wir erinnern uns ein Stück weit zurück – dies würde
ich gerne mit einem Zitat tun –:

Es war ein schöner Traum, ja, es war sogar ein ver-
führerischer Traum, als die derzeitige Bundesregie-
rung ihr Amt antrat . Im Koalitionsvertrag wurde die
Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes und damit
die Forderung vieler Verbände und Aktiver aufge-
griffen . „Nichts über uns ohne uns“, hieß es darin
sogar .


(Zuruf von der CDU/CSU: Schöne Geschichte!)


– Ja, das ist jetzt eine Geschichte aus der Realität . –

… Es folgte die Schaffung der Arbeitsgruppe zum
Beteiligungsprozess für das groß angekündigte
und beworbene Bundesteilhabegesetz . Vieles war
plötzlich anders als gewohnt, und auch wenn wir
schöne Sonntagsreden gewohnt sind, klangen diese
plötzlich noch schöner und hatten mit den Plänen
für die Gesetzesreform einen realistischen Touch
angenommen .

Dies schrieb jüngst auf kobinet der ehemalige Behinder-
tenbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz .

Zwischenzeitlich ist der Entwurf vorgelegt worden .
Die ersten Reaktionen darauf klingen dann weniger
schön:

Ich bin wütend und ohnmächtig, da offensichtlich
die Stimme der Betroffenen wieder einmal völlig
ungehört blieb . An Dreistigkeit nicht zu überbieten
ist jedoch die Behauptung, es würde ein Gesetz zur
Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung vor-
gelegt . Dann bitte soll die Regierung Klartext re-
den und sagen: „Wir müssen sparen, um die heilige
schwarze Null zu schaffen – also fangen wir bei der
Beschneidung von Menschenrechten Behinderter
an“ …


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Wen zitieren Sie denn?)


Uwe Schummer






(A) (C)



(B) (D)


– So die Reaktion von Nancy Poser vom Forum behin-
derter Juristinnen und Juristen .

Wenn Sie die humorvollere Variante davon hören wol-
len, so kann ich diese auch noch vortragen:

Sehr zufrieden zeigt sich der Berliner Rechtsanwalt
Dr . Martin Theben mit dem gestern öffentlich be-
kanntgewordenen Entwurf für ein Bundesteilha-
begesetz . „Ich bin hocherfreut über den Entwurf“,
sagte Theben . . . „Auch künftig werden Gerichte und
vor allem die Rechtsanwälte alle Hände voll zu tun
haben .“

Na, das ist ja mal eine tolle Nachricht!

Jetzt einmal ganz konkret: Frau Tack hat diesen Ent-
wurf und das, was die Bundesregierung auf diesem Ge-
biet in den vergangenen Jahren gemacht hat, gehuldigt .
Es gab eine wesentliche Forderung behinderter Men-
schen und ihrer Verbände, dass endlich Schluss ist mit
der Anrechnung von Einkommen und Vermögen . Das
ist ein Menschenrecht; Frau Werner hat es gesagt . Die-
ses Menschenrecht wollen Sie nicht einlösen . Sie wollen
weiterhin – mit gravierenden Folgen für ganze Famili-
en – Einkommen und Vermögen betroffener Personen
einziehen, um zum Beispiel die Assistenz zu finanzieren. 
Aber besonders perfide  ist,  dass der Referentenentwurf 
im Vergleich zum Arbeitsentwurf, den wir im Januar be-
kommen haben, noch schlimmer ist, weil darin geregelt
ist, dass Menschen, die sowohl Eingliederungshilfe als
auch Hilfen zur Pflege bekommen – das sind nach den 
neuen Regelungen eigentlich alle Menschen mit Behin-
derungen –, mit Verschlechterungen rechnen müssen, so-
bald sie ein entsprechendes Einkommen erzielen . Das ist
eine Sauerei und gehört auf den Tisch des Hohen Hauses
und hier diskutiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt nämlich: Behinderte Menschen können arbei-
ten, wie sie wollen; sie werden am Ende immer arm blei-
ben . Das können wir so nicht akzeptieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das hat mit guter Arbeit überhaupt nichts zu tun; denn
zu guter Arbeit gehören auch gute Löhne, auch für Men-
schen mit Behinderungen .

Ich möchte noch eine Leerstelle in der Debatte anspre-
chen . Es wird relativ selten über Menschen mit besonders
hohem Unterstützungsbedarf gesprochen . Wir haben ge-
rade einige Worte zum Budget für Arbeit gehört . Das
ist übrigens kein neues Instrument, das Sie sich in den
vergangenen Monaten haben einfallen lassen; das gibt
es seit Jahrzehnten . Das Problem ist, dass es nur an sehr
wenigen Orten angewandt wird; aber das ist eine andere
Frage . Zudem ist Kritik angemessen, weil Sie das Bud-
get für Arbeit nicht bundeseinheitlich ausgestalten wol-
len . Worauf ich aber gezielt hinweisen will, ist, dass Sie
die Regelungen zum Mindestmaß an wirtschaftlich ver-
wertbarer Arbeitsleistung aufrechterhalten und damit am
unteren Ende noch einmal eine Unterscheidung zwischen
den Werkstattfähigen und den nicht Werkstattfähigen
treffen . Damit entziehen Sie der Gruppe der Menschen,

die besonders viel Unterstützung benötigen, das Recht
auf Teilhabe an Arbeit . Es ist schlichtweg eine Sauerei,
nicht dagegen anzugehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Katrin Werner [DIE LINKE])


Ottmar Miles-Paul, den ich anfangs zitiert habe, hat
auch Folgendes gesagt – ihn möchte ich abschließend zu
Wort kommen lassen –:

Wir müssen nun auch zeigen, dass wir bereit sind,
für unsere Menschenrechte zu kämpfen und die
schönen Träume einer wohlmeinenden Gesellschaft,
die ihre Werkstätten durch Angebote auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt, ihre Sondereinrichtungen zu-
gunsten von Angeboten mitten in der Gesellschaft,
ihre Sonderschulen zu inklusiven Schulangeboten
etc . von selbst umwandeln . Geschweige denn, dass
wir von einer Gesellschaft träumen, die bereit ist,
das nötige Geld in die Hand zu nehmen, um die Le-
bensqualität und das selbstbestimmte Leben behin-
derter Menschen ernsthaft zu fördern . Nein, wenn
wir von Menschenrechten reden, müssen wir uns
nun auch in den Menschenrechtsmodus begeben
und für unsere Menschenrechte mit allen demokra-
tisch zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen . So
bitter es ist, der Traum ist vorbei, die Straße hat uns
wieder, auch wenn der Traum für kurze Zeit schön
war .

Das sollten wir uns zu eigen machen . Wir sollten hier
im Parlament noch so viel geraderücken wie möglich,
weil dieser Gesetzentwurf wirklich Mist ist und so nicht
zum Gesetz werden sollte .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816715000

Jetzt hat der Kollege Dr . Matthias Bartke, SPD-Frak-

tion, das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Bartke (SPD):
Rede ID: ID1816715100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den

vorliegenden Antrag der Linken haben wir das erste Mal
kurz vor der letzten Sommerpause debattiert . Inzwischen
ist fast ein Jahr vergangen, und ich muss sagen: Der
Zeitpunkt der heutigen Debatte könnte nicht besser sein;
denn seit Montagabend hat das Kanzleramt den Entwurf
eines Bundesteilhabegesetzes endlich freigegeben . Wir
haben lange darauf gewartet .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Antje Lezius [CDU/CSU])


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Ihr
Antrag heißt „Gute Arbeit für Menschen mit Behinde-
rungen“, und es wird Sie überraschen, wenn ich sage: Ich
finde,  dieser Titel  verspricht  durchaus, was  der Antrag 
zu großen Teilen hält . Die UN-Behindertenrechtskon-
vention gibt uns vor, den Arbeitsmarkt für Menschen mit

Corinna Rüffer






(A) (C)



(B) (D)


Behinderungen offen und inklusiv zu gestalten . Diese
Konvention darf aber nicht der einzige Antrieb sein . Es
geht nicht nur um Vertragserfüllung; es geht vielmehr da-
rum, dass das Ziel eine Gesellschaft sein muss, in der alle
Menschen am Arbeitsleben teilhaben können . Es geht um
das Glück, dazuzugehören .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, die
meisten Ihrer Forderungen sind in unserem Entwurf ei-
nes Bundesteilhabegesetzes berücksichtigt . Frau Werner,
wenn Sie das in Abrede stellen, dann liegt das vielleicht
daran, dass dieser Entwurf noch neu ist. Wir befinden uns 
jetzt in der Sitzungswoche, und man konnte das nicht al-
les so genau lesen .


(Lachen der Abg . Katrin Werner [DIE LINKE] – Heiterkeit der Abg . Kerstin Tack [SPD])


Lesen Sie es, und Sie werden es feststellen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Zuerst ist das Budget für Arbeit zu nennen . Damit er-
halten Menschen mit Behinderung die Chance auf einen
Job auf dem ersten Arbeitsmarkt . In meiner Heimatstadt
Hamburg haben wir damit hervorragende Erfahrungen
gemacht . Schon im ersten Projektjahr haben 43 Men-
schen mit Behinderung einen Job in 39 Hamburger Un-
ternehmen gefunden . Zuvor waren sie im Durchschnitt
fast fünf Jahre in einer Werkstatt beschäftigt .

Ihr nächster Punkt, den wir richtig finden, ist das un-
begrenzte Recht zur Rückkehr in die Werkstatt . Natürlich
schreibt das Budget für Arbeit Erfolgsgeschichten . Den-
noch kann nach dem Schritt von der Werkstatt auf den
ersten Arbeitsmarkt immer auch die Erkenntnis stehen:
Das ist doch nicht das Richtige für mich . Die Angst vor
dieser Erkenntnis darf aber keine Schranke sein . Des-
wegen wird das Bundesteilhabegesetz ein unbegrenztes
Recht zur Rückkehr schaffen .

In Ihrem Antrag fordern Sie auch die Stärkung der
Schwerbehindertenvertretung und die Weiterentwick-
lung der Mitwirkungsrechte in den Werkstätten . Mit dem
Bundesteilhabegesetz schaffen wir Mitbestimmungs-
recht in besonders wichtigen Fragen . Hierzu gehören die
Einführung von Frauenbeauftragten in den Werkstätten
und die Finanzierung überregionaler Werkstatträte .

Ich gebe aber zu: Bei den Rechten für Schwerbehin-
dertenvertretungen ist durchaus noch Luft nach oben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Ich habe eben den Beitrag von Herrn Schummer gehört .
Danach bin ich optimistisch, dass wir in der gemeinsa-
men Beratung etwas bewirken können: dass die Schwer-
behindertenvertretungen endlich das Recht bekommen,
ihre Rechte auch einzuklagen . Das gehört ja dazu .


(Beifall bei der SPD)


Zur Förderung der Integrationsbetriebe haben wir im
letzten Jahr einen Antrag vorgelegt . Frau Werner, Sie ha-
ben uns damals vorgeworfen, das sei nur ein Showan-
trag . Aber ich sage Ihnen: Mitnichten . Wir werden die

Zuverdienstbeschäftigung in Integrationsprojekten zu-
lassen . Wir werden die bevorzugte Berücksichtigung von
Integrationsbetrieben bei öffentlichen Vergabeverfahren
ermöglichen, und wir werden den Integrationsämtern zu-
sätzlich 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen . Diese
Punkte haben wir schon auf den Weg gebracht . So viel
zum Thema Showantrag .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Werner [DIE LINKE]: In der Vergabeordnung steht „sollte“ und nicht „muss“!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, bei
einem  zentralen  Punkt  können  wir  aber  definitiv  nicht 
mitgehen, und das ist die Anhebung der Beschäftigungs-
pflichtquote auf 6 Prozent; denn bei einer vollständigen 
Erfüllung einer 6-Prozent-Quote entstehen mehr Pflicht-
plätze, als es überhaupt arbeitslose Schwerbehinderte
gibt . Ich sage Ihnen: Man muss nicht Jura studiert haben,
um zu merken, dass so etwas verfassungswidrig wäre .
Franz Müntefering würde sagen: Die Zwergschule im
Sauerland reicht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Eine Beschäftigung von Menschen mit Behinderung
ist nicht nur eine Frage der Pflicht; es ist auch eine Fra-
ge der Überzeugung, der Information und der Anreize .
Häufig fehlen schlicht ganz grundlegende Informationen. 
Das betrifft Unterstützungsformen, aber auch die Kennt-
nis über Arten von Behinderung und Einsatzmöglich-
keiten . Der Sachverständige Otto-Albrecht hat es in der
Anhörung so zusammengefasst: „Es fehlen . . . Informati-
onen . . . darüber, dass nicht alle behinderten Menschen im
Rollstuhl sitzen“ . Daher ist es richtig, dass die Bundesre-
gierung ergänzend auch auf Initiativen mit der Wirtschaft
setzt, die genau solche doch recht elementaren Wissens-
lücken schließen .

Meine Damen und Herren, zusammenfassend gilt:
Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung liegt uns al-
len am Herzen . Lassen Sie uns mit dem Bundesteilhabe-
gesetz darauf aufbauen!

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816715200

Vielen Dank . – Als Nächstes hat die Kollegin

Dr . Astrid Freudenstein, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Astrid Freudenstein (CSU):
Rede ID: ID1816715300

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Eigentlich ist das Thema gar keines, über
das man so viel diskutieren müsste; denn wir sind uns in
vielem einig . Wir sind uns darin einig, dass Menschen
Arbeit brauchen, und zwar Arbeit, die ihnen Freude
macht, und dass es zunächst einmal keinen Unterschied
macht, ob der Mensch eine Behinderung hat oder nicht .
Wir alle wissen auch, dass man sich mit Handicap auf
dem Arbeitsmarkt oft schwertut . Wir alle würden uns

Dr. Matthias Bartke






(A) (C)



(B) (D)


wünschen, dass wir über dieses Thema nicht mehr disku-
tieren müssten, weil es kein Thema mehr ist, weil irgend-
wann alle auf dem Arbeitsmarkt unterkommen, egal ob
sie ein Handicap haben oder nicht .

Aber dann gibt es schon auch wieder Unterschiede,
und zwar in der Problembeschreibung . In Ihrem Antrag
bezeichnen Sie die Situation von behinderten Menschen
als alarmierend und rechnen vor, dass im vergangenen
Jahr 10 000 Schwerbehinderte mehr arbeitslos gewesen
seien als noch fünf Jahre vorher . Das mag sein . Aber
Sie verschweigen natürlich, dass die Gesamtzahl der
Schwerbehinderten in Deutschland noch viel stärker ge-
stiegen ist, was vor allem demografische Gründe hat. Im 
Endergebnis ist es so, dass heute gut 100 000 Schwerbe-
hinderte mehr beschäftigt sind als noch 2010, und das ist
eine gute Nachricht; auch das sollten wir erwähnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, es bringt uns allen nichts, wenn wir die
Situation schlechter darstellen, als sie ist . Es gibt noch
mehr positive Entwicklungen, die Sie in Ihrem Antrag
ausblenden . Die Beschäftigungsquote für Schwerbehin-
derte in den Unternehmen, die Menschen mit Handicap
beschäftigen müssen, liegt inzwischen bei 4,7 Prozent .
Das ist so viel wie nie zuvor . Immer mehr beschäfti-
gungspflichtige Arbeitgeber  beschäftigen  auch wirklich 
Menschen mit Behinderung – so viele wie nie zuvor .

Der Kollege Schummer hat schon vorgestellt, wie wir
die Situation von Menschen mit Behinderung auf dem
Arbeitsmarkt weiter verbessern wollen, zum Beispiel
durch Integrationsfirmen, zum Beispiel durch das Budget 
für Arbeit. Auch das finden eigentlich alle gut.

Der Knackpunkt bei diesem Thema ist natürlich, dass
wir die ganz normalen Unternehmen des ersten Arbeits-
markts dafür gewinnen müssen . Sie müssen die Stellen
zur Verfügung stellen, die die Menschen mit Behinde-
rung suchen . Man kann auf ganz unterschiedliche Weise
darangehen . Sie versuchen es mit Zwang und mit Straf-
maßnahmen . Sie fordern eine um 20 Prozent höhere Be-
schäftigungsquote, Sie fordern eine deutliche Erhöhung
der Ausgleichsabgabe, und Sie fordern eine Pflicht, alle 
Arbeitsplätze barrierefrei auszubauen .

Da unterscheiden wir uns . Ich bin der Meinung, dass
die positive Motivation viel besser ist als aller Zwang und
alle Strafen . Auch die Sachverständigen bei der Anhö-
rung haben darauf verwiesen, dass dieser Weg der Über-
zeugung und Hilfestellung mehr bewirkt, zum Beispiel
auch deswegen, weil es verfassungsrechtliche Probleme
geben kann, wenn es deutlich mehr Pflichtarbeitsplätze 
als arbeitslose Schwerbehinderte gibt .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816715400

Frau Kollegin Freudenstein, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage der Kollegin Rüffer?


Dr. Astrid Freudenstein (CSU):
Rede ID: ID1816715500

Ja, bitte .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816715600

Bitte schön, Frau Rüffer .


Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816715700

Vielen Dank. – Frau Freudenstein, der Bundesfinanz-

minister hat im letzten Sommer – im Juli war es, glaube
ich – eine Verdoppelung der Ausgleichsabgabe gefordert .
Wie stehen Sie dazu?


Dr. Astrid Freudenstein (CSU):
Rede ID: ID1816715800

Das ist ein Vorschlag in der Debatte gewesen, der viel-

leicht auch zum Ziel führen kann . Ich glaube aber, dass
wir zunächst einmal versuchen sollten, die Arbeitgeber
dazu zu bringen, mehr Stellen zur Verfügung zu stellen .
Damit ist den Betroffenen mit Sicherheit am allermeisten
geholfen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Werner [DIE LINKE]: Die letzten Jahre hat die Motivation nicht gereicht, nicht?)


Ich glaube, dass eine solche Erhöhung der Quote oder
der Ausgleichsabgabe – ich habe es eben erwähnt – die
Motivation und den guten Willen auf Unternehmerseite
nicht unbedingt fördern wird . Aber genau das brauchen
wir natürlich . Wir brauchen den guten Willen der Unter-
nehmer, und wir brauchen die guten Beispiele, in denen
das Miteinander im Betrieb problemlos klappt . Wir wis-
sen ja, dass die allermeisten Arbeitgeber, die Menschen
mit Handicap beschäftigen, schon nach kurzer Zeit über-
haupt kein Problem mehr feststellen und hochzufrieden
sind . Wo das Miteinander im Betrieb praktiziert wird, da
wird es auch zum Normalfall . Genau dahin müssen wir
kommen, und zwar ohne Zwang und Strafen, vor allem
aber natürlich mit mehr Information der Unternehmen .

Es gibt viel zu viele Unternehmer, die überhaupt nicht
wissen, welche Hilfen es gibt, wenn man einen Schwer-
behinderten beschäftigt . Die Zahlen zeigen: Je größer
ein Unternehmen ist, umso besser wissen die Personaler
über die Fördermöglichkeiten Bescheid und nehmen sie
dann auch in Anspruch . Wir haben ein Riesenpotenzial,
gerade im Bereich der kleinen und mittleren Unterneh-
men . Auf die müssen wir mehr als bisher zugehen und
sie informieren . Da sind Modellprojekte wie das schon
erwähnte „Wirtschaft inklusiv“ natürlich hoch wertvoll,
und hier müssen wir auch noch großflächiger aktiv wer-
den . Deswegen auch heute von meiner Stelle der Appell
an die Arbeitgeber, an die Unternehmer: Überwinden
Sie die Barrieren im Kopf, beschäftigen Sie ganz gezielt
Menschen mit Handicap, werden Sie zum guten Beispiel,
werden Sie zum Motivator für andere!

Wenn zu Beginn der Flüchtlingskrise gerade die gro-
ßen Wirtschaftsverbände noch vielfach die Hoffnung
geäußert hatten, dass wir damit vielleicht auch unseren
Fachkräftemangel beseitigen können, dann sage ich: Wir
haben schon ein großes, nicht gehobenes Fachkräftepo-
tenzial bei uns im Land .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Manche davon sitzen im Rollstuhl – es sitzen nicht alle
Behinderten im Rollstuhl –, manche sind sehbehindert,
wieder andere haben psychische Probleme, das mag so

Dr. Astrid Freudenstein






(A) (C)



(B) (D)


sein . Aber viele von ihnen sind ausgesprochen gut ausge-
bildet, sie sind hoch motiviert, sie wissen, wie der Laden
bei uns läuft, und sie haben auf jeden Fall eine Chance
verdient .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816715900

Vielen Dank . – Damit beende ich die Aussprache .

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion
Die Linke mit dem Titel „Gute Arbeit für Menschen mit
Behinderungen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/8118, den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5227 abzuleh-
nen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Opposition angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Buchpreisbin-
dungsgesetzes

Drucksache 18/8043

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Energie (9 . Ausschuss)


Drucksache 18/8260

Ich bitte die Kollegen, die noch Unterhaltungen füh-
ren müssen, dies außerhalb des Plenarsaals zu tun, und
darum, die Plätze einzunehmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich sehe, Sie
sind damit einverstanden . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Matthias
Ilgen, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Matthias Ilgen (SPD):
Rede ID: ID1816716000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist

ja heute ein äußerst spannendes Thema für die meisten
Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehschir-
men . Deswegen habe ich gedacht, ich mache das einmal
ein bisschen anschaulich und stelle hier die Frage: Was
haben die gute alte Bibel und die Unabhängigkeitser-
klärung der Vereinigten Staaten von Amerika auf einem
handelsüblichen Tablet – ich habe es hier; die Farbe ist
natürlich rein zufällig gewählt – gemeinsam? Ja, sie wa-
ren beide das erste Buch, die Gutenberg-Bibel um 1450,
als der Buchdruck erfunden wurde, die Unabhängigkeits-
erklärung das erste E-Book, und zwar bereits 1971, nur
ungefähr 20 Jahre, bevor das World Wide Web, also das
Internet, in seiner jetzigen Form, wie wir es kennen, so
richtig weltweit durchgestartet ist . Aber schon damals
gab es die Entwicklung, dass man Bücher auch digital
verschicken kann .

Wir sind mitten in einer gesellschaftlichen Revoluti-
on . Viele Dinge passieren heute über das Internet . Handel
und Kommerz sind dabei nicht ausgeschlossen . Wir ste-
hen vor der Fragestellung, wie wir vonseiten der Politik
mit dem Kulturgut Buch in Zukunft umgehen wollen .
Dabei geht es heute darum, die Buchpreisbindung auf
sogenannte E-Books auszudehnen .

Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ver-
sucht, mit dieser Änderung des Buchpreisbindungsge-
setzes Rechtssicherheit zu schaffen und dafür zu sorgen,
dass eine Vielfalt von Buchtiteln und eine Vielzahl von
Buchhandlungen in Deutschland auch in Zukunft er-
halten bleiben . Das ist uns Sozialdemokraten besonders
wichtig und liegt uns am Herzen . Deswegen unterstützen
wir dies .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht um die Fragestellung: Wollen wir, dass der
Wettbewerb bei dem Kulturgut Buch über den Preis statt-
findet, wie  es  zunehmend der Fall  ist, wenn die Buch-
preisbindung online umgangen wird? Oder wollen wir,
dass der Service und die Dienstleistungen des Handels,
also auch der vielen Buchhändler in Deutschland, die
mit ihren Buchhandlungen vor allem – ich sage das ganz
deutlich – unsere Innenstädte beleben, darüber entschei-
den, was der Kunde kauft und wie er es kauft? Wollen
wir also den Wettbewerb nicht über den Preis, sondern
über die Qualität führen? Das wollen wir auch in Zukunft
tun . Deswegen wollen wir, dass die Buchpreisbindung
auch auf E-Books übertragen wird .

In dem Gesetzgebungsprozess sind auch weitergehen-
de Forderungen angeklungen . Wir haben Forderungen
von Verbänden auf dem Tisch gehabt, die in die Richtung
gingen, dass man viele Dinge miterledigen könne, unter
anderem die Themen „unlauterer Wettbewerb“ oder „Ab-
satzförderung“ . Wir müssen aber auch sagen: Vorsicht an
der Bahnsteigkante . – Die Buchpreisbindung ist ein sehr
deutschraumsprachig singulär gestattetes Gesetz – so
würde ich es übersetzen . Die Europäische Kommission
hat es zwar notifiziert, sagt aber: Seid vorsichtig. Wenn 
Erweiterungen vorgenommen werden, müssen wir sehr
genau sehen, ob es keine Wettbewerbsbeschränkungen
sind . – Deswegen hat die Regierung den klugen Vor-
schlag gemacht, wie er heute vorliegt, ein solches Ge-
setzgebungsverfahren vorzunehmen und abzuwarten . Es
sind noch sehr viele Urteile zu diesen Rechtstatbestän-
den anhängig . Diese müssen wir abwarten, um dann zu
sehen, ob es Umgehungstatbestände im Wettbewerb gibt
und wir gegebenenfalls noch einmal parlamentarisch
nachsteuern und ein neues Verfahren anstrengen müssen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816716100

Vielen Dank . – Als Nächste hat die Kollegin Sigrid

Hupach, Fraktion Die Linke, das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Astrid Freudenstein






(A) (C)



(B) (D)



Sigrid Hupach (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816716200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke sagt: Die
Buchpreisbindung muss ohne Wenn und Aber erhalten
bleiben . Wir debattieren heute abschließend einen Ge-
setzentwurf zur Änderung der Buchpreisbindung aus
dem Ministerium für Wirtschaft und Energie . Ich rede als
Kulturpolitikerin zu diesem Thema, und das aus gutem
Grund; denn bei der Buchpreisbindung geht es um das
Kulturgut Buch, um die Stärkung der Verlage und der
Buchhandlungen und damit auch um die kulturelle Infra-
struktur und die kulturelle Vielfalt in Deutschland .


(Beifall bei der LINKEN)


Der vorliegende Entwurf will gesetzlich fixieren, was 
schon Praxis ist, dass nämlich Verlage auch für E-Books
feste Preise festlegen, die von allen Buchhändlern für ei-
nen bestimmten Zeitraum einzuhalten sind . Das ist rich-
tig . Es darf keinen Unterschied machen, in welcher der
über 6 000 Buchhandlungen in Deutschland ich ein Buch
oder ein E-Book erwerbe: ob in der gut sortierten Sorti-
mentsbuchhandlung um die Ecke, im Buchkaufhaus, am
Bahnhof oder über den Onlinehandel .

Die Buchpreisbindung hat nicht nur Tradition, sie hat
vor allem ihren Sinn darin, dass es so Verlagen möglich
ist, über Mischkalkulationen auch Bücher zu drucken
oder E-Books zu publizieren, die nur eine geringe Nach-
frage finden werden, es aber unbedingt verdient haben, 
veröffentlicht zu werden, weil sie kulturell wertvoll sind .
Dank der Buchpreisbindung können wir in Deutschland
auf eine große Vielfalt von Buchtiteln und eine große
Vielfalt an Anbietern verweisen . Die Buchpreisbindung
schützt gerade die kleineren Buchhandlungen vor einem
erbitterten Preisdumping durch große Handelsketten oder
Onlinehändler wie Amazon . Gerade die Buchhandlungen
widmen sich neben dem reinen Verkauf auch der Lese-
förderung, kulturellen Angeboten und Veranstaltungen .

Der Gesetzentwurf stärkt die Buchpreisbindung und
geht damit einen Schritt in die richtige Richtung, aller-
dings nur einen kleinen; denn Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Koalition, bleiben mutlos stehen und
lassen sich vom digitalen Zeitalter hoffnungslos überho-
len .

Wenn wir der wachsenden Bedeutung, die E-Books
und andere elektronische Medien für unser kulturelles
Leben zunehmend haben, gerecht werden wollen, müs-
sen wir mehr tun und Bücher und E-Books endlich um-
fassend rechtlich gleichstellen .


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu gehört eine Reduzierung des Mehrwertsteuersat-
zes auch für diese elektronischen Kulturgüter, wie sie
die Linke schon lange fordert . Dazu gehört, Käuferinnen
und Käufer von analogen und digitalen Werken gleich-
zubehandeln; denn strenggenommen kauft man gegen-
wärtig nämlich kein E-Book, sondern erhält für sein
Geld lediglich die Erlaubnis, den Text zu lesen . Man darf
E-Books im Unterschied zu gedruckten Büchern eben
nicht weitergeben oder nach Benutzung auf dem Second-
handmarkt anbieten . Dazu haben wir bereits 2012 einen

Gesetzentwurf vorgelegt . Auch hier brauchen die Ver-
braucherinnen und Verbraucher mehr Rechtssicherheit .


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich gehört zur Anpassung ans digitale Zeit-
alter auch, den Erschöpfungsgrundsatz auf den Verleih
von E-Books und anderen elektronischen Medien auszu-
dehnen,  flankiert  von  einem  entsprechenden Ausgleich 
für Verlage und Autorinnen und Autoren über eine An-
hebung der Bibliothekstantieme . Davon hätten vor allem
die öffentlichen Bibliotheken und ihre Besucherinnen
und Besucher etwas; denn sie könnten so auf ein moder-
nes, vielfältiges Angebot zugreifen, das die Bibliotheken
selbst gestaltet haben . Gegenwärtig sind diese aber von
den Verlagen abhängig, die ihnen Lizenzen für E-Books
erteilen oder eben nicht .

Laut Aussagen von Frau Staatsministerin Grütters
wollen Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der
Koalition, mit dem Gesetzentwurf die Buchpreisbindung
zukunftsfest für das digitale Zeitalter machen . Dann
müssen Sie aber noch konsequenter werden . Akute Ge-
fahr droht gegenwärtig nicht so sehr durch die digitalen
Medien, sondern vor allem durch das geplante Freihan-
delsabkommen zwischen der EU und den USA . Am ver-
gangenen Samstag, übrigens dem Welttag des Buches,
protestierten erneut Zehntausende Menschen in Hanno-
ver gegen TTIP .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Demo wurde – wie auch schon die im Oktober
letzten Jahres hier in Berlin – von vielen Künstlerinnen
und Künstlern, von Kulturschaffenden, Kulturinstitutio-
nen und auch Kulturverbänden maßgeblich mitgetragen .

Gerade weil die Verhandlungen geheim und unter
Ausschluss  der Öffentlichkeit  stattfinden,  schenken  die 
Menschen den Beteuerungen keinen Glauben, dass die
hiesige Vielfalt an Kultur und unsere Form der Kul-
turförderung nicht vom Freihandelsabkommen betroffen
sind . Was nützt uns die Versicherung der EU-Kommis-
sarin Malmström, dass die Buchpreisbindung von den
Verhandlungen nicht berührt wird, wenn letztlich doch
nur rein ökonomische Interessen eine Rolle spielen und
transnationale Handelsriesen wie Amazon, Apple, Goo-
gle und Co . vor Investor-Staat-Schiedsgerichten gegen
sogenannte Handelshemmnisse, wie eben auch die Buch-
preisbindung, klagen könnten .

Nicht der freie Handel ist „gut für alle“ – wie es die
neueste Hochglanzbroschüre der Bundesregierung glau-
ben machen will –, sondern nur der faire und gerechte
Handel .


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu gehört die Buchpreisbindung, dazu gehört auch ein
Stopp von TTIP, CETA und Co .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816716300

Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht

jetzt der Kollege Dr . Matthias Heider .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Matthias Heider (CDU):
Rede ID: ID1816716400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist

schon ein bisschen überraschend, was hier alles im Zu-
sammenhang mit der Buchpreisbindung aufgerufen wird .
Darüber können wir heute nicht mehr abschließend spre-
chen, insbesondere nicht über die Freihandelsabkom-
men . Dafür fehlt uns schlichtweg die Zeit .


(Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Ich habe nur darauf hingewiesen, was alles noch geklärt werden muss!)


Ich bin überzeugt: Am Samstag, dem 23 . April, haben
vor allen Dingen Buchhändler, Verleger, Bibliotheken
und Schulen an den UNESCO-Welttag des Buches, aber
wahrscheinlich weniger an die Freihandelsabkommen
gedacht . Das Kulturgut Buch ist schutzwürdig . Ich glau-
be, darüber sind sich wenigstens all diejenigen, die gerne
Bücher lesen, einig .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Feiertag, meine Damen und Herren, findet nicht 
ohne Grund am 23 . April statt . Es ist der Todestag zweier
bekannter Schriftsteller, nämlich des Engländers William
Shakespeare und des Spaniers Miguel de Cervantes . Sie
haben im 16 . und 17 . Jahrhundert gelebt . Ich bin mir si-
cher, mit der Idee der Buchpreisbindung hatten sie noch
nichts am Hut . Der Buchdruck war gerade erst erfunden .
Heutzutage gibt es in Spanien wie auch in Deutschland,
in Frankreich, Griechenland, Italien, Norwegen, Portugal
und Österreich eine solche Buchpreisbindung .

Zwei deutsche Schriftsteller haben im 19 . Jahrhun-
dert, im Dreikaiserjahr 1888, die Einführung der Buch-
preisbindung miterlebt . Theodor Storm hat in diesem
Jahr den Schimmelreiter veröffentlicht, Theodor Fontane
Irrungen und Wirrungen, ein Buch, das ich Ihnen viel-
leicht einmal empfehlen würde .


(Heiterkeit und Beifall der Abg . Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU] und Matthias Ilgen [SPD] – Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Das habe ich gelesen!)


Nach ihrer Geburt überdauerte die Buchpreisbindung
zwei Weltkriege, zwei Kartellrechtsreformen und die
gegen sie gerichteten Verfahren der EU-Kommission
um die letzte Jahrtausendwende herum . Seit 2002 ist die
Buchpreisbindung wieder gesetzlich verankert . Sie se-
hen: Die Buchpreisbindung hat im deutschen Recht eine
lange Tradition .

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wollen
wir dies fortführen und sie auf die modernen elektroni-
schen Bücher, auf die E-Books, erweitern . Außerdem
knüpfen wir ausdrücklich an das Merkmal des Verkaufs
an Letztabnehmer an . Lassen Sie mich erklären, warum

die Buchpreisbindung in diesen Fällen gerechtfertigt ist,
in anderen Fällen wiederum nicht .

Zunächst zum Zweck der Buchpreisbindung . Die
Buchpreisbindung soll einen leistungsfähigen Markt
für Verlagserzeugnisse, also Bücher, Musiknoten und
ähnliche verlags- oder buchhandelstypische Produkte,
gewährleisten . Sie soll gewährleisten, dass es ein leis-
tungsfähiger Markt ist . Außerdem soll sie das Buch als
Kulturgut und als Kulturmedium sicherstellen .

Die Buchpreisbindung verhindert den Wettbewerb un-
ter den Händlern; eine Einschränkung, die wir in unserem
Rechtssystem nur in ganz wenigen Bereichen gewähren .
Verlage geben einen einheitlichen Preis für ein Buch vor .
Von diesem Preis darf ein Händler, bis auf wenige Aus-
nahmen, weder nach oben noch nach unten abweichen .
Für mich als Ordnungspolitiker ist das ein zweischnei-
diges Schwert . Die Buchpreisbindung führt einerseits zu
einer Beschränkung des Wettbewerbs, andererseits hat
sie sehr großen, allgemein anerkannten kulturellen Nut-
zen . Die Buchpreisbindung fördert eine große Buchaus-
wahl in Deutschland und auf dem europäischen Markt .
Kulturell wertvolle Bücher können bei uns zu erschwing-
lichen Preisen für alle Bevölkerungsgruppen erscheinen .
Es gibt in Deutschland eine Fülle von kleinen und mittle-
ren Verlagen . Schließlich werden wir durch ein Netz von
Buchhandlungen und Büchern vor Ort versorgt, und das
nicht nur in großen Städten, sondern auch in ländlichen
Regionen .

Den Vorteil der Buchauswahl wollen wir auch bei den
E-Books bewahren . E-Books sind in den letzten Jahren
zum Austauschprodukt für gedruckte Bücher geworden .
Schon bisher unterliegen sie faktisch eigentlich der Preis-
bindung . Durch die gesetzliche Regelung nehmen wir
also nur eine Klarstellung vor . Diese bringt Rechtssicher-
heit für die Verlage und Rechtssicherheit für den Handel .

Außerdem soll die Buchpreisbindung nicht mehr
vom Kriterium des nationalen Buchverkaufs abhängig
sein . Bisher galt die Buchpreisbindung nur für Verkäu-
fe in Deutschland . Probleme bestanden bei einem Ver-
kauf über das Internet aus dem Ausland an Kunden in
Deutschland . In diesen Fällen war nicht klar, ob es sich
um einen nationalen Buchverkauf handelt oder nicht .
Das ändern wir . Mit einer neuen Regelung, die beim
Verkauf an Abnehmer in Deutschland ansetzt, schaffen
wir Rechtssicherheit . Dadurch werden die Unklarheiten
beseitigt .

Wir wollen jedoch den Schutz bei der Buchpreisbin-
dung nicht überstrapazieren; Kollege Ilgen hat schon
darauf hingewiesen . Es bleiben daher einige an uns he-
rangetragene Änderungswünsche der Branche unberück-
sichtigt . Ein Wunsch war beispielsweise, auch die Ka-
lender der Buchpreisbindung zu unterwerfen . Ich sehe
da keine wirkliche Ähnlichkeit mit Büchern . Sie haben
mehr eine künstlerische, ästhetische Bedeutung und sind
aus meiner Sicht eher mit Drucken, mit Postern oder mit
Fotografien zu vergleichen. 

Ein weiterer Wunsch, unter anderem vom Bundes-
rat, war es, Verkaufsmaßnahmen zu verbieten, die die
Buchpreisbindung unterlaufen . Ein solches Verbot hal-
ten wir für nicht notwendig; denn die Buchpreisbindung






(A) (C)



(B) (D)


selbst verbietet schon den Preiswettbewerb zwischen
den Händlern . Zudem haben die Gerichte in vielen Ent-
scheidungen alle Maßnahmen, die das Ziel hatten, die
Buchpreisbindung zu umgehen, für unzulässig gehalten .
Darüber hinaus wollen wir Unternehmen nicht in ihrer
unternehmerischen Freiheit beschränken . Werbemaßnah-
men, die mit der Buchpreisbindung vereinbar sind, müs-
sen zulässig bleiben . Sie sind ein zulässiges Instrument .

Schließlich halten wir eine Regelung, die Bücher
ohne ISBN von der Buchpreisbindung ausnimmt, nicht
für notwendig . Das wurde in einer Petition, die derzeit
im Petitionsausschuss beraten wird, gefordert . Der Petent
wollte durch diese Petition erreichen, dass Hobbyautoren
ihre Bücher unabhängig von der Buchpreisbindung ver-
kaufen können . Das ist, meine Damen und Herren, schon
jetzt erlaubt . Die Buchpreisbindung gilt nicht für Schrif-
ten, die Sie alle im Selbstverlag von zu Hause aus auf den
Weg bringen .

Meine Damen und Herren, wir haben gesehen, dass
die Buchpreisbindung auch im Jahr 2016 noch ihre Be-
rechtigung hat . Daher ist es sinnvoll, eine gesetzliche
Klarstellung bezüglich der E-Books in das Gesetz aufzu-
nehmen und sie an den Verkauf an Abnehmer in Deutsch-
land auszurichten .

Wir stellen uns damit auch gegen eine schlanke Best-
sellerkultur . Das schützt die Titelvielfalt in Deutschland,
alte Literatur und neue Literatur . Nicht nur Storm und
Fontane hätten es uns gedankt . Weitere Einschränkungen
der unternehmerischen Handlungsfreiheit sind aber nicht
geboten . Deshalb nehmen wir an dieser Stelle davon Ab-
stand .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816716500

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin

Tabea Rößner .


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816716600

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Kafka war Versicherungsangestellter, Doris Lessing Se-
kretärin, und Herta Müller verdiente ihr Geld als Lehre-
rin . Deutschland betrachtet sich ja immer gerne als das
Land der Dichter und Denker; aber dichten geht halt erst
nach  Feierabend.  Kreativität  ist  kein  Nine-to-five-Job, 
wird das auch niemals sein . So ist Kultur auch kein nor-
maler Wirtschaftszweig, und deshalb bedarf Kultur eines
gewissen Schutzes .

Der vorliegende Gesetzentwurf trägt dem Rechnung .
Kafka hätte es sich wohl kaum vorstellen können, dass
irgendwann einmal sein gesamtes Werk auf ein dünnes
Gerät passt und man es überall bekommen kann . Die Di-
gitalisierung macht vieles einfacher . Sie erleichtert die
Verbreitung von Kultur, und das wiederum inspiriert für
Neues . Als Kundin oder Kunde sehen wir oft nicht die
Arbeit von Autoren und Verlegern, die auch in E-Books
steckt . Wir schauen gerne auf den Preis . Darum ist es so
wichtig, dass wir als politisch Verantwortliche darauf

achten, dass im digitalen Wirtschaftsraum Gewinnmaxi-
mierung nicht zum Ausverkauf von Kultur führt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Preisdumping à la Amazon geht zulasten der Kreativen
und damit letztlich auch zulasten der Leserinnen und
Leser . Die Buchpreisbindung verhindert einen Unterbie-
tungswettbewerb . Es ist nur konsequent, sie auf E-Books
auszuweiten, und zwar grenzüberschreitend . Ehrlicher-
weise muss ich sagen, dass ich mir keine Sorgen um die
Amazons dieser Welt mache, sondern um die vielen klei-
nen Buchhandlungen, die ein vielfältiges Buchangebot
vorhalten . Diese Orte sterben aus, wenn wir nicht auf-
passen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Da hilft, ganz ehrlich, auch kein gutgemeinter
100 000-Euro-Preis der Beauftragten für Kultur und Me-
dien .


(Matthias Ilgen [SPD]: Er schadet aber auch nicht!)


Eines verstehe ich nicht: Es gibt derzeit Ausnahmen
von  der  Buchpreisbindung.  Davon  profitiert  vor  allem 
der  große Buchhandel. Er  streicht  häufig  hohe Margen 
ein; die Kleinen können da überhaupt nicht mithalten .
Jetzt hat der Bundesrat vorgeschlagen, diese Ausnahmen
zu begrenzen . Aber genau das lehnen Sie ab, und zwar
mit der Begründung, die Gerichte würden die Verstöße
gut im Griff haben . Ich sage: Wenn es ständig gerichtli-
cher Korrekturen bedarf, dann geben wir als Gesetzgeber
unsere Verantwortung ab, und das kann ja wohl nicht un-
ser Anspruch sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun ist die Buchpreisbindung eine zwar sinnvol-
le, aber auch verhältnismäßig kleine Baustelle . Für den
Buchmarkt gibt es weit mehr Herausforderungen, zum
Beispiel die Frage, ob der ermäßigte Mehrwertsteuersatz
auch für elektronische Bücher gelten soll, oder die Frage,
welche Vor- und Nachteile ein Weiterverkauf gebrauch-
ter E-Books hat, oder die Frage, wie die E-Book-Auslei-
he in Bibliotheken ermöglicht werden kann . Sicher, das
sind keine leichten Fragen; vor den Antworten drücken
Sie sich aber schon viel zu lange .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich mache mir auch Sorgen um die zukünftigen
 Kafkas, Müllers und Lessings. Sie profitieren zwar von 
der Buchpreisbindung, wenn ihre Werke online nicht für
einen Apfel und ein Ei verscherbelt werden . Das alleine
reicht aber nicht . Ich erwarte von der Bundesregierung
deutlich mehr Einsatz für die Kreativen .

Eine Chance lassen Sie gerade verstreichen, nämlich
beim Urhebervertragsrecht . Bundesjustizminister Maas
hat nach großen Ankündigungen am Ende nur Halb-
durchdachtes vorgelegt . Neuerdings scheint er auch
selbst nicht von seinem Entwurf überzeugt zu sein; das

Dr. Matthias Heider






(A) (C)



(B) (D)


hat er jedenfalls vorgestern bei einer Veranstaltung von
sich gegeben . Das verstehe ich .

Warum zum Beispiel hat er die Verbindlichkeit des
Schiedsverfahrens zur Aufstellung gemeinsamer Ver-
gütungsregeln, einen ganz wesentlichen Schritt für die
angemessene Vergütung von Autorinnen und Autoren,
nicht mit aufgenommen? Dabei war genau das einer der
wenigen Punkte, auf den sich alle Fraktionen damals bei
der Internet-Enquete-Kommission geeinigt haben . Das
müssen Sie mir einmal erklären .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Und auch sonst beim Urheberrecht – gähnende Lee-
re . Wo bleibt beispielsweise die versprochene Bildungs-
und Wissenschaftsschranke? Auch wichtig für die Au-
torinnen und Autoren war das jüngste Urteil des BGH
in Sachen Vogel gegen VG Wort . Danach haben Verlage
derzeit keinen Anspruch, an der Privatkopievergütung zu
partizipieren . Das bedroht vor allem kleine Verlage .

Wenn Verlage auch in Zukunft Ausschüttungen er-
halten sollen – natürlich nicht auf Kosten der Urheber –,
braucht das eine gesetzliche Regelung . Da reicht es nicht,
wenn sich die Bundesregierung sorgt und gesetzliche
Möglichkeiten prüfen will . Hier muss mit Nachdruck auf
nationaler und europäischer Ebene eine einvernehmliche
Lösung aller Beteiligten gefunden werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir sehen: Die Buchpreisbindung auf E-Books auszu-
dehnen, kann nur ein erster Schritt sein . Es gibt viel mehr
Handlungsbedarf, der von der Bundesregierung leider
regelmäßig ignoriert wird .

Wir müssen aber jetzt handeln: für die kulturelle Viel-
falt, für die Müllers und Kafkas von morgen, für diejeni-
gen, die in Kultur und Kreativität investieren . Es gibt viel
zu tun . Bitte ruhen Sie sich nicht auf diesem Gesetz aus .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Keine Sorge!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816716700

Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentari-

sche Staatssekretär Uwe Beckmeyer das Wort .

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1816716800


Herr Präsident, schönen Dank . – Herr Präsident! Mei-
ne sehr geehrten Damen und Herren! Zur Opposition ei-
nige Worte am Anfang: Wenn Sie das gut finden, sagen 
Sie das auch .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich doch! Habe ich!)


Und sagen Sie nicht immer das Gegenteil, Stichwort:
TTIP . Natürlich liegt uns allen die Kreativwirtschaft am
Herzen . Gerade in jüngerer Zeit hat sich enorm viel in

Deutschland auf diesem Felde getan . Hohe Anstrengun-
gen sind seitens der Bundesregierung unternommen wor-
den .

Bei vielen der großen Kulturveranstaltungen, etwa bei
der Berlinale, haben wir bewiesen und gezeigt, was al-
les aktuell zusätzlich gemacht wird . Das sollte man nicht
kleinreden .

Wir haben gemeinsam 2002 im Deutschen Bundestag
das Buchpreisbindungsgesetz beschlossen . Das war eine
große Tat . Wir erweitern sie vom normalen Buch auf das
digitale und übertragen sie . Digitale Versionen sind Sub-
stitute des Buches . Das muss man so sehen, so kategori-
sieren und im Gesetz schützen . Das ist unsere Aufgabe .
Das tun wir mit diesem Gesetzentwurf . Das haben wir
uns im Koalitionsvertrag vorgenommen . Es ist richtig,
dass wir das jetzt anpacken .

Insofern haben wir es mit einer Erfolgsgeschichte zu
tun, mit einer langen und über die Jahrhunderte gewach-
senen Erfolgsgeschichte des Buches . Wir haben es mit
einer rasanten Entwicklung des digitalen Bereiches, des
Internets in einer Dekade zu tun, die natürlich auch die
Gesellschaft erfasst hat .

Uns erscheint aber wichtig, dass wir auch diejenigen
erfassen, die von draußen mit dem Internet auf den deut-
schen Buchmarkt einwirken . Wir wollen diejenigen, die
über das Internet von außen versuchen, Digitales hier zu
veräußern, in die Buchpreisbindung hineinbringen . Denn
das ist auch ein entscheidender Punkt: Wir dürfen die
Wettbewerbsbedingungen am Ende des Tages nicht so
löchrig gestalten, dass von draußen am Ende der deut-
sche Buchhandel erneut unter Druck kommen kann . Das
ist eine klare Position .

Ich freue mich, dass hier im Deutschen Bundestag –
neben den etwas ablenkenden weiteren Anmerkungen –
am Ende doch eine große Übereinstimmung zu diesem
Thema besteht . Wir müssen auf das sich verändernde
Marktumfeld reagieren . Das tun wir hier . Insofern bin
ich froh, dass es jetzt zu einem Beschluss des Deutschen
Bundestages zu diesem Thema kommt .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816716900

Als Nächster spricht der Kollege Ansgar Heveling für

die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1816717000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Ein Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele“ –
diese schöne Weisheit des römischen Denkers Cicero ist
manchem von uns auch heute noch ein treuer Begleiter .
Dass der konkrete physikalische Raum immer mehr ei-
nem virtuellen Raumkonzept weichen würde und wir
Bücher einmal in digitaler Form lesen würden, konnte
Cicero vor über 2 000 Jahren wahrscheinlich nicht ah-
nen . Ebenso wenig war abzusehen, dass ein Computer,

Tabea Rößner






(A) (C)



(B) (D)


ein E-Book-Reader oder ein Tablet einmal genügen
würden, um den Inhalt einer ganzen Bibliothek in sich
aufzunehmen . Auch ich konnte mir lange nicht vorstel-
len, die Haptik eines Buches gegen ein Stück Plastik ein-
zutauschen . Die Lebensumstände eines MdB belehrten
mich bald eines Besseren, und so bin ich heute sehr froh,
gleich mehrere Bücher in so einem Stück Plastik mit mir
herumtragen zu können .

Auch Jorge Luis Borges, der legendäre argentinische
Bibliothekar und Schriftsteller, hat sich sicherlich nicht
gedacht, dass ein heutiger E-Book-Reader seiner unend-
lichen Bibliothek aus der fantastischen Kurzgeschichte
Die Bibliothek von Babel einmal so nahe kommen würde .

Noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Buch-
preisbindungsgesetzes 2002 war der Onlinehandel mit
Büchern vergleichsweise unbedeutend . Seit einigen Jah-
ren erfreuen sich jedoch E-Books in Deutschland einer
immer stärker werdenden Bedeutung . Mehr als jedes
20 . Buch wird hierzulande schon in digitaler Form ver-
kauft, Tendenz steigend . Aufgrund dieser wachsenden
Bedeutung von E-Books ist es dringend notwendig ge-
worden, die Buchpreisbindung jetzt endlich auf E-Books
auszuweiten . So können wir dem Buch als Kulturgut in
vollem Umfang den Schutz garantieren, der ihm 2002
durch das Buchpreisbindungsgesetz zuteilwurde .

Das Buchpreisbindungsgesetz  verpflichtet  die Verla-
ge, für ihre Bücher einen Preis festzusetzen . Die Händler
sind verpflichtet, diesen festgesetzten Preis einzuhalten. 
Das Gesetz garantiert auf diese Weise, dass Verlage sinn-
voll kalkulieren können . Es garantiert, dass Chancenge-
rechtigkeit zwischen großen und kleinen Buchhändlern
besteht, und es garantiert, dass sich Sortimentsbuchhand-
lungen über ein qualitativ hochwertiges Programm und
eine intensive persönliche Beratung weiterhin profilieren 
können .

Ohne die Preisbindung könnten vor allem Großabneh-
mer besonders günstige Einkaufspreise erzielen . Der Er-
folg eines Buches hängt schließlich ganz erheblich davon
ab, ob die führenden Großanbieter das Buch vertreiben .
Kleine Buchhandlungen dagegen könnten keine so güns-
tigen Einkaufspreise aushandeln . Ihre Marktmacht ist
schlichtweg zu klein . Wenn das Buch hier teurer ist als
dort, dann kaufe ich es natürlich da, wo es am günstigsten
ist, womöglich gleich online . Auch die Verlage müssten
dann kürzen . Die Quersubventionierung von Nischenbü-
chern, Nischentiteln würde erheblich erschwert . Letzt-
lich würde sich dann das Angebot immer weiter nur auf
Bestseller verengen . Amazon hat vor kurzem seine erste
Buchhandlung in Seattle eröffnet . Aus circa 5 000 Best-
sellern kann der Kunde auswählen . Exoten, spezielle Bü-
cher, wahrscheinlich die Kurzgeschichtensammlung von
Jorge Luis Borges findet man da nicht mehr.

Das Buchpreisbindungsgesetz dagegen garantiert
Vielfalt . Daher ist es nur konsequent, E-Books explizit
unter den Schutz der Buchpreisbindung zu stellen . Weil
wir das Buch als Kulturgut schützen wollen, sollen aber
nur bestimmte E-Books der Buchpreisbindung unterlie-
gen, nämlich solche, die überwiegend verlags- und buch-
handelstypisch sind, weil sie den Lesern dauerhaft ange-
boten werden . Nicht unter die Buchpreisbindung fallen

damit solche elektronischen Bücher, die die Autoren
selber unter Nutzung spezieller Plattformen veröffentli-
chen . Sie sind dann als nicht „verlags- und buchhandels-
typisch“ einzuordnen .

Die Buchpreisbindung wird auch Buchverkäufe aus
dem Ausland nach Deutschland erfassen . In Zeiten, in
denen man mit einem Mausklick Produkte aus aller Welt
bestellen kann, ist der grenzüberschreitende Handel mit
Büchern natürlich auch keine Ausnahme . Künftig knüpft
die Buchpreisbindung an den Verkauf der Bücher an ei-
nen Letztabnehmer in Deutschland, an . Die Einhaltung
der Buchpreisbindung wird nun unabhängig vom Sitz des
Verlages oder des Händlers geregelt . So können Umge-
hungen der Preisbindung wirkungsvoll und umfassend
auch im grenzüberschreitenden Handel ausgeschlossen
werden .

Zuletzt möchte ich noch kurz auf die bereits angespro-
chene Problematik eingehen, ob unzulässige Absatzför-
dermaßnahmen ausdrücklich per Gesetz verboten gehö-
ren . Dass große Buchhandlungen ihren Absatz in großem
Umfang durch Maßnahmen wie Kundenbindung durch
Gutscheine, Werbung mit Spenden oder sogenannte Af-
filiate-Programme fördern, ist augenfällig. Mit dem nun 
vorliegenden Gesetzentwurf bleibt es erst einmal bei
der bisherigen Praxis . Unzulässige Maßnahmen, durch
die die Preisbindung unterlaufen wird, können natürlich
durch Gerichtsentscheidungen unterbunden werden . Das
war schon immer so, und das wird auch so bleiben . Al-
lerdings ist die Rechtsprechung an diesen Stellen oftmals
uneinheitlich . Deswegen sollten wir uns vornehmen, die
Rechtsprechung auszuwerten und dann zu überlegen, ob
es nicht vielleicht doch notwendig ist, an anderer Stelle
auch explizite Verbote bestimmter Absatzfördermaßnah-
men auszusprechen, wenn sie nicht im Einklang mit dem
fairen Wettbewerb stehen .

Am 23 . April dieses Jahres, am vorvergangenen Sams-
tag, war der diesjährige UNESCO-Welttag des Buches .
So wie Cicero vor 2 000 Jahren noch nicht ahnen konnte,
wie man heutzutage Bücher liest, können auch wir nicht
vorhersehen, wie die Zukunft des Buches aussieht . Nur
eines ist gewiss: Bücher werden weiterhin gelesen . Sie
sind nach wie vor wesentlicher Treibstoff unserer Kul-
tur . Die Erweiterung des Buchpreisbindungsgesetzes
auf E-Books und die Klarstellung im Hinblick auf den
grenzüberschreitenden Buchverkauf sind wesentliche
Schritte zum Erhalt der literarischen Vielfalt auf dem
deutschen Buchmarkt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816717100

Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der

Kollege Siegmund Ehrmann, SPD .


(Beifall bei der SPD)



Siegmund Ehrmann (SPD):
Rede ID: ID1816717200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Auf Gutenberg wurde ver-

Ansgar Heveling






(A) (C)



(B) (D)


wiesen . In der Tat: Seine Revolution des Buchdruckes
Mitte des 15 . Jahrhunderts löste einen Megatrend aus .
Was passierte? Erstens wurde die exakte Reproduktion
von Texten möglich, zum Zweiten bekam die Autoren-
schaft einen besonderen Stellenwert, drittens veränderte
sich das Lesen, und viertens – das ist entscheidend – wur-
de das Wissen allgemein zugänglich .

Die Digitalisierung hat diesen Prozess in den letzten
Jahrzehnten enorm verdichtet und beschleunigt . Aber
wenn wir auf die letzten Jahrhunderte zurückblicken,
müssen wir feststellen: Dies war ein permanenter Pro-
zess, der jetzt wahrscheinlich einen Quantensprung er-
fahren hat . Doch die vier Säulen, die ich genannt habe –
Reproduktion, Autorenschaft, die Kunst des Lesens und
der Zugang zum Wissen –, sind geblieben . Sie gelten
nach wie vor als Herausforderungen und sind zu gewähr-
leisten .

Die Buchpreisbindung ist deshalb ein zentrales Instru-
ment, das Buch als Portal zum Wissen nicht nur ökono-
misch, sondern vor allem auch kulturpolitisch zu stärken
und zu schützen . Es wurde erwähnt: Bereits 1888 wurde
sie vertraglich vereinbart und 2002 dann europarechtlich
bzw . wettbewerbsrechtlich wasserdicht geregelt . Jetzt
folgt die Erweiterung auf E-Books und den grenzüber-
schreitenden Handel . Ich teile die Auffassung, die von
Ansgar Heveling, Herrn Ilgen und Dr . Heider vorge-
tragen wurde: Man darf diesen Rechtsrahmen auch aus
ordnungspolitischen Gründen nicht überladen . Das geht
nicht, auch wenn es an anderer Stelle Justierungsbedarf
gibt . Auch die unzulässige Absatzförderung wurde an-
gesprochen . Das müssen wir angehen, aber an anderer
Stelle . Das hier ist nicht der geeignete Ort .

Lassen Sie mich nun auf die ökonomischen Effekte
der Buchpreisbindung eingehen .

In unserem Land, in Deutschland, erzielt der Buch-
handel einen Umsatz von rund 9,3 Milliarden Euro im
Jahr . Im Vergleich dazu beträgt der Umsatz in Großbri-
tannien – das Land hat 64 Millionen Einwohner und da-
mit etwa 20 Millionen weniger als unser Land – circa
4 Milliarden Euro . Bei einer Gegenüberstellung stellt
man fest – der Buchmarkt in Großbritannien ist seit den
2000er-Jahren dereguliert –, dass innerhalb kürzester
Zeit etwa 1 800 Buchhandlungen dichtmachen mussten,
und auch die Vielzahl, die Breite der aufgelegten Titel ist
deutlich zurückgegangen . Deshalb muss der Blick nicht
nur auf die ökonomische Dimension, sondern insbeson-
dere auch auf die kulturpolitische Wirkung gerichtet sein .

Die Buchpreisbindung eröffnet Verlagen den Korri-
dor, Kostendeckungsbeiträge und vor allen Dingen auch
Gewinne zu erwirtschaften, sodass sie auch Risiken bzw .
Wagnisse eingehen und das Unbekannte, das Neue för-
dern können . Sie können junge Autoren aufbauen und
unterstützen, ihre Honorare finanzieren und sie im Markt 
etablieren – was in der Tat oft problematisch ist –, sodass
wir uns mit deren Impulsen auseinandersetzen können .


(Beifall des Abg . Matthias Ilgen [SPD])


Dieser Korridor bzw . diese Flugschneise ist kulturpoli-
tisch und ökonomisch also durchaus sehr wichtig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, in unserem Land dürfen
wir uns darüber freuen, dass wir etwa 6 750 Buchhand-
lungen haben . Gemessen an der Anzahl der Einwohner
ist das eine noch gesunde Struktur . Wenn wir genauer
hinsehen, müssen wir aber feststellen, dass es insbeson-
dere die kleinen, eigentümergeführten Buchhandlungen
schwer haben . Das ist nicht trivial . Sie stehen aufgrund
des Angebotes der großen Ketten und im Internet unter
Druck . Gleichwohl ist die Erreichbarkeit der Buchhand-
lungen in den jeweiligen Quartieren zur Grundversor-
gung gegeben .

Die Buchpreisbindung schützt die Buchbranche, aber
nicht den Heizer auf der E-Lok . In der Tat gibt es auch in
dieser Branche aufgrund der sinkenden Nachfrage nach
Büchern einen erheblichen Druck . Alternative Vertriebs-
wege stellen hier eine Herausforderung dar . Technische
Entwicklungen im Hinblick auf die Erstellung und den
Vertrieb sind offenkundig notwendig .

Darüber hinaus sind auch die Probleme der Refinan-
zierung für Verlage schon angesprochen worden .

Kurzum: Das ist ein guter und wichtiger Impuls aus
dem Koalitionsvertrag, umgesetzt durch das Wirtschafts-
ministerium . Wir sollten diesen Gesetzentwurf jetzt mög-
lichst schnell ins Bundesgesetzblatt bringen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816717300

Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt, und

ich schließe die Aussprache .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes . Der Aus-
schuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/8260, den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8043 in
der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um ein Handzeichen . – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in
zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke angenommen .

Wir kommen jetzt zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke angenommen .

Siegmund Ehrmann






(A) (C)



(B) (D)


Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 5 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Luise
Amtsberg, Manuel Sarrazin, Annalena Baerbock,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Flüchtlingsschutz und faire Verantwor-
tungsteilung in einer geeinten Europäischen
Union

Drucksache 18/8244
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung

Federführung strittig

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
dagegen erhebt sich keiner . Dann ist das so beschlossen .

Ich kann die Aussprache sofort eröffnen . Das Wort
zu Beginn der Debatte hat die Kollegin Katrin Göring-
Eckardt für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
liebe Kollegen! Rückblickend wird man das Jahr 2015
wahrscheinlich das Jahr der Geflüchteten nennen, nicht 
nur, weil viele Menschen nach Deutschland gekommen
sind, sondern weil so viele Menschen in Deutschland
eine Willkommenskultur an den Tag gelegt haben, mit
der wahrscheinlich niemand, auch ich nicht, in dieser Art
und Weise gerechnet hat . Auch im Nachhinein können
wir sagen: Darauf können wir wirklich stolz sein . Wir
können auch darauf stolz sein, dass diese Willkommens-
kultur bis heute anhält, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Spätestens seit dem Herbst begleiten uns dabei ständig
die Fragen: Wie können eine langfristige Lösung, ein Plan
aussehen? Wie kann man Aufnahme gut organisieren und
europäisch regulieren? Ja, es gab immer welche, die ge-
sagt haben: Wir schaffen das nicht . – Wir, das reichste
Land, das Land, dem es immer dann gutging, wenn es
keine Mauern und Zäune gebaut hat? Wie absurd!

Wie also soll es gehen? Die Antwort der Bundesregie-
rung kam nach den ersten geordneten Notfallmodi, und
sie ist leider nicht neu . Sie ist ein Abklatsch des alten
Dublin-Systems . Die Flüchtlinge sollen gar nicht erst
hierherkommen . – Das ist falsch . Das wird uns nicht wei-
terbringen . Das ist nicht zukunftsfähig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Früher konnte man die Flüchtlinge Griechenland über-
lassen . Als der Europäische Gerichtshof die Rückfüh-
rungen nach Griechenland wegen der dort herrschenden
inhumanen Bedingungen in den Lagern verbot, war für

die Flüchtlinge in Italien und Ungarn Endstation . Dann
standen die Menschen in Freilassing, Kiefersfelden und
Passau . Das war übrigens lange bevor die Bundeskanz-
lerin  die  Aufnahme  der  Geflüchteten  vom  Budapester 
Keleti-Bahnhof ermöglichte . An die genaue zeitliche Ab-
folge muss hier noch einmal erinnert werden, auch wenn
man an die Zukunft denkt und sich fragt: Geht es eigent-
lich so weiter wie im Moment, nämlich dass hier kaum
Menschen ankommen?

Jetzt soll die Türkei die Rolle des Landes, dem die
Menschen überlassen werden, spielen, sozusagen die äu-
ßerste Abwehrbastion . Über den Preis an Meinungs- und
Pressefreiheit, den Sie dafür bezahlen, haben wir hier
gestern gesprochen . Vielleicht kann, vielleicht muss man
sagen: Das einzig Positive an diesem Deal ist, dass es
zumindest den Ansatz einer europäischen Lösung gibt;
das will ich nicht kleinreden . Aber dieser Ansatz beträgt
genau 72 000 Plätze . Das ist lächerlich, meine Damen
und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Natürlich halten sich die Kriegsparteien nicht daran,
dass nur 72 000 Menschen verteilt werden . Völlig inak-
zeptabel ist und bleibt die Begrenzung auf syrische Ge-
flüchtete.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn ich jetzt lese, dass Tschechien die ersten sieben
Flüchtlinge aufnehmen will, dann weiß ich nicht mehr,
ob das zum Weinen oder zum Lachen ist .

Na klar, es war abzusehen: Die Fluchtrouten werden
verlagert . Die Menschen suchen sich neue Wege . Doch
Libyen – um ein Beispiel zu nennen – ist in vielfacher
Hinsicht noch viel unsicherer und ein noch viel schlech-
terer Ort als die Türkei . Wenn wir Fluchtbewegungen
einigermaßen planen wollen, dann müssen wir den Men-
schen zwei Dinge geben: erstens geregelte Perspektiven,
zweitens sichere Wege, statt sie fernhalten zu wollen .
Darauf kommt es jetzt an . Um genau solche Konzepte
müssen wir ringen . Keine Abschottung, sondern sichere
Wege und klare Planbarkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen legen wir Ihnen heute einen Antrag vor, um
zu zeigen, wie eine wirklich europäische Lösung ausse-
hen kann, eine europäische Lösung, mit der gesagt wird:
Ja, wir sind offen für Menschen, die hierherkommen
müssen und die keine Abschottungspolitik weitertreibt . –
Dazu verlangen wir akut und als Erstes die Umsetzung
des schon im September 2015 im EU-Rat gefassten
Beschlusses, insgesamt 160 000 Schutzsuchende auf
Grundlage einer gerechten Quote innerhalb der EU zu
verteilen


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und sie damit aus den überforderten Ländern Griechen-
land und Italien herauszuholen, insbesondere aus Idome-
ni . Es ist doch absurd, dass die Menschen immer noch
unter solchen Umständen leben müssen, obwohl bei uns

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünf-
te, Unterbringungsmöglichkeiten leer stehen und sogar
Bürgermeister und Landräte sagen: Meine Güte, wir sind
doch jetzt gut vorbereitet . Die Menschen sollen doch, bit-
te schön, hierherkommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Strukturell brauchen wir dringend eine Alternati-
ve zum gescheiterten Dublin-System, einen dauerhaf-
ten Mechanismus zur Verteilung von Schutzsuchenden
zwischen den Mitgliedstaaten . Das geht nur nach vorab
festgelegten solidarischen und gerechten Kriterien, die
natürlich auch die Präferenzen der Schutzsuchenden be-
rücksichtigen, wenn auch klar ist: Natürlich wird nicht
jeder und jede in sein Wunschland kommen können .

Eines, meine Damen und Herren, ist klar: Jeder Vor-
schlag, der im Prinzip die Beibehaltung des alten Dub-
lin-Systems beinhaltet, wird scheitern . Da hilft auch kein
nachgelagerter Fairnessmechanismus, wenn viele Men-
schen kommen . Dublin ist gescheitert . Es wird wieder
scheitern . Und jeder, der weiterhin so denkt, wird wieder
mit einer Überforderung der Situation in Europa zu rech-
nen haben . Und er wird wieder damit zu rechnen haben,
dass Menschen in äußerste Not kommen . Das können wir
nicht wollen . So kann man die europäischen Werte nicht
verteidigen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ja, wir brauchen einen dauerhaften Verteilmecha-
nismus – ich erwarte, dass sich die deutsche Bundesre-
gierung dafür einsetzt –, so etwas wie den Königsteiner
Schlüssel . Deutschland hat schließlich positive Erfahrun-
gen damit . Eine europaweite Verteilung wird aber selbst-
verständlich nur dann funktionieren, wenn alle Mitglied-
staaten ähnliche Standards haben und die Präferenzen der
Flüchtlinge in den Blick genommen werden . Das geht
mit einem starken, in allen EU-Staaten auch umgesetzten
Asylrecht mit einem einheitlichen EU-Flüchtlingsstatus .
Das geht, wenn dafür gesorgt wird, dass überall rechts-
staatliche  Verfahren  stattfinden,  dass  es  überall  faire 
Chancen auf Anerkennung und Integration gibt . Dafür
braucht es eine europäische Einrichtung zur Registrie-
rung, Versorgung und Umverteilung von Schutzsuchen-
den . Das sagen wir übrigens jetzt, obwohl wir da früher
anderer Meinung waren .

So etwas wie Hotspots kann funktionieren . Es kann
aber nicht funktionieren, wenn Hotspots quasi Gefängnis-
se sind, wo keine rechtsstaatlichen Verfahren stattfinden 
können, wo keine anständige Gerichtsbarkeit stattfinden 
kann und wo keine NGOs zur Beratung hineinkommen .
Deswegen: erst klare, deutliche Verabredungen über hu-
manitäre Standards in solchen Zentren und dann eine hu-
manitäre und echte Verteilung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich weiß wohl: Das, was
wir vorschlagen und was ich hier nur sehr kurz vortra-
gen kann, ist ambitioniert . Es wird auch nicht auf ein-
mal gehen . Wir müssen aber wissen, wohin es gehen soll
und wie es gemeinsam mit Europa gehen kann . Nur dann

können wir uns auch auf kleine Schritte einigen . Es müs-
sen aber die richtigen kleinen Schritte sein . Sie müssen in
die richtige Richtung gehen . Und das heißt: Ja, wir kön-
nen Menschen aufnehmen, wir werden sie aufnehmen,
wir werden sie gut aufnehmen – gemeinsam in Europa –,
und das Europa der Abschottung ist von gestern .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816717400

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Thorsten

Frei .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thorsten Frei (CDU):
Rede ID: ID1816717500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie-

be Frau Göring-Eckardt, ich frage mich wirklich, warum
Sie diese Rede hier im Deutschen Bundestag gehalten
haben . Wenn ich mir die Situation in Europa anschaue,
dann fällt mir vor allen Dingen eines auf, nämlich dass
sich eine Regierung, und zwar die deutsche Bundesregie-
rung und ganz namentlich die Bundeskanzlerin, mehr als
alle anderen dafür eingesetzt hat, dass das europäische
Problem der Migration von Flüchtlingen auch europäisch
gelöst wird .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das, was Sie als „kleine Schritte“ bezeichnet haben –
etwa das Abkommen zwischen der Europäischen Union
und der Türkei –, ist ja auf das Engagement von niemand
anderem als der Bundeskanzlerin zurückzuführen .


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schlimm genug!)


Deshalb frage ich mich, warum Sie dieses Engagement
bzw . diesen Einsatz nicht dort bringen, wo er tatsächlich
notwendig wäre .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meinen, ich soll in das ungarische Parlament gehen und dort reden?)


– Lassen Sie mich zunächst ein paar Sätze sagen . Dann
können Sie sie ja gerne kommentieren . – Denn es ist ja
beispielsweise so, dass es darum geht, für diese Aufgabe
eine gemeinsame Lösung zu finden. Ich glaube, wir sind 
da auf einem ganz guten Weg .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Nein, sind wir nicht! Überhaupt nicht!)


Man muss nur eben auch die Rahmenbedingungen
berücksichtigen . Deutschland ist schließlich nicht als ein
isoliert zu betrachtender Akteur auf internationaler Büh-
ne tätig, sondern wir hatten gerade in den letzten Wo-
chen und Monaten die Situation, dass 28 Mitgliedstaaten
und die Europäische Kommission jeweils Partikularinte-
ressen vertreten haben, dass nicht der einigende, inte-
grationsorientierte Geist prägend war, der eigentlich die
Europäische Union zusammenhalten sollte, sondern Ein-

Katrin Göring-Eckardt






(A) (C)



(B) (D)


zelinteressen . In einer solchen Situation ist es, glaube ich,
notwendig, diese zu überwinden, wieder zur Solidarität
zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass auch diejeni-
gen, die nicht unmittelbar selbst betroffen sind, tatsäch-
lich mit in die Überlegungen einbezogen werden . Genau
das war der Weg der Bundesregierung: eine Lösung nicht
nur für das eigene Land, für sich selbst zu finden, sondern 
für alle europäischen Länder, die davon betroffen sind .

Wenn ich genau in Ihren Antrag, der wenig Erhellen-
des und eigentlich nichts Neues beinhaltet, schaue, dann
fällt mir natürlich auf, dass darin durchaus sinnvolle Ak-
zente gesetzt werden .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Frei, Sie widersprechen sich!)


Ja, es ist richtig, dass wir diejenigen, die schutzsuchend
nach Europa kommen, aufnehmen . Dabei geht es um
Flüchtlinge, aber nicht um Arbeits- und Wirtschafts-
migranten . Da müssen wir, glaube ich, sehr genau un-
terscheiden . Hinsichtlich derer, die hierbleiben können,
brauchen wir auch eine angemessene Lastenverteilung in
Europa .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816717600


Herr Kollege Frei, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Baerbock?


Thorsten Frei (CDU):
Rede ID: ID1816717700


Ja, bitte schön .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank . – Herr Kollege Frei, wir haben jetzt ja
mehrfach betont, warum wir diesen Antrag stellen und
warum wir ihn hier eingebracht haben . Wir waren ges-
tern zusammen im Europaausschuss und hatten dort Ver-
treter des UNHCR zu Gast . Diese haben sehr deutlich
gemacht, dass es ein großes Problem gibt – das ist auch
der erste Punkt in unserem Antrag –, nämlich dass von
den 160 000 Menschen, für die die Umverteilung zuge-
sagt wurde, erst eine Handvoll verteilt wurde und dass
Deutschland nicht unter den vier Ländern ist, die eine
ihrer Quote entsprechende Zahl an Menschen aufgenom-
men haben .

Deswegen gebe ich die Frage, die wir auch im Aus-
schuss immer wieder thematisiert haben, an Sie als Ver-
treter einer der Regierungsfraktionen zurück . Wenn Sie
sagen, Sie wissen nicht, was Deutschland tun kann und
soll, frage ich Sie: Wie und wann werden Sie sich dafür
einsetzen, dass Deutschland die Menschen, für die die
Umverteilung aus Griechenland, zum Beispiel aus Ido-
meni, zugesagt wurde, aufnimmt, und warum bringen Sie
dazu keine eigenen Vorschläge auf den Weg?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Thorsten Frei (CDU):
Rede ID: ID1816717800

Zunächst einmal, Frau Kollegin Baerbock, ist es so,

dass Deutschland seine Zusagen auch bei diesem Thema
einhalten wird .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann? – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wie denn? Und wann vor allen Dingen?)


Aber ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass im
vergangenen Jahr, also 2015, 1,5 Millionen Flüchtlinge
nach Europa gekommen sind, und davon 1,1 Millionen
nach Deutschland . Sie, Frau Göring-Eckardt, haben
vorhin in Ihrer Rede gesagt, dass Griechenland und Ita-
lien überfordert seien . Sie sollten sich einmal die Ver-
gleichszahlen ansehen . Im vergangenen Jahr gab es in
Italien 60 000 Asylbewerber . Dieses Jahr sind bereits
28 000 Menschen in Italien angekommen . Diese Zahlen
zeigen jedenfalls, wo der Schwerpunkt der Aufnahme
von Flüchtlingen in Europa liegt . Deswegen ist Ihre Fra-
gestellung aus meiner Sicht falsch .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Jetzt möchte ich mit meiner Rede fortfahren und darauf
hinweisen, dass es natürlich am Ende des Tages einerseits
darum geht – das sind zwei Seiten einer Medaille –, dieje-
nigen zu schützen, die schutzbedürftig nach Europa kom-
men, und andererseits darum, sie in Europa gleichmäßig
und nach objektiven Kriterien zu verteilen . Das wird aber
nur dann gelingen, wenn wir eine Begrenzung, Reduzie-
rung, Steuerung und Ordnung der Migration nach Europa
hinbekommen . Anders wird dieses Ziel nicht erreichbar
sein . Deswegen war es richtig, internationale Abkommen
zu schließen und mehr für Grenzschutz aufzuwenden,
ganz im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrer Rede, Frau
Göring-Eckardt, gewünscht haben . Unter diesen Voraus-
setzungen wird es gelingen, die Aufgabe zu bewältigen .

Es geht doch – das ist ja vollkommen richtig – nicht
nur um die Balkanroute, es geht nicht nur um die Türkei
und um den Nahen und Mittleren Osten . Wenn man sich
vor Augen führt, dass allein in Libyen 1 bis 1,2 Millionen
Flüchtlinge auf gepackten Koffern sitzen, dass von den
60 Millionen weltweit Flüchtenden, von denen die UN
spricht, sich etwa ein Drittel auf dem afrikanischen Kon-
tinent befindet, dass die Bevölkerung in Afrika sich bis 
2050 auf mehr als 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln
wird und damit fünfmal größer sein wird als die Bevölke-
rung der Europäischen Union, dann wird doch klar, dass
man die Probleme nicht allein durch Aufnahme bewälti-
gen wird . Vielmehr muss es auch darum gehen, Fluchtur-
sachen zu bekämpfen .

Man muss also nicht nur sichere Wege nach Europa
schaffen, sondern vor allen Dingen auch in den Her-
kunftsländern helfen .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Aber das machen Sie doch nicht! Sie schaffen doch neue Fluchtursachen!)


Thorsten Frei






(A) (C)



(B) (D)


Und das tun wir, liebe Frau Vogler . Schauen Sie sich die
Geberkonferenz in London Anfang Februar an, bei der
9,7 Milliarden Euro gesammelt wurden und Deutschland
mit 2,3 Milliarden Euro der bilateral größte Geber war .
Schauen Sie sich an, dass wir nicht nur dafür sorgen, dass
die Ernährung in den Lagern rund um Syrien sicherge-
stellt ist, sondern auch dafür, dass Perspektiven für Bil-
dung, für Arbeit – Stichwort: Cash for Work – und für
Gesundheitsversorgung gegeben sind . Ich glaube, dass
unsere Politik exakt richtig ist . Und darüber hinaus müs-
sen Sie sehen, dass wir uns nicht nur in den Anrainerstaa-
ten Syriens engagieren, sondern beispielsweise mit der
Flüchtlingsfazilität an die Türkei auch einen eigenen An-
teil in Höhe von 430 Millionen Euro aufwenden . Exakt
das ist die Politik, die richtig ist, um die Herausforderun-
gen zu bewältigen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816717900

Kollege Frei, gestatten Sie noch eine weitere Zwi-

schenfrage, dieses Mal von der Kollegin Hänsel?


Thorsten Frei (CDU):
Rede ID: ID1816718000

Bitte schön .


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816718100

Danke schön, Herr Kollege Frei . – Ich will da noch

einmal nachhaken, weil Sie gerade auf das wichtig-
ste Thema zu sprechen gekommen sind, nämlich die
Bekämpfung der Fluchtursachen . Sie haben in diesem
Zusammenhang ja auch den afrikanischen Kontinent er-
wähnt . Aber Sie heben jetzt nur auf die Entwicklungspo-
litik ab und darauf, dass wir einige Projekte finanzieren. 
Sie müssen aber doch endlich die strukturellen Ursachen
angehen, derentwegen viele Menschen aus Afrika nach
Europa kommen . Sie kommen zum Beispiel wegen der
Perspektivlosigkeit, für die die Europäische Union mit
ihrer Handelspolitik verantwortlich ist . Dazu hört man
von Ihnen gar nichts, im Gegenteil . Jetzt, wo es um neue
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, eine Art TTIP für
Afrika geht, stimmt das Kabinett zu . Da machen Sie mit .
Sie betreiben den Handel wie bisher weiter . Es gibt keine
Initiative der Bundesregierung auf europäischer Ebene,
die zum Ziel hat, endlich eine gerechte Handelsstruktur
zu befördern, die Menschen eine Perspektive in ihren
Ländern bietet . Im Gegenteil: Durch europäischen Han-
del wird so viel zerstört . Warum ist das bei Ihnen kein
Thema?


(Beifall bei der LINKEN)



Thorsten Frei (CDU):
Rede ID: ID1816718200

Weil ich wahrscheinlich im Gegensatz zu Ihnen davon

überzeugt bin, dass Freihandel dazu führt, dass für alle
Beteiligten mehr Wertschöpfung, mehr Arbeitsplätze und
mehr Wohlstand entstehen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Frei!)


Das bringt mich zu einem weiteren Punkt im Antrag
der Grünen . So wird darauf eingegangen, dass es in den

kommenden zehn Jahren in Deutschland Wohlstandsver-
luste mit einem Volumen von 77 Milliarden Euro durch
Grenzkontrollen geben könnte . Es ist natürlich total un-
glaubwürdig, sich einerseits mit allen Möglichkeiten ge-
gen ein Freihandelsabkommen mit Nordamerika zu en-
gagieren und einzusetzen, wenn andererseits klar ist, dass
mit jeder Milliarde zusätzlichen Exports 5 000 bis 7 000
zusätzliche Arbeitsplätze entstehen . Das gilt grundsätz-
lich und ist immer richtig . Deswegen ist Freihandel, der
in einem ordentlichen Rahmen stattfindet, etwas Positi-
ves und Gutes, und zwar für alle Seiten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Punkt
eingehen, der mir im Antrag der Grünen ebenfalls unan-
genehm aufgefallen ist, nämlich die Forderung, dass die
Europäische Union die Mitgliedstaaten in den Bereichen
Kita, Ausbildung, Schule, Universitäten, Gesundheits-
versorgung, psychosoziale Versorgung etc . unterstützen
sollte .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Nein, es geht um folgenden Punkt: Jede Ebene hat ihre
Zuständigkeiten, und das, was Sie in Ihrem Antrag letzt-
lich fordern, ist ein bürokratisches Monstrum Europa .
Das wollen wir aber nicht . Wir wollen, dass sich Europa
um die wichtigen und entscheidenden Fragen kümmert .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesundheit gehört nicht dazu?)


Das geht nur, wenn man letztlich das Subsidiaritätsprin-
zip berücksichtigt, also dafür sorgt, dass Aufgaben, die
auf unterer Ebene anzusiedeln sind, dort auch erledigt
werden, egal ob auf kommunaler, regionaler oder na-
tionaler Ebene . Es ist richtig: Europa muss die großen
Fragen klären . Wenn es sich aber an den kleinen Fragen
verhebt und verschluckt, dann ist dem Ganzen ein Bären-
dienst erwiesen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816718300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816718400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke,

es ist sehr wichtig, dass wir heute hier über den euro-
päischen Flüchtlingsschutz sprechen; denn schauen wir
uns allein einmal die Situation in Griechenland an: Fast
60 000 Flüchtlinge sind dort in Elendslagern, in Hot-
spots, die Haftanstalten gleichen, eingesperrt . Es fehlt
dort an allem: an Lebensmitteln, an vernünftigen Unter-
künften, an Medizin . Man kann wirklich sagen, an allem .
Angesichts dessen ist es wirklich nur zynisch, Herr Kol-
lege Frei, wenn Sie hier einfach mal so lapidar darüber

Thorsten Frei






(A) (C)



(B) (D)


hinweggehen und sagen, dass wir hier eigentlich alles tun
würden . Ich glaube, wir tun eben nicht alles .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können nicht die Augen verschließen und beispiels-
weise zulassen, dass man über 10 000 Flüchtlinge an der
griechisch-mazedonischen Grenze, in Idomeni, allein
lässt, keine Hilfe organisiert und sich immer wieder da-
rauf zurückzieht, doch lieber Abschottungspolitik zu be-
treiben . Nichts anderes tun Sie eigentlich .

Die Kritik an genau dieser Abschottungspolitik ist
völlig berechtigt . Sie haben in den vergangenen Wochen
und Monaten alle möglichen Abschottungsmaßnahmen
vorgenommen: EU-Grenzschutzmaßnahmen wurden
immer weiter ausgebaut; Militärmissionen sorgen jetzt
dafür, dass Flüchtlinge nicht mehr auf die europäische
Seite kommen; es gibt keine legalen Fluchtwege . Aber
wenn es darum geht, wirklich humanitäre Wege für die
Flüchtlinge aufzuzeigen, dann machen Sie einfach dicht
und verschließen die Augen . Das werden wir so nicht
hinnehmen .


(Beifall bei der LINKEN)


Das Schlimme ist ja: Deswegen, weil beispielsweise
die Westbalkanroute dicht ist, sind die Flüchtlinge auf
noch gefährlichere Wege angewiesen . Allein 181 000
Flüchtlinge sind in diesem Jahr nach Europa gekommen .
Über 1 200 sind nach Angaben der Internationalen Orga-
nisation für Migration bereits auf dem Weg nach Europa
ums Leben gekommen . Die Dunkelziffer ist wahrschein-
lich noch viel höher . Ursache dafür ist die EU-Abschot-
tungspolitik, die unter dem Deckmantel der Schleuser-
bekämpfung stattfindet. Tatsache ist allerdings, dass Sie 
damit, dass jetzt wieder die gefährlicheren Wege benutzt
werden müssen, Schleuser wieder mobilisiert haben und
es wieder ein Geschäft für sie geworden ist, die Geflüch-
teten in kleine Boote zu setzen . Das ist wirklich ein Skan-
dal; das wissen Sie auch ganz genau .


(Beifall bei der LINKEN)


In diesem Zusammenhang will ich hier noch einmal
die Frage aufwerfen: Wo ist eigentlich die Seenotrettung
für Flüchtlinge?


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja!)


Das ist immer wieder dann ein Thema, wenn Flüchtlinge
ertrinken . Nirgendwo sehe ich eine einzige Initiative, bei
der die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot für Europa
wirklich Priorität hätte . Nein, es wird immer weiter auf-
gerüstet, in Frontex, in die Grenzschutzbehörden inves-
tiert, und es wird sogar über die Beschneidung der Sou-
veränitätsrechte der EU-Staaten nachgedacht, damit man
eingreifen kann, zum Beispiel in Griechenland . Anstatt
weiter abzuschotten, sollten Sie endlich in die Seenot-
rettung investieren, damit das Mittelmeer nicht weiter zu
einem Massengrab für Flüchtlinge wird, meine Damen
und Herren .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Türkei-Deal wurde bereits angesprochen . Auch
hierzu möchte noch einmal ganz deutlich sagen: Sie dea-
len mit einem Land, das Flüchtlinge von Europa fernhal-
ten soll und selbst die Menschenrechte mit Füßen tritt .


(Beifall des Abg . Alexander Ulrich [DIE LINKE])


Der türkische Präsident Erdogan schafft jeden Tag neue
Fluchtursachen – jeden Tag . Das zeigen zum Beispiel der
Krieg gegen die Kurden im eigenen Land wie auch die
Unterstützung des „Islamischen Staats“ in Syrien . Wir
wissen, dass weiterhin Waffen dorthin geliefert werden,
und Sie wissen es auch . Trotzdem wird dieser EU-Ab-
schiebepakt weiterhin betrieben, auch von der Bundes-
regierung, insbesondere von Frau Merkel, die am letz-
ten Wochenende in der Türkei war und nicht ein Wort,
nicht einen Satz zu den Menschenrechtsverletzungen in
der Türkei übrig hatte. Ich finde das wirklich einfach nur 
beschämend .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage hier noch einmal ganz klar, auch weil es eben
erneut um Gelder ging: Die EU wird Erdogan 6 Milliar-
den Euro in den Rachen schmeißen . Ich frage hier wie-
der: Warum kriegen das nicht die internationalen Flücht-
lingsorganisationen, also die, die Flüchtlingen wirklich
helfen können – UNHCR, Ärzte ohne Grenzen usw .?
Man könnte hier viele dieser Organisationen aufzählen .
Es ist doch völlig undurchsichtig, was Erdogan mit die-
sen 6 Milliarden Euro machen wird . Wahrscheinlich wird
er vor allen Dingen sein eigenes Militär aufrüsten . Auch
das finden wir völlig falsch.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein weiterer Punkt, der uns auch sehr wichtig ist: Der
türkische Ministerpräsident hat ganz klar angekündigt,
man werde nur Syrer aufnehmen; alle anderen würden
in ihre Herkunftsländer abgeschoben . Was bedeutet das
zum Beispiel für Leute aus Afghanistan, dem Iran, So-
malia, Eritrea? Haben die kein Recht auf Asyl? Es ist
wirklich ein Skandal, dass man das einfach so hinnimmt


(Beifall bei der LINKEN)


und dass man auch in Europa nicht mehr bereit ist, da-
rüber zu diskutieren, wie die Menschen, die aus diesen
Ländern geflohen sind, hier ein angemessenes Asylver-
fahren bekommen können .

Das Ganze geht ja noch weiter . Sie sind ja schon wie-
der beim nächsten Punkt . Die EU plant zum Beispiel, mit
Libyen bei der Flüchtlingsabwehr zusammenzuarbei-
ten – mit einem Land, in dem man sich nicht auf eine
Regierung einigen kann, in dem sich Warlords und Isla-
mistenverbände gegenseitig bekriegen . Da fragt man sich
doch wirklich: Wo sind eigentlich die europäischen, wo
sind demokratische Werte geblieben, wenn man mit sol-
chen Ländern verhandelt, um Flüchtlinge abzuwehren?
Da plant man ja jetzt ähnliche Deals wie den mit der Tür-
kei . Auch hier versucht man also, eine Abschottungsfront
aufzubauen .

Ulla Jelpke






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816718500

Frau Kollegin Jelpke, darf ich Sie an die vereinbarte

Redezeit erinnern?


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816718600

Ja, ich komme zum Ende . – Flüchtlingsschutz und

Fluchtursachenbekämpfung sind das Wichtigste, was
hier wirklich geschehen muss . Dazu gehören natürlich
sehr viele Punkte, die wir hier auch immer wieder ange-
schnitten haben .

Ich will zum Schluss noch sagen: Die Linke teilt viele
Punkte des grünen Antrags, aber viele Punkte auch nicht .
Wir werden sicherlich eine interessante Debatte darü-
ber haben . Insgesamt begrüßen wir, dass wir über dieses
Thema hier weiter diskutieren . Die Linke wird auch mit
eigenen Anträgen dafür sorgen, dass das so weitergeht .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816718700

Ich darf den Hinweis geben, dass es sich bei den ver-

einbarten Redezeiten nicht um ungefähre Richtwerte
handelt, sondern um Vereinbarungen zwischen den Par-
lamentarischen Geschäftsführern .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg . Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Jetzt hat das Wort der Kollege Sebastian Hartmann für
die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1816718800

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herrn! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Europa muss endlich anerkennen, dass es ein Ein-
wanderungskontinent ist .

So der deutsche Sozialdemokrat und Präsident des Eu-
ropäischen Parlaments, Martin Schulz, im Oktober des
Jahres 2013 .

Seitdem sind viele Monate vergangen, und Europa hat
sich gewandelt . Deutschland hat einen enormen Beitrag
zur Bewältigung der Flüchtlingsströme und der Migrati-
on in Europa geleistet . Da muss Deutschland sich nicht
verstecken, sondern wir können selbstbewusst auftreten .
Wir als deutsche Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
kraten sind stolz darauf, dass wir immer wieder eingefor-
dert haben – deswegen sind wir für diesen Debattenbei-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dankbar –, dass
Zusammengehöriges zusammen behandelt wird . Wir
müssen einerseits internationale Lösungen anstreben,
wenn es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen –
auch da werden wir Einigkeit hier im Plenum herstellen
und streben dabei vor allem europäische Lösungen an –,
weil wir eine Herausforderung, die international ist, na-
tional nicht bewältigen können . Andererseits müssen wir
als reiches, starkes, liberales, weltoffenes Deutschland

insbesondere national unsere Verantwortung wahrneh-
men . Das haben wir, glaube ich, im vergangenen Jahr,
2015, wie kein anderes europäisches Land selbstbewusst
getan . Hierauf können wir stolz sein, meine Damen und
Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen .

Insofern sage ich auch: Es ist ein Debattenbeitrag .
Vieles von dem, was formuliert worden ist, kommt uns
sehr bekannt vor . Wir sind gemeinsam dafür eingetreten,
dass man zum Beispiel einen europäischen Verteilme-
chanismus findet und anwendet, weil wir  denken: Hier 
kann Europa gemeinsam gut vorangehen . Zum anderen
ist uns aber auch bewusst, dass gerade in dieser Bewäh-
rungsprobe Europas nicht jedes Land so gehandelt hat .
Das muss man als reicher, als starker Kontinent selbst-
kritisch eingestehen . Aber auch hier kann Deutschland
wiederum vorangehen und seine internationale Verant-
wortung wahrnehmen, und wir tun das .

Deswegen werden wir fraktionsübergreifend im wei-
teren Fortgang der Debatte zu einzelnen Punkten aus
dem Antrag sagen können: Das übernehmen wir . Das ist
unsere Auffassung . Das sehen wir genauso . Da haben die
Grünen etwas aufgeschrieben, was hier im Plenum schon
lange Konsens war . Über andere Punkte wird man sich
streiten müssen .

An dieser Stelle muss man dann aber auch sagen: Ja,
die Türkei ist ein Schlüsselland, wenn es darum geht, vor
allen Dingen das Schlepperunwesen zu bekämpfen . Wir
beklagen, dass es im Mittelmeer zu tragischen Unglü-
cken kommt, die niemanden kaltlassen . Jeder einzelne
Flüchtling, der auf einer dieser Routen ertrunken ist, ob
es nun eine Verlagerungsroute ist oder nicht, ist einer zu
viel, liebe Kolleginnen und Kollegen . Ich glaube, es darf
hier nicht darum gehen, nachzuweisen, wer derjenige ist,
der am besten dagegen vorgeht . Vielmehr ist das etwas,
wo wir hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemein-
sam etwas zu erreichen versuchen .


(Beifall bei der SPD)


Aber wir müssen auch handeln .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wo bleibt denn die Seenotrettung?)


– Frau Kollegin Jelpke, Sie haben zugesagt, dass Sie mir
sehr genau zuhören werden .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Seenotrettung ist das Stichwort!)


Ich habe Ihnen auch zugehört . Zu dem, was Sie formu-
liert haben, muss man, glaube ich, sehr deutlich sagen:
Das Geld, das die EU gemeinsam gibt, wird nicht im
türkischen Haushalt versickern . Auch hier wird Europa
gemeinsam handeln, indem wir über die EU-Programme
dafür sorgen, dass das Geld bei denen in der Türkei an-
kommt, die es benötigen, nämlich bei den Flüchtlingen,
und zwar zu ihrer Versorgung vor Ort . Darauf werden wir
als Große Koalition hier im Haus achten; das können wir
auch gemeinsam tun .


(Beifall bei der SPD)


Es würde, glaube ich, dieser Debatte nicht gerecht, ein-
fach eine solche pauschale Behauptung aufzustellen .






(A) (C)



(B) (D)


Sollte es uns gelingen, ist es allerdings auch eine Be-
währungsprobe Europas . Wir haben dann bewiesen, dass
es einen Nukleus, einen Kern, gibt, bei dem wir uns als
Europäerinnen und Europäer gemeinsam darauf verstän-
digen, handeln zu wollen . Das ist etwas, was überfällig
ist . Deswegen werden wir diesen Antrag in den zuständi-
gen Ausschüssen entsprechend beraten .

Ich glaube, dass ein Punkt von uns Deutschen bewusst
auf die europäische Ebene der Debatte gehoben werden
kann: Das ist der Aufbau einer Integrationsstruktur in den
Mitgliedstaaten . Deutschland geht hier voran . Wir wer-
den ein Integrationsgesetz beschließen, das nach der ers-
ten schnellen Versorgung der Menschen greift, die in un-
ser Land gekommen sind . Es sind übrigens viel mehr als
in allen anderen Ländern . Wir sind unserer Verantwor-
tung im Jahr 2015 gerecht geworden . Wir tun das auch
im Jahr 2016 . Aber wir können auch hier als Deutschland
vorangehen, indem wir das Integrationsgesetz beschlie-
ßen, indem wir Integration in unserem Staat organisieren
und belegen, dass aus dieser Herausforderung der Flücht-
lingskrise eine echte Chance für unser Gemeinwesen, für
unsere Gesellschaft werden kann und darüber hinaus sich
auch Europa positiv bewähren kann .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816718900

Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Andrea

Lindholz .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1816719000

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was uns
alle sicher eint, ist, dass wir gemeinsam an einer europä-
ischen Lösung arbeiten und dass wir alle seit Monaten
auch eine gemeinsame europäische Lösung einfordern .

Wir haben in den vergangenen Monaten in unserem
Land nicht nur eine große Hilfsbereitschaft erlebt, son-
dern wir haben auch eigene Grenzen in unserem Land,
in unseren Kommunen erkannt und gesehen, dass es
nicht möglich ist, jedes Jahr über 1 Million Menschen in
Deutschland aufzunehmen und zu integrieren . Das, was
die Menschen in unserem Land aktuell sehr beschäftigt,
ist die Frage, wie Integration gelingen kann, und hierauf
müssen wir Antworten finden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihr Antrag erweckt für mich den Eindruck, Europa
sei  hilflos,  die  Fluchtursachen  seien  zu  gewaltig,  die 
Flüchtlinge zu viele, Grenzen solle und könne man nicht
schützen . Zentrale Aspekte der Flüchtlingskrise wie die
Fragen: „Wer hat bei uns eine Bleibeperspektive? Wa-
rum kommen eigentlich die Menschen zu uns? Welche
verschiedenen Fluchtursachen gibt es?“, die Frage der
Rückführung sowie Einreisebedingungen spielen keine
Rolle . Vielmehr wollen Sie das, was wir in den vergange-
nen Monaten erreicht haben, abschaffen: Das Abkommen

mit der Türkei soll gekündigt werden, die Balkanroute
wieder geöffnet und das Konzept der sicheren Herkunfts-
staaten aufgelöst werden .

Aus meiner Sicht schüren Sie mit Ihrem Antrag vor
allen Dingen falsche Hoffnungen; denn kein Land dieser
Welt – weder Deutschland noch ganz Europa – kann alle
Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen . Ihr Antrag würde
uns in das letzte Jahr zurückwerfen, als die Asylsyste-
me in Schweden, in Österreich und auch bei uns durch
die unkontrollierte Migration schlicht und ergreifend fast
kollabiert sind .

Eine europäische Lösung hat also auch zur Folge,
dass ich Grenzen kontrolliere, dass ich Grenzen sichere
und dass ich Kontingente bilde und damit auch nicht alle
Menschen aufnehmen kann . Das Hauptaugenmerk soll-
ten wir auf die Hilfe vor Ort und auf die Anrainerstaa-
ten legen und nicht den Eindruck erwecken, man könne
durch – in Anführungszeichen – „sichere Fluchtwege“
allen Flüchtlingen dieser Welt die Möglichkeit geben, zu
uns zu kommen . Das halte ich für falsch .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816719100

Frau Kollegin Lindholz, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Dr . Brantner?


Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1816719200

Ja .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin Lindholz, ich frage mich, ob Sie den
Antrag gelesen haben, da Sie hier von offenen Grenzen
sprechen . Ich möchte Sie einmal fragen, was Sie von
unserem Vorschlag eines gemeinsamen europäischen
Grenzschutzes halten, wo wir präzise aufzeigen, wie wir
Grenzkontrollen gestalten wollen . Keiner von uns sagt:
„Alle Grenzen auf“, sondern wir sagen: „Polizeilich,
rechtlich, mit gutem humanitären Maßstab“ . Vielleicht
können Sie sich dazu äußern, anstatt hier populistisch
irgendetwas zu erzählen, was in unserem Antrag nicht
drinsteht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht hat sie ihn nicht gelesen! Das ist wie in der Schule!)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1816719300

Sehr geehrte Frau Kollegin, die Europäische Gemein-

schaft arbeitet gerade an diesem System . Die Einrichtung
von Hotspots, die ja von Ihnen gerade wieder kritisiert
worden ist, ist genau so ein System, um Kontrolle an den
Außengrenzen herbeizuführen,


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören tun Sie auch nicht!)


Sebastian Hartmann






(A) (C)



(B) (D)


und das vermisse ich in Ihrem Antrag ganz klar .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Also nicht gelesen!)


– Selbstverständlich habe ich Ihren Antrag gelesen .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Den muss man auch nicht lesen! – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht verstanden! Das ist natürlich bedauerlich!)


Unabhängig davon, ob man ihn lesen muss oder nicht
lesen muss, habe ich ihn natürlich gelesen, Frau Kolle-
gin . Das, was Sie fordern – zum Beispiel, dass wir die
Balkanroute wieder öffnen –, würde auch dazu führen,
dass wir, solange der Schutz der Außengrenzen nicht
hundertprozentig funktioniert, wieder eine unkontrollier-
te Durchreise bis nach Deutschland hätten .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)


Liebe Frau Kollegin, ich bin nach wie vor der Auffas-
sung, dass wir uns das kein zweites Mal mehr leisten
können, und ich glaube, mit dieser Auffassung stehe ich
nicht alleine da .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816719400

Frau Kollegin Lindholz, gestatten Sie eine weitere

Zwischenfrage, diesmal der Kollegin Amtsberg?


(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist kein Dialog!)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1816719500

Bitte schön .


Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816719600

Das ist sehr freundlich, Frau Kollegin, dass Sie die

Frage zulassen .

Sie haben ausgeführt, die Überforderung Europas und
die sozusagen fehlende Perspektive seien die Gründe da-
für, dass wir in diesem Jahr oder auch in den kommenden
Jahren nicht ähnlich viele Menschen aufnehmen könn-
ten . Grund für das Versagen des europäischen Systems
ist ja das Dublin-System, das die Staaten an den Außen-
grenzen sozusagen mit der Verantwortung alleinlässt .
Eine Insel wie Lesbos zum Beispiel, die über 1 Million
Flüchtlinge durchleiten muss, und ganze Asylsysteme,
die überfrachtet sind: Das alles ist sozusagen auf dieses
Dublin-System zurückzuführen .

Nun halten die Bundesregierung und die regierungs-
tragenden Fraktionen weiter an diesem System fest . Was
sagen Sie denn konkret zu dem Vorschlag, den wir in
unserem Antrag gemacht haben? Wir wollen ja für eine
Verteilung in Europa sorgen, indem wir Erstaufnahme-
einrichtungen an den europäischen Außengrenzen auf-
bauen, um dort Menschen aufzunehmen und gerecht in
der Europäischen Union zu verteilen,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das sind doch die Hotspots!)


damit die Menschen nicht mehr auf sich selbst gestellt in
Europa unterwegs sind, irgendwo stranden und in huma-
nitär schwierigen Situationen länger ausharren, wie bei-
spielsweise jetzt in Idomeni oder auch an anderen Statio-
nen der Westbalkanroute . Das würde mich interessieren .

Darüber hinaus sollten wir uns doch dieser Frage stel-
len, weil wir uns hier ja alle als Europäer und Europäe-
rinnen verstehen . Eine Stärkung der europäischen Insti-
tutionen wäre durchaus möglich, wenn wir es schaffen
würden, mehr Verantwortung in europäische Hände zu
geben und zum Beispiel Organisationen wie EASO oder
auch die Grundrechteagentur, die ja sogar für diese Zwe-
cke angedacht waren, endlich in die Verantwortung zu
nehmen . Mit dieser Situation würden wir Europa sozusa-
gen stark machen und nicht schwächen und es als aktiven
Teil und Akteur an dieser Stelle  in die Pflicht nehmen. 
Wie stehen Sie zu diesen Vorschlägen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1816719700

Ich habe fast den Eindruck, Frau Kollegin, dass die

letzten Monate irgendwie an Ihnen vorbeigegangen sind .
Wenn einer die gerechte Verteilung innerhalb Europas
befürwortet hat, dann waren es insbesondere die Bundes-
kanzlerin und auch die Bundesregierung .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen doch Dublin!)


Ich gehe davon aus, dass auch Ihnen die Verhandlun-
gen in Europa bekannt sind . Nur: Wir sind nicht alleine
in Europa . Die Kommission hat genau zwei Optionen
vorgeschlagen, um das Dublin-System zu reformieren,
und zwar entweder einen festen Verteilungsschlüssel ein-
zuführen oder eine Art Notfallmechanismus einzusetzen,
wenn Länder wie zum Beispiel Griechenland oder Italien
überfordert sind .

Aber das alles Entscheidende für eine solche Lösung
ist die Einigung innerhalb Europas .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wofür stehen Sie persönlich, Frau Lindholz?)


An dieser Einigung arbeitet die Kommission aktuell .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie?)


Wir haben das gestern auch im Europaausschuss gehört .
Natürlich brauchen wir eine gerechte Verteilung inner-
halb Europas . Solange sich Europa aber noch nicht auf
eine Änderung des bestehenden Dublin-Systems geeinigt
hat, halten wir am Dublin-System fest unter der Voraus-
setzung, dass das Dublin-System unter unserer Mitwir-
kung verändert wird .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dublin ist gescheitert, hat die Kanzlerin gesagt! Frau Merkel hat gesagt: Dublin ist gescheitert!)


Ich bin aber nicht dafür, dass wir das Dublin-System ein-
seitig aussetzen . Ich glaube, wir haben mit der Aufnah-
me von über 1,1 Millionen Menschen gezeigt, dass wir

Andrea Lindholz






(A) (C)



(B) (D)


unsere Verantwortung trotz des Dublin-Systems wahr-
nehmen . Wir müssen uns dafür einsetzen, dass es hier in
Europa eine andere, eine gerechte Verteilung gibt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vielleicht müssen wir aber auch einmal zur Kenntnis
nehmen, dass andere europäische Länder andere Vorstel-
lungen von Flüchtlingspolitik haben . Es ist auch unsere
Aufgabe, dafür zu sorgen, dass man zu einem einheitli-
chen Denken kommt und Einigungen erzielt . Hier genügt
es nicht, wenn wir parteiübergreifend im Deutschen Bun-
destag glauben, dass wir anderen Ländern vorschreiben
können, wie Flüchtlingspolitik zu funktionieren hat .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass das gel-
tende Asylrecht in der Europäischen Union konsequent
umgesetzt wird, dass es reformiert wird und dass alle in
Europa an einem Strang ziehen . Hierfür müssen Verfah-
ren, Fristen und Regeln so ausgestaltet werden, dass sie
auch von allen eingehalten werden . Dazu gehören im
Übrigen eine lückenlose Registrierung und damit auch
Grenzkontrollen an den europäischen Grenzen, aber auch
in Deutschland; denn wir müssen wissen, wer nach Eu-
ropa und wer nach Deutschland kommt . Darauf müssen
wir Wert legen . Wir können es nicht so handhaben, wie es
in den letzten Monaten teilweise der Fall war . Die Men-
schen in unserem Land erwarten das im Übrigen auch
von unserer Asylpolitik .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es kann doch nicht sein, dass die Flüchtlinge selber
bestimmen, in welches Land sie gehen . Europa ist dafür
zuständig, für eine Verteilung zu sorgen und zu sagen,
wer mit welchem Kontingent in welches Land kommt .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Beweis, dass Sie den Antrag nicht gelesen haben! Das ist unglaublich!)


In dieser Woche habe ich im Europaausschuss den
portugiesischen Außenminister gehört . Auf die explizite
Frage – die Portugiesen könnten noch mehr Flüchtlinge
aufnehmen, aber zurzeit kommen die Flüchtlinge noch
nicht nach Europa –, wie er sich vorstellt, die Flüchtlinge
zu sich zu holen, hat er gesagt: Er hätte gerne Flüchtlin-
ge, die in der Wirtschaft arbeiten . Er hätte gerne Flücht-
linge, die Studenten sind, und er hätte gerne Flüchtlinge,
die sich in der Ausbildung befinden und in Portugal die 
Ausbildung beenden können . – Wenn so europäische
Flüchtlingspolitik aussieht, dann muss ich sagen: Was
landet dann am Ende in Deutschland, wenn alle anderen
meinen, sie könnten sich nur die Rosinen herauspicken?
Daran müssen wir arbeiten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen hat die Bundesregierung schon im
Jahr 2014 mit Kontingenten syrische Flüchtlinge nach
Deutschland geholt . Sie ist mit gutem Beispiel vorange-
gangen . Die anderen europäischen Länder sind diesem
Beispiel nicht gefolgt . Wir sind in Deutschland nun in
einer Situation angekommen, in der wir kein Wunsch-

konzert haben, sondern in der wir uns mit der Realpolitik
befassen müssen . Realpolitik heißt: Wir können dieses
Jahr nicht wieder 1,1 Millionen Menschen aufnehmen .
Wir müssen klar unterscheiden, wer eine Bleibeperspek-
tive hat und wer keine Bleibeperspektive hat . In die Län-
der, von denen wir sagen, dass die Menschen, die von
dort kommen, keine Bleibeperspektive haben, müssen
wir genauso deutliche Signale senden wie in die Län-
der, von denen wir sehr wohl sagen, dass hier weiterhin
eine Aufnahme erfolgt, zum Beispiel bei den syrischen
Flüchtlingen .

Wir brauchen auch die Vereinbarung mit der Türkei,
auch wenn sie jedem von uns nicht zu 100 Prozent an-
genehm ist . Wir können die Türkei, die über 2 Millio-
nen Menschen aufgenommen hat, nicht alleinlassen, die
Anrainerstaaten im Übrigen ebenso wenig . Wir können
auch nicht sagen, dass wir in bestimmten Ländern mit
keinem Verantwortlichen reden, weil wir in dieser Welt
keine vernünftige Flüchtlingspolitik umsetzen könnten,
wenn wir einzelne Gesprächspartner ablehnen würden .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat ja auch keiner gesagt!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816719800

Der Kollege Norbert Spinrath spricht als Nächster für

die SPD .


Norbert Spinrath (SPD):
Rede ID: ID1816719900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Kom-
mission hat mit ihren Vorschlägen zur Reformierung des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems offen bekannt,
was inzwischen eine Binsenweisheit ist: Das Dublin-Sys-
tem ist gescheitert .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Ehrlichkeit halber und auch mit einer gewissen De-
mut sollten wir einräumen, dass auch wir dies vor nicht
allzu langer Zeit noch anders gesehen haben . Es war ja
auch zu schön für uns als ein Land ohne EU-Außengren-
zen . Die Verantwortung für Asylbegehren von Menschen,
die vor Krieg und Vertreibung fliehen, liegt gemäß Dub-
lin allein bei den Ländern der Ersteinreise . Deutschland
war aus dem Schneider . Die erste große Flüchtlingskrise
hat dieses System weggefegt; es ist nicht mehr zu halten .
Wenn wir noch einmal ehrlich sind: Es war intellektuell
eigentlich nie zu rechtfertigen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die EU-Kommission will stattdessen nun eine ge-
meinsame und geteilte Verantwortung schaffen . In der
ersten Variante schlägt sie eine eher moderate Fortent-
wicklung vor . Dabei bliebe es beim Grundprinzip von
Dublin . Es würde um einen Notfallmechanismus für
den Fall ergänzt, dass Schutzbedürftige in hoher Zahl in

Andrea Lindholz






(A) (C)



(B) (D)


einem Land ankommen sollten . Nach der zweiten, sehr
umfassenden Variante wären Flüchtlinge grundsätzlich
auf alle Mitgliedstaaten zu verteilen, nicht nur in Kri-
sensituationen . Die SPD-Fraktion befürwortet – so wie
die Bundesregierung – den zweiten, umfassenden Re-
formansatz . Aber die Reaktionen im Ministerrat auf den
Vorschlag  fielen,  vorsichtig  gesagt,  gemischt  aus.  Nur 
wenige teilen den grundsätzlichen Reformansatz . Eine
größere Anzahl von Mitgliedstaaten plädiert für die Fort-
entwicklungsvariante, andere wiederum verneinen sogar,
dass das Dublin-System gescheitert ist . So macht man
Politik entlang der eigenen Interessen .

Ich glaube nicht, dass die Kommission wirklich über-
rascht war . Sie will aber jetzt, wo die Umsetzung der
EU-Türkei-Erklärung – zwar schleppend, aber immer-
hin – anläuft, ein Reformfenster öffnen . Sie will die Rich-
tung zeigen, in die sich die Diskussion entwickeln soll .
Sie will zeigen, wie aus der Summe von unterschiedli-
chen Maßnahmen ein Gemeinsames Europäisches Asyl-
system entstehen kann, das unseren gemeinsamen euro-
päischen Werten entspricht, unserer Verantwortung für
unsere Nachbarschaft gerecht wird und auch die eigenen
Interessen bedient .

Zu diesem ganzheitlichen Ansatz gehört die Hilfe für
von Krieg, Vertreibung oder existenzieller Not betroffene
Menschen so nah wie möglich an ihrer Herkunftsregion .
Zu diesem Ansatz gehört die Bekämpfung der Flucht-
ursachen . Dazu gehört ein Grenzschutzsystem, das die
Mitgliedstaaten mit Außengrenzen bei der Erfüllung der
Aufgabe unterstützt, den Zugang zu kontrollieren, ohne
sich dabei abzuschotten . Das will ich wiederholen: Mir
geht es darum, dass wir Grenzschutzsysteme verstärken,
um einen kontrollierten Zugang zu ermöglichen . Die
Verstärkung von Grenzschutzsystemen darf nicht dazu
dienen, die Grenzen abzudichten und Europa zu einer
Festung auszubauen .


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Ansatz
gehört es aber auch, legale Wege für schutzbedürftige
Flüchtlinge nach Europa zu eröffnen und eine faire Las-
tenteilung, sowohl finanziell als auch bei der Aufnahme 
von Flüchtlingen, zwischen den Mitgliedstaaten zu ga-
rantieren . All dies gehört zusammen .

Auch die beginnende Implementierung der EU-Tür-
kei-Erklärung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu
einer gemeinsamen europäischen Lösung . Sie zeigt uns,
dass Kontrolle möglich ist, ohne den Zugang zu Asyl zu
verhindern . Aber die Erfolgsaussichten sind fragil . Beide
Seiten, die Türkei wie die EU – das sage ich ganz be-
wusst –, müssen mehr für eine tatsächliche Umsetzung
tun . Aufseiten der EU muss endlich die Umsiedlung von
Flüchtlingen aus der Türkei erfolgen . Es reicht nicht,
72 Menschen aufzunehmen, wenn eine Eins-zu-eins-
Rücknahme zugesagt ist .

Frau Jelpke, ich glaube, Sie haben sich Informations-
quellen bedient, die auf Ihrer Linie lagen . Sie sollten
vielleicht alles lesen . Dann hätten Sie auch zur Kenntnis
genommen, dass die Türkei inzwischen nicht nur Flücht-
linge aus Syrien aufnimmt, sondern auch aus anderen
Staaten . Auch das ist Teil der Vereinbarung .

Die Regierung der Türkei – das sage ich mit allem
Nachdruck – muss auch im Interesse ihrer eigenen Be-
völkerung endlich begreifen, dass die Achtung der Men-
schenrechte und der Grundfreiheiten elementarer Be-
standteil einer modernen Demokratie ist und dass diese
für uns nicht verhandelbar sind, auch nicht zur Durchset-
zung eines solchen sogenannten Deals .

Zwischen den Mitgliedstaaten wurde ein Verteilungs-
schlüssel für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Tür-
kei vereinbart, aber auch bei diesem Verteilungsschlüssel
spielen einige Mitgliedstaaten nicht mit . Dabei ist es ein
Irrglaube, dass es allein ein deutsches Problem sei, den
Flüchtlingen menschenwürdig zu helfen . Wir müssen
eine gemeinsame europäische Lösung finden. Es dürfen 
sich nicht immer mehr Mitgliedstaaten abschotten und
Kontrollen an den Binnengrenzen einführen . Das hätte
negative Folgen für jeden einzelnen Mitgliedstaat . Nicht
nur der Binnenmarkt würde erheblich gestört, auch die
Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums wäre dahin .
Damit wäre das für die Bürgerinnen und Bürger wichtig-
ste und sichtbarste Zeichen der europäischen Integration
Vergangenheit .

Es steht viel auf dem Spiel . Wir brauchen eine ge-
meinsame Lösung . Die Kommission geht mutige und
engagierte Schritte . Sie hat Rechtsakte angekündigt .
Nach meiner Überzeugung kann man es aber nicht bei
den angekündigten Vorschlägen belassen . Wir brauchen
vielmehr weitere Maßnahmen, um zu einer unverzichtba-
ren, allumfassenden gemeinschaftlichen Lösung zu kom-
men . Dazu gehören die Verlagerung der Aufgaben auf die
Kommission, die Finanzierung aller Flüchtlingskosten
aus dem EU-Haushalt, die Schaffung von vergleichbaren
Standards für Asylverfahren und bei Anerkennungsquo-
ten und von vergleichbaren Standards auch in Bezug auf
die Lebensbedingungen der Neuankömmlinge ebenso
wie bei der Integration und bei den Chancen auf einen
fairen Zugang zu Bildung und Arbeit .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist noch viel Überzeugungsarbeit bei unseren europäi-
schen Partnern zu leisten . Lassen Sie uns das gemeinsam
angehen; denn wir alle wollen doch die beste Lösung fin-
den .

Herr Präsident, ich komme zum Ende . – Wir müssen
den Schutzbedürftigen helfen . Ich glaube, am Ende wer-
den auch die Zweifler erkennen, dass die Menschen, die 
auf Zeit oder auf Dauer zu uns kommen, ein Zugewinn
für unsere gesamte Gesellschaft sind, und zwar überall
in Europa .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816720000

Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der

Kollege Dr . Christoph Bergner für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Norbert Spinrath






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1816720100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

Göring-Eckardt, fast hätte ich mich bei Ihnen bedankt,
dass Sie mit Ihrer Antragsinitiative die Mitteilung der
Europäischen Kommission zur Reform des Asylsystems
hier im Bundestag thematisieren und dass Sie Beziehun-
gen zu einer Debatte auf europäischer Ebene herstellen,
die stattgefunden hat; denn Ihre Fraktion hat im Euro-
päischen Parlament einen Antrag eingebracht, der Ihrem
Antrag, den Sie heute hier vorlegen, im Übrigen sehr
ähnlich ist .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Logisch!)


Aber im Grunde genommen haben wir die üblichen Pau-
schalreden erlebt, die sich in dem Lob der Willkommens-
kultur und dem Geißeln von Abgrenzung und Abschot-
tung erschöpft haben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte dring-
lich appellieren, dass wir uns der vor uns liegenden Auf-
gabe etwas ernsthafter stellen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!)


Es besteht die dringende Notwendigkeit, das Gemeinsa-
me Europäische Asylsystem zu reformieren, und dies ist
weiß Gott keine einfache Aufgabe .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte daher beispielhaft Bezug nehmen auf ein Pro-
blem, das mich in den letzten Monaten besonders umge-
trieben hat .

Der Vizepräsident der EU-Kommission Timmermans
hat bei der Vorstellung des Kommissionsberichts gesagt:
Die Flüchtlingskrise hat die Schwächen des bestehen-
den europäischen Asylsystems offengelegt . Ich würde
ergänzen: Die Flüchtlingskrise hat im vergangenen Jahr
eine tiefe Kluft innerhalb der Mitgliedstaaten gerissen,
insbesondere was die östlichen Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union angeht . Während der luxemburgischen
Ratspräsidentschaft hat Außenminister Asselborn den
Ministerpräsidenten Ungarns, Orban, mit Kim Il-sung
verglichen, weil er die EU-Außengrenze schützte . Orban
hat sich revanchiert mit dem Vorwurf, die deutsche
Flüchtlingspolitik sei ein Zeichen eines moralischen Im-
perialismus . Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir sind
die Beitrittsstaaten der Jahre 2004, 2007 und 2013 viel zu
wichtig, als dass mich diese Kluft, die hier aufgegangen
ist, nicht umtreibt .

Ich habe zahllose Gespräche in unterschiedlichen
Gremien und auf unterschiedlichen Podien geführt und
muss sagen: Wir haben mindestens zwei Problemkreise,
mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben . Zum ei-
nen ist da der Umstand – das ist der erste Komplex –,
den ein slowakischer Kollege in einem Gespräch mit mir
so charakterisiert hat – das war im November vergange-
nen Jahres –: Stell dir vor, der Lebensstandard und das
Wirtschaftsniveau wären in allen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union so wie in der Slowakei oder in Ru-
mänien . Glaubst du, dass es eine Migrationskrise gäbe?
Glaubst du, dass die Zahl der Migranten so hoch wäre

wie die, mit der wir uns im Moment auseinanderzuset-
zen haben? – Ich konnte ihm eigentlich nicht mit großer
Überzeugung widersprechen .

Das ist das eine Problem, mit dem wir uns auseinan-
derzusetzen haben . Europa ist für viele bedrückte Men-
schen dieser Erde verständlicherweise ein Sehnsuchtsort .
Doch das ist eine diffuse Umschreibung . Dahinter stehen
konkrete  Sehnsuchtsorte,  häufig  Deutschland.  Deshalb 
ist jede Möglichkeit einer Umverteilung, einer Reloca-
tion, die die Kommission mit Variante zwei richtigerwei-
se vorschlägt – Herr Spinrath, da gebe ich Ihnen recht –,
mit ausgesprochen großen Schwierigkeiten verbunden .
Wie wollen wir Sekundärmigration verhindern, wenn
Leute einem Land wie Rumänien zugeteilt werden, in
dem die Hilfen für Asylbewerber etwa 10 Prozent der
Hilfen für Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutsch-
land ausmachen?


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Aufnahmebedingungen! Gleiche Standards! Dafür müssen Sie doch kämpfen wollen!)


Glauben wir wirklich, dass wir die von der Kommis-
sion vorgeschlagenen einheitlichen Hilfsmaßstäbe errei-
chen können? Im Ergebnis würde doch der Hilfssatz für
Flüchtlinge in Rumänien weit über dem Mindestlohn im
Land liegen .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht der Punkt! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Standards!)


Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen,
mit denen wir umgehen müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie falsch verstanden!)


Die Kommission schlägt vor, dass wir gewissermaßen
verbindliche  Residenzpflichten  einführen.  Wie  wollen 
wir das mit unserem Verständnis von Freiheit vereinba-
ren? Diese Punkte würde ich gerne thematisieren . Damit
müssen wir uns beschäftigen .

Der zweite Komplex, um den es bei dem Verhältnis zu
den östlichen Mitgliedstaaten geht, ist die unterschiedli-
che Sichtweise auf das Flüchtlingsproblem .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816720200


Herr Kollege Bergner, gestatten Sie zum Ende Ih-
rer Redezeit noch eine Zwischenfrage der Kollegin
Amtsberg?


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1816720300


Sehr gern, wenn ich danach noch wenigstens zwei
Sätze sagen darf .






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816720400

Die zwei Sätze sind zugestanden .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist gefährlich! Das kenne ich!)



Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816720500

Lieber Herr Kollege Bergner, Sie haben viel darüber

gesprochen, welche Antworten wir als Grünenfraktion
in unserem Antrag nicht liefern und welche unserer Ant-
worten falsch sind . Sie haben auch viel über die fehlen-
den Antworten der Kommission gesprochen, und Sie ha-
ben viel über die fehlende Bereitschaft gesprochen, sich
dieser Frage in Europa zuzuwenden .

Ich frage Sie jetzt ganz konkret: Was sind Ihrer Auf-
fassung nach die nächsten dringlichen Schritte, um zu ei-
ner europäischen Flüchtlingspolitik zu kommen? Welche
konkreten Maßnahmen wünschen sich die regierungstra-
genden Fraktionen, vornehmlich natürlich Ihre Fraktion,
auch von der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung,
um wieder zu einem gemeinsam getragenen europäi-
schen Asylsystem zu kommen? Oder bleibt es allein bei
der Kritik?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1816720600

Frau Kollegin, ich kann an das anknüpfen, was die

Kollegin Lindholz gesagt hat: Solange wir keine neue
Regelung haben, muss das bestehende Recht gelten . Das
ist eine ziemlich klare Sache . Ein rechtloser Zustand ist
immer schlechter als ein Zustand mit einem – zugege-
ben – unzureichenden Recht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens . Sie können uns von den regierungstragen-
den Fraktionen doch nicht den Vorwurf machen, und der
Bundeskanzlerin am wenigsten, dass wir nicht wirklich
alles darangesetzt haben, eine gemeinsame Lösung zu
finden. 


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht Blick zurück! Nach vorne! Wie geht es weiter?)


Ich kann als Antwort auf Ihre Frage nur an Sie appel-
lieren: Das, was wir als Antwort gefunden haben und
was nicht anders als über ein Abkommen mit der Türkei
möglich ist, sollten Sie nicht ständig diskreditieren . Sie
sollten nicht ständig von einem Türkei-Deal, von einem
Kniefall vor Erdogan usw . sprechen .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage!)


Das ist die einzige Chance einer wirklich europäischen
Lösung gewesen . Dies sollten auch Sie akzeptieren .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine uneuropäische Lösung!)


Die Schwierigkeit, mit der wir es zu tun haben, besteht
darin, dass wir es in Europa – das macht sich an der Slo-
wakei und an Ungarn fest – mit zwei ganz unterschied-
lichen und hart aufeinandertreffenden gegensätzlichen
Narrativen zu tun haben . Orban spricht von Völkerwan-
derung; wir sprechen von Willkommenskultur . Das sind
zwei einander völlig ausschließende Narrative . Ich selbst
suche nach Möglichkeiten, wie man hier – denn als Euro-
päer brauchen wir den Konsens – zu einer Verständigung
kommen kann .

Die Ackermann-Gemeinde hat in Brünn ein Dialog-
forum über die Frage veranstaltet, wie viel Vielfalt un-
sere Gesellschaften vertragen . Ein Student von der Ma-
saryk-Universität sagte am Schluss seines Beitrages zu
dieser Frage – Herr Präsident, mit dem Zitat würde ich
gern schließen –: Man kann auf diese Frage mit einem
billigen Hurra-Optimismus reagieren, der aber nichts löst
und dem Ernst der Lage nicht angemessen ist . Man kann
sich auch schadenfroh über die Political Correctness und
über das Versagen der Multikultigesellschaft lustig ma-
chen . Doch muss dem, der diesen Weg gehen will, ei-
nes klar sein, und zwar, dass er sich unterwegs schnell in
einer Gesellschaft wiederfindet, die  ihn mehr und mehr 
dazu drängen wird, sich die Lustigkeit und die Schaden-
freude ganz abzugewöhnen .

Meine Damen und Herren, das ist die Schwierigkeit,
wie ich sie fühle, und so möchte ich an Sie appellieren,
dass wir den Weg der Verständigung trotz sehr gegen-
sätzlicher Meinungen zu dieser Frage in Europa suchen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816720700

Das war jetzt noch ein ausführlicher letzter Satz . Da-

mit ist die Aussprache beendet .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/8244 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Über die Federfüh-
rung herrscht Uneinigkeit .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schade!)


Deshalb werden wir darüber abstimmen . Die Fraktionen
von CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim
Innenausschuss . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
wünscht die Federführung beim Ausschuss für die Ange-
legenheiten der Europäischen Union .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört sich irgendwie logisch an!)


Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungs-
vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, also Fe-
derführung beim Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wäre ja logisch!)







(A) (C)



(B) (D)


Wer für diesen Überweisungsvorschlag stimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen?


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Darf ich bei der CDU/CSU-Fraktion nachfragen, ob es
Stimmen für die Überweisung an den Europaausschuss
gab?


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Noch einmal abstimmen!)


Wir machen es also noch einmal ganz korrekt . Wer für
den Überweisungsvorschlag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen, also Federführung beim Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union, stimmt, den
bitte ich jetzt um das Handzeichen . – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Damit ist folgendes Ergebnis
festzustellen: Dieser Überweisungsvorschlag ist abge-
lehnt


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


mit einer ganz überwältigenden Mehrheit der Stimmen
von CDU/CSU – es gab nur eine abweichende Stimme –


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nein! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwei!)


– zwei Stimmen – und SPD gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke . Das
ändert aber nichts am Ergebnis, oder gibt es einen Zwei-
fel dazu?


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ja!)


– Wird der Zweifel wirklich vorgetragen?

Jetzt stimmen wir ab über den Überweisungsvor-
schlag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, also
Federführung beim Innenausschuss . Wer stimmt für
diesen Überweisungsvorschlag, Federführung beim In-
nenausschuss? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit stelle ich Folgendes fest: Dieser Überwei-
sungsvorschlag ist nach gutem Überblick von hier oben
angenommen mit den Stimmen der CDU/CSU, mit den
überwiegenden Stimmen der SPD gegen die Stimmen
von Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und
zwei Stimmen bei der Fraktion der CDU/CSU . Damit ist
also dieser Überweisungsvorschlag angenommen .

Damit kommen wir jetzt zu Tagesordnungspunkt 12,
den ich hiermit aufrufe:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU
über die kollektive Wahrnehmung von Urhe-
ber- und verwandten Schutzrechten und die
Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte
an Musikwerken für die Online-Nutzung im
Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfah-
rens betreffend die Geräte- und Speicherme-

(VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)


Drucksachen 18/7223, 18/7453

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/8268

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
höre ich keinen . Dann ist das somit beschlossen .

Deshalb eröffne ich auch die Aussprache und erteile
als erstem Redner dem Kollegen Christian Flisek für die
SPD das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1816720800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegin-

nen und Kollegen! Wir beraten heute einen Gesetzent-
wurf, der den neuen Rechtsrahmen für die Verwertungs-
gesellschaften in Deutschland bildet . Vielleicht genießen
Verwertungsgesellschaften in der breiten Bevölkerung
nicht gerade den besten Ruf . Ich denke, das liegt manch-
mal in der Natur der Sache, treten sie doch zumeist dann
auf, wenn sie Geld einfordern, wenn sie Geld haben wol-
len . Damit ist ihr Image vielleicht eher dem des Finanz-
amts vergleichbar .

Aber die Gelder, die diese Verwertungsgesellschaf-
ten einsammeln, sind Vergütungen für die Nutzung ur-
heberrechtlich geschützter Werke . Das Geld, das diese
Verwertungsgesellschaften einsammeln, sammeln sie als
Treuhänder ein, um es an die Berechtigten, an die Ur-
heber auszukehren . Diese Vergütungen stellen damit den
gerechten Lohn für die Arbeit vieler kreativer Menschen
in unserem Land dar .

Es geht um eine ganze Menge Geld . Die 13 Verwer-
tungsgesellschaften, die in Deutschland tätig sind und
vom Deutschen Patent- und Markenamt beaufsichtigt
werden, sammelten allein im Jahr 2013 mehr als 1,3 Mil-
liarden Euro ein . Deswegen, denke ich, ist es gleich zu
Beginn der Debatte sehr wichtig, festzustellen, dass Ver-
wertungsgesellschaften in unserem Land ein wichtiger
Faktor in der Kulturlandschaft sind . Sie sind auch eine
wichtige Säule der deutschen Kreativwirtschaft .

Verwertungsgesellschaften sorgen dafür, dass Rechte
gebündelt werden . Ein Radiosender müsste – das kann
man sich angesichts des ganzen Programms, das er je-
den Tag abspielt, leicht vor Augen führen – bei jedem
einzelnen Künstler oder bei jedem einzelnen Verleger
anfragen, ob er eine Lizenz für diesen Song bekommt .
Das wäre sehr aufwendig . Die Transaktionskosten, also
die Kosten, diese Rechte zu erwerben, wären sehr hoch .
Das Verfahren wäre fast zu kompliziert . Das erleichtern
Verwertungsgesellschaften, indem sie in ihren Portfolios
diese Rechte bündeln und entsprechend anbieten . Sie ge-
währen damit auch eine erhebliche Rechtssicherheit, weil
jeder, der eine Verwertungsgesellschaft als Vertragspart-
ner hat, weiß, dass er hier wirklich valide Rechte erwirbt .

Verwertungsgesellschaften sorgen dafür, dass Urheber
und Rechteinhaber an ihr Geld kommen . Ich betone noch

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


einmal: Für viele Kreative – das sind nicht nur die gro-
ßen Popstars oder die bekannten Künstler, sondern auch
die vielen, vielen weniger bekannten Kreativen, die in
unserer Landschaft tätig sind – sind Einnahmen aus den
Verwertungsgesellschaften mittlerweile ein verlässlicher
und planbarer Bestandteil ihres Einkommens .

Die deutschen Verwertungsgesellschaften sind leis-
tungsfähig; aber wie überall ändert sich auch ihr Arbeits-
umfeld teilweise drastisch . So entsteht ein europäischer
Binnenmarkt . Es entsteht sogar ein digitaler europäischer
Binnenmarkt; die Kommission ist da sehr hinterher . In
Zeiten der Digitalisierung ist für Content, also für krea-
tive Inhalte, mittlerweile natürlich ein globaler digitaler
Markt entstanden . Deswegen ist es notwendig, dass wir
unsere Verwertungsgesellschaften wettbewerbsfähig hal-
ten . Das tun wir, indem wir ihnen einen wettbewerbsfä-
higen Rechtsrahmen an die Hand geben .

Im Titel des Gesetzentwurfes ist von der Umsetzung
der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie die Rede . Ich
möchte sagen: Diese Überschrift ist ein bisschen zu
kurz gesprungen; denn die Koalition setzt nicht nur eine
EU-Richtlinie um . Wir nutzen vielmehr die Gelegen-
heit der Umsetzung dieser Richtlinie, um das Wahrneh-
mungsrecht – wenn Sie so wollen: das Grundgesetz für
die Verwertungsgesellschaften – nach nunmehr mehr als
50 Jahren auf eine komplett neue Grundlage zu stellen,
indem wir das Verwertungsgesellschaftengesetz jetzt neu
aufsetzen. Aus der Pflicht wird gewissermaßen eine Kür. 
Das markiert durchaus auch eine rechtspolitische Zäsur .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, dem Bundes-
ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem
Bundesminister Heiko Maas und dem hier anwesenden
Parlamentarischen Staatssekretär Lange, aber ausdrück-
lich auch allen Mitarbeitern im Urheberrechtsreferat zu
danken . Die Vorlage, die aus dem Ministerium kam, war
schon ein sehr gelungener Entwurf . Wir haben im par-
lamentarischen Verfahren noch zahlreiche Änderungen
vorgenommen; aber das Ganze fand immer in einer sehr
konstruktiven Atmosphäre statt . Mein Dank gilt genauso
den Kolleginnen und Kollegen von der Union, die das
Ganze mit uns verhandelt haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, es ist klar, dass ein Ge-
setz, bei dem es um so viel Geld geht, nicht frei von In-
teressenkonflikten ist. Deswegen haben wir von Anfang 
an einen intensiven Dialog mit allen Beteiligten geführt
und viele Anregungen aufgegriffen . Eines der großen
Schlachtfelder, wenn ich das so bezeichnen darf, waren
sicherlich die Regelungen zur Privatkopievergütung und
zu der Frage, wie die Verfahrensregelungen zur Gerä-
teabgabe in Zukunft ausgestaltet sein sollen .

Man muss sich eines klarmachen: Das Urheberrecht
schützt natürlich die Kreativen; aber es dient auch den
Nutzern . Jeder Nutzer darf von legal erworbenen Werk-
stücken Privatkopien anfertigen; das wissen die meisten
Menschen . Was die meisten Menschen allerdings nicht
wissen, ist, dass sie auf die Geräte, die sie dafür benut-
zen – USB-Stick, Computer oder Smartphone –, eigent-

lich eine Abgabe zahlen müssen . Sie selber zahlen sie
aber  nicht,  sondern  abgabeverpflichtet  sind  die  Impor-
teure, die Hersteller . Das ist auch gut so .

Ich sage es einmal so: Wir haben in den letzten Jahren
festgestellt, dass wir über die Frage, ob eine solche Abga-
be zu zahlen ist, keinen Streit hatten . Aber wir hatten sehr
oft Streit über die Frage, wie hoch die Vergütung sein
soll . Zu diesem Thema gab es zum Teil sehr langwierige
Gerichtsverfahren . Das Ganze war der Tatsache geschul-
det, dass die Beteiligten nach dem Alles-oder-nichts-
Prinzip vorgingen: Solange nicht klar war, wie hoch die
Vergütung am Ende wirklich sein soll, hat man gar nichts
gezahlt . Das war ein sehr unbefriedigender Zustand .

Im Koalitionsvertrag war eigentlich eine Hinterlegung
vorgesehen . Ich bin froh, dass wir davon Abstand ge-
nommen haben, weil eine Hinterlegung den abgabever-
pflichteten Unternehmen unnötig Geld entziehen würde, 
ohne direkt an die Begünstigten zu fließen; es würde ir-
gendwo hinterlegt . Wir sind zu einer Sicherheitsleistung
übergegangen, haben im parlamentarischen Verfahren
aber dafür gesorgt, dass Anreize gesetzt werden, damit
sich die Beteiligten möglichst schnell einigen, sei es über
Interimsvereinbarungen – das ist der Weg, den wir am
liebsten hätten –, sei es über angemessene Teilzahlungen .
Wenn einer dieser beiden Wege beschritten wird, dann
bedarf es noch nicht einmal einer Sicherheitsleistung . Ich
glaube, das ist eine gute Lösung . Wir werden beobachten,
wie die Praxis dieses Verfahren aufnimmt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich füge hinzu: Wir werden auch an dem Verfahren
selber noch Hand anlegen . Wir werden bei nächster Ge-
legenheit dafür sorgen, dass das Feststellungsverfahren
gestrafft wird . Wir sind der Auffassung, dass es in Zu-
kunft  ein  zweistufiges Verfahren  geben  sollte,  bei  dem 
in erster Instanz das Bundespatentgericht und in zweiter
Instanz der Bundesgerichtshof zuständig ist . Das ist al-
lerdings nicht so einfach, weil wir dafür das Grundge-
setz ändern müssen; denn Artikel 96 des Grundgesetzes
bedarf hier einer kleinen Änderung . Das werden wir bei
nächster Gelegenheit tun, und auch das wird ein Beitrag
zur Straffung des Verfahrens sein .

Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung
zu diesem Gesetzentwurf und auch um Zustimmung zu
dem Entschließungsantrag der Koalition . Weil meine
Zeit hier jetzt langsam abgelaufen ist, gehe ich davon
aus, dass spätestens der Kollege Dr . Heck auch noch ein-
mal Stellung zu diesem Entschließungsantrag nehmen
und sagen wird, was wir darüber denken .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er muss ja zehn Minuten füllen! – Gegenruf des Abg . Dr . Volker Ullrich [CDU/ CSU]: Das kann er!)


Ich glaube, angesichts des in der letzten Woche beim
BGH ergangenen Vogel-Urteils haben wir auch hier
Handlungsbedarf .

Dieser Gesetzentwurf ist ein guter Gesetzentwurf .
Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf, aber auch dem Ent-
schließungsantrag der Koalition zu!

Christian Flisek






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816720900

Herr Kollege Flisek, Ihre Zeit war nicht abgelaufen,

allenfalls Ihre Redezeit .


(Christian Flisek [SPD]: Herzlichen Dank!)


Als Nächster spricht jetzt der Kollege Harald Petzold
für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816721000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf
den Besuchertribünen! Wir sprechen heute zum zweiten
Mal binnen weniger Wochen über einen Gesetzentwurf
zur Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richt-
linie der Europäischen Union . Der Kollege Flisek hat
richtigerweise darauf hingewiesen, dass sich die Verwer-
tungsgesellschaften zumindest teilweise keiner großen
Beliebtheit erfreuen .

Ich habe im Internet das Beispiel eines jungen, bislang
noch unbekannten Musikers gefunden, der auf seiner ei-
genen Internetseite seine eigenen Musiktitel bewerben
wollte und sich dachte, dass die Leute seine Musik hören
können müssen, um seine eigene Bekanntheit zu stei-
gern . Also hat er dafür gesorgt, dass das geht .

Er musste dann mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen:
Dumm gelaufen! Kurz vorher hatte er diese Titel nämlich
bei der GEMA angemeldet, und nun kam die GEMA und
wollte von ihm Gebühren dafür haben, dass er seine eige-
nen Titel auf seiner Internetseite veröffentlicht hat . Diese
Gebühren waren so hoch, dass er sie sich nicht leisten
konnte . Sein bitteres Fazit war, dass er als unbekannter
Künstler bei der GEMA keine Chance hat . Ich zitiere:
„Die Großen kassieren dafür umso fetter ab .“

Wenn Sie mir nicht glauben, dann kann ich Ihnen die
Links, die das belegen, zur Verfügung stellen . Ich denke,
wenn wir ein Gesetz machen, das so etwas ermöglicht,
dann machen wir kein gutes Gesetz;


(Beifall bei der LINKEN)


denn die Richtlinie, die wir heute hier umsetzen sollen,
soll den Künstlerinnen und Künstler doch eigentlich
nützlich sein,


(Christian Flisek [SPD]: Ja, das ist es!)


und das gilt gerade auch für solche jungen Künstlerin-
nen und Künstler und nicht nur für die Ralf Siegels und
Dieter Bohlens dieser Welt .

Ich sage mir: Es kann doch nicht sein, dass so ein jun-
ger Musiker aufgrund der Richtlinien der GEMA keine
Chance hat . Sein Problem ist nicht, dass Gebühren be-
zahlt werden müssen, aber eigentlich ist die GEMA ja
dafür da, dass er Geld verdienen kann, und er sollte da-
rüber mitbestimmen können, in welcher Höhe Gebühren
erhoben werden und in welcher Höhe er verdienen kann .

Genau das kann er nach der jetzigen Satzung der GEMA
eben nicht .

Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute beschließen
sollen, zementieren Sie einen vordemokratischen Zu-
stand, auch wenn Sie sagen, dass Sie das Verwertungs-
recht nach 50 Jahren jetzt auf völlig neue Füße stellen
wollen . Diese vordemokratischen Regelungen bei der
GEMA, die Sie zementieren, trennen zum Beispiel zwi-
schen Mitgliedern und Berechtigten . Weil der junge
Mann noch keinen hohen Jahresumsatz hat, ist er eben
nur ein Berechtigter, und er hat keine Chance, über die
Tarife und die Ausschüttungen mitbestimmen zu können .

Diesen Zustand kann meine Fraktion auf gar keinen
Fall unterstützen . Deswegen sage ich – und ich bleibe
dabei, auch wenn ich dafür von Teilen der Kreativen
kritisiert worden bin –: Dieser Gesetzentwurf ist für uns
nicht zustimmungsfähig . Durch diesen Gesetzentwurf
behalten die Großen das Sagen, und die Kleinen haben
keine Chance .


(Beifall bei der LINKEN)


Sagen Sie nicht, dass es keine Alternativen gäbe . Das
Modell der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst behan-
delt jeden Urheber als vollwertiges und gleichberech-
tigtes Mitglied mit einem uneingeschränkten Wahl- und
Stimmrecht . Anstatt diesem Modell wenigstens eine
Chance zu geben, zementieren Sie aber eine Binnen-
struktur, die die Großen bevorteilt und die Kleinen über-
vorteilt .

Damit komme ich zum Entschließungsantrag der Grü-
nen, der eine Menge an zustimmungsfähigen Punkten
enthält . Genau an dieser Stelle bleibt er aber inkonse-
quent; denn auch Sie halten an dem Dreiklassenwahl-
und -stimmrecht der GEMA fest .

Ein anderer Punkt, den ich zum Entschließungsan-
trag der Koalitionsfraktionen ansprechen möchte – Herr
Flisek hat es angedeutet –: Sie reagieren damit auf das
Urteil des Bundesgerichtshofs auf die Klage des Wissen-
schaftsautors Dr . Martin Vogel . In dem Urteil wird der
Verwertungsgesellschaft Wort untersagt, einen pauscha-
len Betrag in Höhe von 50 Prozent ihrer Einnahmen an
Verlage auszuschütten . Dem vorausgegangen war ein
Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das sogenannte
Reprobel-Urteil, in dem entschieden worden ist, dass
nationale Regelungen, nach denen die Vergütungen auf
Kosten der Autoren an Verlage umgeleitet werden, euro-
parechtswidrig sind . Summa summarum heißt das, dass
den Autoren die Privatkopievergütung alleine zusteht .

Was macht die Große Koalition? Sie fordert in einem
Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, sich ge-
fälligst darüber Gedanken zu machen, wie eine Regelung
gegen dieses Urteil auf den Weg gebracht werden kann .
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Das kann kei-
ne Lösung des Problems sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Christian Flisek






(A) (C)



(B) (D)


Abschließend will ich zusammenfassen . Sie haben
sich selbst wieder einmal gelobt und diesen Gesetzent-
wurf zu einem großen Wurf erklärt .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Recht hat er!)


Wir sagen klar und deutlich: Sie haben damit eine Chan-
ce vertan . Sie haben an den Stellen, an denen Sie sich
eng an die Vorgaben der europäisches Richtlinie halten,
eine ganze Menge von Vorschlägen aufgenommen, die
die Linke bereits in der letzten Wahlperiode eingebracht
hat . An diesen Stellen ist Ihr Gesetzentwurf richtig gut .
An anderen Stellen ist er leider nur mutloser Minimalis-
mus . Regelungen, mit denen Sie EU-Recht kontern oder
gegen Kreative auslegen, können wir nicht zustimmen .
Aber, wie gesagt, das macht es eben schwierig . Man kann
den Gesetzentwurf auch nicht eins zu eins ablehnen . Wir
werden uns deswegen der Stimme enthalten . Das Gleiche
gilt für den Entschließungsantrag der Grünen . Den Ent-
schließungsantrag der Koalitionsfraktionen aber lehnen
wir ab .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN – Christian Flisek [SPD]: Enthaltung ist schon was!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816721100

Nächster Redner ist für die CDU/CSU der Kollege

Dr . Stefan Heck .


(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zehn Minuten Spannung!)



Dr. Stefan Heck (CDU):
Rede ID: ID1816721200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Schon der Name des Tagesordnungspunktes, den wir
an dieser Stelle beraten, klingt in seiner vollen Länge sehr
kompliziert . Aber das Gesetz, das wir heute beschließen,
ist für das kulturelle Leben und den Schutz von geistigem
Eigentum viel wichtiger, als dieser sperrige und techni-
sche Begriff vermuten lässt .

Es ist gut, dass wir heute oft ganz einfach, schnell und
unkompliziert auf Inhalte digital zugreifen können . Aber
wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit einem Maus-
klick oder mit einem Fingertipp auf das iPhone in Urhe-
berrechte eingreifen . Das ist legal, und das ist in Ordnung
so . Die Urheber müssen hinnehmen, dass Werke zum pri-
vaten Gebrauch auch kopiert und vervielfältigt werden .

Wir dürfen aber auf der anderen Seite nicht verges-
sen, dass diese Werke oft das Ergebnis jahrelanger Be-
mühungen und nicht selten harter Arbeit sind . Wir sind
als Industrieland daran gewöhnt, dass wir den Wert einer
Sache an der Fertigungstiefe, an der Gegenständlich-
keit, festmachen . Wir haben eine sehr komplexe Dienst-
leistungswirtschaft, die wir wertschätzen . Aber hinzu
kommt: Wir können als Land der Dichter und Denker, als
Kulturnation, im Zeitalter der Digitalisierung den kreati-
ven Schöpfungsprozess und den Schutz geistigen Eigen-
tums gar nicht hoch genug schätzen .

Wir wollen, dass Kreative und Urheber über die Ver-
wertungsgesellschaften weiterhin eine solide wirtschaft-
liche Grundlage für ihre Arbeit haben . Mit diesem Gesetz
leisten wir dazu heute einen ganz wichtigen Beitrag .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieses Gesetz dient der Umsetzung einer europäischen
Richtlinie; wir haben es eben schon gehört . Damit wird
ein weitgehend einheitlicher europäischer Rechtsrahmen
für eine Tätigkeit gesetzt, die ohnehin meist grenzüber-
schreitend stattfindet. Ich glaube, man darf an dieser Stel-
le schon erwähnen, dass Vorlage für diese europäische
Richtlinie unser bewährtes deutsches Wahrnehmungs-
recht war .

Bei der Umsetzung haben uns zwei Gedanken ganz
besonders geleitet: Erstens . Wir möchten dieses bewähr-
te deutsche Wahrnehmungsrecht erhalten und behutsam
weiterentwickeln . Zweitens . Wir möchten den Spiel-
raum, den die Richtlinie uns gibt, zugunsten der Teilha-
be- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Urheber nutzen
und gleichzeitig eine möglichst weitgehende Satzungs-
autonomie für die Verwertungsgesellschaften ermögli-
chen .

Sie haben es angesprochen: Der umstrittenste Punkt in
diesem Gesetzentwurf war die Regelung zur Gerätever-
gütung bei Privatkopien . Wir werden heute die Schieds-
stelle – Kollege Flisek hat es erläutert – ermächtigen,
künftig eine Sicherheitsleistung anzuordnen . Auf der
anderen Seite hat der Schuldner die Möglichkeit, diese
durch Zahlung einer angemessenen Teilleistung abzu-
wenden . Wir glauben, dass das eine ausgewogene Rege-
lung auch im Lichte der Eigentumsfreiheit nach unserem
Grundgesetz ist, die den oft sehr langen und manchmal
endlos erscheinenden Weg bis zu einem befriedigenden
Ergebnis dieses Verfahrens erheblich beschleunigen
wird .

Wir wissen, dass alle Beteiligten, die derzeit schon
an diesem Prozess mitwirken, ganz erhebliche Anstren-
gungen unternehmen . Das gilt für die Schiedsstelle beim
Deutschen Patent- und Markenamt . Es gilt für das Ober-
landesgericht in München und alle weiteren Beteiligten .
Wir sind – da sind wir in der Koalition auch zusammen –
der Überzeugung, dass das, was wir heute beschließen,
noch nicht das Ende der Diskussion sein wird .

Wir werden uns dieses Gesamtpaket noch einmal in
aller Ruhe anschauen müssen . Damit meine ich sowohl
das materielle Recht als auch das Verfahren . Das geht bis
hin zu der Frage – auch das haben Sie angesprochen –, ob
am Ende das Bundespatentgericht am Standort München
mit seiner Kompetenz nicht möglicherweise die sachnä-
here Eingangsinstanz für diese Verfahren ist .

Parallel zu diesem Gesetzesvorhaben, das wir heute
beschließen, hat uns aus der Rechtsprechung – zunächst
vom Europäischen Gerichtshof und dann in der letzten
Woche vom Bundesgerichtshof ausgehend – eine Ent-
wicklung erreicht, die wir heute nicht unkommentiert
lassen können . Deswegen haben wir uns gemeinsam auf
eine Entschließung zu diesem Thema verständigt . Zu-
nächst hat der EuGH und schließlich der Bundesgerichts-

Harald Petzold (Havelland)







(A) (C)



(B) (D)


hof entschieden, dass die jahrzehntelange und bewährte
Praxis der paritätischen Ausschüttung der Einnahmen
durch die VG Wort an Autoren auf der einen Seite und
Verleger auf der anderen Seite so nicht mehr rechtskon-
form ist .

Dieses Urteil, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht
in Gegensatz zu dem guten und partnerschaftlichen Mit-
einander von Urhebern und Verlegern . Es bringt viele
Verlage in eine teilweise ganz dramatische wirtschaftli-
che Schieflage. Wir als Gesetzgeber haben dieses Urteil 
nicht zu kritisieren, und wir wollen hier auch keine Ge-
richtsschelte betreiben . Ich glaube aber schon, dass wir
sagen können, dass der Deutsche Bundestag eine solche
Regelung niemals sehenden Auges beschlossen hätte . Es
gab und gibt für eine solche Regelung keine politische
Mehrheit . Deshalb ist es an uns, diese Entwicklung nun
auch möglichst zügig zu korrigieren und der gemeinsa-
men Überzeugung der ganz großen Mehrheit in diesem
Hause Ausdruck zu verleihen, dass weiterhin eine Betei-
ligung von Autoren und Verlegern möglich sein sollte .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wissen, dass dies abschließend nur auf europäischer
Ebene geschehen kann; aber das wird seine Zeit dauern .
Deshalb werden wir die Urteilsgründe in aller Ruhe ana-
lysieren und uns dann zügig über eine nationale Rege-
lung unterhalten, welche diese unerträgliche Schieflage 
beseitigt .

Meine Damen und Herren, unterm Strich ist zu sagen:
Dieses Gesetz stärkt die Rechte der Urheber . Es ist ein
gutes Gesetz . Ich kann das Lob für die gute Zusammen-
arbeit zurückgeben . Es ist, lieber Herr Flisek, auch des-
halb ein gutes Gesetz, weil wir es an Ihrem 42 . Geburts-
tag gemeinsam schlussverhandelt haben . Heute ist ein
guter Tag für die Kreativität und den Schutz des geistigen
Eigentums in unserem Land .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816721300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für

Bündnis 90/Die Grünen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Jetzt kommt viel Lob für das Gesetz! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt strengen Sie sich mal an!)



Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816721400

Damit eine Rede gefällt, ist eine beiderseitige An-

strengung erforderlich . Man muss dann auch als Zuhörer
mitmachen . Das habe ich einmal so gelernt .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ich mache mit!)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist
schon so: Ich müsste mich, wenn ich mir zuhören müss-
te, auch selber mühen und würde denken: Mann, ist das

ein trockener Stoff . Deshalb bewundere ich diejenigen,
die sieben oder sogar zehn Minuten damit gefüllt haben .


(Dr . Stefan Heck [CDU/CSU]: Nur sieben! Sie können drei von mir haben!)


– Danke! Das kann ich aber schlecht verteilen . Egal! –
Dahinter steht aber natürlich eine ganz spannende und
existenzielle Frage . Dabei sollten wir wissen, dass Künst-
lerinnen – Autorinnen bzw . Urheberinnen – davon leben,
dass ihnen nicht nur ein gutes Werk gelingt – was ja auch
nicht immer einfach ist –, sondern dass es auch noch ein
breites Publikum findet und sie dann ihre Rechte bei der 
Nutzung durch das Lesen bzw . Hören ihrer Werke auch
noch durchsetzen können . Dann können sie von dem
Geld, wenn es ganz besonders gut geht, auch leben .

Deshalb geht es um die Frage, wie man über Verwer-
tungsgesellschaften gemeinsam sein Recht auf Einnah-
men umsetzen kann . Das Ziel muss also sein, eine ange-
messene Vergütung zu bekommen, und der ganze Weg
dahin darf nicht kompliziert oder ungerecht sein, sondern
er muss praktikabel sein .

Die Aufgabe ist also, einen fairen Ausgleich zwischen
den Urhebern, den Nutzern und den klassischen kom-
merziellen Verwertern und vor allen Dingen denen, die
Digitalwerke vermitteln – das ist ja keine leichte Aufga-
be –, zu schaffen . Wir sind durch das europäische Recht,
durch die VG-Richtlinie, gezwungen, dieses Wahrneh-
mungsrecht zu novellieren . Ihr Gesetzentwurf ist nicht
schlecht, aber auch noch nicht perfekt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Christian Flisek [SPD]: Der Beifall war zum ersten Halbsatz!)


– Ja, zum ersten Halbsatz . Aber Sie können auch zu der
mildtätigen Aussage „nicht schlecht, aber auch noch
nicht perfekt“ klatschen, Herr Kollege Flisek . Das haben
Sie ja auch gemacht . Der Gesetzentwurf ist eben noch
nicht perfekt .

Es geht um die Umsetzung von europäischem Recht .
Wir haben uns als Fraktion vor Monaten mit Vertretern
der Verwertungsgesellschaften zusammengesetzt, einen
runden Tisch gebildet und sind das Ganze einmal durch-
gegangen,  um  herauszufinden,  ob  es  schon  perfekt  ist. 
Wir glauben, es muss an einigen Stellen nachgeschärft
werden .

Ich will an dieser Stelle vor allem eines hervorheben,
nämlich dass wir eigentlich eine Pluralität der Verwer-
tungsgesellschaften brauchen . Unseres Erachtens bzw .
aus der Sicht vieler Urheberinnen und Urheber brauchen
wir nicht für jedes Genre eine Verwertungsgesellschaft –
eine für die Musik, eine andere für das geschriebene
Wort –, sondern in einer Marktwirtschaft ist es durch-
aus richtig, dass es einen Wettbewerb der Gesellschaften
gibt . Deshalb sage ich klar: Uns schwebt zum Beispiel
eine genossenschaftliche Vertretung nur von Urheberin-
nen und Urhebern vor .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Dr. Stefan Heck






(A) (C)



(B) (D)


An dieser Stelle komme ich zum Mangel . Herr Staats-
sekretär Lange sagte mir zwar am Rande einer Rechts-
ausschusssitzung, die Genossenschaften seien nicht aus-
geschlossen . Aber es besteht zumindest Rechtsunklarheit .

Heiko Maas hatte auf meine Frage am 11 . November
letzten Jahres, ob er auch mit anderen Gespräche darü-
ber geführt habe, ob in Zukunft auch Genossenschaften
möglich sein können, geantwortet: Diese Gespräche ha-
ben wir nicht geführt, weil letztlich die Entwicklungen
und auch das Marktgeschehen zeigen müssen, wohin die
Reise geht und ob etwas anderes entsteht .

Zu der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschus-
ses hatten wir zwei Sachverständige eingeladen, Herrn
Starostik und Herrn Weller, die sich mit der Frage der
Genossenschaften auseinandergesetzt haben – weil sie
selber eine gründen wollten, aber sie sind auch Fachleute
in diesem Bereich – und die zu der Rechtsauffassung ge-
kommen sind, dass sie nach dem geltenden Recht nicht
möglich wären . Diese Fragen haben Sie nicht gelöst . Wir
sind der Auffassung, sie sind eigentlich nicht erlaubt .
Herr Lange behauptet, das gehe . Dann hätten Sie klar
sagen müssen, dass zum Beispiel genossenschaftliche
Formen möglich sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss es wollen!)


Ich meine, selbst mit Ihrem Änderungsantrag sind sie
nicht möglich .

Deshalb haben wir das Thema nach vorne gebracht,
weil es um die Frage des Wettbewerbs und der Plurali-
tät geht . Ich glaube, dass eine direkte und alleinige Ver-
tretung von Urheberinnen und Urhebern durchaus Sinn
machen würde . Lesen Sie noch einmal die Stellungnah-
me des Richters am Berliner Verfassungsgerichtshof
Meinhard Starostik! Sie lösen das nicht .

Ich gebe zu: Es gibt Bereiche, in denen Sie etwas ver-
bessert haben, zum Beispiel in § 19 Absatz 4 VG-Richt-
linie-Umsetzungsgesetz,  wo  es  um  Interessenkonflikte 
geht . Darüber herrscht meines Erachtens Einigkeit .

Ich will abschließend aber noch einen Punkt anspre-
chen, in dem es Änderungsbedarf gibt . Es ist schon von
einigen Kollegen angesprochen worden . Der Bundesge-
richtshof hat im Fall Vogel gegen die VG Wort überra-
schend klar gesagt: Eine pauschale Beteiligung der Ver-
lage gibt es nicht .

Wir haben dazu einen Entschließungsantrag einge-
bracht und die Bundesregierung aufgefordert, anhand
dieses Urteils des BHG, aber auch der Reprobel-Ent-
scheidung des Europäischen Gerichtshofes eine Beteili-
gung von Verwertern und Verlagen an gesetzlichen urhe-
berrechtlichen Ansprüchen so zu gestalten, dass sie nicht
auf Kosten der Urheberinnen und Urheber geht . Das
heißt: nicht eine pauschale, sondern eine faktengedeckte
Teilhabe .

Ich freue mich auf das Gespräch miteinander . Denn
wir alle wissen: Wir müssen das Problem zwar europä-
isch lösen; wir können aber angesichts des Tempos un-

ter den 28 Mitgliedstaaten nicht ernsthaft darauf warten .
Deshalb brauchen wir eine nationale Regelung . Warum?
Weil es in diesem Land kleine und mittelständische Ver-
lage gibt, die nun sozusagen am Hungertuch nagen und
möglicherweise in die Insolvenz geraten .

Ich will mit einer Forderung schließen: Wir brauchen
Fakten, Fakten, Fakten . Wir brauchen Zahlen, Zahlen,
Zahlen . Das schicke ich insbesondere an die Adresse der
Bundesregierung . Um die Vorgaben des Urteils umzuset-
zen, die Verlage nicht sterben zu lassen und trotzdem die
Urheberinnen und Urheber gerecht zu beteiligen, brau-
chen wir nun Fakten . Nur so können wir zumindest vorü-
bergehend zu einer nationalen Regelung kommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816721500

Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Blienert für

die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Burkhard Blienert (SPD):
Rede ID: ID1816721600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

leginnen und Kollegen! Meine Kollegen Christian Flisek
und Herr Heck haben den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung aus juristischer Sicht schon sehr ausführlich
erörtert . Meine Bewertung als Kulturpolitiker bleibt die
gleiche im Ergebnis, hat aber einen anderen Blickwin-
kel . Die kollektive Rechtewahrnehmung, wie sie sich
im Prinzip der Verwertungsgesellschaften widerspiegelt,
ist einer der weitreichendsten kulturpolitischen Schritte
gewesen . Das ist die Einschätzung des Geschäftsführers
des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, der ich
mich nur allzu gerne anschließe .

Verwertungsgesellschaften erfreuen sich – das wurde
schon gesagt – in Deutschland insbesondere aus Sicht
der Verbraucherinnen und Verbraucher keiner großen
Beliebtheit . Das liegt in erster Linie – positiv gedacht –
darin begründet, dass vielen nicht bekannt ist, was Ver-
wertungsgesellschaften genau tun und wem sie dienen .
Verwertungsgesellschaften sichern letztendlich die
Rechte und vertreten die Interessen von Künstlerinnen
und Künstlern, damit diese einen adäquaten Ertrag aus
der Nutzung ihrer kreativen Leistung ziehen können . In
der öffentlichen Diskussion wird zudem häufig überse-
hen, dass Verwertungsgesellschaften durch den Gesetz-
geber einen direkten sozialen Auftrag erhalten haben und
diesen auf vielfältige Weise wahrnehmen .


(Beifall bei der SPD)


Das Prinzip der Solidarität ist also ein wichtiges Struk-
turelement der Verwertungsgesellschaften . Etablierte
Künstlerinnen und Künstler fördern mit ihren Beiträgen
kommerziell weniger erfolgreiche Kolleginnen und Kol-
legen; auch das gehört dazu . Diesen Solidargedanken der
Verwertungsgesellschaften erhalten wir aufrecht . Er ist
uns wichtig . Erfreulicherweise wurde an dieser Stelle
im vorliegenden Regierungsentwurf im Vergleich zum
Referentenentwurf nachgebessert . Wie bislang sollen –
und nicht können – Verwertungsgesellschaften nach
§ 32 VGG kulturelle und soziale Zwecke erfüllen . Die

Renate Künast






(A) (C)



(B) (D)


Verpflichtung wurde  also nicht  zur  bloßen Möglichkeit 
degradiert .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


An dieser Stelle möchte ich kurz auf das aktuelle
Urteil des BGH im Kontext des Urteils des EuGH ein-
gehen . Mit Letzterem wurde bereits die in Belgien vor-
geschriebene Verlegerbeteiligung aus der Privatkopie-
vergütung gekippt . Mit dem BGH-Urteil wurden nun
auch in Deutschland Beteiligungen der Verleger an den
gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheberinnen
und Urheber für rechtswidrig erklärt . Zum einen sol-
len nun die Verwertungsgesellschaften nach Lösungs-
möglichkeiten suchen, um Schaden von den Verlagen
abzuwenden . Aber dabei können sie nur zum Teil auf
bereits bestehende Mechanismen zurückgreifen, die die
Rückabwicklung bei Verteilungsplänen regeln . Zum an-
deren muss jetzt der Gesetzgeber tätig werden . Bundes-
justizminister Heiko Maas hat bereits angekündigt, sich
auf europäischer Ebene für die erforderliche Änderung
des Rechtsrahmens einzusetzen . Gleichzeitig sollte die
Bundesregierung prüfen, ob auch auf nationaler Ebene
eine angemessene Lösung gefunden werden kann . Das
enge Zusammenwirken der Verleger und der Urheber bei
der Entstehung kreativer Werke in Deutschland hat sich
in Deutschland und Europa seit Jahrzehnten bewährt .
Dies sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen .

Das Thema insgesamt weitet sich auf andere Bereiche
aus . Angesichts meiner begrenzten Redezeit will ich Sie
daran erinnern, dass es wichtig ist, dass wir die soziale
Situation der Künstlerinnen und Künstler und die teilwei-
se prekären Arbeitsbedingungen im Blick behalten, jen-
seits von VGG, Urhebervertragsrecht und aller anderen
Instrumente, die wir an dieser Stelle haben .


(Beifall bei der SPD)


Verwertungsgesellschaften waren in den letzten
15 Jahren immer wieder auch Gegenstand von En quete-
Kommissionen . Nun haben wir ein Ergebnis von Heiko
Maas vorgelegt bekommen, das den modernen Bedin-
gungen entspricht, und das ist dem Justizministerium
sehr gut gelungen . Ich danke ausdrücklich dafür, dass wir
uns dort in einem guten Umfeld befinden. Das bewährte 
System der kollektiven Rechtewahrnehmung ist nun dau-
erhaft auf sichere Beine gestellt . Das ist ein gutes Signal,
und dafür danke ich allen, die sich daran beteiligt haben .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816721700

Vielen Dank . – Als letzter Redner zu diesem Tages-

ordnungspunkt erhält nun der Kollege Dr . Volker Ullrich,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1816721800

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir führen heute eine Debatte um die Umset-
zung einer EU-Richtlinie . Wir sprechen aber auch über

den Wert von Kunst und Kultur sowie über die Frage, wie
Kreative in diesem Land vergütet werden und wovon sie
leben können .

Dabei ist zunächst einmal festzuhalten: Das Konzept
der Verwertungsgesellschaften hat sich in diesem Land
bewährt . Die Bündelung der Rechtewahrnehmung und
damit auch die Rechtssicherheit der Nutzer, urheberrecht-
lich geschützte Werke zu gebrauchen, ist eine 50-jährige
Rechtstradition, und an dieser halten wir bis heute fest .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gleichwohl sorgen wir für die notwendige Moderni-
sierung dieses Gesetzes, indem wir den Verwertungsge-
sellschaften ermöglichen, mit neuen Kommunikations-
formen interaktiv und im Wege der Beschlussfassung
mit ihren Berechtigten und Nutzern in Kontakt zu treten .
Trotzdem bleibt eines erhalten: Verwertungsgesellschaf-
ten sind quasi gemeinnützig tätig . Sie haben nur Aufwen-
dungen für sich selbst und schütten das, was übrig bleibt,
für kulturelle und soziale Zwecke aus . Ich denke, das
darf auch heute einmal erwähnt werden .

Dennoch gab es einen Reformbedarf im Bereich der
Schiedsverfahren . Diese sind notwendig, da sich die
Gerätehersteller und die Hersteller von Speichermedien
einerseits und die Verwertungsgesellschaften anderer-
seits nicht immer sofort über den richtigen Preis und den
gerechten Wert für die Abgabe der Privatkopie einigen
konnten . Das hat dazu geführt, dass die Verfahren in der
Vergangenheit sehr lange gedauert haben . Aber lange
Verfahren sind nicht das, was wir unter Gewissheit und
Rechtssicherheit verstehen . Deshalb wird mit diesem Ge-
setz die Möglichkeit eingeführt, diese Verfahren zu be-
schleunigen . Mit der Sicherheitsleistung wird einerseits
dem Interesse der Hersteller an einer konkreten Zahl, die
sie zu leisten haben, und andererseits dem Interesse der
Urheber an geldwerten Zuflüssen Rechnung getragen. 

Wir haben uns lange überlegt, ob wir eine Sicher-
heitsleistung  oder  eine  Hinterlegungspflicht  einführen 
sollten . Aber verfassungsrechtliche und ganz pragmati-
sche Gründe haben uns dazu getrieben, von einer Hinter-
legungspflicht  abzusehen.  Sie würde  dazu  führen,  dass 
gerade kleine und mittelständische Hersteller von Gerä-
ten und Speichermedien zu sehr Liquidität und Geld ver-
lieren würden, und bei den Urhebern und den Kreativen
würde es nicht ankommen . Deshalb ist, wie es im Gesetz
steht, die angemessene Sicherheitsleistung die richtige
Balance zwischen den Interessen der Autoren, der Krea-
tiven und der Hersteller von Speichermedien . Ich denke,
darauf können wir stolz sein .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Natürlich müssen wir uns fragen, wie wir diese Ver-
fahren zukünftig noch verbessern können . Ein erstin-
stanzliches Verfahren vor dem Bundespatentgericht hätte
sicherlich seinen Charme . Vorher müssten wir aber das
Grundgesetz ändern . Vielleicht wäre es besser, als das
Grundgesetz zu ändern, auch im materiellen Recht noch
Verbesserungen herbeizuführen, beispielsweise durch
eine Festlegung im materiellen Recht hinsichtlich der

Burkhard Blienert






(A) (C)



(B) (D)


Festschreibung gewisser Prozentzahlen . Das sollten wir
uns auf alle Fälle in der nächsten Zeit gut überlegen .

Gut überlegen müssen wir aber auch die Frage, wie
wir mit den beiden Urteilen umgehen, die die Verwer-
tungsgesellschaften in der letzten Zeit betroffen haben .
Das ist einerseits das Urteil Reprobel des Europäischen
Gerichtshofes und auf der anderen Seite das VG-Wort-
Urteil des Bundesgerichtshofs . Es steht einem Gesetzge-
ber nicht zu, Urteilsschelte zu betreiben . Er kann aber
und er muss, wenn grundlegende Voraussetzungen für
ein Gelingen des Urteilstenors in der Gesellschaft feh-
len, Korrekturen anbringen . Ich glaube, dass die beiden
Urteile Korrekturen des Gesetzgebers erfahren müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die beiden Urteile besagen im Prinzip: Ausschüttun-
gen der VG Wort sind solche, die nur den Autoren zuste-
hen . Für die Verlage soll nichts übrig bleiben . Das ver-
kennt ein Stück weit die Lebensrealität: Ohne Verlage,
ohne jemanden, der die Druckfahne liest, der das Mar-
keting organisiert, der dafür sorgt, dass in den kleinen
Buchhandlungen ein Vertriebsweg eröffnet wird, können
manche Autoren gar nicht erst entdeckt werden oder ihr
Werk unter die Leute bringen .

Ja, wir müssen uns fragen: Welche Art von Literatur-
betrieb wollen wir in diesem Land haben? Wollen wir
eine Situation haben, in der nur noch große Onlinehänd-
ler über Onlinevertriebswege mit großen Verteilzentren
wenige einzelne Werke an den Mann oder an die Frau
bringen? Oder schätzen wir auch in diesem Land die
kleinen Buchhändler, die jungen Autoren, die modernen
Kreativen, die vielleicht nur deswegen den Zugang zur
Literatur und zu ihren Lesern finden, weil sie eine Chan-
ce bekommen? Aber diese Chance funktioniert eben
nicht ohne Verlage, die bereit sind, einen Teil des wirt-
schaftlichen Risikos zu schultern . Deswegen sollten sie
auch einen Teil der Einnahmen bekommen . Dafür wer-
den wir uns einsetzen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Unserem Leitbild liegt die Idee einer Kulturnation
zugrunde . Literatur, künstlerische Werke, kreative Din-
ge lassen sich nicht allein ökonomisieren . Ja, Menschen
und Kreative müssen davon leben . Aber es hat auch einen
Wert an sich, wenn Romane geschrieben werden, wenn
Gedichtbände veröffentlicht werden und wenn sie eine
Verbreitung finden. Deswegen werden wir uns dafür ein-
setzen, dass hier auch zukünftig ein fairer, gerechter und
sozialer Ausgleich erfolgen kann .

In diesem Sinne haben wir viel zu tun . Aber heute liegt
ein guter Gesetzentwurf vor uns . Ich darf Sie bitten, die-
sem zuzustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816721900

Vielen Dank . – Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU über die kollekti-
ve Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutz-
rechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für
Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Bin-
nenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend
die Geräte- und Speichermedienvergütung . Der Aus-
schuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter 
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/8268, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf den Drucksachen 18/7223 und 18/7453 in der Aus-
schussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
Enthaltung der Opposition angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . – Ich
bitte diejenigen, die dagegen sind, sich zu erheben . – Wer
enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung
mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor ange-
nommen .

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache  18/8268  empfiehlt  der  Ausschuss,  eine 
Entschließung anzunehmen . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die
Grünen angenommen .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/8269 . Wer stimmt für diesen Ent-
schließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bünd-
nis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke
abgelehnt .

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(14 . Ausschuss)

Harald Weinberg, Matthias W . Birkwald, Sabine
Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für
Direktversicherungen und Versorgungsbezü-
ge – Doppelverbeitragung vermeiden

Drucksachen 18/6364, 18/8222

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Dr. Volker Ullrich






(A) (C)



(B) (D)


Ich eröffne die Aussprache, und das Wort hat die Kol-
legin Maria Michalk, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1816722000

Herzlichen Dank . – Frau Präsidentin! Meine lieben

Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Wir werden
in kurzer Zeit über die Beschlussempfehlung zum Antrag
der Fraktion Die Linke abstimmen . Sie fordern in diesem
Antrag, die doppelte Beitragszahlung auf Direktversi-
cherungen und Versorgungsbezüge zu beenden und die
Bürgerversicherung einzuführen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sehr vernünftig!)


Im Feststellungsteil Ihres Antrags verweisen Sie da-
rauf – ich nehme Ihnen jetzt ein bisschen Arbeit ab –,
dass das wegen der demografischen Entwicklung und der 
gewünschten Beitragsstabilität seinerzeit eingeführt wor-
den ist und dass – das ist richtig – die aktuelle Niedrig-
zinsphase noch zusätzlich dazu beiträgt, dass Rücklagen
und Ansparungen für das Alter nicht den gewünschten
Erlös bringen . Sie monieren zusätzlich – das teilen wir
nicht, so wie Sie es formuliert haben – die hohen Ab-
schluss- und Bestandsprovisionen in der betrieblichen
Altersvorsorge .

Ihr Hauptkritikpunkt ist die doppelte Verbeitragung .
Wir haben eine Anhörung durchgeführt . Sie hat die Ar-
gumente, die wir in der vorangegangenen Zeit immer
wieder vorgebracht haben, bestätigt .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Was?)


Gleichwohl will ich am Anfang sagen, dass wir mensch-
lich durchaus verstehen können, was die Leute denken,
die in der Zeit, wo sie verdient haben, von der Möglich-
keit der Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht haben,
also zugunsten der Altersvorsorge auf Einkommen ver-
zichtet haben . Die Kalkulationsgrundlage war eine an-
dere . Was jetzt zur Auszahlung kommt, entspricht dem
nicht .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: In welcher Anhörung waren Sie denn?)


Deshalb will ich hier in aller Öffentlichkeit ein paar
Argumente aus der Anhörung wiederholen,


(Zuruf der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


die im Grunde genommen bestätigen, was wir als CDU/
CSU-Bundestagsfraktion immer ins Feld führen, nämlich
dass die Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Kranken-
versicherung ausschließlich auf eine zeitlich horizontale
Betrachtung abstellt . Das heißt, sie fragt nicht nach dem
Zustandekommen des Einkommens, nach der Ausgestal-
tung in der Vergangenheit . Diese Betrachtungsweise hat
das Bundesverfassungsgericht an mehreren Stellen be-
stätigt . Das können und wollen wir nicht ignorieren .

Es ist mir ganz wichtig, hier noch ein Argument anzu-
führen . Es wurde herausgearbeitet, dass die heutige Ge-
neration  der  Beitragszahler  wegen  der  demografischen 

Entwicklung in der Tat einen größeren Solidarbeitrag
leistet als die Generation davor, als die älteren Versicher-
ten geleistet haben . Es wurde bestätigt, dass der Gesetz-
geber  das Recht  hat,  aber  vor  allen Dingen  die  Pflicht 
hat, die Gestaltungsfreiheit entsprechend den sich wan-
delnden Herausforderungen in unserer Gesellschaft zu
nutzen .

Ich bin an der Stelle kein Freund der Kostenbetrach-
tung, weil ich das Thema eher ordnungspolitisch angehe,
aber einen Hauptkritikpunkt möchte ich der Vollständig-
keit halber schon erwähnen: Die Rückkehr zu der alten
Regelung würde für die gesetzliche Krankenversiche-
rung Kosten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro bedeuten .
Das ist eine erhebliche Summe; das dürfen wir nicht ver-
kennen . Mir ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass
die Höhe der gezahlten Beiträge keinen Einfluss auf die 
Leistungserbringung hat, das heißt, niedrigere Beiträ-
ge führen nicht zu Leistungseinschränkungen . Jeder in
unserem Land wird nach seinen Bedürfnissen, nach den
Notwendigkeiten ganz individuell medizinisch versorgt .
Dieses Grundprinzip der solidarischen Gesundheitsver-
sorgung bleibt ja erhalten, anders als in der Rentenversi-
cherung, wo wir die lohnbezogene Rente haben und wo
es dann durchaus auf das Vermögen ankommt .

Ich will noch ein weiteres Argument in die Diskussion
einführen . Immerhin haben auch die Sachverständigen
bestätigt


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Welche?)


– das können Sie im Protokoll nachlesen –,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ach so! – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Erst mal behaupten!)


dass im System der gesetzlichen Krankenversicherung
gesetzlich Versicherte – weltweit einmalig – hervorra-
gende medizinische Leistungen erhalten, auch wenn sie
niedrige Beiträge zahlen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wäre ja auch noch schöner!)


Das ist das Grundprinzip unseres solidarischen Sozial-
systems .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten wir gerne für alle und nicht nur für einige!)


Noch ein kurzes Wort zur Bürgerversicherung . Dass
es zu ökonomischen Nachteilen in der Versorgung käme,
wenn wir die Rückstellungen der privaten Krankenver-
sicherung jetzt in das System einführen und unser histo-
risch gewachsenes duales Krankenversicherungssystem
aufgeben würden, wissen Sie alle . Es wäre im Grunde
genommen ein Fehler, wenn wir diesen Kapitalstock auf-
lösen würden . Nicht von ungefähr haben wir ja gerade
die gesetzliche Krankenversicherung beauftragt, Rück-
stellungen zu bilden .

Aus diesen ordnungspolitischen Gesichtspunkten leh-
nen wir diesen Antrag ab . Das heißt, die Beschlussemp-

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


fehlung lautet, bei dieser systematischen Grundansicht
zu bleiben . Und dieser Beschlussempfehlung werden wir
zustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816722100

Vielen Dank . – Das Wort hat jetzt Matthias W .

Birkwald, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816722200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her-

ren! Auf der Besuchertribüne haben Gerhard Kieseheuer,
der Bundesvorsitzende des Vereins Direktversicherungs-
geschädigte e . V ., sein Stellvertreter, Herr Denzin, und
ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter Platz genommen .
Seien Sie uns herzlich willkommen!


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Verein hat in
den vergangenen Jahren und Monaten einiges ins Rol-
len gebracht . Er vertritt die Betroffenen, die durch das
Gesundheitsmodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2004
rückwirkend kalt enteignet wurden .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Es wurde niemand rückwirkend enteignet!)


SPD, Grüne und Horst Seehofer, Herr Straubinger, tra-
gen dafür die Verantwortung . Klaus Stiefermann, der
Geschäftsführer der renommierten Arbeitsgemeinschaft
für betriebliche Altersversorgung, aba, geht von sage und
schreibe knapp 400 000 Betroffenen aus . Viele von ihnen
wurden erst mit Steuervergünstigungen in die sogenann-
ten Direktversicherungen gelockt . Die Beiträge zu den
Betriebsrenten wurden zwar von den Firmen überwiesen,
die Chefs haben aber oft keinen einzigen Cent dazube-
zahlt . Das heißt: Die Verträge wurden von den Beschäf-
tigten allein und aus ihrem Einkommen bespart, Einkom-
men, für das sie bereits Krankenversicherungsbeiträge
gezahlt hatten . Und seit diesem Gesetz von Rot-Grün
aus 2004 mussten die Betroffenen nun rückwirkend ih-
ren Krankenversicherungsbeitrag auf ihre Betriebsrente
abdrücken .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht!)


Damit nicht genug: auch noch den des Arbeitgebers
obendrauf . Ich sage: Erst angelockt, dann abgezockt . So,
meine Damen und Herren, geht man nicht mit Menschen
um .


(Beifall bei der LINKEN)


Ein Beispiel: Von den insgesamt versprochenen
120 000 Euro Betriebsrente musste Christiane M .
21 600 Euro an ihre Krankenkasse zahlen . Bei Ver-
tragsabschluss war davon absolut keine Rede gewesen .
Christiane M . war geschockt . Und der größte Hammer:
Hätte sie stattdessen eine private Lebensversicherung ab-
geschlossen oder wäre sie privat krankenversichert, sie

müsste keinen einzigen Cent bezahlen . Das ist eine un-
glaubliche Ungerechtigkeit .


(Beifall bei der LINKEN)


Wissen Sie, was das für die Lebensplanung der Be-
troffenen bedeutet, egal ob jemand 120 000 Euro oder
15 000 Euro gespart hat? Knapp ein Fünftel des Geldes
ist dann weg, plus Steuern .

Frau Kollegin Mattheis, Sie haben für die SPD gesagt,
man müsse hier etwas tun . Immerhin gibt die SPD in der
Beschlussempfehlung zu unserem Antrag zu, dass sie die
Krankenkassen auf Kosten der Direktversicherten saniert
hat . Aber jetzt einmal Butter bei die Fische: Wollen Sie
die Doppel- bzw . Dreifachverbeitragung abschaffen, ja
oder nein?

Der Kollege Weiß – er ist gerade nicht im Saal – hat
jüngst für die CDU/CSU gesagt, dass das Problem nur
für Neuverträge gelöst werden könnte . Sehe ich das rich-
tig? Sie wollen heute den schon Betroffenen, die seit Jah-
ren um ihr Geld kämpfen, nichts Gutes tun und sie weiter
im Regen stehen lassen? Das darf doch nicht wahr sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Michalk, die Sachverständigenanhörung im Ge-
sundheitsausschuss des Bundestages brachte ein völlig
eindeutiges Ergebnis, und zwar ein anderes, als Sie ge-
sagt haben . Fast alle Sachverständigen wollten die Dop-
pelverbeitragung abschaffen .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Nein, das stimmt gar nicht!)


– Lesen Sie einmal im Protokolle . –


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Habe ich!)


Der DGB, der Sozialverband Deutschland, der Sozial-
verband VdK, die Verbraucherschützer


(Zuruf der Abg . Maria Michalk [CDU/CSU])


und – das erlebe ich wirklich nicht jeden Tag – auch die
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
formulierten in ihrer Stellungnahme wörtlich:

Die im Antrag der Bundestagsfraktion die LINKE
erhobene Forderung . . . ist richtig .


(Beifall bei der LINKEN)


Überzeugender geht es doch nicht . Sogar die Senio-
ren-Union hatte 2015 auf dem Karlsruher Parteitag der
CDU gefordert, die Doppelverbeitragung abzuschaffen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


– Das ist einen Applaus wert . – Sogar Finanzstaatsse-
kretär Dr . Meister hat auf der Handelsblatt-Jahrestagung
verkündet, die Doppelverbeitragung zu hinterfragen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD,
wenn Ihre angekündigte Reform der betrieblichen Al-
tersversorgung nicht komplett unglaubwürdig starten
soll, dann müssen Sie handeln . Stimmen Sie unserem
Antrag zu . Die unfaire doppelte Verbeitragung von Di-
rektversicherungen  mit  Kranken-  und  Pflegeversiche-
rungsbeiträgen muss dringend abgeschafft werden . Jetzt!

Maria Michalk






(A) (C)



(B) (D)


Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816722300

Jetzt hat die Kollegin Hilde Mattheis, SPD-Fraktion,

das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1816722400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In dem Antrag, den die Linke eingereicht hat, wird ein
Problem aufgegriffen, das wir alle aus vielen Gesprächen
kennen und auf das wir in vielen Briefen angesprochen
werden . Auch eingereichte Petitionen zeugen davon,
dass hier ein Problem existiert .


(Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)


Viele Menschen, die gemeint haben, durch die Ent-
geltumwandlung über Direktversicherungen gute Alters-
vorsorge betrieben zu haben, stellen fest, dass die Erträge
nicht so hoch sind, wie sie gehofft haben; denn sie müs-
sen die vollen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversiche-
rung abführen .

Aber, Herr Birkwald, auch wenn Sie das so dargestellt
haben – ich habe die Protokolle auch gelesen –: Es gibt
kein konkretes Zahlenmaterial, wie viele Rentnerinnen
und Rentner dies betrifft . Aber auch wenn – das hat die
Anhörung auch dargelegt – eine Doppelverbeitragung
für den überwiegenden Teil der Altersvorsorge ausge-
schlossen werden kann – das haben die Sachverständi-
gen gemacht –, ist das Ganze ein großes Ärgernis . Meine
Kollegen von der SPD und ich können den Ärger derer
verstehen, die davon betroffen sind, weil es nämlich
rückwirkend gemacht worden ist . Wir sehen die Auswir-
kung dieser Regelung im Gesundheitsmodernisierungs-
gesetz von 2004 durchaus kritisch .

Ich will einen Blick in diese Zeit werfen – die dama-
lige Gesundheitsministerin hat ein sehr gutes Gedächt-
nis –:


(Beifall bei der SPD)


Viele wissen, diese Regelung geht nicht auf einen Ge-
setzentwurf von SPD und Grüne zurück, sondern auf die
Intervention des damaligen CSU-Abgeordneten Horst
Seehofer .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Den habe ich genannt! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Das ist doch kein Argument!)


– Ja, das ist kein Argument, aber eine Erklärung . – Es war
im Prinzip das Ergebnis sogenannter Konsensgespräche
zwischen CDU/CSU, SPD und den Grünen, und der Ver-
handlungsführer war damals Horst Seehofer,


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Die Ministerin war auch dabei!)


von dem wir erwarten, dass er jetzt auch ein gutes Ge-
dächtnis hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816722500

Frau Kollegin Mattheis, trotz der Erinnerung: Möch-

ten Sie eine Zwischenfrage zulassen? – Sie möchten aus-
führen .


Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1816722600

Ja . – Das macht es für die Betroffenen nicht besser . Es

ist aber, wenn es um mögliche Korrekturen geht, ziem-
lich hilfreich, wenn man das gute Gedächtnis aktiviert .
Denn bei diesen Korrekturen brauchen wir auch eine Un-
terstützung aus Bayern .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Anhörung hat
gezeigt: Das Thema kann nicht isoliert aus Sicht der
Kranken-  und  Pflegeversicherung  betrachtet  und  allein 
in diesem Zusammenhang gelöst werden . Denn der da-
malige Paradigmenwechsel in der Alterssicherung – weg
vom Sicherungs-, hin zum Beitragssatzziel – hat zwar
Auswirkungen auf die Kranken- und Pflegeversicherung; 
das Problem muss aber generell im Bereich der Alterssi-
cherung gelöst werden .

Allerdings haben sich nicht nur der Gesetzgeber, son-
dern auch die höchsten Gerichte in diesem Land mehrfach
mit dem Konstrukt der Alterssicherung und der Zahlung
von Kassenbeiträgen beschäftigt . Das Bundesverfas-
sungsgericht und das Bundessozialgericht haben die dop-
pelte Verbeitragung von Altersbezügen grundsätzlich als
verfassungskonform beurteilt bzw . als rechtens abgeseg-
net . In der Folge werden Alterseinkünfte nicht gleich be-
handelt . Ich zitiere aus der schriftlichen Stellungnahme
des Wissenschaftlichen Instituts der AOK:

Bei der Beitragserhebung und -bemessung in der
GKV gibt es eine Reihe von Inkonsistenzen …
Dazu zählt auch, wenn Leistungen aus einer betrieb-
lichen Direktversicherung beitragsfrei sind, soweit
ein Arbeitnehmer die Versicherung nach seinem
Ausscheiden aus dem Betrieb privat als Versiche-
rungsnehmer fortgeführt hat, aber beitragspflichtig, 
wenn die Versicherung nach dem Ausscheiden des
Arbeitnehmers

– ich füge hinzu: die Arbeitnehmerin ist natürlich auch
gemeint –

formal weiter über die betriebliche Pensionskasse
geführt worden ist …

Diese Regelung ist nicht nur kompliziert; sie ist auch
nicht wirklich erklärbar und gerecht . Diese Ungleich-
heit haben mehrere Sachverständige in der Anhörung zu
Recht kritisiert . Hier ist gesetzgeberisches Handeln ange-
zeigt . Wie in der Anhörung und in den Reden auch klar-
gemacht worden ist, ist es mit einem schlichten Verbot
einer sogenannten Verbeitragung


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Doppelten Verbeitragung! Einmal ist okay!)


Matthias W. Birkwald






(A) (C)



(B) (D)


– doppelten Verbeitragung – von betrieblichen Altersbe-
zügen nicht getan .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist das!)


Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung  ist 
nur im Zusammenhang mit der Einführung einer Bürger-
versicherung ein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine
Lösung des Problems .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Hier geht es aber um die Beitragszahlung, Frau Kollegin, nicht um die Form der Versicherung! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Ach, lass das weg!)


Ich will da an die Ausführungen von Professor Wille
erinnern . Aus Zeitgründen zitiere ich ihn nicht . Liebe
Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen: Die Bürgerversi-
cherung ist eines der wichtigsten Projekte der SPD . Wir
wollen die Bürgerversicherung . Sie beinhaltet auch die
Verbeitragung aller Einkommensarten, und zwar die glei-
che Verbeitragung . Hierfür bekommen wir im Moment
keine Mehrheit, aber wir streiten dafür . Ich glaube, in
diesem Zusammenhang ist unser Ziel, in dieser Legisla-
tur eine paritätische Finanzierung hinzubekommen, ein
wichtiges Ziel .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


– Das finde ich auch.

Zur Debatte steht dieser Tage aber auch eine Rentenre-
form, eine Reform der Finanzierung der Rente . Da haben
sich verschiedene Leute unterschiedlich geäußert; aber
eine Äußerung geht quer durch die Parteien . Ich will sie
abschließend aufgreifen . Es ist die Äußerung, dass es da-
rauf ankommt, dass die Rente wirklich Schutz vor Armut
bietet, und es darum geht, mit einer grundlegenden Ren-
tenreform – bei der auch der Punkt der Doppelverbei-
tragung von Direktversicherungen aufgegriffen werden
kann – ein Rentenniveau zu garantieren, das oberhalb der
Armutsgrenze liegt,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das reicht uns Linken nicht!)


und die Rente so auszugestalten, dass Rentnerinnen und
Rentner keine Angst vor dem Alter haben müssen .


(Beifall bei der SPD)


Das werden wir im Herbst angehen;


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir gespannt!)


unsere Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles hat
es angekündigt .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Angekündigt hat sie schon viel!)


Ich glaube, dass dieses Reformpaket umfassender sein
muss, als das ein vierseitiger Antrag der Linken darstel-
len kann .

Ich erinnere an das gute Gedächtnis, das wir alle mit-
einander haben sollten, wenn es darum geht, die jetzt
geäußerten Formulierungen in einer Rentenreform wie-
derzufinden,  die  das  Ziel  haben  sollte,  dass  die  Rente 
wirklich gerecht und sicher wird .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816722700

Vielen Dank . – Das Wort zu einer Kurzintervention

hat jetzt der Kollege Birkwald .


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816722800

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Mattheis, ich

hätte Ihnen nur eine kurze Zwischenfrage gestellt, aber
da es jetzt zu einer Kurzintervention kommt, möchte ich
auf drei Punkte eingehen .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816722900

Aber auch kurz, bitte .


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816723000

Ich habe drei Minuten .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816723100

Gut .


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816723200

Erstens . Über das Thema Rente haben wir heute

Nachmittag gesprochen . Ich wiederhole: Wir haben ein
umfassendes Rentenkonzept, das elf Punkte beinhaltet;
drei davon habe ich heute Nachmittag vorgestellt . Darü-
ber können wir debattieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens . Sie haben hier eben behauptet, es gäbe kei-
ne Zahlen darüber, wie viele Menschen betroffen wären .
Frau Michalk hat aus irgendeiner Anhörung berichtet,
nur nicht aus der des Gesundheitsausschusses, in der ich
war .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Doch! Doch!)


Ich habe das Protokoll dieser Anhörung, der 64 . Sitzung,
vorliegen, Seite 12 von 13, unten links – wenn Sie es
nachlesen wollen .

Ich hatte Klaus Stiefermann von der Arbeitsgemein-
schaft für betriebliche Altersversorgung eine Frage ge-
stellt, auf die er wie folgt geantwortet hat – Zitat –:

Zunächst ein kurzer Hinweis, weil immer gefragt
wird, wie viele Betroffene es gibt . Ich gehe davon
aus, dass es sich um mehrere hunderttausend Betrof-
fene handelt, und zwar aufgrund eines Aspekts, der
hier bislang vernachlässigt worden ist . Wir haben
eine Reihe von Versorgungswerken, die paritätisch
aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen finan-
ziert werden, wie zum Beispiel die Pensionskassen
der Chemischen Industrie . Dort ist es üblich, dass
der Arbeitnehmer aus seinem Netto einen bestimm-
ten Prozentsatz einzahlt .

Und jetzt kommt es:

Seit 2004 zahlt er im Alter noch einmal den vollen
Beitrag . Das betrifft, wenn ich die drei großen Ein-

Hilde Mattheis






(A) (C)



(B) (D)


richtungen sehe, knapp 400 000 Rentner . Andere
Fälle habe ich zunächst einmal außen vor gelassen .

Zitat Ende .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Jetzt müssen Sie das Urteil zitieren!)


Deswegen kann man nicht behaupten: Hier ginge es um
eine kleine Gruppe .


(Beifall bei der LINKEN)


Der dritte Punkt . Die betriebliche Altersversorgung
ist freiwillig . Sie haben mit Ihrer Rentenreform 2001
dafür gesorgt, dass das Rentenniveau bis 2030 im Sink-
flug ist. Die Menschen sollen deswegen also betriebliche 
Altersversorgung betreiben . Stellen Sie sich vor: Jemand
hat beispielsweise 21 000 Euro einbezahlt . Er bekommt
sie wieder, muss aber dann davon 5 000 Euro Kranken-
versicherungsbeiträge und noch Steuern zahlen! Ich sage
nur: Die Menschen sind deshalb so sauer, weil sie mehr
Geld für ihr Alter hätten, wenn sie das Geld nur unter ihr
Kopfkissen gelegt hätten . Das ist eine schlechte Renten-
politik, die so nicht sein darf .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816723300

Frau Kollegin Mattheis, möchten Sie darauf antwor-

ten? – Bitte schön .


Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1816723400

Danke, Frau Präsidentin . – Verehrter Kollege, da das

Protokoll vorliegt, hätten Sie auch lesen können, dass an-
dere Sachverständige diese Zahl weder bestätigen konn-
ten noch irgendeine Zahl genannt haben .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das war ein Sachverständiger!)


Ich sage das, um den Meinungsaustausch zu komplettie-
ren . Es gibt noch andere Stellen im Protokoll; Lesen hilft .

Auf den schmalen vier Seiten Ihres Antrags, der zwei
Forderungen enthält – zum einen das Thema Direktver-
sicherung und zum anderen das Thema Bürgerversiche-
rung –, täuschen Sie die Konzeption einer Rentenreform
vor . Ich bitte Sie: Das können Sie nicht ernst meinen . Ich
habe deutlich gemacht, dass es uns um eine umfassende
Rentenreform geht . Wir sind uns doch einig, dass wir Al-
tersarmut in dieser reichen Gesellschaft nicht tolerieren
können .

Ich bitte Sie herzlich, zu formulieren, dass das in der
Kranken- und Pflegeversicherung nicht zu lösen ist.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!)


Veranstalten Sie hier doch nicht so einen Budenzauber,
sondern sagen Sie, dass es fachlich falsch ist, das Pro-
blem auf diese Art zu lösen . Das kann man nur innerhalb
der Rentenversicherung lösen .

Warten Sie es ab! Wir haben die Erarbeitung eines
umfassenden Rentenkonzepts vereinbart, das unsere Ar-
beits- und Sozialministerin im Herbst vorlegen wird . Ich

bin sicher, wir kommen damit einen wichtigen Schritt
weiter, auch wenn es um die betrieblichen Verrentungen
geht .

Danke .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816723500

Vielen Dank . – Das Wort hat jetzt der Kollege Markus

Kurth, Bündnis 90/Die Grünen .


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816723600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Wir reden hier über einen be-
sonderen Spezialfall, bei dem es tatsächlich ein Problem
gibt, nämlich über diejenigen, die Direktversicherungen
über den Arbeitgeber aus ihrem bereits verbeitragten
Einkommen bezahlt haben . Wir reden hier nicht über
eine ganz allgemeine Doppelverbeitragung, wie es der
Wortbeitrag von Herrn Birkwald suggeriert hat .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das habe ich nie gesagt!)


Ich glaube, das muss man noch einmal klar sagen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn es darum ginge, könnte man ja sagen, dass auch
die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung qua-
si doppelt verbeitragt werden; denn die Rentenbeiträge
und die Krankenversicherungsbeiträge werden auf das
gesamte Brutto erhoben, und wenn die Rente ausgezahlt
wird, dann wird der Krankenversicherungsbeitrag fällig .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Aber nur einmal! Damals hat der Arbeitgeber noch den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner übernommen!)


Sie begeben sich mit Ihrer verallgemeinernden Argu-
mentation auf eine schiefe Bahn .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich würde es mir gut überlegen, wen ich als Kronzeu-
gen anführe . Wenn Sie die Bundesvereinigung der Deut-
schen Arbeitgeberverbände und andere nennen, dann
muss man wissen, dass die weiter gehende Pläne haben .
Natürlich möchten die Arbeitgeber am liebsten sämtliche
Betriebsrenten von der Krankenversicherungspflicht be-
freit sehen, damit diese gestärkt werden und sie auf der
anderen Seite, in der gesetzlichen Rentenversicherung,
niedrigere Beiträge zahlen können, unter Verweis auf die
Betriebsrente .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Darum geht es doch gar nicht!)


– Natürlich ist das das Kalkül; das können Sie doch nicht
leugnen .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Einmalverbeitragung wollen alle!)


Matthias W. Birkwald






(A) (C)



(B) (D)


Ich möchte noch sagen: Auch wenn man für die Ga-
lerie, für die Gäste redet, sollte man darauf achten, wie
man sich hier ausdrückt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich ziehe auch mal gern vom Leder, habe das heute
Mittag auch gemacht;


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Zum Beispiel!)


aber wenn man hier Begriffe wie „angelockt“ und „ab-
gezockt“ wählt,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Das stimmt doch wohl!)


erweckt man damit den Eindruck, dass wir als Gesetzge-
ber die Mentalität von Wegelagerern hätten,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Rückwirkend geändert! Rückwirkend!)


die die Leute sozusagen erst mal irgendwo reinbringen,
um ihnen dann das Geld abzunehmen . So ist das nicht .
Ich halte es für gefährlich, wenn man in so einer Tonlage
hier spricht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da würde ich mir an die eigene Nase fassen!)


Für diese spezielle Gruppe, über die wir reden, die ich
eingangs beschrieben habe, sollten wir uns allerdings tat-
sächlich eine Lösung überlegen . Wir leugnen ja gar nicht,
dass bei dieser speziellen Gruppe ein Problem besteht .
Deswegen werden wir prüfen, wie sich die Beitragslast
bei Direktversicherungen verringern lässt . Es gab ja ver-
schiedene Vorschläge, auch vom Sozialverband Deutsch-
land . Zum Beispiel wurde vorgeschlagen, zur hälftigen
Verbeitragung zurückzukehren . Das wäre eine Mög-
lichkeit . Allerdings wäre sicherzustellen, dass dies nicht
zulasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in
der  gesetzlichen  Krankenversicherung  geht.  Ich  finde, 
mit Blick auf die nächste Legislaturperiode können wir
uns darüber noch einmal Gedanken machen . Ich fürchte,
dass wir in dieser Legislaturperiode an dieser Stelle nicht
mehr zu einem Ergebnis kommen werden .

Natürlich ist der Hinweis von Frau Mattheis richtig,
dass wir zu einer generellen, systematischen Verbeitra-
gung aller Einkünfte kommen müssen, beispielsweise
über die Bürgerversicherung . Dann wäre das Problem
gelöst .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auf jeden Fall lohnt sich eine Betrachtung der ganzen
Angelegenheit ohne zu viel Schaum vor dem Mund . Das
hilft den Betroffenen letzten Endes nämlich auch nicht .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Du, ich habe immer ein Lächeln auf dem Mund, nicht Schaum!)


– Ja, Matthias, Herr Birkwald, wie gesagt: Mit Worten
wie „abgezockt“ usw . sollte man sehr vorsichtig sein .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das war klar, dass euch das wehtut!)


Es ist sinnvoll, sich die Ergebnisse der Anhörung – ich
habe einen Vorschlag genannt – in Ruhe anzugucken und
einen Finanzierungsweg zu finden. Ich glaube auch, dass 
dieses Problem durch die Entgeltumwandlung in Zukunft
nicht mehr in dem Maße wie jetzt besteht . Es handelt sich
ja sozusagen um ein ererbtes Problem, das dann ausläuft .
Nichtsdestotrotz  kann  und  sollte man  eine Lösung  fin-
den . Daran sollten wir in Ruhe arbeiten .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816723700

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Erich Irlstorfer,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Erich Irlstorfer (CSU):
Rede ID: ID1816723800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Uns alle, die wir hier sitzen, erreichen na-
hezu täglich Schreiben von Menschen, die die Verbei-
tragung von Einkünften aus der betrieblichen Altersver-
sorgung für die Krankenversicherung beklagen und als
ungerecht anprangern . Ein Bürger berichtet, er habe bei
der Einzahlung einen geringfügigen Steuervorteil ge-
habt . Gleichzeitig habe er als freiwillig Versicherter den
Maximalbeitrag bei der gesetzlichen Krankenversiche-
rung bezahlt . Sein Fazit lautet: Hätte ich das eingezahlte
Kapital voll versteuert und unter ein sicheres Kopfkissen
gelegt, hätte ich jetzt einen deutlich höheren Betrag zur
Verfügung .


(Zuruf von der CDU/CSU: Super!)


All diese Themen und all diese Argumentationsschienen
kennen wir .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann die
betroffenen Menschen mit Sicherheit verstehen . Gleich-
zeitig weiß ich aber auch, dass der damalige Zustand ein
anderer war . Auf Einmalzahlungen mussten zum Beispiel
keine Beiträge entrichtet werden, während monatliche
Bezüge  beitragspflichtig  waren.  Dieses  Missverhältnis 
war ungerecht .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)


Das gehört auch zur Wahrheit dazu . Letztlich ist es für
die Bürger irrelevant . Ob sie wegen höherer Steuern oder
höherer Sozialversicherungsbeiträge weniger zur Verfü-
gung haben, ist ihnen mit Sicherheit egal .

Leider gilt zu Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen auch
für andere Rentensparer, dass sie unter Umständen gerin-
gere Gewinne erwirtschaften, als sie beim Abschluss ih-
rer Ansparungsformen erwarten konnten . Das ist für die

Markus Kurth






(A) (C)



(B) (D)


Betroffenen weder tröstlich noch gerecht . Das soll auch
nicht als politische Ausrede herhalten, aber es ist halt so .

Es stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren:
Wenn wir die Bürger dazu ermuntern wollen, privat und
betrieblich für ihren Lebensabend vorzusorgen, müssen
wir auch die entsprechenden Rahmenbedingungen so
gestalten, dass die betriebliche Altersvorsorge und die
private Vorsorge attraktiver werden . Da sind wir beiei-
nander .

Gleichzeitig kann dieses Ziel nicht auf dem Rücken –
das möchte ich schon betonen – der heutigen und zukünf-
tigen Beitragszahler der Krankenversicherung erreicht
werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen also klare Verhältnisse, in denen die
Ausgaben der Krankenversicherung für Rentner in ei-
nem einigermaßen vernünftigen Verhältnis zu deren Bei-
tragszahlungen stehen . Deshalb ist eine schwerwiegende
Änderung der Gesetzeslage im Sinne der Bezieher von
Betriebsrenten nicht realistisch, weil wir schlicht nicht
auf die hohen Summen der Verbeitragung von Versor-
gungsbezügen verzichten können .

Dies ist eine harte und bittere Wahrheit; das verstehe
ich . Doch außerdem würden sich mit einigem Recht Be-
zieher anderer Einkommensarten zu Wort melden, wenn
wir jetzt etwas ändern würden, die sich dann wiederum
gegenüber Beziehern von Betriebsrenten benachteiligt
sehen würden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie
stellen mit Ihrem Antrag deshalb in letzter Konsequenz –
so verstehe ich es zumindest – die Finanzierung der ge-
setzlichen Krankenversicherung an sich infrage .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nein! – Gegenruf von der CDU/CSU: Natürlich! – Gegenruf des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Auf gar keinen Fall, Herr Kollege! – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das ist Quatsch!)


Diese Forderung nach einer Bürgerversicherung – die
auch von unserem Koalitionspartner erhoben wird – un-
terscheidet uns politisch . Wir können es noch so oft be-
handeln und betonen: In dieser Legislaturperiode wird es
sie nicht geben, weil sie generell falsch ist .


(Widerspruch bei der LINKEN – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie sollten generell richtig zitieren!)


Wir müssen – hierbei sind wir uns einig – die Rente
insgesamt auf stabilere Füße stellen und ein Gleichge-
wicht zwischen den Generationen herstellen . Eine Rente
ohne Armut und eine private und betriebliche Altersvor-
sorge, die an den richtigen Stellen Anreize zur Selbstver-
antwortung – dieses Wort dürfen wir auch nicht verges-
sen – schafft, sind unsere Ziele sowie unsere politische
Perspektive . Ich glaube, das ist auch notwendig .

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verstößt
die Verbeitragung von Direktversicherungen – das wur-

de gesagt – nicht gegen die Grundsätze von Vertrauens-
schutz und Verhältnismäßigkeit . Nach Ansicht der Rich-
ter war der Gesetzgeber im Jahre 2004 auch berechtigt,
jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des
höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die
Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur
Finanzierung heranzuziehen . – So weit die rechtliche
Lage bislang und auch aktuell; vergessen wir das bitte
nicht .

Diesen Aspekt sollte man auch nicht zu gering bewer-
ten; denn es ist nicht so, dass die Belastung für die junge,
arbeitende Bevölkerung durch den sogenannten Genera-
tionenvertrag in den kommenden Jahren abnehmen wird .
Ich bitte darum, dieses Thema schon etwas zu versachli-
chen und die Menschen nicht mit Kampfausdrücken zu
verunsichern


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Die sind schon verunsichert genug! Das brauchen nicht wir zu übernehmen!)


und Dinge zu behaupten, die inhaltlich falsch sind und
die nicht das widerspiegeln, was Sie hier gebracht haben .

Wir arbeiten . Uns allen ist klar, dass wir hier für die
Zukunft Vorschläge brauchen, dass wir das jetzige Pro-
blem so, wie Sie es wollen, nicht lösen können . Aber ich
glaube, wir werden in der Bevölkerung auf Verständnis
stoßen, wenn man sich dieses Themas annimmt und an
Lösungen interessiert ist – aber nicht in dieser Kampf-
sprache .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816723900

Vielen Dank . – Wir sind damit am Ende der Ausspra-

che angelangt .

Vielleicht dient es auch zur Beruhigung der Gemüter,
noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Regelung auf
einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes beruhte,
das besagte, dass Einmalzahlungen und Rentenzahlun-
gen gleichzustellen sind, weil das wirklich ungerecht
war . Deshalb kamen diese Regelungen zustande .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir kommen jetzt zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion Die
Linke mit dem Titel „Gerechte Krankenversicherungs-
beiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbe-
züge – Doppelverbeitragung vermeiden“ . Der Ausschuss
empfiehlt  in  seiner  Beschlussempfehlung  auf  Druck-
sache 18/8222, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/6364 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/
Die Grünen angenommen .

Erich Irlstorfer






(A) (C)



(B) (D)


Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD

Transfer von Forschungsergebnissen und In-
novationen in die Gesundheitsversorgung be-
schleunigen

Drucksachen 18/7044, 18/8233

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . Diese 25 Minu-
ten könnten jetzt schnell beginnen, wenn sich alle hinset-
zen würden, auch der Herr Franke .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort erhält der Kolle-
ge Stephan Albani, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Daniela De Ridder [SPD] und René Röspel [SPD])



Stephan Albani (CDU):
Rede ID: ID1816724000

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Louis
Pasteur, bekannt aus Medizingeschichte und H-Milch,


(Heiterkeit)


sagte einmal: „Der Wille öffnet die Türen zum Erfolg .“
Das hat mich, meine Kolleginnen und Kollegen und den
Koalitionspartner in den vergangenen Monaten bewegt .
Heute debattieren wir das Ergebnis im Hinblick auf eine
verbesserte, beschleunigte Gesundheitsversorgung . Das
Ziel  des Antrags  ist  dabei  klar  definiert:  Er  soll  dabei 
helfen, den Transfer neuer Diagnostika, Therapeutika,
Medizintechnikprodukte und anderer medizinischer In-
novationen in die Patientenversorgung zu beschleunigen .
An erster Stelle steht aber natürlich – auch im Hinblick
auf Sicherheit – unfraglich das Wohl des Patienten .

Warum ist es dafür allerhöchste Zeit? Dies zeigt ein
Blick in die Transferforschung . Untersuchungen zufol-
ge muss ein Patient heute rund 14 Jahre warten, bis ein
innovatives Medizinprodukt aus der Forschung bis an
das Bett des Patienten kommt . Diese Dauer ist für viele
Patienten zu Recht nicht hinnehmbar . Denn die Aufnah-
me einer Innovation in die Versorgung erlebt so mancher
unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr, und das ist
nicht akzeptabel .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Man fragt sich zu Recht, warum neue Impfstoffe oder
Prothesen derart lange brauchen, um auf dem Markt an-
zukommen . Sich an den schnellen Produktzyklen ande-
rer Produktmärkte und -bereiche zu orientieren, ist dabei
mit Sicherheit falsch . Schauen wir uns aber die Gründe
für diesen enorm zeitintensiven Innovationstransfer an .
So geht die Anwendung mit einer ungleich höheren Ver-
antwortung gegenüber dem Endkunden, dem Patienten,
einher . Patientensicherheit ist zu Recht das höchste Gut
medizinischer Versorgung . Auch ist der Innovationspro-
zess von der Forschung über die Wirtschaft bis hin zur

Versorgung und deren Refinanzierung sehr komplex. So 
sind auch die Dinge, die es noch zu verbessern gilt, sehr
vielschichtig und vielseitig . Wir sprechen dabei von ver-
bindlichen Fristenregeln, wir sprechen von der Verfüg-
barkeit von Wagniskapital und der Verbesserung von Ri-
sikobereitschaft bei Forscherinnen und Forschern sowie
Unternehmern .

Zwei Beispiele . Ein innovativer Test zur Früherken-
nung des Gebärmutterhalskrebses brauchte in Deutsch-
land 17 Jahre, bis er nun, in 2018, endgültig im Ge-
sundheitssystem ankommt . Bei dem Medizinprodukt
Retina-Implantat, also bei der Möglichkeit, Blinde wie-
der sehen zu lassen, hat die Forschung Hervorragendes
geleistet . Hier ist viel Geld investiert worden . Aber nun
fehlt das Geld für die klinischen Studien . Das Produkt
und seine Entwicklung gehen ins Ausland . Das sind Din-
ge, die wir eigentlich nicht akzeptieren wollen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Nicht zuletzt: Man kann es auch den Wissenschaftlern
in Deutschland nicht verdenken, dass sie den Transfer
ihrer Erkenntnisse in Produkte zunächst einmal hintan-
stellen, werden sie doch im Wesentlichen nach der Zahl
ihrer Publikationen, nach Masse und natürlich auch nach
Qualität, bewertet . So endet manche Idee in einer wis-
senschaftlichen Fachzeitschrift – inklusive der zugehö-
rigen Schublade in der Universität . Da müssen wir sie
herausholen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Unser Antrag fordert nun Maßnahmen in folgenden
drei Handlungsbereichen:

Erstens . Transferhemmnisse müssen abgebaut werden,
ohne dabei das Niveau des Patientenschutzes zu reduzie-
ren . Wir wollen Zeiten klinischer Studien – Stichworte
Begleitdiagnostik, Bundesamt für Strahlenschutz – für
verbindlich erklären lassen, damit man weiß, wann die
Tests beginnen können, und damit nicht beliebig lange
geprüft wird .

Auch soll ein Hauptaugenmerk bei den künftigen
Evaluationen der Deutschen Zentren für Gesundheitsfor-
schung gerade auf dem Transferaspekt liegen . Über das
„Rahmenprogramm Gesundheitsforschung“ im BMBF
und die Innovationsfonds soll der Transfer in der Ver-
sorgungsforschung beschleunigt werden . Zudem fordern
wir ein neues Fachprogramm Medizintechnik mit einer
klaren Orientierung auf Transfer und Versorgung .

Zweitens gilt – hier zitiere ich noch einmal den Kol-
legen Pasteur –:

Eine wissenschaftliche Entdeckung ist nie die Ar-
beit von nur einer Person .

Das darf ich als Wissenschaftler sagen . Diese Idee der
Zusammenarbeit war schon im 19 . Jahrhundert richtig,
und sie ist im 21 . Jahrhundert noch richtiger . Daher for-
dern wir in unserem Antrag, die Interdisziplinarität in der
Forschung und – in der politischen Abstimmung – das
Zusammenwirken über die Ressortgrenzen hinweg .

Drittens . Am Ende sind es Unternehmen, die die Ide-
en in den Markt bringen . Daher fordern wir in unserem

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Antrag eine weitere Stärkung der Kooperation von Wis-
senschaft und Wirtschaft . Ein probates Mittel sind etwa
Ausgründungen aus der Wissenschaft, die wir mit dem
nötigen Wagniskapital ausstatten wollen . Das ist übri-
gens eine der Rahmenbedingungen, bei denen wir weit,
weit hinter den USA zurückbleiben .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bei der steuerlichen Forschungsförderung!)


Am Ende unseres Antrags soll also ein integrierter
Politikansatz in der Gesundheitsforschung, -wirtschaft
und -versorgung stehen . Dieser soll über Marktregu-
larien, rechtliche Rahmenbedingungen sowie über die
Forschungsförderung den Innovationstransfer beschleu-
nigen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie uns im Interesse der Patientinnen und Pati-
enten – zu denen wir hoffentlich nicht gehören, mitunter
aber auch gehören können – weitere Schritte in Richtung
eines schnelleren Transfers medizinischer Forschung un-
ternehmen .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816724100

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt

die Kollegin Kathrin Vogler .


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816724200

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die medizi-
nische Forschung hat in den letzten Jahrzehnten vieles
erreicht, wovon frühere Generationen nicht einmal zu
träumen wagten . Denken wir nur an die modernen Aids-
medikamente, die es den Betroffenen ermöglichen, viel
länger zu leben . Oder denken wir an moderne bildge-
bende Verfahren, die es uns ermöglichen, Vorgänge im
Innern des Körpers zu verstehen, ohne dass man gefähr-
liche Eingriffe vornehmen muss . Darin, dass solche Ver-
fahren, die den Patientinnen und Patienten ganz konkret
nutzen, schnell in der Versorgung ankommen sollten,
sind wir uns sicher alle einig .

Aber wenn wir über Innovationen im Gesundheitswe-
sen sprechen, dann dürfen wir auch die andere Seite der
Medaille nicht vergessen . Es muss nämlich immer darum
gehen, echte Innovationen von solchen Produkten zu un-
terscheiden, die den Patienten nicht mehr nutzen, ihnen
vielleicht sogar schaden und unser Gesundheitswesen fi-
nanziell unnötig belasten .


(Beifall bei der LINKEN)


Medikamente, Diagnostika oder Medizinprodukte
müssen für die Patientinnen und Patienten sicher sein .
Hier dürfen keine Abstriche gemacht werden, nur damit
Wirtschaftsunternehmen  schneller  Profite  erzielen  kön-

nen . Herr Albani, ich habe mich gefreut, dass dieser As-
pekt in Ihrer Rede so sehr betont worden ist .


(Stephan Albani [CDU/CSU]: Dreimal!)


Der Blick in Ihren Antrag lehrt uns aber etwas anderes .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Er zeigt, dass von den Forschungspolitikern von Union
und SPD offensichtlich andere Prioritäten gesetzt wer-
den .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Im Mittelpunkt stehen dort die Wirtschaft, Unternehmen
und Investitionen . Sie werden im Antrag viermal so oft
erwähnt wie die Patientinnen und Patienten .


(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Haben Sie nachgezählt? Da waren Sie aber lange beschäftigt!)


– Ja . Ich kann Ihnen das auch vorzählen . – Gefahren und
Risiken, denen Patientinnen und Patienten im Zusam-
menhang mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und der
Medizintechnik ausgesetzt sein können, nehmen Sie in
dem Antrag gar nicht zur Kenntnis . Wenn Sie aber den
Marktzugang für neue Produkte einfach nur beschleuni-
gen, dann erhöhen Sie das Risiko, dass Unnützes oder
gar Schädliches leichter zur Anwendung gelangt, und das
wollen wir vermeiden .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir bräuchten allerdings dringend mehr Tempo im
Hinblick auf mehr fundiertes Wissen über Behandlungs-
methoden und mehr öffentliche Forschung unabhängig
von der Industrie . Die Linke fordert zum Beispiel ein
öffentlich zugängliches Studienregister, in dem alle Arz-
neimittelstudien registriert werden müssen . Doch Union
und SPD blockieren diese notwendige Innovation . Das
Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und
Information, DIMDI, hat den Zugang zu seinen medizi-
nischen Datenbanken weitgehend geschlossen . Das ist
übrigens eine nachgeordnete Behörde des Bundesminis-
teriums für Gesundheit; die Bundesregierung ist dafür
also mitverantwortlich . Die Forderung der Linken, im
Haushalt 500 Millionen Euro für industrieunabhängige
Gesundheitsforschung einzusetzen, haben Sie von der
Koalition abgelehnt .


(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)


Der Antrag, über den wir heute abstimmen, reiht sich
in weitere Regierungsvorhaben ein, die der Industrie und
nicht den Kranken zum Vorteil gereichen sollen .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)


Ein Beispiel dafür ist der Pharmadialog . Während das
Parlament und die Patientenvertreter vor der Tür blei-
ben mussten und die Krankenkassen nur am Katzentisch
Platz nehmen durften, haben dort gleich drei Ministerien
den Unternehmen eine ganze Palette an Wünschen er-
füllt, und im Gegenzug brauchten die Konzerne nur ein
paar vage Versprechungen zu machen .

Stephan Albani






(A) (C)



(B) (D)


Nach der Novelle zum Arzneimittelgesetz, die in der
letzten Sitzungswoche in den Bundestag eingebracht
wurde, soll der Patientenschutz bei den Arzneimittelstu-
dien aufgeweicht werden, damit die Unternehmen diese
Studien schneller und einfacher genehmigt bekommen .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Das wissen Sie auch!)


Das ist skandalös . Das werden wir nicht mitmachen .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, woran müssen sich
sinnvolle Forschungsanreize orientieren? Sie müssen
sich am Allgemeinwohl und am gesellschaftlichen Be-
darf und nicht an den Profitinteressen der Industrie ori-
entieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie in dieser Hinsicht etwas auf den Weg bringen
würden, dann würden wir Sie unterstützen, bei diesem
Antrag aber nicht . Den können wir nur ablehnen .


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nach der Rede ist das auch besser so!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816724300

Vielen Dank . – Das Wort für die SPD erhält jetzt die

Kollegin Dr . Daniela De Ridder .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1816724400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Liebe Kathrin Vogler,
das, was hier unter dem Titel „Innovationstransfer in die
Gesundheitsversorgung“ vorliegt – das mag ein bisschen
kompliziert klingen –, ist eine Wohltat für die Patientin-
nen und Patienten in unserem Land . Es gilt in der Tat, die
Lücke zwischen der Grundlagenforschung und der An-
wendung dessen zu schließen . Nichts anderes ist mit den
Begriffen „Transfer“ und „Translation“ gemeint .


(Beifall des Abg . René Röspel [SPD])


Mit dem, was wir heute hier auf den Weg bringen, tun wir
viel Gutes für die Patientinnen und Patienten in diesem
Land, und das ist wertvoll .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Stärkung der Translation, also der Überführung
der Ergebnisse der Grundlagenforschung in den klini-
schen Alltag, erfordert in der Tat eine Lückenforschung .
Wir haben es schon gehört: Es gilt zum Beispiel, Krebs-
patientinnen und -patienten zu helfen . Vor zehn Tagen
habe ich den Großvater meiner Nichte verloren . Er hät-
te sich gewünscht, dass wir in diesem Bereich sehr viel
schneller Fortschritte gemacht hätten . Es gilt aber auch,
Diabetespatientinnen und -patienten zu helfen und Men-
schen, die an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, wie
möglicherweise manche von uns; wir haben ja einen Ar-
beitsalltag, der solche Krankheitsbilder durchaus beför-
dert . Es gilt also, den Weg vom Labor zum Patienten zu
verbessern und die entsprechenden Phasen zu verkürzen .

Liebe Frau Vogler, hier sitzen Sie einem Missver-
ständnis auf . Es geht nicht darum, die Anwendung dahin
gehend zu unterstützen, dass wir insbesondere die Un-
ternehmen fördern . Wir brauchen sie aber, um zu einem
Anwendungsprodukt, zu einer Therapie zu kommen; das
wäre ohne die Unternehmen gar nicht möglich . Das soll-
ten wir also auf jeden Fall richtigstellen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dankbar,
dass es in diesem Land sechs Zentren für Gesundheits-
forschung gibt, die Gutes leisten . Das Wertvolle daran ist
vor allem, dass sie inter- und transdisziplinär zusammen-
arbeiten, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
unterschiedlicher Disziplinen an einem Strang ziehen und
dabei helfen, die Phasen von der Grundlagenforschung
bis zur Tablette, wenn Sie so wollen, zu verkürzen, also
bis zur Anwendung am Patientenbett; Herr Albani hat das
bereits angesprochen .

Ich begrüße ausdrücklich, dass wir vonseiten des Ge-
sundheitsministeriums den Innovationsfonds stärken .
Von 2016 bis 2019 werden wir die Versorgungsforschung
jährlich mit 75 Millionen Euro flankieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Vor allem innovative Vorhaben mit ganz viel Potenzial
für eine ganz konkrete Anwendung wollen wir unterstüt-
zen . Sie können doch nicht allen Ernstes dagegen sein .
Zudem wollen wir das Programm „KMU-innovativ“ für
Medizintechnik und Biotechnik stärken und die Mittel
dafür erhöhen . Das ist auch gut und richtig so .

Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt hervor-
heben: Wir wollen auch das Wagniskapital stärken; das
brauchen die KMU . Auch das können Sie nicht in Ab-
rede stellen, liebe Frau Kollegin . Wie gesagt, auch an
dieser Stelle haben wir noch Lücken . Alle schreien doch
danach, dass wir Start-ups unterstützen und ihnen ent-
sprechendes Kapital zur Verfügung stellen . Genau die-
se Lücke zwischen der experimentellen Forschung und
dem, was nachher angewandt werden soll, muss durch
Venture Capital alimentiert werden . Das werden wir zur
Verfügung stellen . Sie werden uns möglicherweise noch
dafür dankbar sein .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Mit dem Programm INVEST tun wir ebenfalls etwas
Gutes für die Patientenversorgung . Wer sich künftig mit
10 000 Euro an einem Start-up in diesem Bereich betei-
ligt, der kann mit einem Return on Investment rechnen
mit mindestens 20 Prozent der investierten Summe . Das
sollten wir loben und nicht kritisieren .

Als Letztes – meine Redezeit ist abgelaufen – lassen
Sie mich noch einen frommen Wunsch äußern. Ich finde, 
wir sollten die Ergebnisse dieser Diskussion in das Medi-
zinstudium hineintragen und junge Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler in der Medizin ermutigen, bereits
sehr früh zu forschen . Die Translation, liebe Kolleginnen
und Kollegen, gehört bereits ins Studium . Dazu sollten
wir Mut machen, statt an falscher Stelle Kritik zu üben .

Kathrin Vogler






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816724500

Vielen Dank . – Jetzt erhält der Kollege Kai Gehring,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816724600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Gesundheit ist für uns alle ein existenzieller Wert .
Deshalb haben wir alle miteinander eine große Verant-
wortung dafür, kluge Rahmenbedingungen für die Ge-
sundheitsforschung zu setzen . Dabei müssen wir die In-
teressen der Patientinnen und Patienten dringend stärker
in den Mittelpunkt stellen: von der Diagnostik über Si-
cherheit bis Heilung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Viele Menschen setzen große Hoffnung auf den medi-
zinischen Fortschritt . Was die Koalition als Antrag vor-
legt, wird diesen Hoffnungen leider nicht gerecht; denn
Sie verengen einmal mehr Ihren Blick auf Erleichterun-
gen für die Gesundheitswirtschaft .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Genau!)


Gesundheitsforschung findet  ja  nicht  nur  da  statt.  Frau 
De Ridder, wer Wagniskapital fordert, der muss auch
eine steuerliche Forschungsförderung vorsehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE] – René Röspel [SPD]: Für die großen Pharmakonzerne? Wollt ihr das? Sehr interessant!)


Beim Transfer medizinischer Innovationen drückt der
Schuh jedoch an vielen weiteren Stellen, die in Ihrem
Antrag nicht angegangen werden . Deshalb ist er unter-
komplex . Wir meinen, allein traditionelle Instrumente
zur Förderung der Gesundheitswirtschaft greifen zu kurz .

Vor fünf Jahren hat die SPD in der Opposition einen
Antrag mit dem denkwürdigen Titel „Gesundheitsfor-
schung an den Bedarfen der Patientinnen und Patienten
ausrichten“ eingebracht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – René Röspel [SPD]: Richtig!)


Darin haben Sie selbst kritisiert, dass bei der vom Bund
geförderten Gesundheitsforschung der Eindruck entste-
he, sie solle in erster Linie – Zitat – „der Stärkung der
Gesundheitswirtschaft dienen“ .


(René Röspel [SPD]: Es ist immer gut, aus SPD-Anträgen zu zitieren! Hervorragend!)


Fünf Jahre später legen Sie als Koalition einen Antrag
vor, der genau diese Verengung fortschreibt und zemen-

tiert, anstatt sie aufzubrechen . Das hätten Sie jetzt einmal
ändern müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Wir schlagen weiter gehende strukturelle Veränderun-
gen vor .

Erstens . Ein wesentliches Ziel staatlicher Forschungs-
förderung  sollte  sein,  herauszufinden,  was  kranken 
Menschen tatsächlich dient . Damit geförderte Projekte
von den Bedarfen der Betroffenen ausgehen, muss das
Rahmenprogramm zur Gesundheitsforschung darauf neu
ausgerichtet werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dafür brauchen wir mehr Versorgungsforschung und
eine bessere Qualitätssicherung .

Zweitens . In der Gesundheitsforschung fehlt es beson-
ders an transparenten Strukturen,


(Beifall der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


die es Forschern, Zulassungsstellen und nicht zuletzt den
Forschungsförderern erleichtern, fundiertere Entschei-
dungen zu treffen .


(Beifall der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Manche Zulassungsstudien sind von eher dünner Quali-
tät . Aussagekräftige klinische Studien sowie die Offen-
legung von Studienergebnissen und Registern sind Man-
gelware . Anstatt hier Abhilfe zu schaffen, beendet das
BMBF ausgerechnet zum 31 . März die Förderung des
Deutschen Registers Klinischer Studien . Das ist verant-
wortungslos .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Drittens. Wir finden die Konzentration auf große Ge-
sundheitsforschungszentren eher problematisch, übrigens
ebenso wie die DFG . Wir brauchen mehr Orientierung an
der Realität in den Praxen und Kliniken . Gerade die Kli-
niker müssen als gleichberechtigte Partner der Forschung
behandelt und angemessener ausgestattet werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


In der Versorgungsforschung muss übrigens die Diver-
sität bzw . Vielfalt der Patientinnen und Patienten viel
stärker berücksichtigt werden; denn wer dies ignoriert,
forscht am Bedarf vorbei .

Patientenorientierung kann auch durch eine inhaltli-
che Öffnung von Forschungsprogrammen unterstützt
werden . Bisher fällt gerade die inter- und transdisziplinä-
re Forschung durch das Raster der bestehenden Förder-
kriterien . Diese inhaltliche Öffnung ist gerade deshalb so
wichtig, weil hier oft nicht nur die technischen, sondern
auch die sozialen Innovationen zum Wohle der Patienten
hierzulande und weltweit entstehen .

Wir brauchen eine Gesundheitsforschung, die mehr
und schneller dazu beiträgt, dass seltene, vernachlässigte

Dr. Daniela De Ridder






(A) (C)



(B) (D)


und armutsassoziierte Krankheiten – von HIV bis Ma-
laria – global bekämpft werden, und wir brauchen eine
Gesundheitsforschung, die Medikamente zu fairen Prei-
sen bringt .


(Beifall der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE] – René Röspel [SPD]: Haben wir schon beschlossen!)


Es ist schade, dass die Koalition nicht die Chancen
für einen breiteren Aufschlag genutzt hat . Ihr Antrag ist
insgesamt lückenhaft . Deshalb können wir ihm nicht zu-
stimmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816724700

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Tino Sorge, CDU/

CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Tino Sorge (CDU):
Rede ID: ID1816724800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr
Kollege Gehring, ich gehe davon aus, dass Sie sich den
Antrag durchgelesen haben . Er ist nicht, wie Sie sagten,
unterkomplex, sondern nach meiner Auffassung übersin-
nig .

Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass wir bei die-
sem Antrag Dinge berücksichtigt haben, die uns allen
wichtig sind . Wir wissen erstens, dass der Transfer von
guten Ideen aus der Grundlagenforschung bis hin zum
marktfähigen Produkt einfach zu lange dauert . Wir haben
die Zeiten gehört; es war von 14 Jahren die Rede . Ge-
rade bei Medizinprodukten ist so etwas extrem schwie-
rig, wenn es um sogenannte Schrittinnovationen geht .
Da muss der Zeitraum viel kürzer sein, damit man in der
Weltspitze überhaupt noch mitspielen kann .

Wir müssen zweitens darauf achten – da sind wir uns
auch alle einig –, dass Deutschland als Standort, um in
dem Bereich an der Weltspitze weiter mitspielen zu kön-
nen, innovativer, in einigen Punkten aber auch unbüro-
kratischer werden muss .

Drittens müssen wir Interdisziplinarität stärken . Es ist
hier schon mehrfach angeklungen: Es geht dabei nicht
nur darum, dass beispielsweise Medizin und Molekular-
biologie miteinander kooperieren, sondern ganz konkret
auch darum, dass Wissenschaft und Wirtschaft – also
auch Unternehmen, Frau Kollegin Vogler – miteinander
kooperieren. Deshalb finde ich es immer so schade, dass 
wir in der Diskussion hier so tun, als ginge es gerade im
Gesundheitsforschungs- bzw . im medizinischen Bereich
ausschließlich um altruistische Dinge .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist klar! Um Altruismus geht es hier gerade nicht!)


Natürlich geht es auf der einen Seite um Altruismus . Da-
bei geht es um den Aspekt, dass die bestmögliche Pa-
tientenversorgung erreicht werden soll . Um aber diese
Patientenversorgung zu erreichen, müssen wir doch Un-
ternehmen, die forschen und gute Ideen haben und diese

in marktfähige Produkte umwandeln, unterstützen . Wir
können also nicht nur schlecht über ein solches Unter-
nehmen reden und sagen: Das sind Unternehmen, die nur
Gewinnmaximierung betreiben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage der Trans-
lation ist insbesondere vor dem Hintergrund der Volks-
krankheiten wichtig . Wir sprechen über Volkskrankhei-
ten wie Krebs, Adipositas und Diabetes . Das sind die
Leiden unserer heutigen Gesellschaft . Deshalb ist es ja
gerade so wichtig, dass wir in dem Bereich interdiszi-
plinäre Forschung weiter unterstützen . Wir haben es ja
in vielen Bereichen gesehen . In der Onkologie, gerade
im Bereich der Immunonkologie, hat es in den letzten
Jahren riesige Fortschritte gegeben . Man kann von Re-
volution reden . Dort wurde der komplette medizinische
Forschungsbereich auf den Kopf gestellt . Insofern ist es
gerade auch vor dem Hintergrund von Big Data – wir re-
den immer über große Datenmengen, die da anfallen – so
wichtig, dass wir die Ergebnisse aus klinischen Studien
auch für weiter gehende Forschung nutzbar machen .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wie wäre es dann,  die  erstmal  verpflichtend  registrieren  und veröffentlichen zu lassen?)


– Wir sind ja momentan in der Diskussion über die eu-
ropäische Datenschutz-Grundverordnung gerade bei die-
sem Punkt . Da geht es darum, dass wir Ergebnisse aus
klinischen Studien für weiter gehende Forschung nutzbar
machen können . Deshalb sollten Sie uns unterstützen,
statt immer nur so zu tun, als würde das in der Schublade
verschwinden . Unterstützen Sie diesen Antrag! Er ist ein
sehr gutes Mittel, um auf diesem Weg etwas weiter zu
kommen .

Bei dem gesamten Thema „Big Data und innovative
Ansätze“ müssen wir viel stärker in Richtung Smart Data
gehen . Es geht darum, die guten Forschungsergebnisse,
die wir haben, weiter gehend nutzbar machen zu können .
Wir können sie nicht einfach unter Verschluss halten,
sondern sie müssen gerade in diesem Kontext besser ge-
nutzt werden können .

Wenn wir darüber sprechen, wie wir in diesem Be-
reich zu innovativen Ideen kommen, die letztendlich der
Gesundheitsversorgung zugutekommen, dann müssen
wir auch etwas an der Gründermentalität in unserem
Land ändern . Genau das geschieht durch diesen Antrag .
Er soll gerade junge Forscher und Start-up-Unternehmer
motivieren, indem wir ihnen sagen: Deutschland ist For-
schungsstandort; ihr könnt in Deutschland forschen, und
ihr habt eine Zukunft für eure Produkte .

Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir in Bezug
auf die Mentalität vollkommen anders ticken als ande-
re Nationen . Die Amerikaner sagen zu einer guten Idee:
That’s a good idea . Let’s do it . – Die Asiaten haben ein
bisschen die Mentalität, zu sagen: That’s a good idea .
Let’s copy it. – Und wir Deutschen haben zu häufig die 
Mentalität: That’s a good idea . Let’s regulate it . – Da
wollen wir gerade nicht hin . Deshalb bitte ich um Un-
terstützung für diesen Antrag . Ich hoffe, Sie können ihm
zustimmen .

Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816724900

Vielen Dank . – Letzter Redner zu diesem Tagesord-

nungspunkt ist der Kollege René Röspel, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Stephan Albani [CDU/CSU])



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1816725000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wenn ich Sprachorthopäde wäre, dann müsste
ich jetzt der Opposition diagnostizieren, dass sie echte
Verrenkungen gemacht hat, um irgendetwas Schlechtes
an dem Antrag zu finden. 


(Heiterkeit bei der SPD – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Große Begeisterung!)


Ich glaube auch, dass das nicht wirklich gelungen ist . Da
ist eher eine Bandscheibe herausgeflogen, um im Bild zu 
bleiben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will an dieser Stelle etwas klarstellen: Ich glaube,
dass jedem und jeder von uns in der Medizin und in der
Gesundheitsversorgung der Mensch das Wichtigste ist
und dass der Patient im Mittelpunkt der Gesundheitsver-
sorgung stehen muss . Das kann man, glaube ich, nicht
bestreiten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich persönlich bin sehr überzeugter Anhänger der
sprechenden Medizin . Ich glaube, dass man der Kommu-
nikation zwischen Ärzten und Patient viel mehr Raum
geben muss, als es bislang der Fall ist .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja, da muss man auch mal was erforschen!)


Aber das ist eine Aufgabe des Gesundheitsausschusses .
Das müssten vielleicht die Gesundheitspolitiker klären .
Wir haben in unseren Vorschlägen deutlich gemacht, dass
das auch Teil von Forschung sein muss . Aber es gibt auch
einen technischen Fortschritt, den man für eine bessere
Alltagsversorgung von Menschen sinnvoll nutzen kann .
Das ist der Schwerpunkt des Antrags: Wir wollen uns mit
dem technischen Fortschritt und der Medizintechnik be-
fassen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es ist schon oft gesagt worden, und Stephan Albani
hat es wieder gut auf den Punkt gebracht: Wenn gute Ide-
en häufig in der Schublade landen, weil der weitere Weg 
nicht gebahnt ist und das Geld fehlt, dann ist es nur legi-
tim und richtig, zu sagen: Wir wollen Wagniskapital und
Möglichkeiten suchen und fördern, damit eine solche
gute technische Idee, die Sinn macht, den Patienten errei-
chen kann und es ihm am Ende besser geht . Dabei muss
man sich mit der Frage befassen, wie man den Transfer
aus der Wissenschaft in die Technologie und zum Patien-
ten hinbekommt . Dazu dient der Antrag .

Wenn Sie behaupten, wir hätten kein Interesse an der
Sicherheit der Patienten und der Forschung, dann haben
Sie das in unserem Antrag überlesen: Wir schreiben aus-
drücklich, dass wir Innovationshemmnisse, die nicht mit
der Patientensicherheit und der Versorgungsqualität be-
gründet sind, abbauen wollen . Beides steht zuoberst . Es
kann nicht sein, dass irgendwas gefördert wird, was zu-
lasten von Patientensicherheit oder Versorgungsqualität
geht . Das macht keinen Sinn .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In diese Richtung geht auch der Antrag .

Wir wollen zudem eine bedarfsorientierte Forschung,
die dazu führt, den Alltag von Patienten besser zu ma-
chen. Das kann auch pflegewissenschaftliche Forschung 
sein . Es gibt genug Anträge von uns, die in diese Rich-
tung gehen . Aber dieser Antrag stellt auf die Technik ab,
und wir sagen ausdrücklich: Technik muss der Versor-
gungsverbesserung dienen .

Als weiterer Punkt – das richte ich an Kai Gehring,
weil Sie das angesprochen haben – heißt es in unserem
Antrag ausdrücklich, dass wir bestehende Kompetenz-
netzwerke, in denen erfahrene Kliniker ihre Kenntnisse
der Betreuung von Patienten am Bett sozusagen in die
Forschung transferieren können, außerhalb von Gesund-
heitszentren unterstützen wollen .

Dass uns die Patienten wichtig sind, wird auch da-
durch deutlich, dass wir in einem Punkt den Vorschlag
machen, dass Patientenvertreter, Versichertenvertreter,
aber auch Vertreter von Beschäftigten in den Pflege- und 
Gesundheitsversorgungsberufen an der Überlegung be-
teiligt werden müssen, was wir in Deutschland an For-
schung machen müssen und sollen . Das nennt man auf
Neudeutsch Agenda Setting für Forschung . Wir wollen
dafür sorgen, dass diese Vertreter mit ihren Erfahrungen,
Sorgen und Problemen Teil der Forschungsplanung sind .
Das ist der richtige Weg .

Ich bin überzeugt: Unser Antrag schließt Lücken und
wirkt unterstützend . Ich sage das so deutlich, auch wenn
das der Opposition schwerfällt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er reißt neue Lücken!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816725100

Vielen Dank . – Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Transfer
von Forschungsergebnissen und Innovationen in die
Gesundheitsversorgung beschleunigen“ . Der Ausschuss
empfiehlt  in  seiner  Beschlussempfehlung  auf Drucksa-
che 18/8233, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD auf Drucksache 18/7044 anzunehmen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-

Tino Sorge






(A) (C)



(B) (D)


lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Opposition angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Kordula
Schulz-Asche, Luise Amtsberg, Monika Lazar,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Heute für morgen helfen – Engagement für
Geflüchtete stärken

Drucksache 18/8221
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Sportausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort erhält die Kolle-
gin Kordula Schulz-Asche vom Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe engagierte Menschen! Ich freue mich sehr, Ihnen
heute einen Antrag vorstellen zu können, der für meine
Fraktion und mich eine besondere Bedeutung hat . Das
liegt auch an seiner Entstehungsgeschichte . Das letzte
Jahr war überwältigend, weil so viele Menschen zu uns
gekommen sind, um ausgerechnet hier nach Schutz und
Frieden zu suchen . Es war aber auch überwältigend, dass
Zehntausende auf die Straßen und Bahnhöfe kamen, um
diese Menschen bei uns willkommen zu heißen . Diese
Bilder werden zu meinen wichtigsten Erinnerungen und
Eindrücken des letzten Jahres gehören .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Überwältigend ist auch, wie lange schon die Lust am En-
gagement anhält und mit welcher Kreativität Menschen
in Deutschland Willkommenskultur leben, zum Beispiel
bei der Essensausgabe, dadurch, dass sie Apps program-
mieren, Schultüten für Kinder füllen oder als Paten mit
Rat und Tat beim Start in der neuen Heimat zur Seite ste-
hen .

Anfang dieses Jahres haben wir als grüne Bundestags-
fraktion über 80 engagierte Initiativen aus vielfältigen
Projekten der Zivilgesellschaft nach Berlin eingeladen,
um gemeinsam zu diskutieren, wie wir von der Willkom-
menskultur des letzten Jahres zu einer Willkommens-
struktur kommen, auch im bürgerschaftlichen Engage-
ment .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir  haben  viele  gute  Ideen  aufgenommen.  Sie  finden 
sich heute in dem vorliegenden Antrag . Ich würde mich
sehr freuen, wenn wir uns als Parlament gemeinsam die
Stärkung und Unterstützung der Zivilgesellschaft zu ei-
gen machten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Zeiten wie diesen wird deutlich, dass der Staat
nicht alles voraussehen und auch nicht alles vorauspla-
nen kann und wie wichtig es ist, eine lebendige, eine
selbstbewusste Bürgerschaft zu haben . Das ist demo-
kratiefördernd . Die letzten Monate haben nicht nur un-
ser Land, sondern auch die Zivilgesellschaft verändert .
Es engagieren sich Menschen, die das bisher nicht getan
hatten, und in einem Ausmaß, das wir nicht zu erhoffen
wagten . Die Freiwilligen, die sich nun neu engagieren,
sind  oft  höher  qualifiziert,  haben  häufig  selbst  einen 
Migrationshintergrund und sind jünger als die klassisch
Engagierten . Viele Flüchtlinge wollen selbst anpacken
und Aufgaben übernehmen . Auch wenn es am Anfang
öfter mal Reibungsverluste zwischen den Freiwilligen
und den Verwaltungen gab, so hat sich mittlerweile vieles
eingespielt . Jetzt kommt es darauf an, die auf Soforthilfe
ausgerichtete Willkommenskultur in eine auf Dauer an-
gelegte Willkommensstruktur zu überführen . Wir brau-
chen daher auch vonseiten der Politik mehr Engagement
für das Engagement .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Langfristige, verlässliche und unbürokratische Förde-
rung muss jetzt her, damit sich die Lust am Engagement
nicht in Frust verwandelt . Deswegen schlagen wir vor,
die vor Ort bestehenden Engagementstrukturen und das
professionelle Freiwilligenmanagement zu stärken, und
zwar durch die Förderung kommunaler Koordination .
Wir wollen eine vom Bund bereitgestellte zentrale On-
lineplattform . Wir wollen Supervision und Fortbildung
für Engagierte ausbauen und fördern, und wir wollen
prüfen, ob Weiterbildung für das Engagement auch als
Bildungsurlaub anzuerkennen ist . Wir wollen die zivilge-
sellschaftlichen Initiativen – ich denke, das ist ein Punkt,
den wir gerade in diesen Monaten stärker in den Blick
nehmen müssen – vor rassistisch motivierter Hetze und
Gewalt schützen; denn dies dürfen wir als demokratische
Gesellschaft nicht hinnehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])


Wir müssen die Engagierten schützen und die Initiativen
finanziell absichern, und wir brauchen ein bundesweites 
Opferberatungsstellennetz . Wir brauchen auch – das ist
die letzte Forderung – für die Geflüchteten einen unkom-
plizierten Zugang zu Vereinen und zu den Freiwilligen-
diensten, und wir müssen dafür sorgen, dass durch ihr
Engagement keine Nachteile im Asylverfahren entstehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss .
Ich bitte Sie, die Unterstützung und Förderung des bür-
gerschaftlichen Engagements nicht nur mit blumigen
Worten, sondern auch in konkreter Politik mit konkreten
Maßnahmen im anstehenden Integrationsgesetz zu be-
rücksichtigen; denn wie man in den Wald hineinruft, so
schallt es hinaus . Sorgen wir dafür, dass wir einen positi-
ven Schall aus der engagierten Zivilgesellschaft unseres
Landes bekommen!

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816725200

Vielen Dank . – Jetzt hat die Kollegin Ingrid Pahlmann,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ingrid Pahlmann (CDU):
Rede ID: ID1816725300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie-

be Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Engagement für
Flüchtlinge – Frau Schulz-Asche erwähnte es schon – ist
allen Stolpersteinen zum Trotz auch heute noch wahn-
sinnig beeindruckend . Zu einer Zeit, als staatliche Struk-
turen erst noch geschaffen werden mussten, hat sich in
unserer Zivilgesellschaft eine Kraft und Stärke gezeigt,
auf die wir alle stolz sein können . Ich denke, dafür kön-
nen wir nicht oft genug Danke sagen .


(Beifall im ganzen Hause)


Dieses Engagement, das nunmehr von der Erstversor-
gung und Unterbringung in die dauerhafte Integration
der hier bleibenden Schutzsuchenden übergeht, braucht
in der Tat einen Rahmen, der ermöglicht, fördert und un-
terstützt .

Sie fordern, starke Engagementstrukturen durch
kommunale Integrationscenter zu installieren . Sicher,
ein kommunales Integrationsbüro ist eine Bereicherung
für die Kommune insgesamt . Das gilt aber nicht nur für
die Menschen, die sich spontan und programmatisch
für Flüchtlinge eingesetzt haben . Viele Kommunen ha-
ben bereits ein Engagementbüro, Anlaufpunkt für viele:
vom Sportvereinsvorsitzenden über die Schriftführer und
Schriftführerinnen einer Seniorengruppe bis hin zu Men-
schen, die Zeit und Engagement spenden wollen . Ob aber
alle, die bislang in der Flüchtlingshilfe aktiv geworden
sind, sich in neue Strukturen pressen lassen wollen, ist
doch sehr zu bezweifeln .

Engagementstrukturen in der Region sind sehr viel-
schichtig, different und vor allem zum Teil eben auch
schon vorhanden . Die Kommunen verfügen über Ehren-
amtsstrukturen; verschiedene Träger und Initiativen sind
vor Ort bereits aktiv, und das auch durchaus erfolgreich .
Ehrenamtliches Engagement – das wissen wir alle – ist
freiwillig, oft spontan, ungern weisungsgebunden und
leicht zu verschrecken .

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Natürlich geht
langfristiges Engagement nicht ohne gewisse Struktu-
ren . Aber ich denke, wir müssen vorsichtig und umsich-
tig agieren, um nicht mehr zu zerstören als aufzubauen .
Generell davon auszugehen, dass eine kommunale In-
tegrationsstelle die Koordination und Begleitung besser
hinbekommt als beispielsweise eine Organisation wie
das DRK, die Caritas, die AWO oder viele andere Träger,
die diese Aufgabe im Herbst 2015 spontan übernommen,
weiterentwickelt und auch das Vertrauen sowohl auf der

Seite der Engagierten als auch der Flüchtlinge aufgebaut
haben, wäre, denke ich, falsch .

Im Übrigen beinhalten die Eckpunkte des von der
Koalition geplanten Integrationsgesetzes wie auch das
„Gemeinsame Konzept von Bund und Ländern für die
erfolgreiche Integration von Flüchtlingen“ inklusive
der Integrationsanlaufstellen bereits zusätzliche Mittel
für Integration, inklusive Beratung, Orientierungskurse,
Sprachkurse, die Förderung von Ehrenamt sowie bessere
Bildung und Ausbildung und vieles mehr .

Mit dem Programm „Menschen stärken Menschen“
wird die Vernetzung von Freiwilligen mit Flüchtlingen
zu Patenschaften gefördert . Das sind eigentlich schon die
von Ihnen geforderten Koordinierungsstellen . Die Frei-
willigen zeigen nämlich, wo sie konkret helfen können .
Damit werden dann übrigens entsprechende Personal-
stellen finanziert, die auch über diese Vernetzung hinaus 
Anlaufstelle sind .

Mit den Demokratiezentren der Bundesländer, kom-
munalen Partnerschaften für Demokratie und zivilgesell-
schaftlichen Akteuren, Vereinen, Verbänden sowie der
Bundeszentrale für politische Bildung und der Antidis-
kriminierungsstelle hat sich schon ein beachtliches Bera-
tungs- und Präventionsnetz etabliert, an welches wir an-
knüpfen können, bevor wir neue Strukturen installieren .

Diese Strukturen muss man auch einmal wertschätzen .
Ich hatte heute ein Gespräch mit einem eingewanderten
Nordamerikaner, der aus der Freiwilligenarbeit kommt .
Er hat mir deutlich vor Augen geführt, welche Strukturen
wir hier in Deutschland schon haben, wie viel von staat-
licher Seite aus schon gefördert wird . Ich denke, wir soll-
ten uns manchmal dieser tollen Standards bewusst sein .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Forderung nach Freistellung für Einsätze beim
DRK oder bei der Caritas, wie wir sie vom THW oder der
Freiwilligen Feuerwehr her kennen, wird natürlich auch
an uns herangetragen, und das nicht nur in Bezug auf die
Flüchtlingshilfe . Da müssen wir in der Tat noch einmal
in uns gehen und sehen, ob wir da nach einer Abwägung
eine Lösung  finden. Dabei müssen wir  aber  bedenken, 
dass zusätzlich zu den von Ihnen ebenfalls geforderten
Freistellungen  für  Qualifizierungen,  die  ich  natürlich 
unterstütze, eine nicht ganz unerhebliche logistische He-
rausforderung auf öffentliche wie private Arbeitgeber,
aber auch auf die Mitarbeiter zukäme, die das dann zu
kompensieren hätten .

Wir alle sollten gemeinsam überlegen, wie wir mit
dem für das nächste Haushaltsjahr umfassend aufge-
stockten Programm „Demokratie leben!“ die nachhaltige,
demokratiestärkende und präventive zivilgesellschaftli-
che Arbeit zum Beispiel der Jugend- und Sportverbände,
des Ehrenamtes oder in den Kitas und Schulen insgesamt
stärken können. Denn Prävention und Integration finden 
vor allem im Kleinen vor Ort statt . Lassen Sie uns erst
einmal das Integrationsgesetz beschließen und umsetzen!
Dann sehen wir, ob wir irgendwo nachjustieren müssen .

Kordula Schulz-Asche






(A) (C)



(B) (D)


Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816725400

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Norbert Müller,

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Norbert Müller (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816725500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste! Wir leben in Zeiten gesellschaft-
licher Polarisierung . Die eine Seite dieser gesellschaftli-
chen Polarisierung diskutieren wir häufig mit Sorge. Sie 
verbinden wir mit starken Wahlergebnissen der AfD . Sie
verbinden wir aber auch damit, dass Rassismus Hoch-
konjunktur hat, dass sich jeder noch so kleine Nazi
und Rassist wieder in die Öffentlichkeit wagt und dass
sich die Grenzen dessen, was gesagt und getan werden
kann, anscheinend Woche für Woche verschieben . Wenn
Alexander Gauland sagt, man werde die Politik hier bis
aufs Messer bekämpfen, dann meint er übrigens uns alle .
Vor allen Dingen meint er jene Menschen, die millionen-
fach Flüchtlingen helfen .

Aber es gibt eine zweite Seite der gesellschaftlichen
Polarisierung . Diese zweite Seite ist die größte soziale
Bewegung seit Jahrzehnten, möglicherweise die größte
soziale Bewegung in der Geschichte der Bundesrepu-
blik. Millionen Menschen leisten in der Geflüchtetenhilfe 
Wunderbares im Kleinen wie im Großen, völlig unkoor-
diniert, völlig ungesteuert und für viele völlig überra-
schend .

Warum für viele völlig überraschend? Weil in einer
Gesellschaft, in der der Ellenbogen das beliebteste Mittel
der Durchsetzung ist, die auf Vereinzelung ausgerichtet
ist, in der der Geist des Neoliberalismus in die Köpfe ein-
gezogen ist, es eben nicht erwartbar war, dass Menschen
aus einem inneren Impuls heraus – nennen wir es christ-
liche Nächstenliebe, nennen wir es Humanismus, nennen
wir es Solidarität; das ist völlig egal – massenhaft Men-
schen sagen: Wir helfen Menschen, denen es schlechter
geht als uns, mit Zeit, mit Geld, mit Spenden, mit Unter-
stützungsleistungen . Sie helfen diesen Menschen mit viel
mehr als nur mit Wasserflaschen und Ersthilfen. 

Es ist anders, als es zunächst erzählt wurde . Wir haben
heute  an  nahezu  allen  Orten,  wo  Geflüchtete  unterge-
bracht werden, Willkommensinitiativen, aber wir haben
inzwischen auch ganz viele ganz normale Vereine, Initia-
tiven der Zivilgesellschaft, die mit Geflüchteten arbeiten, 
die sie bei sich integrieren .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])


Ich will ein Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen,
mit dem ich eng verbunden bin . In Potsdam gibt es den
Fußballverein SV Babelsberg 03 . Er hat vor anderthalb
Jahren  die  erste  Geflüchtetenmannschaft  initiiert,  die 
inzwischen im Regelbetrieb der Kreisklasse Havelland
spielt . Der Flüchtlingstrainer der Mannschaft, der aus
Mazedonien kommt, sollte mit seiner Familie vor weni-

gen Monaten abgeschoben werden . Das heißt, wir haben
hier einen Verein, der in einer schwierigen Situation sagt:
Wir  ermöglichen Geflüchteten,  in  einer  eigenen Mann-
schaft zu spielen . Wir ermöglichen ihnen, im Regelbe-
trieb zu spielen . Wir helfen ihnen auch, für ihre Kinder
Schulplätze  oder  Kitaplätze  zu  finden. Wir  überlassen 
das ein Stück weit – das fordert ja auch der Antrag der
Grünen – der Selbstorganisation der Flüchtlinge . Das
heißt, wir helfen ihnen nicht nur unmittelbar, sondern wir
geben ihnen die Möglichkeit, selber etwas auf die Beine
zu stellen .


(Beifall bei der LINKEN)


Dem Kopf der ganzen Truppe sagt man dann: Du kommst
blöderweise aus Mazedonien . Das ist jetzt ein sicherer
Herkunftsstaat . Deswegen schieben wir dich ab . – Mit
politischem Druck konnte das verhindert werden .

Das ist eine Erfahrung, die Menschen in der Flücht-
lingshilfe gerade täglich machen, weil täglich Menschen
dieses Land wieder verlassen müssen, die bereits gut
integriert waren, die seit vielen Jahren hier leben, deren
Kinder hier geboren wurden – so wie auch die Kinder
von Zahirat Juseinov, dessen Abschiebung wir verhin-
dern konnten .


(Beifall bei der LINKEN)


Das sind Menschen, die überhaupt nicht verstehen,
wie wir im Deutschen Bundestag darüber reden kön-
nen,  Geflüchtete  stärker  zu  unterstützen,  wenn  gleich-
zeitig Menschen, die sich erfolgreich integriert haben,
aus diesem Land abgeschoben werden mit den Worten:
Ihr habt jetzt eben Pech gehabt . Ihr kommt aus einem
sicheren Herkunftsstaat – warum auch immer –; ihr dürft
hier  nicht  sein.  –  Ich  finde,  das  ist  eine  Sabotage  der 
hervorragenden Arbeit von Menschen in Initiativen für
Geflüchtete, die nicht hinnehmbar ist. Ich finde, es hätte 
dem Antrag gutgetan, wenn dieser Aspekt angesprochen
worden wäre, wenn deutlich gemacht worden wäre: Wir
sind dafür, dass Menschen, die sich hier integriert haben,
ein Bleiberecht haben,


(Beifall bei der LINKEN)


und wir sind dafür, dass für Menschen in Not die Gren-
zen hier offen sind .

Ein letztes Wort zu den Grünen . Ihr Antrag enthält viel
Richtiges


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prima!)


und viel Wichtiges, aber ich hätte auch ein Wort der
Selbstkritik erwartet – das wäre eine gute Gelegenheit
gewesen –; denn für eine Politik der Abschreckung und
Abschottung haben auch Ihre Landesminister im Bun-
desrat die Hand gehoben


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach herrje!)


und sind damit mitverantwortlich dafür, dass die Lis-
te der sicheren Herkunftsstaaten länger wurde und dass

Ingrid Pahlmann






(A) (C)



(B) (D)


Menschen, die sich in diesem Land erfolgreich integrie-
ren konnten, heute abgeschoben werden .


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Setzen, Thema verfehlt!)


Ich finde, an dieser Stelle  sollten wir gemeinsam dafür 
sorgen, dass das nicht mehr passiert, dass die Liste der
sicheren Herkunftsstaaten nicht verlängert wird, damit
Menschen, die auch durch zivilgesellschaftliche Initiati-
ve und zivilgesellschaftliches Engagement hier gut inte-
griert sind, bleiben dürfen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN – Kordula SchulzAsche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Ihrer Rede können sich die Engagierten überhaupt nichts kaufen!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816725600

Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Svenja

Stadler das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Svenja Stadler (SPD):
Rede ID: ID1816725700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Heute nehmen wir einen Antrag der Grünen
zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements
für Flüchtlinge zum Anlass, über Engagement zu spre-
chen . Bürgerschaftliches Engagement ist vielfältig, im-
mer freiwillig, unentgeltlich und verdammt eigensinnig,


(Beifall bei der SPD)


und es ist von unschätzbarer Bedeutung für unsere Ge-
sellschaft .

Wie Sie in Ihrem Antrag zu Recht schreiben, erleben
wir in den letzten Monaten ein unglaubliches Engage-
ment bei der Aufnahme und Integration der zu uns ge-
flüchteten Menschen. Dafür möchte  ich mich an dieser 
Stelle bei den Engagierten noch einmal herzlich bedan-
ken .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kennen Sie den Film Willkommen auf Deutsch? Es
ist  ein Dokumentarfilm über die Aufnahme der Flücht-
linge im Landkreis Harburg, meinem Wahlkreis, der im
vergangenen Jahr in den Kinos und auch im Fernsehen
zu sehen war, ein Film, der eindrücklich zeigt, dass es
bei der Diskussion um die Aufnahme der Flüchtlinge in
unserer Gesellschaft nicht nur Schwarz und Weiß gibt .
Er zeigt – neben dem alltäglichen Rassismus, der auch
in der Mitte unserer Gesellschaft existiert – die positiven
Beispiele . Er zeigt die Bürgerinnen und Bürger, die alles
und mehr tun, um die Lebenssituation der Angekomme-
nen erträglich zu gestalten und ihnen ein wirkliches An-
kommen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen .

Ich habe diese Menschen erlebt . Ich habe sie persön-
lich kennengelernt . Ich habe selbst mit ihnen am späten

Abend und bis in die Nacht mehrfach vor der Kreisver-
waltung Winsen auf diejenigen gewartet, die zu uns ge-
flüchtet sind. Im Rahmen der Amtshilfe haben die Kom-
munen in Niedersachsen das Land bei der Erstaufnahme
von Geflüchteten unterstützt, und die Engagierten unter-
stützten den Landkreis . Gemeinsam haben wir bei der
Versorgung und Aufnahme der Schutzsuchenden gehol-
fen . So wurden erste Kontakte aufgebaut, aus denen die
Grundlage für eine erfolgreiche Integration nun wächst .
Ich selbst habe dadurch erfahren, wie wichtig es ist, dass
die Kommunen und die Zivilgesellschaft Hand in Hand
arbeiten


(Beifall bei der SPD)


und dass man dem Engagement keine Steine in den Weg
legen darf . Im Landkreis Harburg funktioniert diese Zu-
sammenarbeit zwischen den staatlichen Strukturen, den
Kirchen, den Bündnissen für Flüchtlinge und anderen
Vertretern der Zivilgesellschaft . Aber natürlich ist das
nicht überall so, und natürlich gilt: Besser geht’s immer .

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ich habe
mich gefreut, in Ihrem Antrag so viele Ideen und For-
derungen wiederzufinden, die auch wir als SPD bereits 
länger diskutieren und für die wir uns einsetzen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])


Wir setzen uns ein für einen Ausbau der Strukturen für
Engagement, langfristige Förderungsinstrumente und
eine bessere Planbarkeit, für mehr Hilfe für Helfer durch
Angebote für Supervision und Fortbildung


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch!)


oder einen möglichen Bundesfonds, der Kosten, die
durch Engagement entstehen, erstattet, für eine Stärkung
der Anerkennung und mehr Unterstützung für Engagier-
te sowie einen deutlichen Einsatz gegen rechte Hetze .
Allerdings haben Sie in Ihrem Antrag vergessen zu er-
wähnen, was wir schon erreicht haben . Wir haben den
Bundesfreiwilligendienst geöffnet,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Grünen haben die Wehrpflicht mit abgeschafft, die SPD nicht!)


sowohl für die Geflüchteten selber als auch für die Men-
schen, die Geflüchteten helfen wollen. 10 000 zusätzliche 
Stellen haben wir hierfür im Rahmen eines Sonderpro-
gramms zur Verfügung gestellt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele sind denn nicht besetzt?)


Des Weiteren hat unsere Familienministerin Manuela
Schwesig das Bundesprogramm „Menschen stärken
Menschen“ aufgelegt, in dem Patenschaften zwischen
geflüchteten und hier lebenden Menschen gefördert wer-
den . Das Programm vermittelt alleine 25 000 zusätzliche
Patenschaften, und für die Gruppe der unbegleiteten min-

Norbert Müller (Potsdam)







(A) (C)



(B) (D)


derjährigen Flüchtlinge sollen Gastfamilien sowie Vor-
mundschaften gewonnen werden .

Wir haben das Bundesprogramm „Demokratie leben!“
ausgebaut . Es fördert 16 Demokratiezentren, knapp 220
kommunale Partnerschaften für Demokratie und erstmals
auch 28 zivilgesellschaftliche Organisationen, die bun-
desweit ihre Strukturen für Demokratieförderung und
Extremismusprävention auf- und ausbauen .


(Beifall bei der SPD)


Für dieses Programm stehen 2016 50 Millionen Euro
zur Verfügung, ab 2017 sogar 100 Millionen Euro . Das
ist doch ein Erfolg, liebe Leute .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da Engagement Verlässlichkeit und nachhaltige
Strukturen benötigt, verlängern wir dort, wo es geht, die
Förderdauer . Das ist ein erster Schritt, zugegeben, doch
es geht nicht darum, Förderzeiträume zu verlängern . Es
geht darum, die Umstellung von projektbasierter Förde-
rung auf eine nachhaltige Förderung zu erreichen .


(Beifall bei der SPD)


Zusammen mit Verbänden und Zivilgesellschaft hat
das Familienministerium kürzlich eine Engagementstra-
tegie erarbeitet . Sie soll Anstöße geben, um Prozesse und
Strukturen weiterzuentwickeln . Wenn Organisationen,
Vereine oder Initiativen alleine vor sich hin wursteln,
werden Ideen und Projekte nie bekannt . Damit leben sie
nicht weiter und enden oft als Projektruinen . Das wollen
wir als SPD-Fraktion nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Martin Patzelt [CDU/CSU])


Wir wollen Stärke und Nachhaltigkeit durch Zusam-
menarbeit und Vernetzung, Förderung von Strukturen
und Kooperationen . 2015 entstand auf Basis dieser Er-
kenntnis das Bundesprogramm „Engagierte Stadt“ . Ge-
meinsam mit der Zivilgesellschaft, der Kommunalpolitik
und der lokalen Wirtschaft wird hier eine flächendecken-
de, dauerhafte Infrastruktur für Engagement geschaffen .
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grü-
nen,  wir  unterstützen  das  Engagement  für  Geflüchtete 
und legen zugleich die Grundlagen für eine langfristige
und nachhaltige Engagementpolitik .


(Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie jetzt noch dem Antrag zustimmen, wäre das richtig cool!)


Mit einem letzten Punkt in Ihrem Antrag stimme ich
überein .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)


Die zentrale Aufgabe wird es sein, die Geflüchteten nicht 
nur zu registrieren und unterzubringen, sondern sie tat-
sächlich in unsere Gesellschaft zu integrieren . Viele von
ihnen werden dauerhaft bei uns bleiben, und es ist unser
aller Aufgabe, die Herausforderungen anzunehmen und
die darin liegenden Chancen zu sehen . Für diese ungleich

größere Aufgabe werden wir auf eine mehr als nur gut
funktionierende Zivilgesellschaft angewiesen sein . Las-
sen Sie uns deshalb gemeinsam daran arbeiten, dass wir
das bürgerschaftliche Engagement weiter stärken, dass es
die Bedeutung behält, die es verdient . Packen wir es an!

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816725800

Vielen Dank . – Letzter Redner zu diesem Tages-

ordnungspunkt ist der Kollege Martin Patzelt, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Martin Patzelt (CDU):
Rede ID: ID1816725900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Heute für morgen helfen“ – ein wunderschöner Titel .
Das Papier liest sich auch wirklich interessant . Es enthält
viele Anregungen, Inspirationen würde ich sogar sagen .
Es beschreibt die Situation auch aus meiner Wahrneh-
mung sehr gut, bringt auch entsprechende Konfliktstoffe 
zum Tragen, und dennoch sage ich Ihnen: Es muss nicht
unbedingt von uns hier im Bundestag verabschiedet wer-
den . Der Zug ist schon lange abgefahren .

Spätestens bei dem massiven Anwachsen der Flücht-
lingszahlen haben wir gemerkt, was Ehrenamt in unse-
rem Land leistet, was es kann, wie viel Kraft, wie viel
Emotion, wie viel Engagement . Das hat uns als Verwal-
tung und Politik manchmal sogar beschämt, weil wir
nicht schnell genug hinterherkamen . Deshalb denke ich:
Eine solche Anregung aus dem Deutschen Bundestag
kann eher kontraproduktiv wirken . Das hieße, als woll-
ten wir ihnen sagen, wie sie es zu machen haben . Ich bin
tief davon überzeugt, dass dieses Engagement vor Ort in
den Kommunen entwickelt werden muss; nicht von uns
fremdbestimmt, sondern von uns begleitet mit Achtung,
mit  entsprechender  finanzieller  Unterstützung.  Meine 
Vorrednerin hat darauf hingewiesen, was alles auf den
Weg gebracht wurde und was noch auf den Weg gebracht
wird .

Ich denke, wir haben es nicht nötig, als Schützenhel-
fer und Motivationshelfer zu dienen, sondern wir sollten
uns mehr darauf orientieren, dass sich in unseren Wahl-
kreisen, wenn es noch nicht passiert – aber es passiert ja
schon an vielen Orten –, Strukturen bilden und zu ent-
sprechenden Netzwerken verbinden, sie gut kooperieren,
sich abstimmen und insofern dort leistungsfähiger wer-
den, wo es nötig ist .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816726000

Herr Kollege Patzelt, gestatten Sie eine Zwischenfra-

ge der Kollegin Schulz-Asche?


Martin Patzelt (CDU):
Rede ID: ID1816726100

Ja, ich habe es schon gesehen .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816726200

Bitte schön, Frau Kollegin .

Svenja Stadler






(A) (C)



(B) (D)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulas-
sen .

Ich habe mich nur deswegen gemeldet, um mich ers-
tens für Ihr Lob für unseren Antrag zu bedanken .

Zweitens möchte ich noch einmal darauf hinweisen,
dass dieser Antrag nicht vom Bundestag oder von uns als
Bundestagsfraktion der Zivilgesellschaft vorgelegt wird .
Vielmehr haben wir eine Konferenz abgehalten, zu der
wir sehr viele Vertreter dieser neuen und unorthodoxen
Initiativen eingeladen hatten . Von ihnen haben wir ent-
wickeln lassen, welche Unterstützung sie benötigen . Von
daher ist es kein Vorschlag von oben nach unten, sondern
er wurde gemeinsam mit den Vertretern der Initiativen
entwickelt .


Martin Patzelt (CDU):
Rede ID: ID1816726300

Ich trete immer tapfer, Frau Schulz-Asche, solchen

Bedürfnissen entgegen, wenn Sie sagen: Wir brauchen
Hilfe von oben . – Ich sage immer: Ihr seid stark genug .
Ihr seid kreativ genug . Dann sprecht bitte vor Ort mit
denen, die dafür die Verantwortung tragen . – Das sind
nun einmal die Kommunen . Ich bin fest davon überzeugt,
dass zusätzliche Regelwerke, neue staatliche Institutio-
nen eher Sand im Getriebe sind, weil die Strukturen ei-
gentlich vorhanden sind: Antiterrorismusberatung, Netz-
werke verschiedenster Beratungen und Begleitungen
in den unterschiedlichen Strukturen von Wohlfahrt und
öffentlicher Hand . Man muss sie nur auf die entsprechen-
den Aufgaben aufmerksam machen, wenn sie es nicht
selber sehen, und sie aktivieren . Also neue zusätzliche
Institutionen halte ich – das muss ich so sagen; man kann
ja verschiedener Meinung sein – für kontraindiziert .


(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula SchulzAsche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht auch so nicht in unserem Antrag drin!)


Ich will noch einmal zu einigen Begrifflichkeiten Stel-
lung nehmen, die Sie in Ihrem Antrag verwenden . Es ist
immer wieder von einer „professionellen Integrations-
struktur“ und „Integrationscentern“ die Rede . Grund-
sätzlich: Integration ist für mich immer noch eine Leer-
formel . Der Begriff wird von uns allen gebraucht, alle
verstehen vielleicht etwas anderes darunter . Der Begriff
ist gar nicht definiert und gefüllt. Ich glaube, wenn man 
den Begriff verwendet, müssten wir uns alle Mühe ge-
ben, diesen näher zu definieren, damit wir wissen, wovon 
wir reden und über was wir diskutieren .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zivilgesellschaft macht es Ihnen vor und definiert es, wenn Sie noch nicht so weit sind!)


Sie haben viele Anregungen, Beispiele für digitale Bil-
dungsangebote, für Beratung, für Engagement von Verei-
nen, Kirchen, Freiwilligen gegeben . Ich glaube, sie sind
alle schon unterwegs und machen Best-Practice-Verglei-
che . Über das Bundesgebiet hinaus haben sie sich schon
vernetzt . Wenn wir ihnen helfen sollen, geht es meistens
um Geld und nicht um gesetzliche Regelungen oder Ver-
waltungsvorschriften .

Ich möchte die Zeit, die ich noch habe – es ist ja nicht
viel Redezeit –, nutzen, um zu sagen: Wir haben erlebt,
dass es eine freiwillige Willkommenskultur gibt . Darüber
freuen wir uns . Wir können sie nicht hoch genug schät-
zen . Aber jetzt geht es darum, aus der Willkommenskul-
tur eine Lebenskultur zu machen . Jetzt spreche ich die
vielen freiwilligen Helfer und Helferinnen in unserem
Land von dieser Stelle aus nachdrücklich an: Sie kön-
nen etwas leisten, was keine Institution und keine Politik
leisten kann, nämlich Face-to-Face-Begegnungen . Was
Flüchtlinge jetzt wirklich noch viel mehr brauchen, sind
Menschen, die mit ihnen Deutsch sprechen . Mir sagen
Flüchtlinge immer wieder: Wir lernen in den Kursen
Deutsch, und dann spricht keiner mit uns Deutsch . –
Das sind Menschen, die ihnen erzählen können, woher
sie kommen, was sie erlitten haben, was sie hoffen, wie
sie  mit  den  Konflikten  klarkommen,  die  sie  tagtäglich 
erleben, wie  sie mit  den Defiziten,  die  sie  bei  sich  er-
kennen, zurechtkommen . Da gibt es keine andere Lösung
als die menschliche Begegnung . Man kann nicht jedem
einen Sozialarbeiter auf den Rücken binden; wir haben
sie nicht, können sie nicht bezahlen, und sie schaffen es
nicht, auf gleiche Art und Weise einen Kontakt herzustel-
len, weil sie als Professionelle anders wahrgenommen
werden . Eine glaubwürdige menschliche Begegnung,
von Mensch zu Mensch, hat eine Wirkung – das kann
ich immer wieder sagen, das beschreiben ja auch andere
so –, die unvergleichlich produktiv ist –


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


vom Deutschlernen bis hin  zum Zurechtfinden  in  einer 
Kultur, die ihnen fremd ist .

Wie sollen denn die Flüchtlinge, die zu uns gekommen
sind, abstrakte Begriffe wie Gerechtigkeit, Partnerschaft-
lichkeit, Gleichberechtigung und Würde des Menschen
verstehen, wenn sie keine Menschen haben, die sie ihnen
nach unserem Grundgesetz sozusagen übersetzen? Sie
verstehen das einfach nicht, das bringen sie auch nicht
mit . Dann merken wir, wie unzulänglich all unsere orga-
nisierten Angebote sind und wie sehr wir die freiwilligen
Helfer brauchen, die sagen: Wir nehmen sie ein Stück
weit in unser Leben hinein, so weit, wie ein jeder kann . –
Ich halte das für unverzichtbar .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube auch – davon bin ich fest überzeugt –, dass
wir alle miteinander uns dabei verändern werden . Auch
wir werden lernen . Wir dürfen doch den Flüchtenden
nicht alle Wurzeln abschneiden . Wir können doch Inte-
gration nicht so verstehen, dass sie so werden müssen
wie wir . Ein Mensch, der seine eigene Sozialisation ver-
leugnen muss, der verliert noch mehr den Halt,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Willi Brase [SPD])


der hat keine Standfestigkeit mehr .

Das heißt, es geht hier um einen Prozess, den wir mit-
einander angehen müssen . Mir macht er keine Angst . Wir






(A) (C)



(B) (D)


werden in neue Welten geführt werden . Ich bin vielleicht
morgen nicht mehr der Alte, der ich heute war . Das ist
auch gut so . Wir müssen sehen, dass wir das immer auf
der Basis unseres Grundgesetzes, unserer menschlichen
Werte tun und dass wir die zu uns Gekommenen mit un-
serem Verhalten auf diese richtigen Wege locken . Wir
müssen ihnen unsere Werte glaubhaft vorleben . Das Bei-
spiel wirkt immer am besten .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816726400

Vielen Dank . – Interfraktionell wird Überweisung der

Vorlage auf Drucksache 18/8221 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie
damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall . Dann ist
die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Nationales Reformprogramm 2016

Drucksache 18/8116
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss Digitale Agenda
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist auch dies so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Bernd Westphal, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1816726500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es geht in der Debatte um das Nationale Reformpro-
gramm 2016 . In ihrem jährlichen Bericht legt die Bun-
desregierung dar, wie sie die Empfehlungen der EU um-
gesetzt hat . Hierbei geht es um wichtige Pfeiler der EU,
zum Beispiel um die Fortschritte bei der Umsetzung der
Strategie „Europa 2020“, aber auch um das Aktionspro-
gramm im Rahmen des Euro-Plus-Paktes oder das Euro-
päische Semester . Das sind wichtige Instrumente der EU,
und wir nehmen sie ernst . Wir unterstützen diesen Weg .

Wie ist die Situation in Deutschland? Trotz der sehr
angespannten  internationalen  Situation  mit  Konflikten 
ist ein solider Wachstumskurs zu verzeichnen: 2015 mit
plus 1,7 Prozent; die gleichen Erwartungen haben wir
auch für 2016 . Auch der Staatshaushalt ist im vierten Jahr
in Folge annähernd ausgeglichen . Mehr als 43 Millionen
Arbeitsplätze sind in Deutschland zu verzeichnen . Ziel
ist, diese Wachstumsdynamik zu verstetigen und Wachs-
tumspotenziale weiter zu erhöhen .

Vor allem im Bereich der Beschäftigung entwickeln
sich die Zahlen sehr positiv . Die Erwerbstätigenquote bei
den 20- bis 64-Jährigen liegt bei immerhin 77,7 Prozent,
Ziel erreicht, die Erwerbstätigenquote von Frauen liegt
bei 73,1 Prozent, Ziel erreicht, und auch bei der Erwerbs-
tätigenquote von Älteren zwischen 55 und 64 Jahren, die
bei rund 65 Prozent liegt, haben wir unser Ziel erreicht .

Als SPD geht es uns nicht nur darum, mehr Menschen
in Beschäftigung zu bekommen, sondern vor allem da-
rum, gute und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen .


(Beifall bei der SPD)


Die Einführung des Mindestlohns hat hier einen wichti-
gen Beitrag geleistet . Die Beseitigung von missbräuchli-
chen Werk- und Leiharbeitsverträgen muss noch folgen .
Wir wollen die Tarifbindung erhöhen, und auch die Mit-
bestimmung wollen wir ausbauen und verstetigen .


(Beifall bei der SPD)


Wer Beschäftigung in Deutschland sichern möch-
te, muss allerdings bei der Bildung beginnen . Wir sind
auf einem guten Weg, was die europäischen Indikatoren
angeht . Der Anteil der frühzeitigen Schul- und Ausbil-
dungsabgänger lag 2014 bei 9,5 Prozent . Das Ziel war
ein Anteil unter 10 Prozent, also auch hier haben wir un-
ser Ziel erreicht . Der Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit
einem tertiären oder gleichwertigen Abschluss liegt bei
45,7 Prozent . Das Ziel war 42 Prozent und ist somit mehr
als erreicht .

Allerdings haben wir auch einen hohen Investitions-
bedarf . Die Schulen sollten in den Städten die besten und
modernsten Gebäude sein, und nicht das Arbeitsamt oder
die Bank .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Andreas G . Lämmel [CDU/CSU])


Auch in Bezug auf die Instrumente für das Lernen in den
Schulen brauchen wir eine Weiterentwicklung, eine Mo-
dernisierung von Unterrichtsmaterial . Digitalisierung ist
dabei das Stichwort, ein Megatrend in Gesellschaft und
Wirtschaft .

Deutschland braucht ein starkes Europa und umge-
kehrt . Unsere ökonomische Stärke muss von sozialem
und ökologischem Fortschritt flankiert werden. Wir dür-
fen uns nicht an Haushaltskonsolidierung festbeißen,
sondern wir brauchen Investitionen in die Zukunft . Auch
die schwäbische Hausfrau hat ihr Haus per Kredit finan-
ziert und hat in den Garten und anderen Dinge investiert,
um das Haus zu erhalten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Martin Patzelt






(A) (C)



(B) (D)


Nur sparen reicht also nicht aus . Das gilt auch für Un-
ternehmen; denn nur dort, wo investiert wird, kann Geld
verdient werden . Das Gleiche gilt auch für den Staat .

Über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands wird
jetzt entschieden . Dieser Aufgabe werden wir uns mit
mutiger Politik stellen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816726600

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Michael Schlecht,

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816726700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Deutschland hat im Jahr 2015 im Wert von
230 Milliarden Euro mehr Waren und Dienstleistungen
exportiert als importiert . Mit einer gesunden Wirtschafts-
politik hat dieser Außenhandelsüberschuss nichts, aber
auch gar nichts zu tun . Das Wohl der hiesigen Wirtschaft
und der Beschäftigten hängt damit viel zu sehr an einer
Entwicklung, die hierzulande gar nicht beeinflusst wer-
den kann . Ob in China ein Reissack umfällt, ist für die
hiesige Entwicklung längst wichtig geworden, und er ist
umgefallen . Dass dies zu keinem wirklich gravierenden
Problem geworden ist, hängt nur damit zusammen, dass
es momentan einen Boom von Exporten in die USA gibt .
Aber was ist, wenn dieser Boom endet und sich kein
Ersatz findet? Unsere Wirtschaft ist also viel zu export-
lastig . Wir müssten viel stärker auf die Binnennachfrage
setzen .

Der Leistungsbilanzüberschuss, der zusätzlich zum
Außenhandelsüberschuss auch noch Vermögensüber-
tragungen und Ähnliches beinhaltet, ist 2015 sogar um
250 Milliarden Euro gestiegen . Das sind 8,5 Prozent im
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt . Damit verletzt
Deutschland die sonst so hoch gehaltenen Regularien .
Das ist schon wirklich ein starkes Stück in diesem Land .

Diesem Vorwurf begegnet die Bundesregierung im
Nationalen Reformprogramm lediglich mit diversen
grazilen Argumentationen und sagt, weshalb das alles
gar nicht so schlimm ist . Interessant ist aber, dass die
Bundesregierung dieser Kritik vonseiten der EU-Kom-
mission in diesem Bericht weiten Raum einräumt und
versucht, das zu widerlegen . Das gelingt aber nicht . Hier
bricht Deutschland EU-Regeln .

Diese Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands sind
nur möglich durch eine zunehmende Verschuldung an-
derer Länder . Das ist das entscheidende Problem . Die
Bundesregierung erklärt immer wieder, wie wichtig es
ist, ausgeglichene Haushalte zu haben, keine Schulden
zu machen;


(Matthias Ilgen [SPD]: Ja! Richtig!)


aber sie betreibt eine Wirtschaftspolitik, die darauf ange-
legt ist, dass andere Länder sich verschulden, zum Teil
sogar massiv .


(Matthias Ilgen [SPD]: Das ist Quatsch! Das ist völliger Unfug! – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Eines Tages werden diese Länder – das ist vollkommen
klar – die Schulden überhaupt nicht mehr zurückzahlen .
Man wird diese Schulden streichen müssen . Im Resultat
bedeutet das, dass die Leistungsbilanzüberschüsse, dass
die Außenhandelsüberschüsse im Grunde genommen nur
ein Verschenken von Waren und Dienstleistungen an den
Rest der Welt darstellen .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich sage nur: Bananenkisten!)


Man muss noch hinzufügen, dass es diesen Leistungs-
bilanzüberschuss nicht nur in einem Jahr gibt, sondern
wir haben seit dem Jahr 2000 einen immer stärker an-
wachsenden Leistungsbilanzüberschuss . Wir haben mitt-
lerweile kumulierte Außenhandelsüberschüsse von sage
und schreibe 2 Billionen Euro .

Was wir für eine wirklich gesunde Wirtschaftspolitik
brauchen, was wir brauchen, um diese Außenhandels-
überschüsse abzubauen, ist eine viel stärkere Orientie-
rung auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung . Wir
brauchen deutlich höhere Lohnsteigerungen, und wir
brauchen mehr Investitionen des Staates .


(Ulrich Freese [SPD]: Da arbeitet der Minister doch gerade dran!)


Wir brauchen zum Beispiel viel mehr Ausgaben für In-
vestitionen in die Infrastruktur, die in Deutschland zum
Teil verrottet . Wir brauchen viel mehr Ausgaben für In-
vestitionen in die Infrastruktur, in die Zukunft unseres
Landes . Wir müssen mehr in Bildung investieren usw .
Aber vor allem im Bereich der Lohnpolitik müssen wir
eine deutliche Stärkung erreichen . Damit kann die Bin-
nennachfrage gestärkt werden . Damit kann dafür gesorgt
werden, dass mehr importiert wird . Es geht ja gar nicht
darum, die Exporte herunterzuschrauben, sondern vor
allen Dingen darum, für mehr Importe zu sorgen, weil
dadurch eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz erreicht
werden kann . Nur so kann die für andere Länder verhee-
rende Politik, die am Ende auf uns zurückschlägt, been-
det werden .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816726800

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Dr . Andreas

Lenz von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Bernd Westphal [SPD])



Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1816726900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Na-

Bernd Westphal






(A) (C)



(B) (D)


tionale Reformprogramm ist Teil des Europäischen Se-
mesters . Dieses hat das Ziel, die Wettbewerbs- und In-
novationsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu stärken . Kern
ist die stärkere wirtschafts-, finanz- und beschäftigungs-
politische Koordinierung innerhalb der Mitgliedstaaten .
Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in der Europäi-
schen Union sind vor allem Strukturreformen in genau
diesen Politikfeldern notwendig . Zudem braucht Europa
zusätzliche Investitionen in Forschung, Bildung und In-
frastruktur .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier geht es um das Nationale Reformprogramm! Deutschland!)


Wir nutzen so das Reformprogramm, um die europäische
und die deutsche Wirtschaft voranzubringen . Dabei soll-
ten die Schwachen gestärkt werden und nicht die Starken
geschwächt werden .

Der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands ist hoch,
keine Frage . In erster Linie ist dieser Überschuss aber ein
Zeichen der guten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft .


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eben nicht!)


Ein Grund für diesen Überschuss ist im Moment auch
der niedrige Rohölpreis, der zu geringen Importausgaben
führt . Auch die Niedrigzinspolitik der EZB trägt zum
hohen Leistungsbilanzüberschuss bei . Der schwache
Euro steigert die Preisattraktivität deutscher Waren im
Ausland . Beide Faktoren, der niedrige Rohölpreis und
der schwache Euro, tragen zu circa 25 Prozent zum Leis-
tungsbilanzüberschuss bei .

Es gilt aber auch, zu betonen, dass die EU-Kommissi-
on für Deutschland eben gerade keine zukunfts- und sta-
bilitätsgefährdenden Ungleichgewichte festgestellt hat .
Es handelt sich laut Kommission zwar um Ungleichge-
wichte, aber nicht um exzessive Ungleichgewichte .

Im Übrigen wäre es wohl besser, die Maastricht-Krite-
rien strenger zu überprüfen und sich stärker auf die Staa-
ten zu konzentrieren, die Schwächen ihrer Wettbewerbs-
fähigkeit aufweisen .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland verstößt auch immer wieder gegen ein Maastricht-Kriterium!)


Mir sind Überschüsse auf jeden Fall lieber als Defizite. 


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Von  der  deutschen Wettbewerbsfähigkeit  profitieren 
alle EU-Länder . Rund 60 Prozent aller deutschen Impor-
te stammen aus anderen EU-Mitgliedstaaten . Das schafft
Beschäftigung und Wohlstand nicht nur bei uns, sondern
auch in den anderen EU-Ländern .

Nur 2 Prozentpunkte des deutschen Leistungsbilan-
züberschusses von 8,5 Prozent – das wurde erwähnt –
stammen übrigens aus der Euro-Zone . Wenn also immer
wieder behauptet wird, Deutschland schwäche beispiels-
weise Griechenland durch seine Exportüberschüsse,

ist das nicht die Wahrheit . Es schadet nicht, auch hier
eine europäische Perspektive einzunehmen . Die Wert-
schöpfungsketten verlaufen inzwischen europäisch . Die
gesamte Euro-Zone konnte sogar einen Leistungsbilan-
züberschuss erzielen .

Wir brauchen Investitionen, keine Frage . Genau hier-
bei setzen wir Akzente . Investitionen für Deutschland
sind ein Schwerpunktthema in dieser Legislaturperiode .
Schaut man sich den neuen Bundesverkehrswegeplan an,
sieht man dies deutlich . Durch den Investitionshochlauf
werden 2016 für Straßen, Schienen und Wasserwege
mehr als 13 Milliarden Euro investiert – so viel wie nie
zuvor .

Der Investitionshochlauf startet auch beim Breitband-
ausbau mit dem Bundesprogramm in Höhe von 2,1 Mil-
liarden Euro . Aber auch in Bildung und Forschung wird
investiert . Dies zeigt sich an den Haushaltsmitteln . Ge-
genüber 2005 wurde der Etat des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung auf über 15 Milliarden Euro
verdoppelt – Tendenz steigend . Wir setzen also auch bei
den Investitionen gezielt Schwerpunkte .

Von den jährlichen Investitionen in Deutschland von
circa 460 Milliarden Euro entfallen lediglich 9 Prozent
auf den öffentlichen Sektor . Von diesen 9 Prozent inves-
tieren die Kommunen wiederum circa die Hälfte . Länder
und Kommunen werden vom Bund bis 2019 um mehr als
45 Milliarden Euro entlastet . Das ist richtig, und das ist
auch das beste Investitionsprogramm .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Über 90 Prozent der Investitionen werden aber vom
privaten Sektor geleistet . Wir brauchen also Konzep-
te, wie wir privates Kapital mobilisieren können . Wir
müssen beispielsweise durch die gezielte Förderung
von  Wagniskapital  gerade  Wachstumsfinanzierungen 
ermöglichen . Einen wichtigen Schritt stellt hierbei das
Eckpunktepapier Wagniskapital dar . Hierbei müssen wir
aber noch weitere Anstrengungen unternehmen, damit
Firmengründer Wachstumsmöglichkeiten in Deutschland
haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unternehmer sind für uns Vorbild und nicht Feindbild .
Dieser Grundsatz sollte übrigens auch hinsichtlich der
Neuregelung der Erbschaftsteuer gelten, damit keine Ar-
beitsplätze vernichtet werden .

Zur aktuell hohen Binnennachfrage trägt auch die gute
Arbeitsmarktsituation bei; Herr Westphal hat es erwähnt .
Aktuell sind über 43 Millionen Menschen erwerbstätig –
so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepu-
blik . Auch die Quote der älteren Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ist stark angestiegen: auf 65,6 Prozent .
Insgesamt haben mehr als 3,7 Millionen Menschen seit
2005  eine  sozialversicherungspflichtige  Beschäftigung 
aufgenommen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland hat im Hinblick auf die Europa-2020-Zie-
le in den Bereichen Beschäftigung und Bildung alle Ziel-
werte übererfüllt . Zu dieser Entwicklung tragen auch

Dr. Andreas Lenz






(A) (C)



(B) (D)


Flexibilitätsoptionen bei . Wir brauchen gerade jetzt wei-
terhin einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt .

Im Kapitel „Arbeitsmarkt fair und flexibel ausgestal-
ten“ wird die Wichtigkeit von Werkverträgen und Leihar-
beit betont, gerade wenn es darum geht, die Flüchtlinge,
die eine langfristige Bleibeperspektive haben, zu inte-
grieren .

Mit dem Integrationsgesetz wird der Grundsatz „For-
dern und Fördern“ gesetzlich verankert . Die Sprache ist
dabei der Schlüssel für Integration . Oft sind auch Arbeit
und Beschäftigung der Schlüssel für die Sprache . Asyl-
bewerber dürfen beispielsweise zukünftig auch als Zeit-
arbeiter eingesetzt werden . Wer Integrationsangebote
allerdings ablehnt, wird Kürzungen bei den Sozialleis-
tungen zu erwarten haben . Wir brauchen einen Staat, der
aktiviert und nicht alimentiert .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Man muss die zehn Minuten nicht ausnutzen! Man kann auch früher aufhören!)


Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt
wird viel Geld kosten, Mittel, die übrigens ohne die sorg-
same Haushaltsführung der vergangenen Jahre überhaupt
nicht aufzubringen wären . Keine Integration ist aber
langfristig noch teurer . Das muss uns allen klar sein .

Niemand darf sich zulasten der Allgemeinheit seiner
Steuerpflicht entziehen. Das wird angesichts der Aufde-
ckung der Panama Papers gerade wieder offensichtlich .
Die Bundesregierung setzt sich hier für die weltweite
Umsetzung der von der OECD erarbeiteten Empfehlun-
gen ein, Stichwort BEPS . Wir sollten das Europäische
Semester aber auch dazu nutzen, Steuervermeidung auf
europäischer Ebene einzudämmen . Wir brauchen nicht
europaweit die gleichen Steuersätze, aber wir brauchen
einen gemeinsamen Rahmen und Transparenz .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Digitalisierung verändert unsere Lebens-, aber
auch unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt in einem noch
gar nicht absehbaren Ausmaß . Gerade hier gilt es, die
Chancen, die sich Deutschland bieten, zu ergreifen . Ich
finde, in Zukunft sollte dem Thema Digitalisierung auch 
im Nationalen Reformprogramm ein entsprechender Platz
eingeräumt werden . Das Nationale Reformprogramm ist
Teil des Europäischen Semesters . Es trägt dazu bei, die
Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zu
verbessern . Im Nationalen Reformprogramm werden die
wichtigen Zukunftsfragen aufgegriffen und die Grundla-
gen für eine weiterhin positive Entwicklung gelegt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816727000

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Katharina

Dröge von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .


Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816727100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Westphal, mir ist aufgefal-
len, dass Sie es geschafft haben, in Ihrer ganzen Rede
kein einziges Mal zu erwähnen, worüber wir hier heute
Abend eigentlich diskutieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Westphal [SPD]: Doch! Das Nationale Reformprogramm!)


Wir reden nämlich nicht über eine Zusammenfassung
dessen, was die Bundesregierung gerade so tut, sondern
wir reden darüber, dass die Europäische Kommission uns
seit zehn Jahren sagt, dass wir ein Stabilitätskriterium rei-
ßen, das wir auf europäischer Ebene selbst mit vereinbart
haben, und dass wir es seit zehn Jahren nicht schaffen,
dieses Stabilitätskriterium in den Griff zu bekommen .

Ich  finde  es  europapolitisch  schwierig  –  ich  ärgere 
mich darüber –, dass gerade wir, die Bundesrepublik
Deutschland, die selbst ansonsten bei anderen europäi-
schen Ländern so streng darauf achten, dass europäische
Vereinbarungen eingehalten werden, wenn wir selbst ein-
mal im Fokus der Europäischen Union stehen, weil wir
eben nicht alles so vorbildlich eingehalten haben,


(Bernd Westphal [SPD]: Wir haben 1 Million Flüchtlinge aufgenommen!)


wie wir es europäisch vereinbart haben, sagen: Ach, die-
ses Kriterium ist ja auch irgendwie schwierig . Das ist
vielleicht gar nicht so gemeint, wie man das auf europä-
ischer Ebene vereinbart hat . Das ist ein Problem, für das
wir nichts können . Das hängt dann irgendwie mit dem
Ölpreis und mit dem Euro zusammen;


(Bernd Westphal [SPD]: Das habe ich so nicht gesagt!)


das wird aus den Reihen der Union immer wieder gesagt .
Das ist etwas, an dem wir nichts ändern können . – Das
finde ich europapolitisch schwierig. Wenn man von an-
deren Ländern die Einhaltung von Vereinbarungen ver-
langt, dann muss man selber als gutes Vorbild vorange-
hen . Das ist nicht nur europapolitisch richtig, sondern es
ist auch ökonomisch sinnvoll .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu möchte ich auch in Ihre Richtung, Herr Lenz,
etwas sagen . Sie haben sich ja mit dem Nationalen Re-
formprogramm intensiv auseinandergesetzt . Ich verstehe
nicht, warum Sie in Ihren Reden immer wieder als Ers-
tes sagen, dass es darum geht, dass die deutsche Wett-
bewerbsfähigkeit eingeschränkt werden soll, dass die
deutschen Exporte reduziert werden sollen . Um es noch
einmal klar zu sagen: Niemand hat etwas dagegen, wenn
wir Autos oder Maschinen in die Welt exportieren und
wenn unsere Produkte gut ankommen und nachgefragt
werden . Um es ganz einfach zu sagen: Es geht darum,
dass wir zu wenig italienischen Wein und zu wenig fran-
zösischen Käse kaufen und dass wir zu wenig Urlaub in
Griechenland machen . Das ist das, was uns die Europä-

Dr. Andreas Lenz






(A) (C)



(B) (D)


ische Kommission aufschreibt . Es geht um die Binnen-
nachfrage und nicht um die Exportstärke .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)


–  Ja,  das  finden  Sie  jetzt  unangenehm,  und  zwar  des-
halb – deswegen reden Sie auch nicht darüber –, weil uns
die Europäische Kommission da etwas aufschreibt, was
Sie als Bundesregierung nicht hinbekommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Westphal [SPD]: Müssen wir jetzt ein Gesetz erlassen, italienischen Wein zu trinken?)


Worum geht es? Es geht darum, dass im europäischen
Vergleich die Lohnentwicklung in Deutschland seit mehr
als einem Jahrzehnt zu niedrig ist . Es geht besonders
darum, dass die Investitionstätigkeit sowohl der öffent-
lichen Hand als auch des privaten Sektors in Deutsch-
land zu gering ist und dass wir es deswegen nicht hinbe-
kommen, eine ordentliche Binnennachfrage zu erzeugen .
Deutschland als größte Volkswirtschaft der Europäischen
Union könnte etwas dafür tun, dass die Nachfrageschwä-
che in der Europäischen Union reduziert wird .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Schwachsinn! – Matthias Ilgen [SPD]: Ein bisschen mehr Wein und Käse kaufen!)


Würden wir unsere Binnennachfrage steigern, hätten un-
sere europäischen Nachbarländer die Chance, mehr Pro-
dukte hierher zu exportieren .


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Französischen Käse kaufen!)


– Ja, Sie können so viel französischen Käse kaufen, wie
Sie wollen . Es geht um eine gesamtwirtschaftliche Be-
trachtung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier geht es um unsere Binnennachfrage . Diese müssen
wir verbessern .

Ganz ehrlich: Was Sie tun, ist ein Armutszeugnis . Sie
sind in einer Situation steigender Steuereinnahmen und
niedriger Zinsen; das ist ein Traum für jeden Finanzmi-
nister . Sie schaffen es trotzdem nicht, ausreichend zu in-
vestieren, zum Beispiel in die Bildung . Sie schaffen es
nicht, dafür zu sorgen, dass wir in diesem Land Schulen
haben, die ordentlich gestrichen sind; das müssen die El-
tern selber machen .


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Es gibt zu viele rot-grün regierte Länder, die die Schulen verkommen lassen! Ich kenne die verkommenen Schulen auch aus Schleswig-Holstein!)


Sie schaffen es nicht, die 12 000 maroden Brücken in
diesem Land zu sanieren . Sie schaffen es nicht, schnel-
les Internet in diesem Land bereitzustellen . Sie schaffen
es auch nicht, eine vernünftige Klima- und Energiewen-

de hinzubekommen . All das schaffen Sie nicht, obwohl
Geld vorhanden wäre .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


All das ist schlecht für die Wirtschaft, und all das
könnten Sie ändern . Dann würden Sie auch die europäi-
sche Volkswirtschaft stabilisieren; das ist die Verantwor-
tung, die Sie haben . Dann müssten Sie auch nicht auf
Mario Draghi und seine Niedrigzinspolitik schimpfen .


(Beifall des Abg . Dr . Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn Sie etwas für die Investitionen hier und in Europa
täten, dann müsste Mario Draghi nicht als letzter Vertei-
diger der europäischen Konjunkturpolitik dastehen, son-
dern dann hätte Deutschland die Chance, hieran etwas zu
ändern . Es liegt an Ihnen, dass das nicht passiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Noch ein letzter Satz zum Nationalen Reformpro-
gramm . Es ist ein Erfolg, dass wir heute Abend um
21 Uhr darüber diskutieren; beim letzten Mal haben wir
um 23 Uhr darüber diskutiert . Es ist auch ein Erfolg, dass
wir im Bundestag überhaupt darüber sprechen, bevor es
nach Brüssel versandt wird . Wir haben eine ganze Reihe
von Vorschlägen gemacht, damit das Nationale Reform-
programm wirklich ernst genommen wird . Dazu gehört
unter anderem, dass der Deutsche Bundestag über dieses
Programm abstimmt . Dann könnten Sie nämlich auch
einmal erklären, wie Sie sich zu den einzelnen Maß-
nahmen verhalten, statt dieses Thema immer erst in der
letzten Stunde, wenn niemand mehr hinschaut, zu debat-
tieren .


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Wir sind doch alle da!)


Das Ganze war die Antwort der Europäischen Union
auf die Wirtschaftskrise . Eine stärkere wirtschaftspoliti-
sche Koordinierung war die Lehre aus der Finanzmarkt-
krise . Das Nationale Reformprogramm ist dafür ein zen-
trales Instrument. Ich finde, es ist Ihre Pflicht, es ernst zu 
nehmen, auch und gerade dann, wenn es Deutschland ein
bisschen wehtut .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816727200


Vielen Dank . – Jetzt haben wir alle gehört, wie viel
man in kurzer Zeit sagen kann .

Ulrich Freese von der SPD-Fraktion hat als nächster
Redner das Wort .


(Beifall bei der SPD)


Katharina Dröge






(A) (C)



(B) (D)



Ulrich Freese (SPD):
Rede ID: ID1816727300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was nutzt es Europa, wenn die dampfende deutsche Lo-
komotive möglicherweise auch noch lahmt?


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um Gottes willen! Schmeiß Hirn vom Himmel!)


Das war ein Teil der Rede, die Sie gerade vorgetragen
haben, und ein Teil der Rede, die Herr Kollege Schlecht
vorgetragen hat .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Niemals! – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Sie haben keine Ahnung!)


– Kollege Schlecht, wir beide kommen ja aus der Ge-
werkschaftsbewegung und  haben  häufig genug  darüber 
gestritten, was richtig und falsch ist .

Mir ist wichtig – ich glaube, das ist auch für die Ent-
wicklung Deutschlands als Lokomotive Europas wich-
tig –, dass wir unseren industriellen Besatz nach wie vor
stabil halten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


100 000 Betriebe, 8 Millionen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und 260 000 Auszubildende sind in einem
industriellen Netzwerk, das der Kern der wachstumsori-
entierten Politik der Bundesrepublik Deutschland ist .

Nicht anders verhält es sich – richtigerweise – auch
auf europäischer Ebene; denn das Kernziel der Europäi-
schen Kommission, bis 2020 den industriellen Anteil am
Bruttoinlandsprodukt auf 20 Prozent zu erhöhen, ist ein
richtiges, ein ehrgeiziges und auch ein nachhaltiges Ziel,
das all die Fragen, die hier in unterschiedlicher Art und
Weise aufgeworfen worden sind, zu beantworten hilft .

Für die Reindustrialisierung Europas ist eine Wie-
derbelebung der Industriepolitik zwingend erforderlich;
denn eines lehrt uns die Vergangenheit: Staaten, die einen
hohen industriellen Wertschöpfungsanteil besitzen, sind
gut durch Krisen gekommen; was insbesondere für die
Bundesrepublik Deutschland gilt .


(Beifall des Abg . Matthias Ilgen [SPD])


Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir den ho-
hen industriellen Besatz, den wir haben – sein Anteil an
der Bruttowertschöpfung beträgt weit über 20 Prozent –,
stabil halten, damit die anderen europäischen Staaten ih-
ren Anteil, der bei unter 20 Prozent liegt – durchschnitt-
lich sind es 15 Prozent, in einigen Ländern sogar nur
10 Prozent, und das mit schrumpfender Tendenz –, im
Rahmen dieses industriellen europäischen Netzwerkes
steigern können .

Mein Kollege Westphal hat klar und deutlich gesagt,
dass es uns darauf ankommt, gut bezahlte Arbeitsplätze,
gute Ausbildung, faire Arbeitsbedingungen und Partizi-
pation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Be-
triebsräten bzw . im Rahmen der Mitbestimmung zu ha-
ben . Das ist der Kern der industriellen Produktionsweise
innerhalb Deutschlands . Wenn wir wollen, dass Europa
vorankommt, dann tun wir gut daran – das hat insbeson-

dere die Diskussion heute Morgen über die Stahlstandor-
te in Deutschland und in Europa gezeigt –, unsere Indus-
trie zu stärken, statt sie durch solche Diskussionen, wie
sie hier gerade geführt wurden, zu schwächen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816727400

Vielen Dank . – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich

schließe die Debatte .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/8116 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
auch so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
Katharina Dröge, Claudia Roth (Augsburg),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordne-
ten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der
Westafrikanischen Wirtschaftsunion dem
Bundestag zur Abstimmung vorlegen

Drucksachen 18/5096, 18/6512

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Kekeritz, Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth

(Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra-
tes über die Unterzeichnung und die vorläufi-
ge Anwendung des Wirtschaftspartnerschafts-
abkommens zwischen der Europäischen
Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits
und den SADC-WPA-Staaten andererseits
KOM(2016) 8 endg.; Ratsdok. 5608/16

und

zu dem Vorschlag für einen Beschluss des
Rates über die Unterzeichnung und die
vorläufige Anwendung des Wirtschafts-
partnerschaftsabkommens zwischen den
Partnerstaaten der Ostafrikanischen Ge-
meinschaft einerseits und der Europäischen
Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits
KOM(2016) 63 endg.; Ratsdok. 6126/16

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesre-
gierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
gesetzes

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der
Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afri-
ka und der ostafrikanischen Gemeinschaft ab-
lehnen






(A) (C)



(B) (D)


Drucksache 18/8243
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Debatte . Als erster Redner hat der Par-
lamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn für die
Bundesregierung das Wort .

Th
Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1816727500


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Handel kann einen wichtigen Beitrag zu
nachhaltiger Entwicklung leisten – auch und gerade für
Länder, die bisher noch wenig am Weltmarkt und an re-
gionalen Märkten vertreten sind .

Die Öffnung der Märkte – der Abbau von Handels-
schranken – macht aber nicht automatisch alle zu Gewin-
nern und führt nicht automatisch zu Wohlstand für alle .
Entscheidend ist, wie die Handelsbeziehungen gestaltet
sind . Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass wir
hier im Deutschen Bundestag eine öffentliche Debatte
darüber führen und dass sich der Deutsche Bundestag
aktiv an diesen Fragen beteiligt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Dank der Opposition!)


Die Europäische Union hat letztes Jahr ihre neue Han-
delsstrategie unter der Überschrift „Handel für alle“ vor-
gelegt . Das macht deutlich, worum es geht: Wir wollen,
dass alle Handel treiben können, und zwar so, dass alle
davon profitieren können. 

Diese Ausrichtung spiegelt sich auch in den neuen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der Europäischen
Union wider . Die entsprechenden Verhandlungen mit
drei Regionen in Afrika sind abgeschlossen . Das ist ein
Meilenstein in unseren Beziehungen mit diesen Ländern .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung hat sich im Kabinett mit dem
europäischen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit
Westafrika beschäftigt, und es ist bereits unterschrieben
worden . Die Unterzeichnung der Abkommen mit dem
südlichen und dem östlichen Afrika steht in diesem Jahr
unmittelbar bevor .

Ich will hier fünf Gründe nennen, warum europäi-
sche Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ein wichtiger
Schritt auf dem Weg zu freiem und fairem Handel sind:

Erstens . Diese Abkommen stärken die regionale Inte-
gration . Die Europäische Union verhandelt mit Gruppen
von Staaten . Das allein hat schon die regionale Integrati-
on stimuliert; denn diese Staaten mussten sich regelmä-
ßig untereinander abstimmen, um gemeinsame Positio-
nen zu entwickeln .

Außerdem werden die Ursprungsregeln vereinfacht .
Das erleichtert es, Vorprodukte aus anderen Ländern der
Region zu verwenden und auch damit vom Marktzugang
nach Europa zu profitieren. 

Beides stärkt nicht nur den Handel mit der EU, son-
dern auch den Handel innerhalb Afrikas, und das ist auch
dringend notwendig; denn bisher findet auf unserem afri-
kanischen Nachbarkontinent nur ein Zehntel des Handels
zwischen den afrikanischen Staaten statt, während wir in
Europa zwei Drittel unseres Handels innerhalb der Euro-
päischen Union abwickeln .

Zweitens . Europäische Partnerschaftsabkommen
schaffen dauerhaft Zugang zum europäischen Markt, und
zwar ohne Zölle und ohne Quoten . Die Entwicklungs-
länder erhalten dadurch deutlich bessere Möglichkeiten,
ihre Produkte zu exportieren und mehr Produktion – es
geht insbesondere um die Weiterverarbeitung – in ihren
eigenen Ländern zu etablieren .

Drittens . Diese Abkommen verursachen eine
Marktöffnung mit Augenmaß . Die afrikanischen Staa-
ten öffnen ihre Märkte nämlich asymmetrisch, und zwar
nur um ungefähr 80 Prozent . Das heißt, ein Fünftel der
Produkte bleibt dauerhaft geschützt . Das gilt insbeson-
dere für agrarische Produkte . Der Rest des Marktes wird
schrittweise geöffnet, mit Übergangsfristen von bis zu
25 Jahren . Dadurch bleibt diesen Ländern Zeit, sich an-
zupassen . Selbst bei einer ernsthaften Schädigung der
heimischen Wirtschaft ist vorgesehen, dass zusätzlich
flexible  Schutzmaßnahmen  wie  Zölle  erhoben  werden 
können . Ich betrachte es als einen wichtigen Schritt, dass
gerade die lokale Zivilgesellschaft eng in die Entschei-
dung eingebunden wird, ob diese Schutzklauseln ange-
wendet werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Viertens . Meine Damen und Herren, wir haben uns bei
allen europäischen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
für die Umsetzung von Umwelt- und Sozialstandards
eingesetzt . Wenn fundamentale Prinzipien wie die Men-
schenrechte missachtet werden, kann die Europäische
Union angemessene Gegenmaßnahmen ergreifen, ein-
schließlich eines Entzugs der Präferenz .

Fünftens . Wir stärken unsere Partnerländer gleich-
zeitig über unsere Entwicklungszusammenarbeit . Damit
öffnet die EU nicht nur ihre Märkte, sondern wir unter-
stützen unsere afrikanischen Partner gezielt, zum Bei-
spiel beim Ausbau der Transportwege oder der Qualitäts-
infrastruktur .

Meine Damen und Herren, wir wollen die Globali-
sierung gerecht gestalten . Dazu brauchen wir freien und
fairen Handel; denn Handelsbeziehungen, die nicht frei
sind, sind auch nicht fair . Sie lassen nicht genügend Raum
für Initiative, für Innovation, für Investition . Aber freier
Handel muss eben auch fair sein und Entwicklungsländer
deutlich besser in regionale und globale Wertschöpfungs-
ketten integrieren . Ihnen muss ein deutlich höherer Anteil
der Wertschöpfung in den eigenen Ländern verbleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Fairer Handel kann damit ein machtvolles Instrument
für nachhaltige Entwicklung werden . Die europäischen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bieten unseren
Partnerländern dazu die Chance . Wir wollen sie mit un-
serer Entwicklungszusammenarbeit tatkräftig dabei un-
terstützen, diese Chancen zu nutzen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816727600

Vielen Dank . – Als Nächste spricht Heike Hänsel von

der Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816727700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Staatssekretär Silberhorn, wir debattieren hier zwar
zu später Stunde . Aber das heißt noch lange nicht, dass
wir hier Märchenstunden veranstalten müssen .


(Beifall bei der LINKEN)


Heute Abend zu später Stunde geht es nämlich um
nichts Geringeres als um die selbstbewusste Verteidi-
gung der Rechte des Parlaments gegenüber der Bun-
desregierung . Dazu haben Sie keinen Satz gesagt, Herr
Silberhorn . Die Bundesregierung will nämlich dem Bun-
destag eine Abstimmung über Freihandelsabkommen der
EU mit den afrikanischen Staaten, über die Sie jetzt ge-
sprochen haben, verweigern .


(Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Quatsch!)


Obwohl die Abkommen von der EU als gemischte Ab-
kommen eingestuft werden, sagt die Bundesregierung,
der abstimmungsrelevante Teil des Abkommens sei we-
niger politischer als eher technischer Natur . Deshalb sei
der Bundestag nicht zuständig . – Mit dieser Argumenta-
tion dürften wir hier über zahlreiche Freihandelsabkom-
men überhaupt nicht abstimmen .

Nun gab es dazu eine Anhörung im Rechtsausschuss .
Was war das Ergebnis? Alle Sachverständigen, über alle
Parteigrenzen hinweg, folgten unserer Argumentation,
dass die Bundesregierung hier eine völlig überholte Aus-
legung des Grundgesetzes vornimmt und dass das ganze
Abkommen betrachtet werden muss . Genau deswegen
muss dieses Abkommen dem Parlament zur Abstimmung
vorgelegt werden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich erwarte von Ihnen, von SPD und CDU/CSU, mei-
ne Herren und Damen Abgeordnete, dass Sie sich hier
nicht zu Statisten degradieren lassen, sondern aktiv für
Ihre Rechte als Parlament und Ihre Rechte als Abgeord-
nete eintreten .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Rebmann [SPD]: Machen wir! Durch Handeln erledigt!)


Jetzt noch ein paar Sätze zu diesen sogenannten Wirt-
schaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika, die über
Jahrzehnte die Handelsstrukturen festlegen werden .
„Partnerschaftsabkommen“ ist dabei schon eine sehr zy-
nische Bezeichnung, kann ich dazu nur sagen . Die ehe-
malige Kulturministerin von Mali, Aminata Traoré, hat
diese Abkommen als „Massenvernichtungswaffen Euro-
pas“ bezeichnet . Diese Abkommen sind im Grunde das
TTIP für Afrika und deshalb zurückzuweisen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viele von uns kennen ja das Beispiel mit den billigen
Hähnchenschenkeln aus der EU . Deshalb möchte ich da-
rauf jetzt gar nicht eingehen . Es gibt aber ein anderes,
sehr eindrückliches Beispiel, das auch vor kurzem in ei-
nem Artikel der Zeit sehr treffend dargestellt wurde . Es
geht um Ghana in Westafrika, ein Agrarland . Tomaten
sind dort eines der meistkonsumierten Nahrungsmittel .
Auf den Märkten  in Ghana aber findet man wenig hei-
mische Tomaten, dafür umso mehr Tomaten von den rie-
sigen Agrarkonzernen aus der Europäischen Union, zum
Beispiel auch aus Italien . Was passiert nun mit den Klein-
bauern in Ghana? Viele verlieren ihre Existenz . Sie kön-
nen nicht mit den billigen Produkten – in diesem Fall den
billigen Tomaten aus der EU – konkurrieren . Sie verlie-
ren ihre Existenz, werden arbeitslos . Wenn sie Glück ha-
ben, haben sie die Möglichkeit, nach Europa zu kommen .
Sie überleben vielleicht die lebensgefährliche Fahrt über
das Mittelmeer und landen dann in Italien . Und wenn sie
noch einmal Glück haben, bekommen sie vielleicht einen
Job als Erntehelfer auf den großen Tomatenplantagen der
Konzerne – natürlich zu einem Hungerlohn, damit die
Tomaten in Ghana noch billiger verkauft werden können
und dort noch mehr Kleinbauern arbeitslos werden .

Dieser perverse Teufelskreis von Preisdumping, Platt-
machen von Kleinbauern, Perspektivlosigkeit und Flucht
muss endlich durchbrochen werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Freihandel, Herr Silberhorn – und darum geht es bei der
EU –, bringt nur wenigen großen Konzernen viel Pro-
fit. Freihandel zerstört und ist eine Fluchtursache. Genau 
deswegen – das sehen wir ja – sind die Interessen, die die
EU vertritt, die der großen Konzerne . Diese Auseinan-
dersetzung haben wir ja derzeit mit CETA und TTIP . Wer
wie die Bundesregierung hier immer gerne von der Be-
kämpfung von Fluchtursachen spricht, der darf zu dieser
Form des Freihandels nicht länger schweigen .


(Beifall bei der LINKEN)


Genau deshalb ist es auch entscheidend, dass der Bun-
destag, dass wir alle hier darüber diskutieren und abstim-
men können .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN)


Parl. Staatssekretär Thomas Silberhorn






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816727800

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Dr . Sascha

Raabe von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1816727900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Frau Hänsel, lieber Herr Kekeritz,
ich habe heute gute Nachrichten zu verkünden . Heute ist
ein guter Tag für die Demokratie und den Parlamentaris-
mus . Denn als wir uns das letzte Mal hier getroffen und
darüber debattiert haben – fast genau vor einem Jahr, im
Juni 2015 –, ob der Deutsche Bundestag oder nur das
Kabinett bzw . die Regierung das Abkommen mit West-
afrika ratifiziert, haben wir eigentlich alle parteiübergrei-
fend die Meinung vertreten, dass das gemäß Artikel 59
Absatz 2 Grundgesetz der Bundestag machen soll .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Richtig!)


Sie wissen, dass ich bereits im Dezember 2014 ein
Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag
gegeben habe, das auch zu diesem Schluss gekommen
ist . Sie haben auch in Ihren Anträgen auf dieses Gutach-
ten Bezug genommen . Wir haben dann mit Verfassungs-
rechtlern Gespräche geführt . Auch der stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der SPD, Axel Schäfer, hat sich
dort sehr reingehängt . Dann führte, wie Frau Hänsel
schon sagte, der Rechtsausschuss auf Grundlage eines
Beschlusses des Ältestenrates eine Anhörung durch .
Normalerweise ist es bei Juristen ja so: Wenn zwei Juris-
ten zusammenkommen – so wird immer gesagt –, dann
gibt es drei Meinungen . Bei dieser juristischen Anhörung
war es so: Sechs Juristen saßen zusammen und hatten
eine Meinung . Gott sei Dank war es die Meinung, die wir
als Parlamentarier schon seit Ende 2014 vertreten haben,
nämlich dass dieses Abkommen als gemischtes Handels-
abkommen  im  Deutschen  Bundestag  ratifiziert  werden 
muss .

Ich hatte Ihnen damals – Frau Präsidentin, mit Ihrer
Erlaubnis zitiere ich mich einmal selbst – in meiner Rede
zur ersten Lesung abschließend gesagt:

Die SPD wird dann als Gesamtfraktion, nachdem
wir das noch einmal juristisch geprüft und bewertet
haben, entscheiden müssen, wie wir zu dem Antrag
stehen . Ich hoffe, dass er dann durch Regierungs-
handeln erledigt sein wird und die Ratifikation bei 
gemischten Abkommen generell hier im Bundestag
stattfindet,  so wie  das Artikel  59 Absatz  2  Satz  1 
Grundgesetz aus meiner Sicht vorsieht .

Und jetzt – ich habe es ja angekündigt – kann ich Ih-
nen die gute Nachricht verkünden: Der Justizminister, der
federführende Minister der Verfassungsressorts, Heiko
Maas, hat mir gestern persönlich gesagt, dass er seine
Meinung geändert hat und nicht das Kabinett, sondern
aus seiner Sicht der Deutsche Bundestag das Abkommen
ratifizieren  kann, wenn  er  das möchte. Diese Meinung 
vertreten auch alle SPD-Minister im Kabinett . Auch der
federführende Minister, der inhaltlich zuständig ist, Mi-
nister Gerd Müller, hat mir das persönlich versichert,
letztmals noch einmal persönlich zwei Stunden vor die-

ser Debatte . Er hat auch schon mit den Bundesministern
Altmaier und de Maizière gesprochen, sodass ich davon
ausgehe, dass das auch die Haltung der Bundesregierung
insgesamt werden wird .

Ich glaube, wenn wir als Parlamentarier hiermit er-
reicht haben, dass die Rechte des Parlaments gestärkt
werden, dann ist das etwas, über das wir uns freuen kön-
nen, und ein guter Tag für die Demokratie .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Der Druck der Opposition wirkt!)


Ich glaube, dass es auch ein Erfolg von vielen Abgeord-
neten der Unionsfraktion ist, die das genauso sehen wie
wir; denn dieses Thema behandeln wir fraktionsübergrei-
fend .

Der Rechtsausschuss hat ja gemeinsam eine Be-
schlussempfehlung gefasst, an der Vertreter aller Frakti-
onen – SPD, Grüne, Linke, CDU/CSU – beteiligt waren .
Ich glaube, da haben wir als Parlamentarier zusammen-
gestanden . Es geht auch darum, dass wir kein Präjudiz
für die Zukunft schaffen, wodurch Mitbestimmung im
Bundestag beschnitten wird . Wenn uns die Regierung
jetzt mitteilt, dass wir das Vorhaben im Bundestag ratifi-
zieren können, dann wird das Parlament sicherlich auch
in Zukunft bei allen gemischten Freihandelsabkommen
gemäß dem Grundgesetz entsprechende Rechte haben .
Dafür werden uns vielleicht nachfolgende Kolleginnen
und Kollegen noch sehr dankbar sein .

Deswegen ist klar, Kollege Kekeritz – ich habe es da-
mals schon angekündigt –: Wir als SPD werden aufgrund
des Regierungshandelns Ihren Antrag für erledigt erklä-
ren .


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber erst mal realisieren!)


Er ist veraltet;


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Erst einmal sehen!)


deshalb brauchen wir ihm nicht mehr zuzustimmen . Aber
inhaltlich passt er . Inhaltlich ist das genau unsere Positi-
on, die wir auch schon immer vertreten haben . Gut, dass
das jetzt so kommt .

Sie haben noch einen Antrag eingebracht, den wir in
erster Lesung beraten und über den wir heute noch nicht
abstimmen . Darin geht es um Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen insgesamt bzw . konkret um das Abkommen
mit den südafrikanischen Staaten .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: SADC!)


Sie wissen, dass auch wir als SPD-Fraktion bei den
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen noch kritische
Punkte sehen . So meinen wir, sie müssen stärker auf Ent-
wicklungsförderung ausgerichtet werden, und bewerten
manche Liberalisierungsverpflichtungen kritisch. Vor al-
lem sehen wir es immer noch als problematisch an, dass
in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen – sei es das
Abkommen mit Südafrika, das mit Westafrika oder das






(A) (C)



(B) (D)


mit Ostafrika – die Nachhaltigkeitskapitel nicht verbind-
lich sind,


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Oder gar keine drin sind!)


gerade was die ILO-Kernarbeitsnormen angeht .

Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Wirtschafts-
partnerschaftsabkommen dem Bundestag zur Ratifikati-
on vorgelegt werden, weil wir als SPD-Fraktion uns dann
entscheiden müssen, wie wir uns zu den Abkommen stel-
len . Da haben wir bei allem Lob, das ich Minister Müller
zu Recht für seine Haltung ausspreche, dass die Abkom-
men im Bundestag ratifiziert werden müssen – ein gro-
ßes Lob dafür gebührt, wie gesagt, den Ministern Maas
und Müller –, eine inhaltliche Differenz . Er sieht die
Nachhaltigkeitskapitel als ausreichend an, zumindest als
ausreichend, um diese Abkommen inhaltlich erst einmal
zu beschließen . Er hat gesagt, dass er in Nachverhand-
lungen dort noch mehr erreichen will . Aber wir sagen:
Wenn wir auf die afrikanischen Staaten Druck ausüben
wollen, dass sie in den Bereichen Menschenrechte und
Arbeitnehmerrechte


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Schutzzölle!)


noch etwas tun, dann müssen wir nacharbeiten . Das sind
schließlich auch Fluchtursachen . Frau Hänsel hat es an-
gesprochen: Menschen, die zu wenig Geld verdienen
oder als Kindersklaven auf Kakaoplantagen arbeiten,
sind die Nächsten, die nach Europa flüchten müssen, weil 
das Einkommen nicht reicht . Deswegen sagen wir: Da
wollen wir nacharbeiten .

Die SPD hat im Mai 2015 einen Beschluss gefasst . Ich
zitiere noch einmal mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsi-
dentin:

In allen Handels-, Investitions- und Wirtschafts-
partnerschaftsabkommen und im Allgemeinen Prä-
ferenzsystem der EU sind deshalb Regeln für die
verbindliche Einhaltung und Umsetzung menschen-
rechtlicher, ökologischer und sozialer Standards
wie der ILO-Kernarbeitsnormen mit konkreten Be-
schwerde-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanis-
men zu vereinbaren .

Also auch in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen .
Das ist jetzt noch nicht der Fall . Deswegen bitte ich dich,
Axel, als stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, viel-
leicht in der nächsten Fraktionssitzung das Abkommen
mit Südafrika noch einmal auf die Tagesordnung zu set-
zen,


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das könnt ihr auch später noch bereden!)


weil  der Ministerrat  Ende Mai  darüber  befinden  wird. 
Dann tritt das erst einmal vorläufig in Kraft. Wir können 
es dann zwar später im Rahmen der Ratifikation wieder 
aussetzen, aber es ist sicherlich wichtig, dass wir hier –
eventuell auch mit dem Koalitionspartner – schon jetzt
deutlich machen, wenn wir eine andere Meinung haben,
damit die Bundesregierung nicht zunächst in Brüssel
grünes Licht gibt und wir erst im Rahmen der Ratifikati-
on die Möglichkeit haben, das noch zu ändern .

Aber dadurch, dass wir jetzt gemischte Abkommen
bzw . auf jeden Fall die Wirtschaftspartnerschaftsabkom-
men ratifizieren können, haben wir noch die Möglichkeit, 
etwas zu ändern . Ich danke an dieser Stelle noch einmal
Dirk Wiese und allen anderen Mitgliedern des Rechts-
ausschusses, dass ihr hier an unserer Seite wart .

In diesem Sinne: Lassen Sie uns jetzt unsere Mitbe-
stimmungsrechte ernst nehmen! Lassen Sie uns auch in
Zukunft darum bemühen, dass wir im Deutschen Bun-
destag Fairhandel statt Freihandel beschließen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: „Auch“ ist gut!)


Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Bernhard Kaster [CDU/CSU])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816728000

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Uwe Kekeritz

von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816728100

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Als ich hereinkam, hat mir die Kollegin Pfeiffer gesagt,
wenn ich abends nichts Besseres vorhätte, als hier im
Parlament zu sein, dann sei das mein Problem, aber man
möge sie doch bitte in Ruhe lassen; sie würde doch lieber
ein anderes Programm haben . Schauen Sie, Frau Pfeiffer,
der Vortrag von Sascha Raabe hat uns doch gezeigt, wie
wichtig solche Vorträge sind .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Das sind doch wirklich ganz neue Informationen, die da
kommen . Ich bin richtig begeistert von ihm .


(Dr . Sascha Raabe [SPD]: Wir trinken anschließend ein Bier!)


– Das können wir machen . Wir können ein Bier trinken .

Der argumentative Trick, der angewendet wurde, war
ja: Hat sich aufgrund konkreten Regierungshandelns er-
ledigt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Man kann ja auch zustimmen!)


Diesen Trick haben Sie, Herr Sascha Raabe, immer wie-
der angewendet . Meistens hat er nicht gestimmt . Es ist
natürlich schön, wenn Sie privat mit dem Herrn Minister
gesprochen haben .


(Dr . Sascha Raabe [SPD]: Als Abgeordneter!)


Darüber freue ich mich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber ich möchte das Ganze einmal hochoffiziell haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Sascha Raabe GRÜNEN]: Der Staatssekretär hat es offensichtlich nicht gewusst!)





(A) (C)


(B) (D)


Herr Raabe, es ist auch nicht so, dass das auf Initiative
der SPD zurückzuführen ist . Vielmehr haben das vor al-
len Dingen die Grünen aufgedeckt .


(Dr . Sascha Raabe [SPD]: Wer hat denn den Wissenschaftlichen Dienst beauftragt mit dem Gutachten?)


Dann haben die Linken nachgezogen . Professor
Dr . Lammert hat schließlich die Initiative ergriffen und
versucht, einmal klarzustellen, was eigentlich in diesem
Parlament los ist .

Es ist richtig – das hat die Kollegin Hänsel schon ge-
sagt –, dass es unsere Aufgabe ist, die Rechte des Parla-
ments zu verteidigen . Es kann nicht sein, dass die Re-
gierung hier Präzedenzfälle in einem Bereich schafft,
der höchst sensibel ist und in der Öffentlichkeit immer
mehr an Bedeutung gewinnt . Handelsverträge sind zen-
tral . Deswegen gehören sie grundsätzlich im Parlament
diskutiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Damit komme ich zu unserem zweiten Antrag . Ich
habe auf den beiden Weltkonferenzen in Nairobi und Ad-
dis Abeba im letzten Halbjahr mit vielen Diplomaten und
Ministern aus verschiedenen Ländern Afrikas gespro-
chen . Sie haben mir erklärt, warum sie gegen die Han-
delsverträge sind, aber dennoch unterschreiben mussten .
Es ist ganz einfach zu erklären, warum sie dann doch un-
terschrieben haben, obwohl sie dagegen waren . Man hat
den Ländern gedroht, ihnen einfach die Präferenzen weg-
zunehmen . So gut kann der Vertrag also nicht sein . Wenn
der Vertrag wirklich so gut wäre und vor allen Dingen
die Entwicklungsaspekte berücksichtigen würde, dann
würden die Entwicklungsländer sagen: Ja, genau das ist
es, was wir wollen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie werden erpresst! Erpressung ist das!)


Aber offensichtlich wollen sie das nicht .


(Beifall der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Man muss sich auch fragen, warum zwölf Jahre lang
über diese Verträge verhandelt wurde . Das ist doch ein
klares Zeichen, dass man nicht zu einem gemeinsamen
Ziel kommt . Wir haben das gleiche Problem in der WTO .
In der Doha-Runde wurde bisher ebenfalls zwölf Jahre
verhandelt . Aber bereits nach sieben Jahren hat die west-
liche Gemeinschaft gesagt, dass die Verhandlungen am
Ende sind . Aber mit den afrikanischen Staaten wollte
man eben nicht zum Ende kommen . Man hat einfach
gesehen, dass man am längeren Hebel sitzt, und hat die
Unterschriften erzwungen .

Unsere Befürchtungen und Analysen wurden durch
die Gespräche, die ich in Addis Abeba und Nairobi führ-
te, bestätigt .

Erstens . Die regionale Integration der Länder wird
eher behindert denn befördert, indem sich die einzelnen

Länder mehr und mehr auf den europäischen Wirtschafts-
bereich konzentrieren . Aber eines der wichtigsten Ziele,
das durch die Verhandlungen erreicht werden sollte, war
ja eigentlich die regionale Wirtschaftsentwicklung .

Zweitens . Das Recht dieser Länder auf Exportsteue-
rerhöhung wird stark beschnitten . Vorwiegend fallen Im-
portzölle weg . Wir alle wissen, dass diese Länder genau
diese Steuereinnahmen brauchen, um überhaupt existie-
ren zu können .

Kollege Raabe hat darauf hingewiesen, dass das
Nachhaltigkeitskapitel noch fehlt . Man kann das nicht
als Kleinigkeit abtun . Es ist auch niemand in der Lage,
das nachzuverhandeln . Das müsste jetzt schon in den
Verträgen stehen; sie sind ja bereits abgeschlossen . Der
Beschwerdemechanismus fehlt . Menschenrechte werden
nicht richtig beachtet . Vor allen Dingen problematisch
ist, dass diese Länder ihre Märkte für europäische Pro-
dukte öffnen müssen . Es gibt zwar Schutzmechanismen .
Wenn man sich diese aber genauer anschaut, dann weiß
man, dass sie viel zu kompliziert und nicht anwendbar
sind .

Gestern hat – ich komme gleich zum Schluss, Frau
Präsidentin – das Kabinett seine Zustimmung für die
SADC-EPA-Verhandlungen gegeben . Die Abstimmung
erfolgt aber erst Ende Mai in Brüssel,


(Zuruf von der CDU/CSU)


und dort braucht es ein klares deutsches Nein; denn diese
Verträge halten nicht, was sie versprechen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Die EPAs sind eher kontraproduktiv, was den Ent-
wicklungs – –


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816728200

Herr Kollege Kekeritz, Sie dürfen nicht erst gleich

zum Schluss kommen, sondern müssen jetzt zum Schluss
kommen .


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816728300

Jawohl . – Also sie sind kontraproduktiv . Deshalb ha-

ben wir den Antrag eingereicht, und ich hoffe, ihr unter-
stützt ihn .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816728400

Vielen Dank . – Als letzter Redner in der Debatte hat

Andreas Lämmel von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1816728500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Was soll man denn nun sagen, Herr Kekeritz?


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Jetzt einmal der Opposition zustimmen! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Jetzt bin ich gespannt, ob Uwe Kekeritz der Herr Kekeritz das Gleiche sagt wie Herr Raabe!)





(A) (C)


(B) (D)


Die Grünen bleiben im Prinzip ihrer alten Linie treu: al-
les verbieten, alles stoppen, alles negieren, was erreicht
worden ist .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bloß den Lämmel verbieten! Aber das geht nicht!)


Es stimmt einfach auch überhaupt nicht, was Sie zu den
einzelnen Punkten gesagt haben .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was stimmt denn nicht?)


– Darüber können wir noch diskutieren, wir haben ja
noch die Möglichkeit .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie sollen es sagen!)


Frau Hänsel, auch Ihre Rede brachte wieder das Übli-
che: Ablehnung von Handel . Das ist ja sozusagen sowie-
so linke Position .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Freihandel! Wir wollen gerechten Handel!)


– Was heißt denn Freihandel? Was ist denn der Unter-
schied zwischen Handel und Freihandel? Das müssen Sie
mir einmal erklären .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das müssten Sie genau wissen als Regierung! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie dem Sascha Raabe nicht zugehört? Er hat es ja erklärt!)


Und Herr Raabe, Sie können gerne Ihre Position hier
darlegen, nur: Ich habe nichts Schriftliches gesehen, dass
die Bundesregierung ihre Position geändert hätte .


(Dr . Sascha Raabe [SPD]: Fragen Sie doch Minister Müller, Ihren eigenen Minister! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aha! Da sind Sie nicht allein hier im Raum!)


Mir liegt wie allen das eindeutige Schreiben von Herrn
Maas vor, der als Reaktion auf das Gutachten des Deut-
schen Bundestages schreibt, dass alles nochmals geprüft
worden sei und seine Position unverändert bleibe .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Man kann ja klüger werden!)


Da können Sie doch hier nicht hergehen und sagen: Ich
habe mal mit dem Minister gesprochen, und jetzt hat er
seine Position geändert .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Hört! Hört!)


Wenn sich die Meinung eines Justizministers so ändert,
der ja immerhin einer der Minister ist, die die Verfas-
sungsmäßigkeit der Dinge prüfen müssen, dann verwun-
dert uns das . Aber es hätte ja zumindest schriftlich vorher
eingereicht werden können .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Könnt ihr das noch einmal diskutieren? – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diskutiert das mal! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen wir den Minister herbeizitieren?)


Als nächsten Punkt muss ich noch einmal deutlich sa-
gen: Es ist überhaupt nicht –


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1816728600

Herr Lämmel, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1816728700

– nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu – an uns,

meine Damen und Herren, die Frage zu prüfen, ob diese
Abkommen gemischt sind oder nicht, sondern diese Prü-
fung muss in Brüssel stattfinden. Eigentlich wissen doch 
auch Sie ganz genau, dass wir hier überhaupt keine Ent-
scheidungsbefugnis haben; denn es ist Ihnen ja bekannt,
dass gemäß dem Vertrag von Lissabon die Kompetenz
zur Verhandlung von Handelsabkommen nicht mehr in
Deutschland, nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel
liegt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber doch nicht bei gemischten Abkommen! Das ist ein gemischtes Abkommen!)


Genau dort wird auch die Frage zu beantworten sein,
welche Abkommen gemischt sind


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist gemischt!)


– dafür gibt es klare Regularien, das wissen Sie ganz ge-
nau – und welche keine gemischten Abkommen sind .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Herr Lämmel, Sie erzählen jetzt wirklich totalen Quark!)


– Ja, dazu können Sie sich ja dann gern noch einmal mel-
den .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und wieso ist das dann im Kabinett? Der hat ja keine Ahnung!)


Ich will also deutlich sagen: Es liegt die Stellungnah-
me von Herrn Minister Maas vor; das ist für uns natürlich
die Leitlinie .

Noch einmal zu den Inhalten, Herr Kekeritz, zu der
Mär, die Sie verbreiten, dass dieses Wirtschaftspartner-
schaftsabkommen praktisch die regionale Integration
verhindern würde:


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eher blockieren als befördern, habe ich gesagt!)


Wenn Sie sich das Handelsaufkommen zwischen Europa
und Afrika einmal anschauen, dann erkennen Sie, dass
es verschwindend gering ist . Dass wir mit diesen Wirt-
schaftsabkommen versuchen, dieses anzukurbeln, indem
alle Zollschranken in Europa für Exporte aus Afrika nach
Europa fallen, ist doch ein Riesenvorteil .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber nur bei gegenseitiger Senkung von Zöllen, nicht einseitiger!)


Andreas G. Lämmel






(A) (C)



(B) (D)


Das ist es doch, was Sie früher immer beklagt haben:
dass wir Schutzzölle erheben, dass Schranken errichtet
werden, damit Produkte aus Afrika es hier in Europa
schwer haben .

Wenn Sie sich einmal den Handel in der Europäischen
Union anschauen, sehen Sie, dass 65 Prozent der Ausfuh-
ren aus Deutschland ausschließlich in Länder der Euro-
päischen Union gehen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Weil andere es nicht bezahlen können!)


Genau das ist doch das Ziel der regionalen Kooperati-
on in Afrika . In Westafrika gibt es die ECOWAS, es gibt
die ostafrikanische Gemeinschaft, und es gibt die SADC .
Das Ziel dieser Gemeinschaften ist doch: größere Wirt-
schaftsräume zu bilden und erst einmal innerafrikani-
schen Handel zu organisieren, damit die afrikanischen
Volkswirtschaften auch wirklich wettbewerbsfähig ge-
genüber dem Weltmarkt werden . Wenn Sie einmal die
Einfuhren aus Afrika nach Deutschland betrachten, dann
stellen Sie fest, dass sie 2 Prozent unseres gesamten Han-
delsvolumens ausmachen . Zieht man davon noch den
Anteil Südafrikas ab, dann erkennt man, dass der Anteil
dieser Einfuhren bei nur noch weniger als 1 Prozent liegt .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit dem Thema zu tun?)


Wir sind bei diesen Wirtschaftspartnerschaftsabkom-
men doch ganz eindeutig von dem Interesse geleitet, den
afrikanischen Volkswirtschaften zu ermöglichen, Güter
zu exportieren,  ihre eigenen Wirtschaften zu qualifizie-
ren, Produkte zu entwickeln, die weltmarktfähig sind .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Da müssen sie doch erst einmal Industrie haben!)


Deswegen kann ich nur sagen: Wer wie Sie diese Wirt-
schaftspartnerschaftsabkommen stoppen oder verzögern
will,


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung sollte sich einmal darüber klar werden, was jetzt Sache ist!)


hilft damit den Ländern in Afrika überhaupt nicht . Wahr-
scheinlich ist es genau das, was Sie wirklich im Schilde
führen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat mich durchschaut!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1816728800

Damit schließe ich die Debatte .

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion
Die Linke mit dem Titel „Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsuni-
on dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen“ . Der

Ausschuss  empfiehlt  in  seiner  Beschlussempfehlung 
auf der Drucksache 18/6512, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/5096 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op-
position angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 15 b . Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 18/8243 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errich-
tung eines Transplantationsregisters

Drucksache 18/8209
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden .1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/8209 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenk-
tag werden

Drucksache 18/8111

Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben
werden . – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .2)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8111 . Ich weise
darauf hin, dass es zu dieser Abstimmung eine Erklärung
zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung
gibt .3) Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag abgelehnt
worden mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstim-
men durch die Fraktion Die Linke und Enthaltung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Abkommen vom 23. September

1) Anlage 13
2) Anlage 14
3) Anlage 12

Andreas G. Lämmel






(A) (C)



(B) (D)


2015 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Republik Albanien über Soziale
Sicherheit
Drucksache 18/7793
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11 . Ausschuss)


Drucksache 18/8119
Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben

werden . – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .1)

Dann können wir jetzt gleich zur Abstimmung schrei-
ten. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in 
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8119,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/7793 anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen .
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Bera-
tung einstimmig angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Ge-
setzentwurf wiederum einstimmig angenommen worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Novellierung des Rechts der Unterbrin-
gung in einem psychiatrischen Krankenhaus
gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Än-
derung anderer Vorschriften
Drucksache 18/7244
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/8267
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen vor .

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden .2)

Wir kommen zur Abstimmung . Der Ausschuss für
Recht  und  Verbraucherschutz  empfiehlt  in  seiner  Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/8267, den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/7244
anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzent-
wurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition
bei Enthaltung der Opposition angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

1) Anlage15
2) Anlage 16

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Ent-
haltung der Opposition angenommen worden .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/8270 (neu) . Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Das ist nicht der Fall . Dann ist der Ent-
schließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen
die Stimmen der Opposition abgelehnt worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu dem Straßburger Überein-
kommen vom 27. September 2012 über die
Beschränkung der Haftung in der Binnen-
schifffahrt (CLNI 2012)


Drucksache 18/7822

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Zweiten Gesetzes zur Änderung der Haf-
tungsbeschränkung in der Binnenschiff-
fahrt

Drucksache 18/7821

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/8265

Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben
werden . – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .3)

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem
Straßburger Übereinkommen vom 27 . September 2012
über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff-
fahrt . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung 
auf Drucksache 18/8265, den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drucksache 18/7822 anzunehmen . Ich bitte
jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Stimmt jemand dagegen? –
Enthält sich jemand? – Das ist jeweils nicht der Fall . Da-
mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig
angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall . Gibt es
Enthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall . Dann ist der
Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden .

3) Anlage 17

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Än-
derung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiff-
fahrt . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung 
auf Drucksache 18/8265, den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drucksache 18/7821 anzunehmen . Ich bit-
te diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen . – Stimmt jemand dagegen? – Das
ist nicht der Fall . Enthält sich jemand? – Das ist auch
nicht der Fall . Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Be-
ratung einstimmig angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Gibt
es jemanden, der dem Gesetzentwurf nicht zustimmen
möchte? – Das ist nicht der Fall . Gibt es Enthaltungen? –
Das ist auch nicht der Fall . Dann ist der Gesetzentwurf
ebenfalls einstimmig angenommen worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes
und anderer Statistikgesetze
Drucksache 18/7561
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)


Drucksache 18/8258
Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben

werden . – Ich sehe auch hier, dass Sie damit einverstan-
den sind .1)

Damit können wir zur Abstimmung kommen . Der In-
nenausschuss  empfiehlt  in  seiner Beschlussempfehlung 
auf Drucksache 18/8258, den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drucksache 18/7561 in der Ausschussfas-
sung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-

1) Anlage 18

entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich
jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der
Opposition angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist
der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen wor-
den mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der
Opposition .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines
Ersten Gesetzes zur Änderung des Agrar-
marktstrukturgesetzes
Drucksache 18/8235
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden .2)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/8235 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Freitag, den 29 . April 2016, 9 Uhr, ein .

Die Sitzung ist geschlossen, und ich wünsche Ihnen
noch einen schönen Abend .