2) Anlage 19
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16503
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Beck (Bremen),
Marieluise
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28 .04 .2016
Bleser, Peter CDU/CSU 28 .04 .2016
Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 28 .04 .2016
Brehmer, Heike CDU/CSU 28 .04 .2016
Castellucci, Dr . Lars SPD 28 .04 .2016
Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 28 .04 .2016
Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 28 .04 .2016
Lerchenfeld, Philipp
Graf
CDU/CSU 28 .04 .2016
Lotze, Hiltrud SPD 28 .04 .2016
Ludwig, Daniela CDU/CSU 28 .04 .2016
Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28 .04 .2016
Maizière, Dr . Thomas
de
CDU/CSU 28 .04 .2016
Müller, Bettina SPD 28 .04 .2016
Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28 .04 .2016
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28 .04 .2016
Strobl (Heilbronn),
Thomas
CDU/CSU 28 .04 .2016
Thönnes, Franz SPD 28 .04 .2016
Veit, Rüdiger SPD 28 .04 .2016
Wicklein, Andrea SPD 28 .04 .2016
Widmann-Mauz,
Annette
CDU/CSU 28 .04 .2016
Wolff (Wolmirstedt),
Waltraud
SPD 28 .04 .2016
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
der Abgeordneten Heike Baehrens, Ulrike Bahr,
Bärbel Bas, Uwe Beckmeyer, Edelgard Bulmahn,
Martin Burkert, Sabine Dittmar, Martin
Dörmann, Elvira Drobinski-Weiß, Saskia Esken,
Daniela Kolbe, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner,
Gabriele Fograscher, Michael Gerdes, Martin
Gerster, Hubertus Heil (Peine), Rita Hagl-Kehl,
Gabriela Heinrich, Matthias Ilgen, Frank Junge,
Josip Juratovic, Gabriele Katzmarek, Dr. Bärbel
Kofler, Anette Kramme, Gabriele Lösekrug-
Möller, Katja Mast, Klaus Mindrup, Susanne
Mittag, Ulli Nissen, Aydan Özoğuz, Jeannine
Pflugradt, Stefan Rebmann, Dr. Martin Rosemann,
Bernd Rützel, Sarah Ryglewski, Johann Saathoff,
Annette Sawade, Marianne Schieder, Dr. Dorothee
Schlegel, Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich,
Sonja Steffen, Kerstin Tack, Carsten Träger,
Stefan Zierke (alle SPD) zu den namentlichen Ab-
stimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland.
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel zum Thema Fracking ist für uns Maßstab für
das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Ge-
setz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene
Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelun-
gen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bür-
ger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616504
(A) (C)
(B) (D)
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für uns, dass beim Umgang mit
Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Entschei-
dung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das
demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können . Wir setzen nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarten vom Koalitionspartner, das Regelungspa-
ket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Michaela Engelmeier, Michael
Groß, Dirk Heidenblut, Petra Hinz (Essen), Arno
Klare, Andreas Rimkus, Petra Rode-Bosse, René
Röspel, Elfi Scho-Antwerpes, Ursula Schulte und
Christoph Strässer (alle SPD) zu den namentlichen
Abstimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
Wir halten unkonventionelles Fracking für nicht ver-
antwortbar und setzen uns für eine gesetzliche Regelung
ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen unmöglich
macht .
Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
Die Anträge von Grünen und Linken schaden der
Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur
politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus-
sprache darüber ablehnen .
Um unser Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
fährden, werden wir uns heute der Stimme enthalten .
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Cajus Caesar, Jutta Eckenbach,
Ingrid Fischbach, Uwe Lagosky, Dr. Claudia
Lücking-Michel, Sylvia Pantel, Eckhard Pols,
Bernhard Schulte-Drüggelte und Sabine Weiss
(Wesel I) (alle CDU/CSU) zu den namentlichen
Abstimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen und dem Antrag der Fraktion Die Linke können
wir nicht zustimmen, auch wenn wir einige Argumente
inhaltlich teilen . Wir verweisen auf die anhaltenden Be-
ratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über
ein eigenes Regelungspaket zum Thema „Fracking“,
über das wir zum Abschluss des parlamentarischen Ge-
setzgebungsverfahrens entscheiden werden .
Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt:
Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für uns oberste
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16505
(A) (C)
(B) (D)
Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen Fra-
ckings sind unseres Erachtens noch nicht ausreichend
wissenschaftlich geklärt .
Daher lehnen wir die Erdgasförderung durch das so-
genannte unkonventionelle Fracking nach dem jetzigen
Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne was-
sergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung
von Menschen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinrei-
chend wissenschaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese
Technologie nicht zum Einsatz kommen .
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Katarina Barley, Angelika
Glöckner, Michael Hartmann (Wackernheim),
Marcus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler,
Andrea Nahles, Detlev Pilger und Gabi Weber (alle
Landesgruppe Rheinland-Pfalz in der SPD-Frakti-
on) zu den namentlichen Abstimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
Die Mitglieder der Landesgruppe Rheinland-Pfalz
der SPD-Bundestagsfraktion erklären zu ihrem Abstim-
mungsverhalten bei den am 28 . April 2016 auf der Ta-
gesordnung des Deutschen Bundestags stehenden Ta-
gesordnungspunkten 30 a) („Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der
Fracking-Technik“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
und 30 b) („Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit zum Antrag der Linken „Verbot von Fracking in
Deutschland“):
Nach gewissenhafter Prüfung folgen wir den Be-
schlussempfehlungen der federführenden Ausschüsse .
Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
und den Antrag der Linken lehnen wir ab .
Die Ablehnung der Anträge ist damit zu begründen,
dass beide Anträge ein vollständiges Verbot von Fracking
vorsehen . Diese Position haben wir in der SPD-Landes-
gruppe Rheinland-Pfalz nie vertreten . Ein solches Total-
verbot ginge an der Realität vorbei, wäre rechtlich kaum
machbar und politisch unseriös .
Allerdings stellen wir auch keinen Freifahrtschein
für Fracking aus: Die Landesgruppe bleibt bei ihren bis-
herigen Forderungen, dass der Schutz von Trinkwasser
und geologischer Integrität, von Gesundheit und Umwelt
Vorrang haben muss vor wirtschaftlichen Interessen .
Gefährliche Zusätze in Frac-Flüssigkeiten gibt es mit
uns nicht . Unkonventionelles Fracking muss verboten
werden .
Die Zahl der Erprobungsmaßnahmen muss auf das
wissenschaftlich notwendige Maß beschränkt werden
und eine feste Anzahl an möglichen Probebohrungen
vorsehen . Darüber hinaus streben wir eine Beteiligung
der Länder im Rahmen der Probebohrungen an .
Keinesfalls darf eine externe Expertenkommission je-
mals über Fracking entscheiden . Das Parlament alleine
hat hier zu entscheiden . Beide Vorlagen sehen ein voll-
ständiges Verbot von Fracking vor . Dies ist nicht unse-
re Position . Ein Totalverbot ist weder rechtlich machbar
noch politisch seriös . Den Menschen vorzumachen, es
ginge doch, ist reine Augenwischerei .
Geografische Bedingungen unterscheiden sich von
Standort zu Standort, deshalb fordert die Landesgruppe
Rheinland-Pfalz eine Einzelfallprüfung für jedes Projekt .
Transparenz ist wichtig . Diese soll auf zwei Arten
gewährleistet werden . Wir fordern daher eine gesetzlich
verbriefte Bürgerbeteiligung von Anfang an bei eventu-
ellen Verfahren . Die Bürgerinnen und Bürger haben ein
Recht darauf, über Eingriffe in die Natur in ihrem Um-
feld informiert zu werden und darüber mitzuentscheiden .
Weiter fordern wir die Einrichtung eines bundeswei-
ten Registers, in dem detaillierte Informationen über ab-
geschlossene und laufende Fracking-Projekte einsehbar
sind . Dieses Register soll unter anderem darüber infor-
mieren, wer ein Fracking-Projekt verantwortet, in wel-
cher Tiefe es durchgeführt wird und welche Frac-Flüssig-
keiten verwendet wurden .
Die Landesgruppe Rheinland-Pfalz sieht im Fracking
bestenfalls eine Übergangslösung hin zu einer nachhalti-
gen Energiepolitik, die möglichst ohne fossile Energie-
träger auskommt . In diesem Sinne muss Fracking auch
so reguliert werden, dass daraus keine Belastungen für
die Menschen dieser oder künftiger Generationen entste-
hen .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Petra Crone, Ulrich Kelber,
Helga Kühn-Mengel, Dr. Rolf Mützenich, Achim
Post (Minden), Axel Schäfer (Bochum) und Ulla
Schmidt (Aachen) (alle SPD) zu den namentlichen
Abstimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616506
(A) (C)
(B) (D)
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der
SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsver-
trag ist für uns Maßstab für das Handeln in der Großen
Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung
messen lassen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass auf Bundes-
ebene keine Fakten gegen die Interessen der Bundeslän-
der geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach unserem
Verständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht
infrage .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für uns, dass beim Umgang mit
Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die
Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission
kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag keinesfalls ersetzen .
Wir setzen auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
Großen Koalition und erwarten vom Koalitionspartner,
die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
uns zusammen umzusetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab .
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Karamba Diaby, Petra
Ernstberger, Heidtrud Henn, Detlef Müller (Chem-
nitz), Matthias Schmidt (Berlin) und Dagmar
Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstim-
mungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter-
nehmen schaffen und nehmen die Vorbehalte gegen das
Fracking sehr ernst und teilen sie .
Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem
Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher
und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zuläs-
sig, die Auswirkungen der Maßnahmen wissenschaftlich
zu erforschen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung neuer gesetzlicher Rege-
lungen .
Wir setzen nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
halb der Großen Koalition und erwarten vom Koalitions-
partner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Aus
diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Alois Gerig, Andreas Jung und
Josef Rief (alle CDU/CSU) zu den namentlichen
Abstimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
Die Bundesregierung hat bereits ein Gesetz in den
Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem der abso-
lute Vorrang von Trinkwasserschutz und Gesundheits-
vorsorge hinsichtlich der Risiken des Einsatzes der
Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgas-
gewinnung durchgesetzt werden soll .
In diesem bereits eingebrachten Gesetz soll das Ber-
grecht dahin gehend geändert werden, dass in Deutsch-
land keine Bohrungen mit Anwendung der Fracking-Me-
thode zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und
-gas aus unkonventionellen Lagerstätten mit umweltto-
xischen Stoffen zulässig ist . In diesem Sinne sollen auch
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16507
(A) (C)
(B) (D)
die erforderlichen Ergänzungen im Wasserhaushaltsge-
setz des Bundes erfolgen . Eine obligatorische Umwelt-
verträglichkeitsprüfung (UVP) mit entsprechender Bür-
gerbeteiligung soll verankert werden .
Insbesondere ist in dem Gesetzentwurf ein absolutes
Fracking-Verbot vorgesehen in Wasserschutzgebieten,
Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Tal-
sperren und Seen, die unmittelbar zur Trinkwassergewin-
nung genutzt werden, im Einzugsbereich von Quellen,
Brunnen und von allen Wasserentnahmestellen, deren
Wasser in Lebensmittel verwendet wird, sowie in Trink-
wassergewinnungsgebieten der öffentlichen und privaten
Wasserversorgung .
Da aus dem Bodensee Trinkwasser gewonnen wird,
wird von diesem absoluten Fracking-Verbot auch der
gesamte Einzugsbereich des Bodensees umfasst und der
Schutz des Trinkwassers sichergestellt .
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass auf der Grund-
lage dieses Gesetzesentwurfs in den weiteren Beratungen
noch offene Fragen geklärt werden und dass dann mit der
Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen
Bundestag ein umfassender Trinkwasser- und Gesund-
heitsschutz durchgesetzt wird .
Anlage 9
Erklärungen nach § 31 GO
zu den namentlichen Abstimmungen über den
– von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik und die
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Verbot von Fracking in Deutschland
(Tagesordnungspunkt 30 a und b)
Doris Barnett (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus
dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards
für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un-
ternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen und Kenntnisstand ist
Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant-
wortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt überwie-
gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wis-
senslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich
allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem
Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und um-
weltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die
Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt, insbe-
sondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wis-
senschaftlich zu erforschen .
Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemein-
sam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erpro-
bungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir
gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Län-
der im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie im Gesetzentwurf
der Grünen und im Antrag der Linken jetzt gefordert,
konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, ob-
wohl Grüne und auch Linke an zahlreichen Landesregie-
rungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in denen sie
Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein gene-
relles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermetho-
den ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diesen Gesetzentwurf
und auch den Antrag ab .
Dr. Matthias Bartke (SPD): Im vergangenen Jahr ha-
ben mich viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern
erreicht, die ihre Bedenken über das Fracking zum Aus-
druck gebracht haben . Ich nehme diese Bedenken und
Sorgen sehr ernst und teile sie in vielen Punkten . Bisher
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616508
(A) (C)
(B) (D)
ist das Fracking in Deutschland in weiten Teilen über-
haupt nicht geregelt . Eine Regulierung ist daher dringend
notwendig . Für mich ist dabei elementar, dass der Schutz
der Umwelt, der Gesundheit und des Trinkwassers abso-
luten Vorrang erhält . Ich will in diesem Sinne klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um die Auswirkungen der
Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Unter-
grund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu er-
forschen, halte ich allenfalls Erprobungsmaßnahmen
in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissen-
schaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit . Deswegen ist es umso wichtiger, dass
die Große Koalition ihr Regelungspaket zügig umsetzt .
Wir haben auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem
Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschafts-
ministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinba-
ren können . Ich erwarte nun vom Koalitionspartner, das
Regelungspaket nicht länger zu blockieren .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Maik Beermann (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werde ich zustim-
men, den Antrag der Fraktion die Linke werde ich ab-
lehnen . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der
Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes
Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum
Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfah-
rens dann separat entscheiden werde .
Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt:
In meinem Wahlkreis Nienburg II/Schaumburg in der
Gemeinde Rodewald in meiner Heimatsamtgemeinde
Steimbke sind Leukämieerkrankungen gehäuft aufgetre-
ten, die nach Auffassung verschiedener Experten auf die
jahrzehntelange Erdölförderung zurückzuführen sind .
Eine Krebsclusteruntersuchung findet statt.
Die Sicherheit und Gesundheit der Mitbürgerinnen
und Mitbürger stehen für mich an erster Stelle – vor den
wirtschaftlichen Interessen . Die Auswirkungen des un-
konventionellen Frackings sind meines Erachtens noch
nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Daher lehne
ich die Erdgasförderung durch das sogenannte unkon-
ventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der Tech-
nik ab . Solange Fracking nicht ohne wassergefährdende
Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen,
Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wissen-
schaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie
nicht zum Einsatz kommen . Auch das aktuell aufgetre-
tene Erdbeben im Landkreis Verden mit mehreren hun-
dert Schäden an Gebäuden veranlassen mich zu dieser
Entscheidung .
Sybille Benning (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
Fraktion Die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn
ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamenta-
rischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die
Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von
Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen .
Als Abgeordnete aus dem Münsterland lehne ich der-
zeit das kommerzielle unkonventionelle Fracking ab . Die
Auswirkungen dieser Technologie sind noch nicht aus-
reichend wissenschaftlich geklärt . Der bedingungslose
und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwas-
ser und Umwelt hat für mich oberste Priorität .
Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking
nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und
eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um-
welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen
werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz
kommen .
Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die
vielen Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien –
seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr
hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel-
le unkonventionelle Fracking ab .
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wenn taktische
Überlegungen und parlamentarisches Geplänkel wich-
tiger werden als ökologische Lösungen, müssen solche
Anträge wie die von Bündnis 90/Die Grünen und der
Linken gestellt werden . Wenn es allein nach mir gin-
ge in der Welt, würden wir aus dem Verbrauch fossiler
Energieträger aussteigen, denn sie sind endlich, und au-
ßerdem machen Arbeitsplätze auf solarer Basis ein gutes
Gewissen . Aber die Welt folgt nicht allein meinen Vor-
stellungen, und auch in Deutschland lehnen wir eine Dik-
tatur ab, bevorzugen Demokratie . In unserer Demokratie
haben die SPD-Fraktion und ich eine Arbeitsrichtung,
ein Ziel: Schonung fossiler Energieträger . „Trinkwasser
und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
Thema Fracking ist für mich Maßstab – auch in der Gro-
ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
und für Unternehmen schaffen . Seit Jahrzehnten gibt es
Fracking in Deutschland – hier gibt es erhebliche Rege-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16509
(A) (C)
(B) (D)
lungslücken, die zu schließen sind . Also brauchen wir ein
Gesetz. Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein fak-
tisches Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit
neuen gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer aber
keine Rechtssicherheit hinsichtlich ökologischer Fragen,
gefährdet also Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren
in Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasför-
derung – ohne die ökologische Situation zu verbessern,
ohne klare Regelungen für die bisherige Erdgasförde-
rung .
Für die Zukunft gilt: Mit Blick auf die endliche Res-
source Gas und mit Blick auf die guten Möglichkeiten
zum ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft
ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant-
wortbar, denn Risiken für Mensch und Umwelt überwie-
gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
Gegenwärtig gilt: Für eine gewissenhafte Beratung
gesetzlicher Regelungen gilt der Grundsatz „Gründlich-
keit vor Schnelligkeit“ . Daher wurde die Entscheidung
über die geplanten Regelungen für das Gesetzespaket
zum Fracking bisher noch nicht beschlossen . Für mich
sind folgende Verbesserungen bei dem Entwurf des Re-
gelungspakets wichtig: Der Bundestag als demokratisch
legitimiertes Organ muss im Umgang mit unkonventio-
nellem Fracking das letzte Wort haben – Parlamentsvor-
behalt – und keine Expertenkommission, die lediglich
eine Beratungs- und Beurteilungsfunktion einnehmen
soll .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü-
gig mit uns zusammen umzusetzen . Gäbe es keine kla-
ren gesetzlichen Regelungen, bestünde die Gefahr, dass
die derzeit zurückgehaltenen Anträge der Unternehmen
neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in
Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den
notwendigen weitergehenden Schutz der Oberflächen-
gewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und
Mineralquellen . Zudem will die SPD-Fraktion mit dem
Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden auf-
grund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle
Erdgasförderung hervorgerufen werden .
Angesichts dieser schwierigen Aufgaben ist es von
Grünen und Linken kein seriöses Verhalten, eine Abstim-
mung zum diesem Thema ohne Debatte im Parlament zu
beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Win-
kelzug wird der Problematik nicht gerecht . Es ist bedau-
erlich, dass sich ein „an sich“ guter Vorschlag auf diese
Weise in sein Gegenteil verkehrt .
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): „Trinkwasser und
Gesundheit haben für die SPD und mich absoluten Vor-
rang .“ Die Festlegung im Koalitionsvertrag zum Thema
Fracking ist für mich stets Maßstab für das Handeln in
der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz! Ein Ge-
setz, das Umweltstandards für die bereits vorhandene
Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelun-
gen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bür-
ger, für Behörden und Unternehmen . Wir wollen aber
auch die Mineralwasserförderung nicht verbieten .
Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas ist nicht
verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt
überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
Um Wissenslücken zu schließen, dürfen allenfalls Erpro-
bungsmaßnahmen in eng begrenzten Rahmen und unter
strengster wissenschaftlicher und umweltfachlicher Auf-
sicht zulässig sein, um Auswirkungen der Maßnahmen
auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den
Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Dass der Deutschen Bundestag am Ende die Entschei-
dung treffen muss, ist für mich selbstverständlich . Eine
von der CDU geforderte Expertenkommission kann das
demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
zwar beraten, jedoch keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen
gesetzlichen Regelungen, auch dann, wenn sie derzeit
noch ganz legal bergrechtliche Genehmigungen erhal-
ten könnten . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit
und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in
Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförde-
rung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich bereits im Bundesrat nicht
durchsetzen, weil Grüne und auch Linke dort selbst Ver-
antwortung in Landesregierungen tragen .
Ich erwarte, dass die Union den Widerstand gegen die
von Bundesumweltministerium und Bundeswirtschafts-
ministerium erarbeiteten Verbesserungen aufgibt, um das
Regelungspaket endlich zügig umzusetzen .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch moti-
vierter Winkelzug wird weder der Verantwortung, noch
der Würde des Parlaments gerecht . Schon aus diesem
Grund lehne ich diese Anträge strikt ab .
Marco Bülow (SPD): Ich halte unkonventionelles
Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für
eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord-
rhein-Westfalen und im Bund unmöglich macht .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommis-
sion kann das demokratisch legitimierte Organ Deut-
scher Bundestag keinesfalls ersetzen . Leider blockiert
die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit
die Rechtsunsicherheit . Ich fordere die Union auf, diese
Blockade zu beenden und gemeinsam ein Fracking-Ver-
bot zu beschließen .
Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
setzung eines Fracking-Verbotes . Anträge ohne Debatte
und ohne die Chance, sie mit dem ganzen Haus zu be-
schließen, zur Abstimmung zu stellen, ist nicht zielfüh-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616510
(A) (C)
(B) (D)
rend, wenngleich ich die Anträge inhaltlich nachvollzie-
hen kann .
Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten und
mich dafür einsetzen, dass es eine Debatte und einen Be-
schluss des gesamten Bundestages gibt, der Fracking in
ganz Deutschland untersagt, damit kein Flickenteppich
mit unterschiedlichen Regelungen entsteht .
Bernhard Daldrup (SPD): Nach heutigen Informati-
onen halte ich das unkonventionelle Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas für ökologisch nicht verantwortbar
und für einen ökonomischen Fehlanreiz .
Ökologisch ist unkonventionelles Fracking nicht zu
verantworten, da der Schutz des Trinkwassers für die
Umwelt und die Gesundheit absoluten Vorrang haben
muss . Unkonventionelles Fracking ist aus meiner Sicht
eine Risikotechnologie: Erhebliche ökologische Schäden
können nicht ausgeschlossen werden .
Ebenso weist Fracking ökonomisch und energiepo-
litisch in die falsche Richtung . Angesichts des Klima-
wandels und der damit erforderlichen Reduktion der
CO2-Emissionen sollte das Angebot kohlenstoffhaltiger
Energieträger nicht ausgeweitet werden . Es liefe unse-
rem Ziel einer weiteren Umsetzung der Energiewende
und der Umstellung auf Erneuerbare Energien entgegen
und setzt insofern wirtschaftliche Fehlanreize .
Ich bin zudem der Überzeugung, dass auf Bundesebe-
ne in dieser Frage keine Fakten gegen die Interessen der
Bundesländer geschaffen werden dürfen . Die Menschen
in Nordrhein-Westfalen lehnen Fracking mehrheitlich ab .
Selbstverständlich ist für mich, dass über den Einsatz
des unkonventionellen Frackings am Ende der Deutsche
Bundestag entscheiden muss . Eine Expertenkommission
kann die Entscheidung des Deutschen Bundestages kei-
nesfalls ersetzen .
Ich erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines
Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert,
aufzugeben und endlich ein Gesetz, welches das Verbot
von unkonventionellem Fracking ermöglicht, mit der
SPD-Bundestagsfraktion umzusetzen . Ein solches Ge-
setz wäre eine Verbesserung gegenüber dem heutigen
Zustand . Für meine Heimatregion im Münsterland wäre
mit dem Verbot des unkonventionellen Frackings ein
Meilenstein erreicht .
Die Anträge von Linken und Grünen, eine Entschei-
dung ohne Debatte zu fällen, erweisen sich nicht als hilf-
reich, weil sie den Anschein politischen Taktierens jen-
seits einer sachlichen Lösung erwecken .
Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten .
Siegmund Ehrmann (SPD): „Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
Auf der Bundesebene dürfen keine Fakten gegen die
Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Dies
leitet sich aus dem Koalitionsvertrag ab . Für Nord-
rhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag keinesfalls ersetzen .
Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner
die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
uns zusammen umzusetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Dr. Johannes Fechner (SPD): „Trinkwasser und
Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die
Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför-
derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und
Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
hörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16511
(A) (C)
(B) (D)
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr
auf die Einigungsfähigkeit der Union und erwarte vom
Koalitionspartner, das weitestgehend ausgehandelte Re-
gelungspaket zum weitestgehenden Verbot von Fracking
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Der Schwachpunkt der heute zur Abstimmung stehen-
den Oppositionsanträge besteht darin, dass keinerlei Re-
gelungen zu den für uns wichtigen Mitspracherechten der
Länder und Kommunen enthalten sind . Über die Köpfe
von Landtagen und Gemeinderäten hinweg kann so ein
wichtiges Thema wie die Zulassung von Fracking doch
nicht entschieden werden. Auch zu Transparenzpflichten
oder Fragen des Wasserhaushalts- und Naturschutzrech-
tes schweigen die Anträge . Dass die Grünen in jenen Län-
dern, in denen sie regieren, nicht effektiv gegen Fracking
vorgehen, zeigt die Scheinheiligkeit ihres Antrages .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher – allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug – wird der Problematik nicht gerecht .
Parteitaktische Süppchen zu kochen und die Bürgerinnen
und Bürger bei diesem sensiblen Thema derart zu verun-
sichern, ist völlig unangebracht . Auch aus diesem Grund
lehne ich diese Anträge ab .
Christian Flisek (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen
Koalition . Ich will ein Gesetz, das die Umweltstandards
für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
Ich will klare Regelungen und Rechtssicherheit für die
Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unterneh-
men schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemein-
sam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erpro-
bungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb strebe ich ge-
mäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder
im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch begegnet es
erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken . Auch in
den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde
bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits
vorhandene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte von der CDU/CSU, das Regelungspaket zügig
mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verab-
schiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis
liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Ulrich Freese (SPD): Wir wollen klare Regelungen
und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für
Behörden und für Unternehmen schaffen .
Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem
Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher
und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zuläs-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616512
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(B) (D)
sig, die Auswirkungen der Maßnahmen wissenschaftlich
zu erforschen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions-
partner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen
umzusetzen .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Dagmar Freitag (SPD): Ich halte unkonventionelles
Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine
gesetzliche Regelung ein, die Fracking gegen den Willen
eines Bundeslandes nicht möglich macht .
Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
Ich werde mich heute bei der Abstimmung über den
Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen allerdings
der Stimme enthalten, weil ich eine Abstimmung über
einen Gesetzentwurf ohne Debatte für parlamentarisch
nicht zielführend halte . Diese Enthaltung ändert grund-
sätzlich jedoch nichts an meiner inhaltlichen Position zu
Fracking .
Ulrike Gottschalck (SPD): „Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festle-
gung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema
Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der
Großen Koalition . Für Fracking-Vorhaben sind derzeit
keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben .
Kommunen, Wasserbehörden und die Bevölkerung wer-
den nicht ausreichend beteiligt . Deswegen brauchen wir
ein Gesetz, das Fracking streng reguliert . Wir wollen ein
Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Dieses Gesetz ist in Vorbereitung, und ich setze auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte vom Koalitionspartner, den Gesetzentwurf zügig
endabzustimmen .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Aus hessischer Sicht ist es zudem besonders unglaub-
würdig, wenn gleichzeitig die grüne hessische Umwelt-
ministerin im Osten des Bundeslandes die Verpressung
von Millionen Tonnen grundwassergefährdender Abwäs-
ser aus der Kaliproduktion in den Untergrund legalisiert .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen beim
Thema Fracking ist es von Grünen und Linken zudem
kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim-
mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein
solcher allein taktisch motivierter Winkelzug, wird der
Problematik nicht gerecht .
Da ich trotz dieser parlamentarischen „Spielchen“ von
Grünen und Linken, Fracking von Schiefer- und Kohle-
flözgas für nicht verantwortbar halte, werde ich mich der
Stimme enthalten .
Kerstin Griese (SPD): Ich halte unkonventionel-
les Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für
eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord-
rhein-Westfalen unmöglich macht .
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der
SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsver-
trag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen
Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung
messen lassen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Leider blockiert zurzeit die CDU/CSU ein Gesetz,
das Umweltstandards und klare Regelungen setzt, und
verschärft damit Rechtsunsicherheit . Ich will ein Gesetz,
das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erd-
gasförderung verschärft . Ich will klare Regelungen und
Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
hörden und für Unternehmen schaffen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag keinesfalls ersetzen .
Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner
die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
uns zusammen umzusetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von den Grünen und den Linken kein parlamentarisch
seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema
ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16513
(A) (C)
(B) (D)
Ich werde mich bei den Abstimmungen enthalten .
Gabriele Groneberg (SPD): Nach heutigen Infor-
mationen ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas
nicht verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Um-
welt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chan-
cen . Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in die-
sem Bereich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng
begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftli-
cher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für
zulässig, die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Um-
welt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaus-
halt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb stre-
ben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung
der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel Fracking ist Maßstab für das Handeln in der
Großen Koalition .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und das gefährdet Arbeitsplätze in der
seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, her-
kömmlichen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Ich enthalte mich bei dem Gesetzentwurf der Grünen,
und den Antrag der Linken lehne ich ab, denn angesichts
dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen
und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine
Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu bean-
tragen . Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug
wird der Problematik nicht gerecht und zielt allein darauf
ab, die Koalitionsfraktionen als Befürworter des Fra-
ckings darzustellen . Einem absoluten Fracking-Verbot,
wie es Grüne und Linke vorsehen, möchte ich nicht zu-
stimmen . Allerdings lasse ich mich nicht in die Rolle ei-
ner vorbehaltlosen Unterstützerin des Frackings drücken .
Auch vor dem Hintergrund der konkreten Problematik in
meinem Wahlkreis Cloppenburg/Vechta halte ich eine
vertiefte Diskussion über das Fracking für dringend ge-
boten . Der Wahlkreis Cloppenburg/Vechta ist eines der
größten Erdgasfördergebiet Deutschlands, was insbeson-
dere hier viele Fragen aufwirft . Wir wollen ein Gesetz,
das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erd-
gasförderung verschärft und eine parlamentarische De-
batte, die diese Fragen klärt . Wir wollen vor allem klare
Regelungen und Rechtssicherheit für Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Christian Haase (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen . Ich verwei-
se auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von
CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket
zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des
parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens entschei-
den werde . Daher erkläre ich:
Die beiden Anträge der Oppositionsfraktionen ver-
weigern sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung
mit der komplexen Thematik des Frackings . Die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion nimmt die Bewertung dieses
wichtigen Themas sehr ernst und möchte dies nicht im
Eilverfahren durch das parlamentarische Verfahren brin-
gen . Die Beratungen laufen . Des Weiteren sind die An-
träge nicht technologieoffen und wollen ein Verfahren
ausschließen, welches noch nicht final wissenschaftlich
bewertet wurde .
Der Wasserschutz muss auch weiterhin die höchste
Priorität haben . Gesetzliche Regelungen müssen sich
daran messen lassen, ob sie diesem Anspruch genügen .
Der Schutz von Mensch, Wasser und Umwelt steht be-
dingungslos im Fokus meiner Meinungsbildung .
Intensiv habe ich das Verfahren über das Eckpunk-
te-Papier und den Referentenentwurf verfolgt und beglei-
te das Thema weiterhin aktiv . Für mich war immer klar,
dass es keine Alternative ist, kein Gesetz zum Thema
Fracking zu beschließen; denn wir wollen ein „Wasser-
schutz-Gesetz“ beschließen . Ohne dieses Gesetz gibt es
keine Regelungen, Reglementierungen und Einschrän-
kungen für die Anwendung der Fracking-Technologie
in Deutschland . Dies geht weit über die Änderungen im
Bundesberggesetz hinaus .
Die Situation der privaten Brunnen für die Trinkwas-
serversorgung behalte ich auch im weiteren Verfahren
weiter im Blick . In meinem Wahlkreis gibt es Ortschaf-
ten, die nicht an die öffentliche Wasserversorgung ange-
schlossen sind und somit bei der Trinkwasserversorgung
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616514
(A) (C)
(B) (D)
auf private Brunnen angewiesen sind . Diese müssen
uneingeschränkt geschützt werden . Dies gilt genauso
für die Heil- und Mineralwasserquellen und Brunnen
für Brauereien in Ostwestfalen-Lippe, dem Heilgarten
Deutschlands .
Ich bin davon überzeugt, dass nach der Auswertung
von Probebohrungen ausreichend wissenschaftliche Er-
kenntnisse vorliegen, von denen auch die Entscheidungs-
behörden profitieren werden, die in ihrer Entscheidung
autonom sind .
In einer sachlichen Debatte muss Raum sein, diese
Methode zur Erdgasgewinnung auf wissenschaftlicher
Basis auf den Prüfstand zu heben . Diese Zeit möchte ich
dem Verfahren beimessen und lehne die aktuell vorlie-
genden Anträge daher ab .
Bettina Hagedorn (SPD): Heute stimmt der Deut-
sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über ei-
nen extrem kurzfristig vorgelegten Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen ab, auf dessen öffentliche Aus-
sprache im Plenum die Grünen ausdrücklich verzichtet
haben . Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch und ent-
larvt den Antrag mit namentlicher Abstimmung als ein
Showinstrument zu Wahlkampfzwecken – genau wie vor
zwei Monaten, am 25 . Februar 2016 zum Antrag „Gly-
phosat“ . Damit aber wird keinem dieser ernsten Themen
weder Glyphosat noch Fracking – objektiv angemessen
Rechnung getragen, weil nur in einer öffentlichen De-
batte im Bundestagsplenum die Gründe für eine Zustim-
mung oder Ablehnung dargelegt werden können . Ich kri-
tisiere dieses Verfahren ausdrücklich und möchte daher
meine Auffassung zum Thema Fracking jedenfalls in
einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung darlegen .
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Metin Hakverdi (SPD): Trinkwasser und Gesundheit
haben für uns absoluten Vorrang . Deshalb haben wir uns
mit der CDU/CSU-Fraktion im Koalitionsvertrag unter
anderem verabredet: „Die Koalition wird kurzfristig Än-
derungen für einen besseren Schutz des Trinkwassers im
Wasserhaushaltsgesetz sowie eine Verordnung über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bergbaulicher
Vorhaben vorlegen, die vor Zulassung von Maßnahmen
zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkon-
ventionellen Lagerstätten mittels Fracking eine obligato-
rische UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht .“
Bereits in Frühjahr 2015 wurde durch die Bundes-
regierung ein Gesetzentwurf eingebracht . Seitdem blo-
ckiert die CDU/CSU-Fraktion dieses Gesetz .
Ich erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines
Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert,
UVPs verbindlich vorschreibt und Öffentlichkeitsbeteili-
gung vorsieht, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns
zusammen umzusetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Aus den
oben genannten Gründen werde ich mich heute enthalten .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16515
(A) (C)
(B) (D)
Ulrich Hampel (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus
dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
alition .
Demgemäß ist Fracking von Schiefer- und Kohle-
flözgas für mich nicht verantwortbar. Die Risiken für
Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt-
schaftlichen Chancen .
Zudem bin ich auch der festen Überzeugung, dass auf
Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bun-
desländer geschaffen werden dürfen .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim-
mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein
solcher allein taktisch motivierter Winkelzug wird der
Problematik nicht gerecht und schadet der Zielsetzung
eines Fracking-Verbotes .
Aus diesem Grund werde ich mich heute der Stimme
enthalten .
Sebastian Hartmann (SPD): „Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht
infrage .
Die Landesgruppe der NRW-SPD-Abgeordneten
macht dies immer wieder deutlich, und auch das sehr
differenzierte Abstimmungsverhalten zu den Anträgen
vieler sozialdemokratischer Kolleginnen und Kollegen –
welches ich ausdrücklich begrüße – unterstreicht dies bei
den heutigen Abstimmungen erneut .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag keinesfalls ersetzen .
Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner
CDU/CSU, die Blockade eines Gesetzes, das Fracking
im Schiefergestein verhindert, aufzugeben und ein Ge-
setz zügig mit uns zusammen umzusetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Die Anträge von Linken und Grünen schaden der
Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur
politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus-
sprache darüber ablehnen .
Wolfgang Hellmich (SPD): „Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
Nordrhein-Westfalen und anderswo kommt Fracking je-
denfalls nicht infrage .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss .
Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner,
die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
uns zusammen umzusetzen .
Eine Expertenkommission kann das demokratisch le-
gitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls erset-
zen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Vor
allem aus diesem Grund kann ich diesen Anträgen nicht
zustimmen .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): „Trinkwasser und
Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die
Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför-
derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und
Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
hörden und für Unternehmen schaffen .
Für mich ist Fracking zur Förderung von Schiefer-
und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken für
Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt-
schaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616516
(A) (C)
(B) (D)
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Christina Jantz-Herrmann (SPD): „Trinkwasser
und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die
Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför-
derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und
Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
hörden und für Unternehmen schaffen . Ich stehe bereit,
mit der Großen Koalition ein entsprechendes Gesetz zu
verabschieden .
Heute jedoch stimme ich erstmalig nicht mit meiner
Fraktion . Es ist offensichtlich, dass der vorliegende Ge-
setzentwurf beziehungsweise der Antrag der Opposition
Schwächen aufweist – doch solange die Union sich einer
Auseinandersetzung mit den zahlreichen Problematiken
der geltenden Gesetzeslage verweigert, kann ich nicht
anders, als im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in
meinem Wahlkreis Osterholz-Verden und nach meinem
Gewissen zu stimmen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen größtenteils an
ein faktisches Moratorium, in der Erwartung eines Ge-
setzes mit neuen gesetzlichen Regelungen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und
dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche
Verbesserungen vereinbaren können . Ich setze auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü-
gig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht ver-
abschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis
liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt werden .
Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten
in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weiterge-
henden Schutz der Oberflächengewässer oder auch des
Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislas-
tumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben ein-
führen, die durch konventionelle Erdgasförderung her-
vorgerufen werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö-
ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Zudem ist das Verbot, wie von Grünen und Linken ge-
fordert, undifferenziert . Auch in den Ländern, in denen
sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein
generelles Förderverbot für bereits vorhandene Förder-
methoden ausgesprochen .
Wir müssen jedoch schnellstmöglich sicherstellen,
dass die Transparenz von Fördervorhaben über das ge-
samte Verfahren hinweg gewährleistet ist . Der Trink-
wasserschutz muss zudem höchste Priorität haben und
der Besorgnisgrundsatz umfassend Anwendung finden.
Einzugsgebiete von Brunnen, deren Wasser als Lebens-
mittel, Trinkwasser und Getränke oder als Bestandteil
davon genutzt wird, müssen in Verbotszonen aufgenom-
men werden . Darüber hinaus sollten auch Vorranggebiete
für die Trinkwasserversorgung in die Verbotszonen auf-
genommen werden . Mindestens sollte diese Option aber
den Ländern eingeräumt werden .
Die bestehenden und zu erteilenden Genehmigungen
für Verpressvorhaben müssen befristet werden, der Stand
der Technik regelmäßig überprüft werden . Eine Verpres-
sung von Lagerstättenwasser, das wassergefährdende
oder stark wassergefährdende Substanzen enthält, muss
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16517
(A) (C)
(B) (D)
ohne Ausnahme verboten werden . Die Bestimmungen
zur Umweltverträglichkeitsprüfung müssen ausgebaut
und ein Monitoring implementiert werden . Als Grundla-
ge hierfür brauchen wir eine Öko-Effizienz-Analyse der
Wirtschaftlichkeit sowie der ökologischen Auswirkun-
gen der jeweiligen Fördermaßnahme .
Ebenfalls ist sicherzustellen, dass sogenannte Quer-
und Schrägbohrungen in und unter Wasserschutzgebie-
ten etc . durch das Gesetz auch weiterhin ausgeschlos-
sen bleiben . Selbstverständlich ist für mich, dass beim
Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Die Regelung im Eckpunktepapier war eindeutig und
muss Grundlage einer gesetzlichen Regelung sein . Der
Schutz von Trinkwasser und Gesundheit hat absolute Pri-
orität gegenüber wirtschaftlichen Interessen . Zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt sind die Risiken des unkonventionel-
len Frackings nicht absehbar . Probebohrungen sind nur
für Forschungszwecke zulässig, und eine kommerzielle
Nachnutzung ist auszuschließen .
Auch wenn die Förderung von Erdöl mit der Fra-
cking-Technologie heute in Deutschland noch keine
Anwendung findet, ist nicht auszuschließen, dass es
aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung auch zu Auf-
suchungserlaubnissen für Erdölförderung durch unkon-
ventionelles Fracking kommen wird . Aus den USA be-
kannte unkonventionelle Fracking-Verfahren umfassen
auch Erdölförderung . Einige Vorgaben, Regelungen und
Gebietsverbote in den Entwürfen zum Wasserhaushalts-
gesetz und Bundesnaturschutzgesetz beziehen sich den-
noch lediglich auf Fracking-Vorhaben im Erdgassektor .
Regelungen für unkonventionelles Fracking bei Erdgas
und Erdöl sollten daher gleichgestellt werden .
Abschließend ist eindeutig sicherzustellen, dass die
Beweislastumkehr klar definiert wird und nicht als An-
scheinsvermutung ausgelegt werden könnte . Zudem ist
sicherzustellen, dass im Zuge der Beweislastumkehr eine
Schadensregulierung durch die Unternehmen auch tat-
sächlich gewährleistet werden kann .
Ich erwarte ein differenziertes, griffiges Gesetz, im
Sinne des Umweltschutzschutzes und ausgerichtet an
den Interessen der Bürgerinnen und Bürger .
Thomas Jurk (SPD): Ich befürworte klare gesetz-
liche Regeln und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen
und Bürger, für Behörden und für Unternehmen, und ich
nehme die Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst . Um
Wissenslücken zu schließen und um mögliche Auswir-
kungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel auf den Unter-
grund und den Wasserhaushalt, zu erforschen, halte ich
jedoch Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher
und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig .
Nach derzeitiger Rechtslage ist Fracking grundsätz-
lich zulässig, derzeit halten sich aber die Firmen und die
Landesbehörden an ein faktisches Moratorium . Das ist
auf Dauer nicht rechtssicher und gefährdet Arbeitsplätze
in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten
herkömmlichen Erdgasförderung, denn so lange wird in
Deutschland auch schon konventionell gefrackt .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Lin-
ken im Gesetzentwurf bzw . im Antrag gefordert, konnte
sich, obwohl Grüne und Linke an zahlreichen Landesre-
gierungen beteiligt sind, auch im Bundesrat nicht durch-
setzen . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung
tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderver-
bot für bereits vorhandene Fördermethoden ausgespro-
chen .
An einem Gesetz, das Rechtssicherheit schaffen soll,
die berechtigten Nöte und Sorgen der Menschen ernst
nimmt, wissenschaftliche Forschung und Erprobung
aber zulässt, arbeitet die Große Koalition . Wir haben auf
Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesum-
weltministerium und dem Bundeswirtschaftsministeri-
um bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren kön-
nen . Dabei geht es nicht nur um Regulierungen für das
unkonventionelle, sondern auch um das konventionelle
Fracking . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit
innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koaliti-
onspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen
umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die
Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der
Unternehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es
dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen,
nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der
Oberflächengewässer oder auch des Wassers für Lebens-
mittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir eine Be-
weislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben
einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung
hervorgerufen werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
aus diesem Grund lehne ich den Antrag der Linken und
den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ab .
Ralf Kapschack (SPD): Ich halte unkonventionel-
les Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für
eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord-
rhein-Westfalen unmöglich macht .
Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
verschärft damit Rechtsunsicherheit .
Die Anträge von Linken und Grünen schaden der
Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur
politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus-
sprache darüber ablehnen .
Deshalb werde ich mich heute bei beiden namentli-
chen Abstimmungen der Stimme enthalten .
Anja Karliczek (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn
ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616518
(A) (C)
(B) (D)
„Fracking“, über das ich zum Abschluss des parlamen-
tarischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die
Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von
Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen .
An meiner Position hat sich nichts geändert . Als Abge-
ordnete aus dem Münsterland lehne ich das kommerzielle
unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen dieser
Technologie sind noch nicht ausreichend wissenschaft-
lich geklärt . Der bedingungslose und uneingeschränkte
Schutz von Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für
mich oberste Priorität .
Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking
nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und
eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um-
welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen
werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz
kommen .
Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die
viele Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien –
seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr
hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel-
le unkonventionelle Fracking ab .
Cansel Kiziltepe (SPD): Dass Parlamentarierinnen
und Parlamentarier die eigenen Beschlussvorlagen im
Plenum des Deutschen Bundestages nicht debattieren
wollen, ist extraordinär: So soll es aber heute mit einem
Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und einem
Bericht zu einem Antrag der Linken gehen . Beide Abstim-
mungen behandeln das hochsensible Thema Fracking . In
einer „Abschließenden Beratung ohne Aussprache“ soll
auf Wunsch der Oppositionsparteien sofort abgestimmt
werden. Dieses Verfahren finde ich skandalös. Dadurch
wird verhindert, auf gravierende „Leerstellen“ im Grü-
nen-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-
berggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik
einzugehen: zum Beispiel das Mitspracherecht der Kom-
munen, die Beweislastumkehr bei Erdbeben, das Fehlen
von Vorschlägen im Wasserrecht, Regelungen zur Her-
stellung von Transparenz und vieles mehr .
Obwohl ich Fracking sehr kritisch gegenüberstehe,
lehne ich aus fachlichen und formalen Gründen diese
Anträge ab .
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte von der Unionsfraktion, das Regelungspaket zü-
gig mit uns zusammen umzusetzen .
Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel
und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
förderung hervorgerufen werden .
Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): „Trinkwasser und
Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in
der Großen Koalition .
Demgemäß ist Fracking von Schiefer- und Kohle-
flözgas für mich nicht verantwortbar. Die Risiken für
Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt-
schaftlichen Chancen .
Zudem bin ich auch der festen Überzeugung, dass auf
Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bun-
desländer geschaffen werden dürfen .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16519
(A) (C)
(B) (D)
mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein
solcher allein taktisch motivierter Winkelzug wird der
Problematik nicht gerecht und schadet der Zielsetzung
eines Fracking-Verbotes .
Aus diesem Grund werde ich mich heute der Stimme
enthalten .
Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Auch wenn
ich mir eine zügige Regelung wünsche, die einer mög-
lichen Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas mit-
tels der Fracking-Technologie einen Riegel vorschieben
würde, kann ich weder dem Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen noch dem Antrag der Frakti-
on Die Linke zustimmen . Beide Initiativen werden der
Komplexität der Sachlage nicht gerecht und blenden
zudem die bestehenden Probleme der konventionellen
Erdgasförderung in Deutschland aus . Konkret fehlt es an
Vorschlägen zu einer Klarstellung im Bergschadensrecht,
mit der die Beweislast für mögliche Bergschäden den
Unternehmen auferlegt wird . Nicht zuletzt dieser Punkt
ist Bestandteil des Gesetzgebungspaketes, das derzeit
noch von den Fraktionen CDU/CSU und SPD beraten
wird . Daher halte ich es für sinnvoll, das Ergebnis dieser
Beratungen abzuwarten .
Ob ich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens dem
Regelungspaket der Koalitionsfraktionen werde zustim-
men können, ist noch ungewiss . Es gibt noch zu viele
kritische Punkte, die meiner Forderung nach einem
faktischen Verbot entgegenstehen . Dazu zähle ich ins-
besondere das Vorhaben zur Einsetzung einer Experten-
kommission, deren Wirken letztlich zu einem gleitenden
Übergang von der Forschung zur kommerziellen Nut-
zung führen könnte . Einen solchen Quasiautomatismus
darf es nicht geben .
Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD): Angesichts die-
ser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und
Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Ab-
stimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen .
Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug wird
der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund
lehne ich diese Anträge ab .
Ein generelles gesetzliches Verbot der Fracking-Tech-
nologie erachte ich aus zweierlei Gründen als wenig
sinnvoll .
Erstens würde ein Komplettverbot keine Erdöl-Explo-
ration verbieten . Im engeren Sinne fällt diese Förderme-
thode nicht unter die Begrifflichkeit „Fracking“. Denn
auch bei der Erdölförderung werden stabilisierende um-
weltgefährdende Stoffe eingesetzt, besonders wenn be-
reits genutzte Erdölbohrungen reaktiviert werden und die
letzten „Tropfen“ herausgefördert werden . Unternehmen
könnten künftig also weiterhin Erdölbohrungen durch-
führen . Deshalb sage ich das in aller Deutlichkeit: Wir
brauchen dieses Gesetz!
Zweitens investieren viele Unternehmen bereits seit
Jahrzehnten besonders in Niedersachsen in diese Tech-
nologie . Ein Fracking-Verbot würde für Niedersachsen
einen erheblichen ökonomischen Schaden bedeuten .
Deshalb ist es so leider nicht durchsetzbar .
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616520
(A) (C)
(B) (D)
Caren Marks (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus
dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards
für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un-
ternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, wie zum Beispiel in Niedersachsen, in denen sie
Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein gene-
relles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermetho-
den ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf bzw . den
Antrag ab .
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Meine Position zu die-
ser Thematik erkläre ich wie folgt:
Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
Menschen, Grundwasser, Trinkwasser und Umwelt hat
für mich oberste Priorität . Die Auswirkungen des unkon-
ventionellen Frackings sind meines Erachtens noch nicht
ausreichend wissenschaftlich geklärt .
Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das so-
genannte unkonventionelle Fracking nach dem jetzigen
Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne was-
sergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung
von Menschen, Grundwasser, Trinkwasser und Umwelt
nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, sollte diese
Technologie nicht zum Einsatz kommen .
Auch wenn ich einige Ansätze der oben genannten
Anträge teile, so halte ich sie in dieser Form nicht für zu-
stimmungsfähig . Ich werde mich daher der Stimme ent-
halten und verweise auf die anhaltenden Beratungen der
Fraktionen von CDU/CSU und SPD zu dieser Thematik .
Markus Paschke (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt wiegen schwerer als die poten-
ziellen wirtschaftliche Chancen . Um Wissenslücken zu
schließen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Er-
probungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und
unter strenger wissenschaftlicher und umweltfachlicher
Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen
auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den
Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16521
(A) (C)
(B) (D)
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Zudem fehlt insbesondere dem Gesetzentwurf der
Grünen in meinen Augen die notwendige Substanz .
Kein Wort in dem Entwurf zur Problematik des La-
gerstättenwassers . Kein Wort zum Thema Beweislastum-
kehr .
Dies sind aber in meinen Augen wichtige Punkte, die
in einem ernstgemeinten und verantwortungsvollen Ge-
setzentwurf nicht fehlen dürften .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Meine Haltung ist klar: Wir brauchen dringend ein
Gesetz, aber ein gutes . Auch deshalb geht noch einmal
mein dringender Appell an die Kolleginnen und Kolle-
gen von der CDU/CSU-Fraktion, hier an den Arbeitstisch
zurückzukehren und einen vernünftigen, tragfähigen und
nachhaltigen Gesetzentwurf im Parlament zu beschlie-
ßen .
Christian Petry (SPD): Wenn taktische Überlegun-
gen und parlamentarisches Geplänkel wichtiger werden
als ökologische Lösungen, müssen solche Anträge wie
die von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken gestellt
werden . Wenn es allein nach mir ginge in der Welt, wür-
den wir aus dem Verbrauch fossiler Energieträger aus-
steigen, denn sie sind endlich und außerdem machen
Arbeitsplätze auf solarer Basis ein gutes Gewissen . Aber
die Welt folgt nicht allein meinen Vorstellungen und auch
in Deutschland lehnen wir eine Diktatur ab, bevorzugen
Demokratie .
In unserer Demokratie haben die SPD-Fraktion und
ich eine Arbeitsrichtung, ein Ziel: Schonung fossiler
Energieträger . „Trinkwasser und Gesundheit haben für
uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Ko-
alitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für
mich Maßstab – auch in der Großen Koalition . Wir wol-
len ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits
vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen kla-
re Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen
und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Seit Jahrzehnten gibt es Fracking in Deutschland –
hier gibt es erhebliche Regelungslücken, die zu schließen
sind . Also brauchen wir ein Gesetz . Derzeit halten sich
die Erdgasfirmen an ein faktisches Moratorium, in der
Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Rege-
lungen . Das gibt auf Dauer aber keine Rechtssicherheit
hinsichtlich ökologischer Fragen, gefährdet also Arbeits-
plätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland prakti-
zierten, herkömmlichen Erdgasförderung – ohne die öko-
logische Situation zu verbessern, ohne klare Regelungen
für die die bisherige Erdgasförderung .
Für die Zukunft gilt: Mit Blick auf die endliche Res-
source Gas und mit Blick auf die guten Möglichkeiten
zum ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft
ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant-
wortbar, denn Risiken für Mensch und Umwelt überwie-
gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
Gegenwärtig gilt: Für eine gewissenhafte Beratung
gesetzlicher Regelungen muss ausreichend Zeit sein .
Daher wurde die Entscheidung über die geplanten Rege-
lungen für das Gesetzespaket zum Fracking bisher noch
nicht beschlossen . Für mich sind folgende Verbesserun-
gen bei dem Entwurf des Regelungspakets wichtig: Der
Bundestag, als demokratisch legitimiertes Organ, muss
im Umgang mit unkonventionellem Fracking das letzte
Wort haben (Parlamentsvorbehalt) und keine Experten-
kommission, die lediglich eine Beratungs- und Beurtei-
lungsfunktion einnehmen soll .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü-
gig mit uns zusammen umzusetzen . Gäbe es keine kla-
ren gesetzlichen Regelungen, bestünde die Gefahr, dass
die derzeit zurückgehaltenen Anträge der Unternehmen
neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in
Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den
notwendigen weitergehenden Schutz der Oberflächen-
gewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und
Mineralquellen . Zudem will die SPD-Fraktion mit dem
Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden auf-
grund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle
Erdgasförderung hervorgerufen werden .
Angesichts dieser schwierigen Aufgaben ist es von
Grünen und Linken kein seriöses Verhalten, eine Abstim-
mung zum diesem Thema ohne Debatte im Parlament zu
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616522
(A) (C)
(B) (D)
beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Win-
kelzug wird der Problematik nicht gerecht . Es ist bedau-
erlich, dass sich ein ,,an sich“ guter Vorschlag auf diese
Weise in sein Gegenteil verkehrt .
Sabine Poschmann (SPD): „Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
Ich halte unkonventionelles Fracking für nicht ver-
antwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung
ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen und im Bund
unmöglich macht .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommis-
sion kann das demokratisch legitimierte Organ Deut-
scher Bundestag keinesfalls ersetzen . Leider blockiert
die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit
Rechtsunsicherheit . Ich fordere die Union auf, diese
Blockade zu beenden und gemeinsam ein Fracking-Ver-
bot zu beschließen .
Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
setzung eines Fracking-Verbotes . Anträge ohne Debatte
und ohne die Chance, sie mit dem ganzen Haus zu be-
schließen, zur Abstimmung zu stellen, ist nicht zielfüh-
rend, wenngleich ich die Anträge inhaltlich nachvollzie-
hen kann .
Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten und
mich dafür einsetzen, dass es eine Debatte und einen Be-
schluss des gesamten Bundestages gibt, der Fracking in
ganz Deutschland untersagt, damit kein Flickenteppich
mit unterschiedlichen Regelungen entsteht .
Dr. Simone Raatz (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Mechthild Rawert (SPD): Dass Parlamentarierin-
nen und Parlamentarier die eigenen Beschlussvorlagen
im Plenum des Deutschen Bundestages nicht debattie-
ren wollen, ist extraordinär: So soll es aber heute mit
einem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und
einem Bericht zu einem Antrag der Linken gehen . Bei-
de Abstimmungen behandeln das hochsensible Thema
Fracking . In einer „Abschließenden Beratung ohne Aus-
sprache“ soll auf Wunsch der Oppositionsparteien sofort
abgestimmt werden. Dieses Verfahren finde ich skanda-
lös . Damit wird es auch unmöglich werden, auf gravie-
rende „Leerstellen“ im Grünen-Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung
der Fracking-Technik einzugehen: unter anderem das
Mitspracherecht der Kommunen, die Beweislastumkehr
bei Erdbeben, das Fehlen von Vorschlägen im Wasser-
recht, Regelungen zur Herstellung von Transparenz und,
und, und .
Obwohl ich Fracking sehr kritisch gegenüberstehe,
lehne ich aus fachlichen und formalen Gründen diese
Anträge ab .
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16523
(A) (C)
(B) (D)
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
erwarte von der Unionsfraktion, das Regelungspaket zü-
gig mit uns zusammen umzusetzen .
Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel
und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
förderung hervorgerufen werden .
Gerold Reichenbach (SPD): „Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festle-
gung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema
Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der
Großen Koalition .
Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für
die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir
wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die
Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter-
nehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Aus den wis-
senschaftlichen Zwecken darf keine Öffnung für kom-
merzielle Nutzung durch die Hintertür erfolgen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Aus hessischer Sicht ist es zudem besonders unglaub-
würdig, wenn gleichzeitig die grüne Hessische Umwelt-
ministerin in Nordhessen die Verpressung von Millionen
Tonnen grundwassergefährdender Abwässer aus der Ka-
liproduktion in den Untergrund legalisiert .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
serungen vereinbaren können .
Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions-
partner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen
umzusetzen .
Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel
und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislas-
tumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben ein-
führen, die durch konventionelle Erdgasförderung her-
vorgerufen werden .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616524
(A) (C)
(B) (D)
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
ter Winkelzug, wird der Problematik nicht gerecht . Auch
aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Dr. Carola Reimann (SPD): Diese Festlegung aus
dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards
für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un-
ternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Dr. Daniela De Ridder (SPD): Bei der Abstimmung
zu dem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einge-
brachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun-
desberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik
(Drucksachen 18/7551, 18/8125) sowie dem Antrag der
Fraktion Die Linke „Verbot von Fracking in Deutsch-
land“ (Drucksachen 18/4810, 18/8113) enthalte ich mich,
da die Anträge unzureichend formuliert wurden und we-
sentliche Punkte außer Acht lassen, die noch im Konsul-
tationsprozess der Großen Koalition verhandelt werden .
Es bedarf eines längerfristigen Konsultationsprozes-
ses, dessen sich die Große Koalition annehmen wird .
Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Die Bundesregie-
rung hat bereits ein Gesetz in den Deutschen Bundestag
eingebracht, mit dem der absolute Vorrang von Trink-
wasserschutz und Gesundheitsvorsorge hinsichtlich der
Risiken des Einsatzes der Fracking-Technologie bei der
unkonventionellen Erdgasgewinnung durchgesetzt wer-
den soll .
In diesem bereits eingebrachten Gesetz soll das Berg-
recht dahin gehend geändert werden, dass in Deutschland
keine Bohrungen mit Anwendung der Fracking-Methode
zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und -gas aus
unkonventionellen Lagerstätten mit umwelttoxischen
Stoffen zulässig ist . In diesem Sinne sollen auch die er-
forderlichen Ergänzungen im Wasserhaushaltsgesetz des
Bundes erfolgen . Eine obligatorische Umweltverträg-
lichkeitsprüfung (UVP) mit entsprechender Bürgerbetei-
ligung soll verankert werden .
Insbesondere ist in dem Gesetzentwurf ein absolutes
Fracking-Verbot vorgesehen in Wasserschutzgebieten,
Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Tal-
sperren und Seen, die unmittelbar zur Trinkwassergewin-
nung genutzt werden, im Einzugsbereich von Quellen,
Brunnen und von allen Wasserentnahmestellen, deren
Wasser in Lebensmitteln verwendet wird, sowie in Trink-
wassergewinnungsgebieten der öffentlichen und privaten
Wasserversorgung .
Da aus dem Bodensee Trinkwasser gewonnen wird,
wird von diesem absoluten Fracking-Verbot auch der
gesamte Einzugsbereich des Bodensees umfasst und der
Schutz des Trinkwassers sichergestellt .
Ich setze mich deshalb dafür ein, dass auf der Grund-
lage dieses Gesetzentwurfs in den weiteren Beratungen
noch offene Fragen geklärt werden und dass dann mit der
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16525
(A) (C)
(B) (D)
Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen
Bundestag ein umfassender Trinkwasser- und Gesund-
heitsschutz durchgesetzt wird .
Johannes Röring (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
Fraktion Die Linke stimme ich nicht zu, auch wenn ich
einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamentari-
schen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich obers-
te Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen
Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend
wissenschaftlich geklärt . Auf der Basis bisheriger Er-
kenntnisse ist eine Gefährdung des Grundwassers und der
landwirtschaftlichen Produktion nicht ausgeschlossen .
Ebenfalls ist ein hoher Flächenverbrauch zu befürchten
durch umfangreiche Bohranlagen und den naturschutz-
rechtlichen Ausgleich .
Solange Fracking nicht ohne wassergefährdende
Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen,
Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wissen-
schaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie
nicht zum Einsatz kommen .
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Erstens . Der
Schutz von Trinkwasser und Gesundheit ist eine große
Aufgabe, der wir mit aller Ernsthaftigkeit und Konse-
quenz nachkommen müssen . Selbstverständlich gibt es
hierzu ein hartes politisches Ringen um den besten Weg
und auch ein hartes Ringen um einen gemeinsamen Weg
in der Bundesregierung und mit der Opposition .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen
ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch se-
riöses Verhalten, zwei namentliche Abstimmungen zu
diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Die grobe
Missachtung des Parlaments und seines wichtigsten Or-
gans, des Bundestages, empört mich sehr . Eine nament-
liche Abstimmung wird mit Recht nur beantragt, wenn
eine Angelegenheit als sehr wichtig angesehen wird . Nun
verweigern die Grünen und die Linke für eine sehr wich-
tige Angelegenheit allerdings eine klärende, kontroverse,
zielführende Debatte im Parlament . Das nenne ich allein
taktisch motivierte Winkelzüge von reiner grün/linker
Showpolitik, die ich für den Deutschen Bundestag für
unwürdig halte . Auch aus diesem Grunde lehne ich diese
Anträge ab .
Zweitens . Zur Sache stelle ich fest: „Trinkwasser und
Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
in der Großen Koalition . Wir wollen klare Regelungen
und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für
Behörden und für Unternehmen schaffen .
Wir wollen dabei ein Gesetz schaffen, das die Um-
weltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförde-
rung verschärft . Nach heutigen Informationen ist das so-
genannte unkonventionelle Fracking von Schiefer- und
Kohleflözgas dagegen nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Drittens . Zum weiteren Verfahren: Derzeit halten
sich die Erdgasfirmen an ein faktisches Moratorium in
der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen
Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit
und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in
Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförde-
rung .
Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel
und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
förderung hervorgerufen werden .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Viertens . Die große Koalition hat jetzt die große
Chance und auch die Pflicht, ein Fracking-Beschrän-
kungs- und Regulierungsgesetz mit scharfen und klaren
Regelungen zu vereinbaren . Ein solches Gesetz muss
wirklich Substanz haben, zumal die Große Koalition auf
Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesum-
weltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium
bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren konnte .
Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb
der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspart-
ner, ein anspruchsvolles Regelungspaket zügig mit uns
zusammen zu beschließen und zur Beratung in das Par-
lament einzubringen und dann lebhaft und kontrovers zu
diskutieren und zu beschließen, ohne ein Aussprachever-
bot, wie es jetzt von Grünen und Linken leider beantragt
und durchgesetzt worden ist .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616526
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Eine Ex-
ploration heimischer Erdgasvorkommen ergibt aktuell
für Deutschland keinen wirtschaftlichen oder sonstigen
Vorteil . Es besteht schlicht kein Bedarf, der nicht auf
günstigere Weise zu bedienen ist und der eine Förderung
heimischer Ressourcen mit diesem risikobehafteten Ver-
fahren zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigen könnte .
Aus diesem Grund bin ich der Überzeugung, dass wir
heimisches Erdgas als natürliche Energiereserve für eine
Zeit vorbehalten sollten, in der es sinnvoller genutzt wer-
den kann . Auch wird man es zukünftig sicherlich ohne
Verwendung potenziell schädlicher Stoffe und deutlich
effizienter fördern können.
Die Regierungskoalition erarbeitet zu Fracking ge-
rade eine Gesetzesinitiative, die die Umweltstandards
für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
Aufgrund der derzeitigen Unsicherheit über die Risiken
sollen lediglich Probebohrungen zulässig sein, die unter
wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht vorge-
nommen werden und helfen sollen, diese Technologie in
der Zukunft effizient und risikofrei nutzbar zu machen.
Die Oppositionsparteien haben Kenntnis über die
laufenden Arbeiten an einem Gesetz . Das verstärkt den
Eindruck, dass diese vorzeitige Abstimmung über ihre
jeweiligen Initiativen nichts weiter als eine Showveran-
staltung ist und durch den Ring, der mir da hingehalten
wird, werde ich nicht springen und deshalb mit „Nein“
stimmen .
Im Übrigen vertrete ich folgende Position:
„Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
Dr. Nina Scheer (SPD): Die von den Oppositions-
fraktionen für heute beantragten namentlichen Abstim-
mungen über ein Fracking-Verbot unter gleichzeitiger
Verweigerung einer Plenardebatte erachte ich als unver-
antwortlich . Das auf Transparenz angelegte parlamenta-
rische Verfahren einer namentlichen Abstimmung wird
hierbei funktionalisiert, um den öffentlichen Eindruck zu
suggerieren, die Koalitionsfraktionen verweigerten sich
gesetzlichen Restriktionen für Fracking . Die zugleich
vonseiten der Oppositionsfraktionen unterbundene De-
batte soll diesen Eindruck offenbar noch untermauern .
Dies ist gegenüber dem Parlament unwürdig und folgt
populistischen Motiven .
Sowohl Umweltschutzbedarfe im Zusammenhang mit
dem bereits seit Jahrzehnten praktizierten sogenannten
konventionellen Fracking als auch dem aus den USA
bekannten sogenannten unkonventionellen Fracking
von Öl und Gas aus Schiefergestein und Kohleflöz,
das in Deutschland bereits aus Gesundheits- und Um-
weltschutzgründen rechtssicher ausgeschlossen werden
muss, wirft gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf .
Auch die Energiewende verlangt eine Abkehr von fos-
silen Energieressourcen, somit auch von Fracking . Es
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16527
(A) (C)
(B) (D)
bedarf einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare
Energien . Hierfür steht auch die schleswig-holsteinische
Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig .
Die Koalition von CDU/CSU und SPD arbeitet auf
Bundesebene unter Einbeziehung der Bundesländer mit
teilweise auch grüner und linker Regierungsbeteiligung
seit vielen Monaten an einer Einigung . Leider konnte die-
se aufgrund einer Verweigerungshaltung von CDU/CSU
bezüglich eines Verbots unkonventionellen kommerziel-
len Frackings und bezüglich eines Parlamentsvorbehalts
sowie einer Einbeziehung der Länder in Bezug auf wis-
senschaftlich begründete Probebohrungen bislang nicht
erzielt werden . Ich erwarte insofern von unserem Koali-
tionspartner, dass er sich nicht länger dem Einigungspro-
zess verschließt . Sollte eine Einigung länger verweigert
werden, wird hiermit zugleich die im Koalitionsvertrag
veranlagte Pflicht eines gemeinsam in der Koalition zu
gestaltenden Gesetzesverfahrens infrage gestellt .
Unter Verweis auf einen zu erwartenden zügigen Eini-
gungsprozess für eine umfassende Regelung sowohl ber-
grechtlicher als auch wasserhaushaltsrechtlicher Art und
unter Einbeziehung der Bundesländer lehne ich sowohl
den heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf als
auch den Antrag ab .
Udo Schiefner (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung im
Wahlprogramm der SPD und in unserem Koalitionsver-
trag ist für mich Maßstab unseres Handelns in der Gro-
ßen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Rege-
lung zum Thema Fracking messen lassen .
Nach heutigen Erkenntnissen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Der Einsatz unkonventionel-
len Frackings ist damit meines Erachtens nicht verant-
wortbar . Ich setze mich für eine gesetzliche Regelung
ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen und anderen-
orts in Deutschland unmöglich macht .
CDU und CSU blockieren jedoch, dass wir ein solches
Gesetz umsetzen, und verschärfen damit die Rechtsun-
sicherheit . Dennoch setze ich weiter auf die Einsichts-
fähigkeit unserer Koalitionspartner . Ich erwarte von der
Union, dass sie mit uns zusammen zügig ein Gesetz um-
setzt, das Fracking im Schiefergestein verhindert . Dazu
müssen CDU und CSU anerkennen, dass die von ihnen
geforderte Expertenkommission keinen Ersatz für demo-
kratisch legitimierte Beschlüsse des Bundestages bieten
kann .
Gleichzeitig ist es jedoch kein parlamentarisch seriö-
ses Verhalten, wenn Grüne und Linke eine Abstimmung
zu diesem Thema ohne vorherige hinreichende Debatte
beantragen . Dieser allein taktisch motivierte Winkelzug
wird der Tragweite des Themas nicht gerecht . Mein Ziel
eines Fracking-Verbotes ist so nicht vertretbar zu errei-
chen . Unter diesen Umständen kann ich den Anträgen
nicht zustimmen .
Karl Schiewerling (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn
ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamenta-
rischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die
Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von
Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen .
An meiner Position hat sich nichts geändert . Als Ab-
geordneter aus dem Münsterland lehne ich das kommer-
zielle unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen
dieser Technologie sind noch nicht ausreichend wissen-
schaftlich geklärt . Der bedingungslose und uneinge-
schränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Um-
welt hat für mich oberste Priorität .
Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking
nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und
eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um-
welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen
werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz
kommen .
Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die
vielen Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien –
seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr
hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel-
le unkonventionelle Fracking ab .
Frank Schwabe (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung
aus dem Wahlprogramm der SPD und der verankerten
Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für
das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich
jede gesetzliche Regelung messen lassen .
Ich will darüber hinaus ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Ich will klare Regelungen und Rechtssicher-
heit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und
für Unternehmen schaffen .
Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht
infrage .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag keinesfalls ersetzen .
Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner,
die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616528
(A) (C)
(B) (D)
gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
uns zusammen umzusetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
nicht gut, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte durchzuführen . So ein Verfahren wird der Proble-
matik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich
die von Grünen und Linken gestellten Anträge ab .
Stefan Schwartze (SPD): Nach heutigen Informa-
tionen ist unkonventionelles Fracking von Schiefer- und
Kohleflözgas nicht verantwortbar. Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für mich absoluten Vorrang und überwie-
gen wirtschaftliche Interessen . Diese Forderung haben
wir bereits im SPD-Wahlprogramm verankert . Die da-
raufhin erfolgte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für
mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition .
Ich bin der festen Überzeugung und werde mich da-
für einsetzen, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen
die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Für
Nordrhein-Westfalen ist es ganz klar, dass Fracking nicht
infrage kommt .
Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Rechtssicher-
heit schafft . Dabei ist für mich selbstverständlich, dass
beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deut-
sche Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ die
Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission
kann diese Entscheidung nicht ersetzen .
Ich erwarte von unserem Koalitionspartner, die
Blockade zu diesem Gesetz aufzugeben . Wir müssen
uns zügig einigen und Fracking im Schiefergestein ver-
hindern . Aber nicht in einem politischen Schnellschuss .
Angesichts der Bedeutung dieses Themas bedarf es einer
intensiven Beratung und Prüfung eines Gesetzentwurfes .
Weshalb die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die
Linke eine Debatte ohne Aussprache beantragen, kann
ich nicht nachvollziehen . Dies widerspricht einem seri-
ösen parlamentarischen Verfahren .
Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich
mich in der heutigen Abstimmung enthalten .
Stefan Schwartze (SPD): Nach heutigen Informa-
tionen ist unkonventionelles Fracking von Schiefer- und
Kohleflözgas nicht verantwortbar. Trinkwasser und Ge-
sundheit haben für mich absoluten Vorrang und überwie-
gen wirtschaftliche Interessen . Diese Forderung haben
wir bereits im SPD-Wahlprogramm verankert . Die da-
raufhin erfolgte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für
mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition .
Ich bin der festen Überzeugung und werde mich da-
für einsetzen, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen
die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Für
Nordrhein-Westfalen ist es ganz klar, dass Fracking nicht
infrage kommt .
Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Rechtssicher-
heit schafft . Dabei ist für mich selbstverständlich, dass
beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deut-
sche Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ die
Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission
kann diese Entscheidung nicht ersetzen .
Ich erwarte von unserem Koalitionspartner, die
Blockade zu diesem Gesetz aufzugeben . Wir müssen
uns zügig einigen und Fracking im Schiefergestein ver-
hindern . Aber nicht in einem politischen Schnellschuss .
Angesichts der Bedeutung dieses Themas bedarf es einer
intensiven Beratung und Prüfung eines Gesetzesentwur-
fes . Weshalb die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und
Die Linke eine Debatte ohne Aussprache beantragen,
kann ich nicht nachvollziehen . Dies widerspricht einem
seriösen parlamentarischen Verfahren .
Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich
mich in der heutigen Abstimmung enthalten .
Reinhold Sendker (CDU/CSU): Als Gegner des
sogenannten Frackings kann ich inhaltlich ähnlich lau-
tenden Gesetzesinitiativen der Oppositionsfraktionen
Bündnis 90/Die Grünen und die Linke nicht zustimmen,
weil sie offensichtlich das Ziel verfolgen, die Bundesre-
gierung zu attackieren . Darüber hinaus kann ich einem
Fracking-Gesetz, welches nicht im Plenum des Deut-
schen Bundestages beraten wurde, nicht zustimmen . Das
widerspricht meinem Verständnis von Demokratie .
Ich verweise zudem auf die anhaltenden Beratungen
der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes
Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich erst
zum Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungs-
verfahrens entscheiden werde . In der jetzigen Form halte
ich den Gesetzentwurf für unverantwortbar und könnte
den enthaltenen Regelungen zum gegenwärtigen Zeit-
punkt nicht zustimmen .
Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt:
Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich obers-
te Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen
Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend
wissenschaftlich geklärt .
Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das un-
konventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der
Technik ab . Solange Fracking nicht ohne wassergefähr-
dende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Men-
schen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wis-
senschaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie
nicht zum Einsatz kommen .
Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Dem Geset-
zesentwurf zur Änderung des Bundesberggesetzes zur
Untersagung der Fracking-Technik kann ich in der vor-
liegenden Form nicht zustimmen . Meine Position in der
Sache erkläre ich wie folgt:
Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter-
rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der
Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung
liegt . Ich setze mich für eine nachhaltige Energiepolitik
ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor-
gung auch in Zukunft .
Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch
über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hoch effizienter und
flexibel einsetzbarer fossiler Kraftwerke auf der Basis
von Kohle oder Gas notwendig . Bei verschiedenen Un-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16529
(A) (C)
(B) (D)
ternehmen in der Region besteht Interesse, die Potenzia-
le sogenannter unkonventioneller Erdgasvorkommen zu
untersuchen .
In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß
an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der
Gewinnung von Gas verbunden sind . Dabei geht es ins-
besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und
Trinkwassers durch das sogenannte Fracking – ein Ver-
fahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und
chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Un-
tergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohr-
loch zu stimulieren und die Förderung zu ermöglichen .
Als Energieland Nummer eins haben wir in Nord-
rhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und
Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen .
Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und
umweltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der
Länder . Bei der Genehmigung von Probebohrungen
muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass
der jeweilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die
Entscheidung erforderlichen Informationen bereitzustel-
len und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu
dokumentieren . Solange keine ausreichend fundierten
wissenschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Aus-
wirkungen von Fracking vorliegen, dürfen keine Fakten
geschaffen werden .
Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifischen
Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasförderung
angepasst werden . Insbesondere halte ich eine Änderung
des Bergrechts für notwendig . Eine Umweltverträglich-
keitsprüfung (UVP), die im Bergrecht für die reine Er-
kundung von Bodenschätzen, also auch für das Probe-
fracking, derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus meiner
Sicht unerlässlich . Umweltrisiken bestehen vor allem
dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe
gefrackt wird . Deshalb sollte für diese Fälle sowohl bei
der Erdgasgewinnung als auch bei der Geothermie eine
zwingende UVP eingeführt werden . Diese beinhaltet
dann auch eine verpflichtende, transparente und effek-
tive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmigung
des Probefrackings . Zudem sind die Wasserbehörden
verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Land-
kreise und Kommunen . Da die Auswirkungen auf das
Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist
es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitglied-
staaten der Europäischen Union zu haben . Ich unterstütze
daher die Bemühung im Europäischen Parlament um ver-
gleichbar hohe Sicherheitsstandards .
Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt
nur in Frage, wenn sie von der Bevölkerung in der Re-
gion akzeptiert wird . Dafür ist eine umfassende Transpa-
renz eine zentrale Voraussetzung . Die Landesregierung
ist in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über
die Risiken des Fracking deutlich zu verbessern .
Für mich hat Sicherheit höchste Priorität, denn ich bin
gegen ein Fracking, das unsere Natur und die klassische
Wirtschaft nicht hinreichend schützt . Der Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist aber meines Er-
achtens in seiner derzeitigen inhaltlichen Ausgestaltung
so nicht zustimmungsfähig, da er gravierende juristische
und tatsächliche Mängel beinhaltet . Genehmigungen
dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Ri-
siken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen
werden können .
Norbert Spinrath (SPD): Nach derzeitigen Wissens-
stand ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht
verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt
überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
Ich setze mich für eine gesetzliche Regelung ein,
die Fracking in meinem Kreis Heinsberg und in Nord-
rhein-Westfalen unmöglich macht .
Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
setzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur poli-
tische Effekthascherei . Denn eine öffentliche Aussprache
darüber lehnen sie ab .
Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
fährden, habe ich mich heute der Stimme enthalten .
Michael Thews (SPD): Der Schutz des Bodens, des
Trinkwassers und somit auch der Gesundheit des Men-
schen haben für mich absoluten Vorrang gegenüber der
stark risikobehafteten Gewinnung von primären Energie-
trägern durch Fracking .
Das Wahlprogramm der SPD beinhaltet diesen Schutz,
und die verankerte Festlegung im Koalitionsvertrag ist
für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koali-
tion . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen
lassen .
Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen .
Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert .
Für Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls
nicht infrage .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
Bundestag keinesfalls ersetzen .
Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
diesem Grund, werde ich mich heute der Stimme enthal-
ten .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616530
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Karin Thissen (SPD): Ich will klare Regelungen
und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für
Behörden und für Unternehmen schaffen und nehme die
Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst und teile sie .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Um Wissenslücken zu schließen, halte ich in diesem
Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftli-
cher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für
zulässig, um die Auswirkungen der Maßnahmen wissen-
schaftlich zu erforschen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung neuer gesetzlicher Rege-
lungen .
Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions-
partner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen .
Aus den oben genannten Gründen lehne ich daher die-
se Anträge ab .
Ute Vogt (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben
für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem
Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für
mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition .
Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die
bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wol-
len klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bür-
gerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen
schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Ich
gehe davon aus, dass diese einhellige Position aus dem
April des letzten Jahres wie verabredet noch in dieser Le-
gislaturperiode vom Deutschen Bundestag abschließend
beschlossen wird .
Bernd Westphal (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
und für Unternehmen schaffen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16531
(A) (C)
(B) (D)
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
dene Fördermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie den Antrag der
Fraktion DIE LINKE ab .
Dirk Wiese (SPD): Ich habe immer wieder deutlich
gemacht, dass Fracking im Sauerland, ja in ganz NRW,
nichts zu suchen hat . Hierzu stehe ich ohne Wenn und
Aber . Trinkwasser und Gesundheit haben absoluten Vor-
rang . Die Risiken für Mensch und Natur sind viel zu hoch
und nicht verantwortbar . In der Großen Koalition wird
schon seit längerem an einem entsprechenden Gesetz ge-
arbeitet . Ich erwarte von unserem Koalitionspartner jetzt
endlich, dass er seine Blockadehaltung aufgibt . Ich will
darüber hinaus ein Gesetz, das die Umweltstandards für
die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Ich
will klare und rechtssichere Regelungen für die Bürge-
rinnen und Bürger und Behörden . Dafür stehe ich ein .
Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und
der Antrag der Linken am heutigen Tage sind rein tak-
tisch motiviert . Sie sind an keiner Lösung interessiert,
sondern möchten das Parlament nur für ihre Inszenierung
nutzen . Das ist ihr gutes Recht als Opposition . Dies er-
kennt man insbesondere gut daran, dass sie nicht einmal
eine Debatte beantragt haben, sondern nur abstimmen
wollen, um dies medial gegen uns zu verwenden . Dies
wird immer wieder vorkommen . Darum lehne ich solche
taktischen Winkelzüge ab . Das Thema ist für die Men-
schen zu ernst, um auf deren Rücken Spiele zu spielen .
Entsprechenden Gesetzesvorlagen oder Anträgen zur po-
litischen Instrumentalisierung stimme ich daher nicht zu .
Gülistan Yüksel (SPD): Das oberste Ziel muss sein,
die Umwelt und die Gesundheit der Menschen bestmög-
lich zu schützen . Ich halte unkonventionelles Fracking
für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetz-
liche Regelung ein . Leider blockiert die CDU/CSU ein
solches Gesetz und verschärft damit Rechtsunsicherheit .
Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
setzung eines Fracking-Verbotes . Auch ist es seitens der
Opposition kein seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu
diesem ernsthaften Thema ohne Debatte zu beantragen .
Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten .
Anlage 10
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den von
den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena
Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ände-
rung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der
Fracking-Technik (Tagesordnungspunkt 30 a)
Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem „Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
zur Untersagung der Fracking-Technik“ der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zustimmen .
Begründung:
Seit dem 23 . April 2015 liegt dem Bundestag ein Ge-
setzentwurf zur Regelung der Fracking-Technologie vor .
Am 8 . Juni 2015 brachte dazu eine aus 19 Abgeord-
neten der CDU/CSU-Fraktion bestehende Arbeitsgrup-
pe, der ich auch angehöre, eine Positionierung mit sechs
konkreten Änderungsvorschlägen ein . Seither kam es je-
doch zu keiner weiteren Beratung .
Ohne gesetzliche Neuregelung kann es zu gesund-
heits- und umweltgefährdenden Einsätzen der Fra-
cking-Methode kommen .
Deshalb stimme ich dem Antrag der Grünen auf
Drucksache 18/7551 zu .
Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Dem Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-
nummer 18/7551 „Gesetz zur Änderung des Bundesberg-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616532
(A) (C)
(B) (D)
gesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik“ werde
ich zustimmen .
Folgende Begründung möchte ich hierfür anführen:
In meiner Heimatgemeinde Langwedel gab es am
vergangenen Freitag wieder einmal ein Erdbeben . Be-
reits zwischen 2008 und 2015 gab es sechs Erdstöße
mit Stärken zwischen 1,8 und 2,9 auf der Richterskala .
Dieses Mal hatte das Erdbeben eine Stärke von 3,2 und
war aufgrund der geringen Tiefe des Epizentrums von
besonders starker Intensität . Es hat offensichtlich viele
Schäden an zahlreichen Häusern verursacht: Inzwischen
wird von rund 100 Häusern berichtet, an denen zum Teil
erhebliche Schäden festgestellt wurden – wahrscheinlich
ist noch ein Vielfaches mehr an Häusern betroffen .
Die Ursachen für diese Erdbeben und die daraus resul-
tierenden Schäden lassen sich ganz klar auf die Erdgas-
förderung zurückführen, die in Langwedel durchgeführt
wird . Viele Menschen haben mittlerweile Angst vor dem
nächsten Beben . Dass dieses kommt, ist nur eine Frage
der Zeit . Und ich kann diese Angst sehr gut nachvoll-
ziehen .
Auch wenn nicht das Fracking, sondern die daraus
folgenden Gasförderungen ursächlich für diese massiven
Erdstöße in Langwedel sind, so wird es bald in vielen
Regionen im gesamten Bundesgebiet aussehen wie bei
uns, wenn wir flächendeckend in Deutschland diese Boh-
rungen zulassen werden . Der Wertverlust der Hausbesit-
zer in der Region ist enorm . Die prosperierende Region,
die früher von erheblichem Zuzug profitiert hat, verfällt
aufgrund der Angst und der durch die Erdgasförderung
entstandenen Schäden in die Stagnation . Diese Probleme
kannten wir vor der Erdgasförderung nicht .
Darum bin ich der Meinung, dass wir nicht länger war-
ten dürfen und handeln müssen . Über den am 23 . April
2015 eingebrachten Gesetzentwurf zur Regelung der
Fracking-Technik und der konventionellen Erdgasför-
derung gibt es noch immer keine Einigung . Außerdem
muss der Gesetzentwurf zum Schutz der Menschen noch
deutlich nachgebessert werden .
Da es aber noch immer keine Einigung gibt und die
konventionelle Technik – in ganz besonderem Maße aber
auch die Fracking-Technik – zum Teil erhebliche Risiken
beinhalten, werde ich dem Antrag der Grünen zustim-
men . Dies begründet sich vor allem auch auf die aktuelle
Situation bei mir in der Region, da ich den Menschen
einfach nicht mehr erklären kann, warum sich nichts tut .
Vor den gemachten Erfahrungen bei mir in der Region
halte ich es für unverantwortlich, Fracking in dichtbe-
siedelten Gebieten und auf einem Großteil der Flächen
in Deutschland zuzulassen . Offensichtlich merkt auch
die erdgasfördernde Industrie so langsam, dass die Kos-
ten-Nutzen-Rechnung für sie nicht mehr aufgeht: So will
die DEA nach dem Erdbeben ihr Fördermanagement in
der Region überprüfen .
Und auch wenn ich dem Antrag zustimmen werde,
habe ich mit Bedauern festgestellt, dass die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag leider nur auf
die Fracking-Technik eingeht, die im Gegensatz zur ge-
samten Erdgasförderung eher eine untergeordnete Rol-
le spielt . Ich fordere mit Nachdruck die Bundesregie-
rung dazu auf, ihren eingebrachten Gesetzentwurf vom
23 . April 2015 zu überarbeiten, damit der Schutz der
Menschen in Deutschland endlich im Mittelpunkt steht .
Aus den oben genannten Gründen werde ich dem An-
trag zustimmen .
Franz Thönnes (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Denn klare Regelungen sorgen für Rechtssi-
cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
sowie für Unternehmen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende eine parlamentarische Entschei-
dung stehen muss . Eine Expertenkommission kann das
demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundestag
zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen
Regelungen . Dieser Zustand bringt keine Rechtssicher-
heit mit sich und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über
50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen
Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl beide Parteien an zahlreichen Lan-
desregierungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in
denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends
ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene För-
dermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumwelt- und dem Bundes-
wirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserun-
gen vereinbaren können . Der vorliegende Entwurf dürfte
gegenüber der aktuellen Rechtslage hinsichtlich Fra-
cking die weltweit schärfsten Eingrenzungsvorschriften
beinhalten, die es gibt .
Nunmehr setze ich auf die Einigungsfähigkeit inner-
halb der Großen Koalition und erwarte von CDU/CSU,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16533
(A) (C)
(B) (D)
das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzuset-
zen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel
und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
förderung hervorgerufen werden können .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö-
ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf der
Grünen ab .
Anlage 11
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem
Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva
Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fra-
cking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 b)
Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): „Trinkwasser und
Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
Festlegung steht im Koalitionsvertrag der Großen Koa-
lition im Kapitel zum Thema Fracking . Ich befürworte
dementsprechend ein Gesetz, das die Umweltstandards
für die bereits stattfindende Erdgasförderung verschärft.
Die SPD will klare Regelungen und Rechtssicherheit für
die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter-
nehmen schaffen .
Nach heutigem Wissensstand ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
für zulässig, um die Auswirkungen auf die Umwelt, ins-
besondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wis-
senschaftlich zu erforschen .
Dabei strebt die SPD gemäß Koalitionsvertrag eine
Beteiligung der Länder bei der Genehmigung möglicher
Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass am Ende der
Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss,
was für Konsequenzen aus eventuellen Probebohrungen
gezogen werden . Eine Expertenkommission kann das
demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
chen Erdgasförderung .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder
auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
Zudem soll mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei
Bergschäden aufgrund von Erdbeben eingeführt werden,
die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
werden .
Ich bedauere es, dass Grüne und Linke eine Abstim-
mung zum diesem Thema ohne Debatte beantragt haben .
Ich folge der Beschlussempfehlung des zuständigen
Ausschusses, da Aufforderungen an die Bundesregierung
ohne Debatte kein sinnvoller Beitrag zur weiteren parla-
mentarischen Beratung sind .
Franz Thönnes (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
verschärft . Denn klare Regelungen sorgen für Rechtssi-
cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
sowie für Unternehmen .
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken
für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
und den Wasserhaushalt, zu erforschen .
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
mit Fracking am Ende eine parlamentarische Entschei-
dung stehen muss . Eine Expertenkommission kann das
demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616534
(A) (C)
(B) (D)
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches
Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen
Regelungen . Dieser Zustand bringt keine Rechtssicher-
heit mit sich und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über
50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen
Erdgasförderung .
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
durchsetzen, obwohl beide Parteien an zahlreichen Lan-
desregierungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in
denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends
ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene För-
dermethoden ausgesprochen .
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
entwürfen aus dem Bundesumwelt- und dem Bundes-
wirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserun-
gen vereinbaren können . Der vorliegende Entwurf dürfte
gegenüber der aktuellen Rechtslage hinsichtlich Fra-
cking die weltweit schärfsten Eingrenzungsvorschriften
beinhalten, die es gibt .
Nunmehr setze ich auf die Einigungsfähigkeit inner-
halb der Großen Koalition und erwarte von CDU/CSU,
das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzuset-
zen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel
und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
förderung hervorgerufen werden können .
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö-
ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
Auch aus diesem Grund stimme ich der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit zu und lehne damit den Antrag der
Fraktion Die Linke ab .
Anlage 12
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU)
zu der Abstimmung über den Antrag der Abge-
ordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert
Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenktag
werden (Tagesordnungspunkt 17)
Mit dem 8 . Mai 1945, der zunehmend euphorisch als
„Tag der Befreiung“ gedeutet wird, hatten Unmensch-
lichkeit und Grausamkeit in Europa noch immer kein
Ende . Wer heute suggerieren will, dass mit dem Ende
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die Men-
schenrechte europaweit blühten und gediehen und dass
alles seinen gerechten Sinn hatte, der ist entweder un-
wissend, unwillig oder menschenverachtend . Denn der
„8 . Mai“ konnte außer von den Vertriebenen auch von
Millionen anderen nicht als „Tag der Befreiung“ emp-
funden werden . Der Russe Lew Kopelew schrieb zum
50 . Jahrestag des Kriegsendes 1995: „Der wohlverdiente
Rattentod Hitlers in seiner Kanzlei brachte den Völkern
des Westens Erlösung . Der unverdiente, mit 30 Millio-
nen Menschenleben bezahlte Triumph Stalins überzog
die Welt mit neuen tödlichen Gefahren, brachte Unglück,
unsagbare Leiden und Verderben für die Länder in Ost-
und Mitteleuropa, die zu Vasallen einer neuen totalitären
Weltmacht wurden .“ Stalins Terror wütete in Mittel- und
Osteuropa und raffte weiterhin Millionen Menschen da-
hin . Die Menschen in Mitteldeutschland/Ostzone/DDR
lebten in neuer Diktatur, aus der sie sich erst 1989/90 be-
freien konnten . Hans Günther Adler, als rassisch Verfolg-
ter Insasse während der nationalsozialistischen Zeit, be-
schreibt in seinem Buch Theresienstadt 1941-1945: „Die
Befreiung von Theresienstadt hat das Elend in diesem
Ort nicht beendet . Nein, nicht allein für die ehemaligen
Gefangenen ( . . .), sondern auch für neue Gefangene ( . . .),
die Mehrzahl, darunter viele Kinder und Halbwüchsige,
wurden bloß eingesperrt, weil sie Deutsche waren . Nur
weil sie Deutsche waren ( . . .)? Der Satz klingt erschre-
ckend bekannt; man hatte bloß das Wort ‚Juden‘ mit
‚Deutschen‘ vertauscht . Die Fetzen, in die man die Deut-
schen hüllte, waren mit Hakenkreuzen beschmiert . Die
Menschen wurden elend ernährt, misshandelt, und es ist
ihnen um nichts besser ergangen, als man es von deut-
schen Konzentrationslagern her gewohnt war .“
Robert H . Jackson, amerikanischer Hauptanklagever-
treter bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen,
beklagte im Oktober 1945 in einem Brief an den US-Prä-
sidenten Harry S . Truman, dass die Alliierten selbst
„genau die Dinge getan haben oder tun, für die wir die
Deutschen anklagen“ . Der britische Philosoph Bertrand
Russell schrieb im selben Monat: „In Osteuropa werden
jetzt von unserem Verbündeten Massendeportationen in
einem unerhörten Ausmaß durchgeführt und man hat
ganz offensichtlich die Absicht, viele Millionen Deutsche
auszulöschen, nicht durch Gas, ( . . .) sondern dadurch,
dass man ihnen ihr Zuhause und ihre Nahrung nimmt
und sie einem langen schmerzhaften Hungertod auslie-
fert . Das gilt nicht als Kriegsakt, sondern als Teil einer
bewussten ‚Friedenspolitik‘ .“ Am 25 . Oktober berichtete
der Berater General Eisenhowers, Robert Murphy, nach
Washington: „Mitarbeiter, die Flüchtlingszüge aus dem
Osten ankommen sahen, stellen fest, dass sich die Leute
meistens in bedauernswertem Zustand befinden. Einige
( . . .) berichteten, dass sie ausgeplündert und um die we-
nigen Habseligkeiten gebracht wurden, die sie überhaupt
mitnehmen durften .“ Rund zwei Millionen Menschen
haben diese Torturen nicht überlebt . Der amerikanische
Historiker Norman Naimark resümierte: „Tatsache ist,
dass ungefähr 2,5 Millionen Deutsche umkamen und
11,5 Millionen vertrieben wurden, einzig und allein, weil
sie Deutsche waren . Entscheidend war ihre ethnische
Zugehörigkeit und nicht ihre Staatsbürgerschaft, ebenso
wenig die Frage, ob sie gute oder schlechte Deutsche wa-
ren, Faschisten oder Antifaschisten ( . . .) . Das war keine
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16535
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Abrechnung mehr zwischen Bevölkerungsgruppen . Die
Vertreibung der Deutschen wurde politisches Staatsziel .“
Der 8 . Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkrieges
auf unserem Kontinent, ein Tag der Befreiung? Ja und
nein! „Erlöst und vernichtet in einem“, so hat es Theodor
Heuss, der erste Bundespräsident unserer Republik, tref-
fend beschrieben . Eine Befreiung vom nationalsozialis-
tischen Terror über Deutschland und Europa, ja . Eine
Befreiung für all diejenigen, die mehr tot als lebendig
die Konzentrationslager überlebt haben, ja, natürlich .
Eine Befreiung vom Elend des Krieges, ja . Eine Befrei-
ung von Gewaltherrschaft und Diktatur, ja, für den Wes-
ten Europas – aber nur für den Westen, mit Ausnahme
Spaniens und Portugals . Doch als Befreiungskrieg für
Deutschland haben die Alliierten diesen Krieg ohnehin
nicht geführt und auch nicht führen wollen . Dwight D .
Eisenhower, Befehlshaber der amerikanischen Besat-
zungstruppen machte das in der Direktive JCS 1067 sehr
deutlich: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zweck der
Befreiung, sondern als eine besiegte Feindnation .“ Und
für Stalin waren Macht und Gewaltherrschaft über weite
Teile Europas das erklärte Ziel . Victor Gollancz, engli-
scher Verleger und Humanist – 1960 Träger des Frie-
denspreises des Deutschen Buchhandels –, konstatierte:
„Die Deutschen wurden vertrieben, aber nicht einfach
mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme,
sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität .“
Für die Vertriebenen, die Deportierten, Vergewaltigten
jener Jahre klingt die sehr schlichte und immer wieder –
und von Jahr zu Jahr immer lauter – zu hörende Verein-
fachung des 8 . Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ wie ein
Hohn auf ihr Schicksal .
Mir ist es daher unmöglich, dem Antrag zuzustimmen,
wonach der 8 . Mai als „Tag der Befreiung“ zum Gedenk-
tag erhoben werden soll .
Anlage 13
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung
eines Transplantationsregisters (Tagesordnungs-
punkt 18)
Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Was seit den
60er-Jahren des letzten Jahrhunderts Realität geworden
ist, hat die Menschheit seit der Antike fasziniert: der Aus-
tausch von Organen, das Ersetzen eines eigenen versa-
genden Organs durch ein fremdes funktionierendes . In
Dokumenten aus dem 3 . Jahrhundert vor Christus wird
der Austausch von Herzen durch den chinesischen Arzt
Pien Ch’iao beschrieben . Über die Jahrhunderte hat das
Thema die Menschen weiter beschäftigt . In der Renais-
sance erkannte Gaspare Tagliacozzi den singulären Cha-
rakter des Individuums und dass dieser Transplantatio-
nen an einer anderen Person unmöglich macht .
Erst zu Beginn des 20 . Jahrhunderts hatte sich das
medizinische Wissen so weit entwickelt, dass wesentli-
che Voraussetzungen für erfolgreiche Transplantationen
gegeben waren . Es folgte 1954 die erste Nierentrans-
plantation zwischen eineiigen Zwillingen, 1963 die erste
erfolgreiche Spende zwischen Mutter und Tochter . Seit-
dem wurden in Deutschland mehr als 83 000 Organe
transplantiert . Eurotransplant, mit dem wir noch heute
arbeiten, wurde 1967 gegründet und umfasst heute acht
Länder mit 135 Millionen Menschen .
Wir haben nun seit einem halben Jahrhundert das Pri-
vileg, die Transplantationsmedizin nutzen zu können .
Aber wir schöpfen dieses lebensspendende Potenzial
noch nicht genug aus . Eurotransplant vermittelte 1968 –
ein Jahr nach seiner Gründung – bereits 60 Nieren . 2015
wurden in Deutschland insgesamt 827 Organe transplan-
tiert bei über 10 000 Menschen, die auf ein Spenderor-
gan warten . Man spricht weltweit von einem Potenzial
von 40 Spendern pro 1 Million Menschen . Das wären
3 200 Spender bei einer Bevölkerung von 80 Millionen
in Deutschland . Obwohl wir 2013 eine generelle Spen-
denbereitschaft von 68 Prozent in Deutschland hatten,
sind die Bedeutung der Organspende und die Verantwor-
tung jedes Einzelnen, sich damit auseinanderzusetzen,
noch nicht angekommen . Skandale um Spenderlisten
haben zudem das Image der Organspende in Deutsch-
land beschädigt . Es ist nun an uns, die Organspende zu
reformieren, transparenter zu gestalten, die Transplanta-
tionsmedizin damit weiter zu verbessern, die Patientensi-
cherheit zu erhöhen und damit auch das Vertrauen in die
Transplantationsmedizin zu stärken .
Betrachten wir die Lage in den USA: Dort sind
45 Prozent registrierte Spender . In Deutschland besitzen
nur 28 Prozent einen Organspendeausweis . Zu der Zeit,
als Deutschland 1997, nach fast 20 Jahren Uneinigkeit,
erst das Transplantationsgesetz verabschiedete, gab es in
den USA bereits Großkampagnen, um die Bevölkerung
für das Thema zu sensibilisieren .
2007 veröffentlichte der Ethikrat eine Stellungnahme
mit dem klaren Ziel, die Organspenden in Deutschland
zu erhöhen . Mit der Reform der Organspende 2012 wur-
de eine regelmäßige Befragung aller Krankenversicher-
ten ab dem 16 . Lebensjahr festgesetzt . Der gewünschte
Erfolg setzte nicht ein .
Das Transplantationsregistergesetz gibt uns jetzt
erneut die Chance, dies zu ändern und das Thema Or-
ganspende in die Öffentlichkeit zu bekommen . Das
Transplantationsregister schafft eine verlässliche Daten-
grundlage . Die erhobenen Daten von der Organentnahme
bis hin zur Nachbetreuung des Transplantierten werden
darin gebündelt . Langfristig sollen damit die Wartelis-
tenkriterien sowie die Verteilung der Spenderorgane
weiterentwickelt werden . Die Nutzung der Daten soll zu
wissenschaftlichen Forschungszwecken im Bereich der
Transplantationsmedizin beantragt werden können .
Lassen Sie uns die Debatte um das neue Transplan-
tationsregistergesetz nutzen, das Thema wieder brei-
ter in die Öffentlichkeit zu bringen . Ein Blick über den
Atlantik zur Inspiration kann dabei auch nicht schaden .
Forscher der Johns-Hopkins-Universität, die an einer
Social-Media-Aktion in den USA 2012 beteiligt waren,
zeigten sich begeistert von der Steigerung der Spender-
zahlen . Bei der Facebook-Aktion ließen sich am ersten
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616536
(A) (C)
(B) (D)
Tag des Experiments mehr als 13 000 US-Bürger online
als Organspender registrieren, und dies lediglich durch
die Möglichkeit, seinen Spenderstatus mit seinen Freun-
den zu teilen und wegen der Verlinkung mit offiziellen
Registrierungsstellen .
Es ist deshalb unsere Aufgabe, das Vertrauen in einen
fairen Organspendeprozess zu steigern; denn die Men-
schen möchten helfen, wenn sie Vertrauen und die Gele-
genheit dazu haben .
Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Wir alle haben die
Schlagzeilen rund um die Manipulationen in verschiede-
nen deutschen Kliniken noch gut in Erinnerung . Damit
verbunden war eine erhebliche Schwächung der Organ-
spende insgesamt . Nicht zuletzt aufgrund der Skandale
wurde über das Thema häufig aus einem negativen Blick-
winkel berichtet . Dies verstellt den Blick darauf, dass
sich bei der Organspende in Deutschland einiges tut . Ein
zentrales Element ist hierbei die Schaffung eines nationa-
len Transplantationsregisters .
Worum geht es uns bei diesem Register? Die Organ-
spende in unserem Land wird von verschiedenen Institu-
tionen im Transplantationswesen wie zum Beispiel der
Deutschen Stiftung Organtransplantation, Eurotransplant
und den Transplantationszentren organisiert . Damit ver-
bunden ist eine dezentrale Erhebung transplantationsme-
dizinischer Daten . Diese Daten werden in verschiedenen
Institutionen und nach unterschiedlichen Vorgaben erho-
ben, ohne dass eine Verknüpfung stattfindet.
Aus dieser fehlenden Verknüpfung ergibt sich eine äu-
ßerst nachteilige Folge: Im Gegensatz zu vielen anderen
Ländern fehlt bei uns in Deutschland eine umfassende
medizinische Datenbasis, die die Folgen von Transplan-
tationen dokumentiert und entsprechende Schlussfol-
gerungen zulässt . Mit der Schaffung eines Transplanta-
tionsregisters wird sich dies grundlegend ändern; denn
mit dem Register schaffen wir eine verlässliche Daten-
grundlage, die alle Daten von der Organentnahme bis hin
zur Nachbetreuung bündelt . Dadurch erreichen wir eine
höhere Transparenz . Vor allen Dingen aber können wir
Wissenslücken über den Erfolg der Transplantationstä-
tigkeit schließen . Beispielsweise lassen sich durch das
Register Daten zur Qualität der Organe mit Daten zur
Überlebenszeit von Organen und Organempfängern zu-
sammenführen .
Mehr Evidenz auf diesem Feld kann schlussendlich
dazu beitragen, die Wartelistenkriterien sowie die Ver-
teilung der Spenderorgane weiterzuentwickeln; denn wir
können wichtige Informationen gewinnen, zu welchem
Organempfänger ein Spenderorgan voraussichtlich am
besten passt . Auch für die Transplantationszentren mit
ihrer so wichtigen Arbeit lassen sich neue, gewinnbrin-
gende Informationen gewinnen .
Erfahrungen aus anderen Ländern wie etwa den USA
zeigen uns, dass ein Transplantationsregister eine essen-
zielle Grundlage für weitere Schritte hin zu einem besse-
ren Transplantationswesen ist . Ich freue mich daher, dass
wir mit der heutigen Einbringung des Gesetzentwurfs
diesen wichtigen Schritt gehen können . Ein besonderer
Dank sei an dieser Stelle der Bundesregierung und Mi-
nister Hermann Gröhe im Speziellen für die gute Vorlage
gesagt .
In Zukunft wird es nicht mehr nötig sein, auf auslän-
dische Werte zurückgreifen zu müssen; denn diese las-
sen sich aus verschiedenen Gründen nicht einfach auf
Deutschland übertragen . Etwa die Qualität transplantier-
ter Organe ist bei uns wegen des vergleichsweise hohen
Alters der Spender ganz anders als in vielen anderen
Ländern . Wir dürfen bei der Organtransplantationswis-
senschaft nicht haltmachen, sondern müssen in der For-
schung zielgerichtet fortschreiten . Dies haben einige
Organtransplantationsmediziner noch einmal deutlich
gemacht .
Einen wichtigen Stellenwert nimmt in dem Gesetzent-
wurf der Datenschutz ein . Dem Recht auf informationel-
le Selbstbestimmung und dem Schutz von Patientendaten
kommt in dem Entwurf eine hohe Bedeutung zu . Die ge-
samte Struktur des Registers mit den zu schaffenden In-
stitutionen ist darauf ausgerichtet, ein hohes Maß an Da-
tenschutz zu gewährleisten . Hinzu kommt: Die Daten der
Organempfänger und der lebenden Organspender werden
nur mit ausdrücklicher Einwilligung an das Transplanta-
tionsregister übermittelt . In den ersten Stellungnahmen
habe ich hierzu unterschiedliche Auffassungen gelesen .
Insbesondere vonseiten des GKV-Spitzenverbandes wird
eine Informationspflicht statt einer Einwilligungslösung
gefordert . Viele der Argumente sind in der Tat nachvoll-
ziehbar . Die Frage der rechtlichen Machbarkeit müsste
hierzu aber aus meiner Sicht noch einmal gründlich ge-
prüft werden .
Auch die Frage der Überführung bereits bestehender
Daten in das Register ist sehr relevant, und wir sollten sie
diskutieren . Letztendlich geht es hier um Abwägungsent-
scheidungen, die nicht leicht sind . Ich denke aber, dass
wir unter anderem in der anstehenden Anhörung die Ge-
legenheit haben werden, diese Fragen noch einmal ge-
nauer zu beleuchten . Der eine oder andere Gedanke sollte
deshalb in den anstehenden Beratungen noch einmal auf-
gegriffen werden .
Unabhängig davon ist es sehr erfreulich, dass der Ge-
setzentwurf in der Fachwelt auf ein sehr positives Echo
gestoßen ist . Dies ist besonders wichtig in einem dezen-
tralen System wie der Organspende; denn nur wenn alle
Beteiligten entschlossen sind, das Register am Ende auch
konsequent anzunehmen, kann ein entsprechender Mehr-
wert daraus gezogen und kann die Organspende gestärkt
werden .
Ganz wichtig aber ist: Beim Thema Organspende
geht es immer auch um Vertrauen . Bei allen verfügbaren
technischen Strukturen erreichen wir ohne das Vertrauen
der Menschen in die Organspende nichts . Ein Transplan-
tationsregister hat daher auch seinen ganz spezifischen
Mehrwert in der Schaffung von besseren Strukturen;
denn gerade gute Strukturen schaffen Vertrauen . Dieses
Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass
auch in Zukunft Menschen die berechtigte Hoffnung auf
eine lebensrettende und lebenserhaltende Transplantation
haben können . Es liegt daher an uns, mit der Schaffung
eines Registers den Grundstein für weitere Verbesserun-
gen zu legen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16537
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Sabine Dittmar (SPD): Lassen Sie mich eines deut-
lich sagen: Ich bin sehr dankbar, dass wir heute nach jah-
relanger Diskussion über die Errichtung eines Transplan-
tationsregisters in die erste Lesung gehen . Ich bin davon
überzeugt, dass dies ein wichtiger weiterer Baustein ist,
um Vertrauen in Organspende und Transplantationsmedi-
zin zurückzugewinnen .
Dass dies bitter notwendig ist, zeigen die uns allen
bekannten Zahlen in aller Dramatik: Über 10 000 Pati-
entinnen und Patienten warten in Deutschland auf ein le-
bensrettendes Organ, täglich versterben drei Menschen,
weil sie dieses nicht erhalten, und die Zahl der Organ-
spender stagniert nach den Transplantationsskandalen
in deutschen Krankenhäusern ausgehend von einem oh-
nehin niedrigen Level auf einem erschütternd niedrigen
Niveau . Das muss sich ändern!
Das Transplantationsregister wird erstmals die Da-
ten von verstorbenen Organspendern, Organempfän-
gern und Lebendspendern zentral zusammenführen und
miteinander verknüpfen . Dies geschieht natürlich unter
Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbst-
bestimmung und des Schutzes der hochsensiblen Patien-
tendaten . Dadurch bekommen wir erstmals eine verläss-
liche Datengrundlage von der Organentnahme bis hin zur
Nachsorge nach einer Transplantation .
Eine einheitliche, strukturierte Datenerfassung und
ihre Auswertung sind unerlässlich für die Verbesserung
der Prozessstrukturen und der Patientensicherheit . Au-
ßerdem sind dies wichtige Parameter für die Qualitäts-
sicherung der Transplantation und die bessere Vergleich-
barkeit der Ergebnisse in den einzelnen Zentren . Die
gewonnenen Daten werden vor allem die Debatte über
die Weiterentwicklung der Allokationskriterien für die
Aufnahme auf die Warteliste auf eine valide, evidenzba-
sierte, transparente Datenbasis stellen .
Nach den Transplantationsskandalen in deutschen
Kliniken fielen das Vertrauen und damit die Bereitschaft
zur Organspende auf ein Rekordtief . Einiges wurde zwi-
schenzeitlich unternommen, um Vertrauen zurückzuge-
winnen: So gibt es heute bereits interdisziplinäre Trans-
plantationskonferenzen und das Vieraugenprinzip bei der
Bewertung von Allokationskriterien . Die medizinischen
Daten werden nun auf ihre Plausibilität hin überprüft,
wodurch gezielte Manipulationen, die zu einer Bevorzu-
gung bei der Vergabe führen, erschwert und hoffentlich
verhindert werden . Und die Manipulation von Wartelis-
ten ist endlich ein Straftatbestand! Damit ist die Arbeit
nicht getan . Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist ein
weiterer Baustein, um Vertrauen zurückzugewinnen, und
trotzdem liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns .
Abschließen möchte ich mit einer eindringlichen Bit-
te: Wir alle müssen uns privat und ganz persönlich mit
dem Thema Organspende auseinandersetzen . Ein jeder
von uns kann schließlich jederzeit in die Situation kom-
men, selbst oder im familiären Umfeld eine überlebens-
notwendige Transplantation zu benötigen .
Ich appelliere daher an jeden Einzelnen, einen Organ-
spendeausweis auszufüllen . Egal ob man sich für oder
gegen eine Organspende entscheidet, der Organspen-
deausweis ist wichtig, um Angehörigen in einer emoti-
onal sehr schwierigen Phase die Entscheidung abzuneh-
men, ob eine Spende erfolgen soll oder nicht .
Ich hoffe, dass mit dem Transplantationsregister die
öffentliche Auseinandersetzung mit der Organspende
intensiviert wird und der Organspendeausweis in naher
Zukunft zum Standardinventar einer jeden Handtasche
oder eines jeden Geldbeutels gehört .
Hilde Mattheis (SPD): Wieder einmal zeigt sich,
dass es richtig war, viele zum Teil detaillierte Regelun-
gen bei den Verhandlungen in den Koalitionsvertrag mit
aufgenommen zu haben . Wenn Sie den Koalitionsvertrag
lesen, sehen Sie, dass wir das Transplantationsregister
schon dort vereinbart hatten . Ich bin sehr froh, dass wir
mit dem vorliegenden Gesetz nun auch hinter diesem
Punkt einen Haken machen können .
Organspende ist ein hochemotionales Thema; denn es
geht dabei nicht nur um medizinische, sondern auch um
ethische Fragen . Für die Betroffenen ist eine Organspen-
de oftmals lebensrettend .
Ich glaube, alle hier im Hause sind sich darin einig,
dass wir die Transplantationsmedizin auf dem höchsten
Standard, mit den bestmöglichen Sicherheitsvorkehrun-
gen gegen einen möglichen Missbrauch erhalten wollen .
Dies erwarten von uns zu Recht die Betroffenen, die auf
ein Spenderorgan warten, die Ärzte und das Kranken-
hauspersonal und natürlich die potenziellen Spenderin-
nen und Spender und ihre Angehörigen .
Das zu schaffende Transplantationsregister ist ein
Schritt, um mehr Transparenz und eine bessere Koor-
dinierung innerhalb des gesamten Bundesgebietes zu
schaffen und so die Zusammenarbeit zwischen Ärzten,
Krankenhäusern und Behörden zu verbessern . Mit dem
nun vorliegenden Gesetzentwurf sollen erstmals die Da-
ten von verstorbenen Organspendern, Organempfängern
und Lebendspendern miteinander verknüpft und zentral
zusammengefasst werden .
Warum ist das so wichtig? Bisher ist es in Deutsch-
land so, dass die Ärzte und die Einrichtungen, die mit der
Versorgung und Nachsorge beauftragt sind, die Deutsche
Stiftung Organtransplantation als Koordinierungsstelle,
der Gemeinsame Bundesausschuss und die Transplan-
tationszentren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten unter-
schiedliche Daten erheben und erfassen . Das sind Daten
zum Organspender und -empfänger, zum Spendeorgan,
zum Vermittlungsverfahren etc . All diese Daten werden
dezentral aufgenommen .
Dieses Verfahren bewerten wir als wenig effizient
und fehleranfällig; denn natürlich kann es bei dem oft-
mals sehr zeitintensiven Prozess einer Organspende zu
menschlichen Fehlern kommen . Das geplante Trans-
plantationsregister soll nun alle transplantationsmedizi-
nischen Daten bundesweit zusammenführen . Dazu wird
ein bundesweit einheitlicher Datensatz vereinbart, der in
Zukunft zwischen den Betroffenen übertragen wird .
Wir erwarten uns davon eine deutlich geringere Feh-
lerquote und eine verbesserte Dokumentation der Organ-
spende in Deutschland . Zudem werden den betroffenen
Stellen bessere und schneller verfügbare Informationen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616538
(A) (C)
(B) (D)
über Wartelisten vorliegen, sodass die Hoffnung besteht,
den Betroffenen schneller und unkomplizierter helfen
zu können . Zudem erfüllt ein solches zentrales Register
einen höheren Anspruch an Transparenz, der dringend
notwendig ist, um das Vertrauen in die Transplantations-
medizin wieder zu stärken .
Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass ein solcher
zentral gesammelter Datensatz mit hochsensiblen Da-
ten auch eine besondere Verantwortung hinsichtlich des
Datenschutzes nach sich zieht . Das erreichen wir einer-
seits mit der Errichtung von zwei zentralen Stellen: einer
Transplantationsregisterstelle und einer Vertrauensstelle .
Die Transplantationsregisterstelle ist, wie der Name sagt,
der Ort, an dem die Daten zusammenlaufen, das heißt,
sie werden dort erhoben, gespeichert, überprüft und wei-
tergeleitet . Bevor die Daten die Stelle erreichen, werden
sie aber von der Vertrauensstelle pseudonymisiert, sodass
der Datenschutz innerhalb der Transplantationsregister-
stelle gewahrt bleibt .
Das gesamte Register und beide Stellen stehen zudem
unter Aufsicht der oder des Bundesbeauftragen für Da-
tenschutz . Diese ist zunächst in den Aufbau des Registers
und der zuständigen Stellen einzubinden, und ihr obliegt
danach die ständige Kontrolle der Einrichtungen . Ich bin
davon überzeugt, dass diese Kontrollmöglichkeit einen
verantwortungsvollen Umgang mit den Daten gewähr-
leisten wird .
Mehr als 10 000 Menschen warten derzeit in Deutsch-
land auf ein Spenderorgan . Für sie entscheidet die Frage,
ob sie ein Organ erhalten, über Leben und Tod . Dabei
reicht die Zahl der gespendeten Organe bisher nicht aus,
um allen Betroffenen zu helfen . Es ist daher unsere Auf-
gabe, in diesem schweren Lebensabschnitt den vielen
Menschen eine schnelle und vor allem sichere Hilfe zu
bieten . Wir wollen die Transplantationsmedizin so sicher
wie nur möglich ausgestalten . Ich glaube, dieses Gesetz
wird dazu beitragen . Daher werbe ich um Ihre Zustim-
mung .
Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ein Transplantations-
register ist aus Sicht der Linken überfällig . Bereits am
31 . Januar 2013 hat die Linke dies in einem Antrag im
Bundestag gefordert . Erinnern wir uns: Vor vier Jahren
wurden zahlreiche Manipulationen und Missstände bei
Organtransplantationen öffentlich . Das Vertrauen in das
gesamte Transplantationswesen war zutiefst erschüttert .
Wir messen den Gesetzentwurf, den die Bundesregie-
rung uns hier heute vorlegt, an klaren Zielen . Ist er geeig-
net, mehr Transparenz und Qualität zu schaffen? Wird er
dazu beitragen, dass Menschen, die auf eine Organtrans-
plantation warten, künftig besser versorgt werden? Wer-
den wir künftig bessere Daten über die Folgewirkungen
von Transplantationen haben, um die Versorgung weiter
verbessern zu können? Können wir mit diesem Gesetz
künftig auch mögliches Fehlverhalten in der Transplanta-
tionsmedizin besser aufklären und bekämpfen?
Gemeinsam haben alle Fraktionen am 11 . Juni 2013
einen Antrag beschlossen, in dem von der Bundesregie-
rung gefordert wurde, zügig einen Gesetzentwurf für ein
solches Transplantationsregister vorzulegen . Damit woll-
ten wir auch verloren gegangenes Vertrauen zurückge-
winnen . Das ist dringend nötig; denn weiterhin sind bei
Eurotransplant 15 000 Menschen auf der Warteliste für
eine Organtransplantation registriert . Jahr für Jahr warten
und hoffen viele vergeblich .
Nun sind drei Jahre eine ziemlich weite Auslegung des
Begriffs „zügig“, und der Entwurf der Bundesregierung
erfüllt leider dennoch nicht an allen Stellen die hohen Er-
wartungen an dieses Vorhaben . So bin ich skeptisch, ob
genau diejenigen Organisationen mit der Einrichtung und
dem Betrieb eines Transplantationsregisters beauftragt
werden sollen, die schon beim damaligen Skandal einen
Gutteil des Vertrauens in der Bevölkerung verspielt ha-
ben, nämlich Bundesärztekammer, Krankenhausgesell-
schaft und Krankenkassen . Dieselben sollen dann auch
die Tätigkeit überwachen und Berichte abgeben – ein
ziemlich problematisches Konstrukt .
Auch die sogenannte Vertrauensstelle, die für den
Datenschutz verantwortlich sein soll, will die Bundes-
regierung wiederum von Bundesärztekammer, Kranken-
hausgesellschaft und Krankenkassen einsetzen lassen .
Das Bundesministerium für Gesundheit kann zwar die
Genehmigung verweigern, wenn die Verträge nicht dem
Wortlaut des Gesetzes entsprechen, aber eine inhaltliche
Kontrolle durch eine demokratische Instanz soll nicht
stattfinden. Das finden wir falsch.
Bei der Datenübermittlung durch die Transplantati-
onsregisterstelle soll nur ein ganz kleiner innerer Kreis
Einsicht erhalten . Patientenorganisationen, Menschen
auf den Wartelisten, aber auch diejenigen, die mit Dia-
lyse oder Leberersatztherapie leben müssen, oder deren
betreuende Ärztinnen und Ärzte bleiben außen vor . Ein
öffentliches Register stellen wir uns ehrlich gesagt an-
ders vor .
Insgesamt erscheint es uns sinnvoll, nicht nur trans-
plantierte Patientinnen und Patienten in das Register auf-
zunehmen, sondern auch solche, die in absehbarer Zeit
auf die Warteliste kommen könnten; denn nur so erhal-
ten wir Daten, die auch Informationen über den Zugang
zur Transplantationsmedizin liefern, und Hinweise auf
mögliche Probleme beim Übergang von der Dialyse zur
Transplantation .
Ich hoffe, dass wir hier in den Beratungen noch zu
besseren Lösungen kommen, die Transparenz und öffent-
liche Kontrolle herstellen, den Datenschutz sichern und
die geeignet sind, das Vertrauen in der Bevölkerung wie-
derherzustellen . Dafür setzt sich die Linke ein .
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir
haben in der letzten Wahlperiode viel darüber debattiert,
welche Schlüsse aus den Skandalen in der Transplantati-
onsmedizin zu ziehen sind . Dabei hatten wir stellenweise
sehr unterschiedliche Vorstellungen . Einig waren sich
alle damals im Bundestag vertretenen Fraktionen aber in
einem Punkt: Wir brauchen ein Transplantationsregister .
Wir brauchen es, um Qualität, Evidenz und Kontrolle der
Transplantationsmedizin zu verbessern .
Die Bundesregierung hat sich mit der Umsetzung die-
ser Forderung reichlich Zeit gelassen, fast drei Jahre . Das
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16539
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kann sinnvoll sein, wenn denn ein entsprechend gutes
Gesetz dabei herauskommt . Im vorliegenden Fall ist das
Ergebnis allerdings dürftig . Die Bundesregierung scheut
mit ihrem Gesetzentwurf wieder einmal davor zurück,
wichtige Entscheidungen selbst zu treffen . Sie überlässt
die Ausgestaltung des Registers den Interessenvertretern
der Selbstverwaltung . Sie mag nicht einmal selbst ent-
scheiden, wo das Transplantationsregister angesiedelt
werden soll . Auch den Datenschutz überlässt sie weitge-
hend der Selbstverwaltung; nicht einmal eine BSI-Zerti-
fizierung der verwendeten Netze und Anwendungen ist
vorgeschrieben .
Bei der Finanzierung entzieht sich die Bundesregie-
rung ebenfalls ihrer Verantwortung . Nach dem vorlie-
genden Entwurf sollen die Kosten für das Transplanta-
tionsregister von der gesetzlichen Krankenversicherung
getragen werden . Die private Krankenversicherung wird
von der Bundesregierung geschont: Ihre finanzielle Be-
teiligung bleibt komplett freiwillig . Eigentlich gibt die
PKV ja immer an, sie würde das gesetzliche System
querfinanzieren. Hier ist es aber umgekehrt: Nach der
von der Bundesregierung geplanten Regelung muss im
Zweifelsfall die gesetzliche Krankenversicherung auch
die Kosten für die Datenübermittlung von Privatversi-
cherten übernehmen. Selbst wenn sich die PKV finanziell
nicht beteiligt, erhält die PKV das volle Mitspracherecht
bei der Ausgestaltung des Registers . Das ist anders als
bei den Klinischen Krebsregistern, die nach dem Grund-
satz „quid pro quo“ funktionieren . Wir Grünen haben die
Bundesregierung gefragt, warum sie das beim Transplan-
tationsregister nicht genauso hält . Eine einleuchtende
Antwort konnte sie uns nicht geben .
Warum aber die Bundesregierung die Krankenkassen
von Lebendspendern bei der Finanzierung mit in die Ver-
antwortung nehmen will, leuchtet überhaupt nicht ein . In
den letzten Jahren haben wir viele Gesetzesänderungen
beschlossen, durch die Lebendspender von den finanziel-
len Nachteilen, die sie durch ihr selbstloses Handeln er-
leiden, möglichst freigestellt werden . Ihr Vorschlag zeigt
nun in die entgegengesetzte Richtung .
Auch Ihre Vorschläge zur Forschung sollten Sie noch
einmal überarbeiten: Paragraf 15 g Ihres Entwurfs regelt
die Herausgabe von pseudonymisierten Daten für For-
schungszwecke . Sie wollen, dass über die Herausgabe
dieser Daten – und damit letztendlich über Hopp oder
Top eines bestimmten Forschungsvorhabens – nicht
etwa eine neutrale Instanz entscheidet . Nein, dies soll
der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversiche-
rung tun, gemeinsam mit der Deutschen Krankenhaus-
gesellschaft und der Bundesärztekammer . Dass diese
Akteure bei einzelnen Vorhaben durchaus befangen sein
könnten, wird geflissentlich übersehen. Und warum bei
solchen Entscheidungen wieder einmal die private Kran-
kenversicherung einbezogen werden soll, nicht aber der
Bundesdatenschutzbeauftragte, ist mir schleierhaft . Als
Hüter von Patienteninteressen sind die vorgenannten In-
stitutionen in der Vergangenheit jedenfalls nicht gerade
aufgefallen . Warum kann das Register nicht selbst über
die Herausgabe entscheiden, wie das noch in Ihrem Refe-
rentenentwurf vorgesehen war? Oder warum übertragen
Sie es nicht auf eine neutrale Instanz?
Sie haben in dem nun vor uns liegenden Gesetzge-
bungsverfahren noch gute Gelegenheit, alle diese Fehler
zu korrigieren . Ich kann Ihnen nur empfehlen: Nutzen
Sie diese Möglichkeit in konstruktiver parlamentarischer
Arbeit .
Anlage 14
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenk-
tag werden (Tagesordnungspunkt 17)
Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Das Thema
„8 . Mai als nationaler Gedenktag – ‚Tag der Befreiung‘“
hat eine starke erinnerungspolitische Komponente . Ich
bin deshalb sehr froh, dass ich als ein Erinnerungspo-
litiker unserer Fraktion heute diese Rede übernehmen
konnte . Dies ist der dritte Anlauf der Linkspartei in dieser
Sache, und ich sage es gleich zu Anfang ganz deutlich:
Dieser erneute Vorstoß ist für mich Politik von vorges-
tern .
Zum Inhalt Ihres Antragsaufgusses Numero drei: Ich
habe mir die letzten beiden Bundestagsdebatten noch
einmal angeschaut und fand insbesondere die Rede
des Berliner Altkollegen von Bündnis 90/Die Grünen
Wolfgang Wieland sehr bemerkenswert . Ich zitiere Kol-
legen Wieland aus der Debatte vom April 2013 zum
inhaltlich identischen Antrag der Linksfraktion aus der
17 . Wahlperiode: „Dieser Antrag, in all seiner Kürze, ist
ein ganz klassisches Produkt aus der Geschichtswerkstatt
der Linkspartei: formal ziemlich unsinnig, geschichts-
politisch einseitig und in der Botschaft deswegen höchst
fragwürdig“ . – Wolfgang Wieland .
Nur als kleines Bonbon: Nicht einmal die harte, aber
konstruktive formale Kritik an dem Antrag hat die Links-
fraktion im dritten Anlauf berücksichtigt . Der Bundes-
präsident proklamiert einen nationalen Gedenktag ganz
ohne Gesetz . Es ist also ziemlich hanebüchen, dass die
Linkspartei die Exekutive auffordert, der Legislative,
also uns, dem Deutschen Bundestag, einen Gesetzent-
wurf für einen weiteren nationalen Gedenktag vorzule-
gen .
Aber das Formale beiseite: „geschichtspolitisch ein-
seitig und deshalb in seiner Botschaft höchst fragwür-
dig“, formulierte Wolfgang Wieland . Er traf damit den
Nagel auf den Kopf . Der 8 . Mai markiert den endgültigen
Untergang Hitlerdeutschlands und damit auch das Ende
des Holocaust und das Kriegsende in Europa . Der Zweite
Weltkrieg war damit übrigens noch lange nicht vorbei .
Er wird in Russland und den Nachfolgestaaten der Sow-
jetunion am 9 . Mai als Tag des Sieges begangen, und die
USA erinnern an ihn als VE, als Victory in Europe Day .
Aber für Deutschland und die Deutschen hat den zen-
tralen Punkt Bundespräsident Richard von Weizsäcker in
seiner historischen Rede 1985 formuliert: die Befreiung
der Deutschen – Weizäcker sagte ‚uns‘ – von dem „men-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616540
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schenverachtenden System der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft“ . Genau an diese verschiedenen Di-
mensionen erinnern wir am 8 . Mai im Deutschen Bun-
destag und anderen Stellen regelmäßig .
Dies reicht der Linkspartei aber nicht . Sie fordert einen
weiteren nationalen Gedenktag und verkürzt diesen un-
zulässig zum „Tag der Befreiung“ . In der Weizsäcker-Re-
de waren es aber zwei integral miteinander verknüpfte
Punkte: Befreiung vom „menschenverachtenden System
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ . Also nicht
etwa einfach nur „Befreiung“ und nicht etwa vom „Fa-
schismus“, von dem Linkspartei-Geschichtsinterpreten
immer ausschließlich reden, weil sie beschlossen haben,
das Wort „Nationalsozialismus“ zu tabuisieren . Aber das
war es nun einmal: „nationalsozialistische Gewaltherr-
schaft“ . Die Befreiung war für die Deutschen die Be-
freiung vom Führerprinzip, vom Herrenrassedenken,
vom Glauben an den Endsieg, von Kraft-durch-Freude-
Kindheit und Erwachsenwerden in der Hitlerjugend, von
Krieg und Treue bis in den Tod .
Damit kommen wir zum Kern des Problems: Wir ha-
ben einen nationalen und internationalen Gedenktag für
die Opfer des Nationalsozialismus, der von Deutschland
aus Europa terrorisierte: der 27 . Januar, der Tag der Be-
freiung des Vernichtungslagers Auschwitz .
Der 8 . Mai ist der Tag der Befreiung der Deutschen
von der selbst installierten nationalsozialistischen Ge-
waltherrschaft . Aber der 8 . Mai ist kein Tag der Freiheit,
nicht für den einen Teil Deutschlands und erst recht nicht
für Osteuropa . Richard von Weizsäcker hat diesen Punkt
übrigens auch erwähnt . Diesen Widerspruch kann man
auch nicht einfach auflösen, insbesondere nicht als Deut-
scher .
Schauen wir dafür auf die Wirkungen des 8 . Mai für
Osteuropa und Ostdeutschland . In Osteuropa – reden Sie
einmal mit den Balten oder den Polen – startet mit der
Vertreibung der Nazis durch die Rote Armee die nächste
Besatzungszeit, eine Zeit der Unfreiheit, der Repression
und, insbesondere in den späten Stalinjahren, also den
Jahren unmittelbar nach Kriegsende, auch des blanken
Terrors . Dies gilt natürlich auch für den Osten Deutsch-
lands, wo die Etablierung der SED-Herrschaft, manda-
tiert von der Sowjetunion, unmittelbar nach der Befrei-
ung vom nationalsozialistischen Gewaltregime begann .
Das wirklich Problematische an diesem Antrag und
an dieser von der Linkspartei so starr verfolgten Erin-
nerungssicht ist der missbräuchliche Einsatz von Ge-
schichtsbildern; denn der staatlich verordnete, gelenkte
und dosierte Antifaschismus in der DDR war die wichtig-
ste ideologische Rechtfertigung der DDR-Diktatur und
der Herrschaft der SED . Ich will daran erinnern, gegen
wen sich die staatliche Repression in der DDR unter an-
derem gerichtet hat: zum Beispiel gegen Sozialdemokra-
ten, die sich gegen die Zwangsvereinigung mit der KPD
gewehrt haben, gegen die jungen Gemeinden Anfang der
50er-Jahre, damit der evangelischen Kirche der Zugang
zum Nachwuchs genommen wird . Es gab Säuberungen
in der als demokratisches Feigenblatt gegründeten CDU,
massive Enteignungskampagnen gegen mittelständische
Familienbetriebe, zum Beispiel die Aktion Rose im Ost-
seebereich, usw . – alles immer auch mit der Keule des
Antifaschismus, mit der moralischen Erpressung, dass
eine unbedingte Gefolgschaft für den selbsternannten
antifaschistischen Friedensstaat moralisch und politisch
zwingend ist . Dabei ging es im Kern schlicht und ergrei-
fend um den Machterhalt der SED-Führungsclique und
den Bestand des Herrschaftsbereichs der Sowjetunion .
Dann listen Sie stolz auf, dass es jetzt den „Tag der
Befreiung“ in Mecklenburg-Vorpommern und jüngst
auch in Brandenburg und Thüringen gibt . Dabei haben
Sie schlicht Ihre Machtposition bei der Bildung der je-
weiligen Landesregierungen genutzt, um dieses für Sie
so wichtige Symbol durchzusetzen . Eigentlich ein nor-
maler demokratischer Vorgang, aber es bringt die drei
Länder in eine Sonderposition . Jetzt wird also in bester
DDR-Tradition in Brandenburg, Thüringen und Meck-
lenburg-Vorpommern ein „Tag der Befreiung“ als Ge-
denktag des jeweiligen Bundeslandes begangen . Zumin-
dest ich finde dies relativ merkwürdig.
Aber vielleicht können wir hier doch etwas von den
Machtingenieuren der SED lernen . Ich bin mir nicht ganz
sicher, was der genaue Grund war . Vermutlich waren es
primär ökonomische Erwägungen, aber sicherlich nicht
nur, aber die DDR hat 1966 den „Tag der Befreiung“ als
Nationalfeiertag, also als arbeitsfreien Tag, abgeschafft
und damit in seiner Bedeutung gewaltig relativiert .
Und dies ist auch mein Petitum: Der 8 . Mai ist auf-
grund seiner vielschichtigen Bedeutung nicht geeignet,
ein nationaler Gedenktag zu werden . Auch die entspre-
chenden Landesgedenktage in Thüringen, Mecklen-
burg-Vorpommern und Brandenburg sollten bei passen-
der Gelegenheit noch einmal überdacht werden .
Gabriele Fograscher (SPD): Alle Jahre wieder stellt
die Fraktion Die Linke den Antrag, in dem sie die Bun-
desregierung auffordert, einen Gesetzentwurf vorzule-
gen, um den 8 . Mai als Tag der Befreiung zum gesetzli-
chen Gedenktag zu erklären .
Richard von Weizsäcker hat 1985 zum 40 . Jahrestag
des Kriegsendes diesen Begriff geprägt: „Der 8 . Mai war
ein Tag der Befreiung . Er hat uns alle befreit von dem
menschenverachtenden System der nationalsozialisti-
schen Gewaltherrschaft .“ Doch leider führte das Ende
des Zweiten Weltkrieges auch dazu, dass Deutschland
geteilt wurde . Diese Trennung haben wir mit der Wie-
dervereinigung überwunden . Der 8 . Mai ist auch der Tag,
an dem der Parlamentarische Rat unsere demokratische
Verfassung verabschiedet hat . Der 8 . Mai ist zweifellos
ein wichtiges historisches Datum .
Jedes Mal, wenn die Linksfraktion diesen Antrag
vorlegt, frage ich mich, was uns ein einzelner Gedenk-
tag bringen soll . Sollen wir nur an diesem einen Tag der
Befreiung gedenken, nur an diesem einen Tag über die
dunkelste Zeit der deutschen Vergangenheit informieren,
nur an diesem einen Tag über die Unmenschlichkeit der
NS-Herrschaft aufklären? Das wäre zu wenig, vor allem
wenn man in Deutschland und Europa das Erstarken der
Rechtspopulisten und der Rechtsextremisten sieht .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16541
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Wir müssen jeden Tag gegen Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus, Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass vor-
gehen . Wir müssen jeden Tag Demokratie, Freiheit und
Vielfalt verteidigen . Wir müssen jeden Tag gegen eine
weitere Spaltung unserer Gesellschaft angehen . Wir müs-
sen jeden Tag die Menschen ermutigen, für unsere De-
mokratie einzustehen . Wir müssen jeden Tag den Men-
schen in unserem Land sagen, was Parteien wie die AfD
vorhaben .
Das Ausrufen eines Gedenktages würde der Heraus-
forderung des Erinnerns und Gedenkens, der aktiven
Auseinandersetzung mit erstarkenden Phänomenen
wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus,
Rechtsextremismus, Ausgrenzung, Intoleranz und Vorur-
teilen nicht gerecht . Aktuelle Ereignisse wie die rasant
zunehmende Zahl von Anschlägen auf Flüchtlingsun-
terkünfte, die hasserfüllte Blockade eines Busses mit
Flüchtlingen, Zunahme ausländerfeindlicher Parolen auf
Pegida-Demonstrationen, die Wahlergebnisse der rechts-
extremen AfD und vieles mehr zeigen: Es bedarf weit
mehr als eines Gedenktages .
Die Menschen, die sich in Programmen, Projekten
und Initiativen gegen Extremismus, für Demokratie und
Toleranz und für mehr gegenseitigen Respekt engagie-
ren, brauchen mehr Unterstützung . Die Mittel für das
Programm „Demokratie leben!“ wurden aufgestockt,
und in den Eckpunkten für den Bundeshaushalt 2017 hat
die Koalition vereinbart, hier weiteres Geld zur Verfü-
gung zu stellen . Auch die Bundeszentrale für politische
Bildung und die politischen Stiftungen leisten einen un-
verzichtbaren Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung und
Demokratiestärkung .
Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass es bald keine
Zeitzeugen mehr gibt und deshalb ein Gedenktag umso
wichtiger sei . Das sehen wir anders . Sicherlich spielen
Zeitzeugen noch immer eine wichtige Rolle, um über
die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus zu berich-
ten . Doch ein Gedenktag kann künftig diese Lücke nicht
schließen . Ein Gedenktag ist rückwärtsgewandt . Wir
brauchen moderne Formen der Wissensvermittlung, um
vor allem junge Menschen über die nationalsozialistische
Schreckensherrschaft zu informieren und ihnen aufzuzei-
gen, auf welch menschenverachtender Ideologie sie ba-
sierte . So können wir es erreichen, dass sie sich für die
Demokratie begeistern und nicht auf rechtspopulistische
und rechtsextreme Parolen hereinfallen .
Dabei wird auch der vom Deutschen Bundestag ein-
gesetzte Expertenkreis Antisemitismus eine Rolle spie-
len; denn wir erwarten uns von ihm konkrete Vorschläge
für zeitgemäße Formen der Demokratiebildung und für
den Umgang mit neuen Phänomenen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit . Wir müssen die Bürgerinnen und
Bürger in unserem Land aufklären, was die Rechtspopu-
listen und Rechtsextremisten wirklich wollen, nämlich
die Beschneidung unserer Freiheitsrechte, die Abkehr
von unserer Demokratie . Dabei hilft uns aber kein Ge-
denktag . Dabei hilft uns nur die stetige und tägliche Ar-
beit und Werbung für unsere Demokratie .
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Politikerinnen
und Politiker beklagen zu Recht zunehmende Respekt-
losigkeit in unserer Gesellschaft . Wir müssen uns aber
auch selbst fragen, ob wir eine Politik machen, die res-
pektvoll mit Menschen umgeht .
Schauen wir uns zum Beispiel das Verhältnis zwi-
schen der deutschen und der russischen Regierung an .
Wir müssen leider feststellen, dass das Verhältnis zerrüt-
tet ist . Dafür gibt es viele Ursachen . Beide Seiten tragen
Verantwortung . Doch was ist der deutsche Anteil an die-
sem gefährlichen Konflikt? Eine wichtige Ursache ist der
fehlende Respekt der deutschen Politik gegenüber Russ-
land . Über 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger der
Sow jetunion verloren im Zweiten Weltkrieg ihr Leben
im Kampf gegen den Faschismus . Der Deutsche Bundes-
tag ist seit Jahren nicht bereit, diese Opfer angemessen zu
würdigen . Immer wieder wurde unser Antrag, dem Tag
der Befreiung den Status eines gesetzlichen Gedenktags
zu verleihen, abgelehnt . Das ist respektlos .
Im Kalender 2016 des Wissenschaftlichen Dienstes
des Bundestages, der eine Auswahl historischer Jahresta-
ge sowie alljährlich wiederkehrender Gedenk-, Aktions-
und Thementage erfasst, steht am 8 . Mai nur der – zwei-
fellos wichtige – Weltrotkreuztag . Das ist respektlos .
Botschafter Russlands, Kasachstans und acht weiterer
Staaten protestieren gegen ein Open-Air-Festival in un-
mittelbarer Nachbarschaft zum Treptower Ehrenmal in
Berlin . Auf dem Friedhof sind 7 500 Sowjetsoldaten be-
erdigt, die die Befreiung Deutschlands vom Nationalso-
zialismus mit ihrem Leben bezahlt haben . Die Botschaf-
ter halten das Festival an diesem Ort für „unangemessen
und inakzeptabel sowie störend für die Ehre und das An-
denken an die Gefallenen .“ Ein Rockfestival an diesem
Ort – das ist respektlos .
In Bayern, Hessen und Sachsen gibt es einen Ge-
denktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung . Seit
vergangenem Jahr ist dieser Tag sogar ein nationaler Ge-
denktag . Die Bundesregierung ist nur bereit, der eigenen
Opfer zu gedenken, nicht aber der Menschen, die unser
Land vom Faschismus befreit haben . Das ist respektlos .
In den vergangenen Jahren wurde von den Gegnern
unseres Antrages argumentiert: Wir begehen mit dem
27 . Januar den „Tag des Gedenkens an die Opfer des
Nationalsozialismus“ als nationalen Gedenktag . Das ist
richtig . Wir wollen am 27 . Januar der Opfer des Faschis-
mus gedenken . Wir wollen aber auch am 8 . Mai an unsere
Befreier erinnern und ihnen danken; denn die Befreiung
vom Faschismus war für uns Deutsche die Voraussetzung
für die Formulierung des Satzes im Grundgesetz, Arti-
kel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar .“ Der
8 . Mai – der Tag der Befreiung – ist das Schlüsselerlebnis
der Deutschen im 20 . Jahrhundert . Das sollte uns einen
Gedenktag wert sein . Wir als Linke werden diesen Tag
immer feierlich begehen .
Für mich war eine Forsa-Umfrage beeindruckend:
Die große Mehrheit der Deutschen ist der Meinung:
Der 8 . Mai 1945 war ein Tag der Befreiung . 89 Prozent
stimmen dieser Aussage zu . Auch die Bereitschaft, über
Kriegserlebnisse zu sprechen, ist gestiegen . Auch das
bestärkt uns in der Forderung nach einem gesetzlichen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616542
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Gedenktag . Wir wollen, dass sich die Menschen mindes-
tens an einem Tag im Jahr die Zeit nehmen, um über die
Ursachen des Zweiten Weltkrieges zu diskutieren und
der über 50 Millionen Opfer zu gedenken . Ein gesetzli-
cher Gedenktag wäre auch ein Zeichen an die Frauen und
Männer aller alliierten Armeen, die Deutschland befreit
haben . Unter ihnen waren auch Deutsche, wenige zwar,
aber es gab sie .
Der Tag der Befreiung wird in Mecklenburg-Vor-
pommern, Brandenburg und Thüringen als offizieller
Gedenktag begangen . Das geht auf eine Initiative der
Linken zurück . Es ist höchste Zeit, dass auch der Bun-
destag den Menschen Respekt erweist, die so viel für un-
ser Land getan haben .
Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
Bundestagspräsident hat in seiner Rede im letzten Jahr
den 8 . Mai unmissverständlich als „Tag der Befreiung“
bezeichnet und dafür viel Zustimmung und Applaus –
von allen Seiten – bekommen . Leider ist dieses Verständ-
nis des 8 . Mais hier im Deutschen Bundestag immer noch
kein Konsens . Die menschenrechtspolitische Sprecherin
der Unionsfraktion stellt in Interviews und in ihren be-
rüchtigten Twitter-Tweets immer wieder infrage, dass der
8 . Mai ein Tag der Befreiung war .
Ich möchte deshalb hier nochmals in aller Deutlichkeit
sagen, auch gerichtet an die Unionsfraktion, die offenbar
kein Problem mit dem Revisionismus ihrer Sprecherin
für Menschenrechte hat: Der 8 . Mai war ein Tag der Be-
freiung für alle Menschen, die unter dem NS-Terror zu
leiden hatten, auch für die Menschen hinter dem Eiser-
nen Vorhang . Hier geht es nicht darum, das Unrecht und
die Unfreiheit kleinzureden, die es im Anschluss gegeben
hat . Aber die Verbrechen des Holocaust sind historisch
einzigartig und lassen sich nicht mit anderen Diktatu-
ren – und ganz sicher auch nicht mit der DDR-Diktatur –
gleichsetzen .
Deshalb ist es gut und wichtig, dass uns der 8 . Mai –
über 30 Jahre nach Richard von Weizsäckers wegwei-
sender Rede – immer wieder daran erinnert, dankbar zu
sein für die Befreiung von Krieg und dankbar zu sein für
das Ende der Vernichtungspolitik der NS-Diktatur . Das
beutet im Umkehrschluss keinesfalls, die Augen vor den
Leiden und den Schrecken der vielen Millionen Vertrie-
benen zu verschließen . Flucht, Gewalt, Ausgrenzung und
der tägliche Kampf ums Überleben – all das gehört zur
Erfahrung von Millionen deutscher Familien . Auch ihre
Erfahrungen müssen Teil der deutschen Geschichte sein .
Doch es braucht dafür immer den historischen Kontext .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nun
zu Ihrem Antrag, den Sie hier zum wiederholten Male
stellen . Wie wichtig der 8 . Mai als Tag der Befreiung
ist, habe ich bereits deutlich gemacht . Ob Ihr Anliegen,
ihn zum gesetzlichen Gedenktag zu erheben, der rich-
tige Weg ist, um seiner Bedeutung gerecht zu werden,
darüber gilt es jetzt zu sprechen . Wir haben bereits den
27 . Januar – auf Initiative von Antje Vollmer hin – zum
Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt .
Er ist inzwischen in unserer Erinnerungskultur tief ver-
ankert, und das ist gut so; denn die Verantwortung, die
sich aus der deutschen Geschichte ergibt, ist leider keine
Selbstverständlichkeit, sondern muss immer wieder aufs
Neue erstritten werden .
Das zeigt uns zum einen der Blick zurück: Die kri-
tische Aufarbeitung des Nationalsozialismus ist von der
Zivilgesellschaft mühsam gegen den Staat erkämpft und
durchgesetzt worden . Wichtige Orte des Gedenkens, wie
das NS-Dokumentationszentrum Topographie des Ter-
rors oder das Holocaustmahnmal, wurden durch bürger-
schaftliches Engagement initiiert . Und das zeigt uns auch
der Blick ins Heute: Der fortbestehende Antisemitismus,
der bis in die Mitte der Gesellschaft hinein reicht, der
weit verbreitete antimuslimische Rassismus oder die vie-
len aktuellen Angriffe auf Flüchtlingsheime sind dafür
nur einige aktuelle Beispiele . Erst letzte Woche wurden
im sächsischen Freital fünf mutmaßliche Rechtsterro-
risten festgenommen . Die Gruppe soll im vergangenen
Herbst auch zwei Anschläge auf Asylbewerberheime
verübt haben .
Hier heißt es, Demokratie und Menschenrechte tag-
täglich ganz konkret zu verteidigen . Dafür braucht es aus
meiner Sicht vor allem eine engagierte gesellschaftliche
Auseinandersetzung, aber nicht unbedingt einen weite-
ren offiziellen Gedenktag. Wenn wir genau hinschauen,
finden wir leider auch immer noch weiße Flecken in
unserem Gedenken: Zuletzt wurden die sowjetischen
Kriegsgefangenen – nach jahrelangen Debatten – end-
lich entschädigt . Aktuell engagieren sich Künstlerinnen
und Künstler und Aktivistinnen und Aktivisten für die
Anerkennung der Diskriminierungserfahrungen der so-
genannten Asozialen im „Dritten Reich“ . Lassen Sie uns
lieber darüber reden, wie wir diesem Unrecht endlich an-
gemessen gedenken können; denn mir ist ein lebendiges
Gedenken von unten, das sich bemüht, noch immer be-
stehende Lücken zu schließen, wichtiger als ein weiterer
offizieller Gedenktag.
Anlage 15
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 23. September 2015 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Albanien über Soziale Sicherheit (Tagesordnungs-
punkt 19)
Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU): Die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Entwurf ei-
nes Gesetzes der Bundesregierung zu dem Abkommen
vom 23 . September 2015 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Albanien über die Soziale
Sicherheit .
Um was geht es in dem Abkommen? Durch das Ab-
kommen wird der soziale Schutz im Bereich der jewei-
ligen Rentenversicherungssysteme insbesondere für den
Fall koordiniert, dass sich Versicherte im jeweils ande-
ren Vertragsstaat aufhalten . Das gilt für einen Entsen-
dezeitraum von maximal 24 Monaten . Das Abkommen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16543
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bestimmt, dass für Arbeitnehmer und deren Arbeitge-
ber grundsätzlich die Rechtsvorschriften des jeweiligen
Staates gelten, in dem die Beschäftigung tatsächlich
ausgeübt wird . Durch die Zusammenrechnung der Ver-
sicherungszeiten mit denen ihres Heimatlandes können
Deutsche künftig aus albanischen Versicherungszeiten
und albanische Versicherte aus deutschen Versicherungs-
zeiten Rentenansprüche erwerben .
Es begründet unter Wahrung des Grundsatzes der Ge-
genseitigkeit Rechte und Pflichten von Einwohnerinnen
und Einwohnern beider Staaten, sieht die Gleichbehand-
lung der beiderseitigen Staatsangehörigen sowie deren
Hinterbliebener vor . Die Voraussetzungen für einen
Rentenanspruch können durch Zusammenrechnung der
in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten er-
füllt werden . Jeder Staat zahlt aber nur die Rente für die
nach seinem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten .
Werden also gewöhnlich in Deutschland beschäftigte
Arbeitnehmer in die Republik Albanien entsandt, gelten
für sie die deutschen Rechtsvorschriften in der Renten-
versicherung so, als ob sie weiterhin dort beschäftigt
wären; spiegelbildlich gelten für nach Deutschland ent-
sandte Arbeitnehmer aus der Republik Albanien weiter-
hin die entsprechenden albanischen Rechtsvorschriften .
Der Schutz der Rentenversicherung im jeweiligen Her-
kunftsland bleibt bestehen, und kostenintensive Dop-
pelversicherungen werden dadurch vermieden . Somit
stellen wir notwendige Rechtssicherheit für Arbeits-
migration her . Dabei sind die Mehrausgaben bei der ge-
setzlichen Rentenversicherung moderat: Wir gehen von
unter 1 Million Euro aus .
Warum ist es wichtig, mit Albanien eine solche Ver-
einbarung zu treffen? Die Beziehungen zwischen Alba-
nien und der Bundesrepublik Deutschland sind eng . Zum
einen liegt die Zahl der in Deutschland lebenden aus-
ländischen Personen albanischer Abstammung bei rund
300 000 . Zum anderen entwickelt sich die Wirtschaft
nach einigen Jahren der Schwäche zuletzt wieder recht
dynamisch: Das Wirtschaftswachstum wird dieses Jahr
3,4 Prozent und in 2017 sogar 4 Prozent betragen . Dabei
ist das Wirtschaftswachstum in den Sektoren Bergbau,
Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fisch-
verarbeitung besonders stark .
Durch diese Dynamik in jüngster Zeit haben sich auch
die Handelsbeziehungen entsprechend stark entwickelt:
So liegen die Einfuhren nach Deutschland bei 30,5 Milli-
onen Euro, die Ausfuhren aus Deutschland nach Albani-
en lagen bei 92,5 Millionen Euro . Die Einfuhren stiegen
zum Vorjahr um 5,8 Prozent und die Ausfuhren sogar um
27,7 Prozent .
Eine engere Zusammenarbeit mit Albanien macht aber
auch aus anderen Gründen Sinn: Albanien hat bereits im
September 2009 einen Antrag auf EU-Beitritt gestellt und
ist seit Juni 2014 EU-Beitrittskandidat . Sicherlich ist der
EU-Beitritt Albaniens wie auch der anderen Länder des
Westbalkans kein Selbstläufer . Das NATO-Mitglied muss
vor Beginn der eigentlichen Beitrittsverhandlungen in ei-
nigen Jahren noch eine Reihe von Bedingungen erfüllen,
etwa im Bereich der Justiz, beim Aufbau eines funktio-
nierenden Rechtsstaates, beim Minderheitenschutz oder
beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbre-
chen . Hier ist Albanien in der Bringschuld .
Auch wenn noch keine Beitrittsverhandlungen begon-
nen haben, erleichtert ein solches bilaterales Abkommen
aus meiner Sicht die spätere Einbindung Albaniens in die
bestehende Sozialgesetzgebung der Europäischen Union
und hat eine stabilisierende Wirkung auf das Land . Das
Abkommen kann dazu beitragen, einen politischen Pro-
zess in Gang zu bringen, der positive Veränderungspro-
zesse in Wirtschaft und Gesellschaft freisetzt und einen
Modernisierungsschub in der Gesetzgebung auslösen
kann .
Für uns in Deutschland sind derartige Abkommen mit
Ländern außerhalb der Europäischen Union, aber in un-
serer unmittelbaren Nachbarschaft in einer immer enger
zusammenarbeitenden Welt wichtig; denn Deutschland
lebt wie kaum ein anderes Land in Europa vom freien
Handel und freien Austausch von Kapital und Dienstleis-
tungen . Gerade mit der absehbaren Heranführung Alba-
niens an die Europäische Union schaffen wir die drin-
gend benötigte Stabilität auf dem Westbalkan, die nach
den Jugoslawien-Kriegen in den 90er-Jahren immer noch
labil ist . Dies bestätigen die jüngsten Entwicklungen im
Nachbarland Mazedonien .
Deutschland profitiert wie kein zweites Land von ei-
nem funktionierenden EU-Binnenmarkt, einem Europa
ohne Grenzen, in dem die Völker in einem Raum der
Freiheit und des Rechts zusammenleben . Somit kann die-
ses Sozialabkommen als Leitfaden für unsere in Deutsch-
land und Europa gelebten sozialen Standards dienen und
ein höheres Maß an Rechtssicherheit geben .
Das zur Abstimmung stehende Sozialabkommen ist
daher als ein Baustein für das übergeordnete Ziel deut-
scher Europapolitik zu sehen, nämlich die Heranführung
Albaniens an die Europäische Union, die damit verbun-
dene Überführung der schon existierenden europäischen
Gesetze und die Schaffung einer wettbewerbsfähigen so-
zialen Marktwirtschaft, die genügend Wohlstand für ver-
besserte Lebensbedingungen vor Ort bringt und dadurch
den Migrationsdruck aus Albanien langfristig reduzieren
wird .
Denn wir dürfen nicht vergessen: Albanien nahm
2015 mit knapp 70 000 Asylanträgen den zweiten Platz
in Deutschland ein, auch wenn die Aussicht auf Asyl für
Antragsteller aus dem Balkan nahezu aussichtslos ist .
Seit Albanien im Oktober 2015 zu einem sicheren Her-
kunftsland erklärt wurde, ist die Zahl der Asylanträge aus
Albanien in diesem Jahr stark zurückgegangen . Dennoch
bleibt der Migrationsdruck hoch . Dies liegt an der hohen
Jugendarbeitslosigkeit und den schlechten Jobperspekti-
ven vor Ort .
Daher passt das Abkommen über die soziale Sicher-
heit in diese übergeordnete Strategie: Reduktion der
Asylbewerber bei gleichzeitiger Erleichterung der Ar-
beitsaufnahme; denn ab dem 1 . Januar 2016 gelten er-
leichterte Regelungen für albanische Staatsangehörige,
um bei uns arbeiten zu können .
Aber nicht nur das Abkommen zur Sozialen Sicherheit
wurde mit Albanien vereinbart . Wir haben seit diesem
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616544
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Jahr das Globalvorhaben „Migration für Entwicklung“
ins Leben gerufen . In diesem Programm wird durch die
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit eine
Migrationsberatung in Albanien angeboten . In einem
Zentrum für Migrantenberatung sollen Albanerinnen und
Albaner zu legaler Migration, Fluchtalternativen und Ar-
beitsmarktprogrammen beraten werden . Ziel ist es, die
Menschen in Albanien zu halten bzw . eine kontrollierte
Migration zu erreichen .
Wir haben in Deutschland großes Interesse, dieses
Land zu stabilisieren und in unsere Wertegemeinschaft
langfristig einzubinden . Deswegen unterstützt die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion das Abkommen über die Sozi-
ale Sicherheit mit der Republik Albanien .
Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD): Die deutsch-al-
banischen Beziehungen sind nicht immer nur positiv
verlaufen . 1967: Die Bundesrepublik Deutschland nahm
erstmals an einer Qualifikation für eine Fußball-Euro-
pameisterschaft teil, die 1968 in Italien stattfand . Als
Gruppengegner in der Qualifikationsgruppe 4 wurden ihr
Albanien und Jugoslawien zugelost . Die nur drittklas-
sigen Albaner galten als krasser Außenseiter, während
Deutschland, unter anderem mit Günter Netzer im Aufge-
bot, favorisiert in die Gruppenphase ging . Erwartungsge-
mäß entwickelte sich ein Zweikampf zwischen Deutsch-
land und dem spielstarken Jugoslawien . Die Jugoslawen
konnten beide Partien gegen ihr Nachbarland Albanien
gewinnen und das Hinspiel gegen Deutschland, im Rück-
spiel unterlagen sie . Für die deutsche Mannschaft wurde
so das letzte Spiel gegen Albanien zur entscheidenden
Partie . Es hätte ein einfacher Sieg genügt, zum Beispiel
ein 1:0, um sich zu qualifizieren. Die Tordifferenz gegen-
über Jugoslawien sprach für Deutschland . Das Hinspiel
gegen Albanien acht Monate zuvor hatte Deutschland
mit 6:0 gewonnen . Auf dem harten Spielfeld im Stadion
von Tirana gelang es der deutschen Mannschaft jedoch
nicht, Albanien mit spielerischen Mitteln in die Knie
zu zwingen, sodass am Ende nur ein 0:0 heraussprang .
Durch die „Schmach von Tirana“ verpasste Deutschland
die Endrunde einer Europameisterschaft zum ersten und
bisher einzigen Mal .
Auch heute gehört Albanien, trotz der Teilnahme an
der Europameisterschaft in Frankreich, nicht nur im Fuß-
ball zu den Außenseitern in Europa . Albanien gehört zu
den ärmsten Ländern Europas . Das Pro-Kopf-Bruttoin-
landsprodukt betrug im Jahr 2015 nach Angaben des Fi-
nanzministeriums 3 420,70 Euro . In „absoluter Armut“
leben 7 Prozent der Bevölkerung . Der Durchschnittslohn
liegt bei 379 Euro (2014). Die Arbeitslosenrate liegt offi-
ziell bei 17,9 Prozent .
Albanien hat jedoch seit 1998 bedeutende Fortschrit-
te auf dem Weg von einer kommunistischen in eine
marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft erzielt . Dabei
zeigte sich die Konjunktur inmitten der globalen Wirt-
schafts- und Finanzkrise der letzten Jahre relativ stabil
und wies – auch wegen des geringen Ausgangsniveaus –
durchgehend Wachstum auf . Durch Wachstumsraten von
im Mittel 5 Prozent über die vergangenen zehn Jahre –
ein Spitzenwert in Europa – konnte Albanien sein Ein-
kommensniveau stabilisieren und sogar erhöhen . Zuletzt
ist jedoch wieder Ernüchterung eingekehrt: Im Zuge der
europäischen Schuldenkrise und regionaler Stagnation
sank auch in Albanien das Wachstum von 6 Prozent – im
Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2010 – auf 1,1 Prozent
2013 . Nach knapp 2 Prozent 2014 wird das Wachstum für
2015 mit 2,7 Prozent angegeben .
Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf über das
Abkommen vom 23 . September zwischen der Bundes-
republik Deutschland und der Republik Albanien tragen
wir zum einen dafür Sorge, dass im anderen Vertragsstaat
erarbeitete Rentenansprüche anerkannt werden, zum an-
deren unterstützen wir die wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen unseren beiden Staaten .
Was bedeutet das konkret: Das Abkommen bestimmt,
dass für Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber grundsätz-
lich die Rechtsvorschriften desjenigen Staates gelten, in
dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird . Um
sicherzustellen, dass lediglich vorübergehend im anderen
Staat eingesetzte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
im sozialen Sicherungssystem ihres bisherigen Beschäf-
tigungsstaates integriert bleiben können, bietet dieses
Abkommen eine zugeschnittene Lösung für die beteilig-
ten Personen an . Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
können bis zu 24 Monate in dem anderen Vertragsstaat
arbeiten, ohne aus ihrem vertrauten Sozialversicherungs-
system auszutreten . Diese Regelung erleichtert es für
deutsche Unternehmen, Fachpersonal für ein Arbeitsver-
hältnis in Albanien zu gewinnen . Mit diesem Fachperso-
nal können Investitionen getätigt werden und zeitgleich
Personal vor Ort ausgebildet werden .
Mit Investitionen im unteren zweistelligen Millionen-
bereich ist Deutschland jetzt schon sechstgrößter Inves-
tor in Albanien . Auf diesem Ergebnis lässt sich aufbauen,
so wie auf das bisherige deutsche Engagement in Albani-
en . Die Schwerpunkte liegen im Kreditwesen, Transport
und Logistik, Einzelhandel, Mobilfunk, Textilbereich,
Kfz-Handel und -wartung, in Produktion und Vertrieb
chemischer und pharmazeutischer Produkte sowie der
Produktion von Kabelbäumen . Die größten deutschen
Direktinvestitionen sind der Flughafen Tirana und Tele-
kom Albania .
Die Europäische Kommission stellt in ihrem Bericht
vom 22 . April 2016 zu Recht zahlreiche Probleme wie
zum Beispiel Korruption und organisierte Kriminali-
tät fest . Aus diesem Grund ist nachvollziehbar, dass ein
Beitritt Albaniens in die Europäische Union in naher Zu-
kunft nicht bevorstehen kann . Jedoch gerade deshalb ist
es umso wichtiger, enge Beziehungen sowohl auf wirt-
schaftlicher als auch auf Sozialstaatsebene zu Albanien
zu unterhalten und den Kampf gegen Korruption zu un-
terstützen . Auch wenn ich mir keine Wiederholung der
„Schmach von Tirana“ bei der diesjährigen Europameis-
terschaft in Frankreich wünsche, ist die Teilnahme Alba-
niens vielleicht ein gutes Zeichen, dass Albanien nicht
nur im Fußball den Anschluss an die europäische Spitze
findet.
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Am 23 . Sep-
tember vergangenen Jahres wurde in Tirana das Abkom-
men über Soziale Sicherheit mit der Republik Albanien
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16545
(A) (C)
(B) (D)
unterzeichnet . Mit der heutigen abschließenden Beratung
des entsprechenden Gesetzentwurfs schaffen wir die
Grundlage für das Inkrafttreten des Abkommens .
Die wirtschaftliche Verflechtung innerhalb Europas
und weltweit nimmt immer weiter zu . Es ist deshalb
nur konsequent und selbstverständlich, dass die soziale
Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten, die in den jeweili-
gen Vertragsstaat entsandt werden, ebenso Berücksichti-
gung findet. Die Linke begrüßt den Abschluss dieses und
weiterer Sozialversicherungsabkommen ausdrücklich,
solange die Beschäftigten der jeweiligen Vertragsstaaten
gleichermaßen profitieren. Dies muss insbesondere auch
in Bezug auf die Wahrung der Arbeitsrechte und Entgelte
der Beschäftigten gelten .
Ziel des Abkommens ist eine Koordinierung der Ren-
tenversicherungssysteme beider Länder auf Grundlage
der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung der Staats-
angehörigen beider Seiten . Grundsätzlich soll immer das
Rentenversicherungssystem des Landes gelten, in dem
die Beschäftigung ausgeübt wird . Entstandene Renten-
ansprüche werden dann entsprechend der in den Län-
dern erlangten Versicherungszeiten vom jeweiligen Staat
auch im anderen Land ausgezahlt . Damit müssen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den jeweiligen
Vertragsstaat entsandt wurden, in Zukunft nicht mehr
befürchten, dass sie aufgrund des Erwerbs von Versiche-
rungszeiten in zwei unterschiedlichen Rentensystemen
einen Nachteil erfahren . Im Übrigen: Dies erleichtert
auch die Arbeit der Sozialversicherungsträger und redu-
ziert den Verwaltungsaufwand .
Hinter all diesen konkreten Erleichterungen steht
auch ein grundsätzliches Prinzip: Vom Abkommen er-
fasste Personen werden rentenrechtlich in Deutschland
und in Albanien mit den jeweiligen Staatsangehörigen
gleichgestellt und damit auch gleichbehandelt . Das ist
ein wichtiges und richtiges Prinzip . Zugleich sei der Hin-
weis erlaubt, dass es hierbei nicht nur um die eigenen
wirtschaftlichen Vorteile gehen darf . Im Klartext: keine
billigen Facharbeiterinnen und Facharbeiter für die hei-
mische Wirtschaft, um etwa in bestimmten Branchen den
Fachkräftemangel auszugleichen .
Geht man auf die Internetpräsenz der deutschen Bot-
schaft in Albanien, findet man dort Stichworte für eine
Erklärung an Medienvertreter und -vertreterinnen durch
den deutschen Botschafter Herrn Hellmut Hoffmann .
Dort heißt es sinngemäß, die Arbeitsaufnahme in
Deutschland gehe nicht über einen Asylantrag; dies sei
aussichtslos. Dagegen seien qualifizierte Fachkräfte in
Bereichen mit hohem Bedarf willkommen . Dafür sei eine
gute Ausbildung erforderlich, Deutschkenntnisse seien
hilfreich . In das gleiche Horn blies übrigens auch Bun-
deskanzlerin Merkel bei ihrem Staatsbesuch in Tirana im
Juli 2015: „Wir sind uns einig, dass Albanien kein Land
ist, aus dem Asylanträge anerkannt werden .“ Albanien
könne aber ein Land sein, aus dem Menschen legal nach
Deutschland zum Arbeiten kämen . In einigen Branchen
herrsche in Deutschland Fachkräftemangel .
Mit diesen Aussagen des deutschen Botschafters und
der Bundeskanzlerin wird deutlich: Es geht ganz offen-
sichtlich allein um die reine Verwertungslogik, um die
Nutzung albanischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer für den deutschen Arbeitsmarkt . Wenn aber nicht
nur wir, sondern auch andere Staaten der Europäischen
Union massenhaft Fachkräfte aus Albanien anwerben,
dann kommt dieses Land mit einem Pro-Kopf-Einkom-
men von 3 360 Euro – wohlgemerkt: im Jahr – nie auf
die Beine!
Und dennoch: Wie ich bereits am Anfang meiner Rede
ausgeführt habe, begrüßen wir den Abschluss dieses So-
zialversicherungsabkommens . Im Januar dieses Jahres
gingen fast 17 500 Albaner und Albanerinnen in Deutsch-
land einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
nach . Dass diese Menschen jetzt unter den Schutz der
gesetzlichen Rentenversicherung fallen, ist konsequent,
und deshalb werden wir dem Antrag zustimmen .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
Sozialschutz muss mit der Dynamik der wirtschaftlichen
Globalisierung Schritt halten . Aus diesem Grund wird
das vorliegende Sozialversicherungsabkommen mit der
Republik Albanien von uns begrüßt . Seit Anfang 2014 ist
Albanien offizieller Beitrittskandidat der Europäischen
Union und bereits jetzt wirtschaftlich eng mit der Euro-
päischen Union verbunden . So gingen im vergangenen
Jahr drei Viertel der Exporte in die europäischen Staaten .
Auch Deutschland zählt zu den wichtigsten Handelspart-
nern von Albanien . 2015 beliefen sich die Exporte nach
Deutschland auf einen Umfang von rund 54 Millionen
Euro, während die Importe ein Volumen von 260 Milli-
onen Euro erreichten . Nach Auskunft des Auswärtigen
Amts erfolgen deutsche Neuinvestitionen in verschie-
denste Bereiche der Wirtschaft: in das Kreditwesen, in
Transport und Logistik, in den Einzelhandel oder in die
Produktion chemischer und pharmazeutischer Produkte .
Die größten deutschen Einzelprojekte in Albanien sind
der Flughafen Tirana und die Telekom Albania . Deutsch-
land zählt schon heute zu einem der größten ausländi-
schen Investoren im Land . Mit der stärkeren Anbindung
Albaniens an die Europäische Union wird diese Entwick-
lung auch für Deutschland noch weiter verstärkt werden .
Das hier vorliegende Abkommen folgt diesen Ent-
wicklungen und regelt die Beziehungen der beiden Staa-
ten im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung .
Werden etwa in Deutschland beschäftigte Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer nach Albanien entsandt,
werden sie mit diesem Abkommen von der dortigen Ren-
tenversicherungspflicht befreit. Dies gilt selbstverständ-
lich auch für den spiegelbildlichen Fall . Kostenintensive
Doppelversicherungspflichten werden fortan vermieden,
und der Schutz der Rentenversicherung im jeweiligen
Herkunftsland bleibt somit bestehen .
Das Abkommen hat bereits mehrere Vorgänger . So
hat Deutschland mit einer Reihe von Ländern zweisei-
tige Sozialversicherungsabkommen geschlossen . Dazu
gehören Staaten wie die USA und Brasilien, aber auch
kleinere Länder wie Montenegro und Mazedonien oder
zuletzt die Philippinen . Im Grundsatz geht es bei allen
Abkommen um den Erwerb von Rentenansprüchen und
die Zahlung von Renten in den jeweiligen Staaten . Es
geht also um die Vorsorge für das Alter . Wer zeitlich be-
grenzt im Ausland arbeitet, aus welchen Gründen auch
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616546
(A) (C)
(B) (D)
immer, soll später, wenn es um seine Rente geht, keine
Nachteile erleiden .
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung
des Rechts der Unterbringung in einem psychiat-
rischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetz-
buches und zur Änderung anderer Vorschriften
(Tagesordnungspunkt 20)
Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit der Verabschie-
dung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
verstoßen wir gegen das „Struck’sche Gesetz“; denn das
Gesetz wird den Bundestag nach der zweiten und drit-
ten Lesung so verlassen, wie es von der Bundesregierung
in das Parlament eingebracht worden ist . Das hat nichts
damit zu tun, dass die Koalitionsfraktionen – wie es ein
Oppositionsvertreter im Rechtsausschuss gesagt hat –
keine Lust mehr zur Gesetzgebungsarbeit gehabt hät-
ten, sondern damit, dass diesem Gesetzgebungsentwurf
eine sehr intensive und umfassende Vorarbeit zugrunde
liegt . Schließlich bauen wir mit dem Gesetzentwurf auf
die sehr konstruktiven Vorschläge der Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe zum Recht der Unterbringung auf, die im
März 2014 gebildet wurde .
Dieser Gesetzentwurf setzt die normativen Rahmen-
bedingungen für einen schwierigen Abwägungsprozess
zwischen den Schutzinteressen von potenziellen Opfern
und den Freiheitsinteressen von gefährlichen Straftätern .
Es kann nicht per se das Ziel des Gesetzes sein, die Zahl
der in psychiatrischen Krankenhäusern Untergebrachten
zu reduzieren . Es muss darum gehen, die Prognose zur
Gefährlichkeit psychisch kranker Rechtsbrecher zu prä-
zisieren .
Ich habe bereits aus Anlass der Debatte zur ersten
Lesung dieses Gesetzes die höheren Anforderungen an
eine stationäre Unterbringung eines als gefährlich ein-
gestuften Rechtsbrechers ausführlich dargelegt . Dies gilt
insbesondere für die Schwelle der Erheblichkeit und die
Darlegungspflicht, wenn aus nicht erheblichen Anlassta-
ten trotzdem auf eine positive Gefährlichkeitsprognose
des Täters geschlossen wird .
Ich will mich im Rahmen meiner Rede deshalb mit
den Vorschlägen und Kritikpunkten zum Gesetzentwurf
der Bundesregierung befassen . Zunächst einmal gilt fest-
zuhalten, dass die Zustimmung zum Gesetzentwurf in
der öffentlichen Anhörung sehr groß war . Ein Sachver-
ständiger hat mit Blick auf die Praxis gefordert, dass die
Gerichte sozusagen eine Öffnungsklausel erhalten, die
dafür sorgt, die Anforderungen an die Anlasstaten nicht
abschließend zu regeln . Er hat das Beispiel eines Straftä-
ters erwähnt, der wegen einer schizophrenen Psychose
mehrfach die kunsthistorisch wertvollen Fenster eines
Domes zerstört hat . Obwohl die entsprechende Kammer
die Anlassdelikte nur als gemeinschädliche Sachbeschä-
digung subsumiert hat, ordnete sie die stationäre Unter-
bringung des Beschuldigten an, weil auch ideelle Schä-
den zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führen
könnten .
Die Koalitionsfraktionen vermögen sich dieser Argu-
mentation nicht anzuschließen . Erstens dürfte in diesem
Fall der wirtschaftliche Schaden schon über 5 000 Euro
gelegen haben und damit ohnehin eine Unterbringung
auch nach zukünftiger Rechtslage nicht ausgeschlossen
sein . Wäre es aber anders, dann ist andererseits eine Un-
terbringung auch nicht mehr verhältnismäßig . Es würde
das zentrale Ziel des neuen Gesetzes geradezu unterlau-
fen, wenn man durch eine Öffnungsklausel die strikten
Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
wieder aufweichen würde .
Gleichzeitig ist jedoch auch völlig überzogen, wenn
die Oppositionsparteien einen Vorrang für eine ambulan-
te Therapie fordern und dabei ausdrücklich auch bereit
sind, Gefährdungen für potenzielle Opfer hinzunehmen .
Für die CDU/CSU hat der Opferschutz keine nachran-
gige Bedeutung hinter den Freiheitsinteressen des psy-
chisch kranken Rechtsbrechers . Vielmehr ist der Schutz-
gedanke gerade der Sinn und Zweck des § 63 StGB .
Dementsprechend muss sich die Dauer der Unterbrin-
gung auch nicht am Unwert der Anlasstat orientieren,
sondern an der Prognose der Gefährlichkeit des Täters
für die Gesellschaft . Hierbei kommen dann die vielfälti-
gen Maßnahmen zum Tragen, die bei der Entscheidung
über die Unterbringung für die Einhaltung des Verhält-
nismäßigkeitsgrundsatzes sorgen sollen . Dabei soll noch-
mals hervorgehoben werden, dass die Anforderungen an
die Gutachter und die Gutachtenpraxis deutlich optimiert
worden sind . Die Prüfungsintensität wird verstärkt, und
es werden häufiger externe Gutachter einbezogen. Da es
der Praxis in den Ländern entspricht, Pflichtverteidiger
hinzuzuziehen, war eine besondere Regelung dafür nicht
notwendig .
Erstaunlich ist es, dass ausgerechnet die Grünen die
Qualität der Unterbringung kritisiert haben . Das ist Sa-
che der Länder, und in vielen Ländern regieren die Grü-
nen mittlerweile mit, es gibt grüne Justizminister und
-senatoren, und insoweit würde ich den Kollegen der
Grünen raten, ihre Verbesserungsvorschläge an die grü-
nen Kollegen in den Ländern weiterzugeben .
Intensiv haben wir uns auch mit der Frage auseinan-
dergesetzt, ob die Prüfung der Notwendigkeit der Unter-
bringung unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen
sollte . Hier sind wir zu der Überzeugung gekommen,
dass dem Gesichtspunkte des Persönlichkeitsrechts und
des Datenschutzes entgegenstehen . Insgesamt ist festzu-
halten, dass wir mit diesem Gesetz auch die notwendigen
Konsequenzen aus der öffentlichen Debatte über Fälle
ziehen, in denen wohl in der Tat eine Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus zu lange gedauert
hat und die Tätigkeit der Gutachter berechtigterweise
zu kritisieren ist . Mit dem Gesetz wird aber weiterhin
auch für einen umfassenden Schutz der Gesellschaft vor
psychisch kranken Rechtsbrechern gesorgt . Das sind wir
potenziellen Opfern schuldig; denn auch sie haben das
Recht, frei und ohne Angst zu leben .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16547
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): In den vergangenen
Jahren konnte ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der
Personen verzeichnet werden, die gemäß § 63 StGB in
einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wur-
den . Dazu ist ein Anstieg der durchschnittlichen Unter-
bringungsdauern zu beobachten, ohne dass es konkrete
Belege für einen parallelen Anstieg der Gefährlichkeit
der Untergebrachten gibt . Eine Reform des § 63 StGB
ist folglich dringend gegeben, da das deutsche Strafrecht
als Rechtsfolge für ein strafbares Verhalten grundsätzlich
nur zwei Hauptstrafen kennt: die Freiheitsstrafe und die
Geldstrafe .
Eine Strafe bezweckt nach der Vereinigungslehre den
Gedanken der Spezialprävention, der Generalpräven-
tion und der Vergeltung . Die konkrete Strafe wird im
Einzelfall nach diesen Kriterien bestimmt, wobei eine
verschiedentliche Gewichtung vorgenommen wird . Im
Jugendstrafrecht kommt der spezialpräventive Gedanke
besonders zur Anwendung und schließt besonders harte
Strafen aus . Die Höchstfreiheitsstrafe beträgt hier bei-
spielsweise nur zehn Jahre .
Einen anderen Zweck als Strafen hingegen verfolgen
Maßregeln . Zum Schutz vor gefährlichen Straftätern und
zu deren Besserung können Maßregeln angeordnet wer-
den . Es kommt auf eine positive Gefährlichkeitsprognose
an, die den Täter als wahrscheinlich gefährlich einstuft .
Es handelt sich um keine Strafe, die am Schuldprinzip zu
messen ist . Vielmehr schließen sich Strafe und Maßregel
durch ihre unterschiedlichen Zwecke nicht aus . Die Maß-
regeln können daher unabhängig von der Schuldfähigkeit
angeordnet werden . Bei Verkehrsstraftaten wegen alko-
holbedingter Fahruntüchtigkeit beispielsweise wird ne-
ben einer Strafe regelmäßig die Fahrerlaubnis entzogen .
Als Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat sieht das
Gesetz in § 61 StGB folgende Maßregeln vor: Unterbrin-
gung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Unterbrin-
gung in einer Entziehungsanstalt, Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung, Führungsaufsicht, Entziehung
der Fahrerlaubnis oder Berufsverbot, wobei die ersten
drei freiheitsentziehende Maßregeln sind . Gemäß § 67
Absatz 1 StGB soll die Maßregel vor einer Freiheitsstrafe
vollzogen werden .
Der hier behandelte Gesetzentwurf bezieht sich ins-
besondere auf eine freiheitsentziehende Maßregel, die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
nach § 63 StGB . Im Wesentlichen behandeln wir hier drei
Komplexe zum Maßregelvollzug .
Erstens . Die Änderungen zur Unterbringung nach
§ 63 StGB und deren Fortdauer . Die eingebrachte Neu-
regelung des § 63 StGB konkretisiert durch eine Ergän-
zung in Satz 1 und einen neu hinzukommenden Satz 2 die
Anordnungsvoraussetzungen der Unterbringung in ei-
nem psychiatrischen Krankenhaus durch eine Fokussie-
rung auf gravierende Fälle. Gravierende Fälle finden sich
dann, wenn das Opfer seelisch oder körperlich erheblich
geschädigt oder erheblich gefährdet oder schwerer wirt-
schaftlicher Schaden angerichtet wurde . Darüber hinaus
kann das Gericht eine solche Maßregel nur anordnen,
wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen,
dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebli-
che rechtswidrige Taten begehen wird .
Nach § 67d Absatz 6 StGB soll künftig eine zeitliche
Begrenzung der Unterbringung bei weniger schwerwie-
genden Gefahren vorgenommen werden . Die Obergrenze
der Unterbringung liegt dann bei sechs bzw . zehn Jahren .
Flankierend erfolgen Änderungen in § 463 StPO hin-
sichtlich der Begutachtung bei der prognostischen Unter-
suchung . Die Regelung betrifft gutachterliche Stellung-
nahmen, die nun immer von der Unterbringungsanstalt
einzuholen sind, die Wahl eines Gutachters, der nun aus-
drücklich nicht mehr der bisherige Sachverständige sein
darf, und die Zeitintervalle von Begutachtungen . Den-
noch ist zu bemerken, dass bestehende Schwierigkeiten,
etwa bei der Nachvollziehbarkeit der Wahl des Gutach-
ters und der Nachprüfbarkeit der Ergebnisse sowie der
Festlegung der Zeitintervalle, auch weiterhin bestehen
bleiben . Insofern kann der Gesetzentwurf als ein wich-
tiger Schritt in die richtige Richtung verstanden werden .
Es bleibt darüber hinaus jedoch außer Zweifel, dass es
trotz aller berechtigten Kritikpunkte zur gutachterlichen
Stellungnahme keine wirksame Alternative gibt .
Zweitens . Die Umsetzung der Vorgaben des Beschlus-
ses des Bundesverfassungsgerichts . Das Bundesverfas-
sungsgericht hat durch Beschluss vom 27 . März 2012
(2 BvR 2258/09) die Vorschrift des § 67 Absatz 4 StGB
als teilweise unvereinbar mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2
des Grundgesetzes erklärt . Die Vorschrift lautet zurzeit:
„Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe
vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel
auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe er-
ledigt sind .“
Die Verfassungswidrigkeit gilt für die Fälle, in denen
die Anrechnung nur auf die zugleich mit der Maßregel
verhängte Strafe möglich ist und eine Anrechnung auf
verfahrensfremde Strafhaft ausnahmslos ausgeschlossen
ist . Dies bezieht sich insbesondere auf die Gesamtstra-
fenbildung für verfahrensfremde Freiheitsstrafen . Der
Entscheidung liegt das Prinzip zugrunde, dass in die
Freiheitsrechte des Betroffenen nicht mehr als notwen-
dig eingegriffen werden darf . Das Bundesverfassungs-
gericht hat als Übergangsanordnung vorgegeben, dass in
Härtefällen eine Anrechnung auch auf verfahrensfremde
Strafhaft zu erfolgen hat . Zur Umsetzung der Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts erfolgt die zusätzliche
Vorschrift des § 67 Absatz 6 StGB .
Drittens . Eine Höchstfrist bei der Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt . Aufgrund einer divergierenden
Rechtsprechung erfolgt im vorliegenden Gesetzentwurf
eine Klarstellung zur voraussichtlichen Dauer einer er-
folgversprechenden Behandlung bei Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt: Die Höchstfrist der Unterbrin-
gung in einer Entziehungsanstalt geht über zwei Jahren
hinaus, wenn eine begleitende Freiheitsstrafe vollstreckt
wird .
Abschließend ist festzustellen, dass die Bundesregie-
rung mit dem eingebrachten Gesetzentwurf nicht nur
ein unbeliebtes und schwieriges Thema angeht, sondern
auch ein erhebliches Mehr an Klarheit, Rechtssicherheit
und Verfassungskonformität schafft, was aus Sicht des
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616548
(A) (C)
(B) (D)
Deutschen Bundestages sehr zu begrüßen ist . Dieser Ge-
setzentwurf kann als wesentlicher Schritt in die richtige
Richtung verstanden werden, dem nun weitere folgen
müssen . Nicht nur im Bereich der Begutachtung, wie
kurz ausgeführt, auch im Verständnis des strafgesetzli-
chen Gesamtkontextes ist der Ansatz der Bundesregie-
rung wegweisend .
Dirk Wiese (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf
bietet ein wirklich hervorragendes Beispiel für die gute
Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern . Das Bun-
desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat
auf Bitten der Konferenz der Justizministerinnen und
Justizminister der Länder im Februar 2014 eine interdis-
ziplinär besetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt,
um zu prüfen, inwieweit das Recht der Unterbringung
nach § 63 StGB einer stärkeren Ausrichtung am verfas-
sungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit be-
darf .
Anlass hierfür gab die stetig steigende Anzahl von
Unterbringungen in psychiatrischen Krankenhäusern
mit einer stetig steigenden Unterbringungsdauer, wobei
es keine konkreten wissenschaftlichen Belege für einen
parallelen Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrach-
ten gibt . Darüber hinaus wurden durch die Medien Fälle
bekannt, die auf Missstände bei der Einweisung und vor
allem bei der stetigen Begutachtung der Eingewiesenen
hinweisen .
Die mit Vertretern der Landesjustizverwaltungen, der
AG Psychiatrie der Länder sowie des Bundesministe-
riums für Gesundheit besetzte Arbeitsgruppe nahm am
14 . März 2014 ihre Arbeit auf . Die in fünf Sitzungen er-
arbeiteten Ergebnisse werden mit diesem heute zu verab-
schiedenden Gesetzentwurf umgesetzt. Zusätzlich fließt
eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den
Gesetzentwurf mit ein, durch die § 67 Absatz 4 StGB
für insoweit als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar
erklärt wurde, als § 67 Absatz 4 StGB es ausnahmslos
ausschließt, die Zeit des Vollzugs einer freiheitsentzie-
henden Maßregel der Besserung und Sicherung auf „ver-
fahrensfremde“ Freiheitsstrafen anzurechnen .
Kern der Gesetzesinitiative ist es, die Anforderungen
an die Fortdauer der langjährigen Unterbringung zu kon-
kretisieren und die prozessualen Sicherungen zu stärken,
um unverhältnismäßig lange Unterbringungen zu ver-
meiden . Betonen möchte ich hier, dass die Vermeidung
von unverhältnismäßig langen Unterbringungen nicht
zwangsweise eine Senkung des Schutzes der Allgemein-
heit vor Straftätern zur Folge hat . Gewalt- oder Sexual-
straftäter, bei denen die Gefahr besteht, dass sie aufgrund
ihres Zustandes auch zukünftig erhebliche Straftaten
begehen, durch welche die potenziellen Opfer seelisch
oder körperlich schwer geschädigt werden, werden zum
Schutz der Allgemeinheit weiterhin unbefristet unterge-
bracht werden können .
Es geht vielmehr darum, unverhältnismäßige Fälle zu
vermeiden, die wir auch aus den Medien kennen, also
entweder Fälle, in denen Menschen zu wenig rechtliches
Gehör geschenkt wird, also die Begutachtungsabstän-
de bislang viel zu groß waren und diese sich deshalb in
Unterbringung befinden, obwohl kein Grund mehr dazu
besteht, oder auch Fälle, in denen die Einweisung unver-
hältnismäßig ist, da die Tat nicht schwer genug wiegt,
etwa Fälle des Schwarzfahrens . Künftig müssen also bei
Vermögensdelikten solche Taten zu erwarten sein, durch
welche „schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet
wird“ . Die Schwere des Schadens ist dabei an einem ob-
jektiven Maßstab zu messen, insbesondere der materiel-
len Lebenshaltung des Durchschnittsbürgers . Die Zeiten,
in denen Schadenswerte von 100 Euro zu Unterbringun-
gen führten, sind damit vorbei .
Lassen Sie mich kurz die neuen Regelungen der Un-
terbringungsdauer und Begutachtung erläutern . Eine
Fortdauer der Unterbringung über sechs Jahre wird
grundsätzlich nur noch möglich sein, wenn Taten drohen,
durch die die Opfer körperlich oder seelisch „schwer“ ge-
schädigt werden oder in die Gefahr einer schweren see-
lischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden .
Somit reicht die bloße Gefahr ausschließlich wirtschaft-
licher Schäden für eine Unterbringung über sechs Jahre
hinaus grundsätzlich nicht mehr aus . Die Unterbringung
über zehn Jahre hinaus soll schließlich nur noch möglich
sein bei der Gefahr von Taten, durch welche die Opfer
seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden . Hier
ist die Regelung adäquat zur Sicherheitsverwahrung ge-
fasst .
Auch die regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der
Unterbringung wird optimiert . Bei jeder jährlichen Über-
prüfung bedarf es künftig einer gutachterlichen Stellung-
nahme der Klinik . Darüber hinaus wird die Notwendig-
keit eines externen Gutachtens von fünf auf drei Jahre
und für Unterbringungen ab sechs Jahren auf zwei Jahre
erhöht werden . Der externe Gutachter darf außerdem
grundsätzlich nicht das jeweils vorangegangene Gutach-
ten erstellt haben . Hiermit begegnen wir der Gefahr der
sich selbst bestätigenden Routinebegutachtungen . Abge-
rundet werden diese Neuerungen durch eine zwingende
mündliche Anhörung des Untergebrachten, auch bei der
Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung .
Sie sehen, insgesamt bringt der Gesetzentwurf maß-
volle Änderungen, die den Anforderungen des Bundes-
verfassungsgerichts an den Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit im Maßregelrecht entsprechen . Das berechtigte
Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vor psychisch ge-
störten Straftätern bleibt gewahrt, indem der Gesetzent-
wurf eine gute Balance zwischen Freiheitsinteressen und
Sicherheitsinteressen schafft .
Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Und wieder hat die
Koalition Chancen vertan . Im Grunde könnten sich alle
Redner auf ihre Reden zur ersten Lesung beziehen, da
sich das Gesetz entgegen der Struck’schen Formel seit
dem Einbringen ins Parlament bis heute nicht geändert
hat . Trotz einer vom Ausschuss durchgeführten Anhö-
rung bleibt der dort eingebrachte Sachverstand außen
vor . Möglicherweise hätte man die noch nötigen Ände-
rungen im Ergebnis eines erweiterten Berichterstatter-
gesprächs in das Gesetz einarbeiten können . Aber von
dieser Möglichkeit hat die Koalition keinen Gebrauch
gemacht . Chance vertan!
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16549
(A) (C)
(B) (D)
Die Änderungen, Ergänzungen und sonstigen Ver-
besserungen dieses Gesetzes, welche von den Sach-
verständigen ganz überwiegend einmütig, aber immer
mehrheitlich vorgeschlagen wurden, hat die Linke des-
halb in ihren Entschließungsantrag aufgenommen . Eine
Änderung seitens der Koalition ist leider ausgeblieben .
Selbst im Ausschuss, als die Linke der Koalition auf-
grund des offenbar noch bestehenden Beratungsbedarfs
eine Auszeit gewähren wollte, um über die erforderlichen
Änderungen nachzudenken, wurde diese Chance von der
Koalition ausgeschlagen . Wie gesagt: vertane Chancen .
Der Vorschlag der Fraktion Die Linke, den Anwen-
dungsbereich ausschließlich auf schuldunfähige Per-
sonen zu beschränken, wurde nicht beachtet . Bedingt
schuldfähige Personen sollten aus dem Anwendungsbe-
reich herausgenommen werden . Dies würde – und das
ist schon in der ersten Lesung betont worden – auch Fol-
geprobleme bei der Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67
StGB) verhindern . Chance vertan!
Weiter gibt es nach wie vor keine Beschränkung bei
Anlass- und Prognosetat im Rahmen des § 63 StGB .
Diese sollten auf schwere Gewalt- und Sexualdelikte
beschränkt werden und ein entsprechender Straftatenka-
talog im § 63 StGB aufgenommen werden . So wurde es
auch in der Sachverständigenanhörung gefordert . Wirt-
schaftskriminalität sollte aus Verhältnismäßigkeitsgrün-
den außen vor bleiben . Eine Unterbringung nach § 63
StGB darf nur Ultima Ratio sein .
Die Begründung der Koalition, dass auch schweren
Eigentumsdelikten Gewalt- oder Sexualdelikte folgen
können, überzeugt nicht, zeigt aber, welcher Geist die
Köpfe der Koalition nach wie vor beherrscht: Vermögen
und Eigentum ist höherrangig als die grundrechtlich ga-
rantierte Freiheit des Einzelnen . Dabei muss man immer
berücksichtigen, dass es sich um Menschen handelt, wel-
che schuldlos gehandelt haben oder vermindert schuld-
fähig waren .
Auch die Forderung aller Sachverständiger, in allen
Vollstreckungs- und Vollzugsangelegenheiten im Zusam-
menhang mit einer Unterbringung in einem psychiatri-
schen Krankenhaus dem Betroffenen einen Rechtsanwalt
als notwendigen Verteidiger entsprechend § 140 StPO
zur Seite zu stellen, fand bei der Koalition kein Gehör –
und das, wie im Ausschuss argumentiert worden ist, aus
Kostengründen . Auch hier kommt der wirtschaftliche
Vorrang vor Grundrechten deutlich zutage . Die Regie-
rungskoalition widerlegt sich selbst, wenn sie behauptet,
eine notwendige Verteidigung erfolge schon jetzt . Dann
kann sie nicht Kostengründe vorschieben, um die Bei-
ordnung eines Verteidigers abzulehnen .
Auch die Chance, im Rahmen einer Änderung der
§§ 462 und 454 StPO der Beschwerde der Staatsanwalt-
schaft gegen eine richterliche Entscheidung die aufschie-
bende Wirkung zu versagen, wurde vertan! Genauso
hätte der Kreis der Sachverständigen, welche bei der Ent-
scheidung zur Fortdauer der Unterbringung gutachterlich
herangezogen werden, auf Kriminologen und Pädagogen
erweitert werden können, zumal gerade hinsichtlich einer
Prognose aus Sicht der Fraktion Die Linke Kriminologen
wichtig sind . Auch diesbezüglich hat sich nichts getan .
Nun muss auch Die Linke gleichwohl anerkennen,
dass der Gesetzentwurf tatsächlich Verbesserungen im
Bereich des Rechts der Unterbringung in einem psych-
iatrischen Krankenhaus enthält . Auf diese Verbesserun-
gen hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung bei weniger
schwerwiegenden Gefahren durch die Konkretisierung
der Anforderung der Fortdauer der Unterbringung über
sechs und zehn Jahre hinaus, brauche ich nicht dezidiert
einzugehen, genauso wenig auf die Verkürzung der Fris-
ten zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, da
die positiven Aspekte, welche die Linke durchaus be-
grüßt, von meinen Kollegen der Koalition mit Sicherheit
lang und breit erläutert worden sind . Aber diese hätten
deutlich besser ausfallen müssen .
Aufgrund der oben geschilderten Umstände, der Ver-
weigerung der Koalition, den externen Sachverstand in
das Gesetz einfließen zu lassen, kann die Linke dem Ge-
setz nicht zustimmen . Mehr als eine Enthaltung ist hier
nicht drin .
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Es wird Zeit, dass wir als Gesetzgeber handeln
und die Voraussetzungen für die Unterbringung wegen
Schuld unfähigkeit nach Begehung einer Straftat ändern .
Wir sind uns einig: Der § 63 Strafgesetzbuch (StGB) muss
reformiert werden . Es sitzen viel zu viele Menschen viel
zu lange in psychiatrischen Anstalten oder Krankenhäu-
sern – und das häufig zwangsweise, mit Medikamenten
sediert gegen ihren Willen . Oft ist es dort schlimmer und
schwerer zu ertragen als im Gefängnis, und eine solche
Unterbringung dauert länger, als die Gefängnisstrafe ge-
dauert hätte, wenn es zu einer Verurteilung als schuldfä-
hig für das angeklagte Delikt gekommen wäre .
In der Anhörung im Februar hier im Deutschen Bun-
destag begrüßten die Sachverständigen grundsätzlich,
dass die Bundesregierung eine Neuregelung zur Unter-
bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorlegt .
Das sehen wir grundsätzlich auch so . In dieser Anhö-
rung wurde aber auch deutlich, dass mehr notwendig
ist, als in dem Gesetzesvorschlag steht . Wir meinen: Ein
Paradigmenwechsel muss her . Leider haben die Regie-
rungsfraktionen darüber nicht einmal ernsthaft mit uns
geredet . Deshalb haben wir unsere Vorstellungen in einen
Entschließungsantrag geschrieben, der hier heute Abend
ebenfalls zur Abstimmung steht .
Wir sehen auch, dass Straftäter, die von Medizinern
für schuldunfähig bei der Begehung der Tat erklärt wur-
den, nicht alleingelassen, sondern meist betreut und be-
handelt werden müssen – gerade auch im Interesse der
Opfer der Taten . Aber diese Betreuung muss nicht immer
stationär erfolgen . Wir wollen den Maßregelvollzug für
ambulante Behandlungs- und Sicherungsmaßnahmen
öffnen . Das heißt, ambulante Therapiemöglichkeiten und
Kontrolleinrichtungen, wie forensische Ambulanzen und
Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie, müssen endlich
ausgebaut werden . Eine enge Betreuung in einer Wohn-
gemeinschaft etwa kann eine bessere Alternative zur
Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt sein, eine
Alternative, die dem Betreuten mehr Freiheit lässt, aber
auch ausreichend Sicherheitsnotwendigkeiten genügt
und jedenfalls mit viel weniger Geld zu finanzieren ist.
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616550
(A) (C)
(B) (D)
In Italien beispielsweise ist man auf dem Weg zur ambu-
lanten Betreuung statt Zwangsunterbringung viel weiter .
Deshalb sollte in allen Fällen, in denen dies ohne eine
Gefährdung Einzelner oder der Allgemeinheit möglich
erscheint, die ambulante Behandlung den Vorzug haben
und angeordnet werden . Nur so kann eine verfassungsge-
mäße Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der
Gesellschaft einerseits und dem Freiheitsentzug Einzel-
ner andererseits auch in die Realität umgesetzt werden .
Nur wenn eine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus unumgänglich ist, sollte sie angeordnet
werden . Allerdings ist es nicht mit dem Verhältnismäßig-
keitsgrundsatz vereinbar, dass eine stationäre Unterbrin-
gung länger andauert als der Vollzug der Freiheitsstrafe,
die bei einer strafrechtlichen Verurteilung in Betracht
gekommen wäre . Die absolute Obergrenze muss das er-
kennende Gericht im Urteil festlegen . Bei schweren Ge-
walt- und Sexualdelikten können das – entsprechend der
zu verhängenden Freiheitsstrafe bei Schuldfähigkeit –
Höchstdauern von beispielsweise acht oder zehn Jahren
oder gar lebenslänglich sein . Die tatsächliche Dauer der
freiheitsentziehenden Unterbringung richtet sich letztlich
dann gleichwohl nach der Gefährdungsprognose . Perso-
nen, die nach Ablauf dieser Höchstdauer weiterhin als so
gefährlich eingeschätzt werden, dass nur eine stationäre
Unterbringung genügend Sicherheit schafft, würden aber
nicht etwa unkontrolliert entlassen werden müssen . Sie
sind, sofern dies zum Schutz der Bevölkerung zwingend
notwendig ist, dann weiterhin in für diesen Zweck geeig-
neten Einrichtungen nach Landesrecht unterzubringen .
Nur würde darüber nicht der Strafrichter urteilen, son-
dern nach Landesrecht der Zivilrichter .
Ferner sollte die Unterbringung überhaupt nur in Be-
tracht kommen bei der Gefährdung von Personen, nicht
schon dann, wenn die Gefährdung von Sachen zu erwar-
ten ist . Die Abwägung zwischen der Einschränkung von
Freiheitsrechten durch Unterbringung und einer Sachbe-
schädigung sollte zugunsten der Freiheit ausfallen .
Selbst die Bundesregierung hat zur Kenntnis genom-
men, dass die Zahl der Menschen, die auf Grundlage
des § 63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern un-
tergebracht werden, in den letzten Jahren stetig zuge-
nommen hat . Ebenso hat die Dauer der Unterbringungen
zugenommen, ohne – und genauso steht es richtigerwei-
se auch im Gesetzentwurf aus dem Justizministerium –
„dass es konkrete Belege für einen parallelen Anstieg
der Gefährlichkeit der Untergebrachten gibt“ . Insofern
bin ich enttäuscht, dass die Bundesregierung die guten
Ansätze, die der Gesetzentwurf enthält, nicht konsequent
weiterdenkt und eine umfassendere Reform wagt .
Unser Entschließungsantrag enthält ein Dutzend wei-
tere Forderungen, den Gesetzentwurf nachzubessern .
Um einen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen, soll
eine mündliche Anhörung und eine Pflichtverteidigung
bei allen Maßregeln, auch bei der Fortdauerüberprüfung,
zwingend vorgesehen werden . Jemand, der in der Psy-
chiatrie untergebracht ist, wird kaum in der Lage sein,
sich selbst zu verteidigen . Zudem führt die Anwesenheit
eines Anwalts eher zu einer intensiveren Befassung des
Gerichts mit einem Sachverhalt und kann zu einer hö-
heren Akzeptanz bei den Untergebrachten beitragen . Die
Regierungskoalition hat auf eine ausdrückliche Regelung
hierzu verzichtet, da Rückmeldungen aus der Praxis er-
geben hätten, dass eine Pflichtverteidigung ohnehin häu-
fig angeordnet werde. Dieses Argument überzeugt nicht;
denn dann wäre eine gesetzliche Klarstellung hierzu völ-
lig unschädlich . Aber es wäre sichergestellt, dass diese
Regelung tatsächlich in allen Fällen greift .
Vor allem soll das Selbstverständliche geschehen:
Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) muss
umgesetzt und beachtet werden . Verschiedene Verbände
haben auf diesen Mangel hingewiesen . Im Regierungs-
entwurf fehlt eine Auseinandersetzung mit dieser Kon-
vention völlig . Großer Reformbedarf besteht auch hin-
sichtlich der Gutachterbestellung . Der Gesetzentwurf
sieht erhöhte Anforderungen an (externe) Sachverstän-
digengutachten bei der Überprüfung der Unterbringung
vor . Wir haben bereits in der Debatte zur ersten Lesung
darauf hingewiesen, dass diese nicht ausreichend sind .
Wir wollen die Kriterien für die Auswahl von Gutachtern
und Gutachterinnen gesetzlich konkreter vorschreiben .
Das bezieht sich auf die Grundqualifikation, die Mindest-
berufserfahrung und erforderliche Zusatzqualifikationen
einschließlich Sachkunde über die gemeindeorientierte
Soziale Psychiatrie mit ihren Strukturen zur sozialen Be-
wältigung von Gefährlichkeit . Nur so ist wirklich sicher-
gestellt, dass qualifiziertes Personal mit entsprechender
aktiver praktischer und therapeutischer Erfahrung zur
Begutachtung herangezogen wird .
Bei der Abstimmung werden wir mit Enthaltung stim-
men . Wir wollen damit deutlich machen, dass wir den
Schritt in die richtige Richtung sehen, der leider nicht
weit genug geht und wichtige Empfehlungen nicht be-
rücksichtigt . Die Chance für eine umfassende, dringend
notwendige Reform wird verpasst .
Anlage 17
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zu dem Straßburger
Übereinkommen vom 27. September 2012 über
die Beschränkung der Haftung in der Binnen-
schifffahrt (CLNI 2012)
– des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung
der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiff-
fahrt
(Tagesordnungspunkt 21)
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Heute beraten
und beschließen wir in zweiter und dritter Lesung das
Zweite Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung
in der Binnenschifffahrt sowie das Gesetz zu dem Straß-
burger Übereinkommen vom 27 . September 2012 über
die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt,
das sogenannte CLNI 2012 .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16551
(A) (C)
(B) (D)
CLNI 2012 löst das Straßburger Übereinkommen
über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff-
fahrt CLNI ab, dehnt aber in begrüßenswerter Weise den
geografischen Anwendungsbereich aus. Während der
Anwendungsbereich von CLNI nur auf vier Staaten be-
schränkt ist, erweitert CLNI 2012 den Anwendungsbe-
reich und ermöglicht dadurch eine umfassendere Rechts-
vereinheitlichung . Inhaltlich modernisiert CLNI 2012
darüber hinaus das Haftungsbeschränkungsregime des
CLNI .
Grundlage bleibt bei CLNI 2012 dabei das Prinzip der
summenmäßig beschränkten, persönlichen Haftung des
Schiffseigentümers, Bergers bzw . Retters . Grundsätzlich
haften diese Personenkreise unbeschränkt und mit ihrem
gesamten Vermögen, können aber ihre Haftung für An-
sprüche, die aus der Verwendung des Schiffes entstehen,
auf bestimmte Haftungshöchstbeträge beschränken .
Diese durch CLNI 2012 deutlich angehobenen
Höchstbeträge ergeben sich aus den technischen Eigen-
arten des Schiffes und gelten grundsätzlich für die Sum-
me aller sich aus der Verwendung des Schiffes ergeben-
den Ansprüche . Wie bereits bei CLNI gelten auch bei
CLNI 2012 für Personenschäden gesonderte Haftungs-
höchstbeträge . Neu eingeführt wurden durch CLNI 2012
gesonderte Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus der
Beförderung gefährlicher Güter .
Unverändert kann die Haftungsbeschränkung auch
gemäß CLNI 2012 durch Errichtung eines Haftungs-
fonds, aus dem alle Gläubigerforderungen zu befrie-
digen sind, oder durch einredeweise Geltendmachung
der Haftungsbeschränkung bewirkt werden . Ist ein Haf-
tungsfonds errichtet, beschränkt CLNI 2012 im Interesse
des Schuldners die Haftung gegenüber allen Gläubigern
auf diesen Fonds; weitere Ansprüche gegen das sonstige
Vermögen des Schiffseigentümers, Bergers oder Retters
können nach der Errichtung eines Haftungsfonds nicht
mehr geltend gemacht werden . Unerheblich – und damit
gegenüber CLNI neu geregelt – ist dabei, ob der Gläu-
biger seinen Anspruch tatsächlich gegen den Haftungs-
fonds geltend macht .
CLNI 2012 und die entsprechende Umsetzung sehen
damit einen angemessenen Interessenausgleich zwischen
dem Schuldner und den Gläubigern, die von den deutlich
erhöhten Haftungshöchstbeträgen profitieren, vor.
Durch die Änderungen insbesondere des Binnen-
schifffahrtsgesetzes, der Zivilprozessordnung und der
Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung werden die
Klarheit und Einheitlichkeit des Binnenschifffahrtsrechts
sichergestellt . Die CLNI-Einarbeitung in das nationa-
le Recht erleichtert darüber hinaus die Handhabbarkeit
der Vorschriften über die Haftungsbeschränkungen in
der Binnenschifffahrt . Anwendungsschwierigkeiten, die
sich aus einem Nebeneinander von innerstaatlichen und
völkerrechtlichen Regelungen ergeben könnten, werden
dadurch vermieden .
Die CDU/CSU-Fraktion wird den Gesetzentwürfen
zustimmen .
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir möchten heute
mit diesen beiden Gesetzentwürfen ein einheitliches Sys-
tem der Haftungsbeschränkungen in der Binnenschiff-
fahrt schaffen . Durch das neue Straßburger Übereinkom-
men aus dem Jahr 2012 soll der Kreis der ratifizierenden
Staaten erweitert werden . Das Übereinkommen setzt ei-
nen Anreiz zur Ratifizierung an andere Staaten; denn Ziel
ist es, ein einheitliches Haftungsregime in möglichst vie-
len Staaten zu schaffen . Die Rechtssicherheit wird über
die Ländergrenzen hinweg gestärkt .
Das Übereinkommen regelt Ansprüche, die für
Schiffseigentümer, Berger und Retter bei der Verwen-
dung von Schiffen entstehen . Das Übereinkommen sieht
eine deutliche Erhöhung der Haftungshöchstbeträge vor .
Die Gläubiger der erfassten Ansprüche gegen Schiffsei-
gentümer werden gestärkt . Die Haftungsbeschränkung
kann vom Schuldner einredeweise geltend gemacht wer-
den oder erfolgt durch Errichtung eines Haftungsfonds .
In einem ersten Schritt möchten wir nun dem unter-
zeichneten Straßburger Übereinkommen zustimmen . Als
parlamentarischer Gesetzgeber sind wir zur Zustimmung
eines völkerrechtlichen Vertrags aufgerufen . Auf diesem
Weg gelangt das Übereinkommen zur Geltung im deut-
schen Recht . In einem zweiten Schritt sollen die Rege-
lungen aus dem Abkommen in das deutsche Binnenrecht
eingearbeitet werden . Dies erfordert Anpassungen im
Binnenschifffahrtsgesetz, der Zivilprozessordnung und
weiteren flankierenden Regelungen.
Wir haben uns gegen eine unmittelbare Anwendung
des Übereinkommens ausgesprochen . Dies stellt jedoch
keinen Nachteil dar . Es wird vielmehr der verbindliche
Inhalt des Übereinkommens in die bestehenden Geset-
ze implementiert . Wir schaffen mehr Klarheit und Ein-
heitlichkeit . Die Regelungen sind klar, weil sich für den
Rechtsanwender eine bessere Lesbarkeit und Handhab-
barkeit der Vorschriften aus einem einzigen Gesetz erge-
ben . Ein Nebeneinander von innerstaatlichen Vorschrif-
ten und völkerrechtlichen Regelungen wird vermieden .
Wir schaffen auch eine Einheitlichkeit von Regelun-
gen . Die Vorschriften zur Haftungsbeschränkung in der
Binnenschifffahrt finden nicht nur bei internationalen
Sachverhalten, sondern auch bei nationalen Sachverhal-
ten ihre Anwendung . Nicht zuletzt wahrt der Grundsatz
der völkerrechtskonformen Auslegung der nationalen
Gesetze eine einheitliche Umsetzung des Übereinkom-
mens . Im Ergebnis führt das Mehr an Klarheit und Ein-
heitlichkeit zu einem Mehr an Rechtssicherheit . Ich bitte
daher um Zustimmung zu den Gesetzentwürfen .
Dirk Wiese (SPD): Hintergrund der Regelung, die
heute hier zu verabschieden ist, ist die Notwendigkeit der
Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen zur Ratifika-
tion der Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff-
fahrt – CLNI 2012 – vom 27 . September 2012 . Diese
soll das von Deutschland ratifizierte Straßburger Über-
einkommen vom 4 . November 1988 über die Beschrän-
kung der Haftung in der Binnenschifffahrt CLNI 1988
ersetzen, dessen räumlicher Anwendungsbereich im
Wesentlichen auf Beförderungen auf Rhein und Mosel
beschränkt ist . Das ist notwendig, da das CLNI 1988 nur
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616552
(A) (C)
(B) (D)
für vier Staaten galt und das CLNI 2012 durch bessere
Regelungen das Ziel verfolgt, für einen größeren Kreis
von Staaten attraktiver zu sein . Deshalb soll also das alte
Abkommen schnellstmöglich ersetzt werden .
Lassen Sie mich kurz die historische Bedeutung des
Ursprungsübereinkommens hervorheben: Das Überein-
kommen CLNI 1988 wurde im Rahmen einer von der
Zentralkommission für die Rheinschifffahrt – ZKR – er-
richteten Arbeitsgruppe ausgearbeitet und auf einer Dip-
lomatischen Konferenz unter Beteiligung der vorgenann-
ten Staaten sowie Luxemburgs verabschiedet . Mitglieder
der Arbeitsgruppe waren Vertreter von Belgien, Frank-
reich, der Niederlande, der Schweiz und Deutschlands .
Das Abkommen trat am 1 . September 1997 für Luxem-
burg, die Niederlande und die Schweiz und am 1 . Juli
1999 für Deutschland völkerrechtlich in Kraft . Nach
Verabschiedung der CLNI 1988 bekundeten Staaten, die
nicht an den Arbeiten im Rahmen der ZKR beteiligt ge-
wesen waren, ihr Interesse an dem mit der CLNI 1988
geschaffenen Haftungsbeschränkungsregime .
Leider war ein Beitritt aller interessierten Staaten
jedoch nicht möglich; denn dieser ist nach Artikel 16
Absatz 1 CLNI 1988 nur den Vertragsparteien der Revi-
dierten Rheinschifffahrtsakte vom 17 . Oktober 1868 oder
des Vertrags vom 27 . Oktober 1956 über die Schiffbar-
machung der Mosel gestattet . Nur Belgien, Deutschland,
Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz
und das Vereinigte Königreich konnten den Vertrag so-
mit zeichnen . Für andere Staaten bietet sich nach Arti-
kel 16 Absatz 3 CLNI nur die Möglichkeit des Beitritts,
sofern diese eine direkte schiffbare Verbindung zu einer
Wasserstraße haben, die der Mannheimer Akte oder dem
Moselvertrag unterliegt, und sie zusätzlich durch ein-
stimmigen Beschluss der Staaten, für die die CLNI 1988
in Kraft getreten ist, zum Beitritt eingeladen werden . Für
interessierte Staaten ohne direkte Verbindung wurde auf
Vorschlag Deutschlands in der ZKR eine Arbeitsgrup-
pe eingerichtet und damit beauftragt, Vorschläge für ein
Zusatzprotokoll zur CLNI 1988 zu erarbeiten, um den
Beitritt zum Übereinkommen zu erleichtern und zugleich
bestehende Mängel zu beseitigen . Diese Arbeitsgruppe
begann ihre Arbeit im Juni 2007 .
Im Laufe der Arbeiten kam die Arbeitsgruppe überein,
statt eines Zusatzprotokolls aus rechtstechnischen Grün-
den ein neues Übereinkommen auszuarbeiten . Zusätzlich
wurde beschlossen, auch die Haftungshöchstbeträge an-
zuheben, um sie an die Haftung für Seeforderungen an-
zugleichen . Im September 2012 war es dann schließlich
so weit . Auf Einladung der ZKR fand in Straßburg eine
Diplomatische Konferenz zur Verabschiedung des neuen
Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in
der Binnenschifffahrt statt .
13 Staaten nahmen teil: Belgien, Bulgarien, Deutsch-
land, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich,
Polen, Schweiz, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ungarn .
Darüber hinaus waren auch fünf nichtstaatliche Organi-
sationen vor Ort: Europäische Binnenschifffahrts-Union,
Europäische Schifferorganisation, European Transport
Workers’ Federation, Internationale Vereinigung zur
Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Binnen-
schifffahrt und der Versicherung und zur Führung des
Binnenschiffsregisters in Europa und die Union europäi-
scher Industrie- und Handelskammern . Per Akklamation
wurde das Übereinkommen CLNI 2012 schließlich am
27 . September 2012 verabschiedet . Belgien, Frankreich
und Luxemburg unterzeichneten das Übereinkommen
noch am Tage seiner Verabschiedung . Bis zum Ablauf
der Zeichnungsfrist am 26 . September 2014 zeichneten
noch vier weitere Staaten, nämlich Deutschland, Nieder-
lande, Polen und Serbien .
Kernänderung ist der stark erweiterte geografische
Anwendungsbereich der CLNI 2012 im Vergleich mit der
CLNI 1988. So findet die CLNI 2012 stets Anwendung,
wenn sich ein Schadensereignis auf einer Wasserstraße
im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ereignet . Die in der
CLNI 1988 vorgesehene geografische Beschränkung des
Anwendungsbereichs auf Wasserstraßen, die der Mann-
heimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegen, entfällt .
Dadurch ist gewährleistet, dass das System auch dann zur
Anwendung gelangt, wenn sich eine Schiffshavarie etwa
auf der Donau, der Elbe, der Oder oder der Save ereignet
hat . Bestimmte Binnengewässer, die keine internationale
Bedeutung haben, können von der Anwendung des Über-
einkommens ausgeschlossen werden .
Sie sehen, das ist eine wirklich sinnvolle Erweiterung
der CLNI 1988 durch die CLNI 2012 . Bisher haben Ser-
bien und Luxemburg das Übereinkommen ratifiziert.
Weitere Staaten bereiten die Ratifikation gegenwärtig
vor . Mit der Verabschiedung des heute hier vorliegenden
Vertragsgesetzes machen wir den Weg für eine Ratifika-
tion durch Deutschland frei .
Herbert Behrens (DIE LINKE): Sicherheit auf den
Flüssen und Kanälen, saubere Transporte und eine Bin-
nenschifffahrt mit Zukunft . Das sind die politischen Zie-
le der Linksfraktion . Mit dem Gesetz zur Änderung der
Haftungsbeschränkung kommen wir dem Ziel näher;
denn mit diesem Gesetz bekommt die Binnenschifffahrt
mehr Sicherheit, wenn denn doch einmal etwas passiert .
Binnenschiffer und Schifffahrtsunternehmen müssen
nicht fürchten, im Falle einer Havarie um Kopf und Kra-
gen gebracht zu werden . Das begrüßen wir und stimmen
deshalb dem Gesetz zu .
Wir reden heute über eine Änderung eines bestehen-
den Gesetzes . Mit der Änderung werden die Regelungen
des „Straßburger Übereinkommens von 2012 über die
Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt“ –
abgekürzt CLNI 2012 – in das bestehende Binnenschiff-
fahrtsgesetz eingefügt . Das führt zu mehr rechtlicher
Klarheit im Binnenschifffahrtsrecht, und es führt auch
dazu, dass bestehendes Recht einfacher gehandhabt wer-
den kann – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der
umweltfreundliche Verkehrsträger Binnenschiff bessere
Chancen erhält, mehr Transporte über das Wasser abzu-
wickeln .
Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt ist
keine neue Erfindung. Sie galt bisher aber im Wesentli-
chen für die Schifffahrt auf dem Rhein und auf der Mo-
sel . Das war im Straßburger Übereinkommen von 1998
so geregelt, das von Deutschland ratifiziert worden ist
und in den vier Staaten Deutschland, Luxemburg, Nie-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16553
(A) (C)
(B) (D)
derlande und der Schweiz angewendet wird . Das Über-
einkommen von 2012 soll das einheitlich Haftungsbe-
schränkungssystem der CLNI 2012 für einen größeren
Kreis von Staaten attraktiver machen . So soll es dann
auch für alle Binnengewässer sowie für Donau, Elbe,
Oder und Save gelten . Das ist ein Fortschritt .
Des Weiteren waren Haftungshöchstgrenzen gültig,
die nicht mehr ganz auf die heutige Wirklichkeit passen .
Es ist notwendig, dass Versicherungssummen so hoch
angesetzt werden, dass sie auch die möglichen Schadens-
fälle abdecken . Dazu ist eine Anpassung erforderlich .
Die Erhöhung fällt aber deftig aus: Bei den Ansprüchen
wegen Personen- und Sachschäden werden die Höchstbe-
träge verdoppelt, bei den Höchstbeträgen für Ansprüche
von Reisenden auf Passagierschiffen sind es 66 Prozent
mehr . Das bringt die Gefahr mit sich, dass die Versiche-
rungsbeiträge ebenfalls deutlich steigen könnten . Bisher
gibt es dafür keine Anzeichen .
Aber die Position der Versicherungswirtschaft ist ein-
deutig . Als vor vier Jahren die Revision des CLNI disku-
tiert wurde, gab es eine prompte Reaktion . „Die deutsche
Versicherungswirtschaft erkennt keine Notwendigkeit,
die bisherigen Haftungsbegrenzungen zu erhöhen“, kom-
mentierte der Gesamtverband der Deutschen Versiche-
rungswirtschaft, GDV, und er kündigte vorsorglich an,
dass sich „wesentlich erhöhte Haftungsrisiken in deutlich
höheren Versicherungsprämien niederschlagen“ werden .
Die Binnenschifffahrt gehört jedoch zu den sichers-
ten Verkehrsträgern . Laut einer Studie der PLANCO
Consulting GmbH entfielen in den Jahren 2000 bis 2015
lediglich 1,1 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Unfall-
folgen auf die Binnenschifffahrt . Und vom Grundsatz her
richten sich die Versicherungsprämien nach dem Risiko
des Versicherungsnehmers . Bei gleichbleibendem Risiko
dürfen deshalb die Prämien nicht überproportional stei-
gen .
Die Bundesregierung schätzt das Risiko einer spürba-
ren Erhöhung der Versicherungsprämien als gering ein .
Wir sagen hier aber ganz klar und deutlich: Wenn die
Linksfraktion dem Gesetz zustimmt, dann heißt das, dass
wir sehr genau darauf schauen werden, dass die Versiche-
rungswirtschaft die Anhebung der Höchstgrenzen nicht
zur Abzocke der Versicherungsnehmer missbraucht .
Darüber hinaus muss vermieden werden, dass in der
Zukunft erneut so extreme Anhebungen der Haftungs-
grenzen vorgenommen werden, weil man versäumt, sie
rechtzeitig anzupassen . Es ist sinnvoll, dass künftig alle
fünf Jahre die Haftungshöchstbeträge anhand der Inflati-
onsrate überprüft werden . Das macht es für die Versiche-
rungsnehmer kalkulierbar, und den Versicherern werden
Vorwände genommen, bei den Prämien zuzuschlagen .
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Heute geht es um die Änderungen der Haftungsbeschrän-
kungen durch das Straßburger Abkommen für die Bin-
nenschifffahrt . Deutschland wird dieses Abkommen nun
ratifizieren und überträgt die notwendigen Maßnahmen
in ein nationales Gesetz . Die Änderungen sehen in der
Binnenschifffahrt eine Erhöhung der Haftungshöchst-
summen allgemein sowie für Passagierschäden vor .
Die Beschränkung der Haftung dient dazu, dass
Schuldner, also die Binnenschiffer, etwa im Falle eines
Unfalls nicht in jeder Höhe für einen Schaden einzuste-
hen haben, sondern nur bis zu einer im Gesetz geregelten
Höhe . Die Regelungen für Haftungshöchstsummen gel-
ten für Schiffseigentümer, Berger und Retter .
Viele Jahre sind die Haftungsbeschränkungen in der
Binnenschifffahrt nicht geändert worden; daher ist die
aktuelle Anpassung eine notwendige Maßnahme, die
längst überfällig war . Im Transport- und Logistikbereich
kennen wir so etwas etwa als Haftungsbeschränkung des
Auftragnehmers . Dabei handelt es sich um Schäden im
Rahmen von Transport oder Lagerung . Diese Beschrän-
kungen sind zum Beispiel in den Allgemeinen Geschäfts-
bedingungen (AGB) geregelt . Im Fall der Binnenschiff-
fahrt gibt es aufgrund des oft grenzüberschreitenden
Handels ein Übereinkommen, das sich auf jene Güter-
oder Verspätungsschäden bezieht und auch regelt, wann
Haftungsbeschränkungen nicht zum Tragen kommen .
Interessant wird das Gesetz bezogen auf Passagiere
insbesondere dann, wenn sie auf einem Binnenschiff ver-
spätet am Ziel ankommen oder auch ihr Gepäck dadurch
nicht zum versprochenen Zeitpunkt das Ziel erreicht . Da-
mit wird der Schutz der Reisenden auf Binnenschiffen
deutlich gestärkt .
Der Stellenwert eines Haftungsfonds zur Deckung von
Ansprüchen wird nun erhöht; das Vermögen der Schiffs-
eigner, Berger oder Retter soll nicht mehr herangezogen
werden . Mit der Änderung ist auch zu erwarten, dass die
Binnenschiffe mit größerer Sorgfalt betrieben werden .
Das ist sehr sinnvoll! Mit höheren Summen für die Be-
schränkung der Haftung könnten Versicherungssummen
zwar ansteigen, die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten
solcher Fälle ist jedoch gering . Die Begründung der Bun-
desregierung in der Gesetzesvorlage ist nachvollziehbar .
Nur rund 1 Prozent aller Schäden im Verkehrsbereich be-
trifft die Binnenschifffahrt .
Durch die äußerst geringe Schadensquote im Bereich
Binnenschifffahrt hat sie hier einen kleinen Wettbe-
werbsvorteil gegenüber anderen Verkehrsträgern . In ei-
nem anderen Bereich liegt die Binnenschifffahrt jedoch
weit hinter den anderen Verkehrsträgern zurück: Die Zu-
verlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur im Bereich Was-
serstraße lässt stark zu wünschen übrig . Anders als bei
anderen Verkehrsträgern gibt es im Fall von Bauarbeiten
kaum Ersatzstrecken . Damit sind zuverlässige Verkehre
aufgrund maroder Schleusen in vielen Wasserstraßenab-
schnitten nur noch begrenzt möglich . Trotz des hohen In-
vestitionsstaus wurden in den vergangenen Jahren immer
wieder mehrere 100 Millionen Euro nicht verbaut, weil
der Wasserstraßenverwaltung die Planer für neue Projek-
te fehlen . Das ist der reale Irrsinn!
Die Bundesregierung muss hier dringend für Wettbe-
werbsgleichheit sorgen und endlich sowohl den Investiti-
onsstau der Wasserstraßen beseitigen als auch eine echte
Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung
voranbringen .
Wir werden dem Gesetz zustimmen, erwarten jedoch
von der Bundesregierung, dass die Hürden, die in der
Wasserstraßeninfrastruktur bestehen, endlich beseitigt
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616554
(A) (C)
(B) (D)
werden . Zögern sie da endlich nicht mehr! Ein Abwra-
cken der Binnenschifffahrt möchte ich nicht erleben, weil
der Amtsschimmel gerettet wurde, statt auf die Dienst-
leistungsorientierung zu setzen . Bringen Sie in der gro-
ßen Koalition auch endlich die Reform der Wasserstra-
ßen- und Schifffahrtsverwaltung voran!
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Bundesstatistikgesetzes und anderer Statistik-
gesetze (Tagesordnungspunkt 22)
Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Heute widmen wir
uns zum zweiten und letzten Mal dem Gesetz zur Än-
derung des Bundesstatistikgesetzes . Die Beratungen zu
diesem Gesetzentwurf waren aus meiner Sicht ein Pa-
radebeispiel dafür, dass das parlamentarische Verfahren
ein lernendes Verfahren ist . Es war ein sehr gutes Bei-
spiel dafür, dass Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft sehr
genau auf das schauen, was wir in unserem Hause dis-
kutieren . Beide Aspekte zeigen, dass unsere parlamen-
tarischen Verfahren funktionieren und gesetzgeberische
Ergebnisse ermöglichen, von denen die Allgemeinheit
profitieren kann.
In meiner letzten Rede sprach ich beispielsweise da-
von, dass ordentliche und gut geführte Statistiken wichtig
seien; denn erst dadurch könnten ausgewogene politische
Entscheidungen getroffen werden . In der Folge erreich-
ten mich prompt viele Zuschriften, die mich sehr genau
beim Wort nahmen . Zu Recht haben Vertreter aus der
Wissenschaft sowie aus einigen Statistikämtern darauf
hingewiesen, dass die im ursprünglichen Gesetzentwurf
vorgesehene Speicherfrist von zehn Jahren für Indikato-
ren aus dem Unternehmensregister mit dem Anspruch
an ordentliche Statistiken nicht zu vereinbaren gewesen
wäre . Dies war zwar auch einer der Änderungswünsche
des Bundesrates, allerdings hat uns hier der Rücklauf,
vor allem aus der Wissenschaft, das Problem nochmals
sehr anschaulich vor Augen geführt .
Natürlich haben wir diese Hinweise dann in den da-
rauf folgenden Berichterstattergesprächen berücksich-
tigt, wie es in einem lernenden Gesetzgebungsverfahren
üblich ist . Entsprechend konnten wir uns darauf einigen,
die Frist auf 30 Jahre zu verlängern . Dies ist daher auch
in den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ein-
geflossen. Im Übrigen beginnt diese Frist erst dann zu
laufen, wenn die jeweilige Erhebung abgeschlossen ist
und nicht bereits mit der Aufnahme der Daten . Ich möch-
te noch erwähnen, dass wir uns diese Fristverlängerung
wohl überlegt haben . Schließlich geht es hier auch um
die berechtigten Datenschutzbelange der betroffenen
Unternehmen . Eine Speicherung darf daher nicht ohne
Weiteres vorgenommen werden .
Allerdings werden die Daten über die Unternehmen
anonymisiert gespeichert. Eine Identifizierung eines ein-
zelnen Unternehmens ist aus diesen Daten heraus nicht
möglich . Richtig ist, dass es eine theoretische Möglich-
keit gibt, die Daten wieder zu deanonymisieren . Hierzu
müsste jedoch Recht und Gesetz umgangen werden, und
man sollte eine Regelung nicht deshalb in ihrer Wirkung
einschränken, weil es rechtswidrige Wege gibt, sie aus-
zuhebeln .
Liebe Vertreter der Wissenschaft und der verschiede-
nen Statistikämter: Vielen Dank jedenfalls dafür, dass
Sie sich mit Hinweisen und Zuschriften eingebracht ha-
ben . Ich meine, dass wir Ihre Anregungen angemessen
berücksichtigen konnten . An dieser Stelle möchte ich
mich auch nochmals herzlich bei meinem Mitbericht-
erstatter Matthias Schmidt der SPD-Fraktion für die gute
und angenehme Zusammenarbeit bedanken . Mein Dank
gilt ebenfalls unserem Parlamentarischen Staatssekretär
Dr . Ole Schröder, der zusammen mit den Vertretern des
Bundesministeriums des Innern die Berichterstatterge-
spräche sehr hilfsbereit und unkompliziert begleitet hat .
Als erster Redner möchte ich nun die weiteren Punkte
vorstellen, die wir bei der Erarbeitung des Änderungsan-
trags im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt haben:
Schon vor Beginn des Verfahrens hatte die Bundesregie-
rung zugesichert, im Bereich der Zusatzaufbereitungen
für Bundeszwecke durch das Statistische Bundesamt den
Zusatz „auf Anforderung oberster Bundesbehörden“ auf-
zunehmen . Hierdurch wird verdeutlicht, dass sowohl Zu-
satzaufbereitungen als auch makro-ökonomische Analy-
sen ausschließlich zu Bundeszwecken vom Statistischen
Bundesamt durchgeführt werden dürfen . Ansonsten hätte
sich bei der Erstellung von Zusatzaufbereitungen eine
Aufhebung des Subsidiaritätsprinzips ergeben können .
Die Länder sind für Aufbereitungen nämlich grundsätz-
lich zuständig, und nur auf besondere Anforderung durch
oberste Bundesbehörden erstellt das Statistische Bundes-
amt benötigte Zusatzaufbereitungen . Mit dieser Kompro-
missformel wird diesem Umstand Rechnung getragen .
In eine ähnliche Richtung geht eine weitere Änderung,
die sich auf den Abruf von bei anderen Verwaltungsstel-
len vorhandenen Daten durch das Statistische Bundes-
amt bezieht . Ich hatte diesen Mechanismus, mit dem
Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft bei der
Datenerhebung entlastet werden sollen, schon in meiner
letzten Rede erwähnt . Hier haben wir nun noch den Zu-
satz eingefügt, dass sich die Stellen des Bundes, die bei
den Verwaltungsstellen der Länder diese Daten abfragen,
zunächst mit den zuständigen Ministerien der Länder
ins Benehmen setzen . Diese Einfügung hatte zuvor auch
der Bundesrat gefordert . Ich denke, dass der Zusatz den
Bund-Länder-Beziehungen auf dem Gebiet der Statistik
sicherlich zuträglich und daher vernünftig ist .
Des Weiteren wurde in den Gesprächen deutlich, dass
insbesondere die Interessen der Gemeinden und der Ge-
meindeverbände stärker berücksichtigt werden sollen .
Bei der Anordnung von Bundesstatistiken per Gesetz
sollte bisher lediglich das Informationsbedürfnis der
Länder berücksichtigt werden . Künftig soll auch dem In-
formationsbedürfnis der Gemeinden Rechnung getragen
werden, sobald Bundesstatistiken angeordnet werden .
Letztlich haben wir noch redaktionelle Versehen berich-
tigt .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16555
(A) (C)
(B) (D)
Mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten
Änderungsantrag kann der Gesetzentwurf der Bundes-
regierung nun verabschiedet werden . Mit Berücksich-
tigung dieser Änderungen bin ich sehr zuversichtlich,
dass das Statistikwesen im Sinne von Wissenschaft und
statistischer Praxis, aber auch zur Entlastung unserer
Bürgerinnen und Bürger sowie unserer Wirtschaftsun-
ternehmen modernisiert wird . Ich darf mich bei den Be-
teiligten nochmals für die konstruktive Zusammenarbeit
bedanken .
Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Inzwischen habe
ich in diesem hohen Hause schon häufiger zu Gesetzes-
vorhaben und Anträgen gesprochen, die statistische The-
men betreffen . Immer war es mir wichtig, den Wert der
Arbeit der Menschen im Statistischen Bundesamt und in
den Landesämtern zu betonen . Gerne will ich das heu-
te bekräftigen. Ohne die fleißige, akribische Arbeit, die
dort geleistet wird, stünden wir bei unseren politischen
Entscheidungen häufig im Nebel. Worauf sollten wir uns
bei Entscheidungen zur Rente, zur Pflege, zur Sozialver-
sicherung oder auch zur Wirtschaft stützen? Auf Daten,
die uns gut aufbereitet zur Verfügung gestellt werden .
Den Kolleginnen und Kollegen – da sind wir uns sicher
einig – möchte ich an dieser Stelle danken .
Nun haben wir uns mit dem heute vorliegenden Ge-
setzentwurf vorgenommen, einige sinnvolle Änderungen
im Bundesstatistikgesetz vorzunehmen . So geht es im
Kern um die Modernisierung und Vereinfachung von Ver-
fahren . Das ist ohne Zweifel ein guter Anlass . Dann geht
es um die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern und
der Wirtschaft – auch das ist ein guter Ansatz . Letztlich
geht es auch um die Herstellung von Rechtsklarheit und
die Angleichung an EU-Rechtsnormen, die wir damit er-
reichen wollen. Dazu sind wir verpflichtet. In den meis-
ten Punkten sind die Änderungen des Gesetzentwurfs
vollkommen unstrittig . Sie bringen einen Fortschritt, und
das sagen uns die Menschen, die mit den Daten täglich
umgehen, sei es als Statistiker oder als Forscher .
In einigen wenigen Punkten gibt es jedoch noch Wün-
sche . Worum geht es? Lassen Sie uns dazu einmal die
Perspektive der Menschen einnehmen, die diese Daten
nutzen . Hier möchte ich ein Beispiel aufgreifen, das
mir von einer Statistikerin nahegelegt wurde . Nehmen
wir einen Wirtschaftswissenschaftler, der im Jahr 2018
die Ursachen und Folgen der Wirtschaftskrise untersu-
chen möchte . Sie alle erinnern sich: Das war 2008 . Ein
Crash mit Folgen für die ganze Welt und auch für uns
in Deutschland . Die Frage nach den Ursachen und nach
Strategien, um das in Zukunft zu verhindern, hat also
hohe Bedeutung . Nun benötigen die Forscher für ihre
Untersuchungen eine Menge an Daten . Nach dem ersten
Entwurf konnten sie lediglich auf Datenreihen aus den
letzten zehn Jahren zurückgreifen; denn hier war vor-
gesehen, die Speicherfrist auf zehn Jahre festzusetzen .
Werfen wir einen Blick auf die Forschungsfrage . Für die
Betrachtung der Ursachen der Wirtschaftskrise müsste
natürlich auch ein Blick auf die Zeit vor 2008 geworfen
werden . Das wäre nach dem ursprünglichen Entwurf in
Form von Zeitreihen nicht mehr möglich . Damit würden
ganz wesentliche Datengrundlagen fehlen . Jedem leuch-
tet sofort ein, dass das eine große Einschränkung bedeu-
tet und damit das gesamte Forschungsanliegen gefährdet .
Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel anführen,
das uns allen viel bedeutet: die deutsche Einheit . Jedes
Jahr besprechen wir hier im Plenum den „Jahresbericht
der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit“ .
Hier erhalten wir einen sehr detailreichen Einblick in die
wirtschaftliche, soziale und gesamtgesellschaftliche Ent-
wicklung seit 1990 . Dieser Bericht ist voll mit Diagram-
men und Tabellen, die alle auf statistischen Daten fußen .
Hier werden Entwicklungen nachgezeichnet, analysiert
und daraus Schlussfolgerungen für die Wirkung von po-
litischen Entscheidungen gezogen . Welche Bedeutung
hatten welche Förderprogramme zum Beispiel auf die
Abwanderung von Menschen? Das sind ungemein wich-
tige Fragen, und hier wird deutlich: Ohne einen Blick
über zehn Jahre hinaus, verlieren wir einen ganz wichti-
gen Zugang . Die Forschung braucht langfristige Zeitrei-
hen, um Entwicklungen aus 25 Jahren nachzuzeichnen .
Je nach aktueller Entwicklung sind dabei auch neue Fra-
gen zu untersuchen . Daten müssen dafür neu verknüpft
werden können, um neue Aspekte zu beleuchten . Das ha-
ben wir verstanden und dafür Sorge getragen, dass dieser
berechtigte Einwand seinen Niederschlag findet. Dafür
haben wir die Frist, die auf zehn Jahre reduziert werden
sollte, auf 30 Jahre verlängert . Damit haben wir dem aus-
drücklichen Wunsch der Wissenschaft und auch der Sta-
tistikerinnen und Statistiker entsprochen .
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat in
ihrer schriftlichen Stellungnahme zum vorgelegten Än-
derungsantrag der Koalition ausdrücklich bestätigt, dass
diese Verlängerung im Einklang mit der Rechtsprechung
steht . Die Bundesbeauftragte hält jedoch eine Speicher-
frist der Unternehmenskennziffern von zehn Jahren für
ausreichend bemessen und 30 Jahre für unverhältnismä-
ßig . Hier irrt meines Erachtens die Bundesbeauftragte .
Zum einen ist es genau Sache des Gesetzgebers, die Frist
so festzusetzen, dass verlässliche Aussagen für Politik
und Wissenschaft über einen länger zurückliegenden
Zeitraum getroffen werden können . Zum anderen wird
lediglich eine verschlüsselte Kennnummer gespeichert,
die keinen Rückschluss auf das konkrete Unternehmen
zulässt . Weiterhin sind die Unternehmensdaten gerade
in den ersten zehn Jahren besonders schutzwürdig – und
diesen Zeitraum findet auch die Datenschutzbeauftragte
angemessen abgesichert . Da sich der technische und sta-
tistische Schutz in der weiteren Laufzeit nicht ändert, ist
es Sache des Gesetzgebers, diese Frist angemessen fest-
zusetzen .
Darüber hinaus haben wir noch an einer weiteren Stel-
le eine Verbesserung vorgenommen . So wird künftig auch
das Informationsbedürfnis der Gemeinden und Gemein-
deverbände, also der Kommunen, bei Anordnungen von
Bundesstatistiken Möglichkeiten der Berücksichtigung
finden. Diese waren bereits in der alten Fassung des § 5
Absatz 3 benannt . Hiernach muss die Bundesregierung
dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre berichten,
welche Kosten die Statistiken nach § 5 Absatz 2 und § 7
Bundesstatistikgesetz bei Bund und Ländern einschließ-
lich Gemeinden und Gemeindeverbänden verursachen .
Darum war es nun folgerichtig, in der jetzt vorgelegten
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616556
(A) (C)
(B) (D)
Gesetzesnovellierung auch § 5 Absatz 1 um die Gemein-
den und Gemeindeverbände zu ergänzen . Da das Infor-
mationsbedürfnis der Länder implizit auch Kommunen
beinhaltet, sollten diese auch im Gesetzestext erwähnt
werden und so ihren legitimen Interessen entsprechend
Geltung verschaffen können .
Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, bei
Gesetzentwürfen Expertinnen und Experten zu Wort
kommen zu lassen, sei es in Anhörungen oder in direkten
Gesprächen . Die Theorie muss sich an der praktischen
Erfahrung messen lassen . Das ist ein wichtiger Grund-
satz . Wir haben berechtigte Einwände beherzigt und
nachgebessert . Das schafft nicht nur bessere Resultate,
sondern stärkt auch das Vertrauen in unsere fachpoliti-
sche Arbeit .
Lassen Sie mich am Ende noch einmal zusammen-
fassen, was wir heute beschließen . Wir bringen mit der
Gesetzesänderung eine Novellierung auf den Weg, die
wichtige Modernisierungen vornimmt . Sie entlastet die
Menschen, macht die Verfahren effizienter und schafft
Rechtsklarheit . Sie bringt uns mit EU-Recht in Einklang
und vereinfacht den Austausch . Das Gesetz folgt in vie-
len Punkten den Empfehlungen des statistischen Beirats
und trägt durch unsere Arbeit auch noch Erfordernissen
der Nachbesserung Rechnung . Also: insgesamt ein gutes
Ergebnis . Lassen Sie es uns heute beschließen und damit
eine gute Arbeitsgrundlage für Statistik und Forschung
legen .
Jan Korte (DIE LINKE): Wir beraten hier heute ein-
mal mehr ein datenschutzrelevantes Thema, welches auf
den ersten Blick nicht nur staubtrocken, sondern auch
unbedeutend daherkommt . Dem ist aber mitnichten so;
denn das Bundesstatistikgesetz regelt das gesamte Or-
ganisations- und Verfahrensrecht der Bundesstatistik in
Deutschland . Der Kollege Ostermann hatte deshalb rich-
tigerweise in der ersten Lesung bereits festgestellt, dass
unsere Debatte „die informationelle Basis unseres Staa-
tes und damit unserer Gesellschaft betrifft“ .
Worum geht es dabei genau? Es ist unbestreitbar, dass
die Politik auf verlässliche statistische Daten zur wirt-
schaftspolitischen Steuerung und zur Planung des Res-
sourceneinsatzes für den Erhalt und Ausbau öffentlicher
Infrastruktur angewiesen ist . Die aktuelle Novellierung
soll das Bundesstatistikgesetz „praxisgerecht“ moderni-
sieren sowie Unternehmen und Bürgerinnen und Bür-
ger bei der Erstellung von Statistiken durch Rückgriff
auf bereits vorhandene Verwaltungsdaten entlasten . Die
Vermeidung aufwendiger Befragungen von Bürgern und
Unternehmen durch die Nutzung ohnehin schon vor-
handener Daten leuchtet ein . Allerdings gehen mit den
zentralisierten Zusammenführungen der zahllosen be-
hördlichen Datensammlungen aus unserer Sicht auch et-
liche Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung
einher .
So gehen die Gesetzesänderungen im Gefolge einer
Harmonisierung auf EU-Ebene, die sicherlich sinnvoll
ist, allerdings auch mit einer Ermächtigung der Bundes-
regierung zum Erlass von Rechtsverordnungen einher .
Zugleich sieht der Gesetzentwurf eine nicht hinzuneh-
mende Absenkung der Hürden für die Anordnung frei-
williger Erhebungen vor . Sie wollen die Anforderung aus
dem Gesetz streichen, dass Erhebungen zur Vorbereitung
und Begründung anstehender Entscheidungen dienen
sollen . Gegen diese Streichung hat auch die Bundesda-
tenschutzbeauftragte protestiert . Aber Kritik aus dieser
Richtung zu ignorieren, ist offenbar inzwischen Leitlinie
Ihrer Politik im Bereich des Datenschutzes geworden .
Bedenken haben wir, anders als die Datenschutzbeauf-
tragte, hinsichtlich der in § 13 (2) vorgesehenen Einfüh-
rung eines bundesweiten Anschriftenregisters . Mit dem
Anschriftenregister könnte eine neue Superdatenbank
über die Bevölkerung in Deutschland entstehen . Nach der
Gesetzesbegründung soll damit die Grundlage für stich-
probenartige Erhebungen und Befragungen wie dem Mi-
krozensus geschaffen werden . Nun stellt sich schon die
Frage nach der Notwendigkeit eines Mikrozensus, wenn
die Datenbasis des Statistischen Bundesamtes durch
Rückgriff auf Verwaltungsdaten ohnehin deutlich ausge-
dehnt wird . Neben den klassischen Bestandteilen einer
Anschrift wie der postalischen Adresse, der Geokoor-
dinate zur eindeutigen Identifizierung des Grundstücks
sowie einer Ordnungsnummer zur Unterscheidung der
einzelnen Datensätze sollen auch die „Gesamtzahl der
Personen“ je Anschrift sowie die „Wohnraumeigen-
schaft“ im Sinne von Gebäude mit Wohnraum, mit po-
tenziellem Wohnraum oder ohne Wohnraum gespeichert
werden . So eine Sammlung ist aus unserer Sicht sehr
heikel und könnte in gewisser Form ähnlich wie eine
Identifikationsnummer wirken, insbesondere dann, wenn
diese „Ordnungsnummer“ mit anderen Datensätzen und
Datenbanken verknüpft wird . Es handelt sich derzeit
dabei zwar um ein statistikinternes Register, das damit
sowohl den üblichen datenschutzrechtlichen Regelungen
als auch dem Statistikgeheimnis unterliegt und dessen
Angaben daher nicht übermittelt werden dürfen, solan-
ge dafür keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung
besteht . Aber die Erfahrung zeigt doch, dass das Vorhan-
densein solcher Daten allein schon Begehrlichkeiten bei
allerlei Behörden weckt . Das Anschriftenregister ist da-
her aus unserer Sicht überflüssig und gefährlich.
Problematisch erscheint mir überdies, dass künftig
„zur Pflege und Führung des Registers … Angaben aus
Bundes- und Landesstatistiken sowie aus allgemein zu-
gänglichen Quellen verwendet werden [dürfen] .“ In Zei-
ten zunehmender Digitalisierung des Alltags sollte man
es staatlichen Behörden nicht ohne Weiteres erlauben,
sogenannte „allgemein zugängliche Quellen“, die zur
Rasterung dienen können, zu nutzen .
Formulierungen wie in Absatz (3) § 11 a, wonach
„bei der elektronischen Übermittlung … ein dem Stand
der Technik entsprechendes Verschlüsselungsverfahren
zu verwenden [ist]“ sind ebenfalls unzureichend . Es ist
nicht nachvollziehbar, warum nicht explizit höhere An-
forderungen, ähnlich wie die vom BSI für die Verschlüs-
selung der Vorratsdatenspeicherungsdaten verlangten,
gestellt werden . Es geht schließlich um massenhafte
sensible personenbeziehbare Datensätze der Bürgerin-
nen und Bürger . Vor diesem Hintergrund halte ich auch
die Vorgaben für die gesonderte Speicherung der unter-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16557
(A) (C)
(B) (D)
schiedlichen Datensätze in § 12 für technisch unpräzise
und unzureichend .
Auch dass nun in § 15 (4) die Möglichkeit zur tele-
fonischen statistischen Befragung massiv ausgeweitet
wird, halte ich für bedenklich . Wie soll sich ein Telefon-
gesprächspartner ausweisen bzw . als „zulässiger, echter“
„Erhebungsbeauftragter“ verifizieren? Wie will man den
möglichen Missbrauch eindämmen? All diese Fragen
sind leider bislang ungeklärt oder unbefriedigend beant-
wortet worden .
Damit aber nicht genug: Die Länder sollen weiter-
gehend als bislang zur Anlieferung von Daten an das
Bundesamt verpflichtet werden. Kein Wunder, dass vom
Bundesrat massive Bedenken gegen den Gesetzentwurf
geltend gemacht wurden, die sich auf die föderale Zu-
ständigkeitsordnung beziehen . So sollen nach einzelnen
Regelungen Verwaltungsdaten der Kommunen direkt an
das Bundesamt gegeben werden . Der Bundesrat fordert,
dass die Prüfung der Geeignetheit der Daten für eine sta-
tistische Aufbereitung bei den Ländern verbleiben soll .
Bei der Umgestaltung des Unternehmensregisters fühl-
ten sich die Bundesländer zu Recht zu bloßen Zuliefe-
rern von Daten herabgestuft . In der Folgenabschätzung
des Gesetzentwurfs ist noch nicht einmal angegeben,
welcher Erfüllungsaufwand sich für die Länder schon al-
lein durch gesetzliche Anpassung und der Änderung von
Verordnungen ergibt, zu Kosten äußert sich der Entwurf
an dieser Stelle gar nicht . Darauf hat auch der Normen-
kontrollrat hingewiesen .
In einem Änderungsantrag ist die Koalition nun im-
merhin zum Teil auf diese Bedenken eingegangen . Bei
der Anforderung von Daten, die auf kommunaler Ebe-
ne erhoben werden, soll nun zumindest das Benehmen
mit den eigentlich zuständigen Landesämtern hergestellt
werden . Das ist gut, reicht aber bei weitem nicht aus .
Wie eingangs bereits betont: Erhebungen stellen eine
wichtige Grundlage zielgerichteten staatlichen Handelns
dar . Statistiken sollen und können helfen, die Welt zu
verstehen, um sie besser zu machen . Das Bundessta-
tistikgesetz sieht deshalb vor, dass „gesellschaftliche,
wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge aufge-
schlüsselt“ werden .
Meine Fraktion will, dass Politik und Verwaltung ver-
lässliche Daten zur Verfügung haben . Dies darf aber nur
unter strikter Beachtung und Einhaltung des Grundrechts
auf informationelle Selbstbestimmung geschehen . Den
vorliegenden Gesetzentwurf können wir, trotz der Nach-
besserungen, aufgrund der oben geschilderten Bedenken
nicht mittragen . Wir werden uns deshalb enthalten .
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die für Regierungen als auch für vernünftige
parlamentarische Betrachtungen der Wirklichkeit so
grundlegende und wichtige Arbeit der Statistikbehörden
unterliegt, neben zahlreichen anderen Vorgaben, beson-
deren datenschutzrechtlichen Anforderungen .
Mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungs-
gerichts aus den 80er-Jahren zum damaligen Zensusge-
setz begann ein Prozess der Vergesetzlichung auch der
amtlichen Statistik . Denn, so hielt es das Gericht damals
fest, auch die für rein statistische Zwecke erhobenen,
aber auf personenbeziehbare Daten basierenden Bestän-
de werfen Risiken für die informationelle Selbstbestim-
mung der Bürgerinnen und Bürger auf, denen der Gesetz-
geber mit effektiven Schutzregelungen begegnen muss .
Der heute hier zur Abstimmung gestellte Entwurf des
Bundesstatistikgesetzes erweitert und vertieft die Mög-
lichkeiten bundesdeutscher Statistikbehörden, insbeson-
dere aber des Bundesamtes für Statistik, Informationen
und Daten der Bürgerinnen und Bürger zu erfassen und
auszuwerten . So sind die verstärkte gegenseitige Nut-
zung von Datenbeständen zwischen den Behörden sowie
die Schaffung einer dauerhaften Rechtsgrundlage für ein
adressgenaues Anschriften- und Gebäuderegister für die
gesamte Bundesrepublik, betrieben unter der Federfüh-
rung des Bundesamtes, beispielhaft zu nennen .
Wir haben, anders als die Bundesbeauftragte für den
Datenschutz, welche dem Innenausschuss freundlicher-
weise ihre Stellungnahme zum Gesetzentwurf, dessen
grundsätzliche Intention wir wie ausgeführt teilen, hat
zukommen lassen, Bedenken, ob dieses geplante Regis-
ter die Schwelle der datenschutzrechtlich notwendigen
hinreichenden Erforderlichkeit tatsächlich erreicht .
Immerhin wird eine umfangreiche bundesweite Be-
stände aufweisende Datenbank dauerhaft angelegt, mit
der PLZ, Gemeinde, Straße und Hausnummer, eine Ord-
nungsnummer, die Anzahl der Personen pro Haushalt, die
Wohnraumeigenschaft, mit der Möglichkeit der Zuspei-
cherung von Daten aus Registern (aus Land und Bund)
und allgemein zugänglichen Quellen, erfasst werden .
Wir hatten solche Erfassungsmöglichkeiten bislang
nur temporär, aus Anlass eines Zensus, eröffnet . Dass wir
allein für Stichprobenerhebungen der Statistikbehörden
zu den unterschiedlichsten Zwecken nun eine dauerhafte
Speicherung brauchen, das scheint weder zwingend noch
scheint es dem Grundsatz der Datensparsamkeit Rech-
nung zu tragen .
Richtig ist zwar, dass die Daten bereits dadurch ge-
schützt sind, dass sie der strengen statistischen Geheim-
haltung nach § 16 BStatG unterliegen und an Stellen
außerhalb der Statistik nur in gesetzlich geregelten Aus-
nahmefällen und in anonymisierter Form übermittelt
werden dürfen . Mit der Durchführung von Bundessta-
tistiken sind ausschließlich Amtsträger und Beschäftigte
des öffentlichen Dienstes betraut, die bei der Aufnahme
ihrer Tätigkeit auf die Einhaltung des Statistikgeheim-
nisses besonders verpflichtet wurden. Verstöße gegen
die statistische Geheimhaltung werden strafrechtlich ver-
folgt und können mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jah-
ren geahndet werden. Als statistikspezifische Ergänzung
der Strafvorschriften der §§ 203 ff . StGB ist außerdem
eine Zusammenführung von Einzelangaben aus Bun-
desstatistiken oder solcher Einzelangaben mit anderen
Angaben zum Zwecke der Herstellung eines Personen-,
Unternehmens-, Betriebs- oder Arbeitsstättenbezugs au-
ßerhalb der Aufgabenstellung des BStatG oder der eine
Bundesstatistik anordnenden Rechtsvorschrift untersagt
(Verbot der Reidentifizierung gemäß §§ 21, 22 BStatG).
Gleichwohl muss es auch für die – zunächst intern blei-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616558
(A) (C)
(B) (D)
benden – Informationen der Bürgerinnen und Bürger in
den Statistikbehörden bei der Einhaltung aller zentralen
Grundsätze des Datenschutzes bleiben . Eine strafrecht-
liche Bewehrung von Verstößen kann das Fehlen der
Einhaltung anderer Bestimmungen nicht ohne Weiteres
kompensieren .
Wir verstehen, dass im Zeitalter von Big Data auch die
Statistikbehörden nicht ins Hintertreffen geraten wollen .
Und vielleicht ist dies ja eine zwingende Entwicklung:
Auch die staatlichen Stellen müssen – Stichwort E-Go-
vernment – eine Modernisierung ihrer Informations- und
Verwaltungsinfrastrukturen erbringen, die eine der zen-
tralen Herausforderungen der kommenden Jahre und
Jahrzehnte darstellt . Gerade die Statistik wird heute mehr
mit Unternehmen wie Google oder Facebook assoziiert,
auch wenn wir wenig über deren Berechnungsmethoden
und Algorithmen im Einzelnen sagen können, weil sie
unter dem Schirm der Betriebs- und Geschäftsgeheim-
nisse verwahrt bleiben, obwohl deren Wirkungen heute
ganze Gesellschaften betreffen . Es ist also nur verständ-
lich, dass unsere Statistikbehörden hier nachrüsten wol-
len .
Doch wir sollten aufpassen, von Beginn nicht auf das
falsche Gleis zu kommen . Die Bundesverwaltung kann
und muss mit besonderem Beispiel vorangehen, wenn es
um die Wahrung von Allgemeinwohlbelangen und die
Gewährleistung der Rechte der Bürgerinnen und Bür-
ger im Zuge der Digitalisierung geht . Dies gilt auch für
die im Rahmen dieses Verfahrens umstrittene Frage der
Speicherung von Wirtschaftsstatistikdaten unter einheit-
lichen Ordnungsmerkmalen .
Zunächst gilt: Auch wir begrüßen die Möglichkeit der
Zusammenführung von Wirtschaftsstatistikdaten für wis-
senschaftliche Zwecke . Die Regelung der Vergangenheit
sah allerdings eine bis zu 30-jährige zulässige Speicher-
frist vor, und zwar mit der Maßgabe, dass die zu Zwecken
der Wirtschaftsstatistik in unterschiedlichen Datenban-
ken erfassten Daten mit einheitlichen Ordnungsnummern
abgespeichert werden . Der Bundesgesetzgeber hat dieser
besonderen Risikolage für Betroffene mit einer Geset-
zesänderung Rechnung tragen wollen, indem er die in
§ 13 a BstatG festgelegte Speicherfrist auf zehn Jahre
reduzieren wollte . Diese datenschutzrechtlich positive
Änderung – wir können das vom Bundesministerium des
Innern nicht häufig sagen – begrüßen wir.
Leider hat die Große Koalition eine Rolle rückwärts
angetreten und zielt mit ihrem Änderungsantrag auf die
Beibehaltung der 30-Jahre-Frist . Die BfDI hat dazu ihre
Stellungnahme vorgelegt; sie zitiert dazu neuere Recht-
sprechung insbesondere des VGH Mannheim, wonach
die gleichzeitige Speicherung einheitlicher Kennnum-
mern bei Einzelunternehmern, zum Beispiel Rechts-
anwälten oder Steuerberatern, in verschiedenen Statis-
tikregistern eine Zusammenführung unterschiedlicher
Informationen zu Einzelunternehmern erlaube, die so
nicht mehr mit dem Recht auf informationelle Selbstbe-
stimmung vereinbar seien . Wer die zum Teil äußerst fein-
granulierten Erhebungen der Statistikbehörden in diesem
Bereich der Wirtschaftsstatistik kennt, kann nachvollzie-
hen, worin hier die Probleme bestehen . So können etwa
die monatlichen Einkünfte eines einzelnen Rechtsanwal-
tes über den gesamten Erfassungszeitraum von 30 Jah-
ren, in Zusammenschau mit weiteren Informationen zu
seiner Kanzlei, bei den Statistikbehörden hinterlegt sein .
Und diese Datenbestände müssen wir uns vor dem Hin-
tergrund einer zunehmend vernetzten Datenverarbeitung
dieser Behörden mitsamt den gegenseitigen Zugriffsbe-
fugnissen vorstellen .
Wir teilen deshalb die Auffassung der Bundesbeauf-
tragten für den Datenschutz und die Informationsfrei-
heit, dass der Änderungsantrag der Großen Koalition in
diesem Punkt zu weit geht und lehnen die Beibehaltung
der überlangen Speicherfrist angesichts der einheitlichen
Ordnungsmerkmale und der damit verbundenen Daten-
schutzrisiken ab . Die Aussagekraft von Wirtschaftsstatis-
tiken an sich wird von einer dementsprechend verkürzten
Speicherfrist nicht erheblich beeinträchtigt .
Im Gesamturteil können wir deshalb diesem Gesetz-
entwurf, der in einiger Hinsicht auch die Umsetzung
notwendiger EU-rechtlicher Vorgaben sowie nachvoll-
ziehbare Verbesserungen der Stellung des Bundesamtes
beinhaltet, nicht zustimmen . Unsere Enthaltung mag hin-
länglich zum Ausdruck bringen, welche Komplexität die
Bewertung der Gemengelage aus unterschiedlichen Zie-
len aufweist, die mit Statistikgesetzgebung einhergehen .
Umso wichtiger erscheint uns, dass für diesen Bereich
im parlamentarischen Verfahren zukünftig versucht wird,
von vornherein der Komplexität der zu regelnden Ver-
fahren und aufgeworfenen Fragen dadurch Rechnung zu
tragen, dass die Möglichkeiten der gemeinsamen vorhe-
rigen fachlichen Befassung ausgeschöpft werden . Die
Perspektive von Big Data in den Statistikbehörden sollte
uns dazu veranlassen, zukünftig dieser Frage besondere
Aufmerksamkeit zu widmen .
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ers-
ten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstruk-
turgesetzes (Tagesordnungspunkt 23)
Artur Auernhammer (CDU/CSU): Der Milchmarkt
in Deutschland liegt am Boden . Die Agrarwirtschaft in
unserem Land wird durch die aktuelle Preispolitik krank .
Die Herren Engels und Marx würden heute wohl sagen:
Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst katastro-
phaler Milchpreise .
Wer aber glaubt, die Milchpreissituation auf dem deut-
schen Markt sei singulär eine Folge der ausgelaufenen
Milchquote, der irrt . Unterschätzen wir nicht die aktuel-
len politischen Geschehnisse in Europa, in der Welt; denn
der Milchmarkt verändert sich derzeit rasant . Unsere na-
tionale Aufgabe ist es, für unsere Bäuerinnen und Bauern
Lösungen zu finden, wie der deutsche Milchmarkt gesi-
chert werden kann . Die Lösung selbst dafür müssen wir
aber mindestens auf der europäischen Ebene finden.
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16559
(A) (C)
(B) (D)
Wenn wir bislang unter Globalisierung auch ein Zu-
sammenrücken der Staaten im Handel verstanden ha-
ben, dann spüren wir derzeit die Auswirkungen einer
Globalisierung der Stufe 2 .0 plus . Deutlich wird, dass
die eigenen heimischen Milchmärkte unserer Export-Im-
port-Partner, wie beispielsweise in China, gestärkt sind
und selbstbewusster agieren als früher . Dass bayerische
Exportmilch in China bessere Preise erzielt als heimische
China-Milch, ist leider ein Fakt der Vergangenheit .
Von einem Exporteinbruch kann dennoch nicht ge-
sprochen werden . Allein die Gewinnmargen sind ge-
ringer und eignen sich kaum noch, den heimischen
deutschen Milchmarkt zu subventionieren . Doch das ge-
schieht oftmals . Der Rohmilchpreiserlös je Kilogramm
liegt bei einigen Molkereien derzeit bei 17 bis 18 Eu-
rocent . Mehr zahlt der Lebensmitteleinzelhandel derzeit
nicht . Dass vereinzelte Molkereigenossenschaften und
-vereinigungen freilich den Milchbauern noch mehr zah-
len können, liegt an einer Mischkalkulation mit Quersub-
ventionierung aus höheren Erlösen aus beispielsweise
Trockenmilch .
Zudem spüren wir in Deutschland eine zunehmende
Vitalisierung europäischer Konkurrenz . Irland erhöhte
die Milchproduktion in den letzten Jahren exorbitant . Die
ganzjährige Weidehaltung macht Irland zu einem Milch-
hotspot innerhalb der EU .
Daran wird deutlich: Es gibt keine nationale Lösung .
Das Problem ist schon auf europäischer Ebene schwer
zu justieren . Der Milchmarkt macht schon seit etlichen
Jahrzehnten nicht mehr an den Alpenkämmen halt . Aber
er wird zunehmend auch nicht vom Atlantik und den
Karpaten begrenzt . Der Milchmarkt ist dabei, sich gänz-
lich der Globalisierung hinzugeben . Wer jetzt eine neue
Milchquotierung der EU fordert, verkennt deren markt-
verzerrende Wirkung und hat aus den letzten 35 Jahren
Milchquotenregelung nichts gelernt . Die Milchquote
hat den Start für eine gesunde Agrarmarktaufstellung im
Segment Milch ins heutige Jahr verschoben . Einen Ge-
fallen haben wir uns damit nicht getan .
Was nun greifen muss, ist die soziale Marktwirtschaft .
Und dazu gehört eben auch, dass wir die Marktwirtschaft
nicht verlassen . Nur so sind wir erfolgreich . Mit dem
Agrarstrukturänderungsgesetz wollen wir nun einen Weg
beschreiten, der nach marktregulatorischen Mechanis-
men sucht, die den Übergang aus der Milchkrise durch
Kartellbildungen suchen . Ich bin weiterhin bemüht, den
Nutzen dieser Maßnahme zu finden. Bislang vergebens.
Ich weiß, dass Planwirtschaft stets die Theorie der Praxis
vorzieht . Daher glaube ich, dass dieses Gesetz bestenfalls
psychologisch beruhigend wirken kann . Bestenfalls!
Einen praktischen Nutzen, der die Existenzen schützt,
der das Einkommen der Landwirte absichert, die
Milchwirtschaft nachhaltig stärken kann und nicht zu-
letzt die Lebensmittelsicherheit gewährleistet, wird zum
jetzigen Zeitpunkt keiner absehen können . Ich kann es
derzeit nicht .
Unbestritten ist, dass wir die Lieferbeziehungen zwi-
schen Molkereien und Erzeugergemeinschaften ver-
stärken müssen . Unbestritten ist, dass der Lebensmit-
teleinzelhandel sich zunehmend der Verantwortung der
Bürgerschaft gegenüber den Erzeugern bewusst wird .
Unbestritten aber auch, dass hier noch viel zu tun ist und
wir am Anfang eines solchen Bewusstseins stehen .
Es ist heute nicht der Anlass, Raubrittermethoden des
Handels gegenüber der Bauernschaft anzuprangern . Aber
ich stelle als Landwirt und Verbraucher gleichermaßen
fest, dass die Rolle des Einzelhandels in der Lebensmit-
telversorgung flächendeckend nicht der entspricht, der sie
entsprechen könnte und sollte! Denn Lebensmittelversor-
gungssicherheit kann nicht allein Aufgabe der Landwirte
sein . Sie ist auch Angelegenheit der Lebensmittelketten .
Und da sei klar erklärt: Wer einen Zusammenschluss von
Tengelmann und Edeka feiert, kann sich heute nicht als
Robin Hood feiern lassen . Den Lebensmittelhandelskon-
zernen kommt im besonderen Maße die Aufgabe zu, Fair
Trade zu leben . Wer sich über Fair-Trade-Kaffee freut
und Milchpreise von 18 Eurocent je Kilogramm zu zah-
len bereit ist, versteht nicht, dass gerechter Handel eben
auch in Deutschland beginnt .
Ob dieses Gesetz die Lösung aus der Krise ist, wird
die Zukunft zeigen . Ich wünschte mir eine schnelle und
effektivere Lösung, die zudem das zunehmend unausge-
sprochene Problem der Mangelernährung in Jemen, in
Syrien und anderen Krisenregionen im Blick hat . Unsere
Überproduktion wird benötigt! Menschen hungern! Da
können wir nicht in Deutschland, in Spree-Athen ernst-
haft debattieren, wie wir die Milchmengen künstlich re-
duzieren . Ich plädiere für eine aktive humanitäre Hilfe –
und das schnell und unkompliziert –, die den Hunger in
den Krisengebieten lindert!
Entscheidend ist: Diese Hilfe darf nicht stoppen, wenn
wir mit den Milchpreisen aus der Talsenke zu höheren
Preisen finden. Wenn wir diesen Lösungsansatz verfol-
gen, verpflichten wir uns, unseren Mitmenschen länger
zu helfen und ihr Leid zu lindern . Wir dürfen sie nicht
für die Krisenbewältigung benutzen, aber wir dürfen hel-
fen – helfen, wo Hilfe dringend nötig ist!
Für den Moment gilt: Das Gesetz sollten wir zur Be-
ratung in die Ausschüsse überweisen . Ich befürchte aber,
dass eine segensreiche Wirkung von diesem Gesetz und
den daraus folgenden Maßnahmen eher gering sein wird .
Ich würde mich freuen, wenn ich mich irre und dies die
Beratungen in den Ausschüssen zeigen .
Kees de Vries (CDU/CSU): Mit dem Auslaufen
der Milchquote war klar, dass wir die Milchwirtschaft
in den, von der Mehrheit der Branche gewollten, freien
Markt entlassen . Und wenn wir ehrlich sind, sollten wir
nun sagen, dass es jetzt in der Krise keine andere Lösung
gibt, als die Marktkräfte im Rahmen der sozialen Markt-
wirtschaft zu entfalten . Das bedeutet in der Konsequenz
auch: Die Milchproduktion muss reduziert werden . Sonst
wird sich die Lage am Milchmarkt nicht entspannen .
Eine solidarische, europaweit vereinbarte Produkti-
onsverringerung kann eine Lösung sein . Das würde be-
deuten: Alle Milchproduzenten in der EU vereinbaren
über ihre Organisationen gemeinsam eine Produktions-
begrenzung . Dem stehen aber bisher die geltenden Geset-
ze im Weg . Deshalb wurde die Kommission am 14 . März
2016 aufgefordert, die befristete Möglichkeit zu schaf-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616560
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fen, die Rohmilchproduktion auf freiwilliger Basis zu
regulieren . Daraufhin hat die Kommission den Entwurf
eines Durchführungsrechtsaktes und eines delegierten
Rechtsaktes vorgelegt . Die Entwürfe sehen vor, dass an-
erkannte Agrarorganisationen sowie Genossenschaften
und andere nicht anerkannte Erzeugervereinigungen im
Milchsektor befristet für einen Zeitraum von sechs Mo-
naten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen treffen
und Beschlüsse fassen können, welche die Planung der
Milchproduktion zum Gegenstand haben . Der Anwen-
dungsbereich des geltenden Agrarmarktstrukturgesetzes
soll hiernach auf nicht anerkannte Agrarorganisationen
ausgedehnt werden, da die EU-Rechtsakte auch für die-
se Organisationen die Möglichkeit von Vereinbarungen
und Beschlüssen anlässlich von Marktkrisen vorsehen .
Dem können wir als CDU/CSU-Fraktion zustimmen und
haben heute diesen Beschluss als Gesetzentwurf einge-
bracht . Damit wollen wir nicht nur kartellrechtliche Er-
leichterungen für Mengenabsprachen ermöglichen, son-
dern auch eine Steuerung der Angebotsmenge durch die
Erzeuger selbst ermöglichen, um so ein besseres Gleich-
gewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen .
Es wird sicherlich nicht einfach sein, dieses Ziel zu
erreichen . Aber damit haben diejenigen, die unter dieser
Überproduktion leiden, sie aber gleichzeitig auch zu ver-
antworten haben, es selber in der Hand, eine Lösung her-
beizuführen . Hoffen wir, dass jeder diese Chance auch
versteht . Abschließend lassen Sie mich zusammenfassen:
Dieser Gesetzentwurf ist nicht zu beanstanden, und ich
bitte um Ihre Zustimmung .
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Der internationale
Milchmarkt ist derzeit aus dem Gleichgewicht geraten .
Ist die Nachfrage nach Milchprodukten weltweit bis
2014 noch gewachsen, leidet der Milchsektor derzeit
an einem Überangebot, das die Preise in die Tiefe stür-
zen lässt . Die Preise für konventionelle Milch liegen
in Deutschland derzeit bei 26 Cent je Kilogramm . An-
fang 2014 lag der Preis noch bei über 40 Cent je Kilo-
gramm . Auskömmliche Preise liegen, je nach Betrieb,
bei 33 bis 35 Cent je Kilogramm . So erzielt ein Landwirt
derzeit rund 32,5 Prozent weniger Umsatz je Kuh, was
bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von 30 Litern
einen Verlust gegenüber 2014 von 3,90 Euro je Tier pro
Tag bzw . über 1 400 Euro pro Jahr ausmacht .
Die Gründe für die niedrigen Preise sind vielfältig: So
ist auf der internationalen Ebene die Nachfrage einge-
brochen . Vor allem aufgrund der Wirtschaftskrise in der
Volksrepublik China und den arabischen Staaten sowie
nach den Handelsrestriktionen durch die Russische Fö-
deration wird international weniger Milch gehandelt .
Hinzu kommt, dass spätestens mit dem EU-Milchquoten-
ende Anfang 2015 die Milchproduktion in der EU zuge-
nommen hat . Gerade in EU-Mitgliedstaaten wir Irland
oder den Niederlanden stieg die Milchproduktion um 13
bzw . 7 Prozent an, während die Anzahl der Tiere nicht
abgenommen hat .
Seien wir ehrlich: Auch die Förderprogramme der
Bundesländer haben ihren Beitrag dazu geleistet, dass
die deutschen Milchbauern in die Modernisierung und
die Erweiterung ihrer Kapazitäten zu Zeiten von hohen
Preisen investiert haben . Hinzu kommt, dass ein Oligo-
pol im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Molkereien
den Bauern die Preise diktiert . Dabei ist Gewinnmaxi-
mierung die Handlungsmaxime . Hier haben wir auch ein
grundlegendes Problem, dass die Andienungspflicht, also
die vertraglich garantierte Abnahme der Milch jeglicher
Menge, einen freien Wettbewerb verhindert .
Doch nun kommen einige Bauern in die Schwierig-
keit, aufgrund des niedrigen Milchpreises ihre Kredite zu
bezahlen . Kurzum: Der gesamte Milchmarkt ist derzeit
in einer sehr schwierigen Lage .
Auch lassen sich keine wesentlichen Produktionsver-
ringerungen im Bereich der Milch und der Milcherzeug-
nisse für die nächsten Jahre erkennen . Daher wollen wir
als SPD die möglichen Stellschrauben drehen, um auf
diese Situation angemessen reagieren zu können . Dazu
gehört auch der heute diskutierte Entwurf zum Agrar-
marktstrukturgesetz .
Dieser stellt lediglich eine Umsetzung geltenden EU-
Rechts dar . Das geänderte EU-Recht sieht die Möglich-
keit vor, dass Agrarorganisationen und genossenschaft-
liche Molkereien befristet für einen Zeitraum von sechs
Monaten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen zur
Milchmengenproduktion treffen können . Die Milchbau-
ern und Molkereien können damit die Produktionsmenge
flexibler steuern, um wieder zu auskömmlichen Preisen
zu kommen . Allerdings müssen wir noch genau prüfen,
wie lange diese Ausnahmeregelung gelten soll . Meines
Erachtens darf dies nur vorübergehend gelten .
Außerdem sollte die gesamte Produktionskette mit
einbezogen werden . Das heißt, es muss noch geklärt
werden, wer alles zukünftig freiwillige Vereinbarungen
treffen darf; denn im Entwurf heißt es, dass die Rege-
lung auch für „nicht anerkannte Vereinigungen land-
wirtschaftlicher Erzeugerbetriebe oder nicht anerkannte
Vereinigungen dieser Erzeugervereinigungen“ gilt . Das
heißt für mich, dass vom Landwirt über die Molkerei bis
hin zum Lebensmitteleinzelhandel alle erfasst sind und
alle auch miteinander nun Vereinbarungen treffen dür-
fen . Aber diese neue Möglichkeit des Marktes muss auch
kontrolliert werden können . Wir als SPD werden da ge-
nau hinschauen, dass dies auch geregelt wird .
Mit dem Agrarmarktstrukturgesetz stellen wir uns als
SPD unserer Verantwortung, aber es kann nur ein Beitrag
von mehreren sein, um der Krise zu begegnen . Nur durch
nationale Maßnahmen werden wir die Milchkrise nicht
bewältigen können . Hierfür muss auch auf internationa-
ler Ebene weiter Druck auf den Sektor ausgeübt werden .
Wir brauchen seriöse Vorschläge, um den Sektor wirk-
lich unterstützen zu können; denn das, was zum Beispiel
die AMK beschlossen hat, ist hochgradig widersprüch-
lich und mehr Symbolpolitik als tatsächliche Hilfe . Ei-
nerseits wollen die Minister keine Rückkehr zur staat-
lich finanzierten Milchquote, andererseits beschließen
sie eine an eine Mengenreduktion gekoppelte staatliche
Bonuszahlung und/oder Liquiditätshilfe . Wir als SPD
lehnen grundsätzlich jede Form eines erneuten Quoten-
systems ab .
Auch die Verstetigung des für 2016 um 78 Millionen
Euro auf 178 Millionen Euro erhöhten Bundeszuschusses
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16561
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zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch für
die folgenden Jahre wird den Milchbauern nicht wirklich
helfen . Das Geld wird doch dann nur im Gießkannen-
prinzip auf alle Landwirtschaftsbetriebe verteilt . Was ha-
ben denn die Milchbetriebe davon? Wir werden bei den
Haushaltsverhandlungen genau prüfen, inwieweit wir
diesen Schritt mitgehen können . Keine staatliche Men-
genregulierung hat jemals Preisschwankungen verhin-
dern können . Die Schwierigkeiten auf dem Milchmarkt
werden sich nur durch mittel- und langfristige Struktur-
veränderungen dieser Branche lösen lassen .
Hier sind Supermärkte, Molkereien, Landwirte und
Politik von Bund und Ländern gleichermaßen gefragt .
Daher führt meines Erachtens kein Weg daran vorbei,
dass wir die Verhandlungsposition der Landwirte gegen-
über den Molkereien stärken müssen . Wir benötigen wie-
der einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen den Mol-
kereien und den Landwirten. Das geht nur mit flexibleren
Vertragsgestaltungen und einem Ende der Andienungs-
pflicht. Auch müssen die Länder über ihre mit EU-Gel-
dern gestützten Agrarförderprogramme noch stärkere
Anreize schaffen, damit Landwirte vermehrt auf Bio und
weitere nachhaltige, klima- und umweltverträgliche Hal-
tungsweisen wie Weideprogramme setzen .
Sie sehen, es gibt noch zahlreiche Maßnahmen, die er-
griffen werden können, und wir haben noch einen langen
Weg vor uns . Die Anpassung des Agrarmarktstrukturge-
setzes ist dabei ein erster Aufschlag .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Lage in
der konventionellen Milchviehhaltung ist sehr ernst . Seit
vielen Monaten decken die Erzeugerpreise nicht einmal
die Produktionskosten, geschweige denn die explodierten
Bodenpreise oder die Zinsen für den Stallneubau . Ohne
Solar- oder Biogasanlage könnten sich viele Landwirte
Milchkühe längst nicht mehr leisten! Anderen Teilen der
Landwirtschaft geht es nicht besser .
Und wo ist der zuständige Minister? Auf Tauchstation .
Die Koalition verharrt im Beobachtungsmodus . Dabei
geht es in den Betrieben ums Überleben . Nicht wenige
halten nur durch, weil sie sonst die Beschäftigten raus-
werfen müssten . Deshalb frage ich Bundesminister und
Koalition: Was sagen Sie Milchbauern, die überlegen,
ob sie weiter jede Nacht zum Melken aufstehen oder die
Kühe besser zum Schlachthof fahren sollen? Was raten
sie dem Junglandwirt, der fragt, ob er den Milchviehbe-
trieb der Eltern übernehmen oder sich lieber einen Job in
der Stadt suchen soll? Oder was sagen Sie der Genossen-
schaft, die fragt, ob sie weiter ausbilden soll?
Sie haben die Betriebe mit Ihrer Fata Morgana eines
unersättlichen Weltmarktes in eine Sackgasse gelockt!
Und jetzt sagen Sie: Sie müssen schon selbst herausfin-
den . – Dieser Zynismus ist unerträglich! Ihre Agrarpolitik
hat doch versagt, nicht die Betriebe, die Ihnen geglaubt
haben! Es war doch Minister Schmidt, der vor einem
Jahr die Zukunft der Milchviehbetriebe nach dem Ende
der Quote „sehr optimistisch“ sah . Es war doch Staats-
sekretär Bleser, der im Bundestag kurz davor sagte: Ich
appelliere an uns alle, mehr Vertrauen in die Märkte zu
haben . – Genau diese Marktgläubigkeit ist ein schwerer
Systemfehler, der endlich behoben werden muss!
Man konnte es doch schon damals besser wissen .
Zum Beispiel sagte ich in der Debatte vor einem Jahr:
„Manche jubeln jetzt darüber, dass die Fesseln der Quote
endlich fallen, damit sie endlich so viel Milch produzie-
ren können, wie sie wollen . Wachstum ist hier das Zau-
berwort . Der Preis für diese Freiheit könnte sich aber
als sehr hoch erweisen; denn die Profiteure dieser Ent-
scheidung arbeiten nicht in den Kuhställen . Sie sitzen vor
allen Dingen in den Chefetagen des Lebensmitteleinzel-
handels und der Molkereien . Sie werden bald auf große
Mengen billiger Milch zugreifen können . Gleichzeitig
haben sie die Marktmacht, die Preise für die Erzeuger
noch unter die Erzeugungskosten zu drücken, zum Wohl
der eigenen Profite.“ Manchmal möchte man gar nicht
recht behalten!
Der Gipfel der Scheinheiligkeit aber ist, wenn sich
jetzt Handel und Molkereien gegenseitig verdächtigen,
sich auf Kosten der Betriebe zu bereichern! Sie nutzen
beide ihre Marktübermacht aus! Aber weder Koalition
noch Bundesregierung hindern sie daran, im Gegenteil .
Sie raten zu stufenübergreifenden Branchenverbänden .
Das wäre bei der Marktübermacht der Handels- und Mol-
kereikonzerne ein Pakt mit dem Teufel!
Ja, auch mit der Quote gab es zyklische Milchpreiskri-
sen, weil auch sie auf einen unersättlichen Weltmarkt ori-
entiert war! Und ja, es war ein sehr teures System, weil
die Betriebe die Quoten an Börsen kaufen mussten . Des-
halb war der Ausstieg aus dieser Quote richtig . Aber das
Gegenteil eines Fehlers ist eben auch oft ein Fehler . Wie-
so muss ich als Linke erklären, dass mit übermächtigen
Molkerei- und Handelskonzernen ein fairer Wettbewerb
nicht funktionieren kann? Die Milchseen und Butterber-
ge machen es doch noch leichter, Dumpingpreise durch-
zusetzen! Und die aktuelle Milchkrise ist noch härter als
die vorangegangenen . Sie trifft nicht nur kleine Betriebe,
sondern auch „Zukunftsbetriebe“, die dem Versprechen
von den blühenden Landschaften des Ministers geglaubt
und investiert haben!
Es gilt nicht mehr „Wachse oder weiche“, sondern
„Wachse und weiche“! Bei den landwirtschaftlichen Ein-
kommen steht Deutschland unterdessen auf dem letzten
Platz in der EU nach einem Absturz von 25 Prozent in-
nerhalb der letzten fünf Jahre! Und es geht auch nicht nur
um zu geringes Milchgeld . Längst ist der Boden als Exis-
tenzgrundlage nicht mehr sicher, sondern zum Spekula-
tionsobjekt geworden . Landwirtschaftsfremdes Kapital
zieht wie Heuschrecken übers Land und treibt die Bo-
denpreise in astronomische Höhen, die selbst ohne Krise
mit Einkommen aus der Landwirtschaft nicht zu bezah-
len sind! Eine Folge: In Mecklenburg-Vorpommern zum
Beispiel gehören bereits ein Drittel der Landwirtschafts-
betriebe nicht mehr Ortsansässigen! Lebendige Dörfer
brauchen aber die ortsansässige Landwirtschaft!
Was muss sich also ändern? Für die Linke wiederho-
le ich die Kernforderungen: Erstens . Wir brauchen eine
flexible, nachfrageorientierte Mengensteuerung gegen
Milchseen und Butterberge .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616562
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Zweitens . Kartell- und Vertragsrecht müssen die
Landwirtschaft auf Augenhöhe mit Molkereien und Han-
del bringen .
Drittens . Regionale Molkereien sind zum Beispiel in
Brandenburg ein Erfolgsrezept .
Viertens . Mehr regionale Lebensmittel im Handel –
darauf setzt jetzt auch Thüringen .
Fünftens: Sonderangebote bei Lebensmitteln gehören
endlich verboten!
Sechstens . Wenn Weidemilch draufsteht, muss sie
auch drin sein . Wenn Brandenburg draufsteht, muss die
Kuh auch dort gemolken worden sein .
Siebentens . Kein Bauernland in Spekulantenhand!
Achtens . Ein Erhaltungsgebot für landwirtschaftliche
Flächen muss sichern, dass Milchviehbetriebe ihre Flä-
chen nicht auch noch an den Straßenbau verlieren!
Neuntens . Gut ausgebildetes Betreuungspersonal
muss gut bezahlt werden . Faire Erzeugerpreise sind die
Voraussetzung .
Zehntens . Die Gesundheit von Kühen misst man an
der Lebens-, nicht an der Höchstleistung!
Ein einfaches Weiter-so ist jedenfalls keine Option!
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Noch im März 2015 haben Sie von CDU und CSU
nicht aufgehört, die Zukunft der Milchbetriebe rosarot zu
malen . Den Tüchtigen, denen, die Gas gäben, gehöre die
Zukunft .
Am 1. April fiel die Quote. 32 Jahre Mengenfessel wa-
ren endlich weg, aber am 7 . April 2015 verkündete der
LEH, den Liter Milch für 51 Cent zu verkaufen . Damit
war der Traum ausgeträumt . Seitdem regieren Heulen
und Zähneklappern . Von 35 Cent ging der Milchpreis auf
heute teilweise um die 20 Cent zurück . Das führt gerade
die großen Wachstumsbetriebe, aber leider auch die bäu-
erlichen Betriebe in den Ruin .
Alles ist in Bewegung, nur einer bewegt sich nicht:
Minister – wie heißt er gleich? Ach ja: Schmidt . Alles
ist in Bewegung, allerdings nicht zum Guten hin, son-
dern stramm weiter, schneller, nur noch tiefer hinein
in die Krise . Die ersten Bauern in NRW erhalten jetzt
15 Cent am Spotmarkt bei der Molkerei Wiegert, heu-
te Fude + Serrahn, an denen DMK mehrheitlich, mit
51 Prozent, beteiligt ist . Dagegen könnte man die nied-
rigen 23 bis 24 Cent, die DMK zahlt, sarkastisch noch
fast als fürsorgliche Unterstützung bezeichnen, wenn die
Situation nicht so ernst wäre .
Alles bewegt sich . Die Milchanlieferung: höher, hö-
her, höher . Immer weiter, aktuell 3,2 Prozent über dem
Vorjahresniveau . Über 3 200 Höfe hörten 2015 schon
auf, momentan fast 5 Prozent der Betriebe . Wohin uns
das bringt, haben uns gerade die Preiskontraktverhand-
lungen des LEH mit den Molkereien gezeigt: runter, run-
ter, runter . Preisabschläge von 10 Cent sind das Ergebnis .
Wir Milcherzeuger wissen, was das bedeutet, welche
wegweisende Bedeutung dieses Ergebnis hat . Das ist eine
Weichenstellung . Das ist eine Nachricht an den Markt .
Jetzt ist die Büchse der Pandora geöffnet . Der LEH nutzt
gnadenlos das Überangebot aus und treibt die Preise tie-
fer und tiefer . Der Liter Milch für unter 50 Cent, billiger
als Mineralwasser . Unmoralischer Tiefstand ist das .
Bauernverband-Geschäftsführer Krüsken hat das als
Bankrotterklärung des LEH und der Molkereien bezeich-
net . Recht hat er . Ich würde das aber auch als Bankrott-
erklärung dieses Ministers, den kaum einer kennt, be-
zeichnen . Alle bewegen sich . Aber Minister Schmidt
verweist alleine auf Besserungen in 2025 .
Ich begrüße das Pilotverfahren des Bundeskartellam-
tes . Es ist dringend notwendig, die Lieferbeziehungen
auf dem Milchmarkt zu durchleuchten . Es ist aber auch
dringend notwendig, das Gesetz, das Agrarmarktstruk-
turgesetz, zu ändern und die Bündelung der Erzeuger zu
stärken . Ich warne aber davor, in zu großer Zuversicht zu
schwelgen, und mahne zur Vorsicht . Wenn das Verfahren
darauf abzielt, die Flexibilität auf dem Markt zu erhöhen,
führt das nicht automatisch zu einer Stärkung der Ver-
handlungsposition der Milcherzeuger .
Der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverban-
des, Herr Eckhard Heuser, begrüßte die Eröffnung des
Verfahrens. Er sieht die Abnahmepflicht als das Pro-
blem . Er möchte so von der Verantwortung der Molke-
reien ablenken . Da wird das Pferd gefährlich von hinten
aufgezäumt, so schwächen wir die Verhandlungsmacht
der Erzeuger nur noch mehr . Wir brauchen eine andere
Marktstruktur mit mehr und kleineren Molkereien . Das
Bundeskartellamt muss prüfen, wie die Verhandlungspo-
sition der Erzeuger zu verbessern ist .
Alle bewegen sich . Die Agrarminister der Länder ha-
ben in der AMK klare Aufträge an den Minister formuliert .
Aber auch in Brüssel fordern zahlreiche Mitgliedstaaten
wirkungsvolle Maßnahmen zur Mengenreduzierung, al-
len voran Frankreichs Agrarminister Le Foll . Die Euro-
päische Kommission in Brüssel hat bereits am 23 . März
2016 in ihrem Non-Paper deutlich aufgezeigt, welche
Maßnahmen möglich sind: direkte Hilfen für die Erzeu-
ger, keine rückzahlbaren Kredite, nur gekoppelt an eine
einfache Leistung, Mengenreduzierung!
Alle bewegen sich, nur einer steht still: Herr Minister
Schmidt . Sie stehen mittlerweile auf einsamem Posten .
Wie lange wollen Sie den Kopf in den Sand stecken und
sich weigern, den Realitäten ins Auge zu schauen?
Das Agrarmarktstrukturgesetz, über das wir heute
debattieren, ist notwendig . Wir werden uns dem nicht
verweigern . Aber, Herr Minister Schmidt, als Minister
müssen Sie mehr tun . Agrarpolitik administrativ verwal-
ten reicht nicht . Aktiv gestalten, das ist jetzt gefordert .
Herr Minister Schmidt, ich fordere Sie auf: Stützen Sie
die Linie vieler Bundesländer, denjenigen Molkereien
und Milchbauern finanziell zu helfen, die Verantwortung
übernehmen und die Milchmenge reduzieren . Mengen-
reduzierung – das weiß außer Ihrem Haus und Ihnen je-
der – ist das Gebot der Stunde . Es hilft den Milchbäue-
rinnen und -bauern wenig, wenn sie von Ihnen nur hören,
2025 werde es besser . Ja, bis dahin sind so viele Betriebe
ruiniert, dass das sein kann .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16563
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Das ist keine grüne Politik, hat aber auch mit christ-
lich, wie Sie es proklamieren, nichts, aber auch gar nichts
zu tun . Stellen Sie sich jetzt an die Seite Ihres französi-
schen Amtskollegen Le Foll . Handeln Sie endlich! Mi-
nister Schmidt, lösen Sie Probleme, statt weiter auf der
Bremse zu stehen . Helfen Sie jetzt den Betrieben, damit
sie morgen noch eine Zukunft haben .
Anlage 20
Neudruck: Antwort
des Parl . Staatssekretärs Dr . Ole Schröder auf die Fra-
gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau)
(DIE LINKE) (Drucksache 18/8051, Fragen 29 und 30):
Wie viele der Verstorbenen hatten nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den Jahren 2005 bis 2015 jeweils zum Zeit-
punkt ihres Ablebens noch nicht das 65 . Lebensjahr erreicht,
und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verstorbe-
nen des jeweiligen Jahres?
Wie viele der Verstorbenen hatten nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den Jahren 2005 bis 2015 jeweils zum Zeit-
punkt ihres Ablebens noch nicht das 60 . Lebensjahr erreicht,
und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verstorbe-
nen des jeweiligen Jahres?
Angaben hierzu liegen aus der Statistik der Sterbefälle
des Statistischen Bundesamtes für die Jahre bis 2014 vor .
Im Zeitraum 2005 bis 2014 sind insgesamt
1 392 271 Personen im Alter von unter 65 Jahren und
davon 963 774 Personen im Alter von unter 60 Jahren
gestorben .
Der Anteil an den insgesamt Gestorbenen in diesem
Zeitraum beträgt
– bei den Personen, die noch nicht das 65 . Lebensjahr
erreicht hatten, circa 16,3 Prozent,
– bei den Personen, die noch nicht das 60 . Lebensjahr
erreicht hatten, circa 11,3 Prozent .
Ergänzende Angaben für die Jahre 2005 bis 2014,
die wegen der begrenzten Antwortzeit nicht vorgetragen
werden können, entnehmen Sie bitte der Übersicht, die
wegen ihres Umfangs dem Protokoll beigefügt wird:
Zahl und Anteil der im Alter von unter 65 bzw. unter 60 Jahren Gestorbenen
Jahr
Zahl der Gestorbenen
im Alter von unter
65 Jahren
Anteil an den im je-
weiligen Jahr Gestor-
benen in %
Zahl der Gestorbenen
im Alter von unter
60 Jahren
Anteil an den im jewei-
ligen Jahr Gestorbenen
in %
2005 147 797 17,8 100 262 12,1
2006 141 508 17,2 99 373 12,1
2007 138 827 16,8 98 879 12,0
2008 138 096 16,4 98 329 11,6
2009 137 043 16,0 98 139 11,5
2010 137 431 16,0 96 844 11,3
2011 138 419 16,2 95 217 11,2
2012 137 074 15,8 92 627 10,7
2013 139 516 15,6 93 403 10,4
2014 136 560 15,7 90 701 10,4
Summe 1392 271 16,3 963 774 11,3
Quelle: Statistisches Bundesamt
(163 . Sitzung, Anlage 17)
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
167. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3, ZP 2 u. 3 Stahlindustrie in Deutschland und Europa
TOP 4 Flexible Gestaltung der Arbeitszeit
TOP 5 Änderung des Sexualstrafrechts
TOP 29 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 30 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 4 Aktuelle Stunde zu Rentenniveau und Altersarmut
TOP 6 Jahresbericht 2015 des Wehrbeauftragten
TOP 7 Arbeit für Menschen mit Behinderungen
TOP 10 Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes
ZP 5 Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union
TOP 12 Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie
TOP 11 Krankenversicherungsbeitrag auf Direktversicherungen
TOP 14 Innovationstransfer in die Gesundheitsversorgung
TOP 13 Engagement für Geflüchtete
TOP 16 Nationales Reformprogramm 2016
TOP 15 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika
TOP 18 Errichtung eines Transplantationsregisters
TOP 17 Tag der Befreiung als gesetzlicher Gedenktag
TOP 19 Abkommen mit Albanien über Soziale Sicherheit
TOP 20 Unterbringung in einempsychiatrischenKrankenhaus
TOP 21 Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt
TOP 22 Änderung des Bundesstatistikgesetzes
TOP 23 Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20