2) Anlage 19
        Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
        (A) (C)
        (B) (D)
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16503
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Beck (Bremen),
        Marieluise
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        28 .04 .2016
        Bleser, Peter CDU/CSU 28 .04 .2016
        Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 28 .04 .2016
        Brehmer, Heike CDU/CSU 28 .04 .2016
        Castellucci, Dr . Lars SPD 28 .04 .2016
        Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 28 .04 .2016
        Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 28 .04 .2016
        Lerchenfeld, Philipp
        Graf
        CDU/CSU 28 .04 .2016
        Lotze, Hiltrud SPD 28 .04 .2016
        Ludwig, Daniela CDU/CSU 28 .04 .2016
        Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        28 .04 .2016
        Maizière, Dr . Thomas
        de
        CDU/CSU 28 .04 .2016
        Müller, Bettina SPD 28 .04 .2016
        Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        28 .04 .2016
        Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        28 .04 .2016
        Strobl (Heilbronn),
        Thomas
        CDU/CSU 28 .04 .2016
        Thönnes, Franz SPD 28 .04 .2016
        Veit, Rüdiger SPD 28 .04 .2016
        Wicklein, Andrea SPD 28 .04 .2016
        Widmann-Mauz,
        Annette
        CDU/CSU 28 .04 .2016
        Wolff (Wolmirstedt),
        Waltraud
        SPD 28 .04 .2016
        Anlage 2
        Erklärungen nach § 31 GO
        der Abgeordneten Heike Baehrens, Ulrike Bahr,
        Bärbel Bas, Uwe Beckmeyer, Edelgard Bulmahn,
        Martin Burkert, Sabine Dittmar, Martin
        Dörmann, Elvira Drobinski-Weiß, Saskia Esken,
        Daniela Kolbe, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner,
        Gabriele Fograscher, Michael Gerdes, Martin
        Gerster, Hubertus Heil (Peine), Rita Hagl-Kehl,
        Gabriela Heinrich, Matthias Ilgen, Frank Junge,
        Josip Juratovic, Gabriele Katzmarek, Dr. Bärbel
        Kofler, Anette Kramme, Gabriele Lösekrug-
        Möller, Katja Mast, Klaus Mindrup, Susanne
        Mittag, Ulli Nissen, Aydan Özoğuz, Jeannine
        Pflugradt, Stefan Rebmann, Dr. Martin Rosemann,
        Bernd Rützel, Sarah Ryglewski, Johann Saathoff,
        Annette Sawade, Marianne Schieder, Dr. Dorothee
        Schlegel, Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich,
        Sonja Steffen, Kerstin Tack, Carsten Träger,
        Stefan Zierke (alle SPD) zu den namentlichen Ab-
        stimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland.
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel zum Thema Fracking ist für uns Maßstab für
        das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein Ge-
        setz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene
        Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelun-
        gen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bür-
        ger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616504
        (A) (C)
        (B) (D)
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für uns, dass beim Umgang mit
        Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Entschei-
        dung treffen muss . Eine Expertenkommission kann das
        demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
        zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können . Wir setzen nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarten vom Koalitionspartner, das Regelungspa-
        ket zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab .
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Michaela Engelmeier, Michael
        Groß, Dirk Heidenblut, Petra Hinz (Essen), Arno
        Klare, Andreas Rimkus, Petra Rode-Bosse, René
        Röspel, Elfi Scho-Antwerpes, Ursula Schulte und
        Christoph Strässer (alle SPD) zu den namentlichen
        Abstimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Wir halten unkonventionelles Fracking für nicht ver-
        antwortbar und setzen uns für eine gesetzliche Regelung
        ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen unmöglich
        macht .
        Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
        verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
        Die Anträge von Grünen und Linken schaden der
        Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur
        politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus-
        sprache darüber ablehnen .
        Um unser Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
        fährden, werden wir uns heute der Stimme enthalten .
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Cajus Caesar, Jutta Eckenbach,
        Ingrid Fischbach, Uwe Lagosky, Dr. Claudia
        Lücking-Michel, Sylvia Pantel, Eckhard Pols,
        Bernhard Schulte-Drüggelte und Sabine Weiss
        (Wesel I) (alle CDU/CSU) zu den namentlichen
        Abstimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die
        Grünen und dem Antrag der Fraktion Die Linke können
        wir nicht zustimmen, auch wenn wir einige Argumente
        inhaltlich teilen . Wir verweisen auf die anhaltenden Be-
        ratungen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über
        ein eigenes Regelungspaket zum Thema „Fracking“,
        über das wir zum Abschluss des parlamentarischen Ge-
        setzgebungsverfahrens entscheiden werden .
        Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt:
        Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
        Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für uns oberste
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16505
        (A) (C)
        (B) (D)
        Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen Fra-
        ckings sind unseres Erachtens noch nicht ausreichend
        wissenschaftlich geklärt .
        Daher lehnen wir die Erdgasförderung durch das so-
        genannte unkonventionelle Fracking nach dem jetzigen
        Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne was-
        sergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung
        von Menschen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinrei-
        chend wissenschaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese
        Technologie nicht zum Einsatz kommen .
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Dr. Katarina Barley, Angelika
        Glöckner, Michael Hartmann (Wackernheim),
        Marcus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler,
        Andrea Nahles, Detlev Pilger und Gabi Weber (alle
        Landesgruppe Rheinland-Pfalz in der SPD-Frakti-
        on) zu den namentlichen Abstimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Die Mitglieder der Landesgruppe Rheinland-Pfalz
        der SPD-Bundestagsfraktion erklären zu ihrem Abstim-
        mungsverhalten bei den am 28 . April 2016 auf der Ta-
        gesordnung des Deutschen Bundestags stehenden Ta-
        gesordnungspunkten 30 a) („Entwurf eines Gesetzes zur
        Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der
        Fracking-Technik“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
        und 30 b) („Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
        schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
        cherheit zum Antrag der Linken „Verbot von Fracking in
        Deutschland“):
        Nach gewissenhafter Prüfung folgen wir den Be-
        schlussempfehlungen der federführenden Ausschüsse .
        Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
        und den Antrag der Linken lehnen wir ab .
        Die Ablehnung der Anträge ist damit zu begründen,
        dass beide Anträge ein vollständiges Verbot von Fracking
        vorsehen . Diese Position haben wir in der SPD-Landes-
        gruppe Rheinland-Pfalz nie vertreten . Ein solches Total-
        verbot ginge an der Realität vorbei, wäre rechtlich kaum
        machbar und politisch unseriös .
        Allerdings stellen wir auch keinen Freifahrtschein
        für Fracking aus: Die Landesgruppe bleibt bei ihren bis-
        herigen Forderungen, dass der Schutz von Trinkwasser
        und geologischer Integrität, von Gesundheit und Umwelt
        Vorrang haben muss vor wirtschaftlichen Interessen .
        Gefährliche Zusätze in Frac-Flüssigkeiten gibt es mit
        uns nicht . Unkonventionelles Fracking muss verboten
        werden .
        Die Zahl der Erprobungsmaßnahmen muss auf das
        wissenschaftlich notwendige Maß beschränkt werden
        und eine feste Anzahl an möglichen Probebohrungen
        vorsehen . Darüber hinaus streben wir eine Beteiligung
        der Länder im Rahmen der Probebohrungen an .
        Keinesfalls darf eine externe Expertenkommission je-
        mals über Fracking entscheiden . Das Parlament alleine
        hat hier zu entscheiden . Beide Vorlagen sehen ein voll-
        ständiges Verbot von Fracking vor . Dies ist nicht unse-
        re Position . Ein Totalverbot ist weder rechtlich machbar
        noch politisch seriös . Den Menschen vorzumachen, es
        ginge doch, ist reine Augenwischerei .
        Geografische  Bedingungen  unterscheiden  sich  von 
        Standort zu Standort, deshalb fordert die Landesgruppe
        Rheinland-Pfalz eine Einzelfallprüfung für jedes Projekt .
        Transparenz ist wichtig . Diese soll auf zwei Arten
        gewährleistet werden . Wir fordern daher eine gesetzlich
        verbriefte Bürgerbeteiligung von Anfang an bei eventu-
        ellen Verfahren . Die Bürgerinnen und Bürger haben ein
        Recht darauf, über Eingriffe in die Natur in ihrem Um-
        feld informiert zu werden und darüber mitzuentscheiden .
        Weiter fordern wir die Einrichtung eines bundeswei-
        ten Registers, in dem detaillierte Informationen über ab-
        geschlossene und laufende Fracking-Projekte einsehbar
        sind . Dieses Register soll unter anderem darüber infor-
        mieren, wer ein Fracking-Projekt verantwortet, in wel-
        cher Tiefe es durchgeführt wird und welche Frac-Flüssig-
        keiten verwendet wurden .
        Die Landesgruppe Rheinland-Pfalz sieht im Fracking
        bestenfalls eine Übergangslösung hin zu einer nachhalti-
        gen Energiepolitik, die möglichst ohne fossile Energie-
        träger auskommt . In diesem Sinne muss Fracking auch
        so reguliert werden, dass daraus keine Belastungen für
        die Menschen dieser oder künftiger Generationen entste-
        hen .
        Anlage 6
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Petra Crone, Ulrich Kelber,
        Helga Kühn-Mengel, Dr. Rolf Mützenich, Achim
        Post (Minden), Axel Schäfer (Bochum) und Ulla
        Schmidt (Aachen) (alle SPD) zu den namentlichen
        Abstimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616506
        (A) (C)
        (B) (D)
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der
        SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsver-
        trag ist für uns Maßstab für das Handeln in der Großen
        Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung
        messen lassen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass auf Bundes-
        ebene keine Fakten gegen die Interessen der Bundeslän-
        der geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach unserem
        Verständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
        Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht
        infrage .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für uns, dass beim Umgang mit
        Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag die
        Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission
        kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag keinesfalls ersetzen .
        Wir setzen auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
        Großen Koalition und erwarten vom Koalitionspartner,
        die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
        gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
        uns zusammen umzusetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
        Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
        diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab .
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Dr. Karamba Diaby, Petra
        Ernstberger, Heidtrud Henn, Detlef Müller (Chem-
        nitz), Matthias Schmidt (Berlin) und Dagmar
        Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstim-
        mungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
        die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter-
        nehmen schaffen und nehmen die Vorbehalte gegen das
        Fracking sehr ernst und teilen sie .
        Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem
        Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher
        und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zuläs-
        sig, die Auswirkungen der Maßnahmen wissenschaftlich
        zu erforschen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung neuer gesetzlicher Rege-
        lungen .
        Wir setzen nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
        halb der Großen Koalition und erwarten vom Koalitions-
        partner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Aus
        diesem Grund lehnen wir diese Anträge ab .
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Alois Gerig, Andreas Jung und
        Josef Rief (alle CDU/CSU) zu den namentlichen
        Abstimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Die Bundesregierung hat bereits ein Gesetz in den
        Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem der abso-
        lute Vorrang von Trinkwasserschutz und Gesundheits-
        vorsorge hinsichtlich der Risiken des Einsatzes der
        Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgas-
        gewinnung durchgesetzt werden soll .
        In diesem bereits eingebrachten Gesetz soll das Ber-
        grecht dahin gehend geändert werden, dass in Deutsch-
        land keine Bohrungen mit Anwendung der Fracking-Me-
        thode zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und
        -gas aus unkonventionellen Lagerstätten mit umweltto-
        xischen Stoffen zulässig ist . In diesem Sinne sollen auch
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16507
        (A) (C)
        (B) (D)
        die erforderlichen Ergänzungen im Wasserhaushaltsge-
        setz des Bundes erfolgen . Eine obligatorische Umwelt-
        verträglichkeitsprüfung (UVP) mit entsprechender Bür-
        gerbeteiligung soll verankert werden .
        Insbesondere ist in dem Gesetzentwurf ein absolutes
        Fracking-Verbot vorgesehen in Wasserschutzgebieten,
        Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Tal-
        sperren und Seen, die unmittelbar zur Trinkwassergewin-
        nung genutzt werden, im Einzugsbereich von Quellen,
        Brunnen und von allen Wasserentnahmestellen, deren
        Wasser in Lebensmittel verwendet wird, sowie in Trink-
        wassergewinnungsgebieten der öffentlichen und privaten
        Wasserversorgung .
        Da aus dem Bodensee Trinkwasser gewonnen wird,
        wird von diesem absoluten Fracking-Verbot auch der
        gesamte Einzugsbereich des Bodensees umfasst und der
        Schutz des Trinkwassers sichergestellt .
        Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass auf der Grund-
        lage dieses Gesetzesentwurfs in den weiteren Beratungen
        noch offene Fragen geklärt werden und dass dann mit der
        Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen
        Bundestag ein umfassender Trinkwasser- und Gesund-
        heitsschutz durchgesetzt wird .
        Anlage 9
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu den namentlichen Abstimmungen über den
        – von den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden,
        Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren
        Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik und die
        – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-
        welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
        zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
        Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, wei-
        terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Verbot von Fracking in Deutschland
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Doris Barnett (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
        haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus
        dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
        ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
        alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards
        für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
        Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
        die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un-
        ternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen und Kenntnisstand ist
        Fracking  von  Schiefer-  und Kohleflözgas  nicht  verant-
        wortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt überwie-
        gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen . Um Wis-
        senslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich
        allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem
        Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und um-
        weltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die
        Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt, insbe-
        sondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wis-
        senschaftlich zu erforschen .
        Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemein-
        sam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erpro-
        bungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben wir
        gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der Län-
        der im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie im Gesetzentwurf
        der Grünen und im Antrag der Linken jetzt gefordert,
        konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, ob-
        wohl Grüne und auch Linke an zahlreichen Landesregie-
        rungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in denen sie
        Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein gene-
        relles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermetho-
        den ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diesen Gesetzentwurf
        und auch den Antrag ab .
        Dr. Matthias Bartke (SPD): Im vergangenen Jahr ha-
        ben mich viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern
        erreicht, die ihre Bedenken über das Fracking zum Aus-
        druck gebracht haben . Ich nehme diese Bedenken und
        Sorgen sehr ernst und teile sie in vielen Punkten . Bisher
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616508
        (A) (C)
        (B) (D)
        ist das Fracking in Deutschland in weiten Teilen über-
        haupt nicht geregelt . Eine Regulierung ist daher dringend
        notwendig . Für mich ist dabei elementar, dass der Schutz
        der Umwelt, der Gesundheit und des Trinkwassers abso-
        luten Vorrang erhält . Ich will in diesem Sinne klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um die Auswirkungen der
        Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Unter-
        grund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu er-
        forschen, halte ich allenfalls Erprobungsmaßnahmen
        in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissen-
        schaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit . Deswegen ist es umso wichtiger, dass
        die Große Koalition ihr Regelungspaket zügig umsetzt .
        Wir haben auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem
        Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschafts-
        ministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinba-
        ren können . Ich erwarte nun vom Koalitionspartner, das
        Regelungspaket nicht länger zu blockieren .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
        aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Maik Beermann (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werde ich zustim-
        men, den Antrag der Fraktion die Linke werde ich ab-
        lehnen . Ich verweise auf die anhaltenden Beratungen der
        Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes
        Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich zum
        Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfah-
        rens dann separat entscheiden werde .
        Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt:
        In meinem Wahlkreis Nienburg II/Schaumburg in der
        Gemeinde Rodewald in meiner Heimatsamtgemeinde
        Steimbke sind Leukämieerkrankungen gehäuft aufgetre-
        ten, die nach Auffassung verschiedener Experten auf die
        jahrzehntelange Erdölförderung zurückzuführen sind .
        Eine Krebsclusteruntersuchung findet statt. 
        Die Sicherheit und Gesundheit der Mitbürgerinnen
        und Mitbürger stehen für mich an erster Stelle – vor den
        wirtschaftlichen Interessen . Die Auswirkungen des un-
        konventionellen Frackings sind meines Erachtens noch
        nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt . Daher lehne
        ich die Erdgasförderung durch das sogenannte unkon-
        ventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der Tech-
        nik ab . Solange Fracking nicht ohne wassergefährdende
        Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen,
        Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wissen-
        schaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie
        nicht zum Einsatz kommen . Auch das aktuell aufgetre-
        tene Erdbeben im Landkreis Verden mit mehreren hun-
        dert Schäden an Gebäuden veranlassen mich zu dieser
        Entscheidung .
        Sybille Benning (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
        Fraktion Die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn
        ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
        anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
        und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
        Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamenta-
        rischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
        Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die
        Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von
        Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen .
        Als Abgeordnete aus dem Münsterland lehne ich der-
        zeit das kommerzielle unkonventionelle Fracking ab . Die
        Auswirkungen dieser Technologie sind noch nicht aus-
        reichend wissenschaftlich geklärt . Der bedingungslose
        und uneingeschränkte Schutz von Menschen, Trinkwas-
        ser und Umwelt hat für mich oberste Priorität .
        Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking
        nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und
        eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um-
        welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen
        werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz
        kommen .
        Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die
        vielen Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien –
        seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr
        hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel-
        le unkonventionelle Fracking ab .
        Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wenn taktische
        Überlegungen und parlamentarisches Geplänkel wich-
        tiger werden als ökologische Lösungen, müssen solche
        Anträge wie die von Bündnis 90/Die Grünen und der
        Linken gestellt werden . Wenn es allein nach mir gin-
        ge in der Welt, würden wir aus dem Verbrauch fossiler
        Energieträger aussteigen, denn sie sind endlich, und au-
        ßerdem machen Arbeitsplätze auf solarer Basis ein gutes
        Gewissen . Aber die Welt folgt nicht allein meinen Vor-
        stellungen, und auch in Deutschland lehnen wir eine Dik-
        tatur ab, bevorzugen Demokratie . In unserer Demokratie
        haben die SPD-Fraktion und ich eine Arbeitsrichtung,
        ein Ziel: Schonung fossiler Energieträger . „Trinkwasser
        und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
        Thema Fracking ist für mich Maßstab – auch in der Gro-
        ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
        cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
        und für Unternehmen schaffen . Seit Jahrzehnten gibt es
        Fracking in Deutschland – hier gibt es erhebliche Rege-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16509
        (A) (C)
        (B) (D)
        lungslücken, die zu schließen sind . Also brauchen wir ein
        Gesetz. Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein fak-
        tisches Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit
        neuen gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer aber
        keine Rechtssicherheit hinsichtlich ökologischer Fragen,
        gefährdet also Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren
        in Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasför-
        derung – ohne die ökologische Situation zu verbessern,
        ohne klare Regelungen für die bisherige Erdgasförde-
        rung .
        Für die Zukunft gilt: Mit Blick auf die endliche Res-
        source Gas und mit Blick auf die guten Möglichkeiten
        zum ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft
        ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant-
        wortbar, denn Risiken für Mensch und Umwelt überwie-
        gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
        Gegenwärtig gilt: Für eine gewissenhafte Beratung
        gesetzlicher Regelungen gilt der Grundsatz „Gründlich-
        keit vor Schnelligkeit“ . Daher wurde die Entscheidung
        über die geplanten Regelungen für das Gesetzespaket
        zum Fracking bisher noch nicht beschlossen . Für mich
        sind folgende Verbesserungen bei dem Entwurf des Re-
        gelungspakets wichtig: Der Bundestag als demokratisch
        legitimiertes Organ muss im Umgang mit unkonventio-
        nellem Fracking das letzte Wort haben – Parlamentsvor-
        behalt – und keine Expertenkommission, die lediglich
        eine Beratungs- und Beurteilungsfunktion einnehmen
        soll .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü-
        gig mit uns zusammen umzusetzen . Gäbe es keine kla-
        ren gesetzlichen Regelungen, bestünde die Gefahr, dass
        die derzeit zurückgehaltenen Anträge der Unternehmen
        neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in
        Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den
        notwendigen  weitergehenden  Schutz  der  Oberflächen-
        gewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und
        Mineralquellen . Zudem will die SPD-Fraktion mit dem
        Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden auf-
        grund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle
        Erdgasförderung hervorgerufen werden .
        Angesichts dieser schwierigen Aufgaben ist es von
        Grünen und Linken kein seriöses Verhalten, eine Abstim-
        mung zum diesem Thema ohne Debatte im Parlament zu
        beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Win-
        kelzug wird der Problematik nicht gerecht . Es ist bedau-
        erlich, dass sich ein „an sich“ guter Vorschlag auf diese
        Weise in sein Gegenteil verkehrt .
        Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): „Trinkwasser und
        Gesundheit haben für die SPD und mich absoluten Vor-
        rang .“ Die Festlegung im Koalitionsvertrag zum Thema
        Fracking ist für mich stets Maßstab für das Handeln in
        der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz! Ein Ge-
        setz, das Umweltstandards für die bereits vorhandene
        Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Regelun-
        gen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bür-
        ger, für Behörden und Unternehmen . Wir wollen aber
        auch die Mineralwasserförderung nicht verbieten .
        Fracking  von  Schiefer-  und  Kohleflözgas  ist  nicht 
        verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt
        überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
        Um Wissenslücken zu schließen, dürfen allenfalls Erpro-
        bungsmaßnahmen in eng begrenzten Rahmen und unter
        strengster wissenschaftlicher und umweltfachlicher Auf-
        sicht zulässig sein, um Auswirkungen der Maßnahmen
        auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den
        Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Dass der Deutschen Bundestag am Ende die Entschei-
        dung treffen muss, ist für mich selbstverständlich . Eine
        von der CDU geforderte Expertenkommission kann das
        demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
        zwar beraten, jedoch keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen
        gesetzlichen Regelungen, auch dann, wenn sie derzeit
        noch ganz legal bergrechtliche Genehmigungen erhal-
        ten könnten . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit
        und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in
        Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförde-
        rung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich bereits im Bundesrat nicht
        durchsetzen, weil Grüne und auch Linke dort selbst Ver-
        antwortung in Landesregierungen tragen .
        Ich erwarte, dass die Union den Widerstand gegen die
        von Bundesumweltministerium und Bundeswirtschafts-
        ministerium erarbeiteten Verbesserungen aufgibt, um das
        Regelungspaket endlich zügig umzusetzen .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch moti-
        vierter Winkelzug wird weder der Verantwortung, noch
        der Würde des Parlaments gerecht . Schon aus diesem
        Grund lehne ich diese Anträge strikt ab .
        Marco Bülow (SPD): Ich halte unkonventionelles
        Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für
        eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord-
        rhein-Westfalen und im Bund unmöglich macht .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommis-
        sion kann das demokratisch legitimierte Organ Deut-
        scher Bundestag keinesfalls ersetzen . Leider blockiert
        die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit
        die Rechtsunsicherheit . Ich fordere die Union auf, diese
        Blockade zu beenden und gemeinsam ein Fracking-Ver-
        bot zu beschließen .
        Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
        setzung eines Fracking-Verbotes . Anträge ohne Debatte
        und ohne die Chance, sie mit dem ganzen Haus zu be-
        schließen, zur Abstimmung zu stellen, ist nicht zielfüh-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616510
        (A) (C)
        (B) (D)
        rend, wenngleich ich die Anträge inhaltlich nachvollzie-
        hen kann .
        Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
        fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten und
        mich dafür einsetzen, dass es eine Debatte und einen Be-
        schluss des gesamten Bundestages gibt, der Fracking in
        ganz Deutschland untersagt, damit kein Flickenteppich
        mit unterschiedlichen Regelungen entsteht .
        Bernhard Daldrup (SPD): Nach heutigen Informati-
        onen halte ich das unkonventionelle Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas für ökologisch nicht verantwortbar 
        und für einen ökonomischen Fehlanreiz .
        Ökologisch ist unkonventionelles Fracking nicht zu
        verantworten, da der Schutz des Trinkwassers für die
        Umwelt und die Gesundheit absoluten Vorrang haben
        muss . Unkonventionelles Fracking ist aus meiner Sicht
        eine Risikotechnologie: Erhebliche ökologische Schäden
        können nicht ausgeschlossen werden .
        Ebenso weist Fracking ökonomisch und energiepo-
        litisch in die falsche Richtung . Angesichts des Klima-
        wandels und der damit erforderlichen Reduktion der
        CO2-Emissionen sollte das Angebot kohlenstoffhaltiger
        Energieträger nicht ausgeweitet werden . Es liefe unse-
        rem Ziel einer weiteren Umsetzung der Energiewende
        und der Umstellung auf Erneuerbare Energien entgegen
        und setzt insofern wirtschaftliche Fehlanreize .
        Ich bin zudem der Überzeugung, dass auf Bundesebe-
        ne in dieser Frage keine Fakten gegen die Interessen der
        Bundesländer geschaffen werden dürfen . Die Menschen
        in Nordrhein-Westfalen lehnen Fracking mehrheitlich ab .
        Selbstverständlich ist für mich, dass über den Einsatz
        des unkonventionellen Frackings am Ende der Deutsche
        Bundestag entscheiden muss . Eine Expertenkommission
        kann die Entscheidung des Deutschen Bundestages kei-
        nesfalls ersetzen .
        Ich erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines
        Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert,
        aufzugeben und endlich ein Gesetz, welches das Verbot
        von unkonventionellem Fracking ermöglicht, mit der
        SPD-Bundestagsfraktion umzusetzen . Ein solches Ge-
        setz wäre eine Verbesserung gegenüber dem heutigen
        Zustand . Für meine Heimatregion im Münsterland wäre
        mit dem Verbot des unkonventionellen Frackings ein
        Meilenstein erreicht .
        Die Anträge von Linken und Grünen, eine Entschei-
        dung ohne Debatte zu fällen, erweisen sich nicht als hilf-
        reich, weil sie den Anschein politischen Taktierens jen-
        seits einer sachlichen Lösung erwecken .
        Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
        fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten .
        Siegmund Ehrmann (SPD): „Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
        rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
        ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
        sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
        Auf der Bundesebene dürfen keine Fakten gegen die
        Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Dies
        leitet sich aus dem Koalitionsvertrag ab . Für Nord-
        rhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht infrage .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
        on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag keinesfalls ersetzen .
        Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
        Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner
        die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
        gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
        uns zusammen umzusetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
        Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
        diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Dr. Johannes Fechner (SPD): „Trinkwasser und
        Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
        Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
        in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die
        Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför-
        derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und
        Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
        hörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16511
        (A) (C)
        (B) (D)
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr
        auf die Einigungsfähigkeit der Union und erwarte vom
        Koalitionspartner, das weitestgehend ausgehandelte Re-
        gelungspaket zum weitestgehenden Verbot von Fracking
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Der Schwachpunkt der heute zur Abstimmung stehen-
        den Oppositionsanträge besteht darin, dass keinerlei Re-
        gelungen zu den für uns wichtigen Mitspracherechten der
        Länder und Kommunen enthalten sind . Über die Köpfe
        von Landtagen und Gemeinderäten hinweg kann so ein
        wichtiges Thema wie die Zulassung von Fracking doch
        nicht entschieden werden. Auch zu Transparenzpflichten 
        oder Fragen des Wasserhaushalts- und Naturschutzrech-
        tes schweigen die Anträge . Dass die Grünen in jenen Län-
        dern, in denen sie regieren, nicht effektiv gegen Fracking
        vorgehen, zeigt die Scheinheiligkeit ihres Antrages .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher – allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug – wird der Problematik nicht gerecht .
        Parteitaktische Süppchen zu kochen und die Bürgerinnen
        und Bürger bei diesem sensiblen Thema derart zu verun-
        sichern, ist völlig unangebracht . Auch aus diesem Grund
        lehne ich diese Anträge ab .
        Christian Flisek (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
        aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
        cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen
        Koalition . Ich will ein Gesetz, das die Umweltstandards
        für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
        Ich will klare Regelungen und Rechtssicherheit für die
        Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unterneh-
        men schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemein-
        sam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erpro-
        bungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb strebe ich ge-
        mäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder
        im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch begegnet es
        erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken . Auch in
        den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde
        bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits
        vorhandene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte von der CDU/CSU, das Regelungspaket zügig
        mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht verab-
        schiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis
        liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Ulrich Freese (SPD): Wir wollen klare Regelungen
        und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für
        Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem
        Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher
        und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zuläs-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616512
        (A) (C)
        (B) (D)
        sig, die Auswirkungen der Maßnahmen wissenschaftlich
        zu erforschen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
        halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions-
        partner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen
        umzusetzen .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Dagmar Freitag (SPD): Ich halte unkonventionelles
        Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für eine
        gesetzliche Regelung ein, die Fracking gegen den Willen
        eines Bundeslandes nicht möglich macht .
        Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
        verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
        Ich werde mich heute bei der Abstimmung über den
        Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen allerdings
        der Stimme enthalten, weil ich eine Abstimmung über
        einen Gesetzentwurf ohne Debatte für parlamentarisch
        nicht zielführend halte . Diese Enthaltung ändert grund-
        sätzlich jedoch nichts an meiner inhaltlichen Position zu
        Fracking .
        Ulrike Gottschalck (SPD): „Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festle-
        gung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema
        Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der
        Großen Koalition . Für Fracking-Vorhaben sind derzeit
        keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben .
        Kommunen, Wasserbehörden und die Bevölkerung wer-
        den nicht ausreichend beteiligt . Deswegen brauchen wir
        ein Gesetz, das Fracking streng reguliert . Wir wollen ein
        Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
        dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Dieses Gesetz ist in Vorbereitung, und ich setze auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte vom Koalitionspartner, den Gesetzentwurf zügig
        endabzustimmen .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Aus hessischer Sicht ist es zudem besonders unglaub-
        würdig, wenn gleichzeitig die grüne hessische Umwelt-
        ministerin im Osten des Bundeslandes die Verpressung
        von Millionen Tonnen grundwassergefährdender Abwäs-
        ser aus der Kaliproduktion in den Untergrund legalisiert .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen beim
        Thema Fracking ist es von Grünen und Linken zudem
        kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim-
        mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein
        solcher allein taktisch motivierter Winkelzug, wird der
        Problematik nicht gerecht .
        Da ich trotz dieser parlamentarischen „Spielchen“ von
        Grünen und Linken, Fracking von Schiefer- und Kohle-
        flözgas für nicht verantwortbar halte, werde ich mich der 
        Stimme enthalten .
        Kerstin Griese (SPD): Ich halte unkonventionel-
        les Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für
        eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord-
        rhein-Westfalen unmöglich macht .
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der
        SPD und der verankerten Festlegung im Koalitionsver-
        trag ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen
        Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung
        messen lassen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Leider blockiert zurzeit die CDU/CSU ein Gesetz,
        das Umweltstandards und klare Regelungen setzt, und
        verschärft damit Rechtsunsicherheit . Ich will ein Gesetz,
        das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erd-
        gasförderung verschärft . Ich will klare Regelungen und
        Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
        hörden und für Unternehmen schaffen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
        on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag keinesfalls ersetzen .
        Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
        Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner
        die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
        gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
        uns zusammen umzusetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von den Grünen und den Linken kein parlamentarisch
        seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema
        ohne Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16513
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ich werde mich bei den Abstimmungen enthalten .
        Gabriele Groneberg (SPD): Nach heutigen Infor-
        mationen  ist  Fracking  von  Schiefer-  und  Kohleflözgas 
        nicht verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Um-
        welt überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chan-
        cen . Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in die-
        sem Bereich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng
        begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftli-
        cher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für
        zulässig, die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Um-
        welt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaus-
        halt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb stre-
        ben wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung
        der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel Fracking ist Maßstab für das Handeln in der
        Großen Koalition .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und das gefährdet Arbeitsplätze in der
        seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, her-
        kömmlichen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Ich enthalte mich bei dem Gesetzentwurf der Grünen,
        und den Antrag der Linken lehne ich ab, denn angesichts
        dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen
        und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine
        Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu bean-
        tragen . Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug
        wird der Problematik nicht gerecht und zielt allein darauf
        ab, die Koalitionsfraktionen als Befürworter des Fra-
        ckings darzustellen . Einem absoluten Fracking-Verbot,
        wie es Grüne und Linke vorsehen, möchte ich nicht zu-
        stimmen . Allerdings lasse ich mich nicht in die Rolle ei-
        ner vorbehaltlosen Unterstützerin des Frackings drücken .
        Auch vor dem Hintergrund der konkreten Problematik in
        meinem Wahlkreis Cloppenburg/Vechta halte ich eine
        vertiefte Diskussion über das Fracking für dringend ge-
        boten . Der Wahlkreis Cloppenburg/Vechta ist eines der
        größten Erdgasfördergebiet Deutschlands, was insbeson-
        dere hier viele Fragen aufwirft . Wir wollen ein Gesetz,
        das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erd-
        gasförderung verschärft und eine parlamentarische De-
        batte, die diese Fragen klärt . Wir wollen vor allem klare
        Regelungen und Rechtssicherheit für Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Christian Haase (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
        Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen . Ich verwei-
        se auf die anhaltenden Beratungen der Fraktionen von
        CDU/CSU und SPD über ein eigenes Regelungspaket
        zum Thema Fracking, über das ich zum Abschluss des
        parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens entschei-
        den werde . Daher erkläre ich:
        Die beiden Anträge der Oppositionsfraktionen ver-
        weigern sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung
        mit der komplexen Thematik des Frackings . Die CDU/
        CSU-Bundestagsfraktion nimmt die Bewertung dieses
        wichtigen Themas sehr ernst und möchte dies nicht im
        Eilverfahren durch das parlamentarische Verfahren brin-
        gen . Die Beratungen laufen . Des Weiteren sind die An-
        träge nicht technologieoffen und wollen ein Verfahren
        ausschließen, welches noch nicht final wissenschaftlich 
        bewertet wurde .
        Der Wasserschutz muss auch weiterhin die höchste
        Priorität haben . Gesetzliche Regelungen müssen sich
        daran messen lassen, ob sie diesem Anspruch genügen .
        Der Schutz von Mensch, Wasser und Umwelt steht be-
        dingungslos im Fokus meiner Meinungsbildung .
        Intensiv habe ich das Verfahren über das Eckpunk-
        te-Papier und den Referentenentwurf verfolgt und beglei-
        te das Thema weiterhin aktiv . Für mich war immer klar,
        dass es keine Alternative ist, kein Gesetz zum Thema
        Fracking zu beschließen; denn wir wollen ein „Wasser-
        schutz-Gesetz“ beschließen . Ohne dieses Gesetz gibt es
        keine Regelungen, Reglementierungen und Einschrän-
        kungen für die Anwendung der Fracking-Technologie
        in Deutschland . Dies geht weit über die Änderungen im
        Bundesberggesetz hinaus .
        Die Situation der privaten Brunnen für die Trinkwas-
        serversorgung behalte ich auch im weiteren Verfahren
        weiter im Blick . In meinem Wahlkreis gibt es Ortschaf-
        ten, die nicht an die öffentliche Wasserversorgung ange-
        schlossen sind und somit bei der Trinkwasserversorgung
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616514
        (A) (C)
        (B) (D)
        auf private Brunnen angewiesen sind . Diese müssen
        uneingeschränkt geschützt werden . Dies gilt genauso
        für die Heil- und Mineralwasserquellen und Brunnen
        für Brauereien in Ostwestfalen-Lippe, dem Heilgarten
        Deutschlands .
        Ich bin davon überzeugt, dass nach der Auswertung
        von Probebohrungen ausreichend wissenschaftliche Er-
        kenntnisse vorliegen, von denen auch die Entscheidungs-
        behörden profitieren werden,  die  in  ihrer Entscheidung 
        autonom sind .
        In einer sachlichen Debatte muss Raum sein, diese
        Methode zur Erdgasgewinnung auf wissenschaftlicher
        Basis auf den Prüfstand zu heben . Diese Zeit möchte ich
        dem Verfahren beimessen und lehne die aktuell vorlie-
        genden Anträge daher ab .
        Bettina Hagedorn (SPD): Heute stimmt der Deut-
        sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über ei-
        nen extrem kurzfristig vorgelegten Antrag der Fraktion
        Bündnis 90/Die Grünen ab, auf dessen öffentliche Aus-
        sprache im Plenum die Grünen ausdrücklich verzichtet
        haben . Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch und ent-
        larvt den Antrag mit namentlicher Abstimmung als ein
        Showinstrument zu Wahlkampfzwecken – genau wie vor
        zwei Monaten, am 25 . Februar 2016 zum Antrag „Gly-
        phosat“ . Damit aber wird keinem dieser ernsten Themen
        weder Glyphosat noch Fracking – objektiv angemessen
        Rechnung getragen, weil nur in einer öffentlichen De-
        batte im Bundestagsplenum die Gründe für eine Zustim-
        mung oder Ablehnung dargelegt werden können . Ich kri-
        tisiere dieses Verfahren ausdrücklich und möchte daher
        meine Auffassung zum Thema Fracking jedenfalls in
        einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung darlegen .
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
        Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
        dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Metin Hakverdi (SPD): Trinkwasser und Gesundheit
        haben für uns absoluten Vorrang . Deshalb haben wir uns
        mit der CDU/CSU-Fraktion im Koalitionsvertrag unter
        anderem verabredet: „Die Koalition wird kurzfristig Än-
        derungen für einen besseren Schutz des Trinkwassers im
        Wasserhaushaltsgesetz sowie eine Verordnung über die
        Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bergbaulicher
        Vorhaben vorlegen, die vor Zulassung von Maßnahmen
        zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkon-
        ventionellen Lagerstätten mittels Fracking eine obligato-
        rische UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht .“
        Bereits in Frühjahr 2015 wurde durch die Bundes-
        regierung ein Gesetzentwurf eingebracht . Seitdem blo-
        ckiert die CDU/CSU-Fraktion dieses Gesetz .
        Ich erwarte vom Koalitionspartner die Blockade eines
        Gesetzes, das Fracking im Schiefergestein verhindert,
        UVPs verbindlich vorschreibt und Öffentlichkeitsbeteili-
        gung vorsieht, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit uns
        zusammen umzusetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
        Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Aus den
        oben genannten Gründen werde ich mich heute enthalten .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16515
        (A) (C)
        (B) (D)
        Ulrich Hampel (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
        haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus
        dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
        ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
        alition .
        Demgemäß ist Fracking von Schiefer- und Kohle-
        flözgas  für  mich  nicht  verantwortbar.  Die  Risiken  für 
        Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt-
        schaftlichen Chancen .
        Zudem bin ich auch der festen Überzeugung, dass auf
        Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bun-
        desländer geschaffen werden dürfen .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim-
        mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein
        solcher allein taktisch motivierter Winkelzug wird der
        Problematik nicht gerecht und schadet der Zielsetzung
        eines Fracking-Verbotes .
        Aus diesem Grund werde ich mich heute der Stimme
        enthalten .
        Sebastian Hartmann (SPD): „Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
        rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
        ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
        sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
        Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
        ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
        geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
        ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
        Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht
        infrage .
        Die Landesgruppe der NRW-SPD-Abgeordneten
        macht dies immer wieder deutlich, und auch das sehr
        differenzierte Abstimmungsverhalten zu den Anträgen
        vieler sozialdemokratischer Kolleginnen und Kollegen –
        welches ich ausdrücklich begrüße – unterstreicht dies bei
        den heutigen Abstimmungen erneut .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
        on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag keinesfalls ersetzen .
        Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
        Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner
        CDU/CSU, die Blockade eines Gesetzes, das Fracking
        im Schiefergestein verhindert, aufzugeben und ein Ge-
        setz zügig mit uns zusammen umzusetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
        Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
        diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Die Anträge von Linken und Grünen schaden der
        Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur
        politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus-
        sprache darüber ablehnen .
        Wolfgang Hellmich (SPD): „Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
        rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
        ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
        sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
        Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
        ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
        geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
        ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
        Nordrhein-Westfalen und anderswo kommt Fracking je-
        denfalls nicht infrage .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss .
        Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
        Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner,
        die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
        gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
        uns zusammen umzusetzen .
        Eine Expertenkommission kann das demokratisch le-
        gitimierte Organ Deutscher Bundestag keinesfalls erset-
        zen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Vor
        allem aus diesem Grund kann ich diesen Anträgen nicht
        zustimmen .
        Gabriele Hiller-Ohm (SPD): „Trinkwasser und
        Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
        Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
        in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die
        Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför-
        derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und
        Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
        hörden und für Unternehmen schaffen .
        Für mich ist Fracking zur Förderung von Schiefer-
        und Kohleflözgas  nicht  verantwortbar.  Die  Risiken  für 
        Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt-
        schaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616516
        (A) (C)
        (B) (D)
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Christina Jantz-Herrmann (SPD): „Trinkwasser
        und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
        Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
        in der Großen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die
        Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasför-
        derung verschärft . Wir wollen klare Regelungen und
        Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Be-
        hörden und für Unternehmen schaffen . Ich stehe bereit,
        mit der Großen Koalition ein entsprechendes Gesetz zu
        verabschieden .
        Heute jedoch stimme ich erstmalig nicht mit meiner
        Fraktion . Es ist offensichtlich, dass der vorliegende Ge-
        setzentwurf beziehungsweise der Antrag der Opposition
        Schwächen aufweist – doch solange die Union sich einer
        Auseinandersetzung mit den zahlreichen Problematiken
        der geltenden Gesetzeslage verweigert, kann ich nicht
        anders, als im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in
        meinem Wahlkreis Osterholz-Verden und nach meinem
        Gewissen zu stimmen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Derzeit  halten  sich  die Erdgasfirmen größtenteils  an 
        ein faktisches Moratorium, in der Erwartung eines Ge-
        setzes mit neuen gesetzlichen Regelungen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und
        dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche
        Verbesserungen vereinbaren können . Ich setze auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü-
        gig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht ver-
        abschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis
        liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt werden .
        Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten
        in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weiterge-
        henden Schutz der Oberflächengewässer  oder  auch des 
        Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislas-
        tumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben ein-
        führen, die durch konventionelle Erdgasförderung her-
        vorgerufen werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö-
        ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Zudem ist das Verbot, wie von Grünen und Linken ge-
        fordert, undifferenziert . Auch in den Ländern, in denen
        sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein
        generelles Förderverbot für bereits vorhandene Förder-
        methoden ausgesprochen .
        Wir müssen jedoch schnellstmöglich sicherstellen,
        dass die Transparenz von Fördervorhaben über das ge-
        samte Verfahren hinweg gewährleistet ist . Der Trink-
        wasserschutz muss zudem höchste Priorität haben und
        der  Besorgnisgrundsatz  umfassend Anwendung  finden. 
        Einzugsgebiete von Brunnen, deren Wasser als Lebens-
        mittel, Trinkwasser und Getränke oder als Bestandteil
        davon genutzt wird, müssen in Verbotszonen aufgenom-
        men werden . Darüber hinaus sollten auch Vorranggebiete
        für die Trinkwasserversorgung in die Verbotszonen auf-
        genommen werden . Mindestens sollte diese Option aber
        den Ländern eingeräumt werden .
        Die bestehenden und zu erteilenden Genehmigungen
        für Verpressvorhaben müssen befristet werden, der Stand
        der Technik regelmäßig überprüft werden . Eine Verpres-
        sung von Lagerstättenwasser, das wassergefährdende
        oder stark wassergefährdende Substanzen enthält, muss
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16517
        (A) (C)
        (B) (D)
        ohne Ausnahme verboten werden . Die Bestimmungen
        zur Umweltverträglichkeitsprüfung müssen ausgebaut
        und ein Monitoring implementiert werden . Als Grundla-
        ge hierfür brauchen wir eine Öko-Effizienz-Analyse der 
        Wirtschaftlichkeit sowie der ökologischen Auswirkun-
        gen der jeweiligen Fördermaßnahme .
        Ebenfalls ist sicherzustellen, dass sogenannte Quer-
        und Schrägbohrungen in und unter Wasserschutzgebie-
        ten etc . durch das Gesetz auch weiterhin ausgeschlos-
        sen bleiben . Selbstverständlich ist für mich, dass beim
        Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
        on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Die Regelung im Eckpunktepapier war eindeutig und
        muss Grundlage einer gesetzlichen Regelung sein . Der
        Schutz von Trinkwasser und Gesundheit hat absolute Pri-
        orität gegenüber wirtschaftlichen Interessen . Zum gegen-
        wärtigen Zeitpunkt sind die Risiken des unkonventionel-
        len Frackings nicht absehbar . Probebohrungen sind nur
        für Forschungszwecke zulässig, und eine kommerzielle
        Nachnutzung ist auszuschließen .
        Auch wenn die Förderung von Erdöl mit der Fra-
        cking-Technologie heute in Deutschland noch keine
        Anwendung  findet,  ist  nicht  auszuschließen,  dass  es 
        aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung auch zu Auf-
        suchungserlaubnissen für Erdölförderung durch unkon-
        ventionelles Fracking kommen wird . Aus den USA be-
        kannte unkonventionelle Fracking-Verfahren umfassen
        auch Erdölförderung . Einige Vorgaben, Regelungen und
        Gebietsverbote in den Entwürfen zum Wasserhaushalts-
        gesetz und Bundesnaturschutzgesetz beziehen sich den-
        noch lediglich auf Fracking-Vorhaben im Erdgassektor .
        Regelungen für unkonventionelles Fracking bei Erdgas
        und Erdöl sollten daher gleichgestellt werden .
        Abschließend ist eindeutig sicherzustellen, dass die
        Beweislastumkehr klar definiert wird und nicht als An-
        scheinsvermutung ausgelegt werden könnte . Zudem ist
        sicherzustellen, dass im Zuge der Beweislastumkehr eine
        Schadensregulierung durch die Unternehmen auch tat-
        sächlich gewährleistet werden kann .
        Ich  erwarte  ein  differenziertes,  griffiges  Gesetz,  im 
        Sinne des Umweltschutzschutzes und ausgerichtet an
        den Interessen der Bürgerinnen und Bürger .
        Thomas Jurk (SPD): Ich befürworte klare gesetz-
        liche Regeln und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen
        und Bürger, für Behörden und für Unternehmen, und ich
        nehme die Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst . Um
        Wissenslücken zu schließen und um mögliche Auswir-
        kungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel auf den Unter-
        grund und den Wasserhaushalt, zu erforschen, halte ich
        jedoch Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftlicher
        und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig .
        Nach derzeitiger Rechtslage ist Fracking grundsätz-
        lich zulässig, derzeit halten sich aber die Firmen und die
        Landesbehörden an ein faktisches Moratorium . Das ist
        auf Dauer nicht rechtssicher und gefährdet Arbeitsplätze
        in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten
        herkömmlichen Erdgasförderung, denn so lange wird in
        Deutschland auch schon konventionell gefrackt .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Lin-
        ken im Gesetzentwurf bzw . im Antrag gefordert, konnte
        sich, obwohl Grüne und Linke an zahlreichen Landesre-
        gierungen beteiligt sind, auch im Bundesrat nicht durch-
        setzen . Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung
        tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderver-
        bot für bereits vorhandene Fördermethoden ausgespro-
        chen .
        An einem Gesetz, das Rechtssicherheit schaffen soll,
        die berechtigten Nöte und Sorgen der Menschen ernst
        nimmt, wissenschaftliche Forschung und Erprobung
        aber zulässt, arbeitet die Große Koalition . Wir haben auf
        Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesum-
        weltministerium und dem Bundeswirtschaftsministeri-
        um bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren kön-
        nen . Dabei geht es nicht nur um Regulierungen für das
        unkonventionelle, sondern auch um das konventionelle
        Fracking . Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit
        innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koaliti-
        onspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen
        umzusetzen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die
        Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der
        Unternehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es
        dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen,
        nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der
        Oberflächengewässer oder auch des Wassers für Lebens-
        mittel und Mineralquellen . Zudem wollen wir eine Be-
        weislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben
        einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung
        hervorgerufen werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
        aus diesem Grund lehne ich den Antrag der Linken und
        den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ab .
        Ralf Kapschack (SPD): Ich halte unkonventionel-
        les Fracking für nicht verantwortbar und setze mich für
        eine gesetzliche Regelung ein, die Fracking in Nord-
        rhein-Westfalen unmöglich macht .
        Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
        verschärft damit Rechtsunsicherheit .
        Die Anträge von Linken und Grünen schaden der
        Zielsetzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur
        politische Effekthascherei, weil sie eine öffentliche Aus-
        sprache darüber ablehnen .
        Deshalb werde ich mich heute bei beiden namentli-
        chen Abstimmungen der Stimme enthalten .
        Anja Karliczek (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
        Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn
        ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
        anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
        und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616518
        (A) (C)
        (B) (D)
        „Fracking“, über das ich zum Abschluss des parlamen-
        tarischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
        Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die
        Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von
        Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen .
        An meiner Position hat sich nichts geändert . Als Abge-
        ordnete aus dem Münsterland lehne ich das kommerzielle
        unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen dieser
        Technologie sind noch nicht ausreichend wissenschaft-
        lich geklärt . Der bedingungslose und uneingeschränkte
        Schutz von Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für
        mich oberste Priorität .
        Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking
        nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und
        eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um-
        welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen
        werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz
        kommen .
        Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die
        viele Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien –
        seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr
        hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel-
        le unkonventionelle Fracking ab .
        Cansel Kiziltepe (SPD): Dass Parlamentarierinnen
        und Parlamentarier die eigenen Beschlussvorlagen im
        Plenum des Deutschen Bundestages nicht debattieren
        wollen, ist extraordinär: So soll es aber heute mit einem
        Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und einem
        Bericht zu einem Antrag der Linken gehen . Beide Abstim-
        mungen behandeln das hochsensible Thema Fracking . In
        einer „Abschließenden Beratung ohne Aussprache“ soll
        auf Wunsch der Oppositionsparteien sofort abgestimmt
        werden. Dieses Verfahren finde ich skandalös. Dadurch 
        wird verhindert, auf gravierende „Leerstellen“ im Grü-
        nen-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-
        berggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik
        einzugehen: zum Beispiel das Mitspracherecht der Kom-
        munen, die Beweislastumkehr bei Erdbeben, das Fehlen
        von Vorschlägen im Wasserrecht, Regelungen zur Her-
        stellung von Transparenz und vieles mehr .
        Obwohl ich Fracking sehr kritisch gegenüberstehe,
        lehne ich aus fachlichen und formalen Gründen diese
        Anträge ab .
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
        Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
        dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte von der Unionsfraktion, das Regelungspaket zü-
        gig mit uns zusammen umzusetzen .
        Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
        dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
        nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
        allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
        aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
        flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel 
        und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
        eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
        Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
        förderung hervorgerufen werden .
        Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): „Trinkwasser und
        Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
        Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in
        der Großen Koalition .
        Demgemäß ist Fracking von Schiefer- und Kohle-
        flözgas  für  mich  nicht  verantwortbar.  Die  Risiken  für 
        Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen wirt-
        schaftlichen Chancen .
        Zudem bin ich auch der festen Überzeugung, dass auf
        Bundesebene keine Fakten gegen die Interessen der Bun-
        desländer geschaffen werden dürfen .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstim-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16519
        (A) (C)
        (B) (D)
        mung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Ein
        solcher allein taktisch motivierter Winkelzug wird der
        Problematik nicht gerecht und schadet der Zielsetzung
        eines Fracking-Verbotes .
        Aus diesem Grund werde ich mich heute der Stimme
        enthalten .
        Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Auch wenn
        ich mir eine zügige Regelung wünsche, die einer mög-
        lichen  Förderung  von  Schiefer-  und  Kohleflözgas mit-
        tels der Fracking-Technologie einen Riegel vorschieben
        würde, kann ich weder dem Gesetzentwurf der Fraktion
        Bündnis 90/Die Grünen noch dem Antrag der Frakti-
        on Die Linke zustimmen . Beide Initiativen werden der
        Komplexität der Sachlage nicht gerecht und blenden
        zudem die bestehenden Probleme der konventionellen
        Erdgasförderung in Deutschland aus . Konkret fehlt es an
        Vorschlägen zu einer Klarstellung im Bergschadensrecht,
        mit der die Beweislast für mögliche Bergschäden den
        Unternehmen auferlegt wird . Nicht zuletzt dieser Punkt
        ist Bestandteil des Gesetzgebungspaketes, das derzeit
        noch von den Fraktionen CDU/CSU und SPD beraten
        wird . Daher halte ich es für sinnvoll, das Ergebnis dieser
        Beratungen abzuwarten .
        Ob ich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens dem
        Regelungspaket der Koalitionsfraktionen werde zustim-
        men können, ist noch ungewiss . Es gibt noch zu viele
        kritische Punkte, die meiner Forderung nach einem
        faktischen Verbot entgegenstehen . Dazu zähle ich ins-
        besondere das Vorhaben zur Einsetzung einer Experten-
        kommission, deren Wirken letztlich zu einem gleitenden
        Übergang von der Forschung zur kommerziellen Nut-
        zung führen könnte . Einen solchen Quasiautomatismus
        darf es nicht geben .
        Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD): Angesichts die-
        ser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und
        Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Ab-
        stimmung zu diesem Thema ohne Debatte zu beantragen .
        Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug wird
        der Problematik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund
        lehne ich diese Anträge ab .
        Ein generelles gesetzliches Verbot der Fracking-Tech-
        nologie erachte ich aus zweierlei Gründen als wenig
        sinnvoll .
        Erstens würde ein Komplettverbot keine Erdöl-Explo-
        ration verbieten . Im engeren Sinne fällt diese Förderme-
        thode  nicht  unter  die  Begrifflichkeit  „Fracking“.  Denn 
        auch bei der Erdölförderung werden stabilisierende um-
        weltgefährdende Stoffe eingesetzt, besonders wenn be-
        reits genutzte Erdölbohrungen reaktiviert werden und die
        letzten „Tropfen“ herausgefördert werden . Unternehmen
        könnten künftig also weiterhin Erdölbohrungen durch-
        führen . Deshalb sage ich das in aller Deutlichkeit: Wir
        brauchen dieses Gesetz!
        Zweitens investieren viele Unternehmen bereits seit
        Jahrzehnten besonders in Niedersachsen in diese Tech-
        nologie . Ein Fracking-Verbot würde für Niedersachsen
        einen erheblichen ökonomischen Schaden bedeuten .
        Deshalb ist es so leider nicht durchsetzbar .
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
        Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
        dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616520
        (A) (C)
        (B) (D)
        Caren Marks (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
        haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus
        dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
        ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
        alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards
        für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
        Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
        die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un-
        ternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, wie zum Beispiel in Niedersachsen, in denen sie
        Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein gene-
        relles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermetho-
        den ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
        aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf bzw . den
        Antrag ab .
        Wilfried Oellers (CDU/CSU): Meine Position zu die-
        ser Thematik erkläre ich wie folgt:
        Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
        Menschen, Grundwasser, Trinkwasser und Umwelt hat
        für mich oberste Priorität . Die Auswirkungen des unkon-
        ventionellen Frackings sind meines Erachtens noch nicht
        ausreichend wissenschaftlich geklärt .
        Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das so-
        genannte unkonventionelle Fracking nach dem jetzigen
        Stand der Technik ab . Solange Fracking nicht ohne was-
        sergefährdende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung
        von Menschen, Grundwasser, Trinkwasser und Umwelt
        nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, sollte diese
        Technologie nicht zum Einsatz kommen .
        Auch wenn ich einige Ansätze der oben genannten
        Anträge teile, so halte ich sie in dieser Form nicht für zu-
        stimmungsfähig . Ich werde mich daher der Stimme ent-
        halten und verweise auf die anhaltenden Beratungen der
        Fraktionen von CDU/CSU und SPD zu dieser Thematik .
        Markus Paschke (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
        aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
        cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
        ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
        cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
        und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt wiegen schwerer als die poten-
        ziellen wirtschaftliche Chancen . Um Wissenslücken zu
        schließen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Er-
        probungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und
        unter strenger wissenschaftlicher und umweltfachlicher
        Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen
        auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den
        Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16521
        (A) (C)
        (B) (D)
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher, allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Zudem fehlt insbesondere dem Gesetzentwurf der
        Grünen in meinen Augen die notwendige Substanz .
        Kein Wort in dem Entwurf zur Problematik des La-
        gerstättenwassers . Kein Wort zum Thema Beweislastum-
        kehr .
        Dies sind aber in meinen Augen wichtige Punkte, die
        in einem ernstgemeinten und verantwortungsvollen Ge-
        setzentwurf nicht fehlen dürften .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Meine Haltung ist klar: Wir brauchen dringend ein
        Gesetz, aber ein gutes . Auch deshalb geht noch einmal
        mein dringender Appell an die Kolleginnen und Kolle-
        gen von der CDU/CSU-Fraktion, hier an den Arbeitstisch
        zurückzukehren und einen vernünftigen, tragfähigen und
        nachhaltigen Gesetzentwurf im Parlament zu beschlie-
        ßen .
        Christian Petry (SPD): Wenn taktische Überlegun-
        gen und parlamentarisches Geplänkel wichtiger werden
        als ökologische Lösungen, müssen solche Anträge wie
        die von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken gestellt
        werden . Wenn es allein nach mir ginge in der Welt, wür-
        den wir aus dem Verbrauch fossiler Energieträger aus-
        steigen, denn sie sind endlich und außerdem machen
        Arbeitsplätze auf solarer Basis ein gutes Gewissen . Aber
        die Welt folgt nicht allein meinen Vorstellungen und auch
        in Deutschland lehnen wir eine Diktatur ab, bevorzugen
        Demokratie .
        In unserer Demokratie haben die SPD-Fraktion und
        ich eine Arbeitsrichtung, ein Ziel: Schonung fossiler
        Energieträger . „Trinkwasser und Gesundheit haben für
        uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Ko-
        alitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für
        mich Maßstab – auch in der Großen Koalition . Wir wol-
        len ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits
        vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen kla-
        re Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen
        und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Seit Jahrzehnten gibt es Fracking in Deutschland –
        hier gibt es erhebliche Regelungslücken, die zu schließen
        sind . Also brauchen wir ein Gesetz . Derzeit halten sich
        die  Erdgasfirmen  an  ein  faktisches Moratorium,  in  der 
        Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Rege-
        lungen . Das gibt auf Dauer aber keine Rechtssicherheit
        hinsichtlich ökologischer Fragen, gefährdet also Arbeits-
        plätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland prakti-
        zierten, herkömmlichen Erdgasförderung – ohne die öko-
        logische Situation zu verbessern, ohne klare Regelungen
        für die die bisherige Erdgasförderung .
        Für die Zukunft gilt: Mit Blick auf die endliche Res-
        source Gas und mit Blick auf die guten Möglichkeiten
        zum ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft
        ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verant-
        wortbar, denn Risiken für Mensch und Umwelt überwie-
        gen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
        Gegenwärtig gilt: Für eine gewissenhafte Beratung
        gesetzlicher Regelungen muss ausreichend Zeit sein .
        Daher wurde die Entscheidung über die geplanten Rege-
        lungen für das Gesetzespaket zum Fracking bisher noch
        nicht beschlossen . Für mich sind folgende Verbesserun-
        gen bei dem Entwurf des Regelungspakets wichtig: Der
        Bundestag, als demokratisch legitimiertes Organ, muss
        im Umgang mit unkonventionellem Fracking das letzte
        Wort haben (Parlamentsvorbehalt) und keine Experten-
        kommission, die lediglich eine Beratungs- und Beurtei-
        lungsfunktion einnehmen soll .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zü-
        gig mit uns zusammen umzusetzen . Gäbe es keine kla-
        ren gesetzlichen Regelungen, bestünde die Gefahr, dass
        die derzeit zurückgehaltenen Anträge der Unternehmen
        neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann allein in
        Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den
        notwendigen  weitergehenden  Schutz  der  Oberflächen-
        gewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und
        Mineralquellen . Zudem will die SPD-Fraktion mit dem
        Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden auf-
        grund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle
        Erdgasförderung hervorgerufen werden .
        Angesichts dieser schwierigen Aufgaben ist es von
        Grünen und Linken kein seriöses Verhalten, eine Abstim-
        mung zum diesem Thema ohne Debatte im Parlament zu
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616522
        (A) (C)
        (B) (D)
        beantragen . Ein solcher allein taktisch motivierter Win-
        kelzug wird der Problematik nicht gerecht . Es ist bedau-
        erlich, dass sich ein ,,an sich“ guter Vorschlag auf diese
        Weise in sein Gegenteil verkehrt .
        Sabine Poschmann (SPD): „Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forde-
        rung aus dem Wahlprogramm der SPD und der veranker-
        ten Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss
        sich jede gesetzliche Regelung messen lassen .
        Ich halte unkonventionelles Fracking für nicht ver-
        antwortbar und setze mich für eine gesetzliche Regelung
        ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen und im Bund
        unmöglich macht .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommis-
        sion kann das demokratisch legitimierte Organ Deut-
        scher Bundestag keinesfalls ersetzen . Leider blockiert
        die CDU/CSU ein solches Gesetz und verschärft damit
        Rechtsunsicherheit . Ich fordere die Union auf, diese
        Blockade zu beenden und gemeinsam ein Fracking-Ver-
        bot zu beschließen .
        Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
        setzung eines Fracking-Verbotes . Anträge ohne Debatte
        und ohne die Chance, sie mit dem ganzen Haus zu be-
        schließen, zur Abstimmung zu stellen, ist nicht zielfüh-
        rend, wenngleich ich die Anträge inhaltlich nachvollzie-
        hen kann .
        Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
        fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten und
        mich dafür einsetzen, dass es eine Debatte und einen Be-
        schluss des gesamten Bundestages gibt, der Fracking in
        ganz Deutschland untersagt, damit kein Flickenteppich
        mit unterschiedlichen Regelungen entsteht .
        Dr. Simone Raatz (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
        aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
        cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
        ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
        cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
        und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch
        aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Mechthild Rawert (SPD): Dass Parlamentarierin-
        nen und Parlamentarier die eigenen Beschlussvorlagen
        im Plenum des Deutschen Bundestages nicht debattie-
        ren wollen, ist extraordinär: So soll es aber heute mit
        einem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und
        einem Bericht zu einem Antrag der Linken gehen . Bei-
        de Abstimmungen behandeln das hochsensible Thema
        Fracking . In einer „Abschließenden Beratung ohne Aus-
        sprache“ soll auf Wunsch der Oppositionsparteien sofort
        abgestimmt werden. Dieses Verfahren finde ich skanda-
        lös . Damit wird es auch unmöglich werden, auf gravie-
        rende „Leerstellen“ im Grünen-Entwurf eines Gesetzes
        zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung
        der Fracking-Technik einzugehen: unter anderem das
        Mitspracherecht der Kommunen, die Beweislastumkehr
        bei Erdbeben, das Fehlen von Vorschlägen im Wasser-
        recht, Regelungen zur Herstellung von Transparenz und,
        und, und .
        Obwohl ich Fracking sehr kritisch gegenüberstehe,
        lehne ich aus fachlichen und formalen Gründen diese
        Anträge ab .
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
        Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
        dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16523
        (A) (C)
        (B) (D)
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf die
        Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und
        erwarte von der Unionsfraktion, das Regelungspaket zü-
        gig mit uns zusammen umzusetzen .
        Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
        dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
        nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
        allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
        aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
        flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel 
        und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
        eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
        Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
        förderung hervorgerufen werden .
        Gerold Reichenbach (SPD): „Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festle-
        gung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema
        Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der
        Großen Koalition .
        Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für
        die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir
        wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die
        Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter-
        nehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen . Aus den wis-
        senschaftlichen Zwecken darf keine Öffnung für kom-
        merzielle Nutzung durch die Hintertür erfolgen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Aus hessischer Sicht ist es zudem besonders unglaub-
        würdig, wenn gleichzeitig die grüne Hessische Umwelt-
        ministerin in Nordhessen die Verpressung von Millionen
        Tonnen grundwassergefährdender Abwässer aus der Ka-
        liproduktion in den Untergrund legalisiert .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbes-
        serungen vereinbaren können .
        Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
        halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions-
        partner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen
        umzusetzen .
        Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
        dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
        nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
        allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
        aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
        flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel 
        und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislas-
        tumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben ein-
        führen, die durch konventionelle Erdgasförderung her-
        vorgerufen werden .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616524
        (A) (C)
        (B) (D)
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug, wird der Problematik nicht gerecht . Auch
        aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Dr. Carola Reimann (SPD): Diese Festlegung aus
        dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking
        ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Ko-
        alition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards
        für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
        Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für
        die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Un-
        ternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Dr. Daniela De Ridder (SPD): Bei der Abstimmung
        zu dem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einge-
        brachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun-
        desberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik
        (Drucksachen 18/7551, 18/8125) sowie dem Antrag der
        Fraktion Die Linke „Verbot von Fracking in Deutsch-
        land“ (Drucksachen 18/4810, 18/8113) enthalte ich mich,
        da die Anträge unzureichend formuliert wurden und we-
        sentliche Punkte außer Acht lassen, die noch im Konsul-
        tationsprozess der Großen Koalition verhandelt werden .
        Es bedarf eines längerfristigen Konsultationsprozes-
        ses, dessen sich die Große Koalition annehmen wird .
        Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Die Bundesregie-
        rung hat bereits ein Gesetz in den Deutschen Bundestag
        eingebracht, mit dem der absolute Vorrang von Trink-
        wasserschutz und Gesundheitsvorsorge hinsichtlich der
        Risiken des Einsatzes der Fracking-Technologie bei der
        unkonventionellen Erdgasgewinnung durchgesetzt wer-
        den soll .
        In diesem bereits eingebrachten Gesetz soll das Berg-
        recht dahin gehend geändert werden, dass in Deutschland
        keine Bohrungen mit Anwendung der Fracking-Methode
        zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und -gas aus
        unkonventionellen Lagerstätten mit umwelttoxischen
        Stoffen zulässig ist . In diesem Sinne sollen auch die er-
        forderlichen Ergänzungen im Wasserhaushaltsgesetz des
        Bundes erfolgen . Eine obligatorische Umweltverträg-
        lichkeitsprüfung (UVP) mit entsprechender Bürgerbetei-
        ligung soll verankert werden .
        Insbesondere ist in dem Gesetzentwurf ein absolutes
        Fracking-Verbot vorgesehen in Wasserschutzgebieten,
        Heilquellenschutzgebieten, im Einzugsbereich von Tal-
        sperren und Seen, die unmittelbar zur Trinkwassergewin-
        nung genutzt werden, im Einzugsbereich von Quellen,
        Brunnen und von allen Wasserentnahmestellen, deren
        Wasser in Lebensmitteln verwendet wird, sowie in Trink-
        wassergewinnungsgebieten der öffentlichen und privaten
        Wasserversorgung .
        Da aus dem Bodensee Trinkwasser gewonnen wird,
        wird von diesem absoluten Fracking-Verbot auch der
        gesamte Einzugsbereich des Bodensees umfasst und der
        Schutz des Trinkwassers sichergestellt .
        Ich setze mich deshalb dafür ein, dass auf der Grund-
        lage dieses Gesetzentwurfs in den weiteren Beratungen
        noch offene Fragen geklärt werden und dass dann mit der
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16525
        (A) (C)
        (B) (D)
        Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen
        Bundestag ein umfassender Trinkwasser- und Gesund-
        heitsschutz durchgesetzt wird .
        Johannes Röring (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
        Fraktion Die Linke stimme ich nicht zu, auch wenn ich
        einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
        anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
        und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
        Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamentari-
        schen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
        Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
        Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich obers-
        te Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen
        Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend
        wissenschaftlich geklärt . Auf der Basis bisheriger Er-
        kenntnisse ist eine Gefährdung des Grundwassers und der
        landwirtschaftlichen Produktion nicht ausgeschlossen .
        Ebenfalls ist ein hoher Flächenverbrauch zu befürchten
        durch umfangreiche Bohranlagen und den naturschutz-
        rechtlichen Ausgleich .
        Solange Fracking nicht ohne wassergefährdende
        Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Menschen,
        Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wissen-
        schaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie
        nicht zum Einsatz kommen .
        Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Erstens . Der
        Schutz von Trinkwasser und Gesundheit ist eine große
        Aufgabe, der wir mit aller Ernsthaftigkeit und Konse-
        quenz nachkommen müssen . Selbstverständlich gibt es
        hierzu ein hartes politisches Ringen um den besten Weg
        und auch ein hartes Ringen um einen gemeinsamen Weg
        in der Bundesregierung und mit der Opposition .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen
        ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch se-
        riöses Verhalten, zwei namentliche Abstimmungen zu
        diesem Thema ohne Debatte zu beantragen . Die grobe
        Missachtung des Parlaments und seines wichtigsten Or-
        gans, des Bundestages, empört mich sehr . Eine nament-
        liche Abstimmung wird mit Recht nur beantragt, wenn
        eine Angelegenheit als sehr wichtig angesehen wird . Nun
        verweigern die Grünen und die Linke für eine sehr wich-
        tige Angelegenheit allerdings eine klärende, kontroverse,
        zielführende Debatte im Parlament . Das nenne ich allein
        taktisch motivierte Winkelzüge von reiner grün/linker
        Showpolitik, die ich für den Deutschen Bundestag für
        unwürdig halte . Auch aus diesem Grunde lehne ich diese
        Anträge ab .
        Zweitens . Zur Sache stelle ich fest: „Trinkwasser und
        Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum
        Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln
        in der Großen Koalition . Wir wollen klare Regelungen
        und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für
        Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Wir wollen dabei ein Gesetz schaffen, das die Um-
        weltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförde-
        rung verschärft . Nach heutigen Informationen ist das so-
        genannte unkonventionelle Fracking von Schiefer- und
        Kohleflözgas dagegen nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Drittens . Zum weiteren Verfahren: Derzeit halten
        sich  die Erdgasfirmen  an  ein  faktisches Moratorium  in 
        der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen
        Regelungen . Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit
        und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in
        Deutschland praktizierten herkömmlichen Erdgasförde-
        rung .
        Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
        dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
        nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
        allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
        aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
        flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel 
        und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
        eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
        Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
        förderung hervorgerufen werden .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Viertens . Die große Koalition hat jetzt die große
        Chance  und  auch  die  Pflicht,  ein  Fracking-Beschrän-
        kungs- und Regulierungsgesetz mit scharfen und klaren
        Regelungen zu vereinbaren . Ein solches Gesetz muss
        wirklich Substanz haben, zumal die Große Koalition auf
        Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesum-
        weltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium
        bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren konnte .
        Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb
        der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspart-
        ner, ein anspruchsvolles Regelungspaket zügig mit uns
        zusammen zu beschließen und zur Beratung in das Par-
        lament einzubringen und dann lebhaft und kontrovers zu
        diskutieren und zu beschließen, ohne ein Aussprachever-
        bot, wie es jetzt von Grünen und Linken leider beantragt
        und durchgesetzt worden ist .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616526
        (A) (C)
        (B) (D)
        Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Eine Ex-
        ploration heimischer Erdgasvorkommen ergibt aktuell
        für Deutschland keinen wirtschaftlichen oder sonstigen
        Vorteil . Es besteht schlicht kein Bedarf, der nicht auf
        günstigere Weise zu bedienen ist und der eine Förderung
        heimischer Ressourcen mit diesem risikobehafteten Ver-
        fahren zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigen könnte .
        Aus diesem Grund bin ich der Überzeugung, dass wir
        heimisches Erdgas als natürliche Energiereserve für eine
        Zeit vorbehalten sollten, in der es sinnvoller genutzt wer-
        den kann . Auch wird man es zukünftig sicherlich ohne
        Verwendung potenziell schädlicher Stoffe und deutlich
        effizienter fördern können. 
        Die Regierungskoalition erarbeitet zu Fracking ge-
        rade eine Gesetzesinitiative, die die Umweltstandards
        für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft .
        Aufgrund der derzeitigen Unsicherheit über die Risiken
        sollen lediglich Probebohrungen zulässig sein, die unter
        wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht vorge-
        nommen werden und helfen sollen, diese Technologie in
        der Zukunft effizient und risikofrei nutzbar zu machen.
        Die Oppositionsparteien haben Kenntnis über die
        laufenden Arbeiten an einem Gesetz . Das verstärkt den
        Eindruck, dass diese vorzeitige Abstimmung über ihre
        jeweiligen Initiativen nichts weiter als eine Showveran-
        staltung ist und durch den Ring, der mir da hingehalten
        wird, werde ich nicht springen und deshalb mit „Nein“
        stimmen .
        Im Übrigen vertrete ich folgende Position:
        „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten
        Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag
        im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab
        für das Handeln in der Großen Koalition . Wir wollen ein
        Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhan-
        dene Erdgasförderung verschärft . Wir wollen klare Re-
        gelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und
        Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab .
        Dr. Nina Scheer (SPD): Die von den Oppositions-
        fraktionen für heute beantragten namentlichen Abstim-
        mungen über ein Fracking-Verbot unter gleichzeitiger
        Verweigerung einer Plenardebatte erachte ich als unver-
        antwortlich . Das auf Transparenz angelegte parlamenta-
        rische Verfahren einer namentlichen Abstimmung wird
        hierbei funktionalisiert, um den öffentlichen Eindruck zu
        suggerieren, die Koalitionsfraktionen verweigerten sich
        gesetzlichen Restriktionen für Fracking . Die zugleich
        vonseiten der Oppositionsfraktionen unterbundene De-
        batte soll diesen Eindruck offenbar noch untermauern .
        Dies ist gegenüber dem Parlament unwürdig und folgt
        populistischen Motiven .
        Sowohl Umweltschutzbedarfe im Zusammenhang mit
        dem bereits seit Jahrzehnten praktizierten sogenannten
        konventionellen Fracking als auch dem aus den USA
        bekannten sogenannten unkonventionellen Fracking
        von  Öl  und  Gas  aus  Schiefergestein  und  Kohleflöz, 
        das in Deutschland bereits aus Gesundheits- und Um-
        weltschutzgründen rechtssicher ausgeschlossen werden
        muss, wirft gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf .
        Auch die Energiewende verlangt eine Abkehr von fos-
        silen Energieressourcen, somit auch von Fracking . Es
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16527
        (A) (C)
        (B) (D)
        bedarf einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare
        Energien . Hierfür steht auch die schleswig-holsteinische
        Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig .
        Die Koalition von CDU/CSU und SPD arbeitet auf
        Bundesebene unter Einbeziehung der Bundesländer mit
        teilweise auch grüner und linker Regierungsbeteiligung
        seit vielen Monaten an einer Einigung . Leider konnte die-
        se aufgrund einer Verweigerungshaltung von CDU/CSU
        bezüglich eines Verbots unkonventionellen kommerziel-
        len Frackings und bezüglich eines Parlamentsvorbehalts
        sowie einer Einbeziehung der Länder in Bezug auf wis-
        senschaftlich begründete Probebohrungen bislang nicht
        erzielt werden . Ich erwarte insofern von unserem Koali-
        tionspartner, dass er sich nicht länger dem Einigungspro-
        zess verschließt . Sollte eine Einigung länger verweigert
        werden, wird hiermit zugleich die im Koalitionsvertrag
        veranlagte Pflicht eines gemeinsam  in der Koalition zu 
        gestaltenden Gesetzesverfahrens infrage gestellt .
        Unter Verweis auf einen zu erwartenden zügigen Eini-
        gungsprozess für eine umfassende Regelung sowohl ber-
        grechtlicher als auch wasserhaushaltsrechtlicher Art und
        unter Einbeziehung der Bundesländer lehne ich sowohl
        den heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf als
        auch den Antrag ab .
        Udo Schiefner (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit
        haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung im
        Wahlprogramm der SPD und in unserem Koalitionsver-
        trag ist für mich Maßstab unseres Handelns in der Gro-
        ßen Koalition . Daran muss sich jede gesetzliche Rege-
        lung zum Thema Fracking messen lassen .
        Nach heutigen Erkenntnissen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Der Einsatz unkonventionel-
        len Frackings ist damit meines Erachtens nicht verant-
        wortbar . Ich setze mich für eine gesetzliche Regelung
        ein, die Fracking in Nordrhein-Westfalen und anderen-
        orts in Deutschland unmöglich macht .
        CDU und CSU blockieren jedoch, dass wir ein solches
        Gesetz umsetzen, und verschärfen damit die Rechtsun-
        sicherheit . Dennoch setze ich weiter auf die Einsichts-
        fähigkeit unserer Koalitionspartner . Ich erwarte von der
        Union, dass sie mit uns zusammen zügig ein Gesetz um-
        setzt, das Fracking im Schiefergestein verhindert . Dazu
        müssen CDU und CSU anerkennen, dass die von ihnen
        geforderte Expertenkommission keinen Ersatz für demo-
        kratisch legitimierte Beschlüsse des Bundestages bieten
        kann .
        Gleichzeitig ist es jedoch kein parlamentarisch seriö-
        ses Verhalten, wenn Grüne und Linke eine Abstimmung
        zu diesem Thema ohne vorherige hinreichende Debatte
        beantragen . Dieser allein taktisch motivierte Winkelzug
        wird der Tragweite des Themas nicht gerecht . Mein Ziel
        eines Fracking-Verbotes ist so nicht vertretbar zu errei-
        chen . Unter diesen Umständen kann ich den Anträgen
        nicht zustimmen .
        Karl Schiewerling (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der
        Fraktion die Linke kann ich nicht zustimmen, auch wenn
        ich einige Argumente inhaltlich teile . Ich verweise auf die
        anhaltenden Beratungen der Fraktionen von CDU/CSU
        und SPD über ein eigenes Regelungspaket zum Thema
        Fracking, über das ich zum Abschluss des parlamenta-
        rischen Gesetzgebungsverfahrens entscheiden werde .
        Die Koalitionsfraktionen konnten sich noch nicht auf die
        Gesetzentwürfe aus den SPD-geführten Ministerien von
        Frau Dr . Hendricks und Herrn Gabriel verständigen .
        An meiner Position hat sich nichts geändert . Als Ab-
        geordneter aus dem Münsterland lehne ich das kommer-
        zielle unkonventionelle Fracking ab . Die Auswirkungen
        dieser Technologie sind noch nicht ausreichend wissen-
        schaftlich geklärt . Der bedingungslose und uneinge-
        schränkte Schutz von Menschen, Trinkwasser und Um-
        welt hat für mich oberste Priorität .
        Solange kommerzielles unkonventionelles Fracking
        nicht ohne wassergefährdende Stoffe möglich ist und
        eine Gefährdung von Menschen, Trinkwasser und Um-
        welt nicht hinreichend wissenschaftlich ausgeschlossen
        werden kann, sollte diese Technologie nicht zum Einsatz
        kommen .
        Der Flächenverbrauch im Münsterland ist durch die
        vielen Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien –
        seien es Windkraft- oder Biogasanlagen – bereits sehr
        hoch . Auch aus diesem Grund lehne ich das kommerziel-
        le unkonventionelle Fracking ab .
        Frank Schwabe (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Forderung
        aus dem Wahlprogramm der SPD und der verankerten
        Festlegung im Koalitionsvertrag ist für mich Maßstab für
        das Handeln in der Großen Koalition . Daran muss sich
        jede gesetzliche Regelung messen lassen .
        Ich will darüber hinaus ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Ich will klare Regelungen und Rechtssicher-
        heit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und
        für Unternehmen schaffen .
        Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
        ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
        geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
        ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert . Für
        Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls nicht
        infrage .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
        on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag keinesfalls ersetzen .
        Ich setze auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der
        Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner,
        die Blockade eines Gesetzes, das Fracking im Schiefer-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616528
        (A) (C)
        (B) (D)
        gestein verhindert, aufzugeben und ein Gesetz zügig mit
        uns zusammen umzusetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        nicht gut, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte durchzuführen . So ein Verfahren wird der Proble-
        matik nicht gerecht . Auch aus diesem Grund lehne ich
        die von Grünen und Linken gestellten Anträge ab .
        Stefan Schwartze (SPD): Nach heutigen Informa-
        tionen ist unkonventionelles Fracking von Schiefer- und
        Kohleflözgas nicht verantwortbar. Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für mich absoluten Vorrang und überwie-
        gen wirtschaftliche Interessen . Diese Forderung haben
        wir bereits im SPD-Wahlprogramm verankert . Die da-
        raufhin erfolgte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für
        mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition .
        Ich bin der festen Überzeugung und werde mich da-
        für einsetzen, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen
        die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Für
        Nordrhein-Westfalen ist es ganz klar, dass Fracking nicht
        infrage kommt .
        Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Rechtssicher-
        heit schafft . Dabei ist für mich selbstverständlich, dass
        beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deut-
        sche Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ die
        Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission
        kann diese Entscheidung nicht ersetzen .
        Ich erwarte von unserem Koalitionspartner, die
        Blockade zu diesem Gesetz aufzugeben . Wir müssen
        uns zügig einigen und Fracking im Schiefergestein ver-
        hindern . Aber nicht in einem politischen Schnellschuss .
        Angesichts der Bedeutung dieses Themas bedarf es einer
        intensiven Beratung und Prüfung eines Gesetzentwurfes .
        Weshalb die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die
        Linke eine Debatte ohne Aussprache beantragen, kann
        ich nicht nachvollziehen . Dies widerspricht einem seri-
        ösen parlamentarischen Verfahren .
        Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich
        mich in der heutigen Abstimmung enthalten .
        Stefan Schwartze (SPD): Nach heutigen Informa-
        tionen ist unkonventionelles Fracking von Schiefer- und
        Kohleflözgas nicht verantwortbar. Trinkwasser und Ge-
        sundheit haben für mich absoluten Vorrang und überwie-
        gen wirtschaftliche Interessen . Diese Forderung haben
        wir bereits im SPD-Wahlprogramm verankert . Die da-
        raufhin erfolgte Festlegung im Koalitionsvertrag ist für
        mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition .
        Ich bin der festen Überzeugung und werde mich da-
        für einsetzen, dass auf Bundesebene keine Fakten gegen
        die Interessen der Bundesländer geschaffen werden . Für
        Nordrhein-Westfalen ist es ganz klar, dass Fracking nicht
        infrage kommt .
        Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Rechtssicher-
        heit schafft . Dabei ist für mich selbstverständlich, dass
        beim Umgang mit Fracking am Ende immer der Deut-
        sche Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ die
        Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommission
        kann diese Entscheidung nicht ersetzen .
        Ich erwarte von unserem Koalitionspartner, die
        Blockade zu diesem Gesetz aufzugeben . Wir müssen
        uns zügig einigen und Fracking im Schiefergestein ver-
        hindern . Aber nicht in einem politischen Schnellschuss .
        Angesichts der Bedeutung dieses Themas bedarf es einer
        intensiven Beratung und Prüfung eines Gesetzesentwur-
        fes . Weshalb die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und
        Die Linke eine Debatte ohne Aussprache beantragen,
        kann ich nicht nachvollziehen . Dies widerspricht einem
        seriösen parlamentarischen Verfahren .
        Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich
        mich in der heutigen Abstimmung enthalten .
        Reinhold Sendker (CDU/CSU): Als Gegner des
        sogenannten Frackings kann ich inhaltlich ähnlich lau-
        tenden Gesetzesinitiativen der Oppositionsfraktionen
        Bündnis 90/Die Grünen und die Linke nicht zustimmen,
        weil sie offensichtlich das Ziel verfolgen, die Bundesre-
        gierung zu attackieren . Darüber hinaus kann ich einem
        Fracking-Gesetz, welches nicht im Plenum des Deut-
        schen Bundestages beraten wurde, nicht zustimmen . Das
        widerspricht meinem Verständnis von Demokratie .
        Ich verweise zudem auf die anhaltenden Beratungen
        der Fraktionen von CDU/CSU und SPD über ein eigenes
        Regelungspaket zum Thema Fracking, über das ich erst
        zum Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungs-
        verfahrens entscheiden werde . In der jetzigen Form halte
        ich den Gesetzentwurf für unverantwortbar und könnte
        den enthaltenen Regelungen zum gegenwärtigen Zeit-
        punkt nicht zustimmen .
        Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt:
        Der bedingungslose und uneingeschränkte Schutz von
        Menschen, Trinkwasser und Umwelt hat für mich obers-
        te Priorität . Die Auswirkungen des unkonventionellen
        Frackings sind meines Erachtens noch nicht ausreichend
        wissenschaftlich geklärt .
        Daher lehne ich die Erdgasförderung durch das un-
        konventionelle Fracking nach dem jetzigen Stand der
        Technik ab . Solange Fracking nicht ohne wassergefähr-
        dende Stoffe möglich ist und eine Gefährdung von Men-
        schen, Trinkwasser und Umwelt nicht hinreichend wis-
        senschaftlich ausgeschlossen ist, sollte diese Technologie
        nicht zum Einsatz kommen .
        Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Dem Geset-
        zesentwurf zur Änderung des Bundesberggesetzes zur
        Untersagung der Fracking-Technik kann ich in der vor-
        liegenden Form nicht zustimmen . Meine Position in der
        Sache erkläre ich wie folgt:
        Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter-
        rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der
        Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung
        liegt . Ich setze mich für eine nachhaltige Energiepolitik
        ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor-
        gung auch in Zukunft .
        Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch
        über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hoch effizienter und 
        flexibel  einsetzbarer  fossiler  Kraftwerke  auf  der  Basis 
        von Kohle oder Gas notwendig . Bei verschiedenen Un-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16529
        (A) (C)
        (B) (D)
        ternehmen in der Region besteht Interesse, die Potenzia-
        le sogenannter unkonventioneller Erdgasvorkommen zu
        untersuchen .
        In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß
        an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der
        Gewinnung von Gas verbunden sind . Dabei geht es ins-
        besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und
        Trinkwassers durch das sogenannte Fracking – ein Ver-
        fahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und
        chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Un-
        tergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohr-
        loch zu stimulieren und die Förderung zu ermöglichen .
        Als Energieland Nummer eins haben wir in Nord-
        rhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und
        Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen .
        Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und
        umweltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der
        Länder . Bei der Genehmigung von Probebohrungen
        muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass
        der jeweilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die 
        Entscheidung erforderlichen Informationen bereitzustel-
        len und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu
        dokumentieren . Solange keine ausreichend fundierten
        wissenschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Aus-
        wirkungen von Fracking vorliegen, dürfen keine Fakten
        geschaffen werden .
        Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifischen 
        Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasförderung
        angepasst werden . Insbesondere halte ich eine Änderung
        des Bergrechts für notwendig . Eine Umweltverträglich-
        keitsprüfung (UVP), die im Bergrecht für die reine Er-
        kundung von Bodenschätzen, also auch für das Probe-
        fracking, derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus meiner
        Sicht unerlässlich . Umweltrisiken bestehen vor allem
        dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe
        gefrackt wird . Deshalb sollte für diese Fälle sowohl bei
        der Erdgasgewinnung als auch bei der Geothermie eine
        zwingende UVP eingeführt werden . Diese beinhaltet
        dann  auch  eine  verpflichtende,  transparente  und  effek-
        tive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmigung
        des Probefrackings . Zudem sind die Wasserbehörden
        verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Land-
        kreise und Kommunen . Da die Auswirkungen auf das
        Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist
        es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitglied-
        staaten der Europäischen Union zu haben . Ich unterstütze
        daher die Bemühung im Europäischen Parlament um ver-
        gleichbar hohe Sicherheitsstandards .
        Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt
        nur in Frage, wenn sie von der Bevölkerung in der Re-
        gion akzeptiert wird . Dafür ist eine umfassende Transpa-
        renz eine zentrale Voraussetzung . Die Landesregierung
        ist  in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über 
        die Risiken des Fracking deutlich zu verbessern .
        Für mich hat Sicherheit höchste Priorität, denn ich bin
        gegen ein Fracking, das unsere Natur und die klassische
        Wirtschaft nicht hinreichend schützt . Der Gesetzentwurf
        der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist aber meines Er-
        achtens in seiner derzeitigen inhaltlichen Ausgestaltung
        so nicht zustimmungsfähig, da er gravierende juristische
        und tatsächliche Mängel beinhaltet . Genehmigungen
        dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Ri-
        siken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen
        werden können .
        Norbert Spinrath (SPD): Nach derzeitigen Wissens-
        stand ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht 
        verantwortbar . Die Risiken für Mensch und Umwelt
        überwiegen die potenziellen wirtschaftlichen Chancen .
        Ich setze mich für eine gesetzliche Regelung ein,
        die Fracking in meinem Kreis Heinsberg und in Nord-
        rhein-Westfalen unmöglich macht .
        Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
        verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
        Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
        setzung eines Fracking-Verbotes und sind wohl nur poli-
        tische Effekthascherei . Denn eine öffentliche Aussprache
        darüber lehnen sie ab .
        Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
        fährden, habe ich mich heute der Stimme enthalten .
        Michael Thews (SPD): Der Schutz des Bodens, des
        Trinkwassers und somit auch der Gesundheit des Men-
        schen haben für mich absoluten Vorrang gegenüber der
        stark risikobehafteten Gewinnung von primären Energie-
        trägern durch Fracking .
        Das Wahlprogramm der SPD beinhaltet diesen Schutz,
        und die verankerte Festlegung im Koalitionsvertrag ist
        für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koali-
        tion . Daran muss sich jede gesetzliche Regelung messen
        lassen .
        Leider blockiert die CDU/CSU ein solches Gesetz und
        verschärft damit die Rechtsunsicherheit .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen .
        Ich bin der festen Überzeugung, dass auf Bundesebe-
        ne keine Fakten gegen die Interessen der Bundesländer
        geschaffen werden dürfen . Dieses ist nach meinem Ver-
        ständnis auch im Koalitionsvertrag so verankert .
        Für Nordrhein-Westfalen kommt Fracking jedenfalls
        nicht infrage .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende immer der Deutsche Bundestag
        die Entscheidung treffen muss . Eine Expertenkommissi-
        on kann das demokratisch legitimierte Organ Deutscher
        Bundestag keinesfalls ersetzen .
        Angesichts der ernsthaften Herausforderungen ist es
        von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . So ein allein taktisch motivierter
        Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht . Auch aus
        diesem Grund, werde ich mich heute der Stimme enthal-
        ten .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616530
        (A) (C)
        (B) (D)
        Dr. Karin Thissen (SPD): Ich will klare Regelungen
        und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für
        Behörden und für Unternehmen schaffen und nehme die
        Vorbehalte gegen das Fracking sehr ernst und teile sie .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne De-
        batte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch motivier-
        ter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Um Wissenslücken zu schließen, halte ich in diesem
        Bereich Erprobungsmaßnahmen unter wissenschaftli-
        cher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für
        zulässig, um die Auswirkungen der Maßnahmen wissen-
        schaftlich zu erforschen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung neuer gesetzlicher Rege-
        lungen .
        Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit inner-
        halb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitions-
        partner, den Gesetzentwurf zügig endabzustimmen .
        Aus den oben genannten Gründen lehne ich daher die-
        se Anträge ab .
        Ute Vogt (SPD): „Trinkwasser und Gesundheit haben
        für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung aus dem
        Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für
        mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition .
        Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die
        bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Wir wol-
        len klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bür-
        gerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen
        schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab . Ich
        gehe davon aus, dass diese einhellige Position aus dem
        April des letzten Jahres wie verabredet noch in dieser Le-
        gislaturperiode vom Deutschen Bundestag abschließend
        beschlossen wird .
        Bernd Westphal (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
        aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
        cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
        ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Wir wollen klare Regelungen und Rechtssi-
        cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
        und für Unternehmen schaffen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16531
        (A) (C)
        (B) (D)
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Ent-
        scheidung treffen muss . Eine Expertenkommission kann
        das demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundes-
        tag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlrei-
        chen Landesregierungen beteiligt sind . Auch in den Län-
        dern, in denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang
        nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhan-
        dene Fördermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastum-
        kehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses
        Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf der
        Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie den Antrag der
        Fraktion DIE LINKE ab .
        Dirk Wiese (SPD): Ich habe immer wieder deutlich
        gemacht, dass Fracking im Sauerland, ja in ganz NRW,
        nichts zu suchen hat . Hierzu stehe ich ohne Wenn und
        Aber . Trinkwasser und Gesundheit haben absoluten Vor-
        rang . Die Risiken für Mensch und Natur sind viel zu hoch
        und nicht verantwortbar . In der Großen Koalition wird
        schon seit längerem an einem entsprechenden Gesetz ge-
        arbeitet . Ich erwarte von unserem Koalitionspartner jetzt
        endlich, dass er seine Blockadehaltung aufgibt . Ich will
        darüber hinaus ein Gesetz, das die Umweltstandards für
        die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft . Ich
        will klare und rechtssichere Regelungen für die Bürge-
        rinnen und Bürger und Behörden . Dafür stehe ich ein .
        Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und
        der Antrag der Linken am heutigen Tage sind rein tak-
        tisch motiviert . Sie sind an keiner Lösung interessiert,
        sondern möchten das Parlament nur für ihre Inszenierung
        nutzen . Das ist ihr gutes Recht als Opposition . Dies er-
        kennt man insbesondere gut daran, dass sie nicht einmal
        eine Debatte beantragt haben, sondern nur abstimmen
        wollen, um dies medial gegen uns zu verwenden . Dies
        wird immer wieder vorkommen . Darum lehne ich solche
        taktischen Winkelzüge ab . Das Thema ist für die Men-
        schen zu ernst, um auf deren Rücken Spiele zu spielen .
        Entsprechenden Gesetzesvorlagen oder Anträgen zur po-
        litischen Instrumentalisierung stimme ich daher nicht zu .
        Gülistan Yüksel (SPD): Das oberste Ziel muss sein,
        die Umwelt und die Gesundheit der Menschen bestmög-
        lich zu schützen . Ich halte unkonventionelles Fracking
        für nicht verantwortbar und setze mich für eine gesetz-
        liche Regelung ein . Leider blockiert die CDU/CSU ein
        solches Gesetz und verschärft damit Rechtsunsicherheit .
        Die Anträge von Linken und Grünen schaden der Ziel-
        setzung eines Fracking-Verbotes . Auch ist es seitens der
        Opposition kein seriöses Verhalten, eine Abstimmung zu
        diesem ernsthaften Thema ohne Debatte zu beantragen .
        Um mein Ziel eines Fracking-Verbotes nicht zu ge-
        fährden, werde ich mich heute der Stimme enthalten .
        Anlage 10
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu der namentlichen Abstimmung über den von
        den Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Annalena
        Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten
        und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
        eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ände-
        rung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der
        Fracking-Technik (Tagesordnungspunkt 30 a)
        Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem „Entwurf
        eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes
        zur Untersagung der Fracking-Technik“ der Fraktion
        Bündnis 90/Die Grünen zustimmen .
        Begründung:
        Seit dem 23 . April 2015 liegt dem Bundestag ein Ge-
        setzentwurf zur Regelung der Fracking-Technologie vor .
        Am 8 . Juni 2015 brachte dazu eine aus 19 Abgeord-
        neten der CDU/CSU-Fraktion bestehende Arbeitsgrup-
        pe, der ich auch angehöre, eine Positionierung mit sechs
        konkreten Änderungsvorschlägen ein . Seither kam es je-
        doch zu keiner weiteren Beratung .
        Ohne gesetzliche Neuregelung kann es zu gesund-
        heits- und umweltgefährdenden Einsätzen der Fra-
        cking-Methode kommen .
        Deshalb stimme ich dem Antrag der Grünen auf
        Drucksache 18/7551 zu .
        Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Dem Antrag der
        Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-
        nummer 18/7551 „Gesetz zur Änderung des Bundesberg-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616532
        (A) (C)
        (B) (D)
        gesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik“ werde
        ich zustimmen .
        Folgende Begründung möchte ich hierfür anführen:
        In meiner Heimatgemeinde Langwedel gab es am
        vergangenen Freitag wieder einmal ein Erdbeben . Be-
        reits zwischen 2008 und 2015 gab es sechs Erdstöße
        mit Stärken zwischen 1,8 und 2,9 auf der Richterskala .
        Dieses Mal hatte das Erdbeben eine Stärke von 3,2 und
        war aufgrund der geringen Tiefe des Epizentrums von
        besonders starker Intensität . Es hat offensichtlich viele
        Schäden an zahlreichen Häusern verursacht: Inzwischen
        wird von rund 100 Häusern berichtet, an denen zum Teil
        erhebliche Schäden festgestellt wurden – wahrscheinlich
        ist noch ein Vielfaches mehr an Häusern betroffen .
        Die Ursachen für diese Erdbeben und die daraus resul-
        tierenden Schäden lassen sich ganz klar auf die Erdgas-
        förderung zurückführen, die in Langwedel durchgeführt
        wird . Viele Menschen haben mittlerweile Angst vor dem
        nächsten Beben . Dass dieses kommt, ist nur eine Frage
        der Zeit . Und ich kann diese Angst sehr gut nachvoll-
        ziehen .
        Auch wenn nicht das Fracking, sondern die daraus
        folgenden Gasförderungen ursächlich für diese massiven
        Erdstöße in Langwedel sind, so wird es bald in vielen
        Regionen im gesamten Bundesgebiet aussehen wie bei
        uns, wenn wir flächendeckend in Deutschland diese Boh-
        rungen zulassen werden . Der Wertverlust der Hausbesit-
        zer in der Region ist enorm . Die prosperierende Region,
        die früher von erheblichem Zuzug profitiert hat, verfällt 
        aufgrund der Angst und der durch die Erdgasförderung
        entstandenen Schäden in die Stagnation . Diese Probleme
        kannten wir vor der Erdgasförderung nicht .
        Darum bin ich der Meinung, dass wir nicht länger war-
        ten dürfen und handeln müssen . Über den am 23 . April
        2015 eingebrachten Gesetzentwurf zur Regelung der
        Fracking-Technik und der konventionellen Erdgasför-
        derung gibt es noch immer keine Einigung . Außerdem
        muss der Gesetzentwurf zum Schutz der Menschen noch
        deutlich nachgebessert werden .
        Da es aber noch immer keine Einigung gibt und die
        konventionelle Technik – in ganz besonderem Maße aber
        auch die Fracking-Technik – zum Teil erhebliche Risiken
        beinhalten, werde ich dem Antrag der Grünen zustim-
        men . Dies begründet sich vor allem auch auf die aktuelle
        Situation bei mir in der Region, da ich den Menschen
        einfach nicht mehr erklären kann, warum sich nichts tut .
        Vor den gemachten Erfahrungen bei mir in der Region
        halte ich es für unverantwortlich, Fracking in dichtbe-
        siedelten Gebieten und auf einem Großteil der Flächen
        in Deutschland zuzulassen . Offensichtlich merkt auch
        die erdgasfördernde Industrie so langsam, dass die Kos-
        ten-Nutzen-Rechnung für sie nicht mehr aufgeht: So will
        die DEA nach dem Erdbeben ihr Fördermanagement in
        der Region überprüfen .
        Und auch wenn ich dem Antrag zustimmen werde,
        habe ich mit Bedauern festgestellt, dass die Fraktion
        Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag leider nur auf
        die Fracking-Technik eingeht, die im Gegensatz zur ge-
        samten Erdgasförderung eher eine untergeordnete Rol-
        le spielt . Ich fordere mit Nachdruck die Bundesregie-
        rung dazu auf, ihren eingebrachten Gesetzentwurf vom
        23 . April 2015 zu überarbeiten, damit der Schutz der
        Menschen in Deutschland endlich im Mittelpunkt steht .
        Aus den oben genannten Gründen werde ich dem An-
        trag zustimmen .
        Franz Thönnes (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
        aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
        cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
        ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Denn klare Regelungen sorgen für Rechtssi-
        cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
        sowie für Unternehmen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende eine parlamentarische Entschei-
        dung stehen muss . Eine Expertenkommission kann das
        demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundestag
        zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen
        Regelungen . Dieser Zustand bringt keine Rechtssicher-
        heit mit sich und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über
        50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen
        Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl beide Parteien an zahlreichen Lan-
        desregierungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in
        denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends
        ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene För-
        dermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumwelt- und dem Bundes-
        wirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserun-
        gen vereinbaren können . Der vorliegende Entwurf dürfte
        gegenüber der aktuellen Rechtslage hinsichtlich Fra-
        cking die weltweit schärfsten Eingrenzungsvorschriften
        beinhalten, die es gibt .
        Nunmehr setze ich auf die Einigungsfähigkeit inner-
        halb der Großen Koalition und erwarte von CDU/CSU,
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16533
        (A) (C)
        (B) (D)
        das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzuset-
        zen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
        dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
        nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
        allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
        aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
        flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel 
        und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
        eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
        Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
        förderung hervorgerufen werden können .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö-
        ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund lehne ich den Gesetzentwurf der
        Grünen ab .
        Anlage 11
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu der namentlichen Abstimmung über die Be-
        schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt,
        Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem
        Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva
        Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordne-
        ter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fra-
        cking in Deutschland (Tagesordnungspunkt 30 b)
        Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): „Trinkwasser und
        Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese
        Festlegung steht im Koalitionsvertrag der Großen Koa-
        lition im Kapitel zum Thema Fracking . Ich befürworte
        dementsprechend ein Gesetz, das die Umweltstandards
        für die bereits stattfindende Erdgasförderung verschärft. 
        Die SPD will klare Regelungen und Rechtssicherheit für
        die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unter-
        nehmen schaffen .
        Nach heutigem Wissensstand ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        für zulässig, um die Auswirkungen auf die Umwelt, ins-
        besondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wis-
        senschaftlich zu erforschen .
        Dabei strebt die SPD gemäß Koalitionsvertrag eine
        Beteiligung der Länder bei der Genehmigung möglicher
        Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass am Ende der
        Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss,
        was für Konsequenzen aus eventuellen Probebohrungen
        gezogen werden . Eine Expertenkommission kann das
        demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
        zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neu-
        en gesetzlichen Regelungen . Das gibt auf Dauer keine
        Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit
        über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmli-
        chen Erdgasförderung .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem
        Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Ver-
        besserungen vereinbaren können . Ich setze nunmehr auf
        die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition
        und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket
        zügig mit uns zusammen umzusetzen . Würde es nicht
        verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf
        Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt wer-
        den . Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutz-
        gebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen
        weitergehenden  Schutz  der  Oberflächengewässer  oder 
        auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen .
        Zudem soll mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei
        Bergschäden aufgrund von Erdbeben eingeführt werden,
        die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen
        werden .
        Ich bedauere es, dass Grüne und Linke eine Abstim-
        mung zum diesem Thema ohne Debatte beantragt haben .
        Ich folge der Beschlussempfehlung des zuständigen
        Ausschusses, da Aufforderungen an die Bundesregierung
        ohne Debatte kein sinnvoller Beitrag zur weiteren parla-
        mentarischen Beratung sind .
        Franz Thönnes (SPD): „Trinkwasser und Gesund-
        heit haben für uns absoluten Vorrang .“ Diese Festlegung
        aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fra-
        cking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Gro-
        ßen Koalition . Wir wollen ein Gesetz, das die Umwelt-
        standards für die bereits vorhandene Erdgasförderung
        verschärft . Denn klare Regelungen sorgen für Rechtssi-
        cherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden
        sowie für Unternehmen .
        Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schie-
        fer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken 
        für Mensch und Umwelt überwiegen die potenziellen
        wirtschaftlichen Chancen . Um Wissenslücken zu schlie-
        ßen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungs-
        maßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter stren-
        ger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht
        mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maß-
        nahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund
        und den Wasserhaushalt, zu erforschen .
        Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur ge-
        meinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche
        Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt . Deshalb streben
        wir gemäß dem Koalitionsvertrag eine Beteiligung der
        Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an .
        Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang
        mit Fracking am Ende eine parlamentarische Entschei-
        dung stehen muss . Eine Expertenkommission kann das
        demokratisch legitimierte Organ Deutscher Bundestag
        zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616534
        (A) (C)
        (B) (D)
        Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches 
        Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen
        Regelungen . Dieser Zustand bringt keine Rechtssicher-
        heit mit sich und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über
        50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen
        Erdgasförderung .
        Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und
        Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht
        durchsetzen, obwohl beide Parteien an zahlreichen Lan-
        desregierungen beteiligt sind . Auch in den Ländern, in
        denen sie Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends
        ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene För-
        dermethoden ausgesprochen .
        Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetz-
        entwürfen aus dem Bundesumwelt- und dem Bundes-
        wirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserun-
        gen vereinbaren können . Der vorliegende Entwurf dürfte
        gegenüber der aktuellen Rechtslage hinsichtlich Fra-
        cking die weltweit schärfsten Eingrenzungsvorschriften
        beinhalten, die es gibt .
        Nunmehr setze ich auf die Einigungsfähigkeit inner-
        halb der Großen Koalition und erwarte von CDU/CSU,
        das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzuset-
        zen . Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr,
        dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unter-
        nehmen neu gestellt werden . Einen Schutz gibt es dann
        allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht
        aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Ober-
        flächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel 
        und Mineralquellen . Zudem wollen wir mit dem Gesetz
        eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von
        Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgas-
        förderung hervorgerufen werden können .
        Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist
        es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriö-
        ses Verhalten, eine Abstimmung zu diesem Thema ohne
        Debatte zu beantragen . Ein solcher allein taktisch mo-
        tivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht .
        Auch aus diesem Grund stimme ich der Beschlussemp-
        fehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau
        und Reaktorsicherheit zu und lehne damit den Antrag der
        Fraktion Die Linke ab .
        Anlage 12
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU)
        zu der Abstimmung über den Antrag der Abge-
        ordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert
        Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
        DIE LINKE
        Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenktag
        werden (Tagesordnungspunkt 17)
        Mit dem 8 . Mai 1945, der zunehmend euphorisch als
        „Tag der Befreiung“ gedeutet wird, hatten Unmensch-
        lichkeit und Grausamkeit in Europa noch immer kein
        Ende . Wer heute suggerieren will, dass mit dem Ende
        der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die Men-
        schenrechte europaweit blühten und gediehen und dass
        alles seinen gerechten Sinn hatte, der ist entweder un-
        wissend, unwillig oder menschenverachtend . Denn der
        „8 . Mai“ konnte außer von den Vertriebenen auch von
        Millionen anderen nicht als „Tag der Befreiung“ emp-
        funden werden . Der Russe Lew Kopelew schrieb zum
        50 . Jahrestag des Kriegsendes 1995: „Der wohlverdiente
        Rattentod Hitlers in seiner Kanzlei brachte den Völkern
        des Westens Erlösung . Der unverdiente, mit 30 Millio-
        nen Menschenleben bezahlte Triumph Stalins überzog
        die Welt mit neuen tödlichen Gefahren, brachte Unglück,
        unsagbare Leiden und Verderben für die Länder in Ost-
        und Mitteleuropa, die zu Vasallen einer neuen totalitären
        Weltmacht wurden .“ Stalins Terror wütete in Mittel- und
        Osteuropa und raffte weiterhin Millionen Menschen da-
        hin . Die Menschen in Mitteldeutschland/Ostzone/DDR
        lebten in neuer Diktatur, aus der sie sich erst 1989/90 be-
        freien konnten . Hans Günther Adler, als rassisch Verfolg-
        ter Insasse während der nationalsozialistischen Zeit, be-
        schreibt in seinem Buch Theresienstadt 1941-1945: „Die
        Befreiung von Theresienstadt hat das Elend in diesem
        Ort nicht beendet . Nein, nicht allein für die ehemaligen
        Gefangenen ( . . .), sondern auch für neue Gefangene ( . . .),
        die Mehrzahl, darunter viele Kinder und Halbwüchsige,
        wurden bloß eingesperrt, weil sie Deutsche waren . Nur
        weil sie Deutsche waren ( . . .)? Der Satz klingt erschre-
        ckend bekannt; man hatte bloß das Wort ‚Juden‘ mit
        ‚Deutschen‘ vertauscht . Die Fetzen, in die man die Deut-
        schen hüllte, waren mit Hakenkreuzen beschmiert . Die
        Menschen wurden elend ernährt, misshandelt, und es ist
        ihnen um nichts besser ergangen, als man es von deut-
        schen Konzentrationslagern her gewohnt war .“
        Robert H . Jackson, amerikanischer Hauptanklagever-
        treter bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen,
        beklagte im Oktober 1945 in einem Brief an den US-Prä-
        sidenten Harry S . Truman, dass die Alliierten selbst
        „genau die Dinge getan haben oder tun, für die wir die
        Deutschen anklagen“ . Der britische Philosoph Bertrand
        Russell schrieb im selben Monat: „In Osteuropa werden
        jetzt von unserem Verbündeten Massendeportationen in
        einem unerhörten Ausmaß durchgeführt und man hat
        ganz offensichtlich die Absicht, viele Millionen Deutsche
        auszulöschen, nicht durch Gas, ( . . .) sondern dadurch,
        dass man ihnen ihr Zuhause und ihre Nahrung nimmt
        und sie einem langen schmerzhaften Hungertod auslie-
        fert . Das gilt nicht als Kriegsakt, sondern als Teil einer
        bewussten ‚Friedenspolitik‘ .“ Am 25 . Oktober berichtete
        der Berater General Eisenhowers, Robert Murphy, nach
        Washington: „Mitarbeiter, die Flüchtlingszüge aus dem
        Osten ankommen sahen, stellen fest, dass sich die Leute
        meistens  in bedauernswertem Zustand befinden. Einige 
        ( . . .) berichteten, dass sie ausgeplündert und um die we-
        nigen Habseligkeiten gebracht wurden, die sie überhaupt
        mitnehmen durften .“ Rund zwei Millionen Menschen
        haben diese Torturen nicht überlebt . Der amerikanische
        Historiker Norman Naimark resümierte: „Tatsache ist,
        dass ungefähr 2,5 Millionen Deutsche umkamen und
        11,5 Millionen vertrieben wurden, einzig und allein, weil
        sie Deutsche waren . Entscheidend war ihre ethnische
        Zugehörigkeit und nicht ihre Staatsbürgerschaft, ebenso
        wenig die Frage, ob sie gute oder schlechte Deutsche wa-
        ren, Faschisten oder Antifaschisten ( . . .) . Das war keine
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16535
        (A) (C)
        (B) (D)
        Abrechnung mehr zwischen Bevölkerungsgruppen . Die
        Vertreibung der Deutschen wurde politisches Staatsziel .“
        Der 8 . Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkrieges
        auf unserem Kontinent, ein Tag der Befreiung? Ja und
        nein! „Erlöst und vernichtet in einem“, so hat es Theodor
        Heuss, der erste Bundespräsident unserer Republik, tref-
        fend beschrieben . Eine Befreiung vom nationalsozialis-
        tischen Terror über Deutschland und Europa, ja . Eine
        Befreiung für all diejenigen, die mehr tot als lebendig
        die Konzentrationslager überlebt haben, ja, natürlich .
        Eine Befreiung vom Elend des Krieges, ja . Eine Befrei-
        ung von Gewaltherrschaft und Diktatur, ja, für den Wes-
        ten Europas – aber nur für den Westen, mit Ausnahme
        Spaniens und Portugals . Doch als Befreiungskrieg für
        Deutschland haben die Alliierten diesen Krieg ohnehin
        nicht geführt und auch nicht führen wollen . Dwight D .
        Eisenhower, Befehlshaber der amerikanischen Besat-
        zungstruppen machte das in der Direktive JCS 1067 sehr
        deutlich: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zweck der
        Befreiung, sondern als eine besiegte Feindnation .“ Und
        für Stalin waren Macht und Gewaltherrschaft über weite
        Teile Europas das erklärte Ziel . Victor Gollancz, engli-
        scher Verleger und Humanist – 1960 Träger des Frie-
        denspreises des Deutschen Buchhandels –, konstatierte:
        „Die Deutschen wurden vertrieben, aber nicht einfach
        mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme,
        sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität .“
        Für die Vertriebenen, die Deportierten, Vergewaltigten
        jener Jahre klingt die sehr schlichte und immer wieder –
        und von Jahr zu Jahr immer lauter – zu hörende Verein-
        fachung des 8 . Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ wie ein
        Hohn auf ihr Schicksal .
        Mir ist es daher unmöglich, dem Antrag zuzustimmen,
        wonach der 8 . Mai als „Tag der Befreiung“ zum Gedenk-
        tag erhoben werden soll .
        Anlage 13
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung
        eines Transplantationsregisters (Tagesordnungs-
        punkt 18)
        Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Was seit den
        60er-Jahren des letzten Jahrhunderts Realität geworden
        ist, hat die Menschheit seit der Antike fasziniert: der Aus-
        tausch von Organen, das Ersetzen eines eigenen versa-
        genden Organs durch ein fremdes funktionierendes . In
        Dokumenten aus dem 3 . Jahrhundert vor Christus wird
        der Austausch von Herzen durch den chinesischen Arzt
        Pien Ch’iao beschrieben . Über die Jahrhunderte hat das
        Thema die Menschen weiter beschäftigt . In der Renais-
        sance erkannte Gaspare Tagliacozzi den singulären Cha-
        rakter des Individuums und dass dieser Transplantatio-
        nen an einer anderen Person unmöglich macht .
        Erst zu Beginn des 20 . Jahrhunderts hatte sich das
        medizinische Wissen so weit entwickelt, dass wesentli-
        che Voraussetzungen für erfolgreiche Transplantationen
        gegeben waren . Es folgte 1954 die erste Nierentrans-
        plantation zwischen eineiigen Zwillingen, 1963 die erste
        erfolgreiche Spende zwischen Mutter und Tochter . Seit-
        dem wurden in Deutschland mehr als 83 000 Organe
        transplantiert . Eurotransplant, mit dem wir noch heute
        arbeiten, wurde 1967 gegründet und umfasst heute acht
        Länder mit 135 Millionen Menschen .
        Wir haben nun seit einem halben Jahrhundert das Pri-
        vileg, die Transplantationsmedizin nutzen zu können .
        Aber wir schöpfen dieses lebensspendende Potenzial
        noch nicht genug aus . Eurotransplant vermittelte 1968 –
        ein Jahr nach seiner Gründung – bereits 60 Nieren . 2015
        wurden in Deutschland insgesamt 827 Organe transplan-
        tiert bei über 10 000 Menschen, die auf ein Spenderor-
        gan warten . Man spricht weltweit von einem Potenzial
        von 40 Spendern pro 1 Million Menschen . Das wären
        3 200 Spender bei einer Bevölkerung von 80 Millionen
        in Deutschland . Obwohl wir 2013 eine generelle Spen-
        denbereitschaft von 68 Prozent in Deutschland hatten,
        sind die Bedeutung der Organspende und die Verantwor-
        tung jedes Einzelnen, sich damit auseinanderzusetzen,
        noch nicht angekommen . Skandale um Spenderlisten
        haben zudem das Image der Organspende in Deutsch-
        land beschädigt . Es ist nun an uns, die Organspende zu
        reformieren, transparenter zu gestalten, die Transplanta-
        tionsmedizin damit weiter zu verbessern, die Patientensi-
        cherheit zu erhöhen und damit auch das Vertrauen in die
        Transplantationsmedizin zu stärken .
        Betrachten wir die Lage in den USA: Dort sind
        45 Prozent registrierte Spender . In Deutschland besitzen
        nur 28 Prozent einen Organspendeausweis . Zu der Zeit,
        als Deutschland 1997, nach fast 20 Jahren Uneinigkeit,
        erst das Transplantationsgesetz verabschiedete, gab es in
        den USA bereits Großkampagnen, um die Bevölkerung
        für das Thema zu sensibilisieren .
        2007 veröffentlichte der Ethikrat eine Stellungnahme
        mit dem klaren Ziel, die Organspenden in Deutschland
        zu erhöhen . Mit der Reform der Organspende 2012 wur-
        de eine regelmäßige Befragung aller Krankenversicher-
        ten ab dem 16 . Lebensjahr festgesetzt . Der gewünschte
        Erfolg setzte nicht ein .
        Das Transplantationsregistergesetz gibt uns jetzt
        erneut die Chance, dies zu ändern und das Thema Or-
        ganspende in die Öffentlichkeit zu bekommen . Das
        Transplantationsregister schafft eine verlässliche Daten-
        grundlage . Die erhobenen Daten von der Organentnahme
        bis hin zur Nachbetreuung des Transplantierten werden
        darin gebündelt . Langfristig sollen damit die Wartelis-
        tenkriterien sowie die Verteilung der Spenderorgane
        weiterentwickelt werden . Die Nutzung der Daten soll zu
        wissenschaftlichen Forschungszwecken im Bereich der
        Transplantationsmedizin beantragt werden können .
        Lassen Sie uns die Debatte um das neue Transplan-
        tationsregistergesetz nutzen, das Thema wieder brei-
        ter in die Öffentlichkeit zu bringen . Ein Blick über den
        Atlantik zur Inspiration kann dabei auch nicht schaden .
        Forscher der Johns-Hopkins-Universität, die an einer
        Social-Media-Aktion in den USA 2012 beteiligt waren,
        zeigten sich begeistert von der Steigerung der Spender-
        zahlen . Bei der Facebook-Aktion ließen sich am ersten
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616536
        (A) (C)
        (B) (D)
        Tag des Experiments mehr als 13 000 US-Bürger online
        als Organspender registrieren, und dies lediglich durch
        die Möglichkeit, seinen Spenderstatus mit seinen Freun-
        den zu  teilen und wegen der Verlinkung mit offiziellen 
        Registrierungsstellen .
        Es ist deshalb unsere Aufgabe, das Vertrauen in einen
        fairen Organspendeprozess zu steigern; denn die Men-
        schen möchten helfen, wenn sie Vertrauen und die Gele-
        genheit dazu haben .
        Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Wir alle haben die
        Schlagzeilen rund um die Manipulationen in verschiede-
        nen deutschen Kliniken noch gut in Erinnerung . Damit
        verbunden war eine erhebliche Schwächung der Organ-
        spende insgesamt . Nicht zuletzt aufgrund der Skandale
        wurde über das Thema häufig aus einem negativen Blick-
        winkel berichtet . Dies verstellt den Blick darauf, dass
        sich bei der Organspende in Deutschland einiges tut . Ein
        zentrales Element ist hierbei die Schaffung eines nationa-
        len Transplantationsregisters .
        Worum geht es uns bei diesem Register? Die Organ-
        spende in unserem Land wird von verschiedenen Institu-
        tionen im Transplantationswesen wie zum Beispiel der
        Deutschen Stiftung Organtransplantation, Eurotransplant
        und den Transplantationszentren organisiert . Damit ver-
        bunden ist eine dezentrale Erhebung transplantationsme-
        dizinischer Daten . Diese Daten werden in verschiedenen
        Institutionen und nach unterschiedlichen Vorgaben erho-
        ben, ohne dass eine Verknüpfung stattfindet.
        Aus dieser fehlenden Verknüpfung ergibt sich eine äu-
        ßerst nachteilige Folge: Im Gegensatz zu vielen anderen
        Ländern fehlt bei uns in Deutschland eine umfassende
        medizinische Datenbasis, die die Folgen von Transplan-
        tationen dokumentiert und entsprechende Schlussfol-
        gerungen zulässt . Mit der Schaffung eines Transplanta-
        tionsregisters wird sich dies grundlegend ändern; denn
        mit dem Register schaffen wir eine verlässliche Daten-
        grundlage, die alle Daten von der Organentnahme bis hin
        zur Nachbetreuung bündelt . Dadurch erreichen wir eine
        höhere Transparenz . Vor allen Dingen aber können wir
        Wissenslücken über den Erfolg der Transplantationstä-
        tigkeit schließen . Beispielsweise lassen sich durch das
        Register Daten zur Qualität der Organe mit Daten zur
        Überlebenszeit von Organen und Organempfängern zu-
        sammenführen .
        Mehr Evidenz auf diesem Feld kann schlussendlich
        dazu beitragen, die Wartelistenkriterien sowie die Ver-
        teilung der Spenderorgane weiterzuentwickeln; denn wir
        können wichtige Informationen gewinnen, zu welchem
        Organempfänger ein Spenderorgan voraussichtlich am
        besten passt . Auch für die Transplantationszentren mit
        ihrer so wichtigen Arbeit lassen sich neue, gewinnbrin-
        gende Informationen gewinnen .
        Erfahrungen aus anderen Ländern wie etwa den USA
        zeigen uns, dass ein Transplantationsregister eine essen-
        zielle Grundlage für weitere Schritte hin zu einem besse-
        ren Transplantationswesen ist . Ich freue mich daher, dass
        wir mit der heutigen Einbringung des Gesetzentwurfs
        diesen wichtigen Schritt gehen können . Ein besonderer
        Dank sei an dieser Stelle der Bundesregierung und Mi-
        nister Hermann Gröhe im Speziellen für die gute Vorlage
        gesagt .
        In Zukunft wird es nicht mehr nötig sein, auf auslän-
        dische Werte zurückgreifen zu müssen; denn diese las-
        sen sich aus verschiedenen Gründen nicht einfach auf
        Deutschland übertragen . Etwa die Qualität transplantier-
        ter Organe ist bei uns wegen des vergleichsweise hohen
        Alters der Spender ganz anders als in vielen anderen
        Ländern . Wir dürfen bei der Organtransplantationswis-
        senschaft nicht haltmachen, sondern müssen in der For-
        schung zielgerichtet fortschreiten . Dies haben einige
        Organtransplantationsmediziner noch einmal deutlich
        gemacht .
        Einen wichtigen Stellenwert nimmt in dem Gesetzent-
        wurf der Datenschutz ein . Dem Recht auf informationel-
        le Selbstbestimmung und dem Schutz von Patientendaten
        kommt in dem Entwurf eine hohe Bedeutung zu . Die ge-
        samte Struktur des Registers mit den zu schaffenden In-
        stitutionen ist darauf ausgerichtet, ein hohes Maß an Da-
        tenschutz zu gewährleisten . Hinzu kommt: Die Daten der
        Organempfänger und der lebenden Organspender werden
        nur mit ausdrücklicher Einwilligung an das Transplanta-
        tionsregister übermittelt . In den ersten Stellungnahmen
        habe ich hierzu unterschiedliche Auffassungen gelesen .
        Insbesondere vonseiten des GKV-Spitzenverbandes wird
        eine Informationspflicht statt einer Einwilligungslösung 
        gefordert . Viele der Argumente sind in der Tat nachvoll-
        ziehbar . Die Frage der rechtlichen Machbarkeit müsste
        hierzu aber aus meiner Sicht noch einmal gründlich ge-
        prüft werden .
        Auch die Frage der Überführung bereits bestehender
        Daten in das Register ist sehr relevant, und wir sollten sie
        diskutieren . Letztendlich geht es hier um Abwägungsent-
        scheidungen, die nicht leicht sind . Ich denke aber, dass
        wir unter anderem in der anstehenden Anhörung die Ge-
        legenheit haben werden, diese Fragen noch einmal ge-
        nauer zu beleuchten . Der eine oder andere Gedanke sollte
        deshalb in den anstehenden Beratungen noch einmal auf-
        gegriffen werden .
        Unabhängig davon ist es sehr erfreulich, dass der Ge-
        setzentwurf in der Fachwelt auf ein sehr positives Echo
        gestoßen ist . Dies ist besonders wichtig in einem dezen-
        tralen System wie der Organspende; denn nur wenn alle
        Beteiligten entschlossen sind, das Register am Ende auch
        konsequent anzunehmen, kann ein entsprechender Mehr-
        wert daraus gezogen und kann die Organspende gestärkt
        werden .
        Ganz wichtig aber ist: Beim Thema Organspende
        geht es immer auch um Vertrauen . Bei allen verfügbaren
        technischen Strukturen erreichen wir ohne das Vertrauen
        der Menschen in die Organspende nichts . Ein Transplan-
        tationsregister  hat  daher  auch  seinen  ganz  spezifischen 
        Mehrwert in der Schaffung von besseren Strukturen;
        denn gerade gute Strukturen schaffen Vertrauen . Dieses
        Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass
        auch in Zukunft Menschen die berechtigte Hoffnung auf
        eine lebensrettende und lebenserhaltende Transplantation
        haben können . Es liegt daher an uns, mit der Schaffung
        eines Registers den Grundstein für weitere Verbesserun-
        gen zu legen .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16537
        (A) (C)
        (B) (D)
        Sabine Dittmar (SPD): Lassen Sie mich eines deut-
        lich sagen: Ich bin sehr dankbar, dass wir heute nach jah-
        relanger Diskussion über die Errichtung eines Transplan-
        tationsregisters in die erste Lesung gehen . Ich bin davon
        überzeugt, dass dies ein wichtiger weiterer Baustein ist,
        um Vertrauen in Organspende und Transplantationsmedi-
        zin zurückzugewinnen .
        Dass dies bitter notwendig ist, zeigen die uns allen
        bekannten Zahlen in aller Dramatik: Über 10 000 Pati-
        entinnen und Patienten warten in Deutschland auf ein le-
        bensrettendes Organ, täglich versterben drei Menschen,
        weil sie dieses nicht erhalten, und die Zahl der Organ-
        spender stagniert nach den Transplantationsskandalen
        in deutschen Krankenhäusern ausgehend von einem oh-
        nehin niedrigen Level auf einem erschütternd niedrigen
        Niveau . Das muss sich ändern!
        Das Transplantationsregister wird erstmals die Da-
        ten von verstorbenen Organspendern, Organempfän-
        gern und Lebendspendern zentral zusammenführen und
        miteinander verknüpfen . Dies geschieht natürlich unter
        Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbst-
        bestimmung und des Schutzes der hochsensiblen Patien-
        tendaten . Dadurch bekommen wir erstmals eine verläss-
        liche Datengrundlage von der Organentnahme bis hin zur
        Nachsorge nach einer Transplantation .
        Eine einheitliche, strukturierte Datenerfassung und
        ihre Auswertung sind unerlässlich für die Verbesserung
        der Prozessstrukturen und der Patientensicherheit . Au-
        ßerdem sind dies wichtige Parameter für die Qualitäts-
        sicherung der Transplantation und die bessere Vergleich-
        barkeit der Ergebnisse in den einzelnen Zentren . Die
        gewonnenen Daten werden vor allem die Debatte über
        die Weiterentwicklung der Allokationskriterien für die
        Aufnahme auf die Warteliste auf eine valide, evidenzba-
        sierte, transparente Datenbasis stellen .
        Nach den Transplantationsskandalen in deutschen
        Kliniken fielen das Vertrauen und damit die Bereitschaft 
        zur Organspende auf ein Rekordtief . Einiges wurde zwi-
        schenzeitlich unternommen, um Vertrauen zurückzuge-
        winnen: So gibt es heute bereits interdisziplinäre Trans-
        plantationskonferenzen und das Vieraugenprinzip bei der
        Bewertung von Allokationskriterien . Die medizinischen
        Daten werden nun auf ihre Plausibilität hin überprüft,
        wodurch gezielte Manipulationen, die zu einer Bevorzu-
        gung bei der Vergabe führen, erschwert und hoffentlich
        verhindert werden . Und die Manipulation von Wartelis-
        ten ist endlich ein Straftatbestand! Damit ist die Arbeit
        nicht getan . Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist ein
        weiterer Baustein, um Vertrauen zurückzugewinnen, und
        trotzdem liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns .
        Abschließen möchte ich mit einer eindringlichen Bit-
        te: Wir alle müssen uns privat und ganz persönlich mit
        dem Thema Organspende auseinandersetzen . Ein jeder
        von uns kann schließlich jederzeit in die Situation kom-
        men, selbst oder im familiären Umfeld eine überlebens-
        notwendige Transplantation zu benötigen .
        Ich appelliere daher an jeden Einzelnen, einen Organ-
        spendeausweis auszufüllen . Egal ob man sich für oder
        gegen eine Organspende entscheidet, der Organspen-
        deausweis ist wichtig, um Angehörigen in einer emoti-
        onal sehr schwierigen Phase die Entscheidung abzuneh-
        men, ob eine Spende erfolgen soll oder nicht .
        Ich hoffe, dass mit dem Transplantationsregister die
        öffentliche Auseinandersetzung mit der Organspende
        intensiviert wird und der Organspendeausweis in naher
        Zukunft zum Standardinventar einer jeden Handtasche
        oder eines jeden Geldbeutels gehört .
        Hilde Mattheis (SPD): Wieder einmal zeigt sich,
        dass es richtig war, viele zum Teil detaillierte Regelun-
        gen bei den Verhandlungen in den Koalitionsvertrag mit
        aufgenommen zu haben . Wenn Sie den Koalitionsvertrag
        lesen, sehen Sie, dass wir das Transplantationsregister
        schon dort vereinbart hatten . Ich bin sehr froh, dass wir
        mit dem vorliegenden Gesetz nun auch hinter diesem
        Punkt einen Haken machen können .
        Organspende ist ein hochemotionales Thema; denn es
        geht dabei nicht nur um medizinische, sondern auch um
        ethische Fragen . Für die Betroffenen ist eine Organspen-
        de oftmals lebensrettend .
        Ich glaube, alle hier im Hause sind sich darin einig,
        dass wir die Transplantationsmedizin auf dem höchsten
        Standard, mit den bestmöglichen Sicherheitsvorkehrun-
        gen gegen einen möglichen Missbrauch erhalten wollen .
        Dies erwarten von uns zu Recht die Betroffenen, die auf
        ein Spenderorgan warten, die Ärzte und das Kranken-
        hauspersonal und natürlich die potenziellen Spenderin-
        nen und Spender und ihre Angehörigen .
        Das zu schaffende Transplantationsregister ist ein
        Schritt, um mehr Transparenz und eine bessere Koor-
        dinierung innerhalb des gesamten Bundesgebietes zu
        schaffen und so die Zusammenarbeit zwischen Ärzten,
        Krankenhäusern und Behörden zu verbessern . Mit dem
        nun vorliegenden Gesetzentwurf sollen erstmals die Da-
        ten von verstorbenen Organspendern, Organempfängern
        und Lebendspendern miteinander verknüpft und zentral
        zusammengefasst werden .
        Warum ist das so wichtig? Bisher ist es in Deutsch-
        land so, dass die Ärzte und die Einrichtungen, die mit der
        Versorgung und Nachsorge beauftragt sind, die Deutsche
        Stiftung Organtransplantation als Koordinierungsstelle,
        der Gemeinsame Bundesausschuss und die Transplan-
        tationszentren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten unter-
        schiedliche Daten erheben und erfassen . Das sind Daten
        zum Organspender und -empfänger, zum Spendeorgan,
        zum Vermittlungsverfahren etc . All diese Daten werden
        dezentral aufgenommen .
        Dieses  Verfahren  bewerten  wir  als  wenig  effizient 
        und fehleranfällig; denn natürlich kann es bei dem oft-
        mals sehr zeitintensiven Prozess einer Organspende zu
        menschlichen Fehlern kommen . Das geplante Trans-
        plantationsregister soll nun alle transplantationsmedizi-
        nischen Daten bundesweit zusammenführen . Dazu wird
        ein bundesweit einheitlicher Datensatz vereinbart, der in
        Zukunft zwischen den Betroffenen übertragen wird .
        Wir erwarten uns davon eine deutlich geringere Feh-
        lerquote und eine verbesserte Dokumentation der Organ-
        spende in Deutschland . Zudem werden den betroffenen
        Stellen bessere und schneller verfügbare Informationen
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616538
        (A) (C)
        (B) (D)
        über Wartelisten vorliegen, sodass die Hoffnung besteht,
        den Betroffenen schneller und unkomplizierter helfen
        zu können . Zudem erfüllt ein solches zentrales Register
        einen höheren Anspruch an Transparenz, der dringend
        notwendig ist, um das Vertrauen in die Transplantations-
        medizin wieder zu stärken .
        Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass ein solcher
        zentral gesammelter Datensatz mit hochsensiblen Da-
        ten auch eine besondere Verantwortung hinsichtlich des
        Datenschutzes nach sich zieht . Das erreichen wir einer-
        seits mit der Errichtung von zwei zentralen Stellen: einer
        Transplantationsregisterstelle und einer Vertrauensstelle .
        Die Transplantationsregisterstelle ist, wie der Name sagt,
        der Ort, an dem die Daten zusammenlaufen, das heißt,
        sie werden dort erhoben, gespeichert, überprüft und wei-
        tergeleitet . Bevor die Daten die Stelle erreichen, werden
        sie aber von der Vertrauensstelle pseudonymisiert, sodass
        der Datenschutz innerhalb der Transplantationsregister-
        stelle gewahrt bleibt .
        Das gesamte Register und beide Stellen stehen zudem
        unter Aufsicht der oder des Bundesbeauftragen für Da-
        tenschutz . Diese ist zunächst in den Aufbau des Registers
        und der zuständigen Stellen einzubinden, und ihr obliegt
        danach die ständige Kontrolle der Einrichtungen . Ich bin
        davon überzeugt, dass diese Kontrollmöglichkeit einen
        verantwortungsvollen Umgang mit den Daten gewähr-
        leisten wird .
        Mehr als 10 000 Menschen warten derzeit in Deutsch-
        land auf ein Spenderorgan . Für sie entscheidet die Frage,
        ob sie ein Organ erhalten, über Leben und Tod . Dabei
        reicht die Zahl der gespendeten Organe bisher nicht aus,
        um allen Betroffenen zu helfen . Es ist daher unsere Auf-
        gabe, in diesem schweren Lebensabschnitt den vielen
        Menschen eine schnelle und vor allem sichere Hilfe zu
        bieten . Wir wollen die Transplantationsmedizin so sicher
        wie nur möglich ausgestalten . Ich glaube, dieses Gesetz
        wird dazu beitragen . Daher werbe ich um Ihre Zustim-
        mung .
        Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ein Transplantations-
        register ist aus Sicht der Linken überfällig . Bereits am
        31 . Januar 2013 hat die Linke dies in einem Antrag im
        Bundestag gefordert . Erinnern wir uns: Vor vier Jahren
        wurden zahlreiche Manipulationen und Missstände bei
        Organtransplantationen öffentlich . Das Vertrauen in das
        gesamte Transplantationswesen war zutiefst erschüttert .
        Wir messen den Gesetzentwurf, den die Bundesregie-
        rung uns hier heute vorlegt, an klaren Zielen . Ist er geeig-
        net, mehr Transparenz und Qualität zu schaffen? Wird er
        dazu beitragen, dass Menschen, die auf eine Organtrans-
        plantation warten, künftig besser versorgt werden? Wer-
        den wir künftig bessere Daten über die Folgewirkungen
        von Transplantationen haben, um die Versorgung weiter
        verbessern zu können? Können wir mit diesem Gesetz
        künftig auch mögliches Fehlverhalten in der Transplanta-
        tionsmedizin besser aufklären und bekämpfen?
        Gemeinsam haben alle Fraktionen am 11 . Juni 2013
        einen Antrag beschlossen, in dem von der Bundesregie-
        rung gefordert wurde, zügig einen Gesetzentwurf für ein
        solches Transplantationsregister vorzulegen . Damit woll-
        ten wir auch verloren gegangenes Vertrauen zurückge-
        winnen . Das ist dringend nötig; denn weiterhin sind bei
        Eurotransplant 15 000 Menschen auf der Warteliste für
        eine Organtransplantation registriert . Jahr für Jahr warten
        und hoffen viele vergeblich .
        Nun sind drei Jahre eine ziemlich weite Auslegung des
        Begriffs „zügig“, und der Entwurf der Bundesregierung
        erfüllt leider dennoch nicht an allen Stellen die hohen Er-
        wartungen an dieses Vorhaben . So bin ich skeptisch, ob
        genau diejenigen Organisationen mit der Einrichtung und
        dem Betrieb eines Transplantationsregisters beauftragt
        werden sollen, die schon beim damaligen Skandal einen
        Gutteil des Vertrauens in der Bevölkerung verspielt ha-
        ben, nämlich Bundesärztekammer, Krankenhausgesell-
        schaft und Krankenkassen . Dieselben sollen dann auch
        die Tätigkeit überwachen und Berichte abgeben – ein
        ziemlich problematisches Konstrukt .
        Auch die sogenannte Vertrauensstelle, die für den
        Datenschutz verantwortlich sein soll, will die Bundes-
        regierung wiederum von Bundesärztekammer, Kranken-
        hausgesellschaft und Krankenkassen einsetzen lassen .
        Das Bundesministerium für Gesundheit kann zwar die
        Genehmigung verweigern, wenn die Verträge nicht dem
        Wortlaut des Gesetzes entsprechen, aber eine inhaltliche
        Kontrolle durch eine demokratische Instanz soll nicht
        stattfinden. Das finden wir falsch. 
        Bei der Datenübermittlung durch die Transplantati-
        onsregisterstelle soll nur ein ganz kleiner innerer Kreis
        Einsicht erhalten . Patientenorganisationen, Menschen
        auf den Wartelisten, aber auch diejenigen, die mit Dia-
        lyse oder Leberersatztherapie leben müssen, oder deren
        betreuende Ärztinnen und Ärzte bleiben außen vor . Ein
        öffentliches Register stellen wir uns ehrlich gesagt an-
        ders vor .
        Insgesamt erscheint es uns sinnvoll, nicht nur trans-
        plantierte Patientinnen und Patienten in das Register auf-
        zunehmen, sondern auch solche, die in absehbarer Zeit
        auf die Warteliste kommen könnten; denn nur so erhal-
        ten wir Daten, die auch Informationen über den Zugang
        zur Transplantationsmedizin liefern, und Hinweise auf
        mögliche Probleme beim Übergang von der Dialyse zur
        Transplantation .
        Ich hoffe, dass wir hier in den Beratungen noch zu
        besseren Lösungen kommen, die Transparenz und öffent-
        liche Kontrolle herstellen, den Datenschutz sichern und
        die geeignet sind, das Vertrauen in der Bevölkerung wie-
        derherzustellen . Dafür setzt sich die Linke ein .
        Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir
        haben in der letzten Wahlperiode viel darüber debattiert,
        welche Schlüsse aus den Skandalen in der Transplantati-
        onsmedizin zu ziehen sind . Dabei hatten wir stellenweise
        sehr unterschiedliche Vorstellungen . Einig waren sich
        alle damals im Bundestag vertretenen Fraktionen aber in
        einem Punkt: Wir brauchen ein Transplantationsregister .
        Wir brauchen es, um Qualität, Evidenz und Kontrolle der
        Transplantationsmedizin zu verbessern .
        Die Bundesregierung hat sich mit der Umsetzung die-
        ser Forderung reichlich Zeit gelassen, fast drei Jahre . Das
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16539
        (A) (C)
        (B) (D)
        kann sinnvoll sein, wenn denn ein entsprechend gutes
        Gesetz dabei herauskommt . Im vorliegenden Fall ist das
        Ergebnis allerdings dürftig . Die Bundesregierung scheut
        mit ihrem Gesetzentwurf wieder einmal davor zurück,
        wichtige Entscheidungen selbst zu treffen . Sie überlässt
        die Ausgestaltung des Registers den Interessenvertretern
        der Selbstverwaltung . Sie mag nicht einmal selbst ent-
        scheiden, wo das Transplantationsregister angesiedelt
        werden soll . Auch den Datenschutz überlässt sie weitge-
        hend der Selbstverwaltung; nicht einmal eine BSI-Zerti-
        fizierung der verwendeten Netze und Anwendungen  ist 
        vorgeschrieben .
        Bei der Finanzierung entzieht sich die Bundesregie-
        rung ebenfalls ihrer Verantwortung . Nach dem vorlie-
        genden Entwurf sollen die Kosten für das Transplanta-
        tionsregister von der gesetzlichen Krankenversicherung
        getragen werden . Die private Krankenversicherung wird
        von der Bundesregierung geschont: Ihre finanzielle Be-
        teiligung bleibt komplett freiwillig . Eigentlich gibt die
        PKV ja immer an, sie würde das gesetzliche System
        querfinanzieren.  Hier  ist  es  aber  umgekehrt:  Nach  der 
        von der Bundesregierung geplanten Regelung muss im
        Zweifelsfall die gesetzliche Krankenversicherung auch
        die Kosten für die Datenübermittlung von Privatversi-
        cherten übernehmen. Selbst wenn sich die PKV finanziell 
        nicht beteiligt, erhält die PKV das volle Mitspracherecht
        bei der Ausgestaltung des Registers . Das ist anders als
        bei den Klinischen Krebsregistern, die nach dem Grund-
        satz „quid pro quo“ funktionieren . Wir Grünen haben die
        Bundesregierung gefragt, warum sie das beim Transplan-
        tationsregister nicht genauso hält . Eine einleuchtende
        Antwort konnte sie uns nicht geben .
        Warum aber die Bundesregierung die Krankenkassen
        von Lebendspendern bei der Finanzierung mit in die Ver-
        antwortung nehmen will, leuchtet überhaupt nicht ein . In
        den letzten Jahren haben wir viele Gesetzesänderungen
        beschlossen, durch die Lebendspender von den finanziel-
        len Nachteilen, die sie durch ihr selbstloses Handeln er-
        leiden, möglichst freigestellt werden . Ihr Vorschlag zeigt
        nun in die entgegengesetzte Richtung .
        Auch Ihre Vorschläge zur Forschung sollten Sie noch
        einmal überarbeiten: Paragraf 15 g Ihres Entwurfs regelt
        die Herausgabe von pseudonymisierten Daten für For-
        schungszwecke . Sie wollen, dass über die Herausgabe
        dieser Daten – und damit letztendlich über Hopp oder
        Top eines bestimmten Forschungsvorhabens – nicht
        etwa eine neutrale Instanz entscheidet . Nein, dies soll
        der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversiche-
        rung tun, gemeinsam mit der Deutschen Krankenhaus-
        gesellschaft und der Bundesärztekammer . Dass diese
        Akteure bei einzelnen Vorhaben durchaus befangen sein
        könnten, wird geflissentlich übersehen. Und warum bei 
        solchen Entscheidungen wieder einmal die private Kran-
        kenversicherung einbezogen werden soll, nicht aber der
        Bundesdatenschutzbeauftragte, ist mir schleierhaft . Als
        Hüter von Patienteninteressen sind die vorgenannten In-
        stitutionen in der Vergangenheit jedenfalls nicht gerade
        aufgefallen . Warum kann das Register nicht selbst über
        die Herausgabe entscheiden, wie das noch in Ihrem Refe-
        rentenentwurf vorgesehen war? Oder warum übertragen
        Sie es nicht auf eine neutrale Instanz?
        Sie haben in dem nun vor uns liegenden Gesetzge-
        bungsverfahren noch gute Gelegenheit, alle diese Fehler
        zu korrigieren . Ich kann Ihnen nur empfehlen: Nutzen
        Sie diese Möglichkeit in konstruktiver parlamentarischer
        Arbeit .
        Anlage 14
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags der Abgeordneten
        Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens,
        weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
        KE: Tag der Befreiung muss gesetzlicher Gedenk-
        tag werden (Tagesordnungspunkt 17)
        Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Das Thema
        „8 . Mai als nationaler Gedenktag – ‚Tag der Befreiung‘“
        hat eine starke erinnerungspolitische Komponente . Ich
        bin deshalb sehr froh, dass ich als ein Erinnerungspo-
        litiker unserer Fraktion heute diese Rede übernehmen
        konnte . Dies ist der dritte Anlauf der Linkspartei in dieser
        Sache, und ich sage es gleich zu Anfang ganz deutlich:
        Dieser erneute Vorstoß ist für mich Politik von vorges-
        tern .
        Zum Inhalt Ihres Antragsaufgusses Numero drei: Ich
        habe mir die letzten beiden Bundestagsdebatten noch
        einmal angeschaut und fand insbesondere die Rede
        des Berliner Altkollegen von Bündnis 90/Die Grünen
        Wolfgang Wieland sehr bemerkenswert . Ich zitiere Kol-
        legen Wieland aus der Debatte vom April 2013 zum
        inhaltlich identischen Antrag der Linksfraktion aus der
        17 . Wahlperiode: „Dieser Antrag, in all seiner Kürze, ist
        ein ganz klassisches Produkt aus der Geschichtswerkstatt
        der Linkspartei: formal ziemlich unsinnig, geschichts-
        politisch einseitig und in der Botschaft deswegen höchst
        fragwürdig“ . – Wolfgang Wieland .
        Nur als kleines Bonbon: Nicht einmal die harte, aber
        konstruktive formale Kritik an dem Antrag hat die Links-
        fraktion im dritten Anlauf berücksichtigt . Der Bundes-
        präsident proklamiert einen nationalen Gedenktag ganz
        ohne Gesetz . Es ist also ziemlich hanebüchen, dass die
        Linkspartei die Exekutive auffordert, der Legislative,
        also uns, dem Deutschen Bundestag, einen Gesetzent-
        wurf für einen weiteren nationalen Gedenktag vorzule-
        gen .
        Aber das Formale beiseite: „geschichtspolitisch ein-
        seitig und deshalb in seiner Botschaft höchst fragwür-
        dig“, formulierte Wolfgang Wieland . Er traf damit den
        Nagel auf den Kopf . Der 8 . Mai markiert den endgültigen
        Untergang Hitlerdeutschlands und damit auch das Ende
        des Holocaust und das Kriegsende in Europa . Der Zweite
        Weltkrieg war damit übrigens noch lange nicht vorbei .
        Er wird in Russland und den Nachfolgestaaten der Sow-
        jetunion am 9 . Mai als Tag des Sieges begangen, und die
        USA erinnern an ihn als VE, als Victory in Europe Day .
        Aber für Deutschland und die Deutschen hat den zen-
        tralen Punkt Bundespräsident Richard von Weizsäcker in
        seiner historischen Rede 1985 formuliert: die Befreiung
        der Deutschen – Weizäcker sagte ‚uns‘ – von dem „men-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616540
        (A) (C)
        (B) (D)
        schenverachtenden System der nationalsozialistischen
        Gewaltherrschaft“ . Genau an diese verschiedenen Di-
        mensionen erinnern wir am 8 . Mai im Deutschen Bun-
        destag und anderen Stellen regelmäßig .
        Dies reicht der Linkspartei aber nicht . Sie fordert einen
        weiteren nationalen Gedenktag und verkürzt diesen un-
        zulässig zum „Tag der Befreiung“ . In der Weizsäcker-Re-
        de waren es aber zwei integral miteinander verknüpfte
        Punkte: Befreiung vom „menschenverachtenden System
        der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ . Also nicht
        etwa einfach nur „Befreiung“ und nicht etwa vom „Fa-
        schismus“, von dem Linkspartei-Geschichtsinterpreten
        immer ausschließlich reden, weil sie beschlossen haben,
        das Wort „Nationalsozialismus“ zu tabuisieren . Aber das
        war es nun einmal: „nationalsozialistische Gewaltherr-
        schaft“ . Die Befreiung war für die Deutschen die Be-
        freiung vom Führerprinzip, vom Herrenrassedenken,
        vom Glauben an den Endsieg, von Kraft-durch-Freude-
        Kindheit und Erwachsenwerden in der Hitlerjugend, von
        Krieg und Treue bis in den Tod .
        Damit kommen wir zum Kern des Problems: Wir ha-
        ben einen nationalen und internationalen Gedenktag für
        die Opfer des Nationalsozialismus, der von Deutschland
        aus Europa terrorisierte: der 27 . Januar, der Tag der Be-
        freiung des Vernichtungslagers Auschwitz .
        Der 8 . Mai ist der Tag der Befreiung der Deutschen
        von der selbst installierten nationalsozialistischen Ge-
        waltherrschaft . Aber der 8 . Mai ist kein Tag der Freiheit,
        nicht für den einen Teil Deutschlands und erst recht nicht
        für Osteuropa . Richard von Weizsäcker hat diesen Punkt
        übrigens auch erwähnt . Diesen Widerspruch kann man
        auch nicht einfach auflösen, insbesondere nicht als Deut-
        scher .
        Schauen wir dafür auf die Wirkungen des 8 . Mai für
        Osteuropa und Ostdeutschland . In Osteuropa – reden Sie
        einmal mit den Balten oder den Polen – startet mit der
        Vertreibung der Nazis durch die Rote Armee die nächste
        Besatzungszeit, eine Zeit der Unfreiheit, der Repression
        und, insbesondere in den späten Stalinjahren, also den
        Jahren unmittelbar nach Kriegsende, auch des blanken
        Terrors . Dies gilt natürlich auch für den Osten Deutsch-
        lands, wo die Etablierung der SED-Herrschaft, manda-
        tiert von der Sowjetunion, unmittelbar nach der Befrei-
        ung vom nationalsozialistischen Gewaltregime begann .
        Das wirklich Problematische an diesem Antrag und
        an dieser von der Linkspartei so starr verfolgten Erin-
        nerungssicht ist der missbräuchliche Einsatz von Ge-
        schichtsbildern; denn der staatlich verordnete, gelenkte
        und dosierte Antifaschismus in der DDR war die wichtig-
        ste ideologische Rechtfertigung der DDR-Diktatur und
        der Herrschaft der SED . Ich will daran erinnern, gegen
        wen sich die staatliche Repression in der DDR unter an-
        derem gerichtet hat: zum Beispiel gegen Sozialdemokra-
        ten, die sich gegen die Zwangsvereinigung mit der KPD
        gewehrt haben, gegen die jungen Gemeinden Anfang der
        50er-Jahre, damit der evangelischen Kirche der Zugang
        zum Nachwuchs genommen wird . Es gab Säuberungen
        in der als demokratisches Feigenblatt gegründeten CDU,
        massive Enteignungskampagnen gegen mittelständische
        Familienbetriebe, zum Beispiel die Aktion Rose im Ost-
        seebereich, usw . – alles immer auch mit der Keule des
        Antifaschismus, mit der moralischen Erpressung, dass
        eine unbedingte Gefolgschaft für den selbsternannten
        antifaschistischen Friedensstaat moralisch und politisch
        zwingend ist . Dabei ging es im Kern schlicht und ergrei-
        fend um den Machterhalt der SED-Führungsclique und
        den Bestand des Herrschaftsbereichs der Sowjetunion .
        Dann listen Sie stolz auf, dass es jetzt den „Tag der
        Befreiung“ in Mecklenburg-Vorpommern und jüngst
        auch in Brandenburg und Thüringen gibt . Dabei haben
        Sie schlicht Ihre Machtposition bei der Bildung der je-
        weiligen Landesregierungen genutzt, um dieses für Sie
        so wichtige Symbol durchzusetzen . Eigentlich ein nor-
        maler demokratischer Vorgang, aber es bringt die drei
        Länder in eine Sonderposition . Jetzt wird also in bester
        DDR-Tradition in Brandenburg, Thüringen und Meck-
        lenburg-Vorpommern ein „Tag der Befreiung“ als Ge-
        denktag des jeweiligen Bundeslandes begangen . Zumin-
        dest ich finde dies relativ merkwürdig. 
        Aber vielleicht können wir hier doch etwas von den
        Machtingenieuren der SED lernen . Ich bin mir nicht ganz
        sicher, was der genaue Grund war . Vermutlich waren es
        primär ökonomische Erwägungen, aber sicherlich nicht
        nur, aber die DDR hat 1966 den „Tag der Befreiung“ als
        Nationalfeiertag, also als arbeitsfreien Tag, abgeschafft
        und damit in seiner Bedeutung gewaltig relativiert .
        Und dies ist auch mein Petitum: Der 8 . Mai ist auf-
        grund seiner vielschichtigen Bedeutung nicht geeignet,
        ein nationaler Gedenktag zu werden . Auch die entspre-
        chenden Landesgedenktage in Thüringen, Mecklen-
        burg-Vorpommern und Brandenburg sollten bei passen-
        der Gelegenheit noch einmal überdacht werden .
        Gabriele Fograscher (SPD): Alle Jahre wieder stellt
        die Fraktion Die Linke den Antrag, in dem sie die Bun-
        desregierung auffordert, einen Gesetzentwurf vorzule-
        gen, um den 8 . Mai als Tag der Befreiung zum gesetzli-
        chen Gedenktag zu erklären .
        Richard von Weizsäcker hat 1985 zum 40 . Jahrestag
        des Kriegsendes diesen Begriff geprägt: „Der 8 . Mai war
        ein Tag der Befreiung . Er hat uns alle befreit von dem
        menschenverachtenden System der nationalsozialisti-
        schen Gewaltherrschaft .“ Doch leider führte das Ende
        des Zweiten Weltkrieges auch dazu, dass Deutschland
        geteilt wurde . Diese Trennung haben wir mit der Wie-
        dervereinigung überwunden . Der 8 . Mai ist auch der Tag,
        an dem der Parlamentarische Rat unsere demokratische
        Verfassung verabschiedet hat . Der 8 . Mai ist zweifellos
        ein wichtiges historisches Datum .
        Jedes Mal, wenn die Linksfraktion diesen Antrag
        vorlegt, frage ich mich, was uns ein einzelner Gedenk-
        tag bringen soll . Sollen wir nur an diesem einen Tag der
        Befreiung gedenken, nur an diesem einen Tag über die
        dunkelste Zeit der deutschen Vergangenheit informieren,
        nur an diesem einen Tag über die Unmenschlichkeit der
        NS-Herrschaft aufklären? Das wäre zu wenig, vor allem
        wenn man in Deutschland und Europa das Erstarken der
        Rechtspopulisten und der Rechtsextremisten sieht .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16541
        (A) (C)
        (B) (D)
        Wir müssen jeden Tag gegen Fremdenfeindlichkeit,
        Rassismus, Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass vor-
        gehen . Wir müssen jeden Tag Demokratie, Freiheit und
        Vielfalt verteidigen . Wir müssen jeden Tag gegen eine
        weitere Spaltung unserer Gesellschaft angehen . Wir müs-
        sen jeden Tag die Menschen ermutigen, für unsere De-
        mokratie einzustehen . Wir müssen jeden Tag den Men-
        schen in unserem Land sagen, was Parteien wie die AfD
        vorhaben .
        Das Ausrufen eines Gedenktages würde der Heraus-
        forderung des Erinnerns und Gedenkens, der aktiven
        Auseinandersetzung mit erstarkenden Phänomenen
        wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus,
        Rechtsextremismus, Ausgrenzung, Intoleranz und Vorur-
        teilen nicht gerecht . Aktuelle Ereignisse wie die rasant
        zunehmende Zahl von Anschlägen auf Flüchtlingsun-
        terkünfte, die hasserfüllte Blockade eines Busses mit
        Flüchtlingen, Zunahme ausländerfeindlicher Parolen auf
        Pegida-Demonstrationen, die Wahlergebnisse der rechts-
        extremen AfD und vieles mehr zeigen: Es bedarf weit
        mehr als eines Gedenktages .
        Die Menschen, die sich in Programmen, Projekten
        und Initiativen gegen Extremismus, für Demokratie und
        Toleranz und für mehr gegenseitigen Respekt engagie-
        ren, brauchen mehr Unterstützung . Die Mittel für das
        Programm „Demokratie leben!“ wurden aufgestockt,
        und in den Eckpunkten für den Bundeshaushalt 2017 hat
        die Koalition vereinbart, hier weiteres Geld zur Verfü-
        gung zu stellen . Auch die Bundeszentrale für politische
        Bildung und die politischen Stiftungen leisten einen un-
        verzichtbaren Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung und
        Demokratiestärkung .
        Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass es bald keine
        Zeitzeugen mehr gibt und deshalb ein Gedenktag umso
        wichtiger sei . Das sehen wir anders . Sicherlich spielen
        Zeitzeugen noch immer eine wichtige Rolle, um über
        die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus zu berich-
        ten . Doch ein Gedenktag kann künftig diese Lücke nicht
        schließen . Ein Gedenktag ist rückwärtsgewandt . Wir
        brauchen moderne Formen der Wissensvermittlung, um
        vor allem junge Menschen über die nationalsozialistische
        Schreckensherrschaft zu informieren und ihnen aufzuzei-
        gen, auf welch menschenverachtender Ideologie sie ba-
        sierte . So können wir es erreichen, dass sie sich für die
        Demokratie begeistern und nicht auf rechtspopulistische
        und rechtsextreme Parolen hereinfallen .
        Dabei wird auch der vom Deutschen Bundestag ein-
        gesetzte Expertenkreis Antisemitismus eine Rolle spie-
        len; denn wir erwarten uns von ihm konkrete Vorschläge
        für zeitgemäße Formen der Demokratiebildung und für
        den Umgang mit neuen Phänomenen gruppenbezogener
        Menschenfeindlichkeit . Wir müssen die Bürgerinnen und
        Bürger in unserem Land aufklären, was die Rechtspopu-
        listen und Rechtsextremisten wirklich wollen, nämlich
        die Beschneidung unserer Freiheitsrechte, die Abkehr
        von unserer Demokratie . Dabei hilft uns aber kein Ge-
        denktag . Dabei hilft uns nur die stetige und tägliche Ar-
        beit und Werbung für unsere Demokratie .
        Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Politikerinnen
        und Politiker beklagen zu Recht zunehmende Respekt-
        losigkeit in unserer Gesellschaft . Wir müssen uns aber
        auch selbst fragen, ob wir eine Politik machen, die res-
        pektvoll mit Menschen umgeht .
        Schauen wir uns zum Beispiel das Verhältnis zwi-
        schen der deutschen und der russischen Regierung an .
        Wir müssen leider feststellen, dass das Verhältnis zerrüt-
        tet ist . Dafür gibt es viele Ursachen . Beide Seiten tragen
        Verantwortung . Doch was ist der deutsche Anteil an die-
        sem gefährlichen Konflikt? Eine wichtige Ursache ist der 
        fehlende Respekt der deutschen Politik gegenüber Russ-
        land . Über 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger der
        Sow jetunion verloren im Zweiten Weltkrieg ihr Leben
        im Kampf gegen den Faschismus . Der Deutsche Bundes-
        tag ist seit Jahren nicht bereit, diese Opfer angemessen zu
        würdigen . Immer wieder wurde unser Antrag, dem Tag
        der Befreiung den Status eines gesetzlichen Gedenktags
        zu verleihen, abgelehnt . Das ist respektlos .
        Im Kalender 2016 des Wissenschaftlichen Dienstes
        des Bundestages, der eine Auswahl historischer Jahresta-
        ge sowie alljährlich wiederkehrender Gedenk-, Aktions-
        und Thementage erfasst, steht am 8 . Mai nur der – zwei-
        fellos wichtige – Weltrotkreuztag . Das ist respektlos .
        Botschafter Russlands, Kasachstans und acht weiterer
        Staaten protestieren gegen ein Open-Air-Festival in un-
        mittelbarer Nachbarschaft zum Treptower Ehrenmal in
        Berlin . Auf dem Friedhof sind 7 500 Sowjetsoldaten be-
        erdigt, die die Befreiung Deutschlands vom Nationalso-
        zialismus mit ihrem Leben bezahlt haben . Die Botschaf-
        ter halten das Festival an diesem Ort für „unangemessen
        und inakzeptabel sowie störend für die Ehre und das An-
        denken an die Gefallenen .“ Ein Rockfestival an diesem
        Ort – das ist respektlos .
        In Bayern, Hessen und Sachsen gibt es einen Ge-
        denktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung . Seit
        vergangenem Jahr ist dieser Tag sogar ein nationaler Ge-
        denktag . Die Bundesregierung ist nur bereit, der eigenen
        Opfer zu gedenken, nicht aber der Menschen, die unser
        Land vom Faschismus befreit haben . Das ist respektlos .
        In den vergangenen Jahren wurde von den Gegnern
        unseres Antrages argumentiert: Wir begehen mit dem
        27 . Januar den „Tag des Gedenkens an die Opfer des
        Nationalsozialismus“ als nationalen Gedenktag . Das ist
        richtig . Wir wollen am 27 . Januar der Opfer des Faschis-
        mus gedenken . Wir wollen aber auch am 8 . Mai an unsere
        Befreier erinnern und ihnen danken; denn die Befreiung
        vom Faschismus war für uns Deutsche die Voraussetzung
        für die Formulierung des Satzes im Grundgesetz, Arti-
        kel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar .“ Der
        8 . Mai – der Tag der Befreiung – ist das Schlüsselerlebnis
        der Deutschen im 20 . Jahrhundert . Das sollte uns einen
        Gedenktag wert sein . Wir als Linke werden diesen Tag
        immer feierlich begehen .
        Für mich war eine Forsa-Umfrage beeindruckend:
        Die große Mehrheit der Deutschen ist der Meinung:
        Der 8 . Mai 1945 war ein Tag der Befreiung . 89 Prozent
        stimmen dieser Aussage zu . Auch die Bereitschaft, über
        Kriegserlebnisse zu sprechen, ist gestiegen . Auch das
        bestärkt uns in der Forderung nach einem gesetzlichen
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616542
        (A) (C)
        (B) (D)
        Gedenktag . Wir wollen, dass sich die Menschen mindes-
        tens an einem Tag im Jahr die Zeit nehmen, um über die
        Ursachen des Zweiten Weltkrieges zu diskutieren und
        der über 50 Millionen Opfer zu gedenken . Ein gesetzli-
        cher Gedenktag wäre auch ein Zeichen an die Frauen und
        Männer aller alliierten Armeen, die Deutschland befreit
        haben . Unter ihnen waren auch Deutsche, wenige zwar,
        aber es gab sie .
        Der Tag der Befreiung wird in Mecklenburg-Vor-
        pommern,  Brandenburg  und  Thüringen  als  offizieller 
        Gedenktag begangen . Das geht auf eine Initiative der
        Linken zurück . Es ist höchste Zeit, dass auch der Bun-
        destag den Menschen Respekt erweist, die so viel für un-
        ser Land getan haben .
        Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        Bundestagspräsident hat in seiner Rede im letzten Jahr
        den 8 . Mai unmissverständlich als „Tag der Befreiung“
        bezeichnet und dafür viel Zustimmung und Applaus –
        von allen Seiten – bekommen . Leider ist dieses Verständ-
        nis des 8 . Mais hier im Deutschen Bundestag immer noch
        kein Konsens . Die menschenrechtspolitische Sprecherin
        der Unionsfraktion stellt in Interviews und in ihren be-
        rüchtigten Twitter-Tweets immer wieder infrage, dass der
        8 . Mai ein Tag der Befreiung war .
        Ich möchte deshalb hier nochmals in aller Deutlichkeit
        sagen, auch gerichtet an die Unionsfraktion, die offenbar
        kein Problem mit dem Revisionismus ihrer Sprecherin
        für Menschenrechte hat: Der 8 . Mai war ein Tag der Be-
        freiung für alle Menschen, die unter dem NS-Terror zu
        leiden hatten, auch für die Menschen hinter dem Eiser-
        nen Vorhang . Hier geht es nicht darum, das Unrecht und
        die Unfreiheit kleinzureden, die es im Anschluss gegeben
        hat . Aber die Verbrechen des Holocaust sind historisch
        einzigartig und lassen sich nicht mit anderen Diktatu-
        ren – und ganz sicher auch nicht mit der DDR-Diktatur –
        gleichsetzen .
        Deshalb ist es gut und wichtig, dass uns der 8 . Mai –
        über 30 Jahre nach Richard von Weizsäckers wegwei-
        sender Rede – immer wieder daran erinnert, dankbar zu
        sein für die Befreiung von Krieg und dankbar zu sein für
        das Ende der Vernichtungspolitik der NS-Diktatur . Das
        beutet im Umkehrschluss keinesfalls, die Augen vor den
        Leiden und den Schrecken der vielen Millionen Vertrie-
        benen zu verschließen . Flucht, Gewalt, Ausgrenzung und
        der tägliche Kampf ums Überleben – all das gehört zur
        Erfahrung von Millionen deutscher Familien . Auch ihre
        Erfahrungen müssen Teil der deutschen Geschichte sein .
        Doch es braucht dafür immer den historischen Kontext .
        Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nun
        zu Ihrem Antrag, den Sie hier zum wiederholten Male
        stellen . Wie wichtig der 8 . Mai als Tag der Befreiung
        ist, habe ich bereits deutlich gemacht . Ob Ihr Anliegen,
        ihn zum gesetzlichen Gedenktag zu erheben, der rich-
        tige Weg ist, um seiner Bedeutung gerecht zu werden,
        darüber gilt es jetzt zu sprechen . Wir haben bereits den
        27 . Januar – auf Initiative von Antje Vollmer hin – zum
        Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt .
        Er ist inzwischen in unserer Erinnerungskultur tief ver-
        ankert, und das ist gut so; denn die Verantwortung, die
        sich aus der deutschen Geschichte ergibt, ist leider keine
        Selbstverständlichkeit, sondern muss immer wieder aufs
        Neue erstritten werden .
        Das zeigt uns zum einen der Blick zurück: Die kri-
        tische Aufarbeitung des Nationalsozialismus ist von der
        Zivilgesellschaft mühsam gegen den Staat erkämpft und
        durchgesetzt worden . Wichtige Orte des Gedenkens, wie
        das NS-Dokumentationszentrum Topographie des Ter-
        rors oder das Holocaustmahnmal, wurden durch bürger-
        schaftliches Engagement initiiert . Und das zeigt uns auch
        der Blick ins Heute: Der fortbestehende Antisemitismus,
        der bis in die Mitte der Gesellschaft hinein reicht, der
        weit verbreitete antimuslimische Rassismus oder die vie-
        len aktuellen Angriffe auf Flüchtlingsheime sind dafür
        nur einige aktuelle Beispiele . Erst letzte Woche wurden
        im sächsischen Freital fünf mutmaßliche Rechtsterro-
        risten festgenommen . Die Gruppe soll im vergangenen
        Herbst auch zwei Anschläge auf Asylbewerberheime
        verübt haben .
        Hier heißt es, Demokratie und Menschenrechte tag-
        täglich ganz konkret zu verteidigen . Dafür braucht es aus
        meiner Sicht vor allem eine engagierte gesellschaftliche
        Auseinandersetzung, aber nicht unbedingt einen weite-
        ren offiziellen Gedenktag. Wenn wir genau hinschauen, 
        finden  wir  leider  auch  immer  noch  weiße  Flecken  in 
        unserem Gedenken: Zuletzt wurden die sowjetischen
        Kriegsgefangenen – nach jahrelangen Debatten – end-
        lich entschädigt . Aktuell engagieren sich Künstlerinnen
        und Künstler und Aktivistinnen und Aktivisten für die
        Anerkennung der Diskriminierungserfahrungen der so-
        genannten Asozialen im „Dritten Reich“ . Lassen Sie uns
        lieber darüber reden, wie wir diesem Unrecht endlich an-
        gemessen gedenken können; denn mir ist ein lebendiges
        Gedenken von unten, das sich bemüht, noch immer be-
        stehende Lücken zu schließen, wichtiger als ein weiterer
        offizieller Gedenktag.
        Anlage 15
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung ein-
        gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
        kommen vom 23. September 2015 zwischen der
        Bundesrepublik Deutschland und der Republik
        Albanien über Soziale Sicherheit (Tagesordnungs-
        punkt 19)
        Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU): Die CDU/
        CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Entwurf ei-
        nes Gesetzes der Bundesregierung zu dem Abkommen
        vom 23 . September 2015 zwischen der Bundesrepublik
        Deutschland und der Republik Albanien über die Soziale
        Sicherheit .
        Um was geht es in dem Abkommen? Durch das Ab-
        kommen wird der soziale Schutz im Bereich der jewei-
        ligen Rentenversicherungssysteme insbesondere für den
        Fall koordiniert, dass sich Versicherte im jeweils ande-
        ren Vertragsstaat aufhalten . Das gilt für einen Entsen-
        dezeitraum von maximal 24 Monaten . Das Abkommen
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16543
        (A) (C)
        (B) (D)
        bestimmt, dass für Arbeitnehmer und deren Arbeitge-
        ber grundsätzlich die Rechtsvorschriften des jeweiligen
        Staates gelten, in dem die Beschäftigung tatsächlich
        ausgeübt wird . Durch die Zusammenrechnung der Ver-
        sicherungszeiten mit denen ihres Heimatlandes können
        Deutsche künftig aus albanischen Versicherungszeiten
        und albanische Versicherte aus deutschen Versicherungs-
        zeiten Rentenansprüche erwerben .
        Es begründet unter Wahrung des Grundsatzes der Ge-
        genseitigkeit Rechte und Pflichten von Einwohnerinnen 
        und Einwohnern beider Staaten, sieht die Gleichbehand-
        lung der beiderseitigen Staatsangehörigen sowie deren
        Hinterbliebener vor . Die Voraussetzungen für einen
        Rentenanspruch können durch Zusammenrechnung der
        in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten er-
        füllt werden . Jeder Staat zahlt aber nur die Rente für die
        nach seinem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten .
        Werden also gewöhnlich in Deutschland beschäftigte
        Arbeitnehmer in die Republik Albanien entsandt, gelten
        für sie die deutschen Rechtsvorschriften in der Renten-
        versicherung so, als ob sie weiterhin dort beschäftigt
        wären; spiegelbildlich gelten für nach Deutschland ent-
        sandte Arbeitnehmer aus der Republik Albanien weiter-
        hin die entsprechenden albanischen Rechtsvorschriften .
        Der Schutz der Rentenversicherung im jeweiligen Her-
        kunftsland bleibt bestehen, und kostenintensive Dop-
        pelversicherungen werden dadurch vermieden . Somit
        stellen wir notwendige Rechtssicherheit für Arbeits-
        migration her . Dabei sind die Mehrausgaben bei der ge-
        setzlichen Rentenversicherung moderat: Wir gehen von
        unter 1 Million Euro aus .
        Warum ist es wichtig, mit Albanien eine solche Ver-
        einbarung zu treffen? Die Beziehungen zwischen Alba-
        nien und der Bundesrepublik Deutschland sind eng . Zum
        einen liegt die Zahl der in Deutschland lebenden aus-
        ländischen Personen albanischer Abstammung bei rund
        300 000 . Zum anderen entwickelt sich die Wirtschaft
        nach einigen Jahren der Schwäche zuletzt wieder recht
        dynamisch: Das Wirtschaftswachstum wird dieses Jahr
        3,4 Prozent und in 2017 sogar 4 Prozent betragen . Dabei
        ist das Wirtschaftswachstum in den Sektoren Bergbau,
        Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fisch-
        verarbeitung besonders stark .
        Durch diese Dynamik in jüngster Zeit haben sich auch
        die Handelsbeziehungen entsprechend stark entwickelt:
        So liegen die Einfuhren nach Deutschland bei 30,5 Milli-
        onen Euro, die Ausfuhren aus Deutschland nach Albani-
        en lagen bei 92,5 Millionen Euro . Die Einfuhren stiegen
        zum Vorjahr um 5,8 Prozent und die Ausfuhren sogar um
        27,7 Prozent .
        Eine engere Zusammenarbeit mit Albanien macht aber
        auch aus anderen Gründen Sinn: Albanien hat bereits im
        September 2009 einen Antrag auf EU-Beitritt gestellt und
        ist seit Juni 2014 EU-Beitrittskandidat . Sicherlich ist der
        EU-Beitritt Albaniens wie auch der anderen Länder des
        Westbalkans kein Selbstläufer . Das NATO-Mitglied muss
        vor Beginn der eigentlichen Beitrittsverhandlungen in ei-
        nigen Jahren noch eine Reihe von Bedingungen erfüllen,
        etwa im Bereich der Justiz, beim Aufbau eines funktio-
        nierenden Rechtsstaates, beim Minderheitenschutz oder
        beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbre-
        chen . Hier ist Albanien in der Bringschuld .
        Auch wenn noch keine Beitrittsverhandlungen begon-
        nen haben, erleichtert ein solches bilaterales Abkommen
        aus meiner Sicht die spätere Einbindung Albaniens in die
        bestehende Sozialgesetzgebung der Europäischen Union
        und hat eine stabilisierende Wirkung auf das Land . Das
        Abkommen kann dazu beitragen, einen politischen Pro-
        zess in Gang zu bringen, der positive Veränderungspro-
        zesse in Wirtschaft und Gesellschaft freisetzt und einen
        Modernisierungsschub in der Gesetzgebung auslösen
        kann .
        Für uns in Deutschland sind derartige Abkommen mit
        Ländern außerhalb der Europäischen Union, aber in un-
        serer unmittelbaren Nachbarschaft in einer immer enger
        zusammenarbeitenden Welt wichtig; denn Deutschland
        lebt wie kaum ein anderes Land in Europa vom freien
        Handel und freien Austausch von Kapital und Dienstleis-
        tungen . Gerade mit der absehbaren Heranführung Alba-
        niens an die Europäische Union schaffen wir die drin-
        gend benötigte Stabilität auf dem Westbalkan, die nach
        den Jugoslawien-Kriegen in den 90er-Jahren immer noch
        labil ist . Dies bestätigen die jüngsten Entwicklungen im
        Nachbarland Mazedonien .
        Deutschland profitiert wie kein zweites Land von ei-
        nem funktionierenden EU-Binnenmarkt, einem Europa
        ohne Grenzen, in dem die Völker in einem Raum der
        Freiheit und des Rechts zusammenleben . Somit kann die-
        ses Sozialabkommen als Leitfaden für unsere in Deutsch-
        land und Europa gelebten sozialen Standards dienen und
        ein höheres Maß an Rechtssicherheit geben .
        Das zur Abstimmung stehende Sozialabkommen ist
        daher als ein Baustein für das übergeordnete Ziel deut-
        scher Europapolitik zu sehen, nämlich die Heranführung
        Albaniens an die Europäische Union, die damit verbun-
        dene Überführung der schon existierenden europäischen
        Gesetze und die Schaffung einer wettbewerbsfähigen so-
        zialen Marktwirtschaft, die genügend Wohlstand für ver-
        besserte Lebensbedingungen vor Ort bringt und dadurch
        den Migrationsdruck aus Albanien langfristig reduzieren
        wird .
        Denn wir dürfen nicht vergessen: Albanien nahm
        2015 mit knapp 70 000 Asylanträgen den zweiten Platz
        in Deutschland ein, auch wenn die Aussicht auf Asyl für
        Antragsteller aus dem Balkan nahezu aussichtslos ist .
        Seit Albanien im Oktober 2015 zu einem sicheren Her-
        kunftsland erklärt wurde, ist die Zahl der Asylanträge aus
        Albanien in diesem Jahr stark zurückgegangen . Dennoch
        bleibt der Migrationsdruck hoch . Dies liegt an der hohen
        Jugendarbeitslosigkeit und den schlechten Jobperspekti-
        ven vor Ort .
        Daher passt das Abkommen über die soziale Sicher-
        heit in diese übergeordnete Strategie: Reduktion der
        Asylbewerber bei gleichzeitiger Erleichterung der Ar-
        beitsaufnahme; denn ab dem 1 . Januar 2016 gelten er-
        leichterte Regelungen für albanische Staatsangehörige,
        um bei uns arbeiten zu können .
        Aber nicht nur das Abkommen zur Sozialen Sicherheit
        wurde mit Albanien vereinbart . Wir haben seit diesem
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616544
        (A) (C)
        (B) (D)
        Jahr das Globalvorhaben „Migration für Entwicklung“
        ins Leben gerufen . In diesem Programm wird durch die
        Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit eine
        Migrationsberatung in Albanien angeboten . In einem
        Zentrum für Migrantenberatung sollen Albanerinnen und
        Albaner zu legaler Migration, Fluchtalternativen und Ar-
        beitsmarktprogrammen beraten werden . Ziel ist es, die
        Menschen in Albanien zu halten bzw . eine kontrollierte
        Migration zu erreichen .
        Wir haben in Deutschland großes Interesse, dieses
        Land zu stabilisieren und in unsere Wertegemeinschaft
        langfristig einzubinden . Deswegen unterstützt die CDU/
        CSU-Bundestagsfraktion das Abkommen über die Sozi-
        ale Sicherheit mit der Republik Albanien .
        Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD): Die deutsch-al-
        banischen Beziehungen sind nicht immer nur positiv
        verlaufen . 1967: Die Bundesrepublik Deutschland nahm
        erstmals  an  einer  Qualifikation  für  eine  Fußball-Euro-
        pameisterschaft teil, die 1968 in Italien stattfand . Als
        Gruppengegner in der Qualifikationsgruppe 4 wurden ihr 
        Albanien und Jugoslawien zugelost . Die nur drittklas-
        sigen Albaner galten als krasser Außenseiter, während
        Deutschland, unter anderem mit Günter Netzer im Aufge-
        bot, favorisiert in die Gruppenphase ging . Erwartungsge-
        mäß entwickelte sich ein Zweikampf zwischen Deutsch-
        land und dem spielstarken Jugoslawien . Die Jugoslawen
        konnten beide Partien gegen ihr Nachbarland Albanien
        gewinnen und das Hinspiel gegen Deutschland, im Rück-
        spiel unterlagen sie . Für die deutsche Mannschaft wurde
        so das letzte Spiel gegen Albanien zur entscheidenden
        Partie . Es hätte ein einfacher Sieg genügt, zum Beispiel
        ein 1:0, um sich zu qualifizieren. Die Tordifferenz gegen-
        über Jugoslawien sprach für Deutschland . Das Hinspiel
        gegen Albanien acht Monate zuvor hatte Deutschland
        mit 6:0 gewonnen . Auf dem harten Spielfeld im Stadion
        von Tirana gelang es der deutschen Mannschaft jedoch
        nicht, Albanien mit spielerischen Mitteln in die Knie
        zu zwingen, sodass am Ende nur ein 0:0 heraussprang .
        Durch die „Schmach von Tirana“ verpasste Deutschland
        die Endrunde einer Europameisterschaft zum ersten und
        bisher einzigen Mal .
        Auch heute gehört Albanien, trotz der Teilnahme an
        der Europameisterschaft in Frankreich, nicht nur im Fuß-
        ball zu den Außenseitern in Europa . Albanien gehört zu
        den ärmsten Ländern Europas . Das Pro-Kopf-Bruttoin-
        landsprodukt betrug im Jahr 2015 nach Angaben des Fi-
        nanzministeriums 3 420,70 Euro . In „absoluter Armut“
        leben 7 Prozent der Bevölkerung . Der Durchschnittslohn
        liegt bei 379 Euro (2014). Die Arbeitslosenrate liegt offi-
        ziell bei 17,9 Prozent .
        Albanien hat jedoch seit 1998 bedeutende Fortschrit-
        te auf dem Weg von einer kommunistischen in eine
        marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft erzielt . Dabei
        zeigte sich die Konjunktur inmitten der globalen Wirt-
        schafts- und Finanzkrise der letzten Jahre relativ stabil
        und wies – auch wegen des geringen Ausgangsniveaus –
        durchgehend Wachstum auf . Durch Wachstumsraten von
        im Mittel 5 Prozent über die vergangenen zehn Jahre –
        ein Spitzenwert in Europa – konnte Albanien sein Ein-
        kommensniveau stabilisieren und sogar erhöhen . Zuletzt
        ist jedoch wieder Ernüchterung eingekehrt: Im Zuge der
        europäischen Schuldenkrise und regionaler Stagnation
        sank auch in Albanien das Wachstum von 6 Prozent – im
        Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2010 – auf 1,1 Prozent
        2013 . Nach knapp 2 Prozent 2014 wird das Wachstum für
        2015 mit 2,7 Prozent angegeben .
        Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf über das
        Abkommen vom 23 . September zwischen der Bundes-
        republik Deutschland und der Republik Albanien tragen
        wir zum einen dafür Sorge, dass im anderen Vertragsstaat
        erarbeitete Rentenansprüche anerkannt werden, zum an-
        deren unterstützen wir die wirtschaftlichen Beziehungen
        zwischen unseren beiden Staaten .
        Was bedeutet das konkret: Das Abkommen bestimmt,
        dass für Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber grundsätz-
        lich die Rechtsvorschriften desjenigen Staates gelten, in
        dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird . Um
        sicherzustellen, dass lediglich vorübergehend im anderen
        Staat eingesetzte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
        im sozialen Sicherungssystem ihres bisherigen Beschäf-
        tigungsstaates integriert bleiben können, bietet dieses
        Abkommen eine zugeschnittene Lösung für die beteilig-
        ten Personen an . Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
        können bis zu 24 Monate in dem anderen Vertragsstaat
        arbeiten, ohne aus ihrem vertrauten Sozialversicherungs-
        system auszutreten . Diese Regelung erleichtert es für
        deutsche Unternehmen, Fachpersonal für ein Arbeitsver-
        hältnis in Albanien zu gewinnen . Mit diesem Fachperso-
        nal können Investitionen getätigt werden und zeitgleich
        Personal vor Ort ausgebildet werden .
        Mit Investitionen im unteren zweistelligen Millionen-
        bereich ist Deutschland jetzt schon sechstgrößter Inves-
        tor in Albanien . Auf diesem Ergebnis lässt sich aufbauen,
        so wie auf das bisherige deutsche Engagement in Albani-
        en . Die Schwerpunkte liegen im Kreditwesen, Transport
        und Logistik, Einzelhandel, Mobilfunk, Textilbereich,
        Kfz-Handel und -wartung, in Produktion und Vertrieb
        chemischer und pharmazeutischer Produkte sowie der
        Produktion von Kabelbäumen . Die größten deutschen
        Direktinvestitionen sind der Flughafen Tirana und Tele-
        kom Albania .
        Die Europäische Kommission stellt in ihrem Bericht
        vom 22 . April 2016 zu Recht zahlreiche Probleme wie
        zum Beispiel Korruption und organisierte Kriminali-
        tät fest . Aus diesem Grund ist nachvollziehbar, dass ein
        Beitritt Albaniens in die Europäische Union in naher Zu-
        kunft nicht bevorstehen kann . Jedoch gerade deshalb ist
        es umso wichtiger, enge Beziehungen sowohl auf wirt-
        schaftlicher als auch auf Sozialstaatsebene zu Albanien
        zu unterhalten und den Kampf gegen Korruption zu un-
        terstützen . Auch wenn ich mir keine Wiederholung der
        „Schmach von Tirana“ bei der diesjährigen Europameis-
        terschaft in Frankreich wünsche, ist die Teilnahme Alba-
        niens vielleicht ein gutes Zeichen, dass Albanien nicht
        nur im Fußball den Anschluss an die europäische Spitze
        findet. 
        Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Am 23 . Sep-
        tember vergangenen Jahres wurde in Tirana das Abkom-
        men über Soziale Sicherheit mit der Republik Albanien
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16545
        (A) (C)
        (B) (D)
        unterzeichnet . Mit der heutigen abschließenden Beratung
        des entsprechenden Gesetzentwurfs schaffen wir die
        Grundlage für das Inkrafttreten des Abkommens .
        Die  wirtschaftliche  Verflechtung  innerhalb  Europas 
        und weltweit nimmt immer weiter zu . Es ist deshalb
        nur konsequent und selbstverständlich, dass die soziale
        Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten, die in den jeweili-
        gen Vertragsstaat entsandt werden, ebenso Berücksichti-
        gung findet. Die Linke begrüßt den Abschluss dieses und 
        weiterer Sozialversicherungsabkommen ausdrücklich,
        solange die Beschäftigten der jeweiligen Vertragsstaaten
        gleichermaßen profitieren. Dies muss insbesondere auch 
        in Bezug auf die Wahrung der Arbeitsrechte und Entgelte
        der Beschäftigten gelten .
        Ziel des Abkommens ist eine Koordinierung der Ren-
        tenversicherungssysteme beider Länder auf Grundlage
        der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung der Staats-
        angehörigen beider Seiten . Grundsätzlich soll immer das
        Rentenversicherungssystem des Landes gelten, in dem
        die Beschäftigung ausgeübt wird . Entstandene Renten-
        ansprüche werden dann entsprechend der in den Län-
        dern erlangten Versicherungszeiten vom jeweiligen Staat
        auch im anderen Land ausgezahlt . Damit müssen Arbeit-
        nehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den jeweiligen
        Vertragsstaat entsandt wurden, in Zukunft nicht mehr
        befürchten, dass sie aufgrund des Erwerbs von Versiche-
        rungszeiten in zwei unterschiedlichen Rentensystemen
        einen Nachteil erfahren . Im Übrigen: Dies erleichtert
        auch die Arbeit der Sozialversicherungsträger und redu-
        ziert den Verwaltungsaufwand .
        Hinter all diesen konkreten Erleichterungen steht
        auch ein grundsätzliches Prinzip: Vom Abkommen er-
        fasste Personen werden rentenrechtlich in Deutschland
        und in Albanien mit den jeweiligen Staatsangehörigen
        gleichgestellt und damit auch gleichbehandelt . Das ist
        ein wichtiges und richtiges Prinzip . Zugleich sei der Hin-
        weis erlaubt, dass es hierbei nicht nur um die eigenen
        wirtschaftlichen Vorteile gehen darf . Im Klartext: keine
        billigen Facharbeiterinnen und Facharbeiter für die hei-
        mische Wirtschaft, um etwa in bestimmten Branchen den
        Fachkräftemangel auszugleichen .
        Geht man auf die Internetpräsenz der deutschen Bot-
        schaft  in Albanien, findet man dort Stichworte  für eine 
        Erklärung an Medienvertreter und -vertreterinnen durch
        den deutschen Botschafter Herrn Hellmut Hoffmann .
        Dort heißt es sinngemäß, die Arbeitsaufnahme in
        Deutschland gehe nicht über einen Asylantrag; dies sei
        aussichtslos.  Dagegen  seien  qualifizierte  Fachkräfte  in 
        Bereichen mit hohem Bedarf willkommen . Dafür sei eine
        gute Ausbildung erforderlich, Deutschkenntnisse seien
        hilfreich . In das gleiche Horn blies übrigens auch Bun-
        deskanzlerin Merkel bei ihrem Staatsbesuch in Tirana im
        Juli 2015: „Wir sind uns einig, dass Albanien kein Land
        ist, aus dem Asylanträge anerkannt werden .“ Albanien
        könne aber ein Land sein, aus dem Menschen legal nach
        Deutschland zum Arbeiten kämen . In einigen Branchen
        herrsche in Deutschland Fachkräftemangel .
        Mit diesen Aussagen des deutschen Botschafters und
        der Bundeskanzlerin wird deutlich: Es geht ganz offen-
        sichtlich allein um die reine Verwertungslogik, um die
        Nutzung albanischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
        mer für den deutschen Arbeitsmarkt . Wenn aber nicht
        nur wir, sondern auch andere Staaten der Europäischen
        Union massenhaft Fachkräfte aus Albanien anwerben,
        dann kommt dieses Land mit einem Pro-Kopf-Einkom-
        men von 3 360 Euro – wohlgemerkt: im Jahr – nie auf
        die Beine!
        Und dennoch: Wie ich bereits am Anfang meiner Rede
        ausgeführt habe, begrüßen wir den Abschluss dieses So-
        zialversicherungsabkommens . Im Januar dieses Jahres
        gingen fast 17 500 Albaner und Albanerinnen in Deutsch-
        land einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung 
        nach . Dass diese Menschen jetzt unter den Schutz der
        gesetzlichen Rentenversicherung fallen, ist konsequent,
        und deshalb werden wir dem Antrag zustimmen .
        Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        Sozialschutz muss mit der Dynamik der wirtschaftlichen
        Globalisierung Schritt halten . Aus diesem Grund wird
        das vorliegende Sozialversicherungsabkommen mit der
        Republik Albanien von uns begrüßt . Seit Anfang 2014 ist
        Albanien  offizieller  Beitrittskandidat  der  Europäischen 
        Union und bereits jetzt wirtschaftlich eng mit der Euro-
        päischen Union verbunden . So gingen im vergangenen
        Jahr drei Viertel der Exporte in die europäischen Staaten .
        Auch Deutschland zählt zu den wichtigsten Handelspart-
        nern von Albanien . 2015 beliefen sich die Exporte nach
        Deutschland auf einen Umfang von rund 54 Millionen
        Euro, während die Importe ein Volumen von 260 Milli-
        onen Euro erreichten . Nach Auskunft des Auswärtigen
        Amts erfolgen deutsche Neuinvestitionen in verschie-
        denste Bereiche der Wirtschaft: in das Kreditwesen, in
        Transport und Logistik, in den Einzelhandel oder in die
        Produktion chemischer und pharmazeutischer Produkte .
        Die größten deutschen Einzelprojekte in Albanien sind
        der Flughafen Tirana und die Telekom Albania . Deutsch-
        land zählt schon heute zu einem der größten ausländi-
        schen Investoren im Land . Mit der stärkeren Anbindung
        Albaniens an die Europäische Union wird diese Entwick-
        lung auch für Deutschland noch weiter verstärkt werden .
        Das hier vorliegende Abkommen folgt diesen Ent-
        wicklungen und regelt die Beziehungen der beiden Staa-
        ten im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung .
        Werden etwa in Deutschland beschäftigte Arbeitneh-
        merinnen und Arbeitnehmer nach Albanien entsandt,
        werden sie mit diesem Abkommen von der dortigen Ren-
        tenversicherungspflicht befreit. Dies gilt selbstverständ-
        lich auch für den spiegelbildlichen Fall . Kostenintensive
        Doppelversicherungspflichten werden fortan vermieden, 
        und der Schutz der Rentenversicherung im jeweiligen
        Herkunftsland bleibt somit bestehen .
        Das Abkommen hat bereits mehrere Vorgänger . So
        hat Deutschland mit einer Reihe von Ländern zweisei-
        tige Sozialversicherungsabkommen geschlossen . Dazu
        gehören Staaten wie die USA und Brasilien, aber auch
        kleinere Länder wie Montenegro und Mazedonien oder
        zuletzt die Philippinen . Im Grundsatz geht es bei allen
        Abkommen um den Erwerb von Rentenansprüchen und
        die Zahlung von Renten in den jeweiligen Staaten . Es
        geht also um die Vorsorge für das Alter . Wer zeitlich be-
        grenzt im Ausland arbeitet, aus welchen Gründen auch
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616546
        (A) (C)
        (B) (D)
        immer, soll später, wenn es um seine Rente geht, keine
        Nachteile erleiden .
        Anlage 16
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung
        des Rechts der Unterbringung in einem psychiat-
        rischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetz-
        buches und zur Änderung anderer Vorschriften
        (Tagesordnungspunkt 20)
        Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit der Verabschie-
        dung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der
        Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
        verstoßen wir gegen das „Struck’sche Gesetz“; denn das
        Gesetz wird den Bundestag nach der zweiten und drit-
        ten Lesung so verlassen, wie es von der Bundesregierung
        in das Parlament eingebracht worden ist . Das hat nichts
        damit zu tun, dass die Koalitionsfraktionen – wie es ein
        Oppositionsvertreter im Rechtsausschuss gesagt hat –
        keine Lust mehr zur Gesetzgebungsarbeit gehabt hät-
        ten, sondern damit, dass diesem Gesetzgebungsentwurf
        eine sehr intensive und umfassende Vorarbeit zugrunde
        liegt . Schließlich bauen wir mit dem Gesetzentwurf auf
        die sehr konstruktiven Vorschläge der Bund-Länder-Ar-
        beitsgruppe zum Recht der Unterbringung auf, die im
        März 2014 gebildet wurde .
        Dieser Gesetzentwurf setzt die normativen Rahmen-
        bedingungen für einen schwierigen Abwägungsprozess
        zwischen den Schutzinteressen von potenziellen Opfern
        und den Freiheitsinteressen von gefährlichen Straftätern .
        Es kann nicht per se das Ziel des Gesetzes sein, die Zahl
        der in psychiatrischen Krankenhäusern Untergebrachten
        zu reduzieren . Es muss darum gehen, die Prognose zur
        Gefährlichkeit psychisch kranker Rechtsbrecher zu prä-
        zisieren .
        Ich habe bereits aus Anlass der Debatte zur ersten
        Lesung dieses Gesetzes die höheren Anforderungen an
        eine stationäre Unterbringung eines als gefährlich ein-
        gestuften Rechtsbrechers ausführlich dargelegt . Dies gilt
        insbesondere für die Schwelle der Erheblichkeit und die
        Darlegungspflicht, wenn aus nicht erheblichen Anlassta-
        ten trotzdem auf eine positive Gefährlichkeitsprognose
        des Täters geschlossen wird .
        Ich will mich im Rahmen meiner Rede deshalb mit
        den Vorschlägen und Kritikpunkten zum Gesetzentwurf
        der Bundesregierung befassen . Zunächst einmal gilt fest-
        zuhalten, dass die Zustimmung zum Gesetzentwurf in
        der öffentlichen Anhörung sehr groß war . Ein Sachver-
        ständiger hat mit Blick auf die Praxis gefordert, dass die
        Gerichte sozusagen eine Öffnungsklausel erhalten, die
        dafür sorgt, die Anforderungen an die Anlasstaten nicht
        abschließend zu regeln . Er hat das Beispiel eines Straftä-
        ters erwähnt, der wegen einer schizophrenen Psychose
        mehrfach die kunsthistorisch wertvollen Fenster eines
        Domes zerstört hat . Obwohl die entsprechende Kammer
        die Anlassdelikte nur als gemeinschädliche Sachbeschä-
        digung subsumiert hat, ordnete sie die stationäre Unter-
        bringung des Beschuldigten an, weil auch ideelle Schä-
        den zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führen
        könnten .
        Die Koalitionsfraktionen vermögen sich dieser Argu-
        mentation nicht anzuschließen . Erstens dürfte in diesem
        Fall der wirtschaftliche Schaden schon über 5 000 Euro
        gelegen haben und damit ohnehin eine Unterbringung
        auch nach zukünftiger Rechtslage nicht ausgeschlossen
        sein . Wäre es aber anders, dann ist andererseits eine Un-
        terbringung auch nicht mehr verhältnismäßig . Es würde
        das zentrale Ziel des neuen Gesetzes geradezu unterlau-
        fen, wenn man durch eine Öffnungsklausel die strikten
        Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
        wieder aufweichen würde .
        Gleichzeitig ist jedoch auch völlig überzogen, wenn
        die Oppositionsparteien einen Vorrang für eine ambulan-
        te Therapie fordern und dabei ausdrücklich auch bereit
        sind, Gefährdungen für potenzielle Opfer hinzunehmen .
        Für die CDU/CSU hat der Opferschutz keine nachran-
        gige Bedeutung hinter den Freiheitsinteressen des psy-
        chisch kranken Rechtsbrechers . Vielmehr ist der Schutz-
        gedanke gerade der Sinn und Zweck des § 63 StGB .
        Dementsprechend muss sich die Dauer der Unterbrin-
        gung auch nicht am Unwert der Anlasstat orientieren,
        sondern an der Prognose der Gefährlichkeit des Täters
        für die Gesellschaft . Hierbei kommen dann die vielfälti-
        gen Maßnahmen zum Tragen, die bei der Entscheidung
        über die Unterbringung für die Einhaltung des Verhält-
        nismäßigkeitsgrundsatzes sorgen sollen . Dabei soll noch-
        mals hervorgehoben werden, dass die Anforderungen an
        die Gutachter und die Gutachtenpraxis deutlich optimiert
        worden sind . Die Prüfungsintensität wird verstärkt, und
        es werden häufiger externe Gutachter einbezogen. Da es 
        der Praxis  in den Ländern entspricht, Pflichtverteidiger 
        hinzuzuziehen, war eine besondere Regelung dafür nicht
        notwendig .
        Erstaunlich ist es, dass ausgerechnet die Grünen die
        Qualität der Unterbringung kritisiert haben . Das ist Sa-
        che der Länder, und in vielen Ländern regieren die Grü-
        nen mittlerweile mit, es gibt grüne Justizminister und
        -senatoren, und insoweit würde ich den Kollegen der
        Grünen raten, ihre Verbesserungsvorschläge an die grü-
        nen Kollegen in den Ländern weiterzugeben .
        Intensiv haben wir uns auch mit der Frage auseinan-
        dergesetzt, ob die Prüfung der Notwendigkeit der Unter-
        bringung unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen
        sollte . Hier sind wir zu der Überzeugung gekommen,
        dass dem Gesichtspunkte des Persönlichkeitsrechts und
        des Datenschutzes entgegenstehen . Insgesamt ist festzu-
        halten, dass wir mit diesem Gesetz auch die notwendigen
        Konsequenzen aus der öffentlichen Debatte über Fälle
        ziehen, in denen wohl in der Tat eine Unterbringung in
        einem psychiatrischen Krankenhaus zu lange gedauert
        hat und die Tätigkeit der Gutachter berechtigterweise
        zu kritisieren ist . Mit dem Gesetz wird aber weiterhin
        auch für einen umfassenden Schutz der Gesellschaft vor
        psychisch kranken Rechtsbrechern gesorgt . Das sind wir
        potenziellen Opfern schuldig; denn auch sie haben das
        Recht, frei und ohne Angst zu leben .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16547
        (A) (C)
        (B) (D)
        Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): In den vergangenen
        Jahren konnte ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der
        Personen verzeichnet werden, die gemäß § 63 StGB in
        einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wur-
        den . Dazu ist ein Anstieg der durchschnittlichen Unter-
        bringungsdauern zu beobachten, ohne dass es konkrete
        Belege für einen parallelen Anstieg der Gefährlichkeit
        der Untergebrachten gibt . Eine Reform des § 63 StGB
        ist folglich dringend gegeben, da das deutsche Strafrecht
        als Rechtsfolge für ein strafbares Verhalten grundsätzlich
        nur zwei Hauptstrafen kennt: die Freiheitsstrafe und die
        Geldstrafe .
        Eine Strafe bezweckt nach der Vereinigungslehre den
        Gedanken der Spezialprävention, der Generalpräven-
        tion und der Vergeltung . Die konkrete Strafe wird im
        Einzelfall nach diesen Kriterien bestimmt, wobei eine
        verschiedentliche Gewichtung vorgenommen wird . Im
        Jugendstrafrecht kommt der spezialpräventive Gedanke
        besonders zur Anwendung und schließt besonders harte
        Strafen aus . Die Höchstfreiheitsstrafe beträgt hier bei-
        spielsweise nur zehn Jahre .
        Einen anderen Zweck als Strafen hingegen verfolgen
        Maßregeln . Zum Schutz vor gefährlichen Straftätern und
        zu deren Besserung können Maßregeln angeordnet wer-
        den . Es kommt auf eine positive Gefährlichkeitsprognose
        an, die den Täter als wahrscheinlich gefährlich einstuft .
        Es handelt sich um keine Strafe, die am Schuldprinzip zu
        messen ist . Vielmehr schließen sich Strafe und Maßregel
        durch ihre unterschiedlichen Zwecke nicht aus . Die Maß-
        regeln können daher unabhängig von der Schuldfähigkeit
        angeordnet werden . Bei Verkehrsstraftaten wegen alko-
        holbedingter Fahruntüchtigkeit beispielsweise wird ne-
        ben einer Strafe regelmäßig die Fahrerlaubnis entzogen .
        Als Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat sieht das
        Gesetz in § 61 StGB folgende Maßregeln vor: Unterbrin-
        gung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Unterbrin-
        gung in einer Entziehungsanstalt, Unterbringung in der
        Sicherungsverwahrung, Führungsaufsicht, Entziehung
        der Fahrerlaubnis oder Berufsverbot, wobei die ersten
        drei freiheitsentziehende Maßregeln sind . Gemäß § 67
        Absatz 1 StGB soll die Maßregel vor einer Freiheitsstrafe
        vollzogen werden .
        Der hier behandelte Gesetzentwurf bezieht sich ins-
        besondere auf eine freiheitsentziehende Maßregel, die
        Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
        nach § 63 StGB . Im Wesentlichen behandeln wir hier drei
        Komplexe zum Maßregelvollzug .
        Erstens . Die Änderungen zur Unterbringung nach
        § 63 StGB und deren Fortdauer . Die eingebrachte Neu-
        regelung des § 63 StGB konkretisiert durch eine Ergän-
        zung in Satz 1 und einen neu hinzukommenden Satz 2 die
        Anordnungsvoraussetzungen der Unterbringung in ei-
        nem psychiatrischen Krankenhaus durch eine Fokussie-
        rung auf gravierende Fälle. Gravierende Fälle finden sich 
        dann, wenn das Opfer seelisch oder körperlich erheblich
        geschädigt oder erheblich gefährdet oder schwerer wirt-
        schaftlicher Schaden angerichtet wurde . Darüber hinaus
        kann das Gericht eine solche Maßregel nur anordnen,
        wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen,
        dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebli-
        che rechtswidrige Taten begehen wird .
        Nach § 67d Absatz 6 StGB soll künftig eine zeitliche
        Begrenzung der Unterbringung bei weniger schwerwie-
        genden Gefahren vorgenommen werden . Die Obergrenze
        der Unterbringung liegt dann bei sechs bzw . zehn Jahren .
        Flankierend erfolgen Änderungen in § 463 StPO hin-
        sichtlich der Begutachtung bei der prognostischen Unter-
        suchung . Die Regelung betrifft gutachterliche Stellung-
        nahmen, die nun immer von der Unterbringungsanstalt
        einzuholen sind, die Wahl eines Gutachters, der nun aus-
        drücklich nicht mehr der bisherige Sachverständige sein
        darf, und die Zeitintervalle von Begutachtungen . Den-
        noch ist zu bemerken, dass bestehende Schwierigkeiten,
        etwa bei der Nachvollziehbarkeit der Wahl des Gutach-
        ters und der Nachprüfbarkeit der Ergebnisse sowie der
        Festlegung der Zeitintervalle, auch weiterhin bestehen
        bleiben . Insofern kann der Gesetzentwurf als ein wich-
        tiger Schritt in die richtige Richtung verstanden werden .
        Es bleibt darüber hinaus jedoch außer Zweifel, dass es
        trotz aller berechtigten Kritikpunkte zur gutachterlichen
        Stellungnahme keine wirksame Alternative gibt .
        Zweitens . Die Umsetzung der Vorgaben des Beschlus-
        ses des Bundesverfassungsgerichts . Das Bundesverfas-
        sungsgericht hat durch Beschluss vom 27 . März 2012
        (2 BvR 2258/09) die Vorschrift des § 67 Absatz 4 StGB
        als teilweise unvereinbar mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2
        des Grundgesetzes erklärt . Die Vorschrift lautet zurzeit:
        „Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe
        vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel
        auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe er-
        ledigt sind .“
        Die Verfassungswidrigkeit gilt für die Fälle, in denen
        die Anrechnung nur auf die zugleich mit der Maßregel
        verhängte Strafe möglich ist und eine Anrechnung auf
        verfahrensfremde Strafhaft ausnahmslos ausgeschlossen
        ist . Dies bezieht sich insbesondere auf die Gesamtstra-
        fenbildung für verfahrensfremde Freiheitsstrafen . Der
        Entscheidung liegt das Prinzip zugrunde, dass in die
        Freiheitsrechte des Betroffenen nicht mehr als notwen-
        dig eingegriffen werden darf . Das Bundesverfassungs-
        gericht hat als Übergangsanordnung vorgegeben, dass in
        Härtefällen eine Anrechnung auch auf verfahrensfremde
        Strafhaft zu erfolgen hat . Zur Umsetzung der Vorgaben
        des Bundesverfassungsgerichts erfolgt die zusätzliche
        Vorschrift des § 67 Absatz 6 StGB .
        Drittens . Eine Höchstfrist bei der Unterbringung in
        einer Entziehungsanstalt . Aufgrund einer divergierenden
        Rechtsprechung erfolgt im vorliegenden Gesetzentwurf
        eine Klarstellung zur voraussichtlichen Dauer einer er-
        folgversprechenden Behandlung bei Unterbringung in
        einer Entziehungsanstalt: Die Höchstfrist der Unterbrin-
        gung in einer Entziehungsanstalt geht über zwei Jahren
        hinaus, wenn eine begleitende Freiheitsstrafe vollstreckt
        wird .
        Abschließend ist festzustellen, dass die Bundesregie-
        rung mit dem eingebrachten Gesetzentwurf nicht nur
        ein unbeliebtes und schwieriges Thema angeht, sondern
        auch ein erhebliches Mehr an Klarheit, Rechtssicherheit
        und Verfassungskonformität schafft, was aus Sicht des
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616548
        (A) (C)
        (B) (D)
        Deutschen Bundestages sehr zu begrüßen ist . Dieser Ge-
        setzentwurf kann als wesentlicher Schritt in die richtige
        Richtung verstanden werden, dem nun weitere folgen
        müssen . Nicht nur im Bereich der Begutachtung, wie
        kurz ausgeführt, auch im Verständnis des strafgesetzli-
        chen Gesamtkontextes ist der Ansatz der Bundesregie-
        rung wegweisend .
        Dirk Wiese (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf
        bietet ein wirklich hervorragendes Beispiel für die gute
        Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern . Das Bun-
        desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat
        auf Bitten der Konferenz der Justizministerinnen und
        Justizminister der Länder im Februar 2014 eine interdis-
        ziplinär besetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt,
        um zu prüfen, inwieweit das Recht der Unterbringung
        nach § 63 StGB einer stärkeren Ausrichtung am verfas-
        sungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit be-
        darf .
        Anlass hierfür gab die stetig steigende Anzahl von
        Unterbringungen in psychiatrischen Krankenhäusern
        mit einer stetig steigenden Unterbringungsdauer, wobei
        es keine konkreten wissenschaftlichen Belege für einen
        parallelen Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrach-
        ten gibt . Darüber hinaus wurden durch die Medien Fälle
        bekannt, die auf Missstände bei der Einweisung und vor
        allem bei der stetigen Begutachtung der Eingewiesenen
        hinweisen .
        Die mit Vertretern der Landesjustizverwaltungen, der
        AG Psychiatrie der Länder sowie des Bundesministe-
        riums für Gesundheit besetzte Arbeitsgruppe nahm am
        14 . März 2014 ihre Arbeit auf . Die in fünf Sitzungen er-
        arbeiteten Ergebnisse werden mit diesem heute zu verab-
        schiedenden Gesetzentwurf umgesetzt. Zusätzlich fließt 
        eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den
        Gesetzentwurf mit ein, durch die § 67 Absatz 4 StGB
        für insoweit als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar
        erklärt wurde, als § 67 Absatz 4 StGB es ausnahmslos
        ausschließt, die Zeit des Vollzugs einer freiheitsentzie-
        henden Maßregel der Besserung und Sicherung auf „ver-
        fahrensfremde“ Freiheitsstrafen anzurechnen .
        Kern der Gesetzesinitiative ist es, die Anforderungen
        an die Fortdauer der langjährigen Unterbringung zu kon-
        kretisieren und die prozessualen Sicherungen zu stärken,
        um unverhältnismäßig lange Unterbringungen zu ver-
        meiden . Betonen möchte ich hier, dass die Vermeidung
        von unverhältnismäßig langen Unterbringungen nicht
        zwangsweise eine Senkung des Schutzes der Allgemein-
        heit vor Straftätern zur Folge hat . Gewalt- oder Sexual-
        straftäter, bei denen die Gefahr besteht, dass sie aufgrund
        ihres Zustandes auch zukünftig erhebliche Straftaten
        begehen, durch welche die potenziellen Opfer seelisch
        oder körperlich schwer geschädigt werden, werden zum
        Schutz der Allgemeinheit weiterhin unbefristet unterge-
        bracht werden können .
        Es geht vielmehr darum, unverhältnismäßige Fälle zu
        vermeiden, die wir auch aus den Medien kennen, also
        entweder Fälle, in denen Menschen zu wenig rechtliches
        Gehör geschenkt wird, also die Begutachtungsabstän-
        de bislang viel zu groß waren und diese sich deshalb in
        Unterbringung befinden, obwohl kein Grund mehr dazu 
        besteht, oder auch Fälle, in denen die Einweisung unver-
        hältnismäßig ist, da die Tat nicht schwer genug wiegt,
        etwa Fälle des Schwarzfahrens . Künftig müssen also bei
        Vermögensdelikten solche Taten zu erwarten sein, durch
        welche „schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet
        wird“ . Die Schwere des Schadens ist dabei an einem ob-
        jektiven Maßstab zu messen, insbesondere der materiel-
        len Lebenshaltung des Durchschnittsbürgers . Die Zeiten,
        in denen Schadenswerte von 100 Euro zu Unterbringun-
        gen führten, sind damit vorbei .
        Lassen Sie mich kurz die neuen Regelungen der Un-
        terbringungsdauer und Begutachtung erläutern . Eine
        Fortdauer der Unterbringung über sechs Jahre wird
        grundsätzlich nur noch möglich sein, wenn Taten drohen,
        durch die die Opfer körperlich oder seelisch „schwer“ ge-
        schädigt werden oder in die Gefahr einer schweren see-
        lischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden .
        Somit reicht die bloße Gefahr ausschließlich wirtschaft-
        licher Schäden für eine Unterbringung über sechs Jahre
        hinaus grundsätzlich nicht mehr aus . Die Unterbringung
        über zehn Jahre hinaus soll schließlich nur noch möglich
        sein bei der Gefahr von Taten, durch welche die Opfer
        seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden . Hier
        ist die Regelung adäquat zur Sicherheitsverwahrung ge-
        fasst .
        Auch die regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der
        Unterbringung wird optimiert . Bei jeder jährlichen Über-
        prüfung bedarf es künftig einer gutachterlichen Stellung-
        nahme der Klinik . Darüber hinaus wird die Notwendig-
        keit eines externen Gutachtens von fünf auf drei Jahre
        und für Unterbringungen ab sechs Jahren auf zwei Jahre
        erhöht werden . Der externe Gutachter darf außerdem
        grundsätzlich nicht das jeweils vorangegangene Gutach-
        ten erstellt haben . Hiermit begegnen wir der Gefahr der
        sich selbst bestätigenden Routinebegutachtungen . Abge-
        rundet werden diese Neuerungen durch eine zwingende
        mündliche Anhörung des Untergebrachten, auch bei der
        Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung .
        Sie sehen, insgesamt bringt der Gesetzentwurf maß-
        volle Änderungen, die den Anforderungen des Bundes-
        verfassungsgerichts an den Grundsatz der Verhältnismä-
        ßigkeit im Maßregelrecht entsprechen . Das berechtigte
        Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vor psychisch ge-
        störten Straftätern bleibt gewahrt, indem der Gesetzent-
        wurf eine gute Balance zwischen Freiheitsinteressen und
        Sicherheitsinteressen schafft .
        Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Und wieder hat die
        Koalition Chancen vertan . Im Grunde könnten sich alle
        Redner auf ihre Reden zur ersten Lesung beziehen, da
        sich das Gesetz entgegen der Struck’schen Formel seit
        dem Einbringen ins Parlament bis heute nicht geändert
        hat . Trotz einer vom Ausschuss durchgeführten Anhö-
        rung bleibt der dort eingebrachte Sachverstand außen
        vor . Möglicherweise hätte man die noch nötigen Ände-
        rungen im Ergebnis eines erweiterten Berichterstatter-
        gesprächs in das Gesetz einarbeiten können . Aber von
        dieser Möglichkeit hat die Koalition keinen Gebrauch
        gemacht . Chance vertan!
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16549
        (A) (C)
        (B) (D)
        Die Änderungen, Ergänzungen und sonstigen Ver-
        besserungen dieses Gesetzes, welche von den Sach-
        verständigen ganz überwiegend einmütig, aber immer
        mehrheitlich vorgeschlagen wurden, hat die Linke des-
        halb in ihren Entschließungsantrag aufgenommen . Eine
        Änderung seitens der Koalition ist leider ausgeblieben .
        Selbst im Ausschuss, als die Linke der Koalition auf-
        grund des offenbar noch bestehenden Beratungsbedarfs
        eine Auszeit gewähren wollte, um über die erforderlichen
        Änderungen nachzudenken, wurde diese Chance von der
        Koalition ausgeschlagen . Wie gesagt: vertane Chancen .
        Der Vorschlag der Fraktion Die Linke, den Anwen-
        dungsbereich ausschließlich auf schuldunfähige Per-
        sonen zu beschränken, wurde nicht beachtet . Bedingt
        schuldfähige Personen sollten aus dem Anwendungsbe-
        reich herausgenommen werden . Dies würde – und das
        ist schon in der ersten Lesung betont worden – auch Fol-
        geprobleme bei der Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67
        StGB) verhindern . Chance vertan!
        Weiter gibt es nach wie vor keine Beschränkung bei
        Anlass- und Prognosetat im Rahmen des § 63 StGB .
        Diese sollten auf schwere Gewalt- und Sexualdelikte
        beschränkt werden und ein entsprechender Straftatenka-
        talog im § 63 StGB aufgenommen werden . So wurde es
        auch in der Sachverständigenanhörung gefordert . Wirt-
        schaftskriminalität sollte aus Verhältnismäßigkeitsgrün-
        den außen vor bleiben . Eine Unterbringung nach § 63
        StGB darf nur Ultima Ratio sein .
        Die Begründung der Koalition, dass auch schweren
        Eigentumsdelikten Gewalt- oder Sexualdelikte folgen
        können, überzeugt nicht, zeigt aber, welcher Geist die
        Köpfe der Koalition nach wie vor beherrscht: Vermögen
        und Eigentum ist höherrangig als die grundrechtlich ga-
        rantierte Freiheit des Einzelnen . Dabei muss man immer
        berücksichtigen, dass es sich um Menschen handelt, wel-
        che schuldlos gehandelt haben oder vermindert schuld-
        fähig waren .
        Auch die Forderung aller Sachverständiger, in allen
        Vollstreckungs- und Vollzugsangelegenheiten im Zusam-
        menhang mit einer Unterbringung in einem psychiatri-
        schen Krankenhaus dem Betroffenen einen Rechtsanwalt
        als notwendigen Verteidiger entsprechend § 140 StPO
        zur Seite zu stellen, fand bei der Koalition kein Gehör –
        und das, wie im Ausschuss argumentiert worden ist, aus
        Kostengründen . Auch hier kommt der wirtschaftliche
        Vorrang vor Grundrechten deutlich zutage . Die Regie-
        rungskoalition widerlegt sich selbst, wenn sie behauptet,
        eine notwendige Verteidigung erfolge schon jetzt . Dann
        kann sie nicht Kostengründe vorschieben, um die Bei-
        ordnung eines Verteidigers abzulehnen .
        Auch die Chance, im Rahmen einer Änderung der
        §§ 462 und 454 StPO der Beschwerde der Staatsanwalt-
        schaft gegen eine richterliche Entscheidung die aufschie-
        bende Wirkung zu versagen, wurde vertan! Genauso
        hätte der Kreis der Sachverständigen, welche bei der Ent-
        scheidung zur Fortdauer der Unterbringung gutachterlich
        herangezogen werden, auf Kriminologen und Pädagogen
        erweitert werden können, zumal gerade hinsichtlich einer
        Prognose aus Sicht der Fraktion Die Linke Kriminologen
        wichtig sind . Auch diesbezüglich hat sich nichts getan .
        Nun muss auch Die Linke gleichwohl anerkennen,
        dass der Gesetzentwurf tatsächlich Verbesserungen im
        Bereich des Rechts der Unterbringung in einem psych-
        iatrischen Krankenhaus enthält . Auf diese Verbesserun-
        gen hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung bei weniger
        schwerwiegenden Gefahren durch die Konkretisierung
        der Anforderung der Fortdauer der Unterbringung über
        sechs und zehn Jahre hinaus, brauche ich nicht dezidiert
        einzugehen, genauso wenig auf die Verkürzung der Fris-
        ten zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, da
        die positiven Aspekte, welche die Linke durchaus be-
        grüßt, von meinen Kollegen der Koalition mit Sicherheit
        lang und breit erläutert worden sind . Aber diese hätten
        deutlich besser ausfallen müssen .
        Aufgrund der oben geschilderten Umstände, der Ver-
        weigerung der Koalition, den externen Sachverstand in
        das Gesetz einfließen zu lassen, kann die Linke dem Ge-
        setz nicht zustimmen . Mehr als eine Enthaltung ist hier
        nicht drin .
        Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Es wird Zeit, dass wir als Gesetzgeber handeln
        und die Voraussetzungen für die Unterbringung wegen
        Schuld unfähigkeit nach Begehung einer Straftat ändern .
        Wir sind uns einig: Der § 63 Strafgesetzbuch (StGB) muss
        reformiert werden . Es sitzen viel zu viele Menschen viel
        zu lange in psychiatrischen Anstalten oder Krankenhäu-
        sern – und das häufig zwangsweise, mit Medikamenten 
        sediert gegen ihren Willen . Oft ist es dort schlimmer und
        schwerer zu ertragen als im Gefängnis, und eine solche
        Unterbringung dauert länger, als die Gefängnisstrafe ge-
        dauert hätte, wenn es zu einer Verurteilung als schuldfä-
        hig für das angeklagte Delikt gekommen wäre .
        In der Anhörung im Februar hier im Deutschen Bun-
        destag begrüßten die Sachverständigen grundsätzlich,
        dass die Bundesregierung eine Neuregelung zur Unter-
        bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorlegt .
        Das sehen wir grundsätzlich auch so . In dieser Anhö-
        rung wurde aber auch deutlich, dass mehr notwendig
        ist, als in dem Gesetzesvorschlag steht . Wir meinen: Ein
        Paradigmenwechsel muss her . Leider haben die Regie-
        rungsfraktionen darüber nicht einmal ernsthaft mit uns
        geredet . Deshalb haben wir unsere Vorstellungen in einen
        Entschließungsantrag geschrieben, der hier heute Abend
        ebenfalls zur Abstimmung steht .
        Wir sehen auch, dass Straftäter, die von Medizinern
        für schuldunfähig bei der Begehung der Tat erklärt wur-
        den, nicht alleingelassen, sondern meist betreut und be-
        handelt werden müssen – gerade auch im Interesse der
        Opfer der Taten . Aber diese Betreuung muss nicht immer
        stationär erfolgen . Wir wollen den Maßregelvollzug für
        ambulante Behandlungs- und Sicherungsmaßnahmen
        öffnen . Das heißt, ambulante Therapiemöglichkeiten und
        Kontrolleinrichtungen, wie forensische Ambulanzen und
        Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie, müssen endlich
        ausgebaut werden . Eine enge Betreuung in einer Wohn-
        gemeinschaft etwa kann eine bessere Alternative zur
        Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt sein, eine
        Alternative, die dem Betreuten mehr Freiheit lässt, aber
        auch ausreichend Sicherheitsnotwendigkeiten genügt
        und jedenfalls mit viel weniger Geld zu finanzieren ist. 
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616550
        (A) (C)
        (B) (D)
        In Italien beispielsweise ist man auf dem Weg zur ambu-
        lanten Betreuung statt Zwangsunterbringung viel weiter .
        Deshalb sollte in allen Fällen, in denen dies ohne eine
        Gefährdung Einzelner oder der Allgemeinheit möglich
        erscheint, die ambulante Behandlung den Vorzug haben
        und angeordnet werden . Nur so kann eine verfassungsge-
        mäße Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der
        Gesellschaft einerseits und dem Freiheitsentzug Einzel-
        ner andererseits auch in die Realität umgesetzt werden .
        Nur wenn eine Unterbringung in einem psychiatrischen
        Krankenhaus unumgänglich ist, sollte sie angeordnet
        werden . Allerdings ist es nicht mit dem Verhältnismäßig-
        keitsgrundsatz vereinbar, dass eine stationäre Unterbrin-
        gung länger andauert als der Vollzug der Freiheitsstrafe,
        die bei einer strafrechtlichen Verurteilung in Betracht
        gekommen wäre . Die absolute Obergrenze muss das er-
        kennende Gericht im Urteil festlegen . Bei schweren Ge-
        walt- und Sexualdelikten können das – entsprechend der
        zu verhängenden Freiheitsstrafe bei Schuldfähigkeit –
        Höchstdauern von beispielsweise acht oder zehn Jahren
        oder gar lebenslänglich sein . Die tatsächliche Dauer der
        freiheitsentziehenden Unterbringung richtet sich letztlich
        dann gleichwohl nach der Gefährdungsprognose . Perso-
        nen, die nach Ablauf dieser Höchstdauer weiterhin als so
        gefährlich eingeschätzt werden, dass nur eine stationäre
        Unterbringung genügend Sicherheit schafft, würden aber
        nicht etwa unkontrolliert entlassen werden müssen . Sie
        sind, sofern dies zum Schutz der Bevölkerung zwingend
        notwendig ist, dann weiterhin in für diesen Zweck geeig-
        neten Einrichtungen nach Landesrecht unterzubringen .
        Nur würde darüber nicht der Strafrichter urteilen, son-
        dern nach Landesrecht der Zivilrichter .
        Ferner sollte die Unterbringung überhaupt nur in Be-
        tracht kommen bei der Gefährdung von Personen, nicht
        schon dann, wenn die Gefährdung von Sachen zu erwar-
        ten ist . Die Abwägung zwischen der Einschränkung von
        Freiheitsrechten durch Unterbringung und einer Sachbe-
        schädigung sollte zugunsten der Freiheit ausfallen .
        Selbst die Bundesregierung hat zur Kenntnis genom-
        men, dass die Zahl der Menschen, die auf Grundlage
        des § 63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern un-
        tergebracht werden, in den letzten Jahren stetig zuge-
        nommen hat . Ebenso hat die Dauer der Unterbringungen
        zugenommen, ohne – und genauso steht es richtigerwei-
        se auch im Gesetzentwurf aus dem Justizministerium –
        „dass es konkrete Belege für einen parallelen Anstieg
        der Gefährlichkeit der Untergebrachten gibt“ . Insofern
        bin ich enttäuscht, dass die Bundesregierung die guten
        Ansätze, die der Gesetzentwurf enthält, nicht konsequent
        weiterdenkt und eine umfassendere Reform wagt .
        Unser Entschließungsantrag enthält ein Dutzend wei-
        tere Forderungen, den Gesetzentwurf nachzubessern .
        Um einen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen, soll
        eine mündliche Anhörung  und  eine  Pflichtverteidigung 
        bei allen Maßregeln, auch bei der Fortdauerüberprüfung,
        zwingend vorgesehen werden . Jemand, der in der Psy-
        chiatrie untergebracht ist, wird kaum in der Lage sein,
        sich selbst zu verteidigen . Zudem führt die Anwesenheit
        eines Anwalts eher zu einer intensiveren Befassung des
        Gerichts mit einem Sachverhalt und kann zu einer hö-
        heren Akzeptanz bei den Untergebrachten beitragen . Die
        Regierungskoalition hat auf eine ausdrückliche Regelung
        hierzu verzichtet, da Rückmeldungen aus der Praxis er-
        geben hätten, dass eine Pflichtverteidigung ohnehin häu-
        fig angeordnet werde. Dieses Argument überzeugt nicht; 
        denn dann wäre eine gesetzliche Klarstellung hierzu völ-
        lig unschädlich . Aber es wäre sichergestellt, dass diese
        Regelung tatsächlich in allen Fällen greift .
        Vor allem soll das Selbstverständliche geschehen:
        Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) muss
        umgesetzt und beachtet werden . Verschiedene Verbände
        haben auf diesen Mangel hingewiesen . Im Regierungs-
        entwurf fehlt eine Auseinandersetzung mit dieser Kon-
        vention völlig . Großer Reformbedarf besteht auch hin-
        sichtlich der Gutachterbestellung . Der Gesetzentwurf
        sieht erhöhte Anforderungen an (externe) Sachverstän-
        digengutachten bei der Überprüfung der Unterbringung
        vor . Wir haben bereits in der Debatte zur ersten Lesung
        darauf hingewiesen, dass diese nicht ausreichend sind .
        Wir wollen die Kriterien für die Auswahl von Gutachtern
        und Gutachterinnen gesetzlich konkreter vorschreiben .
        Das bezieht sich auf die Grundqualifikation, die Mindest-
        berufserfahrung und erforderliche Zusatzqualifikationen 
        einschließlich Sachkunde über die gemeindeorientierte
        Soziale Psychiatrie mit ihren Strukturen zur sozialen Be-
        wältigung von Gefährlichkeit . Nur so ist wirklich sicher-
        gestellt, dass qualifiziertes Personal mit  entsprechender 
        aktiver praktischer und therapeutischer Erfahrung zur
        Begutachtung herangezogen wird .
        Bei der Abstimmung werden wir mit Enthaltung stim-
        men . Wir wollen damit deutlich machen, dass wir den
        Schritt in die richtige Richtung sehen, der leider nicht
        weit genug geht und wichtige Empfehlungen nicht be-
        rücksichtigt . Die Chance für eine umfassende, dringend
        notwendige Reform wird verpasst .
        Anlage 17
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
        – des von der Bundesregierung eingebrachten
        Entwurfs eines Gesetzes zu dem Straßburger
        Übereinkommen vom 27. September 2012 über
        die Beschränkung der Haftung in der Binnen-
        schifffahrt (CLNI 2012)
        – des von der Bundesregierung eingebrachten
        Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung
        der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiff-
        fahrt
        (Tagesordnungspunkt 21)
        Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Heute beraten
        und beschließen wir in zweiter und dritter Lesung das
        Zweite Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung
        in der Binnenschifffahrt sowie das Gesetz zu dem Straß-
        burger Übereinkommen vom 27 . September 2012 über
        die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt,
        das sogenannte CLNI 2012 .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16551
        (A) (C)
        (B) (D)
        CLNI 2012 löst das Straßburger Übereinkommen
        über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff-
        fahrt CLNI ab, dehnt aber in begrüßenswerter Weise den
        geografischen  Anwendungsbereich  aus.  Während  der 
        Anwendungsbereich von CLNI nur auf vier Staaten be-
        schränkt ist, erweitert CLNI 2012 den Anwendungsbe-
        reich und ermöglicht dadurch eine umfassendere Rechts-
        vereinheitlichung . Inhaltlich modernisiert CLNI 2012
        darüber hinaus das Haftungsbeschränkungsregime des
        CLNI .
        Grundlage bleibt bei CLNI 2012 dabei das Prinzip der
        summenmäßig beschränkten, persönlichen Haftung des
        Schiffseigentümers, Bergers bzw . Retters . Grundsätzlich
        haften diese Personenkreise unbeschränkt und mit ihrem
        gesamten Vermögen, können aber ihre Haftung für An-
        sprüche, die aus der Verwendung des Schiffes entstehen,
        auf bestimmte Haftungshöchstbeträge beschränken .
        Diese durch CLNI 2012 deutlich angehobenen
        Höchstbeträge ergeben sich aus den technischen Eigen-
        arten des Schiffes und gelten grundsätzlich für die Sum-
        me aller sich aus der Verwendung des Schiffes ergeben-
        den Ansprüche . Wie bereits bei CLNI gelten auch bei
        CLNI 2012 für Personenschäden gesonderte Haftungs-
        höchstbeträge . Neu eingeführt wurden durch CLNI 2012
        gesonderte Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus der
        Beförderung gefährlicher Güter .
        Unverändert kann die Haftungsbeschränkung auch
        gemäß CLNI 2012 durch Errichtung eines Haftungs-
        fonds, aus dem alle Gläubigerforderungen zu befrie-
        digen sind, oder durch einredeweise Geltendmachung
        der Haftungsbeschränkung bewirkt werden . Ist ein Haf-
        tungsfonds errichtet, beschränkt CLNI 2012 im Interesse
        des Schuldners die Haftung gegenüber allen Gläubigern
        auf diesen Fonds; weitere Ansprüche gegen das sonstige
        Vermögen des Schiffseigentümers, Bergers oder Retters
        können nach der Errichtung eines Haftungsfonds nicht
        mehr geltend gemacht werden . Unerheblich – und damit
        gegenüber CLNI neu geregelt – ist dabei, ob der Gläu-
        biger seinen Anspruch tatsächlich gegen den Haftungs-
        fonds geltend macht .
        CLNI 2012 und die entsprechende Umsetzung sehen
        damit einen angemessenen Interessenausgleich zwischen
        dem Schuldner und den Gläubigern, die von den deutlich
        erhöhten Haftungshöchstbeträgen profitieren, vor. 
        Durch die Änderungen insbesondere des Binnen-
        schifffahrtsgesetzes, der Zivilprozessordnung und der
        Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung werden die
        Klarheit und Einheitlichkeit des Binnenschifffahrtsrechts
        sichergestellt . Die CLNI-Einarbeitung in das nationa-
        le Recht erleichtert darüber hinaus die Handhabbarkeit
        der Vorschriften über die Haftungsbeschränkungen in
        der Binnenschifffahrt . Anwendungsschwierigkeiten, die
        sich aus einem Nebeneinander von innerstaatlichen und
        völkerrechtlichen Regelungen ergeben könnten, werden
        dadurch vermieden .
        Die CDU/CSU-Fraktion wird den Gesetzentwürfen
        zustimmen .
        Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir möchten heute
        mit diesen beiden Gesetzentwürfen ein einheitliches Sys-
        tem der Haftungsbeschränkungen in der Binnenschiff-
        fahrt schaffen . Durch das neue Straßburger Übereinkom-
        men aus dem Jahr 2012 soll der Kreis der ratifizierenden 
        Staaten erweitert werden . Das Übereinkommen setzt ei-
        nen Anreiz zur Ratifizierung an andere Staaten; denn Ziel 
        ist es, ein einheitliches Haftungsregime in möglichst vie-
        len Staaten zu schaffen . Die Rechtssicherheit wird über
        die Ländergrenzen hinweg gestärkt .
        Das Übereinkommen regelt Ansprüche, die für
        Schiffseigentümer, Berger und Retter bei der Verwen-
        dung von Schiffen entstehen . Das Übereinkommen sieht
        eine deutliche Erhöhung der Haftungshöchstbeträge vor .
        Die Gläubiger der erfassten Ansprüche gegen Schiffsei-
        gentümer werden gestärkt . Die Haftungsbeschränkung
        kann vom Schuldner einredeweise geltend gemacht wer-
        den oder erfolgt durch Errichtung eines Haftungsfonds .
        In einem ersten Schritt möchten wir nun dem unter-
        zeichneten Straßburger Übereinkommen zustimmen . Als
        parlamentarischer Gesetzgeber sind wir zur Zustimmung
        eines völkerrechtlichen Vertrags aufgerufen . Auf diesem
        Weg gelangt das Übereinkommen zur Geltung im deut-
        schen Recht . In einem zweiten Schritt sollen die Rege-
        lungen aus dem Abkommen in das deutsche Binnenrecht
        eingearbeitet werden . Dies erfordert Anpassungen im
        Binnenschifffahrtsgesetz, der Zivilprozessordnung und
        weiteren flankierenden Regelungen.
        Wir haben uns gegen eine unmittelbare Anwendung
        des Übereinkommens ausgesprochen . Dies stellt jedoch
        keinen Nachteil dar . Es wird vielmehr der verbindliche
        Inhalt des Übereinkommens in die bestehenden Geset-
        ze implementiert . Wir schaffen mehr Klarheit und Ein-
        heitlichkeit . Die Regelungen sind klar, weil sich für den
        Rechtsanwender eine bessere Lesbarkeit und Handhab-
        barkeit der Vorschriften aus einem einzigen Gesetz erge-
        ben . Ein Nebeneinander von innerstaatlichen Vorschrif-
        ten und völkerrechtlichen Regelungen wird vermieden .
        Wir schaffen auch eine Einheitlichkeit von Regelun-
        gen . Die Vorschriften zur Haftungsbeschränkung in der
        Binnenschifffahrt  finden  nicht  nur  bei  internationalen 
        Sachverhalten, sondern auch bei nationalen Sachverhal-
        ten ihre Anwendung . Nicht zuletzt wahrt der Grundsatz
        der völkerrechtskonformen Auslegung der nationalen
        Gesetze eine einheitliche Umsetzung des Übereinkom-
        mens . Im Ergebnis führt das Mehr an Klarheit und Ein-
        heitlichkeit zu einem Mehr an Rechtssicherheit . Ich bitte
        daher um Zustimmung zu den Gesetzentwürfen .
        Dirk Wiese (SPD): Hintergrund der Regelung, die
        heute hier zu verabschieden ist, ist die Notwendigkeit der
        Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen zur Ratifika-
        tion der Beschränkung der Haftung in der Binnenschiff-
        fahrt – CLNI 2012 – vom 27 . September 2012 . Diese
        soll  das  von Deutschland  ratifizierte Straßburger Über-
        einkommen vom 4 . November 1988 über die Beschrän-
        kung der Haftung in der Binnenschifffahrt CLNI 1988
        ersetzen, dessen räumlicher Anwendungsbereich im
        Wesentlichen auf Beförderungen auf Rhein und Mosel
        beschränkt ist . Das ist notwendig, da das CLNI 1988 nur
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616552
        (A) (C)
        (B) (D)
        für vier Staaten galt und das CLNI 2012 durch bessere
        Regelungen das Ziel verfolgt, für einen größeren Kreis
        von Staaten attraktiver zu sein . Deshalb soll also das alte
        Abkommen schnellstmöglich ersetzt werden .
        Lassen Sie mich kurz die historische Bedeutung des
        Ursprungsübereinkommens hervorheben: Das Überein-
        kommen CLNI 1988 wurde im Rahmen einer von der
        Zentralkommission für die Rheinschifffahrt – ZKR – er-
        richteten Arbeitsgruppe ausgearbeitet und auf einer Dip-
        lomatischen Konferenz unter Beteiligung der vorgenann-
        ten Staaten sowie Luxemburgs verabschiedet . Mitglieder
        der Arbeitsgruppe waren Vertreter von Belgien, Frank-
        reich, der Niederlande, der Schweiz und Deutschlands .
        Das Abkommen trat am 1 . September 1997 für Luxem-
        burg, die Niederlande und die Schweiz und am 1 . Juli
        1999 für Deutschland völkerrechtlich in Kraft . Nach
        Verabschiedung der CLNI 1988 bekundeten Staaten, die
        nicht an den Arbeiten im Rahmen der ZKR beteiligt ge-
        wesen waren, ihr Interesse an dem mit der CLNI 1988
        geschaffenen Haftungsbeschränkungsregime .
        Leider war ein Beitritt aller interessierten Staaten
        jedoch nicht möglich; denn dieser ist nach Artikel 16
        Absatz 1 CLNI 1988 nur den Vertragsparteien der Revi-
        dierten Rheinschifffahrtsakte vom 17 . Oktober 1868 oder
        des Vertrags vom 27 . Oktober 1956 über die Schiffbar-
        machung der Mosel gestattet . Nur Belgien, Deutschland,
        Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz
        und das Vereinigte Königreich konnten den Vertrag so-
        mit zeichnen . Für andere Staaten bietet sich nach Arti-
        kel 16 Absatz 3 CLNI nur die Möglichkeit des Beitritts,
        sofern diese eine direkte schiffbare Verbindung zu einer
        Wasserstraße haben, die der Mannheimer Akte oder dem
        Moselvertrag unterliegt, und sie zusätzlich durch ein-
        stimmigen Beschluss der Staaten, für die die CLNI 1988
        in Kraft getreten ist, zum Beitritt eingeladen werden . Für
        interessierte Staaten ohne direkte Verbindung wurde auf
        Vorschlag Deutschlands in der ZKR eine Arbeitsgrup-
        pe eingerichtet und damit beauftragt, Vorschläge für ein
        Zusatzprotokoll zur CLNI 1988 zu erarbeiten, um den
        Beitritt zum Übereinkommen zu erleichtern und zugleich
        bestehende Mängel zu beseitigen . Diese Arbeitsgruppe
        begann ihre Arbeit im Juni 2007 .
        Im Laufe der Arbeiten kam die Arbeitsgruppe überein,
        statt eines Zusatzprotokolls aus rechtstechnischen Grün-
        den ein neues Übereinkommen auszuarbeiten . Zusätzlich
        wurde beschlossen, auch die Haftungshöchstbeträge an-
        zuheben, um sie an die Haftung für Seeforderungen an-
        zugleichen . Im September 2012 war es dann schließlich
        so weit . Auf Einladung der ZKR fand in Straßburg eine
        Diplomatische Konferenz zur Verabschiedung des neuen
        Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in
        der Binnenschifffahrt statt .
        13 Staaten nahmen teil: Belgien, Bulgarien, Deutsch-
        land, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich,
        Polen, Schweiz, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ungarn .
        Darüber hinaus waren auch fünf nichtstaatliche Organi-
        sationen vor Ort: Europäische Binnenschifffahrts-Union,
        Europäische Schifferorganisation, European Transport
        Workers’ Federation, Internationale Vereinigung zur
        Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Binnen-
        schifffahrt und der Versicherung und zur Führung des
        Binnenschiffsregisters in Europa und die Union europäi-
        scher Industrie- und Handelskammern . Per Akklamation
        wurde das Übereinkommen CLNI 2012 schließlich am
        27 . September 2012 verabschiedet . Belgien, Frankreich
        und Luxemburg unterzeichneten das Übereinkommen
        noch am Tage seiner Verabschiedung . Bis zum Ablauf
        der Zeichnungsfrist am 26 . September 2014 zeichneten
        noch vier weitere Staaten, nämlich Deutschland, Nieder-
        lande, Polen und Serbien .
        Kernänderung  ist  der  stark  erweiterte  geografische 
        Anwendungsbereich der CLNI 2012 im Vergleich mit der
        CLNI 1988. So findet die CLNI 2012 stets Anwendung, 
        wenn sich ein Schadensereignis auf einer Wasserstraße
        im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ereignet . Die in der
        CLNI 1988 vorgesehene geografische Beschränkung des 
        Anwendungsbereichs auf Wasserstraßen, die der Mann-
        heimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegen, entfällt .
        Dadurch ist gewährleistet, dass das System auch dann zur
        Anwendung gelangt, wenn sich eine Schiffshavarie etwa
        auf der Donau, der Elbe, der Oder oder der Save ereignet
        hat . Bestimmte Binnengewässer, die keine internationale
        Bedeutung haben, können von der Anwendung des Über-
        einkommens ausgeschlossen werden .
        Sie sehen, das ist eine wirklich sinnvolle Erweiterung
        der CLNI 1988 durch die CLNI 2012 . Bisher haben Ser-
        bien  und  Luxemburg  das  Übereinkommen  ratifiziert. 
        Weitere  Staaten  bereiten  die  Ratifikation  gegenwärtig 
        vor . Mit der Verabschiedung des heute hier vorliegenden
        Vertragsgesetzes machen wir den Weg für eine Ratifika-
        tion durch Deutschland frei .
        Herbert Behrens (DIE LINKE): Sicherheit auf den
        Flüssen und Kanälen, saubere Transporte und eine Bin-
        nenschifffahrt mit Zukunft . Das sind die politischen Zie-
        le der Linksfraktion . Mit dem Gesetz zur Änderung der
        Haftungsbeschränkung kommen wir dem Ziel näher;
        denn mit diesem Gesetz bekommt die Binnenschifffahrt
        mehr Sicherheit, wenn denn doch einmal etwas passiert .
        Binnenschiffer und Schifffahrtsunternehmen müssen
        nicht fürchten, im Falle einer Havarie um Kopf und Kra-
        gen gebracht zu werden . Das begrüßen wir und stimmen
        deshalb dem Gesetz zu .
        Wir reden heute über eine Änderung eines bestehen-
        den Gesetzes . Mit der Änderung werden die Regelungen
        des „Straßburger Übereinkommens von 2012 über die
        Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt“ –
        abgekürzt CLNI 2012 – in das bestehende Binnenschiff-
        fahrtsgesetz eingefügt . Das führt zu mehr rechtlicher
        Klarheit im Binnenschifffahrtsrecht, und es führt auch
        dazu, dass bestehendes Recht einfacher gehandhabt wer-
        den kann – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der
        umweltfreundliche Verkehrsträger Binnenschiff bessere
        Chancen erhält, mehr Transporte über das Wasser abzu-
        wickeln .
        Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt ist
        keine neue Erfindung. Sie galt bisher aber im Wesentli-
        chen für die Schifffahrt auf dem Rhein und auf der Mo-
        sel . Das war im Straßburger Übereinkommen von 1998
        so  geregelt,  das  von Deutschland  ratifiziert  worden  ist 
        und in den vier Staaten Deutschland, Luxemburg, Nie-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16553
        (A) (C)
        (B) (D)
        derlande und der Schweiz angewendet wird . Das Über-
        einkommen von 2012 soll das einheitlich Haftungsbe-
        schränkungssystem der CLNI 2012 für einen größeren
        Kreis von Staaten attraktiver machen . So soll es dann
        auch für alle Binnengewässer sowie für Donau, Elbe,
        Oder und Save gelten . Das ist ein Fortschritt .
        Des Weiteren waren Haftungshöchstgrenzen gültig,
        die nicht mehr ganz auf die heutige Wirklichkeit passen .
        Es ist notwendig, dass Versicherungssummen so hoch
        angesetzt werden, dass sie auch die möglichen Schadens-
        fälle abdecken . Dazu ist eine Anpassung erforderlich .
        Die Erhöhung fällt aber deftig aus: Bei den Ansprüchen
        wegen Personen- und Sachschäden werden die Höchstbe-
        träge verdoppelt, bei den Höchstbeträgen für Ansprüche
        von Reisenden auf Passagierschiffen sind es 66 Prozent
        mehr . Das bringt die Gefahr mit sich, dass die Versiche-
        rungsbeiträge ebenfalls deutlich steigen könnten . Bisher
        gibt es dafür keine Anzeichen .
        Aber die Position der Versicherungswirtschaft ist ein-
        deutig . Als vor vier Jahren die Revision des CLNI disku-
        tiert wurde, gab es eine prompte Reaktion . „Die deutsche
        Versicherungswirtschaft erkennt keine Notwendigkeit,
        die bisherigen Haftungsbegrenzungen zu erhöhen“, kom-
        mentierte der Gesamtverband der Deutschen Versiche-
        rungswirtschaft, GDV, und er kündigte vorsorglich an,
        dass sich „wesentlich erhöhte Haftungsrisiken in deutlich
        höheren Versicherungsprämien niederschlagen“ werden .
        Die Binnenschifffahrt gehört jedoch zu den sichers-
        ten Verkehrsträgern . Laut einer Studie der PLANCO
        Consulting GmbH entfielen in den Jahren 2000 bis 2015 
        lediglich 1,1 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Unfall-
        folgen auf die Binnenschifffahrt . Und vom Grundsatz her
        richten sich die Versicherungsprämien nach dem Risiko
        des Versicherungsnehmers . Bei gleichbleibendem Risiko
        dürfen deshalb die Prämien nicht überproportional stei-
        gen .
        Die Bundesregierung schätzt das Risiko einer spürba-
        ren Erhöhung der Versicherungsprämien als gering ein .
        Wir sagen hier aber ganz klar und deutlich: Wenn die
        Linksfraktion dem Gesetz zustimmt, dann heißt das, dass
        wir sehr genau darauf schauen werden, dass die Versiche-
        rungswirtschaft die Anhebung der Höchstgrenzen nicht
        zur Abzocke der Versicherungsnehmer missbraucht .
        Darüber hinaus muss vermieden werden, dass in der
        Zukunft erneut so extreme Anhebungen der Haftungs-
        grenzen vorgenommen werden, weil man versäumt, sie
        rechtzeitig anzupassen . Es ist sinnvoll, dass künftig alle
        fünf Jahre die Haftungshöchstbeträge anhand der Inflati-
        onsrate überprüft werden . Das macht es für die Versiche-
        rungsnehmer kalkulierbar, und den Versicherern werden
        Vorwände genommen, bei den Prämien zuzuschlagen .
        Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Heute geht es um die Änderungen der Haftungsbeschrän-
        kungen durch das Straßburger Abkommen für die Bin-
        nenschifffahrt . Deutschland wird dieses Abkommen nun
        ratifizieren und überträgt die notwendigen Maßnahmen 
        in ein nationales Gesetz . Die Änderungen sehen in der
        Binnenschifffahrt eine Erhöhung der Haftungshöchst-
        summen allgemein sowie für Passagierschäden vor .
        Die Beschränkung der Haftung dient dazu, dass
        Schuldner, also die Binnenschiffer, etwa im Falle eines
        Unfalls nicht in jeder Höhe für einen Schaden einzuste-
        hen haben, sondern nur bis zu einer im Gesetz geregelten
        Höhe . Die Regelungen für Haftungshöchstsummen gel-
        ten für Schiffseigentümer, Berger und Retter .
        Viele Jahre sind die Haftungsbeschränkungen in der
        Binnenschifffahrt nicht geändert worden; daher ist die
        aktuelle Anpassung eine notwendige Maßnahme, die
        längst überfällig war . Im Transport- und Logistikbereich
        kennen wir so etwas etwa als Haftungsbeschränkung des
        Auftragnehmers . Dabei handelt es sich um Schäden im
        Rahmen von Transport oder Lagerung . Diese Beschrän-
        kungen sind zum Beispiel in den Allgemeinen Geschäfts-
        bedingungen (AGB) geregelt . Im Fall der Binnenschiff-
        fahrt gibt es aufgrund des oft grenzüberschreitenden
        Handels ein Übereinkommen, das sich auf jene Güter-
        oder Verspätungsschäden bezieht und auch regelt, wann
        Haftungsbeschränkungen nicht zum Tragen kommen .
        Interessant wird das Gesetz bezogen auf Passagiere
        insbesondere dann, wenn sie auf einem Binnenschiff ver-
        spätet am Ziel ankommen oder auch ihr Gepäck dadurch
        nicht zum versprochenen Zeitpunkt das Ziel erreicht . Da-
        mit wird der Schutz der Reisenden auf Binnenschiffen
        deutlich gestärkt .
        Der Stellenwert eines Haftungsfonds zur Deckung von
        Ansprüchen wird nun erhöht; das Vermögen der Schiffs-
        eigner, Berger oder Retter soll nicht mehr herangezogen
        werden . Mit der Änderung ist auch zu erwarten, dass die
        Binnenschiffe mit größerer Sorgfalt betrieben werden .
        Das ist sehr sinnvoll! Mit höheren Summen für die Be-
        schränkung der Haftung könnten Versicherungssummen
        zwar ansteigen, die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten
        solcher Fälle ist jedoch gering . Die Begründung der Bun-
        desregierung in der Gesetzesvorlage ist nachvollziehbar .
        Nur rund 1 Prozent aller Schäden im Verkehrsbereich be-
        trifft die Binnenschifffahrt .
        Durch die äußerst geringe Schadensquote im Bereich
        Binnenschifffahrt hat sie hier einen kleinen Wettbe-
        werbsvorteil gegenüber anderen Verkehrsträgern . In ei-
        nem anderen Bereich liegt die Binnenschifffahrt jedoch
        weit hinter den anderen Verkehrsträgern zurück: Die Zu-
        verlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur im Bereich Was-
        serstraße lässt stark zu wünschen übrig . Anders als bei
        anderen Verkehrsträgern gibt es im Fall von Bauarbeiten
        kaum Ersatzstrecken . Damit sind zuverlässige Verkehre
        aufgrund maroder Schleusen in vielen Wasserstraßenab-
        schnitten nur noch begrenzt möglich . Trotz des hohen In-
        vestitionsstaus wurden in den vergangenen Jahren immer
        wieder mehrere 100 Millionen Euro nicht verbaut, weil
        der Wasserstraßenverwaltung die Planer für neue Projek-
        te fehlen . Das ist der reale Irrsinn!
        Die Bundesregierung muss hier dringend für Wettbe-
        werbsgleichheit sorgen und endlich sowohl den Investiti-
        onsstau der Wasserstraßen beseitigen als auch eine echte
        Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung
        voranbringen .
        Wir werden dem Gesetz zustimmen, erwarten jedoch
        von der Bundesregierung, dass die Hürden, die in der
        Wasserstraßeninfrastruktur bestehen, endlich beseitigt
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616554
        (A) (C)
        (B) (D)
        werden . Zögern sie da endlich nicht mehr! Ein Abwra-
        cken der Binnenschifffahrt möchte ich nicht erleben, weil
        der Amtsschimmel gerettet wurde, statt auf die Dienst-
        leistungsorientierung zu setzen . Bringen Sie in der gro-
        ßen Koalition auch endlich die Reform der Wasserstra-
        ßen- und Schifffahrtsverwaltung voran!
        Anlage 18
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
        des Bundesstatistikgesetzes und anderer Statistik-
        gesetze (Tagesordnungspunkt 22)
        Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Heute widmen wir
        uns zum zweiten und letzten Mal dem Gesetz zur Än-
        derung des Bundesstatistikgesetzes . Die Beratungen zu
        diesem Gesetzentwurf waren aus meiner Sicht ein Pa-
        radebeispiel dafür, dass das parlamentarische Verfahren
        ein lernendes Verfahren ist . Es war ein sehr gutes Bei-
        spiel dafür, dass Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft sehr
        genau auf das schauen, was wir in unserem Hause dis-
        kutieren . Beide Aspekte zeigen, dass unsere parlamen-
        tarischen Verfahren funktionieren und gesetzgeberische
        Ergebnisse ermöglichen, von denen die Allgemeinheit
        profitieren kann.
        In meiner letzten Rede sprach ich beispielsweise da-
        von, dass ordentliche und gut geführte Statistiken wichtig
        seien; denn erst dadurch könnten ausgewogene politische
        Entscheidungen getroffen werden . In der Folge erreich-
        ten mich prompt viele Zuschriften, die mich sehr genau
        beim Wort nahmen . Zu Recht haben Vertreter aus der
        Wissenschaft sowie aus einigen Statistikämtern darauf
        hingewiesen, dass die im ursprünglichen Gesetzentwurf
        vorgesehene Speicherfrist von zehn Jahren für Indikato-
        ren aus dem Unternehmensregister mit dem Anspruch
        an ordentliche Statistiken nicht zu vereinbaren gewesen
        wäre . Dies war zwar auch einer der Änderungswünsche
        des Bundesrates, allerdings hat uns hier der Rücklauf,
        vor allem aus der Wissenschaft, das Problem nochmals
        sehr anschaulich vor Augen geführt .
        Natürlich haben wir diese Hinweise dann in den da-
        rauf folgenden Berichterstattergesprächen berücksich-
        tigt, wie es in einem lernenden Gesetzgebungsverfahren
        üblich ist . Entsprechend konnten wir uns darauf einigen,
        die Frist auf 30 Jahre zu verlängern . Dies ist daher auch
        in den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ein-
        geflossen.  Im Übrigen  beginnt  diese  Frist  erst  dann  zu 
        laufen, wenn die jeweilige Erhebung abgeschlossen ist
        und nicht bereits mit der Aufnahme der Daten . Ich möch-
        te noch erwähnen, dass wir uns diese Fristverlängerung
        wohl überlegt haben . Schließlich geht es hier auch um
        die berechtigten Datenschutzbelange der betroffenen
        Unternehmen . Eine Speicherung darf daher nicht ohne
        Weiteres vorgenommen werden .
        Allerdings werden die Daten über die Unternehmen
        anonymisiert gespeichert. Eine Identifizierung eines ein-
        zelnen Unternehmens ist aus diesen Daten heraus nicht
        möglich . Richtig ist, dass es eine theoretische Möglich-
        keit gibt, die Daten wieder zu deanonymisieren . Hierzu
        müsste jedoch Recht und Gesetz umgangen werden, und
        man sollte eine Regelung nicht deshalb in ihrer Wirkung
        einschränken, weil es rechtswidrige Wege gibt, sie aus-
        zuhebeln .
        Liebe Vertreter der Wissenschaft und der verschiede-
        nen Statistikämter: Vielen Dank jedenfalls dafür, dass
        Sie sich mit Hinweisen und Zuschriften eingebracht ha-
        ben . Ich meine, dass wir Ihre Anregungen angemessen
        berücksichtigen konnten . An dieser Stelle möchte ich
        mich auch nochmals herzlich bei meinem Mitbericht-
        erstatter Matthias Schmidt der SPD-Fraktion für die gute
        und angenehme Zusammenarbeit bedanken . Mein Dank
        gilt ebenfalls unserem Parlamentarischen Staatssekretär
        Dr . Ole Schröder, der zusammen mit den Vertretern des
        Bundesministeriums des Innern die Berichterstatterge-
        spräche sehr hilfsbereit und unkompliziert begleitet hat .
        Als erster Redner möchte ich nun die weiteren Punkte
        vorstellen, die wir bei der Erarbeitung des Änderungsan-
        trags im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt haben:
        Schon vor Beginn des Verfahrens hatte die Bundesregie-
        rung zugesichert, im Bereich der Zusatzaufbereitungen
        für Bundeszwecke durch das Statistische Bundesamt den
        Zusatz „auf Anforderung oberster Bundesbehörden“ auf-
        zunehmen . Hierdurch wird verdeutlicht, dass sowohl Zu-
        satzaufbereitungen als auch makro-ökonomische Analy-
        sen ausschließlich zu Bundeszwecken vom Statistischen
        Bundesamt durchgeführt werden dürfen . Ansonsten hätte
        sich bei der Erstellung von Zusatzaufbereitungen eine
        Aufhebung des Subsidiaritätsprinzips ergeben können .
        Die Länder sind für Aufbereitungen nämlich grundsätz-
        lich zuständig, und nur auf besondere Anforderung durch
        oberste Bundesbehörden erstellt das Statistische Bundes-
        amt benötigte Zusatzaufbereitungen . Mit dieser Kompro-
        missformel wird diesem Umstand Rechnung getragen .
        In eine ähnliche Richtung geht eine weitere Änderung,
        die sich auf den Abruf von bei anderen Verwaltungsstel-
        len vorhandenen Daten durch das Statistische Bundes-
        amt bezieht . Ich hatte diesen Mechanismus, mit dem
        Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft bei der
        Datenerhebung entlastet werden sollen, schon in meiner
        letzten Rede erwähnt . Hier haben wir nun noch den Zu-
        satz eingefügt, dass sich die Stellen des Bundes, die bei
        den Verwaltungsstellen der Länder diese Daten abfragen,
        zunächst mit den zuständigen Ministerien der Länder
        ins Benehmen setzen . Diese Einfügung hatte zuvor auch
        der Bundesrat gefordert . Ich denke, dass der Zusatz den
        Bund-Länder-Beziehungen auf dem Gebiet der Statistik
        sicherlich zuträglich und daher vernünftig ist .
        Des Weiteren wurde in den Gesprächen deutlich, dass
        insbesondere die Interessen der Gemeinden und der Ge-
        meindeverbände stärker berücksichtigt werden sollen .
        Bei der Anordnung von Bundesstatistiken per Gesetz
        sollte bisher lediglich das Informationsbedürfnis der
        Länder berücksichtigt werden . Künftig soll auch dem In-
        formationsbedürfnis der Gemeinden Rechnung getragen
        werden, sobald Bundesstatistiken angeordnet werden .
        Letztlich haben wir noch redaktionelle Versehen berich-
        tigt .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16555
        (A) (C)
        (B) (D)
        Mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten
        Änderungsantrag kann der Gesetzentwurf der Bundes-
        regierung nun verabschiedet werden . Mit Berücksich-
        tigung dieser Änderungen bin ich sehr zuversichtlich,
        dass das Statistikwesen im Sinne von Wissenschaft und
        statistischer Praxis, aber auch zur Entlastung unserer
        Bürgerinnen und Bürger sowie unserer Wirtschaftsun-
        ternehmen modernisiert wird . Ich darf mich bei den Be-
        teiligten nochmals für die konstruktive Zusammenarbeit
        bedanken .
        Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Inzwischen habe
        ich in diesem hohen Hause schon häufiger zu Gesetzes-
        vorhaben und Anträgen gesprochen, die statistische The-
        men betreffen . Immer war es mir wichtig, den Wert der
        Arbeit der Menschen im Statistischen Bundesamt und in
        den Landesämtern zu betonen . Gerne will ich das heu-
        te bekräftigen. Ohne die fleißige, akribische Arbeit, die 
        dort geleistet wird, stünden wir bei unseren politischen
        Entscheidungen häufig im Nebel. Worauf sollten wir uns 
        bei Entscheidungen zur Rente, zur Pflege, zur Sozialver-
        sicherung oder auch zur Wirtschaft stützen? Auf Daten,
        die uns gut aufbereitet zur Verfügung gestellt werden .
        Den Kolleginnen und Kollegen – da sind wir uns sicher
        einig – möchte ich an dieser Stelle danken .
        Nun haben wir uns mit dem heute vorliegenden Ge-
        setzentwurf vorgenommen, einige sinnvolle Änderungen
        im Bundesstatistikgesetz vorzunehmen . So geht es im
        Kern um die Modernisierung und Vereinfachung von Ver-
        fahren . Das ist ohne Zweifel ein guter Anlass . Dann geht
        es um die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern und
        der Wirtschaft – auch das ist ein guter Ansatz . Letztlich
        geht es auch um die Herstellung von Rechtsklarheit und
        die Angleichung an EU-Rechtsnormen, die wir damit er-
        reichen wollen. Dazu sind wir verpflichtet. In den meis-
        ten Punkten sind die Änderungen des Gesetzentwurfs
        vollkommen unstrittig . Sie bringen einen Fortschritt, und
        das sagen uns die Menschen, die mit den Daten täglich
        umgehen, sei es als Statistiker oder als Forscher .
        In einigen wenigen Punkten gibt es jedoch noch Wün-
        sche . Worum geht es? Lassen Sie uns dazu einmal die
        Perspektive der Menschen einnehmen, die diese Daten
        nutzen . Hier möchte ich ein Beispiel aufgreifen, das
        mir von einer Statistikerin nahegelegt wurde . Nehmen
        wir einen Wirtschaftswissenschaftler, der im Jahr 2018
        die Ursachen und Folgen der Wirtschaftskrise untersu-
        chen möchte . Sie alle erinnern sich: Das war 2008 . Ein
        Crash mit Folgen für die ganze Welt und auch für uns
        in Deutschland . Die Frage nach den Ursachen und nach
        Strategien, um das in Zukunft zu verhindern, hat also
        hohe Bedeutung . Nun benötigen die Forscher für ihre
        Untersuchungen eine Menge an Daten . Nach dem ersten
        Entwurf konnten sie lediglich auf Datenreihen aus den
        letzten zehn Jahren zurückgreifen; denn hier war vor-
        gesehen, die Speicherfrist auf zehn Jahre festzusetzen .
        Werfen wir einen Blick auf die Forschungsfrage . Für die
        Betrachtung der Ursachen der Wirtschaftskrise müsste
        natürlich auch ein Blick auf die Zeit vor 2008 geworfen
        werden . Das wäre nach dem ursprünglichen Entwurf in
        Form von Zeitreihen nicht mehr möglich . Damit würden
        ganz wesentliche Datengrundlagen fehlen . Jedem leuch-
        tet sofort ein, dass das eine große Einschränkung bedeu-
        tet und damit das gesamte Forschungsanliegen gefährdet .
        Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel anführen,
        das uns allen viel bedeutet: die deutsche Einheit . Jedes
        Jahr besprechen wir hier im Plenum den „Jahresbericht
        der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit“ .
        Hier erhalten wir einen sehr detailreichen Einblick in die
        wirtschaftliche, soziale und gesamtgesellschaftliche Ent-
        wicklung seit 1990 . Dieser Bericht ist voll mit Diagram-
        men und Tabellen, die alle auf statistischen Daten fußen .
        Hier werden Entwicklungen nachgezeichnet, analysiert
        und daraus Schlussfolgerungen für die Wirkung von po-
        litischen Entscheidungen gezogen . Welche Bedeutung
        hatten welche Förderprogramme zum Beispiel auf die
        Abwanderung von Menschen? Das sind ungemein wich-
        tige Fragen, und hier wird deutlich: Ohne einen Blick
        über zehn Jahre hinaus, verlieren wir einen ganz wichti-
        gen Zugang . Die Forschung braucht langfristige Zeitrei-
        hen, um Entwicklungen aus 25 Jahren nachzuzeichnen .
        Je nach aktueller Entwicklung sind dabei auch neue Fra-
        gen zu untersuchen . Daten müssen dafür neu verknüpft
        werden können, um neue Aspekte zu beleuchten . Das ha-
        ben wir verstanden und dafür Sorge getragen, dass dieser
        berechtigte  Einwand  seinen Niederschlag  findet. Dafür 
        haben wir die Frist, die auf zehn Jahre reduziert werden
        sollte, auf 30 Jahre verlängert . Damit haben wir dem aus-
        drücklichen Wunsch der Wissenschaft und auch der Sta-
        tistikerinnen und Statistiker entsprochen .
        Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat in
        ihrer schriftlichen Stellungnahme zum vorgelegten Än-
        derungsantrag der Koalition ausdrücklich bestätigt, dass
        diese Verlängerung im Einklang mit der Rechtsprechung
        steht . Die Bundesbeauftragte hält jedoch eine Speicher-
        frist der Unternehmenskennziffern von zehn Jahren für
        ausreichend bemessen und 30 Jahre für unverhältnismä-
        ßig . Hier irrt meines Erachtens die Bundesbeauftragte .
        Zum einen ist es genau Sache des Gesetzgebers, die Frist
        so festzusetzen, dass verlässliche Aussagen für Politik
        und Wissenschaft über einen länger zurückliegenden
        Zeitraum getroffen werden können . Zum anderen wird
        lediglich eine verschlüsselte Kennnummer gespeichert,
        die keinen Rückschluss auf das konkrete Unternehmen
        zulässt . Weiterhin sind die Unternehmensdaten gerade
        in den ersten zehn Jahren besonders schutzwürdig – und
        diesen Zeitraum findet auch die Datenschutzbeauftragte 
        angemessen abgesichert . Da sich der technische und sta-
        tistische Schutz in der weiteren Laufzeit nicht ändert, ist
        es Sache des Gesetzgebers, diese Frist angemessen fest-
        zusetzen .
        Darüber hinaus haben wir noch an einer weiteren Stel-
        le eine Verbesserung vorgenommen . So wird künftig auch
        das Informationsbedürfnis der Gemeinden und Gemein-
        deverbände, also der Kommunen, bei Anordnungen von
        Bundesstatistiken Möglichkeiten der Berücksichtigung
        finden. Diese waren bereits in der alten Fassung des § 5 
        Absatz 3 benannt . Hiernach muss die Bundesregierung
        dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre berichten,
        welche Kosten die Statistiken nach § 5 Absatz 2 und § 7
        Bundesstatistikgesetz bei Bund und Ländern einschließ-
        lich Gemeinden und Gemeindeverbänden verursachen .
        Darum war es nun folgerichtig, in der jetzt vorgelegten
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616556
        (A) (C)
        (B) (D)
        Gesetzesnovellierung auch § 5 Absatz 1 um die Gemein-
        den und Gemeindeverbände zu ergänzen . Da das Infor-
        mationsbedürfnis der Länder implizit auch Kommunen
        beinhaltet, sollten diese auch im Gesetzestext erwähnt
        werden und so ihren legitimen Interessen entsprechend
        Geltung verschaffen können .
        Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, bei
        Gesetzentwürfen Expertinnen und Experten zu Wort
        kommen zu lassen, sei es in Anhörungen oder in direkten
        Gesprächen . Die Theorie muss sich an der praktischen
        Erfahrung messen lassen . Das ist ein wichtiger Grund-
        satz . Wir haben berechtigte Einwände beherzigt und
        nachgebessert . Das schafft nicht nur bessere Resultate,
        sondern stärkt auch das Vertrauen in unsere fachpoliti-
        sche Arbeit .
        Lassen Sie mich am Ende noch einmal zusammen-
        fassen, was wir heute beschließen . Wir bringen mit der
        Gesetzesänderung eine Novellierung auf den Weg, die
        wichtige Modernisierungen vornimmt . Sie entlastet die
        Menschen, macht  die Verfahren  effizienter  und  schafft 
        Rechtsklarheit . Sie bringt uns mit EU-Recht in Einklang
        und vereinfacht den Austausch . Das Gesetz folgt in vie-
        len Punkten den Empfehlungen des statistischen Beirats
        und trägt durch unsere Arbeit auch noch Erfordernissen
        der Nachbesserung Rechnung . Also: insgesamt ein gutes
        Ergebnis . Lassen Sie es uns heute beschließen und damit
        eine gute Arbeitsgrundlage für Statistik und Forschung
        legen .
        Jan Korte (DIE LINKE): Wir beraten hier heute ein-
        mal mehr ein datenschutzrelevantes Thema, welches auf
        den ersten Blick nicht nur staubtrocken, sondern auch
        unbedeutend daherkommt . Dem ist aber mitnichten so;
        denn das Bundesstatistikgesetz regelt das gesamte Or-
        ganisations- und Verfahrensrecht der Bundesstatistik in
        Deutschland . Der Kollege Ostermann hatte deshalb rich-
        tigerweise in der ersten Lesung bereits festgestellt, dass
        unsere Debatte „die informationelle Basis unseres Staa-
        tes und damit unserer Gesellschaft betrifft“ .
        Worum geht es dabei genau? Es ist unbestreitbar, dass
        die Politik auf verlässliche statistische Daten zur wirt-
        schaftspolitischen Steuerung und zur Planung des Res-
        sourceneinsatzes für den Erhalt und Ausbau öffentlicher
        Infrastruktur angewiesen ist . Die aktuelle Novellierung
        soll das Bundesstatistikgesetz „praxisgerecht“ moderni-
        sieren sowie Unternehmen und Bürgerinnen und Bür-
        ger bei der Erstellung von Statistiken durch Rückgriff
        auf bereits vorhandene Verwaltungsdaten entlasten . Die
        Vermeidung aufwendiger Befragungen von Bürgern und
        Unternehmen durch die Nutzung ohnehin schon vor-
        handener Daten leuchtet ein . Allerdings gehen mit den
        zentralisierten Zusammenführungen der zahllosen be-
        hördlichen Datensammlungen aus unserer Sicht auch et-
        liche Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung
        einher .
        So gehen die Gesetzesänderungen im Gefolge einer
        Harmonisierung auf EU-Ebene, die sicherlich sinnvoll
        ist, allerdings auch mit einer Ermächtigung der Bundes-
        regierung zum Erlass von Rechtsverordnungen einher .
        Zugleich sieht der Gesetzentwurf eine nicht hinzuneh-
        mende Absenkung der Hürden für die Anordnung frei-
        williger Erhebungen vor . Sie wollen die Anforderung aus
        dem Gesetz streichen, dass Erhebungen zur Vorbereitung
        und Begründung anstehender Entscheidungen dienen
        sollen . Gegen diese Streichung hat auch die Bundesda-
        tenschutzbeauftragte protestiert . Aber Kritik aus dieser
        Richtung zu ignorieren, ist offenbar inzwischen Leitlinie
        Ihrer Politik im Bereich des Datenschutzes geworden .
        Bedenken haben wir, anders als die Datenschutzbeauf-
        tragte, hinsichtlich der in § 13 (2) vorgesehenen Einfüh-
        rung eines bundesweiten Anschriftenregisters . Mit dem
        Anschriftenregister könnte eine neue Superdatenbank
        über die Bevölkerung in Deutschland entstehen . Nach der
        Gesetzesbegründung soll damit die Grundlage für stich-
        probenartige Erhebungen und Befragungen wie dem Mi-
        krozensus geschaffen werden . Nun stellt sich schon die
        Frage nach der Notwendigkeit eines Mikrozensus, wenn
        die Datenbasis des Statistischen Bundesamtes durch
        Rückgriff auf Verwaltungsdaten ohnehin deutlich ausge-
        dehnt wird . Neben den klassischen Bestandteilen einer
        Anschrift wie der postalischen Adresse, der Geokoor-
        dinate  zur  eindeutigen  Identifizierung  des Grundstücks 
        sowie einer Ordnungsnummer zur Unterscheidung der
        einzelnen Datensätze sollen auch die „Gesamtzahl der
        Personen“ je Anschrift sowie die „Wohnraumeigen-
        schaft“ im Sinne von Gebäude mit Wohnraum, mit po-
        tenziellem Wohnraum oder ohne Wohnraum gespeichert
        werden . So eine Sammlung ist aus unserer Sicht sehr
        heikel und könnte in gewisser Form ähnlich wie eine
        Identifikationsnummer wirken, insbesondere dann, wenn 
        diese „Ordnungsnummer“ mit anderen Datensätzen und
        Datenbanken verknüpft wird . Es handelt sich derzeit
        dabei zwar um ein statistikinternes Register, das damit
        sowohl den üblichen datenschutzrechtlichen Regelungen
        als auch dem Statistikgeheimnis unterliegt und dessen
        Angaben daher nicht übermittelt werden dürfen, solan-
        ge dafür keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung
        besteht . Aber die Erfahrung zeigt doch, dass das Vorhan-
        densein solcher Daten allein schon Begehrlichkeiten bei
        allerlei Behörden weckt . Das Anschriftenregister ist da-
        her aus unserer Sicht überflüssig und gefährlich.
        Problematisch erscheint mir überdies, dass künftig
        „zur Pflege und Führung des Registers … Angaben aus 
        Bundes- und Landesstatistiken sowie aus allgemein zu-
        gänglichen Quellen verwendet werden [dürfen] .“ In Zei-
        ten zunehmender Digitalisierung des Alltags sollte man
        es staatlichen Behörden nicht ohne Weiteres erlauben,
        sogenannte „allgemein zugängliche Quellen“, die zur
        Rasterung dienen können, zu nutzen .
        Formulierungen wie in Absatz (3) § 11 a, wonach
        „bei der elektronischen Übermittlung … ein dem Stand
        der Technik entsprechendes Verschlüsselungsverfahren
        zu verwenden [ist]“ sind ebenfalls unzureichend . Es ist
        nicht nachvollziehbar, warum nicht explizit höhere An-
        forderungen, ähnlich wie die vom BSI für die Verschlüs-
        selung der Vorratsdatenspeicherungsdaten verlangten,
        gestellt werden . Es geht schließlich um massenhafte
        sensible personenbeziehbare Datensätze der Bürgerin-
        nen und Bürger . Vor diesem Hintergrund halte ich auch
        die Vorgaben für die gesonderte Speicherung der unter-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16557
        (A) (C)
        (B) (D)
        schiedlichen Datensätze in § 12 für technisch unpräzise
        und unzureichend .
        Auch dass nun in § 15 (4) die Möglichkeit zur tele-
        fonischen statistischen Befragung massiv ausgeweitet
        wird, halte ich für bedenklich . Wie soll sich ein Telefon-
        gesprächspartner ausweisen bzw . als „zulässiger, echter“
        „Erhebungsbeauftragter“ verifizieren? Wie will man den 
        möglichen Missbrauch eindämmen? All diese Fragen
        sind leider bislang ungeklärt oder unbefriedigend beant-
        wortet worden .
        Damit aber nicht genug: Die Länder sollen weiter-
        gehend als bislang zur Anlieferung von Daten an das
        Bundesamt verpflichtet werden. Kein Wunder, dass vom 
        Bundesrat massive Bedenken gegen den Gesetzentwurf
        geltend gemacht wurden, die sich auf die föderale Zu-
        ständigkeitsordnung beziehen . So sollen nach einzelnen
        Regelungen Verwaltungsdaten der Kommunen direkt an
        das Bundesamt gegeben werden . Der Bundesrat fordert,
        dass die Prüfung der Geeignetheit der Daten für eine sta-
        tistische Aufbereitung bei den Ländern verbleiben soll .
        Bei der Umgestaltung des Unternehmensregisters fühl-
        ten sich die Bundesländer zu Recht zu bloßen Zuliefe-
        rern von Daten herabgestuft . In der Folgenabschätzung
        des Gesetzentwurfs ist noch nicht einmal angegeben,
        welcher Erfüllungsaufwand sich für die Länder schon al-
        lein durch gesetzliche Anpassung und der Änderung von
        Verordnungen ergibt, zu Kosten äußert sich der Entwurf
        an dieser Stelle gar nicht . Darauf hat auch der Normen-
        kontrollrat hingewiesen .
        In einem Änderungsantrag ist die Koalition nun im-
        merhin zum Teil auf diese Bedenken eingegangen . Bei
        der Anforderung von Daten, die auf kommunaler Ebe-
        ne erhoben werden, soll nun zumindest das Benehmen
        mit den eigentlich zuständigen Landesämtern hergestellt
        werden . Das ist gut, reicht aber bei weitem nicht aus .
        Wie eingangs bereits betont: Erhebungen stellen eine
        wichtige Grundlage zielgerichteten staatlichen Handelns
        dar . Statistiken sollen und können helfen, die Welt zu
        verstehen, um sie besser zu machen . Das Bundessta-
        tistikgesetz sieht deshalb vor, dass „gesellschaftliche,
        wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge aufge-
        schlüsselt“ werden .
        Meine Fraktion will, dass Politik und Verwaltung ver-
        lässliche Daten zur Verfügung haben . Dies darf aber nur
        unter strikter Beachtung und Einhaltung des Grundrechts
        auf informationelle Selbstbestimmung geschehen . Den
        vorliegenden Gesetzentwurf können wir, trotz der Nach-
        besserungen, aufgrund der oben geschilderten Bedenken
        nicht mittragen . Wir werden uns deshalb enthalten .
        Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Die für Regierungen als auch für vernünftige
        parlamentarische Betrachtungen der Wirklichkeit so
        grundlegende und wichtige Arbeit der Statistikbehörden
        unterliegt, neben zahlreichen anderen Vorgaben, beson-
        deren datenschutzrechtlichen Anforderungen .
        Mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungs-
        gerichts aus den 80er-Jahren zum damaligen Zensusge-
        setz begann ein Prozess der Vergesetzlichung auch der
        amtlichen Statistik . Denn, so hielt es das Gericht damals
        fest, auch die für rein statistische Zwecke erhobenen,
        aber auf personenbeziehbare Daten basierenden Bestän-
        de werfen Risiken für die informationelle Selbstbestim-
        mung der Bürgerinnen und Bürger auf, denen der Gesetz-
        geber mit effektiven Schutzregelungen begegnen muss .
        Der heute hier zur Abstimmung gestellte Entwurf des
        Bundesstatistikgesetzes erweitert und vertieft die Mög-
        lichkeiten bundesdeutscher Statistikbehörden, insbeson-
        dere aber des Bundesamtes für Statistik, Informationen
        und Daten der Bürgerinnen und Bürger zu erfassen und
        auszuwerten . So sind die verstärkte gegenseitige Nut-
        zung von Datenbeständen zwischen den Behörden sowie
        die Schaffung einer dauerhaften Rechtsgrundlage für ein
        adressgenaues Anschriften- und Gebäuderegister für die
        gesamte Bundesrepublik, betrieben unter der Federfüh-
        rung des Bundesamtes, beispielhaft zu nennen .
        Wir haben, anders als die Bundesbeauftragte für den
        Datenschutz, welche dem Innenausschuss freundlicher-
        weise ihre Stellungnahme zum Gesetzentwurf, dessen
        grundsätzliche Intention wir wie ausgeführt teilen, hat
        zukommen lassen, Bedenken, ob dieses geplante Regis-
        ter die Schwelle der datenschutzrechtlich notwendigen
        hinreichenden Erforderlichkeit tatsächlich erreicht .
        Immerhin wird eine umfangreiche bundesweite Be-
        stände aufweisende Datenbank dauerhaft angelegt, mit
        der PLZ, Gemeinde, Straße und Hausnummer, eine Ord-
        nungsnummer, die Anzahl der Personen pro Haushalt, die
        Wohnraumeigenschaft, mit der Möglichkeit der Zuspei-
        cherung von Daten aus Registern (aus Land und Bund)
        und allgemein zugänglichen Quellen, erfasst werden .
        Wir hatten solche Erfassungsmöglichkeiten bislang
        nur temporär, aus Anlass eines Zensus, eröffnet . Dass wir
        allein für Stichprobenerhebungen der Statistikbehörden
        zu den unterschiedlichsten Zwecken nun eine dauerhafte
        Speicherung brauchen, das scheint weder zwingend noch
        scheint es dem Grundsatz der Datensparsamkeit Rech-
        nung zu tragen .
        Richtig ist zwar, dass die Daten bereits dadurch ge-
        schützt sind, dass sie der strengen statistischen Geheim-
        haltung nach § 16 BStatG unterliegen und an Stellen
        außerhalb der Statistik nur in gesetzlich geregelten Aus-
        nahmefällen und in anonymisierter Form übermittelt
        werden dürfen . Mit der Durchführung von Bundessta-
        tistiken sind ausschließlich Amtsträger und Beschäftigte
        des öffentlichen Dienstes betraut, die bei der Aufnahme
        ihrer Tätigkeit auf die Einhaltung des Statistikgeheim-
        nisses  besonders  verpflichtet  wurden.  Verstöße  gegen 
        die statistische Geheimhaltung werden strafrechtlich ver-
        folgt und können mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jah-
        ren geahndet werden. Als statistikspezifische Ergänzung 
        der Strafvorschriften der §§ 203 ff . StGB ist außerdem
        eine Zusammenführung von Einzelangaben aus Bun-
        desstatistiken oder solcher Einzelangaben mit anderen
        Angaben zum Zwecke der Herstellung eines Personen-,
        Unternehmens-, Betriebs- oder Arbeitsstättenbezugs au-
        ßerhalb der Aufgabenstellung des BStatG oder der eine
        Bundesstatistik anordnenden Rechtsvorschrift untersagt
        (Verbot der Reidentifizierung gemäß §§ 21, 22 BStatG). 
        Gleichwohl muss es auch für die – zunächst intern blei-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616558
        (A) (C)
        (B) (D)
        benden – Informationen der Bürgerinnen und Bürger in
        den Statistikbehörden bei der Einhaltung aller zentralen
        Grundsätze des Datenschutzes bleiben . Eine strafrecht-
        liche Bewehrung von Verstößen kann das Fehlen der
        Einhaltung anderer Bestimmungen nicht ohne Weiteres
        kompensieren .
        Wir verstehen, dass im Zeitalter von Big Data auch die
        Statistikbehörden nicht ins Hintertreffen geraten wollen .
        Und vielleicht ist dies ja eine zwingende Entwicklung:
        Auch die staatlichen Stellen müssen – Stichwort E-Go-
        vernment – eine Modernisierung ihrer Informations- und
        Verwaltungsinfrastrukturen erbringen, die eine der zen-
        tralen Herausforderungen der kommenden Jahre und
        Jahrzehnte darstellt . Gerade die Statistik wird heute mehr
        mit Unternehmen wie Google oder Facebook assoziiert,
        auch wenn wir wenig über deren Berechnungsmethoden
        und Algorithmen im Einzelnen sagen können, weil sie
        unter dem Schirm der Betriebs- und Geschäftsgeheim-
        nisse verwahrt bleiben, obwohl deren Wirkungen heute
        ganze Gesellschaften betreffen . Es ist also nur verständ-
        lich, dass unsere Statistikbehörden hier nachrüsten wol-
        len .
        Doch wir sollten aufpassen, von Beginn nicht auf das
        falsche Gleis zu kommen . Die Bundesverwaltung kann
        und muss mit besonderem Beispiel vorangehen, wenn es
        um die Wahrung von Allgemeinwohlbelangen und die
        Gewährleistung der Rechte der Bürgerinnen und Bür-
        ger im Zuge der Digitalisierung geht . Dies gilt auch für
        die im Rahmen dieses Verfahrens umstrittene Frage der
        Speicherung von Wirtschaftsstatistikdaten unter einheit-
        lichen Ordnungsmerkmalen .
        Zunächst gilt: Auch wir begrüßen die Möglichkeit der
        Zusammenführung von Wirtschaftsstatistikdaten für wis-
        senschaftliche Zwecke . Die Regelung der Vergangenheit
        sah allerdings eine bis zu 30-jährige zulässige Speicher-
        frist vor, und zwar mit der Maßgabe, dass die zu Zwecken
        der Wirtschaftsstatistik in unterschiedlichen Datenban-
        ken erfassten Daten mit einheitlichen Ordnungsnummern
        abgespeichert werden . Der Bundesgesetzgeber hat dieser
        besonderen Risikolage für Betroffene mit einer Geset-
        zesänderung Rechnung tragen wollen, indem er die in
        § 13 a BstatG festgelegte Speicherfrist auf zehn Jahre
        reduzieren wollte . Diese datenschutzrechtlich positive
        Änderung – wir können das vom Bundesministerium des
        Innern nicht häufig sagen – begrüßen wir.
        Leider hat die Große Koalition eine Rolle rückwärts
        angetreten und zielt mit ihrem Änderungsantrag auf die
        Beibehaltung der 30-Jahre-Frist . Die BfDI hat dazu ihre
        Stellungnahme vorgelegt; sie zitiert dazu neuere Recht-
        sprechung insbesondere des VGH Mannheim, wonach
        die gleichzeitige Speicherung einheitlicher Kennnum-
        mern bei Einzelunternehmern, zum Beispiel Rechts-
        anwälten oder Steuerberatern, in verschiedenen Statis-
        tikregistern eine Zusammenführung unterschiedlicher
        Informationen zu Einzelunternehmern erlaube, die so
        nicht mehr mit dem Recht auf informationelle Selbstbe-
        stimmung vereinbar seien . Wer die zum Teil äußerst fein-
        granulierten Erhebungen der Statistikbehörden in diesem
        Bereich der Wirtschaftsstatistik kennt, kann nachvollzie-
        hen, worin hier die Probleme bestehen . So können etwa
        die monatlichen Einkünfte eines einzelnen Rechtsanwal-
        tes über den gesamten Erfassungszeitraum von 30 Jah-
        ren, in Zusammenschau mit weiteren Informationen zu
        seiner Kanzlei, bei den Statistikbehörden hinterlegt sein .
        Und diese Datenbestände müssen wir uns vor dem Hin-
        tergrund einer zunehmend vernetzten Datenverarbeitung
        dieser Behörden mitsamt den gegenseitigen Zugriffsbe-
        fugnissen vorstellen .
        Wir teilen deshalb die Auffassung der Bundesbeauf-
        tragten für den Datenschutz und die Informationsfrei-
        heit, dass der Änderungsantrag der Großen Koalition in
        diesem Punkt zu weit geht und lehnen die Beibehaltung
        der überlangen Speicherfrist angesichts der einheitlichen
        Ordnungsmerkmale und der damit verbundenen Daten-
        schutzrisiken ab . Die Aussagekraft von Wirtschaftsstatis-
        tiken an sich wird von einer dementsprechend verkürzten
        Speicherfrist nicht erheblich beeinträchtigt .
        Im Gesamturteil können wir deshalb diesem Gesetz-
        entwurf, der in einiger Hinsicht auch die Umsetzung
        notwendiger EU-rechtlicher Vorgaben sowie nachvoll-
        ziehbare Verbesserungen der Stellung des Bundesamtes
        beinhaltet, nicht zustimmen . Unsere Enthaltung mag hin-
        länglich zum Ausdruck bringen, welche Komplexität die
        Bewertung der Gemengelage aus unterschiedlichen Zie-
        len aufweist, die mit Statistikgesetzgebung einhergehen .
        Umso wichtiger erscheint uns, dass für diesen Bereich
        im parlamentarischen Verfahren zukünftig versucht wird,
        von vornherein der Komplexität der zu regelnden Ver-
        fahren und aufgeworfenen Fragen dadurch Rechnung zu
        tragen, dass die Möglichkeiten der gemeinsamen vorhe-
        rigen fachlichen Befassung ausgeschöpft werden . Die
        Perspektive von Big Data in den Statistikbehörden sollte
        uns dazu veranlassen, zukünftig dieser Frage besondere
        Aufmerksamkeit zu widmen .
        Anlage 19
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/
        CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ers-
        ten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstruk-
        turgesetzes (Tagesordnungspunkt 23)
        Artur Auernhammer (CDU/CSU): Der Milchmarkt
        in Deutschland liegt am Boden . Die Agrarwirtschaft in
        unserem Land wird durch die aktuelle Preispolitik krank .
        Die Herren Engels und Marx würden heute wohl sagen:
        Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst katastro-
        phaler Milchpreise .
        Wer aber glaubt, die Milchpreissituation auf dem deut-
        schen Markt sei singulär eine Folge der ausgelaufenen
        Milchquote, der irrt . Unterschätzen wir nicht die aktuel-
        len politischen Geschehnisse in Europa, in der Welt; denn
        der Milchmarkt verändert sich derzeit rasant . Unsere na-
        tionale Aufgabe ist es, für unsere Bäuerinnen und Bauern
        Lösungen zu finden, wie der deutsche Milchmarkt gesi-
        chert werden kann . Die Lösung selbst dafür müssen wir
        aber mindestens auf der europäischen Ebene finden. 
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16559
        (A) (C)
        (B) (D)
        Wenn wir bislang unter Globalisierung auch ein Zu-
        sammenrücken der Staaten im Handel verstanden ha-
        ben, dann spüren wir derzeit die Auswirkungen einer
        Globalisierung der Stufe 2 .0 plus . Deutlich wird, dass
        die eigenen heimischen Milchmärkte unserer Export-Im-
        port-Partner, wie beispielsweise in China, gestärkt sind
        und selbstbewusster agieren als früher . Dass bayerische
        Exportmilch in China bessere Preise erzielt als heimische
        China-Milch, ist leider ein Fakt der Vergangenheit .
        Von einem Exporteinbruch kann dennoch nicht ge-
        sprochen werden . Allein die Gewinnmargen sind ge-
        ringer und eignen sich kaum noch, den heimischen
        deutschen Milchmarkt zu subventionieren . Doch das ge-
        schieht oftmals . Der Rohmilchpreiserlös je Kilogramm
        liegt bei einigen Molkereien derzeit bei 17 bis 18 Eu-
        rocent . Mehr zahlt der Lebensmitteleinzelhandel derzeit
        nicht . Dass vereinzelte Molkereigenossenschaften und
        -vereinigungen freilich den Milchbauern noch mehr zah-
        len können, liegt an einer Mischkalkulation mit Quersub-
        ventionierung aus höheren Erlösen aus beispielsweise
        Trockenmilch .
        Zudem spüren wir in Deutschland eine zunehmende
        Vitalisierung europäischer Konkurrenz . Irland erhöhte
        die Milchproduktion in den letzten Jahren exorbitant . Die
        ganzjährige Weidehaltung macht Irland zu einem Milch-
        hotspot innerhalb der EU .
        Daran wird deutlich: Es gibt keine nationale Lösung .
        Das Problem ist schon auf europäischer Ebene schwer
        zu justieren . Der Milchmarkt macht schon seit etlichen
        Jahrzehnten nicht mehr an den Alpenkämmen halt . Aber
        er wird zunehmend auch nicht vom Atlantik und den
        Karpaten begrenzt . Der Milchmarkt ist dabei, sich gänz-
        lich der Globalisierung hinzugeben . Wer jetzt eine neue
        Milchquotierung der EU fordert, verkennt deren markt-
        verzerrende Wirkung und hat aus den letzten 35 Jahren
        Milchquotenregelung nichts gelernt . Die Milchquote
        hat den Start für eine gesunde Agrarmarktaufstellung im
        Segment Milch ins heutige Jahr verschoben . Einen Ge-
        fallen haben wir uns damit nicht getan .
        Was nun greifen muss, ist die soziale Marktwirtschaft .
        Und dazu gehört eben auch, dass wir die Marktwirtschaft
        nicht verlassen . Nur so sind wir erfolgreich . Mit dem
        Agrarstrukturänderungsgesetz wollen wir nun einen Weg
        beschreiten, der nach marktregulatorischen Mechanis-
        men sucht, die den Übergang aus der Milchkrise durch
        Kartellbildungen suchen . Ich bin weiterhin bemüht, den
        Nutzen dieser Maßnahme zu finden. Bislang vergebens. 
        Ich weiß, dass Planwirtschaft stets die Theorie der Praxis
        vorzieht . Daher glaube ich, dass dieses Gesetz bestenfalls
        psychologisch beruhigend wirken kann . Bestenfalls!
        Einen praktischen Nutzen, der die Existenzen schützt,
        der das Einkommen der Landwirte absichert, die
        Milchwirtschaft nachhaltig stärken kann und nicht zu-
        letzt die Lebensmittelsicherheit gewährleistet, wird zum
        jetzigen Zeitpunkt keiner absehen können . Ich kann es
        derzeit nicht .
        Unbestritten ist, dass wir die Lieferbeziehungen zwi-
        schen Molkereien und Erzeugergemeinschaften ver-
        stärken müssen . Unbestritten ist, dass der Lebensmit-
        teleinzelhandel sich zunehmend der Verantwortung der
        Bürgerschaft gegenüber den Erzeugern bewusst wird .
        Unbestritten aber auch, dass hier noch viel zu tun ist und
        wir am Anfang eines solchen Bewusstseins stehen .
        Es ist heute nicht der Anlass, Raubrittermethoden des
        Handels gegenüber der Bauernschaft anzuprangern . Aber
        ich stelle als Landwirt und Verbraucher gleichermaßen
        fest, dass die Rolle des Einzelhandels in der Lebensmit-
        telversorgung flächendeckend nicht der entspricht, der sie 
        entsprechen könnte und sollte! Denn Lebensmittelversor-
        gungssicherheit kann nicht allein Aufgabe der Landwirte
        sein . Sie ist auch Angelegenheit der Lebensmittelketten .
        Und da sei klar erklärt: Wer einen Zusammenschluss von
        Tengelmann und Edeka feiert, kann sich heute nicht als
        Robin Hood feiern lassen . Den Lebensmittelhandelskon-
        zernen kommt im besonderen Maße die Aufgabe zu, Fair
        Trade zu leben . Wer sich über Fair-Trade-Kaffee freut
        und Milchpreise von 18 Eurocent je Kilogramm zu zah-
        len bereit ist, versteht nicht, dass gerechter Handel eben
        auch in Deutschland beginnt .
        Ob dieses Gesetz die Lösung aus der Krise ist, wird
        die Zukunft zeigen . Ich wünschte mir eine schnelle und
        effektivere Lösung, die zudem das zunehmend unausge-
        sprochene Problem der Mangelernährung in Jemen, in
        Syrien und anderen Krisenregionen im Blick hat . Unsere
        Überproduktion wird benötigt! Menschen hungern! Da
        können wir nicht in Deutschland, in Spree-Athen ernst-
        haft debattieren, wie wir die Milchmengen künstlich re-
        duzieren . Ich plädiere für eine aktive humanitäre Hilfe –
        und das schnell und unkompliziert –, die den Hunger in
        den Krisengebieten lindert!
        Entscheidend ist: Diese Hilfe darf nicht stoppen, wenn
        wir mit den Milchpreisen aus der Talsenke zu höheren
        Preisen finden. Wenn wir diesen Lösungsansatz verfol-
        gen, verpflichten wir uns, unseren Mitmenschen  länger 
        zu helfen und ihr Leid zu lindern . Wir dürfen sie nicht
        für die Krisenbewältigung benutzen, aber wir dürfen hel-
        fen – helfen, wo Hilfe dringend nötig ist!
        Für den Moment gilt: Das Gesetz sollten wir zur Be-
        ratung in die Ausschüsse überweisen . Ich befürchte aber,
        dass eine segensreiche Wirkung von diesem Gesetz und
        den daraus folgenden Maßnahmen eher gering sein wird .
        Ich würde mich freuen, wenn ich mich irre und dies die
        Beratungen in den Ausschüssen zeigen .
        Kees de Vries (CDU/CSU): Mit dem Auslaufen
        der Milchquote war klar, dass wir die Milchwirtschaft
        in den, von der Mehrheit der Branche gewollten, freien
        Markt entlassen . Und wenn wir ehrlich sind, sollten wir
        nun sagen, dass es jetzt in der Krise keine andere Lösung
        gibt, als die Marktkräfte im Rahmen der sozialen Markt-
        wirtschaft zu entfalten . Das bedeutet in der Konsequenz
        auch: Die Milchproduktion muss reduziert werden . Sonst
        wird sich die Lage am Milchmarkt nicht entspannen .
        Eine solidarische, europaweit vereinbarte Produkti-
        onsverringerung kann eine Lösung sein . Das würde be-
        deuten: Alle Milchproduzenten in der EU vereinbaren
        über ihre Organisationen gemeinsam eine Produktions-
        begrenzung . Dem stehen aber bisher die geltenden Geset-
        ze im Weg . Deshalb wurde die Kommission am 14 . März
        2016 aufgefordert, die befristete Möglichkeit zu schaf-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616560
        (A) (C)
        (B) (D)
        fen, die Rohmilchproduktion auf freiwilliger Basis zu
        regulieren . Daraufhin hat die Kommission den Entwurf
        eines Durchführungsrechtsaktes und eines delegierten
        Rechtsaktes vorgelegt . Die Entwürfe sehen vor, dass an-
        erkannte Agrarorganisationen sowie Genossenschaften
        und andere nicht anerkannte Erzeugervereinigungen im
        Milchsektor befristet für einen Zeitraum von sechs Mo-
        naten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen treffen
        und Beschlüsse fassen können, welche die Planung der
        Milchproduktion zum Gegenstand haben . Der Anwen-
        dungsbereich des geltenden Agrarmarktstrukturgesetzes
        soll hiernach auf nicht anerkannte Agrarorganisationen
        ausgedehnt werden, da die EU-Rechtsakte auch für die-
        se Organisationen die Möglichkeit von Vereinbarungen
        und Beschlüssen anlässlich von Marktkrisen vorsehen .
        Dem können wir als CDU/CSU-Fraktion zustimmen und
        haben heute diesen Beschluss als Gesetzentwurf einge-
        bracht . Damit wollen wir nicht nur kartellrechtliche Er-
        leichterungen für Mengenabsprachen ermöglichen, son-
        dern auch eine Steuerung der Angebotsmenge durch die
        Erzeuger selbst ermöglichen, um so ein besseres Gleich-
        gewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen .
        Es wird sicherlich nicht einfach sein, dieses Ziel zu
        erreichen . Aber damit haben diejenigen, die unter dieser
        Überproduktion leiden, sie aber gleichzeitig auch zu ver-
        antworten haben, es selber in der Hand, eine Lösung her-
        beizuführen . Hoffen wir, dass jeder diese Chance auch
        versteht . Abschließend lassen Sie mich zusammenfassen:
        Dieser Gesetzentwurf ist nicht zu beanstanden, und ich
        bitte um Ihre Zustimmung .
        Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Der internationale
        Milchmarkt ist derzeit aus dem Gleichgewicht geraten .
        Ist die Nachfrage nach Milchprodukten weltweit bis
        2014 noch gewachsen, leidet der Milchsektor derzeit
        an einem Überangebot, das die Preise in die Tiefe stür-
        zen lässt . Die Preise für konventionelle Milch liegen
        in Deutschland derzeit bei 26 Cent je Kilogramm . An-
        fang 2014 lag der Preis noch bei über 40 Cent je Kilo-
        gramm . Auskömmliche Preise liegen, je nach Betrieb,
        bei 33 bis 35 Cent je Kilogramm . So erzielt ein Landwirt
        derzeit rund 32,5 Prozent weniger Umsatz je Kuh, was
        bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von 30 Litern
        einen Verlust gegenüber 2014 von 3,90 Euro je Tier pro
        Tag bzw . über 1 400 Euro pro Jahr ausmacht .
        Die Gründe für die niedrigen Preise sind vielfältig: So
        ist auf der internationalen Ebene die Nachfrage einge-
        brochen . Vor allem aufgrund der Wirtschaftskrise in der
        Volksrepublik China und den arabischen Staaten sowie
        nach den Handelsrestriktionen durch die Russische Fö-
        deration wird international weniger Milch gehandelt .
        Hinzu kommt, dass spätestens mit dem EU-Milchquoten-
        ende Anfang 2015 die Milchproduktion in der EU zuge-
        nommen hat . Gerade in EU-Mitgliedstaaten wir Irland
        oder den Niederlanden stieg die Milchproduktion um 13
        bzw . 7 Prozent an, während die Anzahl der Tiere nicht
        abgenommen hat .
        Seien wir ehrlich: Auch die Förderprogramme der
        Bundesländer haben ihren Beitrag dazu geleistet, dass
        die deutschen Milchbauern in die Modernisierung und
        die Erweiterung ihrer Kapazitäten zu Zeiten von hohen
        Preisen investiert haben . Hinzu kommt, dass ein Oligo-
        pol im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Molkereien
        den Bauern die Preise diktiert . Dabei ist Gewinnmaxi-
        mierung die Handlungsmaxime . Hier haben wir auch ein
        grundlegendes Problem, dass die Andienungspflicht, also 
        die vertraglich garantierte Abnahme der Milch jeglicher
        Menge, einen freien Wettbewerb verhindert .
        Doch nun kommen einige Bauern in die Schwierig-
        keit, aufgrund des niedrigen Milchpreises ihre Kredite zu
        bezahlen . Kurzum: Der gesamte Milchmarkt ist derzeit
        in einer sehr schwierigen Lage .
        Auch lassen sich keine wesentlichen Produktionsver-
        ringerungen im Bereich der Milch und der Milcherzeug-
        nisse für die nächsten Jahre erkennen . Daher wollen wir
        als SPD die möglichen Stellschrauben drehen, um auf
        diese Situation angemessen reagieren zu können . Dazu
        gehört auch der heute diskutierte Entwurf zum Agrar-
        marktstrukturgesetz .
        Dieser stellt lediglich eine Umsetzung geltenden EU-
        Rechts dar . Das geänderte EU-Recht sieht die Möglich-
        keit vor, dass Agrarorganisationen und genossenschaft-
        liche Molkereien befristet für einen Zeitraum von sechs
        Monaten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen zur
        Milchmengenproduktion treffen können . Die Milchbau-
        ern und Molkereien können damit die Produktionsmenge
        flexibler steuern, um wieder zu auskömmlichen Preisen 
        zu kommen . Allerdings müssen wir noch genau prüfen,
        wie lange diese Ausnahmeregelung gelten soll . Meines
        Erachtens darf dies nur vorübergehend gelten .
        Außerdem sollte die gesamte Produktionskette mit
        einbezogen werden . Das heißt, es muss noch geklärt
        werden, wer alles zukünftig freiwillige Vereinbarungen
        treffen darf; denn im Entwurf heißt es, dass die Rege-
        lung auch für „nicht anerkannte Vereinigungen land-
        wirtschaftlicher Erzeugerbetriebe oder nicht anerkannte
        Vereinigungen dieser Erzeugervereinigungen“ gilt . Das
        heißt für mich, dass vom Landwirt über die Molkerei bis
        hin zum Lebensmitteleinzelhandel alle erfasst sind und
        alle auch miteinander nun Vereinbarungen treffen dür-
        fen . Aber diese neue Möglichkeit des Marktes muss auch
        kontrolliert werden können . Wir als SPD werden da ge-
        nau hinschauen, dass dies auch geregelt wird .
        Mit dem Agrarmarktstrukturgesetz stellen wir uns als
        SPD unserer Verantwortung, aber es kann nur ein Beitrag
        von mehreren sein, um der Krise zu begegnen . Nur durch
        nationale Maßnahmen werden wir die Milchkrise nicht
        bewältigen können . Hierfür muss auch auf internationa-
        ler Ebene weiter Druck auf den Sektor ausgeübt werden .
        Wir brauchen seriöse Vorschläge, um den Sektor wirk-
        lich unterstützen zu können; denn das, was zum Beispiel
        die AMK beschlossen hat, ist hochgradig widersprüch-
        lich und mehr Symbolpolitik als tatsächliche Hilfe . Ei-
        nerseits wollen die Minister keine Rückkehr zur staat-
        lich  finanzierten  Milchquote,  andererseits  beschließen 
        sie eine an eine Mengenreduktion gekoppelte staatliche
        Bonuszahlung und/oder Liquiditätshilfe . Wir als SPD
        lehnen grundsätzlich jede Form eines erneuten Quoten-
        systems ab .
        Auch die Verstetigung des für 2016 um 78 Millionen
        Euro auf 178 Millionen Euro erhöhten Bundeszuschusses
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16561
        (A) (C)
        (B) (D)
        zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch für
        die folgenden Jahre wird den Milchbauern nicht wirklich
        helfen . Das Geld wird doch dann nur im Gießkannen-
        prinzip auf alle Landwirtschaftsbetriebe verteilt . Was ha-
        ben denn die Milchbetriebe davon? Wir werden bei den
        Haushaltsverhandlungen genau prüfen, inwieweit wir
        diesen Schritt mitgehen können . Keine staatliche Men-
        genregulierung hat jemals Preisschwankungen verhin-
        dern können . Die Schwierigkeiten auf dem Milchmarkt
        werden sich nur durch mittel- und langfristige Struktur-
        veränderungen dieser Branche lösen lassen .
        Hier sind Supermärkte, Molkereien, Landwirte und
        Politik von Bund und Ländern gleichermaßen gefragt .
        Daher führt meines Erachtens kein Weg daran vorbei,
        dass wir die Verhandlungsposition der Landwirte gegen-
        über den Molkereien stärken müssen . Wir benötigen wie-
        der einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen den Mol-
        kereien und den Landwirten. Das geht nur mit flexibleren 
        Vertragsgestaltungen und einem Ende der Andienungs-
        pflicht. Auch müssen die Länder über ihre mit EU-Gel-
        dern gestützten Agrarförderprogramme noch stärkere
        Anreize schaffen, damit Landwirte vermehrt auf Bio und
        weitere nachhaltige, klima- und umweltverträgliche Hal-
        tungsweisen wie Weideprogramme setzen .
        Sie sehen, es gibt noch zahlreiche Maßnahmen, die er-
        griffen werden können, und wir haben noch einen langen
        Weg vor uns . Die Anpassung des Agrarmarktstrukturge-
        setzes ist dabei ein erster Aufschlag .
        Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Lage in
        der konventionellen Milchviehhaltung ist sehr ernst . Seit
        vielen Monaten decken die Erzeugerpreise nicht einmal
        die Produktionskosten, geschweige denn die explodierten
        Bodenpreise oder die Zinsen für den Stallneubau . Ohne
        Solar- oder Biogasanlage könnten sich viele Landwirte
        Milchkühe längst nicht mehr leisten! Anderen Teilen der
        Landwirtschaft geht es nicht besser .
        Und wo ist der zuständige Minister? Auf Tauchstation .
        Die Koalition verharrt im Beobachtungsmodus . Dabei
        geht es in den Betrieben ums Überleben . Nicht wenige
        halten nur durch, weil sie sonst die Beschäftigten raus-
        werfen müssten . Deshalb frage ich Bundesminister und
        Koalition: Was sagen Sie Milchbauern, die überlegen,
        ob sie weiter jede Nacht zum Melken aufstehen oder die
        Kühe besser zum Schlachthof fahren sollen? Was raten
        sie dem Junglandwirt, der fragt, ob er den Milchviehbe-
        trieb der Eltern übernehmen oder sich lieber einen Job in
        der Stadt suchen soll? Oder was sagen Sie der Genossen-
        schaft, die fragt, ob sie weiter ausbilden soll?
        Sie haben die Betriebe mit Ihrer Fata Morgana eines
        unersättlichen Weltmarktes in eine Sackgasse gelockt!
        Und jetzt sagen Sie: Sie müssen schon selbst herausfin-
        den . – Dieser Zynismus ist unerträglich! Ihre Agrarpolitik
        hat doch versagt, nicht die Betriebe, die Ihnen geglaubt
        haben! Es war doch Minister Schmidt, der vor einem
        Jahr die Zukunft der Milchviehbetriebe nach dem Ende
        der Quote „sehr optimistisch“ sah . Es war doch Staats-
        sekretär Bleser, der im Bundestag kurz davor sagte: Ich
        appelliere an uns alle, mehr Vertrauen in die Märkte zu
        haben . – Genau diese Marktgläubigkeit ist ein schwerer
        Systemfehler, der endlich behoben werden muss!
        Man konnte es doch schon damals besser wissen .
        Zum Beispiel sagte ich in der Debatte vor einem Jahr:
        „Manche jubeln jetzt darüber, dass die Fesseln der Quote
        endlich fallen, damit sie endlich so viel Milch produzie-
        ren können, wie sie wollen . Wachstum ist hier das Zau-
        berwort . Der Preis für diese Freiheit könnte sich aber
        als  sehr hoch erweisen; denn die Profiteure dieser Ent-
        scheidung arbeiten nicht in den Kuhställen . Sie sitzen vor
        allen Dingen in den Chefetagen des Lebensmitteleinzel-
        handels und der Molkereien . Sie werden bald auf große
        Mengen billiger Milch zugreifen können . Gleichzeitig
        haben sie die Marktmacht, die Preise für die Erzeuger
        noch unter die Erzeugungskosten zu drücken, zum Wohl
        der  eigenen Profite.“ Manchmal möchte man  gar  nicht 
        recht behalten!
        Der Gipfel der Scheinheiligkeit aber ist, wenn sich
        jetzt Handel und Molkereien gegenseitig verdächtigen,
        sich auf Kosten der Betriebe zu bereichern! Sie nutzen
        beide ihre Marktübermacht aus! Aber weder Koalition
        noch Bundesregierung hindern sie daran, im Gegenteil .
        Sie raten zu stufenübergreifenden Branchenverbänden .
        Das wäre bei der Marktübermacht der Handels- und Mol-
        kereikonzerne ein Pakt mit dem Teufel!
        Ja, auch mit der Quote gab es zyklische Milchpreiskri-
        sen, weil auch sie auf einen unersättlichen Weltmarkt ori-
        entiert war! Und ja, es war ein sehr teures System, weil
        die Betriebe die Quoten an Börsen kaufen mussten . Des-
        halb war der Ausstieg aus dieser Quote richtig . Aber das
        Gegenteil eines Fehlers ist eben auch oft ein Fehler . Wie-
        so muss ich als Linke erklären, dass mit übermächtigen
        Molkerei- und Handelskonzernen ein fairer Wettbewerb
        nicht funktionieren kann? Die Milchseen und Butterber-
        ge machen es doch noch leichter, Dumpingpreise durch-
        zusetzen! Und die aktuelle Milchkrise ist noch härter als
        die vorangegangenen . Sie trifft nicht nur kleine Betriebe,
        sondern auch „Zukunftsbetriebe“, die dem Versprechen
        von den blühenden Landschaften des Ministers geglaubt
        und investiert haben!
        Es gilt nicht mehr „Wachse oder weiche“, sondern
        „Wachse und weiche“! Bei den landwirtschaftlichen Ein-
        kommen steht Deutschland unterdessen auf dem letzten
        Platz in der EU nach einem Absturz von 25 Prozent in-
        nerhalb der letzten fünf Jahre! Und es geht auch nicht nur
        um zu geringes Milchgeld . Längst ist der Boden als Exis-
        tenzgrundlage nicht mehr sicher, sondern zum Spekula-
        tionsobjekt geworden . Landwirtschaftsfremdes Kapital
        zieht wie Heuschrecken übers Land und treibt die Bo-
        denpreise in astronomische Höhen, die selbst ohne Krise
        mit Einkommen aus der Landwirtschaft nicht zu bezah-
        len sind! Eine Folge: In Mecklenburg-Vorpommern zum
        Beispiel gehören bereits ein Drittel der Landwirtschafts-
        betriebe nicht mehr Ortsansässigen! Lebendige Dörfer
        brauchen aber die ortsansässige Landwirtschaft!
        Was muss sich also ändern? Für die Linke wiederho-
        le ich die Kernforderungen: Erstens . Wir brauchen eine
        flexible,  nachfrageorientierte  Mengensteuerung  gegen 
        Milchseen und Butterberge .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 201616562
        (A) (C)
        (B) (D)
        Zweitens . Kartell- und Vertragsrecht müssen die
        Landwirtschaft auf Augenhöhe mit Molkereien und Han-
        del bringen .
        Drittens . Regionale Molkereien sind zum Beispiel in
        Brandenburg ein Erfolgsrezept .
        Viertens . Mehr regionale Lebensmittel im Handel –
        darauf setzt jetzt auch Thüringen .
        Fünftens: Sonderangebote bei Lebensmitteln gehören
        endlich verboten!
        Sechstens . Wenn Weidemilch draufsteht, muss sie
        auch drin sein . Wenn Brandenburg draufsteht, muss die
        Kuh auch dort gemolken worden sein .
        Siebentens . Kein Bauernland in Spekulantenhand!
        Achtens . Ein Erhaltungsgebot für landwirtschaftliche
        Flächen muss sichern, dass Milchviehbetriebe ihre Flä-
        chen nicht auch noch an den Straßenbau verlieren!
        Neuntens . Gut ausgebildetes Betreuungspersonal
        muss gut bezahlt werden . Faire Erzeugerpreise sind die
        Voraussetzung .
        Zehntens . Die Gesundheit von Kühen misst man an
        der Lebens-, nicht an der Höchstleistung!
        Ein einfaches Weiter-so ist jedenfalls keine Option!
        Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Noch im März 2015 haben Sie von CDU und CSU
        nicht aufgehört, die Zukunft der Milchbetriebe rosarot zu
        malen . Den Tüchtigen, denen, die Gas gäben, gehöre die
        Zukunft .
        Am 1. April fiel die Quote. 32 Jahre Mengenfessel wa-
        ren endlich weg, aber am 7 . April 2015 verkündete der
        LEH, den Liter Milch für 51 Cent zu verkaufen . Damit
        war der Traum ausgeträumt . Seitdem regieren Heulen
        und Zähneklappern . Von 35 Cent ging der Milchpreis auf
        heute teilweise um die 20 Cent zurück . Das führt gerade
        die großen Wachstumsbetriebe, aber leider auch die bäu-
        erlichen Betriebe in den Ruin .
        Alles ist in Bewegung, nur einer bewegt sich nicht:
        Minister – wie heißt er gleich? Ach ja: Schmidt . Alles
        ist in Bewegung, allerdings nicht zum Guten hin, son-
        dern stramm weiter, schneller, nur noch tiefer hinein
        in die Krise . Die ersten Bauern in NRW erhalten jetzt
        15 Cent am Spotmarkt bei der Molkerei Wiegert, heu-
        te Fude + Serrahn, an denen DMK mehrheitlich, mit
        51 Prozent, beteiligt ist . Dagegen könnte man die nied-
        rigen 23 bis 24 Cent, die DMK zahlt, sarkastisch noch
        fast als fürsorgliche Unterstützung bezeichnen, wenn die
        Situation nicht so ernst wäre .
        Alles bewegt sich . Die Milchanlieferung: höher, hö-
        her, höher . Immer weiter, aktuell 3,2 Prozent über dem
        Vorjahresniveau . Über 3 200 Höfe hörten 2015 schon
        auf, momentan fast 5 Prozent der Betriebe . Wohin uns
        das bringt, haben uns gerade die Preiskontraktverhand-
        lungen des LEH mit den Molkereien gezeigt: runter, run-
        ter, runter . Preisabschläge von 10 Cent sind das Ergebnis .
        Wir Milcherzeuger wissen, was das bedeutet, welche
        wegweisende Bedeutung dieses Ergebnis hat . Das ist eine
        Weichenstellung . Das ist eine Nachricht an den Markt .
        Jetzt ist die Büchse der Pandora geöffnet . Der LEH nutzt
        gnadenlos das Überangebot aus und treibt die Preise tie-
        fer und tiefer . Der Liter Milch für unter 50 Cent, billiger
        als Mineralwasser . Unmoralischer Tiefstand ist das .
        Bauernverband-Geschäftsführer Krüsken hat das als
        Bankrotterklärung des LEH und der Molkereien bezeich-
        net . Recht hat er . Ich würde das aber auch als Bankrott-
        erklärung dieses Ministers, den kaum einer kennt, be-
        zeichnen . Alle bewegen sich . Aber Minister Schmidt
        verweist alleine auf Besserungen in 2025 .
        Ich begrüße das Pilotverfahren des Bundeskartellam-
        tes . Es ist dringend notwendig, die Lieferbeziehungen
        auf dem Milchmarkt zu durchleuchten . Es ist aber auch
        dringend notwendig, das Gesetz, das Agrarmarktstruk-
        turgesetz, zu ändern und die Bündelung der Erzeuger zu
        stärken . Ich warne aber davor, in zu großer Zuversicht zu
        schwelgen, und mahne zur Vorsicht . Wenn das Verfahren
        darauf abzielt, die Flexibilität auf dem Markt zu erhöhen,
        führt das nicht automatisch zu einer Stärkung der Ver-
        handlungsposition der Milcherzeuger .
        Der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverban-
        des, Herr Eckhard Heuser, begrüßte die Eröffnung des
        Verfahrens.  Er  sieht  die  Abnahmepflicht  als  das  Pro-
        blem . Er möchte so von der Verantwortung der Molke-
        reien ablenken . Da wird das Pferd gefährlich von hinten
        aufgezäumt, so schwächen wir die Verhandlungsmacht
        der Erzeuger nur noch mehr . Wir brauchen eine andere
        Marktstruktur mit mehr und kleineren Molkereien . Das
        Bundeskartellamt muss prüfen, wie die Verhandlungspo-
        sition der Erzeuger zu verbessern ist .
        Alle bewegen sich . Die Agrarminister der Länder ha-
        ben in der AMK klare Aufträge an den Minister formuliert .
        Aber auch in Brüssel fordern zahlreiche Mitgliedstaaten
        wirkungsvolle Maßnahmen zur Mengenreduzierung, al-
        len voran Frankreichs Agrarminister Le Foll . Die Euro-
        päische Kommission in Brüssel hat bereits am 23 . März
        2016 in ihrem Non-Paper deutlich aufgezeigt, welche
        Maßnahmen möglich sind: direkte Hilfen für die Erzeu-
        ger, keine rückzahlbaren Kredite, nur gekoppelt an eine
        einfache Leistung, Mengenreduzierung!
        Alle bewegen sich, nur einer steht still: Herr Minister
        Schmidt . Sie stehen mittlerweile auf einsamem Posten .
        Wie lange wollen Sie den Kopf in den Sand stecken und
        sich weigern, den Realitäten ins Auge zu schauen?
        Das Agrarmarktstrukturgesetz, über das wir heute
        debattieren, ist notwendig . Wir werden uns dem nicht
        verweigern . Aber, Herr Minister Schmidt, als Minister
        müssen Sie mehr tun . Agrarpolitik administrativ verwal-
        ten reicht nicht . Aktiv gestalten, das ist jetzt gefordert .
        Herr Minister Schmidt, ich fordere Sie auf: Stützen Sie
        die Linie vieler Bundesländer, denjenigen Molkereien
        und Milchbauern finanziell zu helfen, die Verantwortung 
        übernehmen und die Milchmenge reduzieren . Mengen-
        reduzierung – das weiß außer Ihrem Haus und Ihnen je-
        der – ist das Gebot der Stunde . Es hilft den Milchbäue-
        rinnen und -bauern wenig, wenn sie von Ihnen nur hören,
        2025 werde es besser . Ja, bis dahin sind so viele Betriebe
        ruiniert, dass das sein kann .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 167 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . April 2016 16563
        (A) (C)
        (B) (D)
        Das ist keine grüne Politik, hat aber auch mit christ-
        lich, wie Sie es proklamieren, nichts, aber auch gar nichts
        zu tun . Stellen Sie sich jetzt an die Seite Ihres französi-
        schen Amtskollegen Le Foll . Handeln Sie endlich! Mi-
        nister Schmidt, lösen Sie Probleme, statt weiter auf der
        Bremse zu stehen . Helfen Sie jetzt den Betrieben, damit
        sie morgen noch eine Zukunft haben .
        Anlage 20
        Neudruck: Antwort
        des Parl . Staatssekretärs Dr . Ole Schröder auf die Fra-
        gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau)
        (DIE LINKE) (Drucksache 18/8051, Fragen 29 und 30):
        Wie viele der Verstorbenen hatten nach Kenntnis der Bun-
        desregierung in den Jahren 2005 bis 2015 jeweils zum Zeit-
        punkt ihres Ablebens noch nicht das 65 . Lebensjahr erreicht,
        und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verstorbe-
        nen des jeweiligen Jahres?
        Wie viele der Verstorbenen hatten nach Kenntnis der Bun-
        desregierung in den Jahren 2005 bis 2015 jeweils zum Zeit-
        punkt ihres Ablebens noch nicht das 60 . Lebensjahr erreicht,
        und wie hoch war ihr Anteil an der Gesamtzahl der Verstorbe-
        nen des jeweiligen Jahres?
        Angaben hierzu liegen aus der Statistik der Sterbefälle
        des Statistischen Bundesamtes für die Jahre bis 2014 vor .
        Im Zeitraum 2005 bis 2014 sind insgesamt
        1 392 271 Personen im Alter von unter 65 Jahren und
        davon 963 774 Personen im Alter von unter 60 Jahren
        gestorben .
        Der Anteil an den insgesamt Gestorbenen in diesem
        Zeitraum beträgt
        – bei den Personen, die noch nicht das 65 . Lebensjahr
        erreicht hatten, circa 16,3 Prozent,
        – bei den Personen, die noch nicht das 60 . Lebensjahr
        erreicht hatten, circa 11,3 Prozent .
        Ergänzende Angaben für die Jahre 2005 bis 2014,
        die wegen der begrenzten Antwortzeit nicht vorgetragen
        werden können, entnehmen Sie bitte der Übersicht, die
        wegen ihres Umfangs dem Protokoll beigefügt wird:
        Zahl und Anteil der im Alter von unter 65 bzw. unter 60 Jahren Gestorbenen
        Jahr
        Zahl der Gestorbenen
        im Alter von unter
        65 Jahren
        Anteil an den im je-
        weiligen Jahr Gestor-
        benen in %
        Zahl der Gestorbenen
        im Alter von unter
        60 Jahren
        Anteil an den im jewei-
        ligen Jahr Gestorbenen
        in %
        2005 147 797 17,8 100 262 12,1
        2006 141 508 17,2 99 373 12,1
        2007 138 827 16,8 98 879 12,0
        2008 138 096 16,4 98 329 11,6
        2009 137 043 16,0 98 139 11,5
        2010 137 431 16,0 96 844 11,3
        2011 138 419 16,2 95 217 11,2
        2012 137 074 15,8 92 627 10,7
        2013 139 516 15,6 93 403 10,4
        2014 136 560 15,7 90 701 10,4
        Summe 1392 271 16,3 963 774 11,3
        Quelle: Statistisches Bundesamt
        (163 . Sitzung, Anlage 17)
        Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
        Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
        Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
        167. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 3, ZP 2 u. 3 Stahlindustrie in Deutschland und Europa
        TOP 4 Flexible Gestaltung der Arbeitszeit
        TOP 5 Änderung des Sexualstrafrechts
        TOP 29 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
        TOP 30 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
        ZP 4 Aktuelle Stunde zu Rentenniveau und Altersarmut
        TOP 6 Jahresbericht 2015 des Wehrbeauftragten
        TOP 7 Arbeit für Menschen mit Behinderungen
        TOP 10 Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes
        ZP 5 Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union
        TOP 12 Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie
        TOP 11 Krankenversicherungsbeitrag auf Direktversicherungen
        TOP 14 Innovationstransfer in die Gesundheitsversorgung
        TOP 13 Engagement für Geflüchtete
        TOP 16 Nationales Reformprogramm 2016
        TOP 15 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika
        TOP 18 Errichtung eines Transplantationsregisters
        TOP 17 Tag der Befreiung als gesetzlicher Gedenktag
        TOP 19 Abkommen mit Albanien über Soziale Sicherheit
        TOP 20 Unterbringung in einempsychiatrischenKrankenhaus
        TOP 21 Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt
        TOP 22 Änderung des Bundesstatistikgesetzes
        TOP 23 Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes
        Anlagen
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10
        Anlage 11
        Anlage 12
        Anlage 13
        Anlage 14
        Anlage 15
        Anlage 16
        Anlage 17
        Anlage 18
        Anlage 19
        Anlage 20