Gesamtes Protokol
Ich begrüße Sie herzlich . Die Sitzung ist eröffnet .Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigenKabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Vier-ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes überdie Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung derAgrarstruktur und des Küstenschutzes“.Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bun-desminister für Ernährung und Landwirtschaft, HerrChristian Schmidt . – Herr Minister, bitte .Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute denEntwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Ge-setzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserungder Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ beschlossen .Sie finden die Rechtsgrundlage dafür in Artikel 91 a desGrundgesetzes . Es handelt sich hier um ein Ausführungs-gesetz zu dem Artikel 91 a .Mit der Gesetzesänderung verbinde ich eine klareErwartung: Die Gemeinschaftsaufgabe wird den ländli-chen Raum durch die Erweiterung der Möglichkeiten zurFörderung von Infrastruktur und von Klein- und Kleinst-betrieben voranbringen . Deshalb wollen wir die GAK –so lautet die Abkürzung für die Gemeinschaftsaufgabe„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut-zes“ – zu einem starken politischen Steuerungsinstru-ment weiterentwickeln, zu einem Steuerungsinstrument,das Perspektiven für Landwirtinnen und Landwirteschafft, aber auch für die Menschen in den ländlichenRäumen insgesamt .Wir haben für die Landwirtschaft, die modern und leis-tungsfähig sein soll und ist, mit der Gemeinschaftsauf-gabe ein Instrument der Bund-Länder-Finanzierung, dassich sehr bewährt hat . Zu den Volumina: Wir haben imletzten Jahr gemeinsam einen Bundesanteil von 590 Mil-lionen Euro, dazu kommt ein 40-prozentiger bzw ., wasden Sonderrahmenplan „Verbesserung des Küstenschut-zes“ angeht, ein 30-prozentiger Anteil der Länder, die inden Programmen gemeinsam beschlossen werden . Dasgilt auch für den Forstbereich .Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir nunweitergehen . Bisher beschränkt sich das Verständnis vonLandwirtschaft auf die landwirtschaftliche Produktion ansich . Wir wollen nun auch die strukturellen Fragestellun-gen, die im ländlichen Bereich entstehen, mit einbezie-hen . Das Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse inStadt und Land . Dieser Anspruch gehört zu den Grund-pfeilern unserer Gesellschaft . Das heißt, wir wollen dieAttraktivität der ländlichen Räume stärken . Deswegenmüssen wir auch Instrumente für die Situation finden,dass beispielsweise in kleineren Orten keine Daseinsvor-sorge mehr verfügbar ist oder fehlende berufliche Perspektiven die demografische Entwicklung in diesen Räu-men noch zusätzlich verstärken .Wir haben uns bei diesem Gesetzentwurf deswegendarauf konzentriert, die Möglichkeiten von Investitio-nen in nichtlandwirtschaftliche Kleinstbetriebe zu för-dern . Das betrifft zum Beispiel den Friseurbetrieb, derinvestieren will, den Bäcker am Dorfplatz oder ein Mul-tifunktionshaus . Wir haben dann einen Hebel, um dieNahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen vor Ortzu verbessern . Auch der ländliche Tourismus kann mitGAK-Mitteln angekurbelt werden .Zusätzliches Geld ist dafür notwendig . Wir werdennoch für dieses Jahr – ich hoffe, dass wir dieses Gesetznoch im Herbst dieses Jahres im Gesetzblatt haben –30 Millionen Euro seitens des Bundes sowie den entspre-chenden Länderanteil zur Verfügung haben, um dieseZusatzaufgabe, soweit das noch möglich ist, zu bedienen .Die Gemeinschaftsaufgabe ist damit vom Verständnisher eine Gemeinschaftsaufgabe der ländlichen Entwick-lung und der ländlichen Räume insgesamt .Herr Präsident, so weit meine einleitenden Ausführun-gen .
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Herzlichen Dank . – Wir haben eine ganze Reihe von
Fragen . Wir nehmen zuerst die Fragen zu dem Kom-
plex, der vorgetragen wurde . Ich nenne einmal die Na-
men der Fragesteller: Willi Brase, SPD, Markus Tressel,
Bündnis 90/Die Grünen, Heidrun Bluhm, Linke, Frau
Dr . Tackmann, Linke, Ingrid Pahlmann, CDU/CSU . Das
ist bis jetzt der Stand der Dinge .
– Ach so, Sie auch noch . Entschuldigung, das war ein
Missverständnis .
Bitte schön, Herr Kollege Brase .
Herr Präsident! Herr Minister! Das Wirtschaftsminis-
terium hat kürzlich festgestellt, dass wir in den peripher
gelegenen Regionen mehr gegen die Abwärtsspirale aus
Fachkräftemangel, steigenden Infrastrukturkosten, ge-
ringen kommunalen Einnahmen und fehlender ökonomi-
scher Perspektive machen müssen . Andererseits stellen
wir bei der Betrachtung fest, dass sich 40 Prozent aller
Arbeitsplätze in wissens- und innovationsbasierten und
Unternehmen in der Fläche befinden, davon zwei Drittel
in den ländlichen Regionen . Wenn wir auf der einen Seite
Kenntnis erhalten, dass wir etwas tun müssen, und auf
der anderen Seite wissen, dass die Fläche insgesamt und
auch die ländlichen Regionen stark sind: Reicht dann die
Gebietskulisse, die im Gesetzentwurf beschrieben ist –
vom demografischen Wandel betroffene und periphere
Gebiete –, aus, oder müssen wir an der Stelle nicht ei-
nen größeren Wurf wagen, damit das Positive, das wir in
den ländlichen Regionen in Form von wissensbasierten,
innovativen, wirtschaftlich und industriell starken Berei-
chen haben, noch stärker genutzt werden kann?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Kollege . – Wir sind
bei der Begrenzung der Gebietskulisse in der Ressort-
abstimmung einem Vorschlag des Wirtschaftsministers
nachgekommen, weil wir ja parallel dazu auch die Ge-
meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ haben, die beim BMWi ressortiert . Wir
haben uns jetzt für diese Form der Abgrenzung entschie-
den . Gleichwohl will ich sagen, dass wir einerseits eine
Doppelförderung vermeiden wollen, andererseits aber in
der Praxis feststellen werden, ob es Fehlstellen, weiße
Flecken, gibt, die von niemandem bedient werden . Ich
nehme das als Hinweis, der sicherlich bei den Gesetzes-
beratungen im Hause – davon gehe ich aus – eine gewis-
se Rolle spielen wird . Die Abgrenzung ist um der Ab-
grenzung willen da, und nicht um zu beschreiben, dass es
hier keine Überschneidungen gäbe .
Herzlichen Dank . – Nächster Fragesteller ist Markus
Tressel, Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Minister, das
BMEL hat ja zu Beginn der Wahlperiode die Weiterent-
wicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu einer Gemein-
schaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ als eines seiner
wichtigsten Vorhaben für diese Legislaturperiode be-
zeichnet . Statt der konsequenten Weiterentwicklung wird
ja jetzt lediglich eine neue Maßnahme in die alte GAK
aufgenommen .
Was konkret kann über die neue Maßnahme im Be-
reich der ländlichen Entwicklung gefördert werden, was
vorher nicht förderfähig war, insbesondere im Bereich
der ländlichen Daseinsvorsorge und der Diversifizie-
rung der Wirtschaft? Welche nicht landwirtschaftlichen
Bereiche – Sie haben vorhin den Frisiersalon angespro-
chen – werden förderfähig? Und: Wie adressieren diese
Förderbereiche die Herausforderungen schrumpfender
ländlicher Regionen?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Sie haben völlig zu Recht zitiert, Herr Kollege, was
sich die Regierungskoalition in der Koalitionsvereinba-
rung vorgenommen hat, nämlich die derzeitige Gemein-
schaftsaufgabe zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Länd-
liche Entwicklung“ weiterzuentwickeln . Wir haben uns
dafür entschieden, dieses unterhalb des Rahmens der Än-
derung des Grundgesetzes zu machen . Deswegen bleibt
die Begrifflichkeit die alte. Die Funktion wird allerdings
insofern sehr stark ausgeweitet, weil wir sowohl die Fra-
ge der Ökologie im Bereich der Landwirtschaft als auch
die Infrastrukturentwicklungen, die nur sehr peripher
mit landwirtschaftlicher Produktion zu tun haben, mit
aufnehmen . Es bleibt dem PLANAK und den Abstim-
mungen zwischen Bund und Ländern vorbehalten, das
im Einzelnen zu konkretisieren .
Wir decken damit jetzt den kompletten Bereich des
ELER, der Förderungsmöglichkeiten auf europäischer
Ebene, ab . Ich darf ergänzen, dass wir zusätzlich ein
Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ eingeführt
haben, das keine Bund-Länder-Finanzierung vorsieht,
sondern Pilotprojekte zu diesen Fragen allein mit Bun-
desmitteln zu finanzieren erlaubt.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Heidrun
Bluhm, Fraktion Die Linke .
Herzlichen Dank, Herr Minister, für Ihre bisherigenAusführungen . Auch ich gehe davon aus, dass Sie so-wohl die ELER- als auch die Grundgesetzkonformitätgeprüft haben und wir da nach Einführung des Gesetzesnicht wieder ranmüssen .Ich möchte mich aber bei meiner ersten Frage aufHaushaltsfragen konzentrieren . Wir haben für diesesJahr, 2016, für die GAK insgesamt 40 Millionen Euromehr als für das vorangegangene Jahr eingestellt . Sie ha-ben eben gesagt, davon sind 30 Millionen Euro für die
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Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehen . Meineerste Frage ist: Wie wird sich das in den Folgehaushal-ten weiterentwickeln? Man muss ja, wenn man solch einProgramm neu einführt, davon ausgehen, dass die Mittelerst am Jahresende dort ankommen, wo sie hinsollen, undes erst in den Folgejahren zu großen Aktivitäten kommenwird . Welche Vorstellungen haben Sie dazu, eine Nach-haltigkeitskomponente in dieses Programm zu bringen?Können wir damit rechnen, dass zumindest 2017 – dastehen Sie ja auf jeden Fall noch in der Verantwortung –tatsächlich Impulse gesetzt werden? Denn mit 30 Millio-nen Euro – darüber sind wir uns alle einig – werden wirkeine großen Effekte erzielen .Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Vielen Dank, liebe Kollegin Bluhm . – In diesem Zu-sammenhang habe ich zu den Zahlen zu sagen, dass wirdie Mittel in Höhe von 590 Millionen Euro in diesem Jahrum 30 Millionen Euro für die klassischen Maßnahmender Agrarstrukturförderung und um weitere 30 MillionenEuro für die neuen Maßnahmen aufgestockt haben .Ich darf nachrichtlich ergänzen, dass wir von den Kos-ten des Sonderrahmenplans „Präventiver Hochwasser-schutz“ im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe weitere100 Millionen Euro in diesem Jahr übernehmen werden .Das ist aber ein Sonderrahmenplan, dessen Mittel imRahmen der Bund-Länder-Zusammenarbeit nur für denHochwasserschutz verwendet werden können .Mein Ziel ist, dass sich die ländliche Entwicklung zurBlüte entfaltet und sich die Höhe der finanziellen Mittelauch danach richtet . Wir stellen im Augenblick fest, dassdie Kofinanzierungspotenziale der Länder wohl in demeinen oder anderen Land erst noch geprüft und aktiviertwerden müssen . Mein Ziel als Ressortminister ist es na-türlich, diese Aufgabe zukünftig mit mehr als 30 Millio-nen Euro zu unterlegen .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Dr . Kirsten
Tackmann, Fraktion die Linke .
Vielen Dank, Herr Minister . – Versprechen hinsicht-
lich blühender Landschaften sind ja auch mit Blick auf
die deutsche Geschichte schwierig .
Ich kann an die Ausführungen des Kollegen Brase an-
schließen . Ich wohne selber im ländlichen Raum, in ei-
nem kleinen 60-Seelen-Dorf, und weiß um die Problem-
lage . Es ist durchaus sehr viel Gehirnschmalz notwendig,
um sich den Herausforderungen, die wir dort haben, zu
stellen, zumal ich in der Politik die Erfahrung mache,
dass häufig gedacht wird, da wohnten in der Mehrzahl
nur Leute, die nicht schnell genug weggekommen sind .
Ich kann tatsächlich versichern, dass es nicht so ist .
Mir ist es deswegen aber besonders wichtig, dass hier
nicht nur Verwaltungshandeln besprochen wird, sondern
auch mal gefragt wird: Wie kommen wir denn zu Ent-
scheidungen darüber, was die ländlichen Räume brau-
chen? Und in der Tat tragen wir als Linke schon lange die
Kritik vor, dass die parlamentarische Beteiligung bei der
GAK nicht gesichert ist: Es wird dafür zwar von den Par-
lamenten relativ viel Geld zur Verfügung gestellt, aber
am Ende haben die Parlamente kein Mitspracherecht . In-
sofern möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie das Problem
überhaupt sehen und inwiefern wir da zu einer deutlich
besseren Lösung kommen können .
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Vielen Dank, Frau Kollegin . Ihrer Beschreibung der
Einschätzung ländlicher Räume darf ich mich ausdrück-
lich anschließen . Da liegt ein Missverständnis vor . Länd-
liche Räume sind attraktiv bzw . können es sein .
Im Rahmen der Dialogreihe „Gut leben in Deutschland“
der Bundesregierung habe ich für mein Ressort zehn un-
terschiedliche ländliche Regionen ausgesucht . Wir haben
festgestellt, dass es dort sehr unterschiedliche Frage-
stellungen gibt . In manchen Bereichen ist Struktur zwar
nicht mehr vorhanden, aber der Wohnwert ist so hoch,
dass es zu Zuzügen von anderer Seite kommt . In ande-
ren Bereichen gibt es demografische Entwicklungen,
die in den nächsten Jahren 30 Prozent weniger Bevöl-
kerung erwarten lassen . Da wollen wir ansetzen . Das
heißt, es muss in diese Bereiche investiert werden . Das
muss aber vor allem aus den ländlichen Bereichen selbst
kommen . Dadurch gewinnen die Länder an Bedeutung;
das ist die Rechtfertigung für ihre Mitwirkung an dieser
Gemeinschaftsaufgabe . Allerdings zieht das auch eine
Einschränkung der Verfügbarkeit parlamentarischer Be-
teiligung nach sich .
Es geht hier um das exekutive Handeln zwischen Bund
und Ländern . Sie können mir glauben: Die Arbeit mit den
von mir hochgeschätzten 16 Bundesländern funktioniert
praktisch ganz gut, aber sie ist manchmal nicht ganz ein-
fach . Das jetzige Gesetzgebungsverfahren bietet aber
eine gute Möglichkeit, dass sich das Parlament intensiv
mit den Grundlagen dieser Gesetzgebung beschäftigt .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Ingrid
Pahlmann, CDU/CSU-Fraktion .
Herr Bundesminister, recht herzlichen Dank für dieBeantwortung der Fragen . – Nun ist von vielen Vorred-nern schon darauf hingewiesen worden, dass der Fokusdarauf liegt, dass man den ländlichen Raum attraktivergestalten will, dass man ihn voranbringen will . Im Ent-wurf steht zum Beispiel, dassMaßnahmen zur Förderung der Infrastruktur ländli-cher Gebiete nur dort durchgeführt werden [sollen],wo aufgrund demographischen Wandels und geo-graphischer Abgelegenheit besondere Anstrengun-gen zur Sicherung der Daseinsvorsorge erforderlichsind .Meine Frage lautet: Wie wollen Sie denn die Regionenkonkret abgrenzen? Wir haben in unserem Land ja vieleHeidrun Bluhm
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Regionen mit ganz unterschiedlichen Strukturen . Es gibtrelativ viele einsame Gegenden mit kleinen Dörfern . Istdie genannte Einschränkung sinnvoll? Grenzen wir nichteventuell viele Gebiete von vorneherein aus, wenn wirdie Parameter zu eng stricken?Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Vielen Dank . – Ihre Frage schließt an die des KollegenBrase an . Noch einmal als Antwort: Dass danach gefragtwird, wie die Bereiche gemäß der Formulierung im Ent-wurf abzugrenzen sind, zeigt, dass es auch Bewertungs-und Beurteilungsspielräume gibt . Die konkreten Kriteri-en sind noch nicht festgelegt . Im Kern geht es um eineAbsage an das Gießkannenprinzip hin zu dem Versuch,dort zu investieren, wo Probleme am stärksten sichtbarwerden .Wir müssen aber sehen – ich nehme das hier auf –,dass es da und dort auch dazu kommen wird, dass sichbei Abgrenzungen Entwicklungen zugunsten von ande-ren Räumen ergeben . Man soll und darf das Ganze nichtals Grenze betrachten, an die man sich sklavisch haltenmuss . Vielmehr geht es um einen rechtlichen Ansatz, derin der Ausführung dann konkretisiert werden muss .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Petra
Crone, SPD-Fraktion .
Danke schön, Herr Präsident . – Herr Minister, auch
ich danke für Ihre Antworten . Ich möchte dennoch an die
vorherigen Fragen anknüpfen . Sie haben ja eben ange-
deutet, wie unterschiedlich die ländlichen Räume sind
und welche unterschiedlichen Anforderungen da beste-
hen . Sie haben auch darauf hingewiesen, wie schwierig
es ist, eine Abgrenzung vorzunehmen . Ich denke auch:
Demografischer Wandel ist ein Schlagwort und keine
tatsächliche Beschreibung der Zustände . Ich möchte
insofern einen Vorschlag machen: Aufgrund der Län-
dervorschläge hat eine vollumfängliche Anpassung der
ELER-Verordnung durch die EU-Kommission stattge-
funden . Warum kann man dies nicht als Grundlage für
eine Beschreibung der Regionen nehmen?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Vielen Dank, Frau Kollegin Crone . – Die ELER-An-
sätze sind in den Gesetzentwurf mit eingeflossen und
sollten sich im Gesetz auch widerspiegeln, sowohl in Be-
zug auf das Volumen als auch in Bezug auf die Technik
der Abgrenzung . Das wird ja dann auch im PLANAK, in
der Arbeitsgruppe, die für die Ausarbeitung der konkre-
ten Programme zuständig ist, thematisiert werden .
Ich würde die Vorschläge aber in der Tat auf den ge-
danklichen Ansatz dieses Gesetzentwurfs übertragen .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Kordula
Kovac, CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Minister, danke schön, dass Sie
sich der Sache angenommen haben . Auch ich möchte
an die Vorredner anschließen und noch einmal fragen:
Besteht nach den vielen Änderungen, die jetzt kommen
werden, die Gefahr, dass Flurbereinigung, Investitions-
förderung bei ländlichen Betrieben oder auch in Berei-
chen des Forstes künftig zu kurz kommen, oder sind auch
diese Maßnahmen weiterhin noch förderungsfähig?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Vielen Dank, Frau Kollegin . – Ja, die sind nach wie
vor förderungsfähig .
Ich darf aber noch einmal eine Besonderheit, die die
finanzielle Ausstattung dieses Gesetzes betrifft, erwäh-
nen . Hier liegt wohl einer der wenigen Fälle vor, in denen
Mittel im Bundeshaushalt bereits für ein Gesetzesvorha-
ben vorgesehen sind, das ja als Entwurf jetzt erst in der
Beratung ist . Bei dieser Gelegenheit sage ich noch ein-
mal herzlichen Dank an den Haushaltsausschuss dieses
Hohen Hauses für seine wohlgefälligen Entscheidungen,
die er in diese Richtung getroffen hat .
Die Frage, ob sich daraus eine Reduzierung der bishe-
rigen Leistungen ergeben kann, die ja per se auch schon
einige andere Programme – ich nenne als Stichwort zum
Beispiel die Breitbandförderung – im ländlichen Bereich
mit aufgenommen haben, kann ich mit Nein beantwor-
ten . Das ist ein Addendum, ein Zusatz, und kommt nicht
aus der Substanz der bisherigen Förderung .
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete FriedrichOstendorff, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Minister, verschiedene Aspekte sind ja schon in-tensiv beleuchtet worden . Ist daran gedacht, hier eine Ge-samtstrategie vorzulegen? Oder was steckt dahinter, dasswir in der Gemeinschaftsaufgabe, die 1970 mit der Maß-gabe entstanden ist, Landwirtschaft wettbewerbs- undweltmarktfähig usw . zu machen – ich kann mich nochgut an die Reden erinnern, die vom damaligen MinisterHerrn Ertl gehalten wurden –, jetzt den Bereich ländlicheEntwicklung auf eine Stufe mit der landwirtschaftlichenEntwicklung stellen? Und wenn man eine Gesamtstra-tegie fährt, wie wird man damit umgehen, dass auf dereinen Seite Großtieranlagen gefördert werden und aufder anderen Seite gleichzeitig ländlicher Tourismus unddie ländliche Entwicklung gefördert werden sollen? Daskann ja schon mal Konfliktfelder beinhalten. Wie hofftman, das aufzulösen? Wie kann man sich hier eine Ge-samtstrategie auch unter der Maßgabe vorstellen, dasswir beobachten müssen, dass die Artenvielfalt und diebiologische Diversität im ländlichen Raum stark zurück-gehen und sehr unter Druck stehen?Ingrid Pahlmann
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Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Herr Kollege, herzlichen Dank . – Ich darf mit Blickauf die Geschichte noch ergänzen, dass sich nicht nurmein Vorgänger Josef Ertl, sondern in der vorangegange-nen Großen Koalition auch die beiden Minister Schillerund Strauß für die Gemeinschaftsaufgaben erwärmt ha-ben, die damals verfassungsrechtlich nicht unumstrittenwaren, um es einmal vorsichtig zu sagen . Es erfordert jaauch heute noch gewisse Anstrengungen, um sie umzu-setzen . Sie haben sich aber bewährt . Das Ziel heute istund kann nur ein anderes sein, als es damals 1970 un-ter der Agrarpolitik von Mansholt mit der „Wachse oderweiche“-Diskussion gewesen ist . Heute geht es um eineGesamtkonzeption und darum, dass wir den ländlichenRaum per se stärken .Die Fragen, die Sie angesprochen haben, sind bei denGrundsätzen abgebildet . So haben wir erstens für die Zu-kunft umweltgerechte Landwirtschaft in den alten För-dertatbestand mit hineingenommen . Zweitens werdenwir diese Frage im Zusammenhang mit den Plänen undProgrammen für die Gemeinschaftsaufgabe zusammenmit den Ländern im Einzelnen mit abbilden. Das findetbereits heute in einem sehr hohen Maße statt . Darüberhinaus ist darauf hinzuweisen, dass die erste und zweiteSäule der Direktzahlungen diese Entwicklung widerspie-geln; aber das kennen Sie ja sehr gut .Wir werden also zukünftig noch darüber zu reden ha-ben . Es ist keine reine agrarstrukturelle Förderung alterArt, sondern es ist eine Erweiterung um die Förderungdes ländlichen Raums insgesamt .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Karin
Binder, Fraktion Die Linke .
Kann ich mein Fragerecht an meine Kollegin Heidrun
Bluhm abgeben?
Sie hat sich auch gemeldet . Wenn wir auf eine Frage
verzichten, können wir das so machen .
Herzlichen Dank, Herr Präsident, für die Flexibilität . –
Herr Minister, ich würde gerne noch einmal auf die neue
Aufgabe der Entwicklung der ländlichen Räume bzw . der
Regionalentwicklung eingehen . Sie sagen zu Recht, dass
Sie zuerst die Gebiete mit dem größten Bedarf fördern
wollen . Die Frage, wo der größte Bedarf besteht, kön-
nen die Länder, glaube ich, viel besser beantworten . Im
Rahmen der Zusammenarbeit mit den Ländern kann man
das sicherlich klären . Meine Frage aber lautet: Sie sagen,
dass Sie dafür eine sogenannte Gebietskulisse brauchen .
Ich kenne das aus der Städtebauförderung: Man stellt
eine Satzung auf und regelt darin, um welches Gebiet es
mit welcher Zielstellung geht und welche Maßnahmen
zielführend sind .
Sie würden mich nicht weiter verunsichern, wenn Sie
mir sagen würden, auf welchen Ebenen das stattfinden
soll . Sie können ganz schlicht antworten und sagen: „Ja,
das soll so laufen wie bei der Städtebauförderung“, dann
wäre ich beruhigt . Ansonsten stünden folgende Fragen
im Raum: Wer sind die Antragsteller? Sind das die Ge-
meinden oder die landwirtschaftlichen Betriebe? Ist das
Land der Adressat, an den entsprechende Anträge gerich-
tet werden müssen? Muss das vom Bund noch einmal
genehmigt werden? Wie kann man sich das vorstellen?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Ich darf noch einmal zitieren . In Absatz 2 des § 2 fü-
gen wir folgende Formulierung ein:
. . . Maßnahmen können nur dort durchgeführt wer-
den, wo auf Grund demographischen Wandels und
geographischer Abgelegenheit besondere Anstren-
gungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge erfor-
derlich sind .
Man spürt, dass schon alleine diese Formulierung
bei dem Oberamtsrat, der das umsetzen muss, Fragen
aufwerfen wird . Das kann nur vor der Umsetzung vom
PLANAK, also vom gemeinsamen Planungsausschuss
von Bund und Ländern, gefiltert werden und muss dann
konkretisiert und umgesetzt werden; denn der Begriff
„geografische Abgeschiedenheit“ beinhaltet ein Stück
weit auch subjektive Vorstellungen . Manch einer meint,
kurz hinter der Berliner Stadtgrenze schon geografisch
abgeschieden zu sein, ein anderer meint, dort mittendrin
im Leben zu sein .
Ich bin für diese gesetzgeberische Unschärfe sehr
dankbar, weil sie die Möglichkeit bietet, besser auf die
Bedürfnisse einzugehen, die von den Ländern an uns he-
rangetragen werden, als der Bund das von sich aus an-
sonsten tun könnte . Das heißt, die Länder sind ihrerseits
in ihren Programmen aufgefordert, das gemeinsam mit
den Kommunen bzw . einzelnen Antragstellern zu kon-
kretisieren .
Danke . – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete
Waldemar Westermayer, CDU/CSU-Fraktion .
Danke schön . – Herr Minister, ich habe nur eine kurze
Frage: Welche Zweckbindung wird es bei welchen Teilen
der neuen Gemeinschaftsaufgabe geben?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Beim bisherigen Teil?
Bei der neuen Gemeinschaftsaufgabe .
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Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Entschuldigung, ich hatte das akustisch nicht verstan-den . – Lieber Kollege Westermayer, es wird eine Zweck-bindung geben, damit die Förderung der ländlichenStrukturen in den genannten Gebieten, die wir nicht ganzgenau definieren konnten, stattfinden kann. Das heißt, eswird Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur länd-licher Gebiete im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpoli-tik der Union geben . An dieser Stelle kommt ELER insSpiel, wonach Kollegin Crone gefragt hatte . Es geht umMaßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar dem ländli-chen Raum und der Landwirtschaft dienen .Ich kann aus verfassungsrechtlichen Gründen denBezug zur Landwirtschaft nicht aufgeben, muss aberberücksichtigen, dass Landwirtschaft heute sehr viel di-versifizierter ist. Deswegen wollen wir zum Beispiel inDörfern, in denen es sonst keine Gemeinschaftseinrich-tungen gibt, ein Mehrfunktionenhaus schaffen – so habeich das genannt –, in dessen Räumen sowohl Ärzte alsauch Vertreter des Bauernverbandes Sprechstunden ab-halten können . Solche Dinge sind da mit angedacht .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Bärbel
Höhn, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Minister, wir haben den Eindruck, dass es immer
mehr Gebiete und immer mehr Themen gibt, die über
die GAK gefördert werden . Ich möchte auf den Natur-
schutzbereich zurückkommen . Ihre Kollegin vom Um-
weltministerium hat ja gesagt, dass sie zum Schwerpunkt
der Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ den
Naturschutz machen will . Das hat sie im Zusammenhang
mit ihrer Naturschutzoffensive gesagt .
Wir haben dramatische Verluste bei Insekten und in
der Folge bei den Vögeln zu verzeichnen, und im Zu-
sammenhang mit der Nitratrichtlinie, über die wir gerade
heute im Ausschuss gesprochen haben, gibt es ein Ver-
tragsverletzungsverfahren . Wir haben also im Umwelt-
und Naturschutz keine Verbesserung, sondern eine Ver-
schlechterung .
Welche zusätzlichen Standards wollen Sie vonseiten
des Ministeriums jetzt bei den Verhandlungen mit den
Ländern auflegen, damit diese Defizite im Natur, Um-
welt- und auch Klimaschutz in der Landwirtschaft besei-
tigt werden?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Vielen Dank, Frau Kollegin Höhn . – Ich darf hier auf
den Nachsatz zu § 2 Absatz 1 in unserer Gesetzesfassung
rekurrieren . Da heißt es:
Dabei sind die Ziele und Erfordernisse der Raum-
ordnung, Landesplanung, des Umwelt- und Na-
turschutzes, der Landschaftspflege sowie des Tier-
schutzes zu beachten .
Das ist neu, und das wird in die Verhandlungen zwischen
Bund und Ländern einfließen.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Alois Gerig,
CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihr En-
gagement für die GAK . Wir alle hätten uns natürlich die
große Lösung mit noch sehr viel mehr finanziellen Mit-
teln gewünscht . Aber wir kämpfen weiter dafür, dass das
Finanzbudget in den nächsten Jahren anwächst .
Ich wollte fragen, wie man sich in Zukunft die Auf-
gabenteilung zwischen GAK und GRW vorstellt . Muss
man das besser vernetzen? Müssen die Landwirte gar da-
rum fürchten, dass man ihnen auf dem Gebiet ihrer klas-
sischen Aufgabe Mittel wegnimmt? Wird da ein gewisser
Konkurrenzkampf entstehen, oder wie wird diese Proble-
matik zu lösen sein?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Wir haben uns für eine grobe regionale Abgrenzung
entschieden, lieber Kollege Gerig, die natürlich auch
Überlappungsfragen nicht ganz beantwortet . Ich will ein
Beispiel bilden: In einem Dorf, in dem vor 20 Jahren noch
fünf Vollerwerbsbetriebe waren, gibt es heute vielleicht
einen Vollerwerbsbetrieb und zwei, drei Betriebe, die
einem Neben- oder Zuerwerb nachgehen, zum Beispiel
im Bereich Tourismus, also Urlaub auf dem Lande, im
Bereich der Digitalisierung oder in anderen Bereichen .
Da gibt es Überschneidungen, sodass wir das grund-
sätzlich auch an die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-
rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ geben könnten .
Aber wir haben uns entschieden – deswegen ist der Be-
griff so weit gefasst –, dass man beispielsweise einem
Landwirt, der sich verändern will, auch zukünftig mit
den Mitteln aus der GAK helfen kann . Da gibt es eine
enge Abstimmung zwischen dem Wirtschaftsministeri-
um und meinem Hause . Ich habe keinen Zweifel daran,
dass wir das seitens der Bundesregierung in guter Weise
fortsetzen werden .
Die Geschäftsordnungslage ist wie folgt: Wir sind fast
am Ende mit der Befragung der Bundesregierung . Wir
haben noch eine Reihe von Zweitfragen, und wir haben
drei Fragen zu anderen Bereichen . Ich lasse die Zweit-
fragen jetzt nicht mehr zu und komme zu den Fragen zu
den anderen Bereichen . So war es bisher immer verein-
bart. Das wäre jetzt als Erste Frau Dağdelen, dann Frau
Buchholz und dann Herr Wunderlich. – Frau Dağdelen.
Vielen Dank, Herr Präsident . – Ich hätte eine Fragein Sachen Causa Böhmermann . Das beschäftigt uns unddie ganze Republik ja seit Tagen . Frau BundeskanzlerinMerkel hatte sich höchstpersönlich eingeschaltet undsich in einem Telefonat mit dem türkischen Premiermi-
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nister entschuldigt und distanziert . Ich würde gerne Fol-gendes wissen: Inwieweit war die Causa Böhmermannheute Bestandteil der Kabinettssitzung? Inwieweit wurdedarüber gesprochen?In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwaswissen; hier beziehe ich mich auf aktuelle Informationen .Im Vorfeld der ARD-Talkshow Anne Will ist bei der ARDeine Bombendrohung eingegangen . Der ZDF-SatirikerJan Böhmermann steht mittlerweile unter Polizeischutz .Ich würde gerne wissen: Welche Kenntnisse hat die Bun-desregierung über die Bedrohungslage im Zusammen-hang mit der Auseinandersetzung um dieses Schmähge-dicht von Jan Böhmermann? War das auch Thema derKabinettssitzung?Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Liebe Kollegin Dağdelen, herzlichen Dank für dieFragen . – Zur ersten Frage: Als ein ordentlicher Tages-ordnungspunkt in der Kabinettssitzung ist die CausaBöhmermann nicht besprochen worden . Ich verzichtejetzt auch darauf, in irgendeiner Weise eine Bewertung –Sie haben auch keine angefragt – literarischer, satirischeroder sonstiger Art des Gedichtes von Herrn Böhmermannvorzunehmen . Das ist nicht meine Aufgabe .Die Botschaft der Türkei hat im Zusammenhang mitder Fernsehsendung Neo Magazin Royale im ZDF eineVerbalnote an das Auswärtige Amt gerichtet . Die Bun-desregierung wird den Inhalt sorgfältig prüfen und sozügig wie möglich darüber entscheiden, wie mit demförmlichen Verlangen der türkischen Seite nach Straf-verfolgung im Zusammenhang mit in dieser Sendunggemachten Äußerungen weiter zu verfahren ist .Hinsichtlich der Bedrohungslage, nach der Sie eben-falls fragten, will ich seitens der Bundesregierung ganzklar meine Abscheu vor Bedrohungen von Journalistenoder Autoren zum Ausdruck bringen . Es verbietet sichschon und gerade aus Gründen des Schutzes des Betrof-fenen, die Details der Bedrohungslage öffentlich zu kom-munizieren . Ich bitte dafür um Verständnis .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Christine
Buchholz, Fraktion Die Linke .
Vielen Dank . – Am Montag hat Verteidigungsminis-
terin von der Leyen den Entwurf für das neue Weißbuch
in Umlauf gebracht . In der Presseberichterstattung war
zu lesen, dass die Bundeswehr zukünftig auch im Innern
eingesetzt werden soll, dass der Bundessicherheitsrat zu-
sätzliche Aufgaben übernehmen soll und dass die Rechts-
grundlage, um die Bundeswehr ins Ausland zu schicken,
erweitert werden soll . Meine Frage lautet: Ist diese Posi-
tion, die in dem Entwurf für das Weißbuch offensichtlich
enthalten ist, die Position der gesamten Bundesregierung,
und wie soll bei derart gravierenden Veränderungen das
Parlament beteiligt werden?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Vielen Dank . – Der Entwurf des Weißbuches war nicht
Gegenstand der heutigen Kabinettssitzung; er ist noch
nicht vorgelegt worden . Es ist in der Tat richtig, dass die
Bundesministerin der Verteidigung vor einem halben
Jahr angekündigt hat, diese Themen in einem diskursiven
öffentlichen Prozess anzusprechen und zu erörtern . Es
ist, wenn ich es richtig verstanden habe, gesagt worden,
dass dies als Diskussionsgrundlage zu verstehen ist . Die
Bundesregierung hat sich über diese Fragen aber noch
keine abschließende Meinung gebildet, weil das Weiß-
buch noch gar nicht zur Beratung vorlegt worden ist .
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Jörn
Wunderlich, Fraktion Die Linke .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Wir konnten der Presse
entnehmen, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr
Oppermann, gesagt hat, im Hinblick auf die aktuellen
Geschehnisse sei beabsichtigt, den § 103 des Strafge-
setzbuches – den, wie er sagte, antiquierten Majestäts-
beleidigungsparagrafen – abzuschaffen . Man konnte
auch verfolgen, dass die rechtspolitische Sprecherin der
CDU/CSU, Frau Winkelmeier-Becker, gesagt hat, man
solle keine Schnellschüsse machen . Insofern möchte ich
fragen – in diesem Kontext muss man das natürlich fra-
gen –: Waren Böhmermann und § 103 des Strafgesetzbu-
ches Themen der Kabinettssitzung?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:
Ich darf darauf hinweisen, dass ich schon gesagt habe,
dass es keine Diskussion über diese Fragen gegeben
hat . Es ist aber interessant, festzustellen, dass einzelne
Diskussionen über Änderungen und Ergänzungen des
Strafgesetzbuches im parlamentarischen Raum eine Rol-
le spielen . Die Bundesregierung wird sich zu gegebener
Zeit hierzu äußern .
Letzte Fragestellerin in dieser allgemeinen Fragerun-
de: die Abgeordnete Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grü-
nen .
Das Europaparlament hat gerade beschlossen, einer15-jährigen Zulassungsverlängerung von Glyphosatohne erhebliche Einschränkungen nicht zustimmen zuwollen . Das ist de facto eine schallende Ohrfeige für dieBundesregierung und das BfR, die zu einer anderen Be-wertung kommen . Welche Konsequenzen zieht das Mi-nisterium daraus? Dem BfR ist ja mehrfach vorgeworfenworden, bestimmte Studien, in denen die Gefährlichkeitvon Glyphosat angesprochen wurde, nicht berücksichtigtzu haben .Sevim Dağdelen
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Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährungund Landwirtschaft:Vielen Dank, liebe Kollegin, für diese Frage . – DasBundesinstitut für Risikobewertung ist eine unabhängigeInstitution, die von der hinter Ihnen sitzenden Kollegin,meiner Vorgängerin Renate Künast, eingerichtet wordenist .
Das begrüße ich sehr, weil sie damit die Wissenschaftzum Primat bei der Ermittlung der Gefährlichkeit bzw .bezüglich der Zulassungsfähigkeit von Produkten ausdem chemischen Bereich – in anderen Instituten ge-schieht Vergleichbares im Hinblick auf Produkte aus dempharmazeutischen Bereich – gemacht hat . Ich glaube, dasist ein sehr richtiger Weg .Die Politik sollte es sich deswegen verbieten, sich andie Stelle der Wissenschaft setzen zu wollen . Lassen Siemich in diesem Zusammenhang einen Vergleich bilden:Man stelle sich vor, die Zulassung von Arzneimittelnwürde zukünftig per Abstimmung stattfinden. Jeder wür-de spüren, dass das ein Weg wäre, der so nicht geht . Ichverlasse mich deswegen auf die Expertise .Die kritischen Punkte, die genannt worden sind, müs-sen untersucht werden, und ich darf darauf hinweisen,dass die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommis-sion eine einschränkende Verlängerung vorgeschlagenhat . Insbesondere der Bereich der Biodiversität und dieFrage von Mischungen mit anderen Stoffen sollten beiuns nicht mehr Gegenstand der Zulassung sein . Auch dieNutzung im privaten Bereich sehe ich mit sehr großerSkepsis .Wir werden jetzt abwarten, wie sich die EuropäischeKommission über die Zulassung und das Verfahren biszum 30 . Juni 2016 noch äußern wird . Diese Antwort desKommissars steht noch aus .
Danke schön . – Ich schließe damit die Regierungsbe-
fragung .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/8051
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend .
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatsse-
kretärin Elke Ferner bereit .
Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Katrin Werner,
Die Linke, auf:
Welche Personen bilden derzeit den Vorstand der Conter-
ganstiftung für behinderte Menschen d . ö . R .?
Frau Staatssekretärin .
E
Liebe Frau Kollegin Werner, der Vorstand der Conter-
ganstiftung für behinderte Menschen besteht aus Marlene
Rupprecht als Vorsitzende und Frau Margit Hudelmaier .
Haben Sie zu dieser präzisen Antwort eine Zusatzfra-
ge, Frau Kollegin? – Bitte .
Mir ist bekannt, dass die Antwort richtig ist . Bei dieser
Fragestellung konnte auch nur diese Antwort kommen .
Deswegen möchte ich meine Frage etwas umformulie-
ren: Können Sie kurz darauf eingehen, wie es zu dem
ganzen Hin und Her kam? Das ist ja auch der Hinter-
grund meiner Frage, wer den Vorstand jetzt bildet .
Ende März kam aus dem Hause der Bundesbeauftrag-
ten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ein
beglaubigtes Schreiben, in dem formuliert wurde, dass
ein anberaumter Termin nicht stattfinden kann, weil es
zum Rücktritt des Vorstandes gekommen ist . Jetzt gab es
aus Ihrem Hause – von Herrn Linzbach – ein Schreiben,
in dem einfach nur bestätigt wurde, dass der Vorstand im
Amt ist . Dem entnehme ich, dass es zu einem kurzzeiti-
gen Ruhen des Amtes gekommen ist . Vielleicht können
Sie darauf noch einmal kurz eingehen .
E
Es hat keinen wirksamen Rücktritt des Vorstandes ge-
geben . Wenn Sie auf die Homepage der Conterganstif-
tung schauen, dann sehen Sie, dass die Geschäftsstelle
der Stiftung auf die vermehrt eingegangenen Anfragen
zum Vorstand der Conterganstiftung mitteilt, dass der
Vorstand im Amt ist und seiner Tätigkeit nachgeht .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? –
Nein .
Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Katrin Werner,
Fraktion Die Linke, auf:
Welche Konsequenzen zieht das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Rücktritt ein-
zelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder der Conterganstif-
tung für behinderte Menschen?
Frau Staatssekretärin, bitte .
E
Der Vorstand der Conterganstiftung für behinderte
Menschen ist im Amt und geht seiner Tätigkeit nach .
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage, Frau Abgeordne-te? – Bitte schön .
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Auch diese Antwort überrascht mich nicht, aber mei-
nes Wissens besteht der Vorstand ja eigentlich aus drei
Personen . Schon vor längerer Zeit gab es einen Rück-
tritt . Insofern möchte ich meine erste Nachfrage genau
auf diesen Rücktritt beziehen: Was wurde unternommen,
um den dritten Vorstandsposten wieder zu besetzen, und
wann soll er wieder besetzt werden?
E
Im Conterganstiftungsgesetz steht, dass der Vorstand
aus bis zu drei Personen besteht . Derzeit besteht er aus
zwei Personen . Unser Haus strebt an, die dritte Position
so rasch wie möglich wieder zu besetzen .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? – Bitte schön .
Eine habe ich noch . – Es geht noch einmal um die
Konsequenzen . Ich bin vorhin ja schon darauf eingegan-
gen: Wir haben ein kurzzeitiges Ruhen des Amtes wahr-
genommen . Dafür muss es ja irgendwelche Hintergründe
geben . Gibt es demnächst Konsequenzen, Umstrukturie-
rungen oder sonst irgendetwas? Es muss ja einen Grund
für diesen ganzen Vorgang geben .
E
Wie gesagt, es gab keinen wirksamen Rücktritt . Es
gab in unserem Haus Gespräche, um die der Vorstand
nachgesucht hat . Dabei ging es um die Arbeitsweise und
auch um die Frage der Unterstützung der Arbeit des Vor-
standes . Die Gespräche sind, soweit mir bekannt ist, zu
einem guten Ende gebracht worden . Die Konsequenz da-
raus ist, dass der Vorstand im Amt ist und dass die dritte
Position so rasch wie möglich besetzt wird .
Danke schön . – Wir bleiben bei diesem Komplex .
Wir kommen zu Frage 3 der Abgeordneten Corinna
Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen:
Wird nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung der
Vorstand der Conterganstiftung regulär bis zum 31 . Dezember
2019 im Amt bleiben, oder gibt es aktuelle Änderungen bei der
Zusammensetzung des Vorstandes?
Frau Staatssekretärin, bitte .
E
Frau Kollegin Rüffer, der jetzige Vorstand der Con-
terganstiftung für behinderte Menschen wird nach dem
derzeitigen Kenntnisstand der Bundesregierung bis zum
31 . Dezember 2019 im Amt bleiben .
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage?
Ja, klar . Deshalb bin ich ja hier .
Das habe ich mir schon gedacht . – Bitte .
Ich bedanke mich für die knappen Antworten . Aber
es ist trotzdem ein bemerkenswerter Vorgang, der in der
letzten Zeit sehr viele betroffene Menschen in Atem ge-
halten hat . Der Brief der Bundesdatenschutzbeauftrag-
ten, der auch mir vorliegt, zeigt, dass dort einiges im
Argen liegt .
Wir haben nach diesem Hinweis herumtelefoniert:
mit der Geschäftsstelle der Conterganstiftung, mit der
zuständigen Mitarbeiterin im Ministerium und auch mit
dem Vorsitzenden des Stiftungsrates . Bemerkenswert ist,
dass wir keine Antwort auf unsere Fragen bekommen und
auch von keinem Dementi des Rücktritts erfahren haben .
Wie erklären Sie sich das? Es ist schon erstaunlich, dass
ein Abgeordnetenbüro trotz großer Bemühungen nicht an
die Information herankommt, dass alles in Ordnung ist,
so wie Sie das hier vorgeben . Können Sie dazu vielleicht
etwas sagen?
E
Ich kann nur noch einmal auf meine Antworten von
eben verweisen . Die Stiftung selber und die Geschäfts-
stelle der Stiftung teilen auf der Homepage mit, dass der
Vorstand im Amt ist und seinen Tätigkeiten nachgeht . Ich
habe eben mehrfach erläutert, dass es keinen wirksamen
Rücktritt der Vorstandsmitglieder gegeben hat und dass
es nach Gesprächen in unserem Haus von uns die Zusage
gegeben hat, dass wir die Arbeit des Vorstandes weiter-
hin – nach Möglichkeit noch besser als bisher – unterstüt-
zen und dass der Posten des dritten Vorstandsmitglieds so
rasch wie möglich nachbesetzt wird .
Haben Sie dazu noch eine Frage?
Ja, gerne . – Es ist seit längerem bekannt, dass es in
der Stiftung Probleme gibt . Ein Problem ist, dass der eh-
renamtliche Vorstand damit überfordert ist, die ihm ge-
stellten Aufgaben in der entsprechenden Zeit zu erfüllen,
gerade was die Beantragung der spezifischen Bedarfe an-
belangt . Da interessiert mich jetzt genauer, welche struk-
turellen Veränderungen da offensichtlich nötig sind . Man
hätte den dritten Posten sicher schon besetzen können,
wenn er in irgendeiner Weise attraktiv und mit angemes-
senem Aufwand auszufüllen wäre . Können Sie ein biss-
chen darauf eingehen, worüber gesprochen worden ist?
Wenn nicht: Wann bekommen wir diese Informationen?
E
Ich selber war bei dem Gespräch nicht anwesend, binaber gerne bereit, Ihnen die konkreten Ergebnisse, die ich
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(D)
Ihnen im Moment nicht nennen kann – die Themen, überdie gesprochen worden ist, kann ich Ihnen mitteilen –,schriftlich nachzureichen .
– Sehr gerne .
Danke schön .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Die
Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Stephan Kühn werden
schriftlich beantwortet . Ebenso werden die Frage 6 des
Abgeordneten Matthias Gastel und die Fragen 7 und 8
des Abgeordneten Oliver Krischer schriftlich beantwor-
tet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit . Die Fragen 9 und 10 der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet . An sich wäre
jetzt die Frage 11 des Abgeordneten Dr . André Hahn an
der Reihe, aber der Kollege Hahn ist nicht im Saal . Es
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-
hen . Die Frage 12 des Abgeordneten Peter Meiwald wird
ebenfalls schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung . Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel
bereit .
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Kai Gehring,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die gemeinsam
mit den Ländern im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschafts-
konferenz erarbeitete Vereinbarung zur Fortführung
der Exzellenzinitiative dem Deutschen Bundestag vorzulegen,
oder ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein solch
zukunftsweisendes Programm im Umfang von mehr als 4 Mil-
liarden Euro und mit einer Bindungswirkung über drei Le-
gislaturperioden hinaus nur im Rahmen der Gesamthaushalte
2018 ff . dem Parlament zur Entscheidung vorzulegen ist?
Herr Staatssekretär Rachel, bitte .
T
Herr Kollege Gehring, dazu kann ich Ihnen antworten,
dass die Bundesregierung beabsichtigt, dem Deutschen
Bundestag die Verwaltungsvereinbarung zur Nachfolge
der Exzellenzinitiative umgehend nach der Beschlussfas-
sung in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zur
Verfügung zu stellen .
Es ist vorgesehen, den Entwurf einer Bund-Län-
der-Vereinbarung in der GWK am 22 . April weiter mit
den Ländern zu beraten . Ziel ist es, zu einer Beschluss-
fassung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsiden-
ten am 16 . Juni zu kommen .
Zusatzfrage, Herr Kollege Gehring? – Bitte schön .
Vielen Dank . – Weil Sie am Kern der Frage vorbei
geantwortet haben, provoziert das natürlich eine Nach-
frage. Die Exzellenzinitiative sowie deren Neuauflage
und konkrete Ausgestaltung wird seit vielen Monaten öf-
fentlich wissenschaftspolitisch diskutiert . Zudem gibt es
ganz konkrete Verhandlungen zwischen Bund und Län-
dern . Wir wissen alle miteinander, dass sich diese Ver-
handlungen auf der Zielgerade befinden.
Ich möchte von Ihnen wissen, ob eine Koalitionsfrak-
tion oder sogar beide Koalitionsfraktionen das Ansin-
nen an die Bundesregierung herangetragen haben, dass
es hinsichtlich dieser Vereinbarung zwischen Bund und
Ländern einen Beschluss des Deutschen Bundestages als
Gesetzgeber und Haushaltsgesetzgeber geben sollte .
T
Die Bundesregierung beachtet die Vertraulichkeitsre-
gelungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz,
die zwischen Bund und Ländern vereinbart worden sind .
Zur Frage der parlamentarischen Behandlung kann ich
Folgendes sagen: Wie Sie wissen, bin ich als Parlamen-
tarischer Staatssekretär gebeten worden, in der nächsten
Ausschusssitzung über einen dann gegebenenfalls vorlie-
genden Stand der Beratung zur Exzellenzinitiative vorzu-
tragen . Das werde ich selbstverständlich gerne machen .
Noch eine Zusatzfrage dazu .
Vielen Dank . – Offensichtlich gibt es eine gewisse
Auskunftsfreude gegenüber der Presse . Deshalb möchte
ich hier im Deutschen Bundestag noch einmal nachfra-
gen, insbesondere auch deshalb, weil sich die Verhand-
lungen auf der Zielgerade befinden und die Bundesfor-
schungsministerin mit großem Tamtam die Ergebnisse
der Imboden-Kommission, die die bisherige Exzellen-
zinitiative untersucht und Handlungsempfehlungen he-
rausgegeben hat, vorgestellt hat .
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, welche
Elemente und Instrumente aus den Empfehlungen der
Imboden-Kommission aus Sicht der Bundesregierung in
der GWK-Vereinbarung und damit in den Spielregeln zur
neuen Exzellenzinitiative enthalten sein werden . Umge-
kehrt gefragt: Welche Elemente und Instrumente wan-
dern in Ihre Schubladen und Archive? Welche wollen Sie
nicht umsetzen? Sowohl die Ergebnisse der Kommission
als auch ihre Handlungsempfehlungen sind ja öffentlich
gemacht und in der Presse schon breit diskutiert worden .
T
Presseberichterstattungen über laufende vertrauli-che Verhandlungen zwischen den Bundesländern undder Bundesregierung kommentiert die Bundesregierunggrundsätzlich nicht, auch in diesem Fall nicht . Insofernwerde ich und kann ich Ihnen zum heutigen ZeitpunktParl. Staatssekretärin Elke Ferner
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nicht sagen, welche Elemente, die die Imboden-Kom-mission vorgeschlagen hat, in einer Beschlussfassungder Wissenschaftsminister in der GWK tatsächlich vor-kommen werden; denn die Wissenschaftsministerkonfe-renz wird, wie ich Ihnen gerade erläutert habe, erst am22. April stattfinden. Die abschließende Entscheidungwird ohnehin erst im Juni von der Bundeskanzlerin ge-meinsam mit den Ministerpräsidenten getroffen werden .
Wir bleiben bei diesem Themenkomplex und kommen
zur Frage 14 des Abgeordneten Kai Gehring:
Welche Gesamtstrategie strebt die Bundesregierung an, um
im Sinne der Einschätzung der Internationalen Expertenkom-
sche Hochschul- und Forschungssystem zu entwickeln – „Die
IEKE ist überzeugt, dass … die durch den neuen Art . 91 b GG
… entstandenen Chancen dazu genutzt werden sollten, aus den
und Forschungssystem zu entwickeln“ –, und inwiefern soll-
ten aus Sicht der Bundesregierung die einzelnen Pakte bzw .
Herr Staatssekretär .
T
Herr Kollege Gehring, die Bundesregierung setzt auf
zielorientierte, in sich schlüssige und miteinander kohä-
rente Maßnahmen, die das Wissenschaftssystem ins-
gesamt im Blick haben . Im Rahmen der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz befinden sich Bund und Länder
kontinuierlich in einem strategischen Prozess zu allen
gemeinsam berührenden Fragen der wissenschafts- und
forschungspolitischen Strategien . Im Rahmen dieses
Prozesses werden die in der Begründung zum Gesetz
zur Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz skizzierten
Möglichkeiten zur Anwendung im Hochschulbereich er-
gebnisoffen diskutiert .
Zusatzfrage, Kollege Gehring .
Vielen Dank . – Herr Staatssekretär, die Öffnung des
Grundgesetzes für eine dauerhafte Wissenschaftskoope-
ration durch die Änderung des Artikels 91 b ist von der
Bundesregierung immer wieder als großer Erfolg ver-
kündet und gefeiert worden . Was aber bisher völlig fehlt,
ist eine Definition, welche Rolle der Bund aus Sicht der
Bundesregierung künftig bei der Förderung von Wissen-
schaft, Forschung und Lehre nach Artikel 91 b spielen
soll . Das frage ich Sie jetzt . Wollen Sie so etwas wie
ein Leuchtturmbauer sein, oder wollen Sie Feuerwehr
spielen oder Dauerfinanzier sein? Es ist uns sehr wich-
tig, welche Rolle die Bundesregierung für sich definiert
und welche Strategie sie mit dieser Änderung des Arti-
kels 91 b verfolgt .
T
Die Bundesforschungsministerin hat sich, wie im
Übrigen auch die Mehrheit im Deutschen Bundestag,
intensiv für eine Änderung im Sinne des neuen Arti-
kels 91 b eingesetzt . Sie können davon ausgehen, dass
die neuen Möglichkeiten des Artikels 91 b Gegenstand
der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und
den Bundesländern auch im Zuge der Fortsetzung und
Neuformulierung der Exzellenzinitiative sind .
Noch eine Zusatzfrage?
Ja, gerne . – Wenn Sie in diesem Zusammenhang die
Exzellenzinitiative ansprechen, dann möchte ich noch
einmal auf den Bericht der Imboden-Kommission zu-
rückkommen . Denn Herr Professor Imboden skizziert
eine denkbare Gesamtstrategie, wie der Artikel 91 b für
die Bündelung und Verstetigung der verschiedenen Wis-
senschaftspakte – beispielsweise des Hochschulpaktes,
des Paktes für Forschung und Innovation und des Quali-
tätspaktes Lehre – genutzt werden könnte .
Ist die Befürchtung von uns Grünen zutreffend, dass
die Bundesregierung jetzt ausgerechnet und widersin-
nigerweise den dynamischsten und am stärksten wett-
bewerblich ausgerichteten aller Pakte, nämlich die
Exzellenzinitiative, auf eine Dauerförderung nach Arti-
kel 91 b umstellen will? Wenn das der Fall ist, frage ich
Sie, warum ausgerechnet die Exzellenzinitiative in der
Form gefördert werden soll, statt beispielsweise auf die
gemeinschaftliche Studienplatzfinanzierung durch eine
verstärkte Förderung des Hochschulpaktes zu setzen?
T
Die Bundesregierung kommentiert grundsätzlich
nicht Befürchtungen einzelner Fraktionen, auch nicht die
der Grünenfraktion . Das Thema und die skizzierte Ge-
samtstrategie der Imboden-Kommission sind natürlich
Gegenstand der Beratungen zwischen Bund und Ländern .
Wie Sie wissen, sind auch Vertreter von Bündnis 90/Die
Grünen, die verschiedenen Landesregierungen angehö-
ren, daran beteiligt . Sie sind also Teil dieses Diskussi-
onsprozesses, der, wie gesagt – das wurde zwischen allen
16 Ländern und der Bundesforschungsministerin verein-
bart –, vertraulich stattfindet und der am 22. April in sei-
ne nächste Stufe eintreten wird .
Bei den Fragen 15 und 16 der Abgeordneten NicoleGohlke, Fraktion Die Linke, bleiben wir beim ThemaExzellenzinitiative . Ich rufe zunächst Frage 15 auf:Wie gestalten sich die Details bei der durch die Bundesmi-nisterin für Bildung und Forschung, Prof . Dr . Johanna Wanka,in der Presse bekanntgegebenen Fortführung der Exzellenz-Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
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(D)
initiative durch Bund und Länder, insbesondere hinsichtlichFördervolumen und Förderkriterien?Herr Staatssekretär, bitte .T
Frau Kollegin Gohlke, Bund und Länder beraten in
vertraulichen Verhandlungen die Grundzüge für die
Nachfolge der Exzellenzinitiative . Es gibt bis zur Ge-
meinsamen Wissenschaftskonferenz am 22 . April noch
Fragen zu klären . Die abschließende Entscheidung wird
am 16 . Juni von der Bundeskanzlerin und den Minister-
präsidenten getroffen werden .
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Gohlke?
Vielen Dank, Herr Präsident . – Im Bund-Län-
der-Grundsatzbeschluss zur Nachfolge der Exzellenzin-
itiative hieß es, man werde bei der Fortführung die neuen
verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielräume nutzen .
Gemeint ist die Lockerung des Kooperationsverbotes .
Können Sie aufzeigen, was das bei den neuen Plänen
konkret bedeutet bzw . in welchen Punkten dies erfolgen
soll?
T
Letzteres werde ich nicht machen, weil die Gesprä-
che vertraulich sind . Aber Sie können davon ausgehen,
dass das, was Bund und Länder in der grundsätzlichen
Entscheidung, die Exzellenzinitiative fortzuführen, ver-
einbart haben, auch Eingang in die Vorbereitung der Be-
schlussfassung für die Wissenschaftsminister gefunden
hat .
Können Sie das Parlament vielleicht darüber infor-
mieren, wann die neue Förderphase genau beginnen soll
und was mit den aktuell bestehenden Exzellenzclustern
und Exzellenzstandorten künftig passieren soll? Das ist
nämlich nicht nur für Bund und Länder, sondern auch
für das Parlament nicht gerade von untergeordneter Be-
deutung .
T
Die grundsätzliche Richtung ist im Grundsatzbe-
schluss von Bund und Ländern vorgegeben . Hier wird die
Rolle derjenigen angesprochen, die eine zweite Chance
in einer zweiten Förderphase haben sollen . Über den ge-
nauen Instrumentenkasten und die Detailregelung kann
ich Sie heute nicht informieren, da die Wissenschaftsmi-
nister der Bundesländer und die Bundesforschungsminis-
terin darüber noch nicht abschließend beraten haben .
Wir bleiben beim Thema . Ich rufe die Frage 16 der
Abgeordneten Nicole Gohlke, Fraktion Die Linke, auf:
Wie möchte die Bundesregierung den Deutschen Bundes-
tag über die geplanten Details hinsichtlich der Fortsetzung der
Exzellenzinitiative informieren, und plant die Bundesregie-
rung, den Deutschen Bundestag über die gesetzliche Grund-
lage zur Fortführung der Exzellenzinitiative als weitreichende
strukturverändernde wissenschaftspolitische Maßnahme und
über die zur Verfügung gestellten Bundesmittel entscheiden
zu lassen?
Herr Staatssekretär, bitte .
T
Frau Kollegin Gohlke, die Bundesregierung beab-
sichtigt, die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund
und Ländern zur Nachfolge der Exzellenzinitiative dem
Deutschen Bundestag umgehend nach der Beschlussfas-
sung in der GWK zur Verfügung zu stellen . Die Exzel-
lenzinitiative hat in Artikel 91 b des Grundgesetzes ihre
klare verfassungsrechtliche Grundlage . Die Finanzmittel
im Rahmen von Verwaltungsvereinbarungen werden wie
bisher nur vorbehaltlich der Mittelbereitstellung durch
die gesetzgebenden Körperschaften vereinbart .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Ist der Bundesregierung die juristische Meinung be-
kannt, die besagt, es sei nicht ausreichend, dass die
Exzellenzinitiative nur auf einer Verwaltungsvereinba-
rung zwischen Bund und Ländern beruht, sondern dass
es eigentlich einer parlamentsgesetzlichen Grundlage
bedürfe, insbesondere da der Deutschen Forschungsge-
meinschaft und dem Wissenschaftsrat im Entscheidungs-
verfahren die eigentliche Staatsaufgabe der Forschungs-
förderung übertragen wird und die Exzellenzinitiative
eine tatsächlich strukturverändernde Steuerungswirkung
entfaltet, die die grundgesetzlich geschützte Wissen-
schaftsfreiheit tangiert? Wie bewertet die Bundesregie-
rung diese Einschätzung?
T
Frau Kollegin Gohlke, diese juristische Einzelmei-nung, die kürzlich zu lesen war, haben wir zur Kenntnisgenommen .
Nichtsdestotrotz ist die verfassungsrechtliche Grundlageder Exzellenzinitiative in Artikel 91 b des Grundgesetzesklar geregelt . Wörtlich ist in Artikel 91 b formuliert:Vizepräsident Peter Hintze
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(D)
Bund und Länder können auf Grund von Vereinba-rungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei derFörderung von Wissenschaft, Forschung und Lehrezusammenwirken .Die Verfassungskonformität der Vereinbarung steht inübereinstimmender Meinung von Bund und Ländern au-ßer Zweifel .
Wie ich sehe, Frau Gohlke, verzichten Sie auf Ihre
zweite Nachfrage . – Dann hat der Kollege Gehring das
Wort zu einer Nachfrage .
Ich war sehr erstaunt, Herr Rachel, dass Sie hier im
Deutschen Bundestag kein Bekenntnis zu einer Über-
brückungsfinanzierung abgeben wollen, die für die Ex-
zellenzcluster offenkundig vonnöten ist . Dafür ist es aus
unserer Sicht allerdings allerhöchste Zeit . Eine solche
Finanzierung ist längst überfällig . Eine entsprechende
Ankündigung hatte ich eigentlich schon von der Bundes-
forschungsministerin auf der Bundespressekonferenz am
29 . Januar erwartet . Schließlich wollen hochanerkannte
Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wis-
sen, welche Perspektive sie haben . Ich frage daher noch
einmal nach: Inwieweit wird es eine Überbrückungsfi-
nanzierung für die sehr honorigen Exzellenzcluster ge-
ben, die sich derzeit in der Förderung befinden?
T
Über eine Überbrückungsfinanzierung wird – genau-
so wie über die anderen Elemente der Exzellenzinitiati-
ve – zwischen den 16 Bundesländern und der Bundes-
regierung verhandelt. Wir befinden uns vollkommen im
Zeitplan, der allen Beteiligten frühzeitig klar war . Es geht
um die Nachfolge der Exzellenzinitiative ab Novem-
ber 2017 . Wir haben uns vorgenommen, bis zum Juni
zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundeskanz-
lerin eine endgültige Entscheidung zu treffen . Diese wird
dann ab Mitte 2016 genügend Spielraum bieten, um in
den Folgejahren entsprechend zu reagieren .
Danke, Herr Staatssekretär . – Wir sind damit am Ende
Ihres Geschäftsbereichs .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung . Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn zur
Verfügung .
Die Frage 17 des Kollegen Kekeritz wird entspre-
chend unserer Richtlinien schriftlich beantwortet, da
das Thema „Briefkastenfirmen und Erarbeitung einer
UN-Steuerkonvention“ heute noch auf der Tagesordnung
steht . Hierzu halten unsere Richtlinien fest, dass eine sol-
che Frage schriftlich beantwortet wird .
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Kekeritz auf:
Wie stellt die Bundesregierung nach dem Beitritt des Tex-
tildiscounters Primark und dem damit verbundenen Austritt
nachhaltige Textilien die Interessen derjenigen Akteure aus-
reichend berücksichtigt, die sich für weitreichende, nachhalti-
ge Produktionsstandards einsetzen, und nicht stattdessen von
denjenigen Unternehmen dominiert und geprägt wird, die für
die schlechten Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern
verantwortlich sind, und wann ist mit der Fertigstellung der
Überarbeitung der Anhänge des Aktionsplans des Bündnisses
zu rechnen?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär zu antworten .
Th
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Gegenstand der Frage
des Kollegen Kekeritz ist der Austritt des Unternehmens
MDC Sportswear aus unserem Bündnis für nachhaltige
Textilproduktion, nachdem das Unternehmen Primark
diesem beigetreten ist . Die Bundesregierung nimmt den
Austritt von MDC Sportswear mit Bedauern zur Kennt-
nis . Wir sind davon überzeugt, dass die im Aktionsplan
festgeschriebenen ambitionierten Bündnisstandards nur
im Verbund von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Ge-
werkschaften umgesetzt werden können . Der Beitritt von
Primark bedeutet einen Schritt in diese Richtung .
Das Textilbündnis deckt mittlerweile bereits 55 Pro-
zent des deutschen Einzelhandelsmarkts für Textilien und
Bekleidung ab . Alle Mitglieder, also auch Primark, sind
verpflichtet, sich für bessere Sozial und Umweltbedin-
gungen in den Produktionsländern einzusetzen . Dafür
müssen alle Mitglieder einen individuellen Maßnahmen-
plan umsetzen und über die Fortschritte berichten .
Darüber hinaus arbeitet das Textilbündnis derzeit in
Arbeitsgruppen an einem robusten Sanktionsmechanis-
mus für den Fall, dass Mitglieder des Textilbündnisses
nicht mit dem erforderlichen Engagement die Umset-
zung der Bündnisstandards vorantreiben . Außerdem
arbeiten die Arbeitsgruppen derzeit daran, die Annexe
des Aktionsplans mit dem Ziel zu präzisieren, konkrete
Umsetzungsanforderungen zu den vereinbarten Bünd-
nisstandards aufzustellen . Wann das abgeschlossen sein
wird, hängt von der Arbeit dieser Arbeitsgruppen ab .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Herzlichen Dank . – Herr Staatssekretär, es ist schön,dass Sie den Austritt dieser Firma bedauern . Aber es gabeine Begründung, warum diese Firma ausgetreten ist . Eswäre nicht schlecht, wenn Sie diese Begründung bewer-ten würden . Der Austritt dieser Firma wurde damit be-gründet, dass mit dem Beitritt von Primark und dem vorcirca sechs Monaten erfolgten Beitritt der vier größtenDiscounter Deutschlands die Standards definitiv nicht er-reicht werden, weil das Interesse dieser Firmen gar nichtsein kann, die hohen Standards, die erreicht werden sol-len, einzuhalten .Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 163 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . April 201616030
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Es wird allenthalben behauptet, unter anderem vomGesamtverband der deutschen Textil- und Modeindus-trie, dass das Textilbündnis im Prinzip gekapert wordenist . Sie erinnern sich an eine schriftliche Aussage des Ver-bandes in seiner Mitgliederzeitschrift, die lautete: Jetztist keine Gefahr mehr vom Textilbündnis zu erwarten .Wir bestimmen das Ziel, wir bestimmen auch die Zeit,und wir können jetzt im Rahmen des Textilbündnissesauch für unsere Firmen sehr gut werben . – Ich frage Sieganz konkret: Wie bewerten Sie das?Th
Wer Mitglied dieses Textilbündnisses werden kann,
hat dieses Textilbündnis selbst festgelegt . Der Steue-
rungskreis hat am 21 . Januar 2016 Regeln der Zusam-
menarbeit verabschiedet . Darin steht unter anderem be-
züglich einer Mitgliedschaft aus dem Bereich Wirtschaft,
dass Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie
und des Handels sowie Verbände und Initiativen beitre-
ten können, die im Bereich „nachhaltige Textilien“ aktiv
sind . Diese Aufnahmebedingungen erfüllen alle Unter-
nehmen, die beigetreten sind .
Den Aufnahmeantrag der Firma Primark hat der Steu-
erungskreis am 16 . März 2016 einstimmig positiv be-
schieden . In diesem Steuerungskreis sind alle relevanten
Anspruchsgruppen dieses Textilbündnisses vertreten,
neben der Wirtschaft also auch Gewerkschaften, Zivil-
gesellschaft und Bundesregierung . Die Mitglieder dieses
Textilbündnisses verpflichten sich gemeinsam auf die
festgelegten ambitionierten Bündnisstandards . Sie müs-
sen alle für sich einen Maßnahmenplan vorlegen, wie ich
eben berichtet habe, diesen Maßnahmenplan umsetzen
und auch darüber berichten, wie sie ihn umsetzen .
Natürlich ist ein weiter Weg zurückzulegen, um in der
gesamten textilen Lieferkette soziale und ökologische
Mindeststandards umzusetzen . Das Besondere an diesem
Textilbündnis ist, dass wir mit den Unternehmen, die da
schon weiter sind, aber auch mit denen, die noch einen
weiten Weg zurückzulegen haben, ein gemeinsames, ver-
gleichbares Wettbewerbsumfeld schaffen wollen . Des-
wegen brauchen wir beide, auch wenn sie in einem Wett-
bewerb zueinander stehen . Spannungen wie diese sind
nicht ganz auszuschließen . Das war ja gerade der Grund,
weshalb mein Minister, Dr . Gerd Müller, das Bündnis für
nachhaltige Textilien ins Leben gerufen hat: Wir haben
die Zielsetzung, Transparenz in die globalen Lieferketten
zu bringen
und in diesem Wettbewerbsumfeld die gemeinsamen
Anstrengungen aller beteiligten Unternehmen um die
Standards im sozialen und im ökologischen Bereich zu
verbessern .
Herr Kekeritz, bevor Sie Ihre zweite Nachfrage stel-
len, bitte ich Sie, auch wenn das optische Signal eben
etwas verwirrend war, zur Kenntnis zu nehmen, dass,
wenn das erste Mal das rote Licht aufleuchtet, Frage und
gegebenenfalls auch Antwortzeit überschritten sind .
Ihre zweite Nachfrage .
Ich entschuldige mich wegen der Überschreitung mei-
ner Redezeit um acht Sekunden .
Herr Silberhorn, Sie haben eben von einem robusten
Sanktionsmechanismus gesprochen, der eingeführt wer-
den soll . Ich frage mich schon: Warum sollten eigentlich
Unternehmen in einem System, in dem die freiwillige
Selbstverpflichtung vorherrschendes Prinzip ist, ein Sys-
tem robuster Sanktionen gegen sich selbst errichten? Sie
haben auch davon gesprochen, dass jedes Unternehmen
eine individuelle Roadmap, wie es hier heißt, erstellen
soll . Wie schaut es mit dieser Roadmap aus? Wann ist mit
den ersten Ergebnissen zu rechnen?
Es war ja ein Ziel dieses Textilbündnisses, sehr trans-
parent zu sein; es lebt also von der Transparenz . Mittler-
weile habe ich mit einigen Unternehmen gesprochen, die
sagen: Wir basteln schon an einem individuellen Road-
map-System; aber von Transparenz haben wir keine Ah-
nung . Wir wissen auch nicht, dass unser weiteres Vorge-
hen transparent erfolgen soll .
Th
Die Arbeitsgruppen des Textilbündnisses arbeiten an
all den Fragen, die Sie angesprochen haben . Es gibt eine
Arbeitsgruppe für den Review-Prozess, die im Zusam-
menhang mit diesem robusten Sanktionsmechanismus
auch berät . Sie hat zuletzt am 24 . März 2016 getagt und
eine Vorbereitung dafür getroffen, die nötigen Indikato-
ren zu entwickeln und ein Konzept für Roadmaps zu er-
arbeiten, die für alle Mitglieder verpflichtend sind.
Bis Ende April dieses Jahres soll im Rahmen dieses
Review-Prozesses eine Statusabfrage bei allen Bündnis-
mitgliedern durchgeführt werden . Bis 30 . September die-
ses Jahres werden die Indikatoren für den Review-Pro-
zess verabschiedet und auch die individuellen Roadmaps
entwickelt . Das ist der Zeitplan .
Zu einer Nachfrage erhält die Kollegin Renate Künast
das Wort .
Danke . – Ich will vorab sagen: Da Sie immer vonWettbewerb und Wettbewerbsgleichheit reden, will ichIhnen einen sachdienlichen Hinweis geben, Herr Staats-sekretär: Der Wettbewerb findet nicht innerhalb Deutsch-lands statt, sondern im europäischen Binnenmarkt . Inso-fern habe ich den ersten Zweifel an dieser freiwilligennationalen Initiative .Sie haben gesagt: Alle sollen dann einen Plan haben,und dazu beschließen wir Sanktionen . – Das hört sich tollan . Bei genauerem Hinhören stellt man dann aber fest:Uwe Kekeritz
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 163 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . April 2016 16031
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(D)
Alle sollen einen individuellen, freiwilligen Plan haben .Bisher haben Sie nur angedeutet, wann was stattfindensoll . Ich kann mir, wie der Kollege Kekeritz, schlechtvorstellen, dass jemand ernsthaft etwas in einen solchenPlan hineinschreibt, wofür er sanktioniert werden kann .Dementsprechend allgemein werden die Inhalte diesesPlans sein .Insofern will ich, auch mit Blick auf Ihre AGs, die ir-gendwann einmal Vorschläge für Standards oder Regelnvorlegen, kurz und knapp fragen: Was ist inzwischenpassiert? Dieses Bündnis wurde 2014 geschlossen . Eswurde viel geredet . Greenpeace hat mit vielen Unterneh-men eine Vereinbarung getroffen, die besagt: Bis 2020müssen bestimmte Giftstoffe aus dem Produktionspro-zess heraus sein . Ist bei Ihnen schon irgendetwas konkretpassiert, weswegen sich ökologisch, gesundheitlich odersozial irgendetwas verändert hat? Oder liegt der Plan,was später passieren soll, frühestens Ende des Jahres vor?Th
Frau Kollegin Künast, der Wettbewerb findet in der
Tat im europäischen Binnenmarkt statt . Darüber hinaus
findet er aber auch weltweit statt.
Was den europäischen Binnenmarkt angeht, darf ich
ankündigen, dass die Europäische Union Anfang Mai
die sogenannte „EU flagship initiative on garment“ vor-
stellen wird, die auf unseren Erfahrungen mit unserem
Bündnis für nachhaltige Textilien aufbauen wird .
Frau Kollegin, der Wettbewerb ist international; das
geht über den europäischen Binnenmarkt hinaus . Deswe-
gen arbeiten wir in diesem Textilbündnis auch mit Part-
nern zusammen, die als Unternehmen in den produzie-
renden Ländern tätig sind oder die Vertreterinnen oder
Vertreter der Zivilgesellschaft dort sind .
Was die Aufgaben oder die Ergebnisse dieses Tex-
tilbündnisses angeht: Es ist eine gewaltige Agenda, die
sich alle Mitglieder vorgenommen haben . Sie bereiten
das konkret in Arbeitsgruppen vor; einige davon habe
ich schon angesprochen . Wir haben allein in den letzten
Wochen, im März und April dieses Jahres, Fortschritte
bei den Themen Sozialstandards oder Naturfasern erzielt .
Hier hat eine Veranstaltung im Rahmen des Review-Pro-
zesses stattgefunden; ich habe es angesprochen . Die Ar-
beitsgruppe Chemikalien arbeitet konkret an den Fragen,
die Sie aufgeworfen haben . Die Arbeitsgruppe Interna-
tionalisierung befasst sich mit der Frage, wie wir diesen
Prozess über den deutschen Markt und den europäischen
Binnenmarkt hinaus verbreitern können .
Also: Wir haben eine klare Agenda . Den Zeitplan habe
ich genannt, soweit ich das jetzt kann . Wir werden suk-
zessive zu Ergebnissen kommen . Wir machen uns auch
keine falsche Vorstellung . Wir wissen, dass es um das
Bohren dicker Bretter geht und dass wir einen langen
Atem brauchen, nicht nur hier in Deutschland und in der
Europäischen Union,
sondern auch in unseren Partnerländern, mit denen wir
unsere Instrumente der Entwicklungspolitik zum Tragen
bringen .
Das gilt für alle, Kollegin Künast: Wenn es rot leuch-
tet, ist die Zeit überschritten .
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Movassat
das Wort .
Danke, Frau Präsidentin . – Herr Staatssekretär, Sie
haben mich mit Ihren Antworten ein bisschen in Verwir-
rung gestürzt . In einer Antwort haben Sie davon gespro-
chen, dass sich die Unternehmen auf weitgehende Stan-
dards des Bündnisses verpflichten. Danach haben Sie
gesagt: Es gibt individuelle Maßnahmenpläne . – Das ist
ein Widerspruch . Entweder gibt es allgemeine Standards,
die alle Unternehmen umsetzen müssen, unabhängig von
einem individuellen Maßnahmenplan, oder es gibt einen
individuellen Maßnahmenplan, nach dem das Unterneh-
men das tut, worauf es Lust hat . Insofern müssen Sie mir
und dem Bundestag die Frage beantworten: Wird es all-
gemeine Regeln für alle Unternehmen geben, oder kön-
nen sich die Unternehmen die Regeln am Ende des Tages
frei aussuchen?
Th
Ich hoffe, Herr Kollege Movassat, dass ich Ihre Ver-
wirrung aufklären kann . Die Bündnisstandards stellen
die Ziele dar, auf die sich die Mitglieder des Bündnisses
verpflichten, und die Roadmap stellt den Weg dar, auf
dem die Mitglieder des Textilbündnisses diese Ziele er-
reichen wollen .
Damit kommen wir zur Frage 19 des KollegenMovassat:Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass dieniederländische Entwicklungsbank FMO und alle anderen imMakeni-Projekt involvierten europäischen Entwicklungsban-ken – darunter auch die Deutsche Investitions- und Entwick-lungsgesellschaft mbH – mit sofortiger Wirkung aus dem Ma-keni Project des Unternehmens Addax Bioenergy S . A . SierraLeone aussteigen, wie die FMO nach Informationen des SierraLeone Network on the Right to Food vor kurzembei einem Vor-Ort-Termin in Makeni angekündigt hat, undmit welchen Konsequenzen rechnet die Bundesregierung beieinem solchen Ausstieg für die betroffene Landbevölkerungvor Ort, die seit dem Verlust ihrer ursprünglichen Ländereiendurch das Makeni-Projekt für den Anbau von Lebensmitteln
brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_all-gemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Ad-dax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdf, insbe-sondere Seite 25)?Bitte, Herr Staatssekretär .Renate Künasthttp://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdfhttp://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdfhttp://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdfhttp://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdf
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(D)
Th
Frau Präsidentin! Dieses Vorhaben der Firma Addax
Bioenergy in Sierra Leone ist – ich schaue nach dem Jahr;
ich habe die exakte Zahl nicht hier –, ich glaube, 2008/09
begonnen worden . Es ist der Bundesregierung bekannt,
dass die Firma Addax Bioenergy im Jahr 2015 öffentlich
angekündigt hat, dass sie ihre Tätigkeit in Sierra Leone
reduzieren und einem Review-Prozess unterziehen wird .
Im März 2016 hat das Unternehmen darüber informiert,
dass dieser Review-Prozess noch nicht abgeschlossen ist .
Das Ergebnis bleibt also abzuwarten . Welche Folgen das
für den Fortgang des Projekts haben könnte, kann erst
dann beurteilt werden, wenn die Ergebnisse dieses Über-
prüfungsprozesses vorliegen .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Danke, Frau Präsidentin . – Herr Staatssekretär
Silberhorn, heute sitzt hier auf der Zuschauertribüne Herr
Abbas Kamara . Herr Abbas Kamara kommt aus Sierra
Leone, und er vertritt Tausende Kleinbauern in der Regi-
on, in der Addax, das Unternehmen, um das es hier geht,
aktiv ist und in der über viele Jahre Zuckerrohr angebaut
worden ist . Dieses Projekt wurde von europäischen Ent-
wicklungsbanken unterstützt . Er hat über viele Jahre im-
mer wieder mit denen verhandelt und auf die Missstände
hingewiesen . Im März dieses Jahres war ein Vertreter der
niederländischen Entwicklungsbank FMO in der Region
und hat Herrn Kamara persönlich mitgeteilt, dass die eu-
ropäischen Entwicklungsbanken – damit auch die DEG,
die ebenfalls dort engagiert ist – dort aussteigen werden .
Die Bauern, die vorher durch den Zuckerrohranbau ihr
Land verloren haben, werden damit nun endgültig völlig
alleingelassen . Ihnen drohen Armut und Hunger; denn
sie haben eben nicht nur ihr Land verloren, sondern jetzt
werden dort auch die Arbeitsmöglichkeiten vernichtet .
Daher stellt sich schon die Frage, ob es eine Entschei-
dung der Entwicklungsbank gibt, dort auszusteigen, und
was mit den Menschen dort geschehen soll .
Th
Eine solche Entscheidung gibt es bei der beteiligten
Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft
bisher nicht, weil der Überprüfungsprozess, den ich
vorhin angesprochen hatte, noch nicht beendet ist . Man
muss dazu sagen, dass dieses Vorhaben unter äußerst
schwierigen politischen und wirtschaftlichen Rahmen-
bedingungen begonnen worden ist . Das Land hat einen
elfjährigen Bürgerkrieg durchgemacht . Über 50 Prozent
der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze . Der
wirtschaftliche Einbruch mit seinen Folgen, die das Un-
ternehmen jetzt zu tragen hat, hat auch mit der Ebolaepi-
demie, die es seit 2014 in Sierra Leone gibt, zu tun .
Es war ein Erfolg, dass mit diesem Vorhaben über
3 000 Arbeitsplätze geschaffen worden sind . Zusammen
mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der Vereinten Nationen und dem Ministerium für Land-
wirtschaft, Forstwirtschaft und Ernährungssicherheit
Sierra Leones wurde ein Farmer Development Program-
me mit 2 000 Hektar Land für den Reisanbau etabliert .
Dieses Land wurde durch lokale Gemeinden erschlossen .
1 400 Bauern wurden im Rahmen dieses Programms ge-
schult .
Insofern verstehe ich die Betroffenheit . Eine Entschei-
dung der involvierten acht europäischen und afrikani-
schen Entwicklungsinstitutionen ist noch nicht gefallen .
Wenn aber ein Vertreter der Bauern heute hier ist, biete
ich gerne an, dass wir Kontakt aufnehmen . Sofern dieses
Projekt beendet werden sollte, wozu ich hier aber keine
Aussage treffen kann, werden natürlich Folgen zu beach-
ten sein . In diesem Zusammenhang stehen wir gerne für
einen Dialog bereit . Ich würde Sie, Herr Kollege, aus-
drücklich bitten, dass Sie diesen Kontakt herstellen .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Danke schön . – Herr Staatssekretär, das werden wir
gerne tun . – Jahrelang haben Entwicklungsministerium
und auch die DEG die Finanzierung von Addax immer
wieder als Vorzeigeprojekt dargestellt . Zum Beispiel
haben Sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von
mir – ich zitiere – geschrieben:
Die Bundesregierung und die DEG sind von den
positiven entwicklungspolitischen Effekten des En-
gagements mit ADDAX in Sierra Leone überzeugt .
Wenn man den Betroffenen vor Ort glaubt, dann sind
diese Effekte nicht oder jedenfalls nicht nachhaltig ein-
getreten, weil sie zum Beispiel Inputs durch Addax be-
kommen haben, die natürlich wegfallen, wenn sich das
Unternehmen dort nicht mehr engagiert . Das heißt, dass
es sich dann nicht um eine nachhaltige Entwicklungspo-
litik handeln würde . Die Menschen dort vor Ort sagen,
dass es einen Kollaps in der Region geben würde, wenn
jetzt sozusagen der Ausstieg käme .
Ich bin froh, dass Sie jetzt hier gesagt haben, dass Sie
bereit sind, dann da Verantwortung zu übernehmen . Es
wäre aber interessant, wenn Sie konkretisieren würden,
was es heißt, Verantwortung vor Ort zu übernehmen .
Denn es geht hier wirklich – Sie haben es angesprochen –
um die Existenz von über 3 000 Menschen – das Ganze
beruht auch auf der Projektentscheidung der DEG, dort-
hin zu gehen –, die unter den Folgen zu leiden hätten,
falls Addax aussteigt . Ich glaube, es ist schon wichtig, da
mit offenen Karten zu spielen .
Th
Dieses Projekt ist mit großen Hoffnungen gestartetworden – unter anderem auch mit der Zielsetzung, dieBioethanolproduktion zu nutzen, um auf den europäi-schen Markt zu kommen . Dass sich die wirtschaftlichen
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 163 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . April 2016 16033
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Verhältnisse – insbesondere aufgrund der Ebolaepide-mie – verändert haben, habe ich bereits angesprochen .Ich will nicht unerwähnt lassen, dass sich die FirmaAddax bei der Bekämpfung der Ebolaepidemie vorbild-lich eingesetzt bzw . die Beschäftigten und deren Familiennach Kräften unterstützt hat . Ich kann derzeit keine Aus-sage treffen, wie die Firma Addax ihr Investitionsvorha-ben weiterführen wird . Es ist auch nicht auszuschließen,dass in dem Überprüfungsverfahren für den Fall, dasssich ein Projekt nicht so realisieren lässt, wie man essich vorgenommen hat, mit neuen Investoren gesprochenwird . Da dort eine deutsche Beteiligung in Rede steht,werden wir uns – das habe ich Ihnen zugesagt – mit denFolgen auseinandersetzen . Deswegen habe ich Sie gebe-ten, den Kontakt zu Herrn Kamara herzustellen .
Danke, Herr Staatssekretär . – Wir sind damit am Ende
Ihres Geschäftsbereiches .
Die Fragen 20 der Kollegin Tabea Rößner und 21 des
Kollegen Dr . André Hahn aus dem Geschäftsbereich der
Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes werden
schriftlich beantwortet . Dies gilt auch für die Fragen 22
und 23 der Kollegin Bärbel Höhn aus dem Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Ener-
gie .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes . Zur Beantwortung der Fragen steht die Staatsmi-
nisterin Professor Dr . Maria Böhmer zur Verfügung .
Die Frage 24 der Kollegin Brigitte Pothmer soll
schriftlich beantwortet werden .
Wir kommen damit zur Frage 25 der Kollegin Eva
Bulling-Schröter . – Diese ist offensichtlich nicht im Saal,
sodass wir verfahren, wie in der Geschäftsordnung vor-
gesehen .
Die Frage 26 der Kollegin Tabea Rößner soll schrift-
lich beantwortet werden .
Damit rufe ich die Frage 27 der Kollegin Heike Hänsel
auf:
Worin sieht die Bundesregierung in den heftigen Reaktio-
nen der türkischen Regierung bzw . des türkischen Präsiden-
ten, ausgelöst durch eine Extra-3-Satire, die sich kritisch mit
Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei
sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen
Kurden im Südosten des Landes auseinandersetzte und zur
Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei führ-
te, eine so maßgeblich andere Tragweite, dass „die Stimme
Merkels vermisst“ wurde, sie im Gegensatz dazu nach einem
Schmähgedicht Jan Böhmermanns „hingegen schnell zum Te-
Zeichen für das hohe Gut der Meinungs- und Pressefreiheit
im Gegensatz zum Jan-Böhmermann-Schmähgedicht nicht so
wichtig, auch in der Angelegenheit um die Extra-3-Satire und
die Einbestellung des deutschen Botschafters mit dem türki-
schen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zu telefonieren
bzw . sich öffentlich zu äußern?
Bitte, Frau Staatsministerin .
D
Ja, gerne, Frau Präsidentin . – Ich darf die Frage wie
folgt beantworten: In seinem Gespräch im türkischen Au-
ßenministerium zur genannten Fernsehsendung extra 3
hat der deutsche Botschafter die Bedeutung der Presse-
freiheit verdeutlicht . Bei dem Gespräch der Bundeskanz-
lerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet
Davutoglu handelt es sich um ein bereits länger verab-
redetes Telefonat zur Umsetzung des EU-Türkei-Flücht-
lingsabkommens . Dieses war das beherrschende Thema
des Telefonats . Der genannte Beitrag von Jan Böhmer-
mann war ein weiterer Gegenstand des Gesprächs, aber
nicht dessen Anlass .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Ja, danke schön . – Frau Staatsministerin, Sie haben
jetzt aber trotzdem die Frage nicht beantwortet, warum
es hier so unterschiedliche Reaktionen von Bundeskanz-
lerin Angela Merkel gegeben hat . In der Sache extra 3 hat
sie sich in keinerlei Weise öffentlich geäußert . Aber in
der Frage Böhmermann hat sie persönlich dieses Gedicht
bewertet und ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht . Da
gibt es doch einen fundamentalen Unterschied . Sie hat
in Bezug auf extra 3 acht Tage lang geschwiegen . Da hat
man überhaupt nichts von der Bundeskanzlerin gehört,
obwohl der deutsche Botschafter in der Türkei einbestellt
worden war, was bezüglich eines Satirebeitrages ein sehr
ungewöhnlicher Vorgang ist . Da hat man von der Bun-
deskanzlerin nichts gehört . Fehlanzeige! Bei Herrn Böh-
mermann dagegen ist sie in der Form aktiv geworden .
Weshalb diese Doppelstandards?
D
Ich sehe keine solchen Doppelstandards, Frau Hänsel .
Damit haben Sie das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage .
Aber diese Doppelstandards sind doch offensichtlich .
Ich frage mich, wie die Bundesregierung in diesem Fall
eigentlich weitermachen will . Denn mittlerweile eska-
liert die ganze Situation . Wir haben eine Bedrohung ge-
genüber Herrn Böhmermann . Wir haben Bombendrohun-
gen, was die Anne-Will-Sendung angeht . Wir haben hier
eine Eskalation, was die öffentliche Sicherheit angeht .
Ich frage mich, wie die Kanzlerin das eigentlich verant-
worten kann, dass sie durch ihre Reaktion diese ganze
Diskussion in der Öffentlichkeit in der Form überhaupt
erst angeheizt hat . Sie müssen jetzt doch in irgendeiner
Form reagieren und können nicht einfach sagen: „Nein,
wir sehen hier nichts; es ist alles ganz normal“, wenn alle
Medien darüber berichten, dass Bundeskanzlerin Angela
Merkel durch ihr Gespräch und ihre Bewertung bezüg-
Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
//www.tagesschau.de/inland/boehmermann-merkel-101.htmlhttp://www.tagesschau.de/inland/boehmermann-merkel-101.html
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(D)
lich des Satirebeitrags von Jan Böhmermann diese ganzeSituation zu verantworten hat .D
Frau Kollegin Hänsel, ich teile Ihre Auffassung, die
Sie in Ihrer Schlussfolgerung ziehen, ausdrücklich nicht .
Ich bin auch etwas erstaunt, wie Sie die Bedrohungslage
hier darstellen . Das ist, glaube ich, in einer Art und Weise
erfolgt, die so nicht nachvollziehbar ist .
Ich will noch einmal sehr deutlich machen – das ist
wiederholt auch durch den Regierungssprecher und die
Kanzlerin deutlich gemacht worden –, dass Artikel 5
Grundgesetz für uns ein höchstes Gut ist . Der deutsche
Botschafter hat, als er in das türkische Außenministeri-
um einbestellt worden ist, in seinem Gespräch mit aller
Nachdrücklichkeit auf die Bedeutung der Pressefreiheit
hingewiesen . Das andere Gespräch – das habe ich deut-
lich gemacht – war schon länger angesetzt .
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Dağdelen das
Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Es ist schon erstaun-
lich, welch einsilbige Antworten man hier angesichts des-
sen, was die Republik bewegt, von der Bundesregierung
bekommt. Ich finde es auch ziemlich verharmlosend,
Frau Staatsministerin, wenn ich die Aussage höre, dass
Bombendrohungen gegenüber einer Fernsehsendung
aufgrund des Inhalts dieser Sendung nicht so gefährlich
seien bzw . man hier übertreibe . Bombendrohungen kann
man nicht als Übertreibungen bezeichnen . Mit Blick auf
die Satiriker, die sich und ihre Familien aufgrund der
Gefährdungslage unter Polizeischutz stellen lassen müs-
sen, finde ich es, gelinde gesagt, sehr verharmlosend,
wie die Sicherheitslage hier von den deutschen Sicher-
heitsbehörden dargestellt wird . Das gilt auch bezüglich
der Redaktionen, der Künstlerinnen und Künstler sowie
der Journalisten . Hier würde ich mir ein bisschen mehr
Ernsthaftigkeit wünschen .
Aufgrund dessen, dass die Bundeskanzlerin sich jetzt
inhaltlich zu Kunsterzeugnissen äußert, möchte ich Fol-
gendes wissen: Wird sich die Bundesregierung auch in
Zukunft gegenüber ausländischen Staatsoberhäuptern
zu Kunsterzeugnissen, zu Erzeugnissen der deutschen
Medienlandschaft äußern? Und wenn ja, nach welchen
Kriterien wird die Bundeskanzlerin eine Bewertung der
deutschen Medien und der Kunstlandschaft gegenüber
ausländischen Staatsoberhäuptern vornehmen?
D
Frau Kollegin Dağdelen, ich möchte es noch einmal
klarstellen: Meine Äußerung hatte nichts mit einer Ver-
harmlosung zu tun . Es war ein großer Bogen, den die
Kollegin Hänsel hier gespannt hat . Die Situation bezüg-
lich der Bombendrohungen ist eine erschreckende Ent-
wicklung . Bundesminister Schmidt hat es vorhin noch
einmal sehr deutlich gemacht und damit auch die Ge-
samtposition der Bundesregierung in dieser Frage aus-
gedrückt . Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörden
in den Ländern, sich dieser Frage mit allem Nachdruck
anzunehmen . Dass Herr Böhmermann jetzt um Poli-
zeischutz nachsuchen musste, ist etwas, was mich sehr
erschreckt . Von daher weise ich Ihre Interpretation mit
aller Deutlichkeit zurück .
Was meinten Sie mit „Kunst“, darf ich den Begriff
noch einmal hören?
Sehr gerne . – Es ging um Presse- und Kunsterzeugnis-
se in Deutschland .
D
Über Presse- und Kunsterzeugnisse kann man doch
immer wieder reden . In dieser allgemeinen Art kann ich
Ihnen nur eine allgemeine Antwort geben .
Wir sind in der Fragestunde, Frau Kollegin Dağdelen
und Frau Staatsministerin . Insofern bitte ich darum, jetzt
nicht in einen Dialog einzutreten . Ich habe die Klarstel-
lung natürlich zugelassen . Wenn es auf die Frage noch
etwas zu antworten gibt, können Sie das gerne noch
tun . Ansonsten kommen wir zur Frage 28 der Kollegin
Dağdelen, die sich auch mit diesem Gegenstand befasst.
D
Danke, Frau Präsidentin . Ich wollte Ihnen nicht vor-
greifen .
Gut . – Dann rufe ich Frage 28 auf:
der ZDF-Sendung Neo Magazin Royale am 31 . März 2016, in
der Moderator Jan Böhmermann mit einem Gedicht über den
türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Unterschied
zwischen Schmähkritik und Satire aufgezeigt hat, wegen Prä-
sidentenbeleidigung reagiert ,
woraufhin Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel im telefoni-
schen Gespräch mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet
Davutoglu am Abend des 3 . April 2016 die Bewertung ver-
suchte, dass es sich bei dem Beitrag um einen „bewusst ver-
desregierung die gemäß § 104 a des Strafgesetzbuchs erforder-
liche Verfolgungsermächtigung gegen Jan Böhmermann und
weitere Verantwortliche des ZDF wegen Beleidigung eines
D
Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die Botschaftder Türkei hat im Zusammenhang mit der ZDF-Fernseh-sendung Neo Magazin Royale eine Verbalnote an dasHeike Hänselhttp://www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.htmlhttp://www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.htmlhttp://www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.htmlhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.htmlhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.htmlhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.html
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 163 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . April 2016 16035
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Auswärtige Amt gerichtet . Die Bundesregierung wird sozügig wie möglich darüber entscheiden, wie weiter zuverfahren ist .
Haben Sie dazu noch eine Nachfrage? – Bitte .
Wenn es diese Verbalnote gibt und wenn es diese Prü-
fung gibt, dann stelle ich meine Frage im Anschluss an
die Fragestellung der Kollegin Heike Hänsel: Wieso hat
Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonfe-
renz ungefragt kundgegeben, dass Frau Bundeskanzlerin
das Stück von Herrn Jan Böhmermann in ihrem Telefonat
mit dem türkischen Premierminister Davutoglu als „be-
wusst verletzend“ eingestuft und sich davon distanziert
hat, obwohl eine entsprechende Prüfung vorgesehen ist,
die man in einem Rechtsstaat, in dem eine Gewaltentei-
lung herrscht, den Gerichten überlassen müsste und nicht
einem Regierungssprecher und einer Bundeskanzlerin,
die den Regierungssprecher in die PK vorschickt und ihn
dies ungefragt erklären lässt?
D
Gerne . – Ich habe hier das Protokoll der Pressekon-
ferenz vom 4 . April vor mir und sehe, dass Staatssekre-
tär Seibert zunächst über die Umsetzung der EU-Tür-
kei-Vereinbarung berichtet hat . Das war ja auch Anlass
des Telefongesprächs; deshalb ist es vereinbart worden .
Er hat darauf hingewiesen, es sei
… ein wichtiger Tag, denn es beginnt die Umset-
zung eines zentralen Teils dieses Abkommens …
Sie waren heute Morgen im Ausschuss . Wir haben dort
ausführlich darüber gesprochen . – Dann sagte er:
Gesprächsgegenstand war auch die jüngste Veröf-
fentlichung eines sogenannten Schmähgedichts ge-
gen den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan.
Alle weiteren Äußerungen dazu sind Ihnen bekannt .
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .
Das war – erstens – keine Antwort auf die Fragestel-
lung .
Zweitens würde ich gerne wissen, inwiefern es ande-
re, gerne auch nachrichtendienstliche, Erkenntnisse über
Drohungen und Bedrohungssituationen gibt . Sie können
uns die Antwort auch später schriftlich zuleiten, wenn
Sie mögen . Es gab ja Proteste vor dem ZDF-Studio in
der Türkei . Es gab solche Proteste auch hier . Wie wir ge-
hört haben, gibt es eine sehr akute Gefährdung bestimm-
ter Künstlerinnen und Künstler in Deutschland, die unter
Polizeischutz stehen – Jan Böhmermann, aber eben auch
andere . Da würde ich gerne wissen: Hat die Bundesregie-
rung hier mehr Kenntnisse? Was unternimmt sie, um die
Sicherheit der Bedrohten zu gewährleisten?
D
Frau Kollegin Dağdelen, mir liegen dazu keine Er-
kenntnisse vor . Ich bin sicher, dass die zuständigen Län-
derbehörden und die Polizei dort, wo es notwendig ist,
alles tun, damit die Sicherheit gewährleistet ist .
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Ströbele das Wort .
Danke . – Frau Staatsministerin, ich habe heute Mor-
gen im Rechtsausschuss zur Kenntnis genommen, dass
das Auswärtige Amt für den Casus Böhmermann zustän-
dig ist – wie auch immer man ihn drehen und wenden
will . Die Bundesregierung könnte sich ja viel Ärger er-
sparen, wenn sie noch in dieser Woche der Empfehlung
des Vizekanzlers folgen würde – übrigens auch meiner –,
den Deutschen Bundestag um Streichung des § 103 des
Strafgesetzbuches zu bitten . Denn es handelt sich bei die-
sem Paragrafen, der ursprünglich mal den Titel „Majes-
tätsbeleidigung“ trug, um eine sehr überholte Vorschrift .
Deshalb an Sie die Frage: Wäre das nicht ein guter Aus-
weg? Dann könnten Sie sich auch die Entscheidung über
die Ermächtigung sparen .
Sie haben das Wort, Frau Staatsministerin .
D
Danke schön . – Herr Kollege Ströbele, ich habe vor-
hin eine Diskussion mit dem Kollegen aus dem Justiz-
ministerium gehabt, der auf mich zukam, mich freudig
anschaute und sagte, das Auswärtige Amt sei zuständig .
Ich habe ihn genauso freudig angeguckt und gesagt, das
Bundesjustizministerium sei zuständig . Ich glaube, rich-
tiger ist, zu sagen, dass hier die ganze Bundesregierung
gefordert ist – das ist die Bandbreite . Sie brauchen also
den Blick nicht nur auf mich und damit stellvertretend
auf das Auswärtige Amt zu richten .
Ich verstehe, dass Sie heute Morgen darüber diskutiert
haben; wir haben das im Auswärtigen Ausschuss erlebt .
Ich glaube, die Frage wird uns eindeutig weiter beschäf-
tigen . Sie sind Jurist, ich bin keine Juristin . Ich nehme
mit, dass dies für Juristinnen und Juristen eine Frage ist,
die offensichtlich weit über den aktuellen Anlass hinaus
hochspannend ist . So ordne ich auch Ihre Frage ein . Es
ist mit Sicherheit nicht nur eine politische, sondern auch
eine rechtliche Frage mit einer großen Bandbreite .
Die Kollegin Hänsel hat zu einer weiteren Nachfrage
das Wort .
Danke schön, Frau Staatsministerin . – Alle Mitglie-der der Bundesregierung legen einen Amtseid auf dasGrundgesetz ab . Somit müssen sie im Sinne der dortStaatsministerin Dr. Maria Böhmer
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verankerten Grundwerte Politik machen und Schadenvon der deutschen Bevölkerung abwenden . Können Sienachvollziehen, dass es Empörung in der Bevölkerungdarüber gibt, dass die Bundesregierung seit Tagen dasAnsinnen von Präsident Erdogan bezüglich der Straf-verfolgung überhaupt prüft? Das Ansinnen müsste dieBundesregierung umgehend zurückgewiesen haben . Andiesem tagelangen Prüfen, an diesem Hin und Her bezüg-lich der eigenen Position sieht man: Das ist eine wachs-weiche Sache . Ihre Aufgabe ist auch, das Grundgesetz,die Grundwerte gegenüber ausländischen Präsidenten zuvertreten .
Frau Staatsministerin .
D
Gerne, Frau Präsidentin . – Genau das ist der Punkt,
Frau Kollegin Hänsel, weshalb wir den Sachverhalt mit
solch großer Intensität prüfen . Wir sind uns unserer Ver-
antwortung nicht nur gegenüber dem Grundgesetz, son-
dern auch gegenüber der deutschen Bevölkerung sehr
bewusst .
Es gibt noch eine Nachfrage . – Herr Kollege
Wunderlich .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Sie betonen gerade
die Intensität, mit der Sie dieser Frage nachgehen . Die
Intensität ist aber so groß, dass diese Frage kein Thema
der Kabinettssitzung ist . – Vielen Dank .
D
Bitte .
Das war offensichtlich dann doch keine Frage . – Vie-
len Dank, Frau Staatsministerin .
D
Gerne .
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern . Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ole Schröder zur
Verfügung . Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Sabine
Zimmermann sollen schriftlich beantwortet werden .
Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Dağdelen auf:
Welche konkreten negativen Erfahrungen liegen dem
Bundesministerium des Innern vor zu der Regelung, dass an-
erkannte Flüchtlinge drei Jahre nach ihrer Anerkennung eine
Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn ihre Schutzbedürftig-
keit fortbesteht, weil der Bundesinnenminister Dr . Thomas de
Maizière vorgeschlagen hat, diese Regelung zu ändern, und
inwieweit unterscheidet sich die Situation noch erwerbslo-
ser anerkannter Flüchtlinge in Hinblick auf die Aufgabe ih-
rer Integration substanziell von der Situation anderer noch
erwerbsloser Drittstaatsangehöriger, die einen rechtmäßigen
Aufenthaltsstatus zum Beispiel im Rahmen der Familienzu-
sammenführung erhalten haben, vor dem Hintergrund, dass
nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 1 . März
2016 in der Rechtssache C-443/14 und C-444/14 nur dann
eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge zulässig wäre
?
Es geht um die Änderung der Regelung zur Niederlas-
sungserlaubnis für anerkannte Flüchtlinge . – Bitte, Herr
Staatssekretär .
D
Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Asyl- und Flüchtlingsschutz ist auf die Gewährung von
Schutz vor Verfolgung im Herkunftsland angelegt . Aner-
kannte Schutzberechtigte erhalten deshalb zunächst ein
befristetes, verlängerbares Aufenthaltsrecht in Deutsch-
land . Dieses kann widerrufen werden .
Das deutsche Aufenthaltsrecht enthält in § 26 Ab-
satz 3 des Aufenthaltsgesetzes eine Privilegierung für
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge . Sie erhalten
nach drei Jahren ein Daueraufenthaltsrecht und damit
eine unbefristete Niederlassungserlaubnis . Eine solche
Privilegierung ist europarechtlich allerdings nicht gebo-
ten . Im Gegensatz zu anderen legal hier aufhältigen Aus-
ländern wird anerkannten Flüchtlingen unter erleichter-
ten Voraussetzungen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht
gewährt . Es genügt erstens, dass die Voraussetzung für
einen Widerruf oder eine Rücknahme der Anerkennung
nicht vorliegt . Außerdem ist es zweitens nicht notwen-
dig, dass die bei anderen Drittstaatsangehörigen erfor-
derlichen Integrationsleistungen gegeben sind . Der in
seinem Ausmaß singuläre Zustrom von Schutzsuchenden
seit Mitte des vergangenen Jahres erfordert eine Über-
prüfung dieser Regelung . Hierdurch können integrati-
onsfördernde Impulse gesetzt werden .
In seiner Entscheidung vom 1 . März 2016 hat der Eu-
ropäische Gerichtshof die grundsätzliche Zulässigkeit
von Wohnsitzauflagen für anerkannte Schutzberechtigte
aus integrationspolitischen Gründen ausdrücklich bestä-
tigt . Der Gerichtshof hat sich auch mit der nach Artikel 33
EUQualifikationsrichtlinie erforderlichen Gleichbe-
handlung mit anderen Drittstaatsangehörigen auseinan-
dergesetzt . Mit Blick auf das Ziel einer Erleichterung der
Integration hat der Gerichtshof die Unterschiede zwi-
schen beiden Gruppen deutlich herausgestellt .
Bereits hinreichend integrierte Drittstaatsangehörige
befinden sich nicht in einer Situation, die vergleichbar ist
mit der von Personen mit internationalem Schutzstatus .
Letztere sind in stärkerem Maße mit Integrationsschwie-
rigkeiten konfrontiert . Die Bundesregierung arbeitet der-
zeit an einem Gesetzesentwurf, der dem Gleichbehand-
lungserfordernis gerecht werden wird .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .Heike Hänsel
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Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin . Herr
Schröder, das, was Sie hier vorgelesen haben, bekom-
men wir ja noch schriftlich; das ist ganz gut . Ich habe
eine Nachfrage: Ist die Bundesregierung der Auffassung,
dass es falsch war, in den letzten Jahren und nach jah-
relangen Diskussionen mit Expertinnen und Experten
und unterschiedlichsten Regierungsvertreterinnen und
Regierungsvertretern davon auszugehen, dass es sinnvoll
ist, anerkannten Flüchtlingen keine Residenzpflicht mehr
vorzuschreiben, und zwar aufgrund dessen, dass eine Re-
sidenzpflicht die Integration eher hemmt?
D
Ich habe eben von einer Wohnsitzauflage gespro-
chen. Das ist etwas anderes als die Residenzpflicht. Un-
ter der Residenzpflicht verstehen wir die Verpflichtung,
sich insbesondere während des Asylverfahrens in einem
bestimmten Gebiet aufzuhalten . Bei der Wohnsitzzu-
weisung sprechen wir davon, dass einem anerkannten
Flüchtling nach einem abgeschlossenen Asylverfahren
ein bestimmter Wohnort zugewiesen wird . Wir sehen das
als notwendig an, um Parallelgesellschaften zu verhin-
dern .
Wir haben jetzt die Situation, dass im letzten Jahr über
1 Million Menschen zu uns gekommen sind . Deshalb ist
es noch entscheidender, dass die Integrationsleistungen
nicht nur von den Metropolregionen erbracht werden,
sondern vom gesamten Land, um die Integration so am
Ende zu einem Erfolg zu führen .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Es freut mich, dass die Bundesregierung immer ir-
gendwelche Parallelgesellschaften verhindern möchte .
Dann könnte sie unter dem Stichwort „Panama Papers“
damit anfangen und dort ansetzen, um diese Parallelge-
sellschaft einmal anzugehen . Das wäre meiner Meinung
nach ein großer Anfang .
Sie haben von Parallelgesellschaften bei Flüchtlingen
oder Migrantinnen oder Migranten gesprochen: Wird die
Bundesregierung Voraussetzungen dafür schaffen, um
diese zu vermeiden? Es gibt ein größeres Interesse daran,
in die großen Städte zu ziehen statt aufs Land . Werden
Sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen
auch dort leben können, ohne dass es zu vermeintlichen
Parallelgesellschaften kommen kann? Stichworte sind:
Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, Infrastruktur, Woh-
nungen, flächendeckender bezahlbarer Wohnraum für
viele? Welche Ansätze verfolgt die Bundesregierung
hier?
D
Selbstverständlich ist es gerade im ländlichen Raum
möglich, sich gut zu integrieren . Ich glaube, dass Sie den
ländlichen Raum, was die Möglichkeiten der Ausbildung
und der Arbeitsplätze angeht, unterschätzen . Die meis-
ten freien Ausbildungsplätze für Jugendliche in Nord-
deutschland finden wir nicht in den Metropolregionen,
sondern beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern .
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Hänsel das Wort .
Ich denke, die Frage der Wohnsitzauflage ist ein zwei-
schneidiges Schwert . Im Grunde verpasst die Bundes-
regierung die Chance, die Potenziale, die Flüchtlinge
mitbringen, produktiv zu nutzen . Viele Flüchtlinge, die
hierherkommen, haben bereits Kontakte zu Angehörigen
und Freunden . Es macht Sinn, dass die Flüchtlinge in die
gleiche Region ziehen, manchmal sogar in dieselbe Woh-
nung, und dass sie dann bei der Integration und allem
anderen unterstützt werden .
Es findet viel an Selbstorganisation statt, wenn Flücht-
linge in eine Umgebung kommen können, in der sie zum
Beispiel schon Leute kennen . Das ist ein ganz wichtiges
Potenzial, das sie mitbringen . Die Bundesregierung ver-
kompliziert das Ganze, indem sie es eben nicht ermög-
licht, dass Flüchtlinge frei wählen können, wo sie ihren
Wohnsitz haben und wo sie damit beginnen, sich schnell
zu integrieren .
Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie enorme
Summen für die Flüchtlinge ausgeben – das sind teilwei-
se künstliche Kosten –, obwohl diese sich in anderen Re-
gionen viel schneller selbst helfen und selbst organisieren
könnten . Ich kann nicht verstehen, warum Sie stattdessen
einen Zwang ausüben und die Flüchtlinge am Reißbrett
verteilen wollen . Das ist völlig kontraproduktiv . Durch
die gegensätzliche Regelung, durch die Möglichkeit,
den Wohnsitz frei zu wählen, entsteht Integration . Die
Flüchtlinge könnten viel aktiver sein, und es entstünden
viel mehr Möglichkeiten .
D
Ich bin nicht Ihrer Auffassung . Die Vergangenheit
hat gezeigt, dass es nicht integrationsfördernd, sondern
integrationshemmend ist, wenn Flüchtlinge aus einer
Herkunftsregion sich geballt in einer Metropole, wo-
möglich sogar in einem Stadtteil ansiedeln . Die gleichen
Erfahrungen haben wir mit den Spätaussiedlern gemacht .
Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre sind wir zu dem
Ergebnis gekommen, dass solche Wohnsitzauflagen sinn-
voll sind . Diese Erfahrung hat uns gezeigt, dass es richtig
ist, dass es integrationsfördernd ist, wenn die Integrati-
onsleistung nicht nur von wenigen Metropolen erbracht
werden muss, sondern von der gesamten deutschen Ge-
sellschaft .
Vielen Dank . – Wir kommen zur Frage 32 des Abge-ordneten Movassat . – Er ist nicht anwesend . Es wird ver-fahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
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Die Fragen 33 und 34 der Abgeordneten Ulla Jelpkewerden schriftlich beantwortet . Die Frage 35 des Abge-ordneten Andrej Hunko wird ebenfalls schriftlich beant-wortet .Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele auf:Seit wann ist der Bundesregierung oder ihr nachgeordne-
Verdacht bekannt, dass Uwe Mundlos und später auch BeateZschäpe in dem Unternehmen des Rechtsextremisten und Ver-trauensmanns des Verfassungsschutzes, Ralf Marschner, von2000 bis 2002 – also nach Begehung der ersten NSU-Morde –angestellt waren oder für dieses Unternehmen gearbeitet habensowie dass ein Zeuge Uwe Mundlos zweifelsfrei als Vorarbei-ter dieses Unternehmens wiedererkannt hat, und was haben dieBundesregierung oder ihr nachgeordnete Stellen bisher veran-lasst, um diesen Verdacht aufzuklären und insbesondere auchum mögliche Beweismittel wie zum Beispiel Unterlagen undAkten bei Ralf Marschner in dessen Unternehmen und beimBundesamt für Verfassungsschutz sicherzustellen?Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .D
Herr Kollege Ströbele, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die Fragestellung berührt die Zuständigkeitsberei-
che des Bundesministeriums des Innern und des für den
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof zuständi-
gen Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher-
schutz .
Für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Justiz kann ich Folgendes mitteilen: Am 22 . Dezem-
ber 2011 ist der Hinweis eines ehemaligen Geschäfts-
partners von Ralf Marschner eingegangen . Demzufolge
soll Beate Zschäpe in einem von Ralf Marschner in den
Jahren 2005 bis 2007 geführten Bekleidungsgeschäft
in Zwickau als Aushilfe tätig gewesen sein . Daraufhin
wurden entsprechende Ermittlungen im geschäftlichen
Umfeld des Zeugen Ralf Marschner durchgeführt . So
wurden mehrere Zeugen vernommen, darunter insbe-
sondere auch die für die Einarbeitung von Aushilfen in
dem Bekleidungsgeschäft zuständige Angestellte . Darü-
ber hinaus wurde der von Ralf Marschner geschäftlich
in den Jahren 2000 bis 2007 genutzte Computer ausge-
wertet . Belastbare Anhaltspunkte für eine Aushilfstätig-
keit von Beate Zschäpe in dem Ladengeschäft von Ralf
Marschner haben sich nicht ergeben . Möglich ist, dass
Beate Zschäpe als Kundin in diesem Bekleidungsgeschäft
verkehrte . Der Hinweisgeber hat seine Behauptungen bei
einer Folgevernehmung erheblich relativiert . In den vom
Generalbundesanwalt auch nach Anklageerhebung ge-
sondert geführten Ermittlungen gegen unbekannt, also in
einem Strukturverfahren, ist weiter eingehend im Umfeld
des Zeugen Ralf Marschner ermittelt worden .
Im Jahr 2012 war bei der Auswertung der Unterlagen
von Kfz-Vermietern aufgefallen, dass seitens des von
Marschner betriebenen Bauunternehmens im Jahr 2001
bei einem Zwickauer Autovermieter drei relevante
Kfz-Anmietungen erfolgt waren . Diese Anmietungen
korrespondierten in zeitlicher Hinsicht mit zwei dem Na-
tionalsozialistischen Untergrund zugerechneten Tötungs-
delikten in Hamburg und München sowie mit einem
dem NSU zugerechneten Überfall auf eine Postfiliale in
Zwickau . Aus diesem Anlass waren mögliche Beziehun-
gen zwischen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einer-
seits und der Bauunternehmung des Zeugen Marschner
andererseits Gegenstand intensiver Ermittlungen .
In deren Rahmen sind zahlreiche weitere Zeugen
vernommen worden, darunter allein 16 ehemalige Be-
schäftigte der Firma Bauservice Marschner . Außerdem
wurde Ralf Marschner erneut vernommen . Ferner wur-
de die Insolvenzakte der Bauunternehmung ausgewer-
tet . Ebenfalls ausgewertet wurde die Akte eines wegen
des Vorwurfs der Vorenthaltung und Veruntreuung von
Arbeitsentgelt durchgeführten und mit rechtskräftiger
Verurteilung abgeschlossenen Strafverfahrens gegen
Marschner . Beide Akten standen im Zusammenhang mit
der Firma Bauservice Marschner .
Darüber hinaus wurden Erkenntnisanfragen an das
Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen
Abschirmdienst sowie die schweizerische Behörde ge-
richtet . Belastbare Anhaltspunkte für eine Tätigkeit von
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der vom Zeugen
Marschner betriebenen Bauunternehmung haben sich
nicht ergeben .
Ich möchte Sie jetzt nicht unterbrechen, weil ich den-
ke, es liegt in unser aller Interesse, hier die genauen In-
formationen zu erhalten . Die Zeit ist jedoch überschrit-
ten . Es ist wichtig, dass wir die Informationen erhalten .
Ich würde jetzt aber trotzdem Herrn Ströbele die Mög-
lichkeit zur Nachfrage geben .
D
Es tut mir leid, aber das sind nun einmal die Informa-
tionen, die ich vom Generalbundesanwalt erhalten habe .
Herr Staatssekretär, ich habe ja gesagt, dass die Infor-mationen in unser aller Interesse sind . Deshalb solltenSie auch die Möglichkeit haben, die Informationen zugeben . – Herr Ströbele .
Danke, Frau Präsidentin . – Ich verstehe das auch garnicht: Akten lesen kann auch ich . Sie haben hier jetzt Ak-ten vorgetragen .Ich habe Ihnen zwei ganz einfache Fragen gestellt, dieSie in fünf bis acht Sekunden beantworten können . Dieeine Frage war: Wann hat die Bundesregierung zum ers-ten Mal davon erfahren, dass ihr V-Mann Herr Marschner,der im Auftrag der Bundesregierung gearbeitet hat und,ich glaube, 37 000 Euro für diese Arbeit bezogen hat, denHerrn Mundlos als Vorarbeiter beschäftigt hat? Wann hatsie es zum ersten Mal erfahren?Die zweite Frage lautet – die können Sie gleich mitbeantworten –: Was hat die Bundesregierung getan, alsVizepräsidentin Edelgard Bulmahn
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sie das erfahren hat, um sicherzustellen, dass nicht wie-der Akten geschreddert werden, sodass man den Vorgangnicht nachvollziehen kann?Das sind doch zwei einfache Fragen . Die können Siedoch schnell beantworten .
Herr Staatssekretär .
D
Um die zu beantworten, muss man doch auf das einge-
hen, was das strafrechtliche Ermittlungsverfahren erge-
ben hat . Da muss ich doch erst einmal deutlich machen,
dass Ihre Prämisse, dass derjenige, der bei diesem Herrn
Marschner gearbeitet haben soll, Herr Mundlos gewesen
sei, überhaupt nicht sichergestellt ist .
Zum Zweiten kann ich sagen, dass wir als Bundes-
regierung – das wissen Sie – zu den Hintergründen des
möglichen Einsatzes von verdeckten Mitarbeitern aus
Sicherheitsgründen grundsätzlich keine Auskunft geben .
Herr Kollege Ströbele, Sie können noch einmal nach-
fragen .
Jetzt haben Sie die Frage immer noch nicht beantwor-
tet: Wann hat die Bundesregierung davon erfahren, dass
Herr Mundlos für ihren V-Mann als Vorarbeiter gearbei-
tet hat? Da können Sie mir nicht mit Akten antworten .
Es stand in der Zeitung . Spätestens letzte Woche oder
vor zwei Wochen, als es zum ersten Mal in der Zeitung
stand, muss die Bundesregierung davon erfahren haben .
Ich nehme einmal an, dass Sie Zeitung lesen .
Was hat die Bundesregierung unternommen, um si-
cherzustellen, dass die Akten nicht wieder geschreddert
werden, bevor die Mitglieder des Untersuchungsaus-
schusses sie lesen können?
Das sind doch einfache Fragen . Jetzt beantworten Sie
die doch einmal .
D
Zur zweiten Frage: Es ist klar, dass überhaupt keine
Erkenntnisse in irgendeiner Weise vernichtet werden
dürfen . Sie stehen natürlich auch dem Untersuchungs-
ausschuss zur Verfügung .
Zur ersten Frage kann ich nur das wiederholen, was
ich eben gesagt habe: Wir müssen jetzt natürlich auf das
Ermittlungsverfahren achten und schauen, inwieweit
Ihre Prämisse überhaupt richtig ist .
Frau Pau hat als nächste Fragestellerin das Wort .
Herr Staatssekretär – – Einen Moment, das Mikrofon
funktioniert nicht richtig . Ich denke, das hat wahrschein-
lich etwas mit den anderen technischen Gegebenheiten
zu tun . Die vertragen sich hier gerade nicht .
– Ich weise zurück, dass der Verfassungsschutz im deut-
schen Parlament irgendetwas sabotiert .
Herr Staatssekretär, ich habe zwei Fragen . Sie haben
gerade darauf hinwiesen, dass die Bundesregierung prin-
zipiell nicht auf Fragen zur Tätigkeit von V-Personen der
Ämter für Verfassungsschutz antwortet . Können Sie uns
einmal erklären – Sie haben uns das letzte Woche ja auch
schriftlich mitgeteilt –, was es mit dem Staatswohl zu tun
hat, diese Antwort zu verweigern, wenn der ungeheuer-
liche Verdacht im Raum steht, dass bei einem V-Mann
des Verfassungsschutzes, der übrigens kein netter Staats-
bürger von nebenan, sondern ein verurteilter Gewalttäter
ist, ein des Mordes an zehn Personen verdächtiger Nazi
beschäftigt war, und zwar in der Zeit, in der er von die-
sem Staat bezahlt wurde? Was hat es mit dem Schutz des
Staatswohls zu tun, uns die Auskünfte dazu zu verwei-
gern, was die Bundesregierung dort unternommen hat,
welche Kenntnisse sie hat, usw .?
Ein kleiner Hinweis – da wir uns ja morgen im Un-
tersuchungsausschuss mit diesem Thema befassen –: Es
wäre sehr schön, wenn wir dort nicht nur hören würden,
was das BKA gemacht hat, sondern wenn wir auch hören
würden, ob man wenigstens jetzt auf das Jobcenter, den
Zoll und andere zugegangen ist, um zu schauen: Welche
Beschäftigungsverhältnisse hat es in den vielfältigen Fir-
men und Unternehmungen des Herrn Marschner gege-
ben?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .
D
Sie tun jetzt ja so, als wenn es überhaupt keine Mög-lichkeit gäbe, diesen gesamten Sachverhalt, auch durchdas Parlament, aufzuklären . Das Gegenteil ist der Fall,und das wissen Sie auch . Der einschlägige Aktenbestanddes Bundesamtes für Verfassungsschutz zu dem V-Mann„Primus“ wurde dem zweiten Untersuchungsausschusszu diesem Thema zur Verfügung gestellt .
Für den ersten Untersuchungsausschuss hat der Ermitt-lungsbeauftragte die Akten gesichtet, und mit Zustim-mung der Bundesregierung wurden diese DokumenteHans-Christian Ströbele
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durch den aktuellen NSU-Untersuchungsausschuss bei-gezogen . Sie stehen somit für die Sachaufklärung zurVerfügung . Genau dafür gibt es ja den Untersuchungs-ausschuss . Sie sollten also nicht den Eindruck erwecken,dass die Bundesregierung hier irgendetwas verschleiernmöchte .
Es gibt eine weitere Nachfrage von Frau Dağdelen.
Vielen Dank . – Ich möchte es Ihnen leicht machen,
Herr Schröder . Die Frage des Kollegen Ströbele war ja,
seit wann der Bundesregierung der Sachverhalt oder der
Verdacht bekannt war . Sie haben sich darauf zurückgezo-
gen, dass man doch erst einmal das Ermittlungsverfahren
abwarten müsse . Ich möchte die Frage anders formulie-
ren und Ihnen die Möglichkeit geben, hier Aufklärung
zu betreiben und der Skepsis, die es gibt, dass es beim
Thema NSU-Komplex kein Staatsversagen gab, sondern
der Staat mit drinsteckt und die Aufklärung mit sabotiert,
entgegenzutreten, indem Sie eine klare Antwort geben .
Ich möchte die Frage so formulieren: Seit wann ist der
Bundesregierung bekannt geworden, dass Uwe Mundlos
bei diesem Unternehmer, dem V-Mann, beschäftigt wor-
den wäre? Es geht mir also nicht um die Tatsache, dass
es so war, sondern um die Information . Wann ist diese
Information erstmals an die Bundesregierung gelangt?
Für diese Auskunft brauchen Sie nicht das Ergebnis ei-
nes Ermittlungsverfahrens und kein Ermittlungsverfah-
ren insgesamt . Wann hat die Bundesregierung also zum
ersten Mal überhaupt davon gehört?
D
Ich habe eben schon erklärt, dass ich hier keine Aus-
künfte zu sogenannten V-Personen geben kann, dass sich
aber der Untersuchungsausschuss selbstverständlich be-
reits mit diesem Themenkomplex auseinandergesetzt hat
und sich zukünftig noch damit auseinandersetzen wird .
Noch einmal: Der bestellte Ermittlungsbeauftragte,
Professor von Heintschel-Heinegg, hat die Unterlagen
gesichtet und dann die entsprechend relevanten Unterla-
gen an den Untersuchungsausschuss weitergeleitet .
Die Kollegin Hajduk hat zu einer weiteren Nachfrage
das Wort .
Herr Staatssekretär, es handelt sich bei der Frage,
ob Herr Mundlos bei dem V-Mann angestellt war, wie
wir ja in den Medien gehört haben, nicht mehr um eine
Angelegenheit, die vertraulich ist . Vielmehr ist das eine
öffentliche Tatsache . Dazu hat mein Kollege Ströbele
nun eine Frage gestellt, und ich möchte hier noch einmal
nachfragen: Wann hat die Bundesregierung von dieser
öffentlichen Angelegenheit zum ersten Mal erfahren, un-
abhängig davon, ob diese Prämisse richtig ist? Ich kann
nicht erkennen, dass das eine Frage ist, auf die Sie uns
nicht eine Antwort geben müssen .
D
Wenn Sie jetzt auf die Presseberichterstattung hinwei-
sen, wann die Bundesregierung, wann wer davon Kennt-
nis erlangte: Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten,
aber diese Antwort kann ich Ihnen selbstverständlich
gerne nachreichen .
Es tut mir leid, aber Sie haben nur eine Nachfrage .
– Ich weiß das .
– Gut, das liegt nicht in meiner Hand . – Die Kollegin
Hänsel hat die nächste Nachfrage .
Hier würde ich auch gerne noch einmal nachfragen . –
Es geht nicht darum, wann die Bundesregierung in der
Presse gelesen hat, dass Herr Mundlos eventuell bei ei-
nem V-Mann angestellt war, sondern darum, wann sie
das allererste Mal von diesem Verdacht Kenntnis bekom-
men hat . Wann hat sie zuallererst Kenntnis von dem Ver-
dacht bekommen, dass diese Möglichkeit besteht? Wann,
zu welchem Zeitpunkt hat das jemand an die Bundesre-
gierung herangetragen?
Folgendes würde ich daran gerne noch anhängen – ich
denke, es ist Gefahr im Verzuge –: Wurden mittlerweile
eigentlich überhaupt schon einmal Akten bei dem Unter-
nehmen Marschner sichergestellt?
D
Ich habe ja bereits ausgeführt, dass auch die General-
bundesanwaltschaft entsprechende Akten untersucht hat .
Von daher sehe ich nicht, wo es hier Gefahr im Verzuge
gibt .
Zu dem ersten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen keine
Auskunft geben .
Abschließend hat der Kollege Wunderlich eine Nach-frage .Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
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Hat sich geklärt . Er weiß es nicht, sagt er ja .
Gut . – Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs
des Bundesministeriums des Innern . Herzlichen Dank .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums der Finanzen auf . Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Dr . Michael Meister zur
Verfügung .
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Wie hoch sind die Geldsummen, die die Bundesrepublik
Deutschland wegen der infolge der Finanzkrise gesunkenen
Zinslasten seit dem Jahr 2010 eingespart hat, und demgegen-
über die Kosten der Krise in Griechenland, selbst wenn dieses
Land seine Schulden komplett nicht bedienen würde, und teilt
die Bundesregierung die Auffassung, dass Deutschland danach
möglicherweise von der GriechenlandKrise profitieren wird?
Bitte, Herr Staatssekretär .
D
Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, wie hoch die
Geldsummen sind, die Deutschland aufgrund der Folgen
der Finanzkrise eingespart bzw . zusätzlich verausgabt
hat, lässt sich nicht quantifizieren.
Die Entwicklung der Zinsausgaben wird von einer
Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Zu diesen Faktoren
zählen beispielsweise Zinsentscheidungen der Europä-
ischen Zentralbank, Vertrauenseffekte in Bezug auf die
deutsche und die europäische Politik, das Anlegerverhal-
ten auf den Kapitalmärkten, Refinanzierungsvolumina
der Bundesrepublik Deutschland und die Portfoliostruk-
turen, die jeweils gewählt werden .
Die Bundesregierung rechnet nicht mit Kosten, die
beispielsweise durch einen Zahlungsausfall bzw . durch
das Nichtbedienen der Griechenland gewährten Kredite
entstehen könnten . Deutschland gewährt Griechenland
gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten der Eu-
ro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds zeitlich
begrenzte Kredithilfen . Die Auszahlung der Finanzmit-
tel erfolgt auf Basis eines Reformprogramms und nach
erfolgreichem Abschluss einer Programmüberprüfung
bzw. der Erfüllung von vereinbarten finanzpolitischen
und strukturellen Auflagen. Griechenland hat bekräftigt,
allen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern voll-
ständig und pünktlich nachzukommen .
Die Bundesregierung teilt nicht die Aussage, dass
Deutschland von der GriechenlandKrise profitiert. Viel-
mehr hat Deutschland zur Bewältigung der Finanzkrise
zahlreiche Maßnahmen unternommen, um die Stabilität
der gemeinsamen europäischen Währung zu sichern . Ne-
ben den bilateralen Darlehen für Griechenland hat die
Bundesrepublik in diesem Zusammenhang erhebliche
finanzielle Ressourcen, beispielsweise für die Europäi-
sche Finanzstabilisierungsfazilität und für den Europäi-
schen Stabilitätsmechanismus, bereitgestellt, Leistungen
erbracht und auch weitere Garantierisiken übernommen .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Danke . – Herr Staatssekretär, wenn Sie die Zinsent-
wicklungen nicht allein auf die Finanzkrise zurückfüh-
ren – das mag ja stimmen, darüber will ich mich mit Ih-
nen nicht streiten –, dann sagen Sie mir doch: Wie hoch
ist die Summe der Zinslasten, die die Bundesrepublik
Deutschland durch die Zinssenkungen gespart hat? Die
Zinsen sind inzwischen so weit gesenkt worden, dass sie
bei null liegen, jedenfalls der Leitzins und damit natür-
lich auch die Zinsen, die Deutschland für seine Staats-
schulden zahlen muss .
Nur diese Summe wollte ich wissen . – Gleich kommen
wir noch zu Griechenland .
D
Ich habe darauf hingewiesen, dass wir sehr verschie-
dene, sehr unterschiedliche Faktoren haben, die für das
Zinsniveau ursächlich sind . Insofern ist ein solcher Ver-
gleich immer mit extrem hohen Unsicherheiten behaftet .
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir auch außer-
halb des europäischen Währungsgebietes, etwa in Japan
oder in den USA, ein extremes Niedrigzinsniveau haben .
Insofern ist das weder eine deutsche noch eine europä-
ische Besonderheit . Wir haben im Jahr 2015 – das sind
die letzten Zahlen, die definitiv vorliegen, Herr Kollege
Ströbele – 48,5 Milliarden Euro für die staatlichen Ge-
samtschulden in Deutschland aufgewandt . Wir hatten,
bezogen auf das Jahr 2010, einen gesamtstaatlichen Zins-
aufwand von 63,9 Milliarden Euro .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Ich weiß nicht, ob ich kein Deutsch rede . Ich kann mir
ja das Ganze nachher noch einmal anhören . – Ich habe
Sie nicht gefragt, wie hoch die Zinslasten sind, die Sie
getragen haben, sondern danach, wie viel Sie durch die
Zinssenkungen seit 2010 weniger bezahlt haben . Einige
Institute haben das errechnet . Die eine Summe liegt bei
100 Milliarden Euro, die andere liegt noch höher . Sie
können doch sagen, wie hoch diese Summe nach Auffas-
sung der Bundesregierung ist .
D
Die Bundesregierung beteiligt sich grundsätzlichnicht an Spekulationen . Das, was Sie hier abfragen, istspekulativ . Wir wissen zwar auf der einen Seite, was wirfür Staatsanleihen, die wir begeben, tatsächlich zahlenmüssen . Auf der anderen Seite wissen wir aber nicht:
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Wie hoch wäre die Rendite auf Staatsanleihen in einemanderen Marktumfeld? Insofern würden wir uns da imBereich der Spekulation bewegen . Und Spekulation istnicht Aufgabe der Bundesregierung .
Danke, Herr Staatssekretär . – Die Frage 38 des Kolle-
gen Andrej Hunko sowie die Fragen 39 und 40 des Kol-
legen Friedrich Ostendorff sollen schriftlich beantwortet
werden .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales . Auch die Frage 41
der Kollegin Brigitte Pothmer soll schriftlich beantwortet
werden .
Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Corinna Rüffer auf:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die
vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit
Behinderung geforderte umfassende und wirksame Strategie
zum Schutz behinderter Frauen und Mädchen vor Gewalt so-
wohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich umzusetzen
wie rechtfertigt sie, dass sie die Strategie nicht innerhalb der
in Nummer 63 gesetzten Frist von zwölf Monaten nach Ver-
abschiedung der Abschließenden Bemerkungen realisiert hat?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staats-
sekretärin Gabriele Lösekrug-Möller zur Verfügung . –
Bitte, Frau Staatssekretärin .
G
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Verehrte Kollegin
Rüffer, Sie haben gefragt, ich antworte: Nach Num-
mer 63 der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fach-
ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinde-
rung sind zur Umsetzung von Nummer 36 innerhalb von
zwölf Monaten Informationen vorzulegen, wie Deutsch-
land diese Empfehlung umzusetzen gedenkt . Die zwölf-
monatige Frist bezieht sich auf das erstmalige Erscheinen
der Abschließenden Bemerkungen am 17 . April des ver-
gangenen Jahres, deren endgültige Fassung sogar erst am
13 . Mai 2015 veröffentlicht worden ist .
Es reicht also aus, die Stellungnahme zu Nummer 36
der Empfehlung bis zum 17 . April 2016 vorzulegen .
Die Bundesregierung wird diese Stellungnahme dem
UN-Fachausschuss fristgerecht zuleiten . Aus Respekt
vor dem UN-Fachausschuss kann sich die Bundesregie-
rung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu den Einzelhei-
ten der Stellungnahme äußern .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Das ist eine magere Antwort, wenn ich das sagen darf,
da wir schon länger wissen, dass die Situation von be-
hinderten Frauen ganz schwierig ist, was die Frage von
Missbrauch anbelangt: Sexuellen Missbrauch und sexu-
elle Gewalt erleiden Frauen mit Behinderung zwei- bis
dreimal häufiger als Frauen ohne Behinderung. Körper-
liche Gewalt erfahren Frauen mit Behinderung ungefähr
doppelt so häufig wie Frauen ohne Behinderung. Diese
Zahlen stammen aus einer Studie vom Herbst 2011, die
vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben
wurde .
Ich frage Sie: Welche Konsequenzen hat die Bundes-
regierung seit 2011 gezogen, um diese Situation zu ver-
bessern?
G
Frau Kollegin Rüffer, ich antworte noch einmal da-
rauf, weil Sie das im Kontext des UN-Fachausschusses
gefragt haben: Wir werden das nicht nur fristgerecht
vorlegen, sondern haben auch die Absicht, wenn wir das
eingereicht haben, es unverzüglich auf der Seite „ge-
meinsam-einfach-machen .de“ öffentlich zu machen und
zur Verfügung zu stellen, wie wir das mit vielen Doku-
menten machen .
Ich darf sagen: Wir vermuten, dass uns das im Laufe
der nächsten Woche gelingen wird .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Trotzdem wiederhole ich die Frage noch einmal . Der
UN-Fachausschuss hat der Bundesrepublik Deutschland
empfohlen, eine umfassende und wirksame Strategie mit
angemessenen Finanzmitteln zu ergreifen . Es wäre für
uns als Parlament natürlich wichtig, zu wissen, welche
Maßnahmen bisher ergriffen worden sind, um die Situa-
tion behinderter Frauen mit Blick auf die Frage sexueller
und körperlicher Gewalt zu verbessern .
G
Ich antworte auch darauf gerne noch einmal, auch
wenn das jetzt ein wenig redundant ist . Das ist eine Fülle
von Maßnahmen . Wir waren ja auch in der Verantwor-
tung, nachzufragen, wie es in den einzelnen Bundeslän-
dern aussieht . Deshalb ist es eine sehr umfassende Ant-
wort, die wir dem Ausschuss vorlegen werden . Im Laufe
der nächsten Woche haben nicht nur Sie, sondern hat die
gesamte Öffentlichkeit die Gelegenheit, das Ergebnis
einzusehen und zu bewerten .
Danke, Frau Staatssekretärin . – Wir sind damit amEnde der Fragestunde .Interfraktionell ist vereinbart, dass die Aktuelle Stun-de erst um 16 .10 Uhr beginnen soll . Der Wiederbeginnder Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal ange-kündigt . Die Sitzung ist unterbrochen .
Parl. Staatssekretär Dr. Michael Meisterhttp://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Home/as_node.htmlhttp://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Home/as_node.html
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Mehr Transparenz bei Steueroasen und Brief-
kastenfirmen durch international abgestimm-
tes Vorgehen durchsetzen
Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner hat
Dr . Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Praxis in Panama ist inakzeptabel . Sie ist verwerf-lich . Sie ist asozial und schädigt das Gemeinwesen welt-weit . Lassen Sie mich deshalb feststellen: Die sogenann-ten Panama Papers stärken unseren Handlungswillen inder CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag . Wirwollen diesem Handlungswillen gemeinsam vermehrtnachkommen .Die CDU/CSU-Fraktion hat das Problem der Steuer-hinterziehung, Steuervermeidung und Geldwäsche seitlangem erkannt und national und international entspre-chend behandelt .
Beispiele hierfür sind etwa das Gesetz zur Änderungder Abgabenordnung, besser bekannt als Regelung zurSelbstanzeige, und das EU-Amtshilfegesetz, zwei Ge-setze zum automatischen Informationsaustausch überFinanzkonten und das Abwicklungsmechanismusgesetz .Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Wir habenmit dem Bundesfinanzminister seit der Finanzkrise über40 Maßnahmen umgesetzt, die weltweit starke Regulie-rungen vorsehen und insbesondere für uns als nationalerGesetzgeber maßgebend sind .
Ich glaube daher nicht, meine sehr geehrten Kolleginnenund Kollegen, dass man uns als Deutschem Bundestag,wie das leider in den Medien gerade geschehen ist, Ta-tenlosigkeit vorwerfen kann .Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam mit demBundesfinanzminister eine Vielzahl von Maßnahmenergriffen und auch international erfolgreich angestoßen .Wir sind Vorbild in der G 7, in der G 20 und bei derOECD, meine Damen und Herren . Das ist die Wahrheit,die wir aussprechen müssen .
In diesem Zusammenhang ist vor allem die BerlinerSteuerkonferenz im Oktober 2014 zu nennen, bei der51 Staaten den automatischen Informationsaustauschbeschlossen haben . Weitere 45 Staaten sind mittlerweilebeigetreten oder haben ihre Absicht dazu erklärt . Das istein großer Erfolg, der nicht von ungefähr kommt .
Aber auch die BEPS-Initiative, die Anfang nächstenJahres erweitert werden soll und Gewinnverlagerungenund Gewinnkürzungen bekämpft, ist dafür ein Parade-beispiel . Sie richtet sich gegen den schädlichen Steuer-wettbewerb von Staaten und aggressive Steuerplanungeninternational tätiger Konzerne .Wir müssen den moralisch-ethischen Grundsatz einerMarktwirtschaft immer wieder hervorheben . Für michals Unternehmer ist klar: Unsere Wirtschaft funktioniert,wenn Gewinne gemacht und Investitionen getätigt wer-den . Wer Gewinne auf geheimen Konten einfriert, ist keinUnternehmer . Er ist eher ein Dieb für das Gemeinwohl .
Ein Dieb, der der Allgemeinheit schadet, muss geächtetund sanktioniert werden . Das ist die Grundlage unseresRechtsstaats und unserer freiheitlich-demokratischen Po-litik .
Der Weg muss also eindeutig hin zu mehr Transpa-renz gehen . Das ist der Schlüssel zur Eindämmung vonSteueroasen . Allerdings will ich nicht verschweigen,dass bislang von den knapp 200 Ländern der UN-Staa-tengemeinschaft nur rund 100 Länder das Abkommenüber einen automatischen Informationsaustausch in Steu-erfragen unterzeichnet haben . Die Hälfte ist immerhingeschafft . Wir sind auf einem guten Weg, den wir nunzu Ende gehen müssen . Ich sage deshalb ganz deutlich:Ein Kurswechsel ist natürlich nicht notwendig, weil wirauf dem richtigen Kurs sind . Aber wir müssen deutlichmachen: Es gilt, noch mehr Transparenz zu erreichen . Esgilt, noch mehr Druck auf die Steueroasen auszuüben .Es gilt, noch mehr internationale Unterstützung zu be-kommen; denn das Problem kann nur auf internationalerEbene gelöst werden . Wir können auf nationaler Ebenesicherlich für eine entsprechende Gesetzgebung sorgen .Aber es muss auf internationaler Ebene eine Verbreite-rung der entsprechenden Grundsätze geben .
Wie die jüngsten Enthüllungen zeigen, sind wir nochlängst nicht am Ende unserer Bemühungen . Aber wereinfache Lösungen propagiert, ist ein Populist . EinfacheLösungen auf internationaler Ebene gibt es nicht . Viel-mehr ist es ein hartes Stück Arbeit und bedarf des Boh-rens dicker Bretter, um alle 200 Länder einzubeziehenbzw . die Länder, die mit Steueroasen Geld verdienen, zubeschränken . Wir müssen die Panama Papers als Chancesehen – wir tun das –, um den Druck auf Steueroasen undSteuerflüchtlinge weiter zu erhöhen. Deswegen sind wirmit den Veröffentlichungen einverstanden . Wir wollen,dass Ross und Reiter genannt werden; das verlangen wir
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vom Medienkonsortium . Dann sind wir gemeinsam mitden Ermittlungsbehörden auf dem richtigen Weg .Herzlichen Dank .
Als nächste Rednerin hat Dr . Sahra Wagenknecht für
die Fraktion Die Linke das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Das waren richtig eindrucksvolle Worte .
Ich finde es wirklich beeindruckend, welche Hyperak-tivität die Bundesregierung plötzlich entfaltet: Zehn-Punkte-Plan, Forderungen nach weltweiter Transparenz,Verbot von Briefkastenfirmen. Es ist schon bemerkens-wert, wie Sie versuchen, die Öffentlichkeit für blöd zuverkaufen . Wollen Sie uns ernsthaft weismachen, dassIhnen erst durch die Panama Papers aufgefallen ist, dassBriefkastenfirmen nicht dem Postempfang dienen, son-dern für Steuerhinterziehung, Geldwäsche und anderekriminelle Aktivitäten nicht missbraucht, sondern – denngenau dafür sind sie da – gebraucht werden? Sie hättenlängst etwas dagegen tun müssen . Aber Sie haben bisheute nichts dagegen getan .
Natürlich ist der Kern längst bekannt . 2009 hat diedeutsche Finanzaufsicht bei deutschen Banken nach Ak-tivitäten in Steueroasen gefragt . Das Ergebnis war: ÜberTochtergesellschaften haben die hiesigen Institute mehrals 1 600 Stiftungen und Trusts in allen Steuerparadiesendieser Welt unterhalten . Im März 2013 hat die Süddeut-sche Zeitung berichtet, dass prominente Unternehmerund Privatleute über Firmen in Panama verwickelt sei-en, darunter auch Vertreter der Familien Porsche, Piëch,Quandt, Burda, Jacobs und von Finck . Die Crème de laCrème des deutschen Geldadels tut sich also in einerzweifelhaften Steueroase um, und die Bundesregierungwill von all dem überhaupt nichts mitbekommen haben .Das ist doch eine völlig unglaubwürdige Politik .
2014 folgte Luxemburg-Leaks . Luxemburg-Leaks hatklargemacht: Man muss nicht in die Karibik gehen, wennman die Öffentlichkeit und die Allgemeinheit um Steuer-geld prellen will . Da wird man auch in der EU wunderbarbedient . Es ist auch längst bekannt, dass US-Steueroasenwie Delaware genau die gleiche Funktion erfüllen . ImJanuar 2016 hat Oxfam darauf hingewiesen, dass reichePersonen in Steueroasen 7,6 Billionen Dollar versteckenund dass neun von zehn großen Unternehmen mindestenseine Tochterfirma in Steueroasen haben. Die Regierunghat nichts gehört und nichts gesehen . Jetzt wird sie plötz-lich wach . Das ist eine Verhöhnung der Intelligenz derer,denen Sie das weismachen wollen .
Wenn es wenigstens so wäre, dass Sie die ganze Zeitnichts getan hätten, dann wäre es noch harmlos . Es istaber in Wirklichkeit noch schlimmer . Trotz der Veröf-fentlichung haben Sie Panama und andere Steueroasenvon der schwarzen und dann sogar noch von der grauenListe intransparenter Staaten gestrichen und Doppelbe-steuerungsabkommen mit diesen Ländern geschlossen,obwohl Sie wissen, dass das Steuerhinterziehungsab-kommen sind . Das ist doch Ihre Aktivität . Auf EU-Ebe-ne hat Deutschland verbissen gegen eine Offenlegungder Verzeichnisse der tatsächlichen Profiteure und Ei-gentümer von Briefkastenfirmen gekämpft. Das heißt,Deutschland hat genau die Transparenz verhindert, diesich Herr Schäuble jetzt so groß auf die Fahne schreibt .Das ist doch zutiefst unehrlich .
Sie hatten auch keine Einwände, dass anstelle des tat-sächlich Berechtigten auch ein Strohmann in das neueEigentümerverzeichnis eingetragen werden kann, wasnatürlich das ganze Projekt ad absurdum führt . Das heißt,während die Regierung jetzt plötzlich den Robin Hoodim Kampf gegen die Steuerhinterzieher gibt, hat sie inWahrheit alles dafür getan, dass die Geldwäsche- undSteuerhinterziehungsmafia ihren dunklen Geschäftenvöllig unbehelligt weiter nachgehen kann . Das ist Ihrereale Politik .
Da geht es nicht um Bagatelldelikte; da geht es umorganisierte Kriminalität der Reichen und Mächtigen .Es geht um bis zu 100 Milliarden Euro öffentliche Ein-nahmen im Jahr – und das in einer Situation, in der inDeutschland in vielen Pflegeheimen, in vielen Kranken-häusern Notstand herrscht, in einer Situation, in der Leh-rer fehlen und in Schulen der Putz von der Decke fällt .In einer solchen Situation schenken Sie den Reichsten,vor allem dem kriminellen Teil der Reichsten, Summenin derartigen Größenordnungen. Ich finde, das ist eineunerträgliche Politik .
Sie müssen auch nicht auf den Tag warten, an demdie ganze Welt mitzieht . Es ist immer schön und billig,zu sagen: Wir machen ein Angebot an alle anderen undwarten, ob sich die ganze Welt einigt . – Dabei weiß mangenau, dass sich die ganze Welt nie einigen wird . DieUSA haben, zumindest für ihre eigenen Staatsbürger,vorgemacht, wie es funktioniert . Wir brauchen saftigeQuellensteuern – besser wäre es, sie auf EU-Ebene zubeschließen; aber man kann sie auch in Deutschland be-schließen – auf Finanzflüsse in Steueroasen. Wir brau-chen ein Strafrecht für Unternehmen, und wir brauchenendlich ein Vorgehen gegen Banken, die Beihilfe zurSteuerhinterziehung leisten . Das sind keine Bagatell-delikte . Schauen Sie sich die Commerzbank an, die imDr. h. c. Hans Michelbach
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letzten Jahr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung inMilliardenhöhe mit einer Bagatellstrafe von 17 Millio-nen Euro aus dem Verfahren gekommen ist . Das ist eineskandalöse Politik .
Wir brauchen endlich ein öffentliches Register über diewahren Eigentümer von Briefkastenfirmen.Hören Sie endlich auf, große Worte zu spucken! HörenSie endlich auf, sich vor der Finanzmafia wegzuducken!Machen Sie endlich eine Politik, die deren Geschäfte un-möglich macht . Das können Sie auch hier in Deutschland .Hier können Sie vorangehen . Sie können auch in der EUwesentlich mehr durchsetzen, wenn Sie das endlich tun .Ich bin überzeugt: Wer gegen die Steuerhinterziehungs-industrie nicht endlich konsequent vorgeht, der zerstörtdie Demokratie . Deswegen sagen wir: Dieses Geld mussendlich der Öffentlichkeit zugutekommen . Dafür kämpftdie Linke, und dafür werden wir auch weiter kämpfen .
Als nächster Redner hat Landesminister Dr . NorbertWalter-Borjans für den Bundesrat das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DiePanama Papers haben eine ganz wichtige Botschaft anuns alle gesendet, nämlich die, dass diejenigen, die Geldverstecken, und diejenigen, die ihnen dabei helfen, nichtmehr sicher sein können, dieses Geschäft im Dunkeln un-gestört vollziehen zu können .
Das ist eine viel wichtigere Botschaft, als manch einerdenkt; denn wir alle wissen: Kapital ist ein scheues Reh,und in diesem Punkt ist es besonders scheu . Es kann garnicht haben, wenn es irgendjemanden gibt, der mögli-cherweise am Lichtschalter dreht .
Dafür haben wir dem Recherchenetzwerk zu danken,aber auch – das sage ich ganz offen – den Steuerfahndernin den Ländern, die eine Menge Aufklärungsarbeit ge-leistet haben, und zwar schon lange vor Veröffentlichungder Panama Papers . Sie werden diese Arbeit auch jetzt,da die Daten bekannt sind, leisten und auch nach denPanama Papers .
Ein zweiter Punkt macht mir viel mehr Sorge. Ich fin-de etwas Erschreckendes an dem, was die Panama Papershervorgebracht haben . Sie werfen eine brisante Frageauf, die sich die Menschen im Land stellen: Wer auf deminternationalen Parkett – in Banken, Unternehmen, Po-litik, Sportinstitutionen – ist eigentlich nicht verwickelt,wenn sich in irgendeiner Weise die Möglichkeit bietet,sich dem Fiskus mit einer Briefkastenfirma zu entzie-hen und es den Ehrlichen zu überlassen, zu zahlen? Dasist etwas, was an den Grundfesten unserer Demokratie,unseres Gemeinwesens rüttelt . Wenn wir nicht dagegenvorgehen, wird das dazu führen, dass Menschen in obs-kuren Alternativen ihren Vorzug sehen und meinen, dawerde mit Patentrezepten das geboten, was man bei unsvermisse .Die Frage ist: Was heißt das? Was schließen wir da-raus? Die erste Antwort darauf ist, dass Schluss damitsein muss, dass nur angekündigt und abgewartet wird .Vielmehr muss wirklich etwas getan werden, was denMenschen, die zweifeln, die Botschaft vermittelt: In denParlamenten und Regierungen von Bund und Ländernsitzen Menschen, die es ernst damit meinen, ihren Bei-trag, den sie nach dem Gesetz zu leisten haben, zu leisten .Ich will, Herr Michelbach, nicht verkennen, dass daschon eine Menge erreicht ist . BEPS ist eine ganz wichti-ge Sache . Wir haben in den letzten Jahren allerhand Din-ge erreicht . Wenn wir das vor sechs oder sieben Jahrenvorhergesagt hätten, dann hätte uns niemand geglaubt,dass man so weit kommen kann .
Aber wir wissen auch, dass das, was erreicht worden ist,erreicht worden ist, nicht weil es irgendwo eine großemoralische Wende gegeben hat, sondern weil denen, diehinterzogen haben, und auch denen, die jetzt mit uns dieAbkommen geschlossen haben, klar geworden ist, dasses mit der Geheimniskrämerei nicht so weitergeht, dassman schlicht und ergreifend ein viel zu hohes Risikoeingeht, wenn man Unanständiges macht, – dass mannämlich auffliegt – und dass sich Steuerhinterziehungimmer weniger lohnt, da es immer aufwendiger wird, einsolches Versteckspiel zu treiben . Wir müssen auf jedenFall auf diesem Weg weitergehen, und zwar in erster Li-nie auf dem internationalen Parkett; denn es nützt nichts,wenn man alleine dasteht, während alle anderen lukrati-ve Möglichkeiten der Steuerhinterziehung anbieten, undnichts dagegen machen kann .Beim Austrocknen dieses Sumpfs muss man sich na-türlich darüber im Klaren sein, dass man auch mit Frö-schen am Tisch sitzt . Es gibt solche, die mittlerweilenicht mehr anders können, als in der Rhetorik mit unsübereinzustimmen, aber dennoch dafür sorgen, dass esLücken und Verzögerungen gibt und dass es so schnellnicht möglich ist, etwas gegen die Missstände zu tun .Deswegen geht es neben der Arbeit an den internationa-len Abkommen darum, klarzustellen, dass die Kontrol-le dessen, was man verabredet hat, genauso wichtig ist .Es geht auch um Sanktionen gegenüber denjenigen, diesich an Verabredungen nicht halten . Man muss deutlichmachen: Wir sind ein Teil einer Wertegemeinschaft aufdem internationalen Parkett, die auch wirtschaftlich starkDr. Sahra Wagenknecht
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genug ist, Sanktionen durchzusetzen . All das kann man,finde ich, ein Stück weit mehr tun.
Der Bundesfinanzminister hat mit seinem ZehnPunk-te-Plan einige Maßnahmen angesprochen . Für vieles –das füge ich jetzt hinzu – wären die Panama Papers unddie dadurch etwas aufgeschreckt schnelle Reaktion garnicht nötig gewesen . Die nordrhein-westfälische Steu-erfahndung arbeitet zusammen mit dem Landeskrimi-nalamt seit eineinhalb Jahren an der Auswertung vonDaten, die sich auf das Thema Panama und auf Institu-tionen, die mit den Panama Papers ans Licht kommen,konzentriert . Es gibt sogar schon staatsanwaltschaftlicheErmittlungen . Das ist also nicht neu . Es ist vielleicht inder Dimension größer, als man gedacht hat . Man dachte,dass man für 16 Milliarden Euro Mehreinnahmen gesorgthat . Nun weiß man, was für ein kleiner Teil dessen dasist, der hinterzogen und verschoben wird .Es ist natürlich schon bemerkenswert, dass jetzt vie-les aufgescheucht wirkt . Wenn ich mir einmal die zehnPunkte des Plans anschaue, dann stelle ich fest, dass bei-spielsweise unter Punkt 9 von der verspätet einsetzendenVerjährung bei Steuerbetrug die Rede ist . Ich erinneremich sehr gut daran, als ich im November 2012 beim IRSin Washington war, dass uns genau dies dort vorgestelltwurde und ich diese Forderung damals gestellt habe . Eshat dreieinhalb Jahre gedauert, bis dieser Punkt nun auf-taucht .Es gibt auch Punkte, die nicht im Zehn-Punkte-Planenthalten sind, obwohl sie dort gut stehen könnten . Dan-kenswerterweise sind sie im Vorschlag der Bundestags-fraktion der SPD enthalten . Ein Beispiel – auch das istnicht neu –: Seit zwei Jahren liegt dem Bundestag einGesetzentwurf des Bundesrates vor . Darin geht es da-rum, dass man Banken und nicht nur einzelne überführteMitarbeiterinnen und Mitarbeiter belangen können muss .Bisher konnte man immer nur eine lächerliche Strafe ver-hängen, was einer Lappalie gleichkam . Es muss klar sein,dass diejenigen, die sich geschäftsmäßig an diesem Werkbeteiligen, um ihre Lizenz bangen müssen . Sie sind sys-temrelevant, legen Wert darauf, dass sie gestützt werden,nehmen aber ihre Verantwortung nicht wahr . Sie sagennicht: „Hier ist eine Lücke; die Politik muss diese Lückeschließen“, sondern sie sind froh, wenn es eine Lückegibt, die sie ausnutzen können . Das sollte keine system-relevante Institution machen dürfen .
Ich will nur kurz drei Punkte nennen, um die mandie Vorschläge ergänzen könnte, die auch sofort wirkenkönnten .Erster Punkt . In Deutschland ist man mit seinem Welt-einkommen steuerpflichtig. Wer eine Offshorekonstruk-tion nutzt – um dort Steuern zu hinterziehen –, ist schonheute meldepflichtig; er muss nicht erst meldepflichtiggemacht werden . Nur, es ist ein Witz, dass es eine Ord-nungswidrigkeit ist, wenn er gegen diese Meldepflichtverstößt . Erste Frage also: Wie stellen wir sicher, dasseine andere Sanktion als bisher droht, wenn man nichtmeldet, und wie kann man die Banken in die Verantwor-tung einbeziehen? Jeder Arbeitgeber muss melden, wassein Arbeitnehmer verdient . Aber wenn es darum geht,dass Banken Kapitaleinkünfte angeben sollen, dann wirdoffenbar ein Menschenrecht verletzt . Das kann nicht sein .
Der zweite Punkt – er ist mehrfach angesprochenworden –: Banken müssen als Unternehmen zur Rechen-schaft gezogen werden können; da darf nicht auf Einzel-personen abgestellt werden . Im Bundesrat liegt seit gutzwei Jahren ein entsprechender Gesetzentwurf vor . Ichbitte dringend darum, ihn zu behandeln und die notwen-digen Konsequenzen zu ziehen .Der dritte Punkt – auch er ist angesprochen worden –:Es gibt Unternehmen, die die gesamten Gewinne, die siein Deutschland erwirtschaften – diese sind wegen derKaufkraft und der Größe des Landes hoch –, über Li-zenzgebühren in Steueroasen verschieben, um hier keineSteuern bezahlen zu müssen und auch dort, wohin sie sieverschieben, keine Steuern bezahlen zu müssen .Diese beiden Lücken müssen geschlossen werden . Zudiesem Punkt gibt es schon einen Ansatz . Es geht jetztdarum – neben dem, was man schon verabredet hat undwas ergänzt werden kann –, dafür zu sorgen, dass dasauch durchgesetzt wird und nicht nur auf dem Papiersteht . Es darf nicht sein, dass wir uns bei der nächstenLeaks-Diskussion, die es irgendwann wieder geben wird,hier wieder treffen, über dasselbe reden und fragen: Wa-rum haben wir das eigentlich nicht gemacht, als die Pana-ma Papers vorlagen? Diesen herzlichen Wunsch habe ichan den Deutschen Bundestag . Die Länder und wir alsNordrhein-Westfalen sind in hohem Maß bereit, daranmitzuwirken . Ich glaube, wir tun damit wirklich auch derDemokratie etwas Gutes . Der Zweifel daran, dass wir daswirklich in den Griff bekommen, wäre auch ein Zweifeldaran, dass wir am Ende die Ehrlichen entlasten und vorallen Dingen die großen staatlichen Aufgaben wahrneh-men können .Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Als nächster Redner spricht Dr . Anton Hofreiter von
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Panama Papers sind eine eindrucksvolleListe von Menschen: Superreiche, die die Allgemeinheitum ihre Steuern betrügen wollen, Diktatoren und tota-litäre Herrscher, die ihr eigenes Land ausplündern, desWeiteren Waffenhändler, Rauschgifthändler, Terrorfinan-ziers. Aber: Die Infrastruktur der Briefkastenfirmen, dieall diesem dient, braucht in der Regel Unterstützung ausMinister Dr. Norbert Walter-Borjans
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Europa, aus Deutschland, damit die Steuerkriminellen,die Waffenhändler diese auch nutzen können .Herr Schäuble, Sie reden sehr gerne von Law andOrder . Sie haben jetzt einen Plan vorgelegt; Sie wolleneiniges umsetzen . Aber wenn ich mir Ihr Handeln in denvergangenen Jahren anschaue, dann kommen mir dochziemliche Zweifel daran, ob Sie das wirklich ernsthaftumsetzen wollen .
Das Besondere an diesem schönen internationalenPlan ist – das hat auch Herr Michelbach wunderbar dar-gestellt –: Man braucht die Unterstützung von ganz vie-len Ländern, die unter Umständen unkooperativ sind, mitdenen schwer zusammenzuarbeiten ist . Wenn man dasalles dann am Ende wieder nicht umsetzen kann, dannstellt man sich hin und sagt: Es tut mir leid . An uns hates gar nicht gelegen . Es wäre möglich gewesen . Wir ha-ben es gewollt . Die anderen wollten nicht . – Das klingtdann alles gut und harmlos, und selber ist man nicht da-ran schuld .Aber warum setzen Sie denn eigentlich nicht die Maß-nahmen um, die europäisch bzw . national umzusetzenwären?
Warum stellen Sie nicht endlich Ihre Blockade dage-gen ein, dass das Country-by-Country-Reporting kom-plett transparent dargestellt und so umgesetzt wird, dasses wirksam werden kann? Deutschland ist da einer derHauptblockierer . Deutschland ist auch einer der Haupt-blockierer, wenn es darum geht, endlich klarzumachen,welcher Konzern in welchem Land Steuern zahlt . Sie alsBundesregierung haben sogar noch selbst dafür gesorgt,dass Konzerne, die ihren Hauptsitz in den USA haben, dakomplett herausfallen . Das betrifft so schöne Konzernewie Amazon, Apple und Starbucks, von denen wir wis-sen, dass sie in ganz großem Umfang Steuervermeidungbetreiben . Setzen Sie deshalb, wenn Sie das Ganze ernstmeinen, endlich das um, was Sie hier umsetzen können!
Schauen Sie sich die nächste Maßnahme an: Es gibtauf europäischer Ebene eine Transparenzrichtlinie . DieseTransparenzrichtlinie ist schon vor einiger Zeit beschlos-sen worden . Warum eigentlich ist das Transparenzregis-ter in Deutschland nicht längst umgesetzt? Die jetzigenUmsetzungsvorschläge gehen längst nicht so weit, wiees selbst in solchen Ländern wie Großbritannien undden Niederlanden der Fall ist . Setzen Sie doch endlichdie Transparenzrichtlinie komplett um! Sorgen Sie dochendlich für ein Transparenzregister, und zwar für einTransparenzregister, das voll wirksam ist!
In Deutschland waren in der Vergangenheit bzw . sindaktuell 28 Banken betroffen . Ja, gibt es denn keine In-stitution, die diese deutschen Banken kontrolliert? Werist denn eigentlich verantwortlich für die Kontrolle die-ser Banken? Ich glaube, da gibt es eine BaFin . Wie wärees denn, wenn Sie endlich einmal den politischen Auf-trag geben und die BaFin entsprechend handlungsfähigmachen würden, dass sie endlich ihrer Kontrollaufgabenachkommt und dafür sorgt, dass keine deutschen Ban-ken mehr in diesen Leaks auftauchen, sondern sich end-lich in ausreichendem Umfang an Recht und Gesetz hal-ten? Wie wäre es denn damit?
Schauen wir uns die Steuerverwaltung an: Die Steuer-verwaltung in Deutschland ist in 16 föderale Steuerver-waltungen zersplittert . Warum schaffen wir nicht endlicheine Bundessteuerverwaltung wenigstens für die Super-reichen und die großen Konzerne, damit wir eine Steu-erverwaltung haben, die mit den großen Konzernen undden Superreichen auf Augenhöhe agieren kann?
Setzen Sie sich endlich dafür ein, dass wir für die großenKonzerne und die Superreichen endlich eine funktionie-rende Bundessteuerverwaltung bekommen!
Wenn ich mir anschaue, wie in Deutschland derZustand bei der Geldwäsche ist, stelle ich fest, dassDeutschland ein Zentrum der Geldwäsche ist . Wenn Siemit Mafiaexperten sprechen, dann wissen Sie, dass Geld,welches in Italien, im Süden Italiens, oder an anderenschwierigen Standorten – wo es um Drogenhandel undWaffenhandel geht – erwirtschaftet wird, in Deutschlandgewaschen wird; denn in Deutschland funktioniert dieKontrolle der Geldwäsche überhaupt nicht . Also sorgenSie endlich dafür, dass Deutschland nicht mehr europa-weit und weltweit ein Spitzenreiter bei der Geldwäscheist, sondern dafür, dass Geldwäsche in Deutschland end-lich effizient bekämpft wird!
Herr Schäuble, Law and Order, ja! Ich fordere Siedazu auf: Setzen Sie bei der Steuerkriminalität und beider Geldwäsche endlich Law and Order um! Das ist IhrJob, und dann haben Sie auch uns auf Ihrer Seite; dennwir brauchen mittel- und langfristig endlich einen sau-beren Finanzplatz Deutschland . Nur dann können wirbei der G 20, bei der G 7 und bei europäischen Verhand-lungen glaubwürdig auftreten . So, wie Sie das bis jetztgemacht haben, wird man es Ihnen nicht abnehmen, undauch wir nehmen es Ihnen nicht ab .
Als nächster Redner spricht der BundesfinanzministerDr . Wolfgang Schäuble für die Bundesregierung .
Dr. Anton Hofreiter
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Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Hofreiter,
wissen Sie, ein Mindestmaß an Sachkenntnis schadetnicht, wenn man so heftige Vorwürfe erhebt .
– Ja, Mindestmaß . Lassen Sie mich einmal ein paar Sa-chen sagen .Das Problem ist wirklich ärgerlich, und es ist nicht neu .Es ist auch so: Ich bin seit Ende 2009 Bundesfinanzminis-ter. Vorher gab es auch Bundesfinanzminister. Ich bin dererste, der mit großem Nachdruck, und zwar konsequent,jedes Jahr, daran arbeitet . Wir haben den automatischenInformationsaustausch . Es ist gesagt worden, wir hättenvor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten, was wiralles erreicht haben . Es sind inzwischen über 100 Länder,die sich am automatischen Informationsaustausch betei-ligen . Unterschrieben haben wir den Vertrag übrigens inBerlin im Herbst 2014 . Das ist für internationale Verhält-nisse relativ schnell . Wir – ich persönlich zusammen mitmeinem britischen Kollegen – haben die Initiative für dieBEPS-Initiative im Rahmen von G 20 ergriffen; übrigenswährend der mexikanischen G-20-Präsidentschaft, wennSie es überprüfen wollen . Wir haben sie dann relativschnell – immer für globale Verhältnisse – im globalenProzess vorangebracht . Seit dem Gipfel in Antalya ist sieimplementiert . Dort sind viele Punkte, die jetzt gefordertsind, längst enthalten .Deswegen ist es in der Tat wahr – hier bin ich mit demKollegen Walter-Borjans völlig auf derselben Linie –,dass das, was wir in zehn Punkten zusammengefassthaben, keineswegs alles neu ist . Deswegen habe ich dieVeröffentlichung auch begrüßt, so wie bei den Luxem-burg-Leaks . Sogar Ihr Fraktionskollege im EuropäischenParlament hat öffentlich gesagt: Herr Schäuble hat jededieser Veröffentlichungen immer genutzt, um internatio-nal und europäisch Druck dahinter zu machen . – RedenSie einmal mit Herrn Giegold darüber!
Wir haben zwei grundlegende Probleme, die wir beialler Erregung nicht übersehen dürfen . Wir müssen sielösen . Das erste Problem ist: Ein Land wie wir – wirhaben sowieso die Globalisierung –, das so sehr in dieinternationale Arbeitsteilung eingeflochten ist, muss Re-gelungen international zustande bringen . Wir können sienicht im nationalen Alleingang machen, die nützen garnichts . Angesichts der Fungibilität von Geld sind heutesolche Regelungen nur noch global zu erreichen . Deswe-gen müssen wir diesen Weg gehen . Da kannst du manch-mal fast verrückt werden, so mühsam ist das . Das ist alleswahr . Trotzdem muss man es tun . Wir bringen es beharr-lich voran . Deswegen machen wir Druck dahinter . DieEuropäer sind übrigens nicht die Schlechtesten dabei .Aber weil Sie die Niederlande als Vorbild genannt haben,wäre ich gerade ein bisschen zurückhaltend . Schauen Siesich einmal die Patentboxen und einige andere Dinge an .
– Bei der Transparenz . Entschuldigung, wir haben dochin Europa die Richtlinie verabschiedet und beschlossen .Wir sind in der Umsetzung . Wir setzen sie auch um . DasEntscheidende ist, dass wir den automatischen Informa-tionsaustausch hinbekommen .Wir werden jetzt auch in dieser Woche in Washing-ton sagen – meine europäischen Kollegen machen mit –:Die, die nicht mitmachen – Panama ist eines der Län-der, das beim automatischen Informationsaustausch nichtmitmacht –, werden wir auf eine schwarze Liste setzenund bestimmte Finanzgeschäfte nicht mehr machen . Wirhaben die übrigens von der schwarzen Liste nicht in ei-ner nationalen Entscheidung gestrichen . Das sind immerEmpfehlungen des Global Forum . Das gibt es bei derOECD . Das ist das einzige Forum, bei dem man inter-national gegen Steuerhinterziehung und übrigens auchgegen Geldwäsche arbeiten kann .Das zweite Problem, auf das ich Sie aufmerksam ma-chen möchte, ist: Wir sind ein Bundesstaat . Die Verwal-tungskompetenz liegt im Wesentlichen bei den Ländern .Das ist auch richtig . Deswegen arbeiten Bund und Län-der eng zusammen . Wir machen Gesetze . Der Bundes-rat hat die Gesetzgebungsinitiative, aber der Bundestagmuss entscheiden . Zum Antrag des Bundesrates vor zweiJahren hat die Bundesregierung in einer gemeinsamenStellungnahme darauf hingewiesen, dass dieser Antragdeswegen ins Leere zielt, weil die Rechtslage im KWGbereits so ist, dass, wenn systematisch gegen diese Vor-schriften verstoßen und Beihilfe zur Steuerhinterziehunggeleistet wird, dies für Banken und Bankiers auch heuteschon strafbar ist . Das ist geltendes Recht . Wer dagegensystematisch verstößt, kann seine Lizenz als Bank verlie-ren . Das ist geltendes Recht .
Deswegen hat die Bundesregierung damals gesagt: DieseInitiative zielt ins Leere .So haben wir das übrigens auch mit dem Restruktu-rierungsmechanismus und -fonds zum ersten Mal umge-setzt; da gibt es nämlich datenschutzrechtliche Probleme .Datenschutz wird ja gelegentlich hochgehalten . Heutesind Sie gerade für Law and Order, beim nächsten Malsind Sie für Datenschutz . Ich bin immer für beides .Wir haben die Rechtsgrundlage dafür geschaffen,dass die BaFin Meldungen an die Steuerbehörden macht,wenn sie bei der Überprüfung von Banken Erkenntnissezur Verletzung steuerlicher Vorschriften oder zur Beihilfedazu gewinnt . Seit es diese Rechtsgrundlage gibt, machtdies die BaFin mit großem Nachdruck . Das ist einer derGründe, warum die Banken, auch ausweislich der Ergeb-
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nisse des Rechercheverbunds, die entsprechenden Vor-schriften umgesetzt haben .Insofern ist der zentrale Punkt, an dem wir arbeiten,Register anzulegen, damit wir die wirtschaftlichen Ei-gentümer kennen, und zwar die wirklichen . Die Regis-ter müssen einen einheitlichen Standard haben und dannmiteinander vernetzt werden, international und national .Auch dafür brauchen wir datenschutzrechtliche Grundla-gen . Wir, die fünf Größeren in Europa – Italien, Frank-reich, Spanien, Großbritannien und wir –, sind jetzt dabei,dies zu verabreden; wir machen das schon einmal vorabzwischen uns fünf . Vor der Umsetzung brauchen wir abereine rechtliche Grundlage für den Datenaustausch . Sonstkönnen wir es nicht machen . Da bitte ich, die Grundlagedafür schnell zu schaffen . Wenn wir beides miteinanderverbinden, haben wir die wesentlichen Punkte, die wirangehen können, umgesetzt .Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen . In denBund-Länder-Finanzgesprächen plädiert der Bund – diebeiden großen Koalitionsfraktionen – gelegentlich dafür,dem Bund im Zusammenwirken mit der Steuerverwal-tung der Länder mehr Kompetenzen zu geben . Regelmä-ßig lehnen das die Länder mit Abscheu und Empörungab – und wenn Herr Walter-Borjans nickt, dann ist das so .Das hat ja auch gute Gründe .
Herr Hofreiter, das müssen Sie nur zur Kenntnis nehmenund dann nicht der Bundesregierung vorwerfen .Ich habe eine Bitte . Im Kampf gegen Steuerhinterzie-hung sind wir in den letzten Jahren viel besser geworden .Im Kampf gegen Geldwäsche sind wir bei den Vorschrif-ten besser geworden, aber die Umsetzung ist nicht opti-mal . Deswegen stehen wir in den internationalen Listennicht so gut da . Herr Michelbach, die Bargelddebatte hatübrigens auch ein bisschen damit zu tun, dass internati-onal empfohlen wird, Bargeldgeschäfte mit Obergrenzenzu versehen, jenseits derer die Beteiligten registriert wer-den müssen . Das ist eine internationale Empfehlung, undich werde dafür eintreten, dass wir sie auch umsetzen .
Aber: Auch wenn wir die rechtlichen Vorschriften ha-ben, ist die Verwaltungskapazität im Bereich der Geld-wäschebekämpfung bisher nicht ausreichend . Deswegenhaben wir in der Bundesregierung vor einigen Monatenentschieden – es hat eine Zeit lang Verhandlungen gege-ben –: Wir schaffen eine neue FIU, Financial IntelligenceUnit, die nicht beim BKA, sondern beim Zoll angesiedeltwird – im Wesentlichen mit neuen Mitarbeitern –, die dierelevanten Informationen filtert. Da bitte ich die Länder –deswegen habe ich gebeten, dass wir es, wenn möglich,auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz der kommen-den Woche behandeln –, einen entsprechenden Unterbauzu schaffen . Die Umsetzung des Polizeirechts ist nachdem Grundgesetz Sache der Länder . Das ist Sache derGewerbeaufsicht . Die Gewerbeaufsicht ressortiert in denLändern üblicherweise bei den Arbeits- und Sozialminis-terien, weil es da vor allen Dingen um Arbeitsschutzvor-schriften und Sonstiges geht . Sie können sich vorstellen:Geldwäsche läuft da unter „ferner liefen“ . Es geht aberso nicht weiter . Deswegen ist meine Bitte, dass wir, wennwir es auf Bundesebene ändern, dies auf Länderebeneentsprechend tun . Es ist sehr viel besser, wenn wir alledie rechtlichen Regelungen schaffen .Da können wir auch noch einige Dinge machen . Ichstimme zum Beispiel dem Vorsitzenden der DeutschenSteuer-Gewerkschaft, Herrn Eigenthaler, zu, der gesagthat: Lasst uns doch bei Kunden, die Geschäftsbeziehun-gen mit Steueroasen haben, nicht mehr den Nachweisführen, ob sie da tatsächlich reale Geschäfte machen,sondern eine Beweislastumkehr vornehmen . – Das istrechtsstaatlich möglich. Ich finde, wir sollten hier schnellzu einem Ergebnis kommen und es umsetzen . Es ist nichtso, dass wir mit unseren Vorschlägen ein Monopol haben .Es ist gut, wenn es noch bessere Vorschläge gibt, die wirumsetzen können .Bitte diskreditieren Sie nicht den Ansatz, dass wir daseuropäisch und international umsetzen müssen – sonstbleibt es vergeblich –, und zerstören Sie nicht die Grund-lagen der arbeitsteiligen Wirtschaft in globalisierten Fi-nanzmärkten .Herzlichen Dank .
Als nächster Redner spricht Klaus Ernst für die Frak-
tion Die Linke .
Ach, Herr Schäuble! Es ist schon interessant, zu ver-folgen, was die Presse von Ihren Vorschlägen hält . Dasagt zum Beispiel
der Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter,der mit diesen Vorgängen betraut ist: „Das ist eine Ne-belkerze .“ Es fehlten wichtige Vorschläge wie öffentli-che Firmenregister und ein Unternehmensstrafrecht . DerSpiegel zerreißt in einem Artikel alle zehn Punkte, die Sievorgelegt haben, weil diese weit hinter den Anforderun-gen zurückbleiben . Als ich Ihnen zugehört habe, hatte ichden Eindruck: Es ist alles in Ordnung, weil Sie schon soviel getan haben .Wenn ich Herrn Kohl einmal zitieren darf . Er hat ge-sagt: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt .“ Wennbei Ihrer Politik das herauskommt, was die Panama Pa-pers jetzt belegen, dann kann man nur sagen: Sie habenauf der ganzen Linie versagt, Herr Schäuble,
der Koalitionspartner übrigens mit, auch er hat Finanz-minister in unserem Land gestellt .Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Heute war der Wirtschaftsminister im Wirtschafts-ausschuss des Deutschen Bundestages, und er hat ge-sagt – eigentlich haben Sie das heute noch einmal be-stätigt –: Das macht sprachlos, aber irgendwie haben esalle geahnt . – Vorhin habe ich sogar gehört: Wir habenes alle gewusst, hat Herr Schäuble gesagt . – Wenn Siealles gewusst haben: Warum bedarf es dann eines sol-chen Vorgangs wie den der Panama Papers – Sie habenzehn Punkte vorgelegt, die SPD zwanzig –, um aktiv zuwerden?Wissen Sie, was das Problem ist? Das Problem ist dieStimmung bei den Bürgern . Die Bürger haben nämlichden Eindruck: Das, was plötzlich offensichtlich ist, ha-ben Sie immer schon gewusst, haben es geahnt .
Es ist doch so: Die Spitzenpolitiker, die Spitzenleute inder Wirtschaft, die Sportler, die Eliten der Wirtschaft ver-stecken ihr Geld vor der Steuer,
aber jeder normale Steuerzahler in diesem Land kriegt sievom Gehalt abgezogen . Wenn man dann einen erwischt –das ist die Haltung der Bürger –, dann gibt es die Mög-lichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige oder mankommt sehr schnell wieder aus dem Knast oder man wirdüberhaupt nicht verfolgt . In diesem Zusammenhang fälltmir der Zumwinkel ein . Damals wurde die Steuerschuldkurzfristig auf unter 1 Million Euro gedrückt, damit manihn nicht verknacken muss . Das ist der Zustand in unse-rem Land, und das haben die Bürger satt . Sie trauen Ih-nen nicht mehr . Sie wenden sich von der Politik ab, wennSie das nicht beenden . Dafür sind Sie in der Regierungmit Ihrem Nichtstun mit verantwortlich .
Hinzu kommt das Versagen der Institutionen . Neh-men wir den EU-Kommissionspräsidenten Jean-ClaudeJuncker, der in der Öffentlichkeit immer als Anwalt fürSteuergerechtigkeit auftrat . Dann kommt heraus, dass erals Minister selber daran beteiligt war, es Firmen zu er-möglichen, ihre Steuern zu reduzieren . Wie soll da Ver-trauen in Institutionen entstehen?Kommen wir zu den Banken . 28 deutsche Banken sindan dem Steuerbetrug beteiligt, von den sieben größtenBanken sind es sechs: Deutsche Bank, Dresdner Bank,UBS Deutschland usw . Selbst die BayernLB ist dabei .Der bayerische Finanzminister ist übrigens eine der Auf-sichtspersonen . Hat Finanzminister Söder nicht geguckt?Das kann ich gar nicht glauben . Er stellt sich an, Minis-terpräsident zu werden . Glauben Sie, dass das das Ver-trauen der Bürger in unseren Staat stärkt? Ich kann nursagen: Da haben wir alle miteinander ein Problem .
Reden wir über die Banken . In einem gegenwärtig be-stehenden Gesetz ist geregelt – der Wirtschaftsministerhat heute im Wirtschaftsausschuss darauf hingewiesen –,dass bandenmäßiger und organisierter Betrug mit einerGefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werdenkann . Warum sitzt bei uns eigentlich noch kein Vor-standsmitglied einer Großbank ein?
Das ist geltendes Recht . Warum verknacken wir die nichtendlich!? Wenn wir sie verknacken würden, dann würdensie ihre Geschäfte vielleicht auch ordnungsgemäß und imSinne der bundesrepublikanischen Gesetze durchführen .Aber das tun wir nicht,
sondern wir schauen weg und sagen: Es ist doch alles inOrdnung .Es gibt Vorschläge, die in Deutschland umzusetzensind, Herr Schäuble, aber das machen Sie nicht; dasschreibt ja auch die Presse . Ein Punkt wäre zum Beispieldie Quellensteuer . Das heißt schlichtweg, dass Gewinnedort zu besteuern sind, wo sie entstehen . Warum tun wirdas nicht? Warum reden wir nur darüber? Warum re-den Sie nur darüber? Übrigens: Die Gewinne, die nichtmehr versteuert werden müssen, weil die Firma, die dieGewinne macht, in irgendeinem Land sitzt, das Steuer-schlupflöcher anbietet, werden hier angelegt und dannwieder steuerfrei transferiert . Wenn eine Quellensteuervorhanden wäre, wäre das nicht möglich . – Das ist dererste Punkt .Der zweite Punkt: Wir haben eine Bundespolizei ge-fordert . Die haben Sie immer abgelehnt . Meine Damenund Herren, wir haben seit 2010 drei Anträge gestellt,in denen Teile stehen, die Sie jetzt selbst als Forderungerheben . Sie haben im Deutschen Bundestag jede Forde-rung der Linken, die Finanzmärkte vernünftig zu kontrol-lieren, diese Offshorepolitik zu stoppen und zu verhin-dern, dass der ehrliche deutsche Steuerzahler betrogenwird und andere, die Reichen, ihr Geld verschieben, ab-gelehnt .Deshalb kann ich sagen: Diese Regierung, auch Sie,Herr Schäuble, ist mitverantwortlich für das, was einigein diesem Land zulasten der Allgemeinheit treiben .
Jetzt spricht Carsten Schneider für die SPD-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zunächst einmal will ich dem Qualitätsjournalismus inDeutschland Danke sagen; denn die Süddeutsche Zeitunghat mit der starken investigativen Recherche gezeigt,wofür Qualitätsjournalismus gut ist . Das sage ich geradevor dem Hintergrund der Debatte, die wir generell überMeinungsfreiheit und Pressefreiheit führen .Uns hat es geholfen, Licht in das Dunkel zu bringen .Dass in den Konstruktionen der Briefkastenfirmen allesandere als weiße Ware und weiße Wäsche gewaschenwurde, war mir persönlich immer klar . Wie groß dasAusmaß ist, war mir nicht klar . Vermutungen kann manKlaus Ernst
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haben, aber jetzt wird deutlich, dass es sich insbesondereim Fall Panama, über den wir hier sprechen – der abernicht der einzige Fall weltweit ist; denn es gibt noch bri-tische Überseeinseln, andere Inseln in der Karibik, esgab den Fall Zypern und, und, und –, um Steuerhinter-ziehung handelt, vor allen Dingen aber um organisierteKriminalität, die den Schutz der Dunkelheit nutzt, umillegal erworbenes Geld zu legalisieren und in den nor-malen Geschäftskreislauf einzubringen . Dazu kommennoch Diktatorengeld und anderes . Bisher sind noch keineprominenten deutschen Personen darunter . Ich hoffe, dasbleibt auch so .Im Kern müssen wir das aufgreifen, was Herr Schäublein zehn Punkten vorgeschlagen hat . Die SPD-Fraktion istin Abstimmung mit den Ländern weitergegangen: zwan-zig Punkte, die nicht nur internationale Verpflichtungenumfassen, sondern auch nationale avisieren, und daraufwill ich eingehen, weil wir bei den internationalen Ver-pflichtungen keinen Dissens haben.Deutschland wird die Präsidentschaft und den Vorsitzder G-20-Gruppe im Dezember dieses Jahres überneh-men . Ich glaube, es muss die Hauptaufgabe sein, die Fra-ge der Transparenz im Finanzsektor an die erste Stelle zusetzen, damit es gelingt, die Allgemeinheit vor denen zuschützen, die die Dunkelheit suchen, um ihre Geschäftezu machen und Korruption und Unfrieden ins Land zubringen . Dabei haben Sie unsere Unterstützung .Ein zweiter Punkt ist eine europäische Regelung . Ambesten ist, wenn wir das europäisch geregelt bekommen,damit wir den großen Markt in Europa als Vorbildfunk-tion haben . Hier wird es ein bisschen schwieriger . DieBEPS-Initiative wurde angesprochen . Ja, es stimmt, sieliegt auf dem Tisch . Es sind einige Länder, zum Beispieldie Niederlande, genannt worden, die in manchen Punk-ten transparent sind . In dem Punkt der Steuergestaltungs-möglichkeiten für Großkonzerne gilt das eher nicht . Esmuss klar sein: Steueroasen, die es auch in Europa gibt,müssen ausgetrocknet werden; denn sie sind Gerechtig-keitswüsten . Sie entziehen der Allgemeinheit das Geld,das die anderen, die Bürger dieses Landes, bezahlenmüssen, um die Staatsleistungen erbringen zu können .Ein dritter Punkt ist die Frage: Gibt es nicht auch Mög-lichkeiten, die wir national umsetzen können? Hier ha-ben wir einen Dissens . Ich fange aber mit dem Konsensan: Wir haben als SPD-Fraktion klar gesagt: Geldwäscheund Steuerhinterziehung müssen geächtet werden . Des-wegen sind wir für eine ganz scharfe Umsetzung einesgerechten Steuervollzugs in Deutschland . Hier ist NRWVorbild .
Die Gesetze gelten deutschlandweit . In NRW werden siemit einer harten Steuerfahndung durchgezogen . Bayernist in diesem Zusammenhang eine Gerechtigkeitswüste .Ein mittleres Unternehmen in Bayern wird im Schnitt alle40 Jahre geprüft . Diese Zahl kommt nicht von mir, son-dern das ist eine Zahl des bayerischen Rechnungshofs .Das muss sich zwingend ändern, weil wir die Durchset-zung des Rechts brauchen .Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, istdie Bargeldobergrenze . Herr Hofreiter, ich glaube, die-sen Punkt haben Sie vorhin nicht genannt . Wir sind füreine Bargeldobergrenze, weil man Zahlungen von mehrals 5 000 Euro zum einen auch per Überweisung erle-digen kann und zum anderen dem Schwarzgeldhandel,der Korruption, der organisierten Kriminalität das Lebendadurch zumindest erschwert wird .
Die Grünen haben sich dazu nicht bekannt, im Gegenteil .Das sollten Sie sich vielleicht noch einmal überlegen .Jetzt kommen wir zu einem Punkt, an dem wir nocheinen Dissens haben . Es geht um den Entzug der Bankli-zenz bei Steuervergehen . Dazu gibt es einen Bundesrats-antrag von 2013 . Es gibt – da haben Sie recht – eine Ge-genäußerung der Bundesregierung dazu; ich habe sie mireben noch einmal genau angeschaut . Ich teile diese Ge-genäußerung nicht – ich sage das hier für die SPD-Frak-tion –, weil bezüglich des Entzugs der Banklizenz aufdas KWG verwiesen wird . Laut § 35 Absatz 2 Nummer 6KWG – ich sage das für diejenigen, die das nachlesenwollen – kann die Lizenz aber nur bei nachhaltigen Ver-stößen gegen das Kreditwesengesetz, gegen das Geldwä-schegesetz oder das Wertpapierhandelsgesetz entzogenwerden, nicht bei Verstößen gegen Steuergesetze .
Da die Banken aber ganz oft zentral, als Spinne im Netzauftreten, auch bei der Beratung hinsichtlich einer Steu-eroptimierung, wollen wir, dass auch diese Frage gesetz-lich normiert wird, damit die Banken im Zweifel auchhaften . Und das schärfste Schwert dabei ist, ihnen dieLizenz zu entziehen. Ich finde, darüber sollten wir unsnoch einmal austauschen .
Als nächster Redner spricht Dr . Gerhard Schick für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Panama Papers haben das Licht der Öffentlichkeitauf ein riesengroßes Problem gelenkt, nämlich auf dasBriefkastenunwesen, das es weltweit gibt und das einezentrale Voraussetzung für ganz viele der Probleme dar-stellt, die uns heftig beschäftigen: Drogenkriminalität,Terrorismusfinanzierung, das Ausplündern von Staatendurch ihre despotischen Herrscher, Steuerhinterziehung .Es ist gut, dass das Licht der Öffentlichkeit darauf fällt;denn gegen dunkle Geschäfte ist das wichtigste Instru-ment immer öffentliches Licht .
Die Panama Papers haben das Licht der Öffentlichkeitaber auch auf ein anderes Problem gelenkt – das kannman jetzt sehr gut wahrnehmen –, nämlich darauf, dassCarsten Schneider
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der Bundesminister der Finanzen die Probleme in diesemBereich seit Jahren ignoriert
und die Problemlösungen immer wieder erschwert hat .
Es ist gut, dass auch das an das Licht der Öffentlichkeitkommt .
Einer kann von dem, was jetzt öffentlich wurde, auf je-den Fall nicht überrascht gewesen sein, und das ist derBundesfinanzminister; denn seit Jahren ist bekannt, dasses Tausende von Briefkastenfirmen gibt, und seit Jahrenist auch bekannt, dass es diesbezüglich massive Defizitein Deutschland gibt . Vor einigen Jahren schon hat Nord-rhein-Westfalen einen Datensatz angekauft, der zeigt,dass die Commerzbank mit genau dieser Anwaltskanzleiin Panama Geschäfte betreibt . Die Bankenaufsicht, de-ren Vorgesetzter Sie sind, Herr Schäuble, weiß seit Jah-ren über die Probleme bei der Berenberg Bank Bescheid .Die internationale Fachorganisation Financial ActionTask Force hat 2010 und 2014 auf die massiven DefiziteDeutschlands bei der Geldwäschebekämpfung hingewie-sen . Es gab 2012 eine Studie des Bundeskriminalamts,die gezeigt hat, wie massiv die Probleme mit der Geld-wäsche im deutschen Immobiliensektor sind .Was haben Sie auf diese ganzen Hinweise und Pro-blemanzeigen hin getan, Herr Finanzminister? Sie habennichts Entscheidendes zur Beseitigung dieses Problemsgetan . Deswegen verbreiten Sie jetzt kurzfristig Aktio-nismus: ein Zehn-Punkte-Plan, ein Gastbeitrag in derBild-Zeitung . Das sind Ankündigungen . Aber an IhrenAnkündigungen werden wir Sie nicht messen, sondernan Ihren Taten .
Sie reden jetzt gerne über den automatischen Informa-tionsaustausch . Das hat aber mit dem Problem, um das esbei den Panama Papers geht, herzlich wenig zu tun, unddas wissen Sie genau . Sie reden über Bereiche, in denenSie etwas getan haben, damit nicht so stark auffällt, dassSie im zentralen Problemfeld nichts getan haben .
Der automatische Informationsaustausch funktioniertnicht, wenn wir die Person, die hinter dem Unternehmensteht, nicht kennen, und deswegen braucht es hier endlichÖffentlichkeit .
Aber Öffentlichkeit und Transparenz sind leider et-was, gegen das sich Wolfgang Schäuble in seiner Zeitals Bundesfinanzminister immer wieder gestellt hat. Einerstes Beispiel ist das Steuerabkommen mit der Schweiz .Sie wollten Anonymität und Dunkelheit für den Finanz-platz Schweiz . Wir haben Sie daran gehindert . Erst da-nach haben Sie den richtigen Weg eingeschlagen .Sie haben sich gegen ein Transparenzregister auf dereuropäischen Ebene eingesetzt und loben sich jetzt fürdie Umsetzung, zu der Sie gezwungen sind . Das ist einBluff . Bei der Umsetzung sind Sie gegen eine Öffent-lichkeit dieses Registers, obwohl in Ihrem Koalitionsver-trag – 2013 festgelegt – bereits von einem öffentlichenRegister für Unternehmen die Rede ist . Geschehen ist andieser Stelle nichts . Das hätten Sie längst tun können .
Das gilt auch für das Thema Geldwäschebekämpfungin Deutschland . Sie wollen als Erstes – anderes habenwir von Ihnen nicht gehört –, dass Millionen Deutschebei dem Thema Bargeld angegangen werden . Darüberkann man ja durchaus diskutieren, aber wer gleichzeitigbei den Steuertricks großer Unternehmen sagt, dass dasnicht an die Öffentlichkeit kommen soll, geht die Proble-me wirklich von der falschen Seite aus an .
Über 350 000 Menschen haben eine Petition der eu-ropäischen Grünenfraktion unterzeichnet . Sie wollen,dass wir dieses Briefkastenunwesen endlich angehen undvor allem das tun, was wir in Deutschland und in Europatun können . Denn der Ansatzpunkt für die internationaleGeldwäsche ist häufig unser Bankensystem. Deswegenlassen wir es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie hier überdie internationale Ebene und die Schwierigkeiten dortphilosophieren . Wir wollen, dass Sie dort, wo Sie zustän-dig sind, das Ihrige dazu beitragen, dass das Briefkas-tenunwesen ein Ende findet und die Unternehmen nichtmehr vermummt herumlaufen, sondern transparent sind .Das ist Ihre Aufgabe .Sie müssen die BaFin, die Finanzaufsichtsbehörde inDeutschland, neu aufstellen . Wir wollen, dass Sie sichdafür einsetzen, dass Banken eine Strafe zahlen müssen,wenn sie mit Unternehmen, mit Briefkastenfirmen ausPanama oder den Jungferninseln Geschäfte machen . Sokönnen wir es ökonomisch unattraktiv machen, dass mansich in diese Schattengeschäfte hineinbegibt . Wir könnenin Deutschland viel tun .Wissen Sie, von einem Bundesminister der Finanzenerwarten die Leute nicht, dass er irgendwann, wenn dieZeitungen voll damit sind, die Probleme angeht, son-dern dass er sie dann angeht, wenn er Kenntnis davonbekommt . Kurzfristigen Aktionismus aufzublasen, wennalle Leute davon reden, das ist ein reaktives Politikver-ständnis. Ich finde, Sie sollten hier endlich einmal in dieOffensive gehen . Dann können wir Sie auch an Ihren Ta-ten messen . Bisher gibt es nur leere Worte .
Dr. Gerhard Schick
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Als nächster Redner spricht Dr . Mathias Middelberg
für die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie-be Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich finde, es steht derOpposition ohne Frage zu, scharf zu kritisieren und da-bei auch scharfe Worte zu wählen . Hier sind ja scharfeWorte gefunden worden . Deutschland sei beim ThemaSteuertransparenz der Hauptblockierer gewesen, wir hät-ten Transparenz verhindert . Auch die Ausführungen vonHerrn Schick erwecken ja den Eindruck, als ob hier inden letzten Jahren quasi alles verschlafen worden ist . Ge-rade von Ihnen, Herr Schick, hätte ich das nicht erwartet,
weil Sie die Beratungen, die wir gerade im Finanzbereichregelmäßig durchführen, ja seit Jahren verfolgen, auchhochintensiv,
und weil Sie auch kompetent genug sind, zu begreifen,dass eigentlich das Gegenteil der Fall ist .
Hier ist ja übereinstimmend von unserem Finanzmi-nister Wolfgang Schäuble und von Herrn Walter-Borjanszu Recht dargestellt worden, dass es ganz erheblicheFortschritte gegeben hat . Es ist auch dargestellt worden,dass wir letzten Endes nur in einem internationalen Kon-text weiterkommen .
Es hört sich ja toll an, Herr Ernst, wenn Sie sagen, dasswir alle Probleme einfach lösen können, wenn wir dieQuellensteuer einführen . Nur müssen Sie dann die Quel-lensteuer mit dem panamaischen Finanzminister undauch mit allen anderen Finanzministern auf dieser Weltverhandeln; sonst können Sie das Problem auf diesemWeg nicht so einfach lösen . Das heißt, Sie braucheninternationale Abreden . Auf diesem Feld sind wir ganzentscheidend weitergekommen . Der, der es nicht verstan-den hat, hat hier in den letzten Jahren wirklich komplettgepennt .
Der automatische Informationsaustausch, also dasswir ab dem kommenden Jahr automatisch, ohne nachzu-fragen, über jedes Konto, das ein deutscher Steuerpflich-tiger im Ausland unterhält, informiert werden und auchumgekehrt, ist doch der absolut grundlegende Schritt fürSteuertransparenz überhaupt . Das ist der grundlegendeSchritt dafür, dass man überhaupt Steueransprüche voll-strecken kann . Sie sagen immer, da müsse mehr getanwerden . Wir müssen aber erst einmal an die Auslands-konten herankommen, und wir müssen diese Informati-onen haben . Wir bekommen sie über den automatischenDatenaustausch . Er tritt ab nächstem Jahr in Kraft . Erist im Oktober 2014 federführend von unserem Bundes-finanzminister Wolfgang Schäuble initiiert und hier inBerlin unterzeichnet worden, zunächst von 51 Staaten;mittlerweile sind über 100 Staaten daran beteiligt . Das,finde ich, ist der grundlegendste Erfolg, den man bei die-sem Thema überhaupt erreichen und feststellen kann .
Wir haben uns in den letzten Jahren – ich erinne-re mich noch gut – über die Steuerparadiese Schweizund Luxemburg unterhalten . Wir haben uns über denFall Hoeneß unterhalten . Wir haben uns hier über AliceSchwarzer unterhalten . All diese Probleme sind mitdem Informationsaustausch erledigt . Das ist künftig Ge-schichte; denn man kann in der Schweiz oder in Luxem-burg kein Konto mehr unerkannt unterhalten . Das heißt,die Zahl der Steuerparadiese wird mit Unterzeichnungdieses Informationsaustausches immer kleiner .Es gibt noch Steuerparadiese wie Panama und die Bri-tischen Jungferninseln; es kommen auch noch ein paarandere in Betracht . Sie müssen jetzt nach und nach – dashat Herr Walter-Borjans ja zu Recht angesprochen – po-litisch isoliert werden . Das müssen wir jetzt politischangehen . Da sind das Aufkommen dieser Daten und dieBerichterstattung über Panama doch eine tolle Unterstüt-zung . Das wird den Panamesen – oder Panameten; keineAhnung, wie die sich nennen –
eine Lehre sein . Sie werden sich fragen, ob sie in Zu-kunft noch der Zufluchtsort für verdecktes, verstecktesKapital sein wollen, wenn das diese Konsequenzen hat .Deswegen müssen wir den Weg, den wir bisher beschrit-ten haben, konsequent weitergehen . Das tun wir mit demZehn-Punkte-Plan . Dieser Zehn-Punkte-Plan ist die kon-sequente Fortschreibung dessen, was wir bisher auf dieBahn gebracht haben .
Ich könnte noch die BEPS-Initiative ansprechen . Ichfinde, sie ist der zweite große und ganz erhebliche Bau-stein, um mit all den legalen Steuerverschiebungen und-vermeidungen Schluss zu machen . Sie ist der zweitegrundlegende Schritt . Ihn haben federführend WolfgangSchäuble und der britische Finanzminister Osborne –diese beiden sind hier zu nennen – ins Werk gesetzt . Dieeuropäischen Regierungschefs haben das jetzt beschlos-sen . Wir werden die ersten Schritte noch in diesem Jahrim Deutschen Bundestag umsetzen . Die EU erarbeitetjetzt eine Anti-BEPS-Richtlinie . Das heißt, es geht ganzkonkret voran .Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, fiel beiIhnen, Herr Hofreiter . In der Presseerklärung, die Sie ge-meinsam mit Herrn Schick herausgegeben haben, schrei-ben Sie, Sie wünschten sich mehr Law and Order stattvornehmes Wegschauen beim Thema Panama-Leaks . Ichwürde mir wünschen, dass man dieses Stichwort – mehr
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Law and Order – auch in politischen Debatten zu ande-ren Fragestellungen von Ihnen hört, etwa dann, wenn esum Speicherfristen, um Videoüberwachung, wenn es ins-gesamt um Sicherheitspolitik und die konsequente Ver-folgung von Straftätern geht . Auch dann würde ich mirdiese Forderung von Ihnen wünschen .Herzlichen Dank .
Als nächster Redner spricht Lothar Binding für die
SPD-Fraktion .
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hans Michelbach hatvorhin gesagt: Wir brauchen ethische und moralischeGrundsätze . – Das sehen wir genauso . Aber es wärenatürlich toll, die Unternehmen würden sich ganz ohneGesetzgebung und ganz ohne Regulierung daran halten .Dann hätten wir viel weniger Gesetzgebung und Regu-lierung .Wir haben oft gehört: Über 50 Staaten nehmen am au-tomatischen Informationsaustausch teil . Ganz toll! Pana-ma nimmt nicht teil . Die USA nehmen übrigens auchnicht teil, und die USA sind ein relativ großer Markt .Wer das mit bedenkt, merkt: Wir reden immer noch überstumpfe Schwerter . Gleichwohl haben wir sehr viel ge-macht, auch sehr viel Gutes . Deshalb kann man nicht sa-gen, wir hätten nicht reguliert . Wir haben wirklich vielgemacht .Wir haben sogar so viel gemacht, dass sich der neueBankenpräsident als Erstes über die Komplexität der Re-gulierung beklagt hat . Er hat ganz vergessen, dass dieKomplexität der Regulierung im Vergleich zur Komple-xität des Marktes unterkomplex ist .
Eigentlich hätte er sich überlegen müssen, wie die Markt-gesetze, die er befolgen und definieren kann, etwas zuvereinfachen sind . Dann wäre viel passiert .Umso verdienstvoller ist die Arbeit des Journalisten-netzwerkes, das viele Dinge aufgedeckt hat, die wir undviele andere zunächst nicht gesehen haben . Sie haben unsgeholfen, sodass wir jetzt von mehreren Tausend Brief-kastenfirmen wissen. Das ist doch erstaunlich.Was ist eigentlich so eine Briefkastenfirma? Sie hatkeinen Beschäftigten – Arbeitsplätze sind ja manchmalein Argument –, sie hat überhaupt kein nennenswertesaktives Geschäft zur Erzielung wirtschaftlicher Erträge,und die tatsächlich wirtschaftlich Begünstigten sind ver-schleiert. Eine Briefkastenfirma bietet sich also zur Geld-wäsche, zur Steuerhinterziehung und zu allen anderenSauereien an .Der Bundesrat – das hat Norbert Walter-Borjans jaschon vorgetragen – hat schon vor zwei Jahren einenganz guten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steuer-straftaten eingebracht . Um es abzukürzen, will ich nureinmal aus der Gegenäußerung der Regierung zitieren .Die Bundesregierung sagt – das ist eine Aussage –: Diebestehenden Rechtsgrundlagen reichen aus . Eine andereAussage lautet, eine Verschärfung des nationalen Auf-sichtsrechts sei nicht sinnvoll . Daneben haben wir vonden Kollegen der CDU oft gehört, wir bräuchten eine Re-gulierungspause . Ich glaube, mit Blick auf die Erkennt-nisse, die wir heute haben, können wir feststellen: Diesedrei Aussagen waren falsch .
Nun schauen wir auf die zehn Punkte, die jetzt ge-nannt werden . Das müssen wir Fachpolitiker kritisch be-trachten . Einer dieser Punkte ist substanziell, und zwarder hinsichtlich der Verjährungsfristen . Alle anderen sinddoch eher Placebo als wirkungsmächtige Regulierun-gen . Ich glaube, das ist angesichts der Größe des Pana-ma-Skandals zu wenig .
Um ein paar Dinge konkret zu nennen: Wir müssen inder vierte Geldwäscherichtlinie öffentliche Register derwahren Eigentümer einführen . Das wurde schon ein paarMal gesagt . Ich glaube, das ist unabdingbar, weil wir dieverantwortlichen Personen sonst überhaupt nicht ding-fest machen können . Das ist aber nötig . Daneben müssendiese Register international vernetzt sein .Heiko Maas hat kürzlich die Einrichtung eines natio-nalen Transparenzregisters für Unternehmen vorgeschla-gen . Das ist eine sehr gute Sache und ein guter ersterSchritt . Diesen ersten Schritt müssen wir aber wahr-scheinlich noch weiterentwickeln, um am Ende des We-ges anzukommen .Daneben sollten wir die Geldströme von und zu du-biosen Unternehmen blockieren . Wie kann man das er-reichen? Man kann hier nationalstaatlich schon etwasmachen . Wir haben nämlich schon ganz gute Gesetze da-gegen . Dabei ist es egal, ob diese Geldströme der Steuer-hinterziehung, der Tarnung von Schwarzgeld, dem Terro-rismus, der Geldwäsche, dem Menschenhandel oder demDrogenhandel dienen .Ich will einmal eine Regelung nennen: Bei Geschäfts-beziehungen mit nicht kooperativen Staaten gibt es er-höhte Mitwirkungspflichten. Das ist eine gute Regel.Dummerweise – das ist jetzt natürlich eine Kritik – hatdas BMF vergessen, zu definieren, was unkooperativeStaaten sind . Das heißt, dieses Gesetz läuft leer . Es gibtkeinen Anwendungsbereich . Wir haben hier eine tolleRegel, die aber nicht funktioniert, weil wir gar nicht wis-sen, für wen sie gilt .
Daneben könnten wir die Hinzurechnungsbesteuerungverschärfen . Natürlich gibt es passive oder niedrig be-Dr. Mathias Middelberg
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steuerte Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften –zum Beispiel Kapitalgesellschaften oder auch Briefkas-tenfirmen –, und natürlich könnten wir all diese Gewinneschon jetzt den deutschen Gesellschaftern zurechnen .Jetzt hören wir: Du musst doch mit den anderen koope-rieren . Das müssen wir nicht . Die Banken kennen dieGeldströme doch . Wir würden dann nur die nicht erwi-schen, die das Geld mit dem Koffer wegtragen . Insofernwäre das ein gutes Instrument .Ich kenne das Cadbury-Schweppes-Urteil . Eine Hin-zurechnung ist im europäischen Kontext zwar nur beiechten Missbrauchsfällen nötig, aber in Bezug auf dieHinzurechnung haben wir eine ganz gute Idee .Zur Quellensteuer haben wir schon viel gehört . Auchdiese Transfers können die Banken benennen . Die Quel-lensteuer ist eine gute Idee; sie wurde heute schon mehr-fach genannt .Man muss aber natürlich sagen: Nach der Zins- undLizenzrichtlinie ist das innerhalb Europas nicht so leichtmöglich, weil wir die Besteuerung im Zielstaat ange-strebt haben . Das gilt europaweit .
– Sie stimmen dem zu . – Wäre es deshalb nicht wichtig,noch einmal darüber nachzudenken – die Folge dieserguten Regel waren nämlich Lizenzboxen in den Nieder-landen und Rulings in Luxemburg –, ob diese Zins- undLizenzrichtlinie nicht noch einmal überarbeitet werdenmuss? Das sind Regeln, die dem, was wir heute bekämp-fen, letztendlich den Weg bereiten .Deshalb wäre es klug, an dieser Stelle auch nocheinmal über europäische Regeln nachzudenken und zuschauen, ob sich hier alle Staaten so verhalten, wie esdem Willen des gesamteuropäischen Volkes entspricht .Ich glaube, hier gilt es, noch einmal nachzuschärfen .Schönen Dank .
Als nächster Redner spricht Uwe Feiler für die CDU/
CSU-Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Als am 3 . April dieses Jahres die sogenanntenPanama Papers in der Öffentlichkeit auftauchten, entwi-ckelte sich sehr rasch eine vielbeachtete öffentliche De-batte über vermeintlich prominente involvierte Privatper-sonen, Banken, die ihre Kunden bei Offshoregeschäftenunterstützten, und eine panamaische Anwaltskanzlei, diesich anscheinend auf alle Finessen sogenannter Briefkas-tenfirmen mit Schachtelkonstruktionen versteht.Das Journalistennetzwerk, das wohl in jahrelangerakribischer Kleinarbeit immerhin eine Datenmenge voncirca 2,6 Terabyte mit ungefähr 11,5 Millionen Datensät-zen zutage förderte, machte zweierlei deutlich:Erstens . Der von Deutschland maßgeblich initiierteProzess des internationalen Informationsaustausches inSteuersachen war richtig, ist richtig und muss auch in Zu-kunft den größten Anteil der Bemühungen ausmachen,um zu verhindern, dass Unternehmen und Privatperso-nen im Ausland Vermögen möglichst unentdeckt parkenkönnen .
Meine Damen und Herren, dieser Prozess ist mühse-lig . Aber die rasch wachsende Zahl der am Informations-austausch teilnehmenden Staaten von 51 Ende 2014 auf96 Staaten mit Stand Anfang März dieses Jahres zeigt,dass wir hier am Ball bleiben müssen, um auch die über100 nichtteilnehmenden Staaten von einer Beteiligungan dem Verfahren zu überzeugen . Selbst bei kritischerWürdigung der Arbeit der Bundesregierung kann wohlniemand ernsthaft bestreiten, dass der Bundesfinanzmi-nister Dr . Schäuble an der Spitze der Bewegung inner-halb der OECD und der G 20 steht, um diesen Prozessentschlossen voranzutreiben . Von daher braucht wederder Bundesfinanzminister noch sonst einer der Kollegin-nen und Kollegen meiner Fraktion Nachhilfe in SachenBekämpfung von Steuerhinterziehung .
Zweitens . Alleine die schiere Menge an recherchiertenInformationen offenbart, dass niemand so kurz nach Ver-öffentlichung der Daten einen seriösen Gesamtüberblicküber die Auswirkungen auf in Deutschland steuerpflich-tige Personen haben kann . Der Aktionsplan des Ministersknüpft also an bestehende und bereits geplante Initiati-ven an, verstärkt den Druck auf die Länder, die sich demautomatischen Informationsaustausch nach wie vor ver-weigern, und steuert in Einzelfällen, beispielsweise beider Anlaufhemmung der Verjährung, nach, wenn Steuer-pflichtige ihren Meldepflichten nicht nachkommen.An dieser Stelle sei mir als beurlaubter Landesfinanz-beamter aber erlaubt, festzustellen, dass die Länder mitihren Finanzbehörden hier mitziehen müssen . Immerhinobliegt ihnen unter anderem die Bekämpfung der Geld-wäsche im gewerblichen Bereich . Während der Zoll mitder Wahrnehmung der Geldwäscheverdachtsmeldungenseitens des Bundes beauftragt und entsprechend perso-nell ausgestattet wurde, lässt die Kooperation der Länderin diesem Bereich nach wie vor zu wünschen übrig . Da-bei reicht es dann auch nicht, nur den Handlungsbedarfaufzuzeigen . Hier müssen den Worten Taten folgen: DieLänder müssen das notwendige Personal stellen und or-ganisatorisch nachbessern .Lassen Sie mich auch noch auf die vielen vermeintlichguten Vorschläge eingehen, die sich bei näherem Hinse-hen dann aber doch nur als bedingt gut durchdacht her-ausstellen . Die Bandbreite reicht hier von der Forderungnach dem allgemeinen Verbot von Briefkastenfirmen,dessen Beschluss außerhalb unserer Staatsgrenzen si-cher kaum Eindruck hinterlassen würde, bis zur Novelledes Kreditwesen- und des Geldwäschegesetzes . LetztereLothar Binding
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Vorschläge setzen sich mit dem Thema immerhin inhalt-lich auseinander .Der Vorschlag des Bundesrates sieht vor, das Kredit-wesengesetz so zu ändern, dass die BaFin gegen Instituteeinschreiten und auch die Banklizenz entziehen kann .Der Kollege Schneider hat es vorhin angedeutet: Wennnachhaltig gegen das KWG, das Geldwäschegesetz oderdazugehörige Verordnungen verstoßen wird, dann kanndie BaFin als schärfstes Mittel die genannten Maßnah-men ergreifen . Steuerstraftaten sind hiervon ausgenom-men; da gebe ich Ihnen recht, Herr Schneider . Aber der§ 35 Absatz 2 Nummer 3 KWG – das habe ich eben nach-gesehen – ermöglicht auch den Entzug der Banklizenz,wenn die Zuverlässigkeit oder die fachliche Eignung derGeschäftsführung nicht gewährleistet ist . Dazu gehörenselbstverständlich auch Steuerstrafsachen .
Das Ganze darf nämlich nicht dazu führen, dass dieindividuelle Verantwortung von Geschäftsführern aus-gehebelt wird oder gar Tausende Mitarbeiterinnen undMitarbeiter von Banken und deren Kunden durch denvorschnellen Entzug der Lizenz in Mithaftung genom-men werden .Deshalb werbe ich an dieser Stelle ausdrücklich dafür,den bisher eingeschlagenen Weg von Transparenz undAustausch von Informationen weiterzugehen . Wenn wiraber glauben, mit ausschließlich nationalen LösungenSteuerparadiese austrocknen zu können,
ist die Enttäuschung vorprogrammiert .Vielen Dank .
Als nächster Redner spricht Jens Zimmermann für die
SPD-Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Ich glaube, in der Debatte ist deutlich geworden:Die Enthüllungen der Panama Papers sind vor allem ei-nes, nämlich ein Weckruf an uns alle . Es ist gesagt wor-den, dass es zuvor bereits viele Enthüllungen gab . Es istauch gesagt worden, dass man gewusst hat, dass es dasgibt . Über das Ausmaß sind viele jedoch überrascht . Essind die unterschiedlichsten Maßnahmen, die die SPDmit angestoßen hat, die wir in der Großen Koalition aufden Weg gebracht haben, genannt worden . Ich glaube,da sind wir auf dem richtigen Weg . Jetzt muss es aberauch weiter vorangehen . Wir dürfen uns an dieser Stellenicht zurücklehnen und nicht stillstehen, meine Damenund Herren .
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu verstehen,dass wir über einen ganzen Themenkomplex sprechen .Die Briefkastenfirmen in Panama, über die jetzt alle re-den, sind ja nur ein kleiner Teil davon . Wir reden überGeld aus illegalen Quellen . Wir reden über Steuerhinter-ziehung. In der Mitte haben wir diese Briefkastenfirmen,die diese Gelder verwalten . Dort entsteht Schwarzgeldund wird dort verwaltet . Letztlich haben wir auch anony-me Zahlungswege .Ich freue mich darüber, dass die vierte Geldwäsche-richtlinie mittlerweile zu großer Berühmtheit gekommenist . Diese Richtlinie kannten bisher nur Insider . Jetzt wirdein großes Gesetzesvorhaben daraus, das meines Erach-tens wichtig und richtig ist, weil wir damit ganz vieleDinge auf den Weg bringen werden .Lassen Sie mich noch einmal auf das Thema Geldwä-schebekämpfung eingehen . In Panama haben nicht nurBriefkastenfirmen ihren Sitz. In Panama können Sie auchsogenannte Prepaidkreditkarten erwerben, auf denen keinName steht . Insofern weiß niemand, wem diese Kartengehören . Mit diesen Karten können Sie in DeutschlandBargeld an Geldautomaten abheben .Ich habe sehr genau zugehört, was der Minister ge-sagt hat. Ich finde es gut, dass Sie so vehement zu der5 000-Euro-Schwarzgeldgrenze stehen . – Entschuldi-gung, Bargeldgrenze .
– Freud’scher Versprecher . Entschuldigung .Ich glaube, das ist richtig, weil man das in diesem Zu-sammenhang sehen muss . Ich glaube, alle anderen, dieso tun, als hätte das nichts damit zu tun, machen sich andieser Stelle etwas vor .Viele Bürgerinnen und Bürger und auch Freunde fra-gen mich: Warum geht das nicht schneller? Woran hängtes denn eigentlich? Diese Fragen halte ich für absolutberechtigt . Ich freue mich, dass der Kollege Gutting, dersoeben getwittert hat, einen Teil zur Aufklärung beitra-gen kann . Er hat nämlich geschrieben:Koalitionspartner SPD gibt sich als Vorkämpfer ge-gen internationalen Steuerbetrug …
Meine Damen und Herren, ich finde, das ist eine sehrrichtige Beobachtung . Der zweite Teil kommt aber noch,und der hat mich ein wenig verunsichert . Das passt auchso ein bisschen . Ich fand die Wortbeiträge unseres Koa-litionspartners sehr gut . Heute Morgen haben wir zweiStunden lang im Finanzausschuss darüber diskutiert . Dawar eine sehr große Stille aufseiten der Union . Das hatmich verunsichert . Dann habe ich diesen Tweet zu Endegelesen . Dieser lautet komplett wie folgt:Uwe Feiler
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Koalitionspartner SPD gibt sich als Vorkämpfergegen internationalen Steuerbetrug und sackt unter20 %. Da muss man doch was merken.
Eine solche Aussage kann natürlich verschieden in-terpretiert werden . Wir werden das mit Sicherheit auchbilateral klären können . Dieser Tweet steht aber so in derWelt .Wenn man länger über ihn nachdenkt, kann man ei-gentlich nur zwei Interpretationsmöglichkeiten finden.Entweder sagt man: Ein Großteil der Wähler sind Steuer-betrüger, und deswegen wollen sie nicht die SPD wählen,weil die SPD ja diese bekämpfen möchte . Oder man ziehtdas Ganze dermaßen ins Lächerliche, dass man an dieserStelle vielleicht gar nichts machen wird .
Ich finde, das hilft uns nicht weiter. Das hilft uns nichtweiter, auch nach außen glaubhaft zu versichern, dasswir alles Mögliche tun, um diesen Machenschaften Herrzu werden . Ich sage damit nicht, dass irgendjemand vonIhnen das persönlich unterstützen möchte . Das sage ichnicht . Aber ich glaube, es ist eine absolut falsche Bot-schaft, die Sie da nach außen senden . Darüber war ichschon sehr überrascht .Meine Damen und Herren, in der Union mag es eineSchmähung sein, als Vorkämpfer gegen den internationa-len Steuerbetrug bezeichnet zu werden .
Für mich und für die SPD ist das eine Auszeichnung .Vielen Dank .
Als nächster Redner spricht Dr . Heribert Hirte für die
CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich will an das anknüpfen, was meine Vorredner undinsbesondere der Kollege Michelbach schon gesagt ha-ben: Wir haben in den letzten Jahren unglaublich viel imKampf gegen Steuerverlagerung und Steuerhinterzie-hung gemacht, und die jetzt vom Bundesfinanzministervorgestellten Punkte sind ein weiterer Schritt in dieserichtige Richtung .
Deshalb möchte ich auch – darauf wurde nämlich nochnicht hingewiesen – ergänzen, dass wir vor nicht einmaleinem Monat im Rahmen der Reform der Abschlussprü-fung durch das sogenannte AReG auch die aggressiveSteuerplanung als „Nebentätigkeit“ von Abschlussprü-fern im Handelsgesetzbuch verboten haben, im Übrigenauch auf Initiative unseres Finanzministeriums .
Ich will aber auch einmal daran erinnern, was ich da-mals in diesem Zusammenhang hier gesagt habe, näm-lich dass dieser Schritt auch als Signal dafür anzusehenist, dass wir auf europäischer Ebene eine klarere Rege-lungskompetenz für das materielle Steuerrecht brauchen .Das hat aber eine manchmal verschwiegene Kehrseite .Diese Kehrseite ist, dass dann auch die Kompetenzen desEuropäischen Parlaments, insbesondere seine Haushalts-kompetenzen, denen der nationalen Parlamente entspre-chen müssten; und das ist zurzeit noch nicht der Fall .Damit bin ich bei der Forderung nach dem sogenann-ten Country-by-Country-Reporting hinsichtlich der Steu-erzahlungen multinationaler Unternehmen . Das ist einegute Idee, aber sie funktioniert nicht, solange eben diemateriellen steuerlichen Vorschriften des Steuerrechts –insbesondere zur Gewinnermittlung – nicht untereinan-der entsprechend angepasst werden, selbstredend mit dergerade geforderten demokratischen Beteiligung . Dennansonsten vergleichen wir Äpfel mit Birnen .Noch schwieriger wird es bei den grenzüberschrei-tenden Fällen . Sie lassen sich jenseits des europäischenRechts nur durch Abkommen – insbesondere Doppelbe-steuerungsabkommen – erfassen; das haben wir schongehört . Dabei ist es zweifelsfrei richtig, Möglichkeitenzur Manipulation des Steuersubstrats zu verringern . Aberauch hier erfüllt es mich als Rechtspolitiker mit einer ge-wissen Sorge, dass es sich allein um Regierungsabkom-men handelt, die dann allein durch Verständigungsver-einbarungen der beteiligten Regierungen ausgelegt undkonkretisiert werden können . Ich meine, hier ist eineBeteiligung des betroffenen Steuerpflichtigen zwingendgeboten; denn sonst könnte aus einem Doppelbesteu-erungsabkommen, das eigentlich der Vermeidung derDoppelbesteuerung bzw . der Abgrenzung dient – das istvöllig richtig –, leicht ein Abkommen zur Begründungder doppelten Besteuerung werden . In manchen Einzel-fällen ist das ja so .Zudem muss man bei der Forderung nach unbe-schränktem grenzüberschreitenden Datenaustausch, diegerade von der Opposition sehr oft betont wurde, einbisschen vorsichtig sein . Den Steuerbehörden in Russ-land und China vertraue ich, sofern es darum geht, mit-zuteilen, dass ein Konto besteht . Aber der Gedanke, alleDaten, die unsere Steuerbehörden haben, auch mit denSteuerbehörden in den genannten Ländern zu teilen, er-füllt mich mit einer gewissen Sorge . Und mich beunru-higt, dass gerade von den Grünen, die sonst den Daten-schutz so hochhalten, dieser Punkt so nicht angesprochenwird .
Dr. Jens Zimmermann
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Lassen Sie mich zum Schluss einen kurzen Blick insGesellschaftsrecht werfen . Lieber Kollege Schick – aucher twittert gerade; das kann ich gleich nachlesen –
– ja, doppelte Arbeit geht immer; das ist wunderbar –, esgibt auch durchaus Sachverhalte, bei denen Briefkasten-firmen fast zwingend erforderlich sind. Auch Sie arbeitenja am Kapitalmarktrecht und wissen von daher, dass dieBeteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft untereiner Schwelle von 3 Prozent gerade noch nicht melde-pflichtig ist. Wenn Sie etwas nicht transparent machenwollen, weil eine Beteiligung unterhalb einer gewissenSchwelle das auch nicht erforderlich macht, dann bleibtIhnen letztlich, weil im Bereich des Börsenhandels sehrschnell darüber geredet wird, nur der Weg über ebendieseBriefkastenfirmen. Man muss einfach in Erinnerung ru-fen, dass es dafür durchaus notwendige Sachverhalte undlegale Zwecke gibt .Anders ist dies – das ist völlig klar – in Bezug auf denFiskus, die Strafverfolgung und die Geldwäsche . Deshalbbrauchen wir – wir haben es gehört – eine Reform aufder Grundlage der vierten Antigeldwäscherichtlinie derEU gerade in Bezug auf Gesellschaftsanteile, die nochnicht auf diese Weise, wohl aber unter Berücksichtigungder Privatsphäre öffentlich gemacht werden . Da setzenwir jetzt an, und das werden wir umsetzen . Aber auchhier müssen wir notwendigerweise die rechtsstaatlichenund datenschutzrechtlichen Vorschriften beachten . EineDatenabfrage in dem angedachten ergänzenden Handels-register setzt deshalb eine klare Zweckbestimmung vo-raus, weshalb sie auch zu dokumentieren ist . Vorausset-zung für die Erforderlichkeit muss sein, dass man vorherkeine Auskunft vom Gesellschafter bekommen hat, ob erauf der Grundlage eines Treuhandverhältnisses tätig ist .Dementsprechend ist die Öffnung des Zugriffs nur fürden Fiskus und nicht etwa für andere interessierte Kreisevorzunehmen .Wir sind – das ist das Entscheidende – auf dem richti-gen Weg . Daran lassen Sie uns gemeinsam weiterarbei-ten .Vielen Dank .
Als letzter Redner in der Debatte spricht Fritz Güntzler,
ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieVeröffentlichung der Panama Papers verschafft uns dieMöglichkeit, in dieser Aktuellen Stunde noch einmal dar-zustellen, was die Bundesregierung und die sie tragendenFraktionen in dieser Legislaturperiode schon geleistethaben . Es schärft auch den Fokus auf das Thema; daswurde bereits mehrfach angesprochen . Ich verstehe nurmanchmal die große Aufregung nicht, die nebenbei auchnoch vermittelt wird . Man kann darüber diskutieren, obdas Ausmaß bereits so bekannt war . Aber dass es immerBriefkastenfirmen gab, war, glaube ich, allen, die sich mitdiesem Thema befassen, schon grundsätzlich bekannt .
Zur sachlichen Debatte gehört auch, festzustellen,dass es ganz legitime Gründe geben kann, eine Briefkas-tenfirma oder eine Offshoregesellschaft zu nutzen, unddass das nicht per se illegal oder illegitim ist . Das hatja auch Minister Walter-Borjans, der leider schon gehenmusste, im Handelsblatt erklärt;
und das fand ich auch vernünftig . Es darf eben keineVorverurteilung geben . Man wundert sich schon, warummancher diese Wege geht . Aber das ist nicht per se einProblem . Deshalb wäre es gut, wenn die Journalisten, dieso gelobt worden sind, über ihr Netzwerk die entspre-chenden Daten den Strafverfolgungsbehörden bzw . dendeutschen Steuerbehörden bekannt machen, damit dieErmittlungen beginnen können, damit wir die am Schla-fittchen fassen können, die wir bekommen wollen.
Herr Kollege Zimmermann, ich will jetzt nicht denVersuch machen, den Tweet von Herrn Gutting zu in-terpretieren . Ich erlebe ja in Diskussionen, dass Sie anunserer Seite stehen, wenn es um die Bekämpfung vonSteuerbetrug geht . Aber vor Wolfgang Schäuble stellte jadie SPD die Finanzminister; ich hatte das Gefühl, dassman damals noch nicht ganz so ernst bei der Sache war
und es erst losging, seitdem Wolfgang Schäuble Bundes-finanzminister ist. So habe ich jedenfalls den Tweet vonHerrn Gutting verstanden . Ich glaube, dann erscheint dasauch in einem anderen Licht .
Meine Damen und Herren, die Debatte hat, wie ichglaube, gezeigt: Rein nationale Lösungen werden nichtzum Erfolg führen . Wir gehen den internationalen Weg .Das ist kein Ausweichen nach dem Motto „Wir machendas international, damit das gar nicht klappt“ . Wir kön-nen ja Ergebnisse vorweisen . Einige steuerliche Aspek-te, die mich sehr bewegen, wurden bereits genannt . Derautomatische Informationsaustausch ist eine riesige Er-folgsgeschichte . Über 100 Staaten sind dabei . Das ist si-cherlich noch nicht genug . Panama zum Beispiel machtnicht mit . Die Bundesregierung hatte zwar mit Panamadas Auskunftsrecht nach Artikel 26 des OECD-Mus-terabkommens ausgehandelt . Das wurde aber nur para-phiert, nicht ratifiziert, weil es einen Regierungswechselin Panama gab . Da müssen wir weiter Druck machen .Dr. Heribert Hirte
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Vielleicht können wir die Panamaer nun auch zum au-tomatischen Informationsaustausch bewegen . Klar mussdabei sein, dass diejenigen, die nicht mitmachen, auf einegesonderte Liste – diese kann man meinetwegen auchschwarze Liste nennen – kommen und Konsequenzen zutragen haben . Aber bei diesen Listen muss klar sein – dasist auch in der heutigen Diskussion im Finanzausschussdeutlich geworden –, dass die Namen von Unternehmennach den gleichen Kriterien darauf gesetzt werden und eskeine unterschiedlichen Kriterien geben darf . Von daherist es, wie im Zehn-Punkte-Programm vorgeschlagen,sinnvoll, dass die OECD den Prozess begleitet .Die Kollegen haben bereits auf den BEPS-Prozesshingewiesen, den Minister Schäuble eingeleitet hat . Erumfasst 15 Maßnahmen . Die sogenannten Lizenz- undPatentboxen – ein schönes Thema – wurden bereits an-gesprochen . Es geht darum, Gewinnverlagerungen zuvermeiden . Aber man sieht am BEPS-Projekt auch, dassnicht alles so einfach ist . Wenn es dort heißt, man wolleeine Offenlegung von Steuersparmodellen oder von so-genannter aggressiver Steuergestaltung, dann stellt sichnatürlich dem geneigten Leser die Frage: Was ist denndas überhaupt? Wenn ich bei der Veräußerung meinerImmobilie, die ich vermietet habe, die Spekulationsfristvon zehn Jahren ausnutze, ist das, glaube ich, noch kei-ne aggressive Steuergestaltung, wenn ich den § 6 b EStGnutze, auch nicht . Aber wo ist die Grenze überschritten,sodass wirklich aggressive Steuergestaltung vorliegt?Darüber haben wir ja, lieber Kollege Hirte, auch im Rah-men des AReG diskutiert .Das Bundesverfassungsgericht hat ja immer wiederentschieden – ich zitiere –, dass der Steuerpflichtige sei-ne Angelegenheiten und Rechtsverhältnisse so einrichtenkann, dass er möglichst wenig Steuern zahlen muss . Erist also nicht gezwungen, möglichst viele Steuern zu zah-len . Er darf also Steuergestaltung vornehmen – das istübrigens legal und auch legitim –, er darf die Steuern nurnicht hinterziehen . Solange er die Gesetze anwendet, istSteuergestaltung in Ordnung .Herr Kollege Hirte hat schon einiges über Coun-try-by-Country-Reporting gesagt . Weil Kollege Hofreitergesagt hat, wir würden da blockieren, halte ich fest: Dasist im BEPS-Projekt beinhaltet . Das wird kommen .
– Er hat gesagt, wir blockierten Country-by-Country-Re-porting . – Es stimmt, wir haben eine unterschiedlicheAuffassung darüber, Herr Kollege Schick, ob wir die Öf-fentlichkeit einbinden . Ich meine, das Steuergeheimnishat in Deutschland einen eigenen Wert. Von daher findeich es richtig, dass die Daten, die für die Steuerermittlungentscheidend sind, zwischen den Finanzbehörden ausge-tauscht werden und nicht der ganzen Öffentlichkeit zurVerfügung gestellt werden .
Da ist ein Dissens . Wir müssen sehen, dass es Wettbe-werbsnachteile für die deutsche Wirtschaft geben könnte,wenn wir das anders handhaben .
Meine Damen und Herren, die Debatte neigt sich jetzt,jedenfalls für heute, dem Ende zu . Als ich Panama hör-te, dachte ich an ein Kinderbuch, das ich einmal gelesenhabe: Oh, wie schön ist Panama. Da sind ja der Tiger undder Bär unterwegs und kommen da wieder an, wo sie her-kommen, und stellen fest, dass es da doch ganz schön ist .Janosch hat dazu einmal erklärt: Jeder lebte schon immerim Paradies, er hat es nur nicht gewusst .Vielleicht bringen einige derjenigen, die ihr Geld nachPanama gebracht haben, ihr Geld doch dorthin zurück,wo sie herkommen, weil es auch dort ganz schön ist .Herzlichen Dank .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde
ist beendet .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 14 . April 2016, 9 Uhr,
ein .
Die Sitzung ist geschlossen, und ich wünsche Ihnen
einen schönen Abend .