Protokoll:
18158

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 158

  • date_rangeDatum: 25. Februar 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:16 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/158 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 158. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 25. Februar 2016 Inhalt Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Eva Bulling-Schröter . . . . . . . . . . . . . . 15465 A Wahl der Abgeordneten Dr. Dorothee Schlegel als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15465 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15465 B Tagesordnungspunkt 3: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asyl- verfahren Drucksachen 18/7538, 18/7645, 18/7685 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15465 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgeset- zes – Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung Drucksachen 18/6202, 18/7645, 18/7685 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15466 A b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffäl- ligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern Drucksachen 18/7537, 18/7646, 18/7686 . 15466 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordne- ten Katja Dörner, Dr . Konstantin von Notz, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Besonders gefährdete Flücht- linge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften besser schützen Drucksachen 18/6646, 18/7697 . . . . . . . . . 15466 B Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . 15466 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15467 D Reinhold Gall, Minister (Baden-Württem- berg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15469 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15470 D Reinhold Gall, Minister (Baden-Württem- berg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15471 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15471 D Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15473 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15474 B Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15474 C Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 15476 C Aydan Özoğuz, Staatsministerin BK . . . . . . . 15477 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15479 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15480 C Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15482 B Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15484 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . . 15485 D, 15489 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15486 C, 15491 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016II Tagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeug- nisse Drucksachen 18/7218, 18/7452, 18/7696 . . . . 15489 C Christian Schmidt, Bundesminister BMI . . . . 15489 D Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15494 A Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15495 D Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15497 B Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15497 C Kordula Kovac (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15498 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15500 A Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15500 D Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15502 A Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15503 A Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15503 D Tagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Integration ist gelebte De- mokratie und stärkt den sozialen Zusam- menhalt Drucksache 18/7651 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15505 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15505 B Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15506 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15508 A Dr . Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15509 A Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15510 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15511 D Kerstin Kassner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15512 C Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 15513 C Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15514 C Cemile Giousouf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15515 D Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15517 C Tagesordnungspunkt 25: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuKoPfVODG) Drucksache 18/7560 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15518 D b) Antrag der Abgeordneten Martina Renner, Dr . André Hahn, Dr . Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt, Dr . Anton Hofreiter und weiterer Abgeordneter: Ergänzung des Untersuchungsauftrages des 1. Untersu- chungsausschusses – Hilfsweise: Einset- zung eines Untersuchungsausschusses Drucksache 18/7565 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15518 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Für mehr Transparenz in der Internationalen Atomenergie-Organi- sation sowie eine starke und unabhängige Weltgesundheitsorganisation Drucksache 18/7658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15519 A Tagesordnungspunkt 26: a) Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vorschlag für eine Durchführungsver- ordnung der Kommission zur Erneu- erung der Zulassung von Glyphosat SANTE/10026/2016 (Entwurf) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen Drucksache 18/7675 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15519 C b)–h) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 282, 283, 284, 285, 286, 287 und 288 zu Petitionen Drucksachen 18/7569, 18/7570, 18/7571, 18/7572, 18/7573, 18/7574, 18/7575 . . . . 15519 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 15519 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15522 C Tagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Fraktionen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 III der CDU/CSU und SPD: Intelligente Mo- bilität fördern – Die Chancen der Digita- lisierung für den Verkehrssektor nutzen Drucksachen 18/7362, 18/7635 . . . . . . . . . 15520 B b) Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Intelli- gente Mobilität fördern – Rechtssichere Regelung zur Ausweisung von Carsha- ring-Stationen schaffen Drucksache 18/7652 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15520 C Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 15520 C Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15525 A Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15525 D Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15527 A Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15528 A Dr . Birgit Malecha-Nissen (SPD) . . . . . . . . . . 15529 C Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15530 B Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Anpassung der Zuständigkeiten von Bundesbehörden an die Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV-Zuständigkeitsanpassungs- gesetz – WSVZuAnpG) Drucksachen 18/7316, 18/7634 . . . . . . . . . . . 15531 D Manfred Behrens (Börde) (CDU/CSU) . . . . . 15531 D Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15532 C Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15533 C Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15535 C Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15537 A Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . 15538 A Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristungen im öffentlichen Dienst stoppen Drucksache 18/7567 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15539 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15539 D Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15540 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15542 D Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15543 D Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 15544 C Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15545 A Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15546 C Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15546 D Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15547 A Bernd Rützel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15547 D Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: zu dem Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungs- systems KOM(2015) 586 endg.; Ratsdok. 14649/15 hier: Politischer Dialog mit der Europäi- schen Kommission Drucksache 18/7644 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15548 C Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15548 C Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15550 A Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15550 D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 15552 A Alexander Radwan (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15553 B Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15554 B Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15555 B Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Ar- meniern vor 100 Jahren Drucksache 18/7648 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15556 B Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15556 C Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15557 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15558 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 15559 B Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15560 B Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15561 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15562 A Dr . Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15563 A Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 15564 A Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15565 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016IV Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 15566 A Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . 15566 B Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskon- toentgelten, den Wechsel von Zahlungskon- ten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen Drucksachen 18/7204, 18/7691 . . . . . . . . . . . 15567 A Matthias Hauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15567 B Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15568 A Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15568 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15569 D Alexander Radwan (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15570 D Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 15571 D Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstieg aus Stuttgart 21 – Die Deutsche Bahn AG vor einem finanziellen Desas- ter bewahren Drucksache 18/7566 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15572 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- ten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Offene Fragen zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 aufklären Drucksachen 18/3647, 18/5399 . . . . . . . . . 15572 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15572 D Norbert Barthle, Parl . Staatssekretär BMVI . . 15574 A Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15575 C Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15576 B Annette Sawade (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15577 B Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15579 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15580 D Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15581 A Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes und anderer Statistikgesetze Drucksache 18/7561 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15581 C Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15581 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 15583 B Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 15584 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15585 B Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr . Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Für eine faire und transpa- rente private Altersvorsorge und ein stabi- les Drei-Säulen-System Drucksache 18/7371 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15586 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15586 C Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 15587 C Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15588 C Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 15589 D Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15590 D Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15591 D Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15592 D Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes Drucksachen 18/7195, 18/7684 . . . . . . . . . . . 15593 D Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Ulla Jelpke, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Medizinische Versorgung für Ge- flüchtete  und  Asylsuchende  diskriminie- rungsfrei sichern Drucksache 18/7413 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15594 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 15594 A Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15595 A Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15596 B Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15597 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 V Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15597 D Heiko Schmelzle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15599 B Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Verord- nung zur Modernisierung des Vergabe- rechts (Vergaberechtsmodernisierungsver- ordnung – VergRModVO) Drucksachen 18/7318, 18/7417 Nr . 2, 18/7693 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15600 C Tagesordnungspunkt 18: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda konsequent umsetzen Drucksachen 18/7361, 18/7632 Buchsta- be a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15600 D b) Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Dr . Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Nachhaltige Entwicklungsziele in Deutschland konsequent umsetzen Drucksache 18/7649 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15601 A Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15601 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15602 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15603 A Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15603 B Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15604 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Düngegesetzes und anderer Vorschriften Drucksache 18/7557 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15605 C Waldemar Westermayer (CDU/CSU) . . . . . . . 15605 D Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 15606 C Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 15607 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15609 A Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15610 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15611 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 15613 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Martin Gerster, Kerstin Griese, Gabriela Heinrich, Wolfgang Hellmich, Dr . Birgit Malecha-Nissen, Michelle Müntefering, Detlev Pilger, Bernd Rützel, Johann Saathoff, Elfi Scho-Antwerpes und Bernd Westphal (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15613 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bärbel Bas und Frank Junge (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- rung beschleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15614 C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Crone und Sönke Rix (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- rung beschleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15615 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bernhard Daldrup und Ulrich Hampel (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15616 A Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ralf Kapschack und René Röspel (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein- führung beschleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15616 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016VI Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15617 C Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15617 C Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15618 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 15619 B Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15620 C Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15621 B Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15621 C Angelika Glöckner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 15622 B Dirk Heidenblut (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15623 A Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15624 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15624 C Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 15625 C Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 15626 C Helga Kühn-Mengel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15627 B Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15628 A Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15628 D Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15629 D Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15630 B Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15631 A Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15631 D Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15632 B Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15633 A Petra Rode-Bosse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15634 B Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15635 A Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 15635 D Annette Sawade (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15636 C Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15637 B Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15638 A Dr . Dorothee Schlegel (SPD) . . . . . . . . . . . . . 15638 B Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15639 B Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15640 A Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15640 D Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15641 B Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15642 A Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15642 D Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15643 C Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15644 B Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15645 A Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Axel Knoerig (CDU/CSU) zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Frakti- onen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 15645 C Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zu den Abstim- mungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfah- ren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur erleichterten Ausweisung von straf- fälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b) . . . . . . . . . 15645 D Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) zu den Abstimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfah- ren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur erleichterten Ausweisung von straf- fälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b) . . . . . . . . . 15646 A Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Saskia Esken (SPD) zu den Abstimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfah- ren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur erleichterten Ausweisung von straf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 VII fälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b) . . . . . . . . . 15647 A Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) zu den Abstim- mungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfah- ren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur erleichterten Ausweisung von straf- fälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern und – die Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr . Konstantin von Notz, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Besonders gefährdete Flücht- linge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften besser schüt- zen (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15648 A Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zu der Abstim- mung über den von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umset- zung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15648 D Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Ulrike Bahr, Dr . Ute Finckh-Krämer, Martin Gerster, Gabriele Groneberg, Rita Hagl-Kehl, Metin Hakverdi, Ulrich Hampel, Frank Junge, Daniela Kolbe, Dr . Hans-Ulrich Krüger, Hiltrud Lotze, Kirsten Lühmann, Hilde Mattheis, Susanne Mittag, Ulli Nissen, Markus Paschke, Andreas Rimkus, Dr . Hans- Joachim Schabedoth, Dr . Dorothee Schlegel, Matthias Schmidt (Berlin), Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Kerstin Tack und Stefan Zierke (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeord- neten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Durchführungsverord- nung der Kommission zur Erneuerung der Zu- lassung von Glyphosat SANTE/10026/2016 (Entwurf) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesre- gierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen (Tagesordnungspunkt 26 a) . . . . . . . . . . . . . . . 15649 A Anlage 15 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordne- ten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Durchführungsverord- nung der Kommission zur Erneuerung der Zu- lassung von Glyphosat SANTE/10026/2016 (Entwurf) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesre- gierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stop- pen (Tagesordnungspunkt 26 a) . . . . . . . . . . . . . . . 15649 D Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15650 A Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 15650 B Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15650 C Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 15651 A Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15651 B Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 15651 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15652 C Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15652 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . . 15653 B Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . 15653 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 15653 D Dr . Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . 15654 D Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15655 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 15656 C Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15656 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016VIII Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Verord- nung zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO) (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 15657 C Dr . Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . . 15657 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 15658 B Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15659 A Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15659 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15660 B Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15660 D Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: UN-Ziele für nachhaltige Entwick- lung – 2030-Agenda konsequent umsetzen – des Antrags der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Dr . Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltige Entwicklungsziele in Deutsch- land konsequent umsetzen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) . . . . . . . . . . 15661 B Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15661 C Anlage 19 Neudruck: Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage 10 des Abgeord- neten Dr . Axel Troost (DIE LINKE) (157 . Sitzung, Anlage 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15662 C Anlage 20 Neudruck: Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage 13 des Abgeordneten Dr . André Hahn (DIE LINKE) (157 . Sitzung, Anlage 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15662 D (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15465 158. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 25. Februar 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Johannes Röring (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15613 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 25 .02 .2016 Barley, Dr . Katarina SPD 25 .02 .2016 Bartol, Sören SPD 25 .02 .2016 Bartsch, Dr . Dietmar DIE LINKE 25 .02 .2016 Beckmeyer, Uwe SPD 25 .02 .2016 Bergner, Dr . Christoph CDU/CSU 25 .02 .2016 Binder, Karin DIE LINKE 25 .02 .2016 De Ridder, Dr . Daniela SPD 25 .02 .2016 Dörmann, Martin SPD 25 .02 .2016 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 25 .02 .2016 Eberl, Iris CDU/CSU 25 .02 .2016 Engelmeier, Michaela SPD 25 .02 .2016 Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 25 .02 .2016 Gröhe, Hermann CDU/CSU 25 .02 .2016 Höger, Inge DIE LINKE 25 .02 .2016 Holzenkamp, Franz- Josef CDU/CSU 25 .02 .2016 Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 25 .02 .2016 Kaczmarek, Oliver SPD 25 .02 .2016 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 25 .02 .2016 Klare, Arno SPD 25 .02 .2016 Kömpel, Birgit SPD 25 .02 .2016 Kühn (Dresden), Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25 .02 .2016 Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 25 .02 .2016 Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 25 .02 .2016 Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 25 .02 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 25 .02 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 25 .02 .2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 25 .02 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 25 .02 .2016 Thönnes, Franz SPD 25 .02 .2016 Veit, Rüdiger SPD 25 .02 .2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 25 .02 .2016 Wicklein, Andrea SPD 25 .02 .2016 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 25 .02 .2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Gerster, Kerstin Griese, Gabriela Heinrich, Wolfgang Hellmich, Dr. Birgit Malecha-Nissen, Michelle Müntefering, Detlev Pilger, Bernd Rützel,  Johann Saathoff, Elfi Scho- Antwerpes und Bernd Westphal (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es uns wichtig, den vielen Ehrenamt- lichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort enga- gieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spen- den, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denje- nigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich un- ermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleich- zeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engage- ment zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Ver- schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen- den zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615614 (A) (C) (B) (D) Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungs- fähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bür- gerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ können wir deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be- schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei- nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüßen wir, dass da- durch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Tran- sitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Uns bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das wir aus humanitären Gründen nicht für richtig halten . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Wir finden das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Wir gehen fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Wir begrüßen, dass vereinbart wurde, dass für unbe- gleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Ein- zelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setzen darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon- vention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüßen wir, dass vereinbart wurde, dass in- nerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Fami- liennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flücht- lingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine drei-jährige Aus- bildung machen, ein zwei-jähriges Bleiberecht danach haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für aus- bildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Wir be- grüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . 11 . 2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau- erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler- nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Wir setzen uns da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Wir stimmen deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die wir auch in weiteren Debatten wie- der einbringen werden, dem Gesetz zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren zu . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bärbel Bas und Frank Junge (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Tages- ordnungspunkt 3 a) Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es uns wichtig, den vielen Ehrenamt- lichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort enga- gieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spen- den, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denje- nigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich un- ermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleich- zeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engage- ment zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Ver- schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen- den zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungs- fähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bür- gerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ können wir deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be- schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei- nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüßen wir, dass da- durch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Tran- sitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Uns bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15615 (A) (C) (B) (D) Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Wir gehen fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Wir begrüßen, dass ver- einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- nachzug stattfinden wird, und setzen darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüßen wir, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Wir begrüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzen- den von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich be- fristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Inte- gration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Wir setzen uns da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Wir stimmen deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die wir auch in weiteren Debatten wie- der einbringen werden, dem Gesetz zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren zu . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Crone und Sönke Rix (bei- de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein- führung beschleunigter Asylverfahren (Tagesord- nungspunkt 3 a) Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss zwischen den Koalitionsparteien . Die SPD konnte den Ursprungsentwurf in wesentlichen Bereichen verbessern . Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha- ben uns in wichtigen Punkten durchgesetzt . Es wird kei- ne „Transitzonen“ an deutschen Grenzen geben . Damit verhindern wir, dass Menschen unter Haftbedingungen auf ihr Verfahren warten müssen . Stattdessen werden wir dezentrale Registrierzentren einrichten, die nötig sind, um ein effektives Verfahren für die Asylsuchenden durchführen zu können . Wir werden für verschiedene Gruppen die Verfahren beschleunigen . Über den Asylantrag entscheidet zu- künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) innerhalb von einer Woche, Rechtsbehelfsver- fahren sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden . Grundsätzlich ist der Familiennachzug bei Flüchtlin- gen eine wichtige Maßnahme zur Integration und eine Frage der Humanität . Die jetzt verabredete Einschrän- kung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit nicht langfristiger Bleibeperspektive darf nun nicht im Ge- genzug dazu führen, dass die Vergabe der subsidiären Schutzbedürftigkeit ausgedehnt wird . Wir Sozialdemo- kratinnen und Sozialdemokraten haben dieser Regelung zugestimmt, weil der Familiennachzug auf zwei Jahre befristet ausgesetzt wird und ansonsten das gesamte Asylpaket infrage gestanden hätte . Wir gehen davon aus, dass der Elternnachzug zu minderjährigen Flüchtlingen möglich bleibt und in jedem Einzelfall geprüft wird . Eine gute Maßnahme stellt die Pflicht zur Vorlage ei- nes erweiterten Führungszeugnisses bei Beschäftigung oder regelmäßig Engagierten in einer Flüchtlingsunter- kunft dar . Das kann jedoch nur ein Baustein eines umfas- senden Schutzkonzeptes sein . Bedauerlicherweise sind keine weiteren bindenden Schutzbestimmungen vorgese- hen . Die Länder werden nun noch weitere Maßnahmen folgen lassen . Wir wollen zusätzlich darauf hinwirken, dass auch der Bund sein Schutzkonzept erweitert . Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Nach den Asylpaketen muss es jetzt darum gehen, ei- nen umfassenden Integrationsplan zu erarbeiten . Daher Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615616 (A) (C) (B) (D) begrüßen wir, dass jetzt in Abstimmung zwischen den Ministerien Maßnahmen für ein Integrationsgesetz er- arbeitet werden . Dazu gehören unter anderem auch ein ausreichendes Angebot von Integrationskursen, aber auch Investitionen in Schule, Kitas und den Wohnungs- bau sowie Erleichterungen für den Zugang auf den Ar- beitsmarkt . Ein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und eh- renamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkursen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaßnahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen . Wir begrüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzen- den von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er- lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Trotz der gravierenden Bedenken bezüglich des Fa- miliennachzugs und für uns nicht ausreichend vorhande- ner Schutzbestimmungen und Integrationsmaßnahmen stimmen wir dem „Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ – auch unter Einbeziehung unserer poli- tischen Gesamteinschätzung – zu . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bernhard Daldrup und Ulrich Hampel (beide SPD) zu der namentlichen Abstim- mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Ta- gesordnungspunkt 3 a) Mit dem Gesetz werden verschiedene Maßnahmen zu Verfahren der Anerkennung, Unterbringung von Flücht- lingen und Asylbewerbern sowie deren Lebensbedingun- gen geregelt . Auch wenn wir die Zielsetzung des Geset- zes in wesentlichen Bereichen unterstützen und darin das Ergebnis eines Kompromisses sehen, der weitergehende Verschärfungen wie etwa die Einrichtung von Transit- zonen verhindert hat, bestehen weiterhin erhebliche Be- denken gegen die Wirksamkeit einzelner Regelungen des Gesetzentwurfes . Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen- stehen, sowie die aus unserer Sicht wirkungslosen Redu- zierungen von Geldleistungen in einzelnen Fällen . Flüchtlinge, die Asyl erhalten oder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen, können ihre Familien weiter nachholen – das trifft für die meisten Flüchtlinge zu . Wir sind aber im Kern anderer Auffassung bei der vorgesehenen zweijährigen Aussetzung des Familien- nachzuges für Personen mit subsidiärem Schutz . Wir befürchten damit vielleicht sogar eine gegenteilige Wir- kung als beabsichtigt: Durch die Aussetzung des Fami- liennachzuges werden die Lebensbedingungen zumeist unbegleiteter Jugendlicher verschärft . Deren Unterbrin- gung und Betreuung verursachen höhere Kosten als eine Familienzusammenführung und erschweren ihre Integra- tion (während die dennoch nachziehenden Angehörigen auf unsichere Wege gedrängt werden könnten) . Ein relevanter quantitativer Beitrag zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen wird offenbar auch durch den In- nenminister selbst angesichts der konkreten Zahlen und damit verbundenen Entwicklungen nicht ernsthaft er- wartet . 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt . Die Stellungnahmen der Kirchen, ihrer Hilfswer- ke und vieler Organisationen der Flüchtlingshilfe sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Wir erwarten, dass die für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz vorgesehene Einzelfallprüfung zum Familiennachzug unter Berücksichtigung der UN-Kin- derrechtskonvention erfolgt, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Wir gehen davon aus, dass die erst zum 1 . August 2015 eingeführte Möglichkeit des Familiennachzuges für subsidiär geschützte Personen nach der Aussetzung für einen Zeitraum von zwei Jahren wieder reibungslos ermöglicht wird . Wir haben unsere ablehnende Haltung zur Aussetzung des Familiennachzuges im Rahmen der Willensbildung bis zur Entscheidung des Deutschen Bundestages auch in der eigenen Fraktion deutlich gemacht . Da wir im Abstimmungsprozess unterlegen waren, gehört es zu unserem parlamentarischen Verständnis, eine Mehrheits- entscheidung mitzutragen, wenn die eigene Position ge- genwärtig nicht durchsetzbar ist . Wir erwarten darüber hinaus und werden uns massiv dafür einsetzen, dass nach den gesetzlichen Änderun- gen des Asylrechts bei Unterbringung und Anerkennung deutlich größere Anstrengungen zur Integration der Men- schen mit Bleiberechtsperspektive unternommen werden . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ralf Kapschack und René Röspel (beide SPD) zu der namentlichen Abstim- mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Ta- gesordnungspunkt 3 a) Wir haben dem „Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- rung beschleunigter Asylverfahren“ nicht zugestimmt . Dabei haben wir selbstverständlich nichts gegen eine Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15617 (A) (C) (B) (D) Beschleunigung der Registrierungs- und Anerkennungs- verfahren . Diese hätten allerdings schon längst über eine Aufstockung des Personals beim BAMF erfolgen kön- nen . Wäre es nach dem Willen der SPD gegangen, hätte es auch bei Sprach- und Integrationskursen längst eine deutliche Aufstockung gegeben . Die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf war für uns nicht möglich, vor allem wegen der von der Union geforderten Verschärfungen bei gesundheitlichen Abschiebehindernissen und beim Familiennachzug . Nach dem Kompromiss der Parteivorsitzenden im November 2015 wäre davon nur eine kleine Zahl von schätzungsweise 1 700 subsidiär Schutzberechtigten be- troffen gewesen . Nach Intervention aus der Union, vor allem nach dem Beschluss der CSU – kurz vor Weih- nachten 2015! –, den Familiennachzug „größtmöglich“ zu beschränken, ist nun von einer deutlich höheren Zahl von Kindern, Jugendlichen, Vätern oder Müttern auszu- gehen, denen es verwehrt wird, ihren Ehepartner, ihre El- tern oder ihr Kind nachholen zu dürfen . Dabei sind nach Angaben der Bundesregierung – Antwort auf die Kleine Anfrage 18/7200 – bis Ende September 2015 für Staats- angehörige aus Syrien 18 400 Visa zum Familiennachzug erteilt worden – eine aus unserer Sicht verträgliche Zahl von Fällen . Völlig unakzeptabel ist für uns die Vorstellung, Kinder von ihren Eltern getrennt zu lassen – und umgekehrt –, vermutlich ist es sogar ein Verstoß gegen Artikel 6 des Grundgesetzes und Artikel 8 der Europäischen Men- schenrechtskonvention . Sehr beeindruckt haben uns Diskussionen im letzten November mit Kindern und Jugendlichen in Schulen in unseren Wahlkreisen über die Rechte und Wünsche von Kindern, in denen auch deutlich wurde, wie wichtig es für Kinder ist, nicht von ihren Eltern getrennt zu sein . Mit einer Zustimmung zum sogenannten Asylpaket II würden wir unser Versprechen brechen, uns für die in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte von Kindern einzusetzen . Wir fühlen uns gegenüber den Kin- dern im Wort . Wir erkennen ausdrücklich an, dass die SPD-Führung und allen voran Sigmar Gabriel in den letzten Wochen auch in Nachverhandlungen versucht hat, wenigstens Er- leichterungen und Härtefallregelungen zu erzielen . Deshalb finden wir es umso bedauerlicher, dass die sogenannten christlichen Parteien auf weitgehend sym- bolischen und populistischen Forderungen beharren und damit einen breiten Konsens verhindert haben, den wir mittragen könnten . Wir sind dankbar für das unglaubliche Engagement vieler Menschen in unserem Land, die sich für einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen einsetzen und diesen jeden Tag leben . Sie brauchen dabei nicht nur mo- ralische, sondern auch materielle Unterstützung, genauso wie die Kommunen . Integration gelingt nur, wenn unsere Städte und Gemeinden in der Lage sind, vor Ort die Vo- raussetzungen dafür zu schaffen . Dazu ist eine deutliche größere Hilfe durch den Bund unerlässlich . Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) Heike Baehrens (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati- onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun- gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger ist unge- brochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Po- litik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und die ordnende und steuernde Funktion des Staates bewusst und mit Sorgfalt wahrzunehmen . Es kommt jetzt darauf an, die vollständige Registrierung der Ankommenden zu gewährleisten und die Verfahrensabläufe zu beschleuni- gen und zu optimieren . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, konkret durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter- stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsin- nige und inhumane Vorschlag von „Transitzonen“ an den Grenzen vom Tisch ist . Allerdings habe ich auch Bedenken, die mir die Ab- stimmung für dieses Gesetz nicht leicht gemacht haben . So mache ich mir Sorgen bezüglich der Änderungen im Aufenthaltsgesetz, die sich auf Abschiebungshindernis- se aus gesundheitlichen Gründen beziehen . Zwar ist es richtig, Missbrauch entgegenzuwirken . Die getroffenen Regelungen könnten aber in der Praxis schutzbedürftigen Kranken schaden . Denn gesetzlich wird zukünftig erst einmal davon ausgegangen, dass eine Erkrankung einer Abschiebung nicht im Wege steht . Personen, die abge- schoben werden sollen, müssen nicht nur ihre Krankheit nachweisen, sondern diese muss dann auch tatsächlich als Abschiebungshindernis anerkannt werden . Außerdem müssen die Betroffenen – die vermutlich häufig weder über Sprachkenntnisse noch über soziale Anbindung ver- fügen – den Nachweis einer schwerwiegenden Erkran- kung innerhalb einer sehr kurzen Frist erbringen . Diese Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615618 (A) (C) (B) (D) knappe Frist ist gerade bei der Behandlung und Diagno- se von posttraumatischen Belastungsstörungen, von der insbesondere Kriegsflüchtlinge häufig betroffen sind, nur schwer einzuhalten . Nur mit großen Bedenken kann ich die Regelung mit- tragen, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberech- tigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr weni- ge Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhiel- ten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller sub- sidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitä- ren Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke nehme ich sehr ernst, die vor dieser Maßnahme warnen. Ich finde diese Rege- lung mit christlichen Werten schwer vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Ausset- zung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi- ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach- zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ein demokratisches Staatswesen kann nur funktio- nieren, wenn seine politischen Verantwortungsträger zu Kompromissen bereit sind . Da der Gesetzentwurf zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vor dem Hin- tergrund der aktuellen großen Herausforderungen viele notwendige Regelungen enthält, stimme ich ihm trotz der oben genannten schweren Bedenken zu . Dr. Matthias Bartke (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich- tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizi- nisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men- schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijähri- gen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenom- men wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15619 (A) (C) (B) (D) nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv ist die zwischen den Koalitionspartnern ge- troffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, nach der Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbildung ma- chen, ein zweijähriges Bleiberecht danach haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstüt- zende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asyl- recht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bil- dung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdie- nen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Was würde ich wohl von mir denken? Was würde ich von mir den- ken, wenn ich flüchten müsste, wenn ich meine Heimat, Deutschland, in großer Angst hektisch verlassen müss- te, um einem Bombenangriff zu entkommen, um meine Frau der Folter oder unsere Kinder dem Hungertod zu entreißen? Was würde ich von mir denken, wenn ich dem Asylkompromiss, genannt „Asylpaket II“, nicht zuge- stimmt hätte? Ich käme in ein Land mit einer unvorstellbaren Hilfs- bereitschaft . Ehrenamt . Aber auch hauptamtlich ist die Hilfsbereitschaft in Verbänden und Verwaltungen der Städte und Dörfer groß . Hilfe, Verständnis, Empathie, Nächstenliebe, Verantwortung, Engagement – alles zu- sammen genommen nennen wir Willkommenskultur . Dies ist eine Kulturleistung vieler Männer und Frauen in Deutschland . Diese Kulturleistung Menschlichkeit zeigt sich auch in den Mahnungen vieler Verbände wie des Bundesverbandes der AWO (Arbeiterwohlfahrt), der Di- akonie, der Caritas, des Paritätischen Gesamtverbandes, Amnesty International, des Deutschen Instituts für Men- schenrechte, das Asylpaket II im Bundestag abzulehnen . Das ist die eine Seite . Auf der anderen Seite brennen Asylbewerberheime . Christliche Parteien wie die CSU sowie Teile der CDU wollen riesige Auffanglager bzw . Transitzentren an den Außengrenzen, bevorzugt außerhalb Deutschlands . Es wird über Grenzzäune und von kulturlosen, radikalen Po- litikern sogar über bewaffnete Grenzsicherung an diesen Zäunen schwadroniert . Der Vorsitzende der CSU, Herr Seehofer, fordert gar eine Obergrenze für Asylbewer- ber, also praktisch eine Begrenzung des Grundrechts auf Asyl . Das ist Angriff auf unsere Verfassung . Gleichzeitig fordert auch Herr Palmer, grüner Oberbürgermeister der Stadt Tübingen in Baden-Württemberg, im Spiegel dazu auf, Zäune an den EU-Außengrenzen zu errichten und diese von bewaffneten Grenzbeamten kontrollieren zu lassen . Er fordert eine „klare Grenzpolitik“ . All diese primitiv-populistischen „Vorschläge“ sind nicht nötig . Ein Blick in die jüngere Geschichte hilft . Seit 1990 sind viele Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen . Viele von ihnen haben Deutschland wieder verlassen und kehrten zumeist in ihre Heimat zurück . Menschen lieben ihre Heimat . Schauen wir mit Carl Zuckmayer noch einige Jahre weiter zurück: „Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenrei- he vor – seit Christi Geburt . Da war ein römischer Feld- hauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht . Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begrün- det . Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein deser- tierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Hol- land, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und ge- sungen und Kinder gezeugt – und – und der der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und – ach was, schau im Lexikon nach . Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben . Vermischt – wie die Was- ser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen . Vom Rhein – das heißt: vom Abendland . Das ist natürlicher Adel . Das ist Rasse . Seien Sie stolz darauf, Hartmann – und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Ab- tritt . Prost .“ Auch durch gravierende Fehler der Bundeskanz- lerin sehen wir in Europa die Gefahr von Renationali- sierung und Rückentwicklung . Deutschland hat unter schwarz-gelber Regierung die südlichen Länder Euro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615620 (A) (C) (B) (D) pas mit den vielen Flüchtlingen alleingelassen . Heute gibt in vielen anderen Ländern Europas wenig Neigung, Deutschland zu helfen . Diese Entwicklung, gepaart mit der Berichterstattung bestimmter Medien und aufkeimenden radikalen Partei- en, lässt wenig Raum für symbolische Politik . Es gibt im Bundestag keine Mehrheit in der Regierungskoalition für ein Einwanderungsgesetz, keine Mehrheit für ein Reset- tlement-Programm (also die Möglichkeit zur dauerhaften Neuansiedlung mit Integrationsprogramm, analog zu den USA, Kanada oder Australien), keine Mehrheit für einen Kompromiss ohne die Einschränkungen im Asylpaket II . Mit Blick auf diese Gemengelage besteht größte Ge- fahr, dass jegliche weitere Verhandlung über das Asyl- paket II eine Verschlechterung für die in Deutschland Schutzsuchenden bedeutet und radikale Kräfte gestärkt würden . Wir haben mit dem Kompromiss eine untere (!) Linie gefunden, die uns, die die gesamte Bevölkerung davon abhält, nach rechts abzudriften . Deshalb unter- stütze ich den gefundenen Kompromiss – mit Blick auf die drohenden anderen Szenarien und halte ihn für einen Verhandlungserfolg . Kritisch bleiben die Änderungen im Familiennach- zug und die Vereinfachung der Abschiebung kranker Menschen . Rechtlich bedenklich sind die beschleunigten Verfahren. Kontraproduktiv finde ich die Gebühren für Integrationskurse . Wenigstens soll es für unbegleitete Minderjährige mit „subsidiärem Schutz“ eine Einzelfallprüfung beim Fami- liennachzug geben . Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärt: „Auf subsidiären Schutz kann ein Drittstaatsangehöri- ger oder Staatenloser Anspruch haben, dem weder durch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch durch das Asylrecht Schutz gewährt werden kann . Er wird als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt, wenn er stichhal- tige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht . Als ernsthafter Schaden gilt: – die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstra- fe, – Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Be- handlung oder Bestrafung oder – eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines interna- tionalen oder innerstaatlichen bewaffneten Kon- flikts.“ Manche sprechen hier von einem „Pulleffekt“ oder von einer „Sogwirkung“ und vergessen dabei, in welch verzweifelter Lage Familien sein müssen, die ihr min- derjähriges Kind auf die Flucht schicken müssen, um es zu retten . Sie leben mit der absoluten Ungewissheit, ihr Kind jemals wieder zu sehen . Auch die Möglichkeit für Flüchtlinge, nach einer dreijährigen Ausbildung weitere zwei Jahre in Deutschland bleiben zu dürfen, ist ein gutes Ergebnis . Würde ich nach alldem von mir denken: „Gut ge- macht, ich habe denen, die der Bevölkerung Angst ma- chen, abgetrotzt, was möglich war“? Oder würde ich denken: „Hätte ich den faktisch wahrscheinlich sowieso fast unwirksamen Asylkompromiss, den Asylpakt II, ab- gelehnt, ginge es mir nun formal und kurzfristig besser – aber das Damoklesschwert unberechenbarer Verschlech- terungen schwebt weiter über mir“? Ich weiß es nicht . Jedenfalls werden wir zerstören, was uns wichtig ist, wenn wir es weiterhin so schützen wie bisher . Marco Bülow (SPD): Durch das Asylpaket II, über das wir heute im Deutschen Bundestag abstimmen, sol- len die Asylverfahren beschleunigt und Abschiebungen erleichtert werden, um die Zahl der Flüchtlinge zu re- duzieren . Auch der Familiennachzug von Menschen mit subsidiärem Schutz wird für zwei Jahre ausgesetzt . Ich glaube, dass diese Maßnahmen keine wirkliche Wirkung zeigen und nur zur Beruhigung beitragen sol- len . Die Regierung hat damit einen Formelkompromiss geschlossen, der nicht funktionieren wird . Vor allem, weil die eigentlich notwendigen Maßnahmen damit nicht einhergehen . In erster Linie bräuchten wir ein Integrationspaket I, wie es die SPD einfordert . Wir benötigen deutlich mehr Anstrengungen zur Integration der angekommenen Flüchtlinge . Dazu brauchen wir mehr Investitionen vor allem in Schule, Kitas und den Wohnungsbau sowie Er- leichterungen für den Zugang auf den Arbeitsmarkt . Wir benötigen deutlich mehr Geld für die Kommunen, als bisher zugesagt wurde . Ein Hauptaugenmerk sollte dabei neben der Integrationsleistung auch auf Maßnah- men für Langzeit- und Jugendarbeitslose gelegt werden . Wir müssen den sozialen Frieden wahren . Das funktio- niert aber nicht, wenn in einigen Regionen viele Men- schen keine Perspektive haben . Zudem müssen wir endlich klarere Maßnahmen gegen den zunehmenden Terror von rechts gegen Flüchtlinge ergreifen . Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte gibt es mittlerweile täglich . 2015 wurden in Deutschland bis Mitte November 1 610 überwiegend rechtsmotivierte Delikte gezählt, die im Zusammenhang mit der „Unter- bringung von Asylbewerbern“ stehen . 2014 lag die Zahl bei 895 Taten, 2013 bei 399 und 2012 bei 62 Delikten . Diese Entwicklung ist dramatisch . Es ist positiv zu erwähnen, dass die SPD in den Ver- handlungen mit der Union dafür gesorgt hat, dass Flücht- linge nach der Ausbildung in Deutschland zwei Jahre arbeiten dürfen . Zudem entfällt die jährliche Neugeneh- migung des Aufenthalts während der Ausbildungszeit . Beides führt zu deutlich mehr Rechtssicherheit für Aus- zubildende und Unternehmer und dient damit einer bes- seren Integration . Es ist ebenfalls gut, dass der Bundesjustizminister Heiko Maas durchgesetzt hat, dass in Härtefällen auch bei Minderjährigen mit eingeschränktem Schutz ein Nachzug der Eltern möglich sein kann . Insgesamt halte ich die Einschränkungen aber immer noch für mangel- haft . Die beschlossene Einzelfallprüfung bedeutet eine Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15621 (A) (C) (B) (D) hohe Belastung für die minderjährigen Flüchtlinge und übrigens auch eine zusätzliche Bürokratisierung . Das Kindeswohl darf nicht unter der aktuellen politischen Si- tuation leiden . Bei der Aussetzung des Familiennachzugs für Min- derjährige verstoßen die Regelungen auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention, weil unbegleitete, minder- jährige Flüchtlinge von ihren Eltern und Erziehungsbe- rechtigten getrennt werden . Diese Entscheidung ist umso weniger nachzuvollziehen, wenn man bedenkt, wie we- nig neue Flüchtlinge damit ins Land kommen würden . Weitere Kritikpunkte: Leider gibt es neben der Einschränkung des Famili- ennachzugs noch weitere Punkte, die ich an diesem Ge- setz kritisiere. Zum Beispiel die vereinbarte finanzielle Beteiligung von Flüchtlingen an Integrationskursen . In Zukunft werden 20 Euro von den Leistungen an Flücht- linge als Eigenbeitrag zu Sprach- und Integrationskursen einbehalten . Durch einen Eigenbetrag wird die Integrati- on nicht gefördert . Im Gegenteil, das wird lediglich dazu führen, dass weniger Menschen die Kurse besuchen wer- den . Auch die Ausweitung der Liste sicherer Herkunfts- staaten auf Algerien, Marokko und Tunesien sehe ich skeptisch . Zum einen ist das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten generell problematisch, weil es den individuellen Anspruch auf eine einzelne Prüfung des Asylantrags untergräbt . Zum anderen sind die Berichte von Menschenrechtsorganisationen über die drei Länder bedenklich und sprechen nicht dafür, dass man allgemein von der Einhaltung von Menschenrechten sprechen kann . Gesamtbetrachtung statt Symbolpolitik: Keine Frage, die Situation ist problematisch . Genau deshalb müssten die verschiedenen Aspekte der Flüchtlingspolitik in ei- ner Gesamtdiskussion zusammenfließen, von der Außen- und Sicherheitspolitik über die soziale Lage – vor allem in einigen Regionen in Deutschland – bis hin zur Innen- politik und Integration . Beim Asylpaket I habe ich mich mit Bauchschmerzen noch enthalten können, weil vor al- lem auch die Kommunen entlastet wurden . Diesmal kann ich – trotz intensiver Abwägung – das Gesamtpaket nur ablehnen, nicht nur wegen dessen, was im Gesetz steht, sondern auch wegen dessen, was fehlt . Dr. Karamba Diaby (SPD): Bei Abstimmungen mit erheblicher Reichweite oder auch bei Gewissensfragen nehme ich für mich das Recht eines jeden Abgeordneten nach Artikel 38 (1) des Grundgesetzes in Anspruch . In Abwägung der getroffenen Verschärfungen im Entwurf zum Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfah- ren unter anderem beim Familien- und Elternnachzug für subsidiär geschützte Geflüchtete und unter Berücksich- tigung der Menschen- und Grundrechte stimme ich mit Nein . 1 . Die Einschränkung des Familien- und Eltern- nachzuges bei subsidiär Schutzbedürftigen ist mit dem Grundrecht auf Schutz der Familie (Artikel 6 GG) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Arti- kel 8 EMRK) nicht zu vereinbaren . 2 . Innerhalb von drei Wochen soll ein komplettes Asylverfahren für unter anderem Geflüchtete aus siche- ren Herkunftsstaaten in besonderen Aufnahmezentren durchgeführt werden . Hier besteht die Gefahr, dass ein ausreichender Zugang zur unabhängigen Rechtsberatung in den Aufnahmeeinrichtungen nicht gegeben sein kann . 3 . Die Absenkung der Leistungen für Asylsuchende ist nicht nachvollziehbar . Das Existenzminimum darf nicht weiter herabgesetzt werden . Das hat auch das Bundes- verfassungsgericht in seinem Urteil vom 18 . Juli 2012 zum AsylbLG bekräftigt . Unter Berücksichtigung dieser aufgeführten Argu- mente stimme ich dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren nicht zu . Sabine Dittmar (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über das von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachte Gesetz zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren ab . Nach den Verhandlungen innerhalb der Regierungskoalition und nach intensiven Diskussionen über die Inhalte des Gesetzentwurfs stim- me ich diesem zu . Zugleich mache ich von meinem Recht Gebrauch, zu den gesundheitspolitischen Aspekten, die ich aufgrund meiner langjährigen ärztlichen Tätigkeit sehr kritisch be- werte bzw . ablehne, Stellung zu beziehen: Der Gesetzentwurf regelt, dass lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung eines Ausländers verhindern . Die Ein- schränkung bezieht sich somit auf erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben . Dies muss durch ein quali- fiziertes ärztliches Attest nachgewiesen werden. Die diesbezüglich im Gesetzentwurf formulierte Prä- zisierung der Rahmenbedingungen für die Erstellung qualifizierter ärztlicher Atteste gemäß § 60 a Absatz 2 c erachte ich als sinnvoll . Allerdings möchte ich betonen, dass ich eine verbindliche Einbeziehung der psychologi- schen und psychotherapeutischen Diagnostikkompeten- zen jenseits der Einschränkung auf approbierte Ärzte für notwendig erachte . Darüber hinaus halte ich die Pauschalität der Aussage in der Gesetzesbegründung, dass eine PTBS im Regelfall keine schwerwiegende Erkrankung darstellt, für medizi- nisch falsch . Die Diagnose des „Schweregrades“ einer PTBS ist komplex und sollte hierfür ausgebildeten Spe- zialisten vorbehalten sein Aus dem Begründungsteil ist weiter unterschwellig eine unterschiedliche Bewertung und Gewichtung somatischer und psychischer Erkran- kungen herauszulesen, was abzulehnen ist . Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich die Frage der angemessenen medizinischen Versorgung im Zielland . Durch die Änderung des § 60 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz soll geregelt werden, dass ein Ausländer, der an einer Er- krankung leidet, auch dann in einen Zielstaat abgescho- ben werden kann, wenn eine ausreichende medizinische Versorgung nur in einem Teil dieses Zielstaats gewähr- leistet werden kann . Dass die medizinische Versorgung mit der Versorgung in Deutschland im Regelfall nicht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615622 (A) (C) (B) (D) gleichwertig ist, ist unbestritten . Problematisch ist jedoch der Verweis in der Begründung darauf, dass dem Aus- länder zumutbar ist, sich in einen bestimmten Teil des Zielstaats zu begeben, in dem für ihn eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist, ohne zu wür- digen, ob diese Versorgung für ihn erreichbar ist oder er regelhaften Zugang zur Versorgung hat . Mit Blick auf die jeweiligen regionalen Gegeben- heiten in den Zielstaaten und dem patientenabhängigen medizinischen Bedarf ist jedoch zu differenzieren, ob eine angemessene medizinische Versorgung tatsächlich gewährleistet ist . Hier ist aus meiner Sicht eine weite- re Präzisierung durch die zuständigen Ministerien nötig . Die einschränkende Formulierung „in der Regel“ im § 60 Absatz 7 gibt hoffentlich den zuständigen Gerichten den notwendigen Entscheidungsspielraum, um die medi- zinische Versorgung im Zielstaat genauer unter die Lupe zu nehmen . Der Spielraum für Einzelfallentscheidung ist zu begrüßen . Darüber hinaus bereitet mir die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzbe- rechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjäh- rige Flüchtlinge gelten soll . Ich begrüße daher die Ver- einbarung, für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug zu- zulassen . Ich setze darauf, dass hierbei die UN-Kinder- rechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dür- fen . Außerdem befürworte ich die Regelung, dass inner- halb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familien- nachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Eine Evaluierung der in diesem Gesetz beschlossenen Regelungen nach einem angemessenen Zeitraum ist drin- gend geboten . Trotz meiner Bedenken stimme ich dem Gesetzent- wurf zu, da er mit Blick auf die aktuellen großen Heraus- forderungen in der Asylpolitik viele notwendige Rege- lungen und Konkretisierungen beinhaltet . Angelika Glöckner (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich- tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medi- zinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkur- se anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm- tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men- schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstüt- zen und nicht permanent durch neue Verschärfungsvor- schläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig voran- geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni- gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter- stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa- miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege- lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er- hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach- zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus huma- nitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnah- men der Kirchen und Hilfsorganisationen, die vor dieser Maßnahme warnen, sind ernst zu nehmen . Ich halte das weder mit christlichen noch humanitären Werten schwer vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich be- grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min- derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin- gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück- sichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15623 (A) (C) (B) (D) halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten Beden- ken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylver- fahren zu . Dirk Heidenblut (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Mandaten und Äm- tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men- schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Bundespolitik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht andauernd durch neue Ver- schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen- den zügig vorangeht, das Asylverfahren beschleunigt und Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni- gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter- stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni- gen, die Registrierung verbessern, die Kommunen entlas- ten sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Hel- ferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa- miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, ganz grundsätzlich, weil es Integration erschwert, besonders aber, weil diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz –, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei- tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel- fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden, wird und setze darauf, dass diese im Interesse des Kindeswohls erfolgt . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll – das muss in besonderem Maße für Angehörige unbegleiteter Minderjähriger gelten . In gleicher Weise bereiten mir die Einschränkungen bei der Einbeziehung gesundheitlicher Gründe als Ab- schiebungshindernis massiv Probleme, insbesondere die Regelungen zur Berücksichtigung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) . Ich begrüße zwar, dass es gelungen ist, auch hier bei schwerwiegenden, massiv die Gesundheit beeinträchtigenden Erkrankungen, insbe- sondere wenn diese Eigengefährdung erwarten lassen, Regelungen zu finden. Dennoch halte ich die in der Be- gründung genannte pauschale Herunterstufung der psy- chischen Erkrankung für falsch, weil sie einer individu- ellen, medizinisch fundierten Klärung bedarf . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, im Anschluss ein zweijähriges Bleiberecht erhalten . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für aus- bildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. All das dient der Integration von geflohe- nen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615624 (A) (C) (B) (D) Rudolf Henke (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über das von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachte Gesetz zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren ab . Nach den Abstimmungen in den Fraktionen der Koalition und in den Ausschüssen folge ich den dort getroffenen Entscheidungen und stim- me dem Gesetz zu . Ich will damit auch das Wirken und Engagement der Bundeskanzlerin unterstützen . Zugleich mache ich von der nach der Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages gegebenen Möglich- keit Gebrauch, zu einzelnen Punkten in der Sache Stel- lung zu nehmen, die die gesundheitliche Versorgung von Asylbewerben betreffen . Der Gesetzentwurf stellt klar, dass eine Abschiebung auch dann erfolgen kann, wenn der Ausländer an einer Erkrankung leidet . In der Gesetzesbegründung ist fest- gehalten, dass sie jedoch nicht dazu führen darf, „dass sich die schwerwiegende Erkrankung des Ausländers mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß verschlechtern wird, dass ihm eine individuell konkre- te, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht“ . Der Bundesminister des Inneren hat bei der ersten Lesung im Plenum davon gesprochen, dass es für eine Abschiebung eine solide medizinische Versorgung im Zielstaat geben muss, ausreichend und angemessen . Die medizinischen Standards in den Herkunftsländern müssen so sein, dass dem Menschen auch nach der Rückkehr gut geholfen werden kann . Diese Anforderungen unterstütze ich un- eingeschränkt . Durch die Änderung des Aufenthaltsgesetzes soll in § 60 Absatz 7 geregelt werden, dass ein Ausländer, der an einer Erkrankung leidet, auch dann in einen Zielstaat abgeschoben werden kann, wenn eine ausreichende me- dizinische Versorgung nur in einem Teil dieses Zielstaats gewährleistet werden kann . Ich habe Bedenken, ob diese Kriterien ausreichen, um die Möglichkeit einer (Weiter-)Behandlung der be- troffenen Person in jedem Einzelfall zuverlässig genug sicherzustellen . Genauso, wie wir keine Gleichwertigkeit der medizinischen Versorgung im Zielland mit den hohen deutschen Standards erwarten können, werden die Infra- struktur, die Mobilität, die sozialen und die regionalen Gegebenheiten nicht mit denen in Deutschland gleich- zusetzen sein . Das kann den Zugang zu einer medizini- schen Behandlung erschweren oder unmöglich machen . Deshalb habe ich mich während der parlamentarischen Beratung in meiner Fraktion dafür eingesetzt, dass diese Passage um den Aspekt der „Zugänglichkeit“ erweitert wird – leider ohne Erfolg . Auch nach einer Gesetzesänderung werden Ausfüh- rungsvorschriften notwendig sein, die die Existenz einer ausreichenden medizinischen Versorgung im Zielstaat in den Blick nehmen müssen . Dazu müssen das Auswärti- ge Amt bzw . das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die notwendigen Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten treffen . Die im Gesetzestext enthaltene einschränkende For- mulierung „in der Regel“ im ergänzten Absatz 7 des § 60 Aufenthaltsgesetz ermöglicht den zuständigen Ge- richten bei Einzelfallentscheidungen einen Entschei- dungsspielraum, der es ihnen weiterhin ermöglicht, die medizinische Versorgungssituation im betroffenen Ziel- land gesondert in den Blick zu nehmen . Das ist sicher zu begrüßen . Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Tauglichkeit der jetzt verfolgten Maßnahmen zur Verfahrensbeschleu- nigung, die der Notwendigkeit folgen, die Flüchtlings- zahlen zu reduzieren, in regelmäßigem Abstand darauf- hin überprüft werden muss, ob eine Anpassung an eine neue Situation möglich ist, zum Beispiel an eine Redu- zierung der Anzahl Asylbegehrender . Auch wenn die aktuelle Flüchtlingssituation uns vor große Herausforderungen stellt, ist die solide medizini- sche Versorgung von erkrankten Menschen eine Sorge, der wir angemessen entsprechen müssen . Ich hoffe sehr, dass die heute beschlossenen Regelungen an dem Be- wusstsein, dieser Verpflichtung nachzukommen, nichts ändern werden . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Aktuell erreichen Deutschland so viele Flüchtlinge wie noch nie in seiner jüngeren Geschichte . Die Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten ist eine große gesellschaftliche Aufgabe. Das stellt den Bund, die Länder und Kommunen und die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen . Ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und den Einsatz vieler weiterer Menschen bei den Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr, den Hilfsorgani- sationen und den Behörden vor Ort wäre dies nicht zu schaffen . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli- che Engagement zu unterstützen . Angesichts der großen Zahl von teils lange andauernden Asylverfahren ist es für die Geflüchteten selbst, aber auch für alle Beteiligten wichtig, die Verfahren zu beschleunigen . Leider müssen immer noch Hunderttausende Asylbewerberinnen und Asylbewerber Monate warten, bis sie den Antrag über- haupt stellen können . Es kommt daher jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vor- angeht, dass Asylverfahren beschleunigt und Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch eine wichtige Voraussetzung für gute Integration, damit die- jenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprach- kurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird die Handlungsfä- higkeit des Staates erwartet – sowohl von den Bürgerin- nen und Bürgern als auch von den Geflüchteten. In dem vorliegenden sogenannten Asylpaket II, dessen Hauptübereinkunft bereits am 5 . November 2015 statt- gefunden hat, kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Minderjährigenschutz in den Ein- richtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungs- zeugnisses für dort Beschäftigte sowie Helferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzen- tren“, also Massenlagern an den Grenzen, vom Tisch ist . Mir bereitet jedoch die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme . Auch wenn in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15625 (A) (C) (B) (D) der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden (2015 entfielen nur 0,6 Prozent aller Entscheidungen auf subsidiären Schutz), halte ich dies nicht für richtig . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße die Vereinbarung, dass für unbegleitete Min- derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfall- bzw . Härtefallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon- vention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach- zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor- rangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine Regelung für mehr Rechtssicher- heit und Verfahrensvereinfachungen für auszubildende Flüchtlinge und ausbildende Betriebe umgesetzt wird . Auszubildende sollen für die Dauer ihrer Ausbildung (drei Jahre) und weitere zwei Jahre danach ein Aufent- haltsrecht bekommen . Ebenso ist vereinbart, die Alters- grenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Dies dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeits- markt und damit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationspaket zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich be- grüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden zum so- genannten Asylpaket II von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er- lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Am 28 . Januar 2016 wurde bei der Ministerpräsiden- tenkonferenz zudem ein zwischen Bund und Ländern ab- gestimmtes Integrationskonzept vereinbart . Dazu wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet, die bis Ende Februar 2016 Eckpunkte und bis Ende März 2016 ein Konzept erarbeitet . Es besteht Einigkeit, dass es einer kontinuierlichen Anpassung der Regelsysteme und der Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Sprachförde- rung, Integrationskurse, Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt sowie beim Wohnungsbau, bedarf . Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Geflüchteten unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb in der Gesamtabwägung der getroffenen Vereinbarungen trotz der obengenannten schweren Bedenken dem Gesetz zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren zu . Petra Hinz (Essen) (SPD): Im zurückliegenden Jahr haben unsere Gemeinden, Kommunen und Städte über eine Million Menschen aufgenommen . Die vielen ehren- amtlichen Helferinnen und Helfer haben Großartiges für Deutschland geleistet . Die Kommunen und die ehren- amtlichen Helferinnen und Helfer tragen jeden Tag zum sozialen Frieden bei . Richtig ist aber auch, dass nach die- ser so großen Anstrengung klar ist: so viele Menschen können wir in einem Jahr nicht noch einmal aufnehmen . In dieser Geschwindigkeit überfordern wir die Kommu- nen und werden den Herausforderungen nicht gerecht . Um den Zuzug von Flüchtenden zu reduzieren, stehen deshalb die Lösung des Syrien-Konflikts und die Besei- tigung von Fluchtursachen im Zentrum der SPD Politik . Es reicht also nicht aus, nur zu sagen „Wir schaffen es“, sondern wir müssen den ehrenamtlichen Kommu- nalpolitikern und den Bürgerinnen und Bürgern sagen, wie und was wir verlässlich auf den Weg bringen . Die Kanzlerin und auch der Innenminister haben bisher die Situation nicht wirklich nachhaltig gestaltet . Der bayri- sche Ministerpräsident ist Teil der Regierung und gleich- zeitig Opposition . Es ist nicht nur die Tatsache, dass er eine Verfassungsklage anstrebt, sondern seine Politik und seine Forderungen begünstigen das Erstarken der rechten Parteien und Rechtsextremismus . Meine große Hoffnung sind die vielen zivilgesell- schaftlichen Initiativen, die sich dagegenstellen, und eine demokratische Kultur, die stark genug ist, damit sich extremistische Gedanken nicht weiter ausbreiten . Dazu aber brauchen wir eine nachhaltige Flüchtlingspolitik über alle föderalen Ebenen . In den zurückliegenden Wo- chen haben wir zahlreiche Gesetze im Deutschen Bun- destag beschlossen, die vor Ort noch nicht angekommen sind bzw . noch nicht wirken können . Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende verfolgt eine Politik, die von ihrer Union nicht getragen wird . Der Koalitionspartner ver- folgt mehrheitlich eine Politik, die Flüchtenden rauszu- halten . Wir aber müssen uns jetzt auf die Integration und auf die Unterstützung der Kommunen konzentrieren . Wir haben über lange Zeit, und das ging gerade von der Kanzlerin, vom Finanzminister und vom Innenmi- nister aus, eine Europapolitik in kurzsichtigem nationa- len Interesse Deutschlands praktiziert . Das ist der Hin- tergrund der aktuellen Situation, in der wir den Mangel an Solidarität erkennen müssen . Deswegen ist es nun so schwer, die Solidarität unserer EU-Partner zu erhalten . Richtig ist auch: Es fehlt eine moralisch-politische Auto- rität. Deswegen befinden wir uns in dieser sehr schwieri- gen, ja fast hoffnungslos scheinenden Krise . Ich bin davon überzeugt, dass eine Schließung der Grenzen Europa nachhaltig belasten würde, und andere beschreiben sogar, dass wir den europäischen Gedanken zerstören würden . Ich halte dies für eine falsche Antwort . Die Schließung der Grenzen wird es zu chaotischen Zu- ständen in Europa kommen lassen . Meiner Meinung nach Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615626 (A) (C) (B) (D) kann nur eine solidarische Aktion helfen, beispielsweise einen Hilfsfonds für die Länder aufzulegen, die in Euro- pa Flüchtlinge aufnehmen . Eine Verteilung der Flücht- linge in Europa ist ohne eine gemeinsame und solidari- sche Politik nicht möglich . Was bei den Befürwortern der Grenzschließung übersehen wird, ist: Die Flüchtenden kommen auch, wenn die Grenzen dicht sind . Wir haben das Problem lange vor uns hergeschoben, aber nun hat uns die Realität eingeholt . Es geht doch nicht um die reine Zahl . Es geht darum, wie wir den Zugang der Menschen nach Deutschland und Europa ordnen . Wir haben in den 50er-Jahren 50 Millio- nen Deutsche in Westdeutschland gehabt und 8 Millio- nen Vertriebene . Auch diese wurden nicht als wunderbare Deutsche in Empfang genommen, sondern als Fremdlin- ge angesehen . Und damals waren die Bedingungen noch viel armseliger . Kurt Schumacher sagte einst: „dass Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt“ . Haben wir tatsäch- lich unsere Wirklichkeit vergessen, was 1945 bis 1949 für Not und Elend in Deutschland herrschte?! Das tägli- che Brot war knapp, und seitdem haben Quäkerspeisen und CARE-Pakete aus den USA für die Generation mei- ner Eltern und Großeltern ein legendäres Image . Haben wir vergessen, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bis heute nach Vermissten sucht, dass Frauen ihre Männer, Männer ihre Frauen und Kinder, Kinder ihre Eltern und Angehörigen gesucht haben? Mein Vater ist als junger Erwachsener in den Krieg eingezogen worden und mit schweren Verwundungen, die sein ganzes Leben be- stimmten, nach Hause gekommen . Meine Mutter musste ihre Heimat verlassen, sie war ein Flüchtling, eine Ver- triebene . Sie hat auf der Flucht ihren kleinen Bruder ver- loren, und sie haben natürlich alles unternommen, damit sie alle wieder als Familie zusammen sein konnten . Fes- tes Schuhwerk zu haben, Holz zum Heizen, im Winter ei- nen dicken Mantel, zu essen und zu trinken war Lebens- ziel dieser Generation – haben wir dies alles vergessen? In dem Gesetz heißt es, dass diese Regelung nur für subsidiär Schutzberechtigte gilt . Im Jahr 2015 wurde 137 136 Menschen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt . Demgegenüber erhielten lediglich 1 707 Menschen sub- sidiären Schutz . Das bedeutet: Der Familiennachzug bleibt für die allermeisten Geflüchteten weiterhin mög- lich . Wenn es so ist, dann stellt sich doch die Frage: Wa- rum sollen wir einem Gesetz zustimmen, welches den angedachten Zweck verfehlt?! Wie können wir den jetzigen Flüchtenden den Wunsch auf Familienzusammenführung bzw . Familiennachzug verwehren? Wir sollen heute eine weitere unbefristete Verschärfung des Asylrechts beschließen, nur weil die CDU/CSU nicht bereit ist, ein modernes Einwanderungs- gesetz zu beschließen?! Wir brauchen jetzt eine Entscheidung über ein Ein- wanderungsgesetz, leider schiebt die Kanzlerin, aber auch die CSU, diese Entscheidung auf die lange Bank und verweist auf den Koalitionsvertrag . Mit einem Ein- wanderungsgesetz kann gesteuert werden, wie groß der Zuzug pro Jahr nach Deutschland ist . Dadurch würden die Asylverfahren tatsächlich entlastet . Darüber hinaus vermisse ich auf der EU-Ebene eine überzeugende und nachhaltige Einwanderungsstrategie . Nationale Alleingänge werden nichts bewirken . Das Asylrecht ist eine Schlussfolgerung der Völkerge- meinschaft und der „Väter und Mütter“ des Grundgeset- zes aus der Verfolgung durch den deutschen Faschismus . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksa- che 18/7538) der Koalitionsfraktionen nicht zu . Christina Jantz-Herrmann (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will- kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach- kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm- tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un- gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo- raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil- dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa- tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür- ger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa- miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege- lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragsstel- ler subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familien- nachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen für problematisch halte . Ich be- grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min- derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15627 (A) (C) (B) (D) dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin- gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück- sichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Helga Kühn-Mengel (SPD): Nachdem ich bisher allen gesetzlichen Änderungen in diesem Bereich zuge- stimmt habe, habe ich beim Asylpaket II so starke Be- denken, dass ich dem Gesetzespaket meine Zustimmung nicht geben kann . Dazu möchte ich folgende Gründe an- führen: Der Gesetzesentwurf enthält Einschränkungen beim Familiennachzug . Diese Bestimmungen halte ich für In- tegrationshemmnisse: Ein Aussetzen des Familiennach- zugs zerreißt und belastet Familien, deren Schutz laut Grundgesetz ein besonders hohes Gut ist . Das wirkt sozi- al destabilisierend und ist gegenüber Kindern und Eltern unter menschlichen und psychosozialen Aspekten eine schwer zu ertragende Härte. Als jemand, der beruflich 26 Jahre lang mit Kindern und Familien gearbeitet hat, kann ich diese Härte nicht mittragen . Es ist sehr wahrscheinlich, dass die in den Heimatlän- dern zurückgebliebenen Familienangehörigen nun ihrer- seits die gefährliche Flucht nach Europa antreten, um mit ihren Ehemännern, Ehefrauen, Müttern, Vätern und Kin- dern wieder zusammenzukommen . Die aktuellen Zahlen des UNHCR bestätigen, dass inzwischen rund 60 Pro- zent aller Flüchtlinge Frauen und Kinder sind . Deshalb ist es nicht verantwortbar, die Familien auf diese Wei- se zu trennen. Zu unterstellen, die Geflüchteten würden kollektiv ein Geschäftsmodell mit dem Familiennachzug betreiben, halte ich für unangemessen . Daneben sehe ich weitere Einschnitte in den geplan- ten Verschärfungen der Abschiebebedingungen . Diese sollen dazu dienen, dass Abschiebungen nur verhindert werden, wenn lebensbedrohliche und schwerwiegende Krankheiten vorliegen, die sich bei einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würden . Konkret heißt das, dass auch Asylbewerber abgeschoben werden sollen, bei denen eine unmittelbar lebensbedrohliche Krankheit dia- gnostiziert wurde . Die medizinische Versorgung im Ab- schiebeland gilt als theoretisch gegeben, auch wenn diese nicht vergleichbar mit der in Deutschland ist . Es reicht aus, wenn irgendwo im Herkunftsland eine „ausreichen- de“ medizinische Versorgung vorherrscht . Damit wird meines Erachtens billigend in Kauf genommen, dass es zu menschenrechtsunwürdigen Abschiebungen kommen kann . Genauso fragwürdig sind die weiteren Bestimmungen zu medizinischen Abschiebegründen . In der Begründung des Gesetzentwurfes wird verdeutlicht, dass posttrauma- tische Belastungsstörungen nicht als eine schwerwiegen- de oder lebensbedrohliche Erkrankung angesehen wer- den und somit auch kein Abschiebehindernis darstellen . Dieses pauschale Urteil ist in meinen Augen weder medi- zinisch noch politisch gerechtfertigt . Zudem soll „unver- züglich“ ein Attest eines approbierten Arztes vorgelegt werden . Eine Wartezeit zum Beispiel von zwei Wochen wird laut Begründung nicht als unverzüglich angesehen . Angesichts dessen, dass psychische und psychosomati- sche Erkrankungen kaum unverzüglich in ihrer Schwere abschließend diagnostiziert werden können und womög- lich kurzfristig kein Termin bei einem qualifizierten Arzt, also einem für das Fachgebiet zuständigen Mediziner, möglich ist, ist diese Regelung für mich nicht akzeptabel . Der Gesetzentwurf erhebt einen Eigenanteil für Asyl- bewerber für Sprach- und Integrationskurse . Dies ist neben der finanziellen Belastung ein starkes Integrati- onshemmnis, das auch von vielen Lehrkräften in diesem Bereich abgelehnt wird . Wirklich helfen würden umfangreiche Integrations- maßnahmen, wie sie die SPD nun bereits mehrfach vor- geschlagen hat. Diese finden sich im Asylpaket II leider nur als Ankündigung wieder . Meine Hoffnung ist, dass diese nun rasch und energisch umgesetzt werden, um endlich zu zeigen, dass Aufnahmebereitschaft und Inte- gration in diesem Land gelingen kann . Meiner Meinung nach werden die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen zum Großteil das erklärte Ziel einer Reduzierung der Asylbewerber in Deutschland nicht erreichen, sondern führen stattdessen in der Abwä- gung zwischen Grundrechten zu nicht gerechtfertigten Einschnitten im Asylrecht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615628 (A) (C) (B) (D) Ich halte es für sinnvoller, statt Symbolpolitik die bis- her beschlossenen Maßnahmen umzusetzen und auf der Grundlage der erhofften Wirkungen die nächsten Schritte anzugehen . Hiltrud Lotze (SPD): Tagtäglich erreichen mehrere Tausende schutzsuchende Menschen Deutschland, im gesamten Januar waren es knapp 92 000 . Es kommen Menschen, das ist Leitbild meines Handelns! Dass sie gut aufgenommen werden, ist den vielen Ehrenamtlichen zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will- kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach- kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern in den Kommunalverwaltungen, bei Wohlfahrts- verbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Probleme bereitet mir die Zustimmung zu der Rege- lung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberech- tigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr we- nige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er- hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach- zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus hu- manitären Gründen nicht für richtig halte . Die Kirchen und ihre Hilfswerke warnen vor dieser Maßnahme; ich teile diese Auffassung, weil diese Maßnahme mit christ- lichen Werten schwer vereinbar ist . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Auch gehe ich davon aus, dass auch in Zukunft nur eine sehr kleine Minderheit der Flüchtlinge subsidiären Schutz erhält . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi- ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach- zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. All das dient der Integration von geflohe- nen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrati- onsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkur- sen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . No- vember 2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er- lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Herausforderung für unser Land, aber auch eine Chance, denn aufgrund des demografischen Wandels sind wir dringend auf junge Menschen angewiesen . Ich setze mich dafür ein, dass aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kolle- gen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der obengenannten Beden- ken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylver- fahren zu . Kirsten Lühmann (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es die Auf- gabe der Bundesregierung und der sie tragenden Frak- tionen im Bundestag, sicherzustellen, dass Ordnung, Fairness und Verlässlichkeit im Verfahren und für die Menschen sichergestellt werden . Zuerst aber ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will- kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach- kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm- tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un- gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15629 (A) (C) (B) (D) Politik erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Un- ruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und die Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo- raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, umgehend durch Sprachkurse, Bil- dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa- tes erwartet und darauf haben die Bürgerinnen und Bür- ger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni- gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin- derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helfende vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Erschwerend für eine Zustimmung ist für mich die neu geschaffene Regelung zum Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten . Dieser soll für zwei Jahre ausgesetzt werden . Das gilt auch für unbegleitete Min- derjährige, die dann ohne Eltern und Familie hier zu- rechtkommen müssen . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen. Ich finde das mit christlichen Wer- ten schwer vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . In der Realität sind zwar zur Zeit nur sehr wenige Per- sonen davon betroffen – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, da- von waren nur 105 allein reisende Minderjährige –, al- lerdings sehe ich die Gefahr einer deutlichen Erhöhung dieser Zahlen durch die auch veröffentlichte Rechtsauf- fassung namhafter CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, nach der eigentlich fast alle Menschen aus Syrien nur subsidiären Schutz beanspruchen können . Wenn wir einer erheblich größeren Zahl von Flüchten- den den Familiennachzug – auch nur zeitweise – unter- sagen, würde dies meines Erachtens nicht zu weniger Flüchtenden führen, sondern eher zu mehr illegaler Einwanderung und damit zu mehr Chaos für unser po- litisches System und mehr Leiden für die Flüchtenden, denn niemand wird seine Familie jahrelang mit unbe- stimmter Perspektive in unsicheren Ländern zurücklas- sen . Die Flüchtlinge werden ihre Familien wenn nötig auf illegalem und gefährlichem Wege, zumeist über das Mittelmeer, zu uns nach Deutschland holen . Wir riskie- ren damit, dass es anstelle geordneter Asylverfahren zu unübersichtlichen und ungeordneten Verfahren kommen wird . Das kann nicht im Interesse unserer Politik sein . Tatsächlich benötigen wir Regelungen und Maßnahmen, die dazu beitragen, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren, ohne menschliches Leben zu gefährden . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Auch aufgrund der klaren Aussage des Bundesinnen- ministers in dieser Woche, dass es zu keiner deutlichen Anhebung der Zahl subsidiär Schutzbedürftiger kommen wird, und in der Erwartung der zügigen Umsetzung des oben zitierten Papiers der drei Parteivorsitzenden werde ich trotz meiner schweren Bedenken, die ich auch in wei- teren Debatten einbringen werde, dem Gesetz zur Ein- führung beschleunigter Asylverfahren zustimmen . Hilde Mattheis (SPD): Die im Gesetzentwurf vor- geschlagenen Maßnahmen werden zum Großteil das erklärte Ziel einer Reduzierung der Asylbewerber in Deutschland meiner Meinung nach nicht erreichen, sondern führen stattdessen in der Abwägung zwischen Grundrechten zu nicht gerechtfertigten Einschnitten im Asylrecht . Dies betrifft folgende Punkte: Einschränkung der Abschiebehindernisse Einschränkung des Familiennachzugs Einführung eines Eigenanteils für Sprach- und Integ- rationskurse Die geplanten Verschärfungen der Abschiebehinder- nisse sollen dazu dienen, dass Abschiebungen nur verhin- dert werden, wenn lebensbedrohliche und schwerwiegen- de Krankheiten vorliegen, die sich bei einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würden . Konkret heißt das, dass auch Asylbewerber abgeschoben werden sollen, bei denen eine unmittelbar lebensbedrohliche Krankheit dia- gnostiziert wurde . Die medizinische Versorgung im Ab- schiebeland gilt als theoretisch gegeben, auch wenn diese nicht vergleichbar mit der in Deutschland ist . Es reicht aus, wenn irgendwo im Herkunftsland eine „ausreichen- de“ medizinische Versorgung vorherrscht . Damit wird meines Erachtens billigend in Kauf genommen, dass es zu grund- und menschenrechtsunwürdigen Abschiebun- gen kommen kann . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615630 (A) (C) (B) (D) Genauso fragwürdig sind die weiteren Bestimmungen zu medizinischen Abschiebegründen . In der Begründung des Gesetzentwurfes wird verdeutlicht, dass posttrauma- tische Belastungsstörungen nicht als eine schwerwie- gende oder lebensbedrohliche Erkrankung – und somit auch kein Abschiebegrund – angesehen werden . Dieses pauschale Urteil ist weder medizinisch noch politisch ge- rechtfertigt . Zudem soll „unverzüglich“ ein Attest eines approbierten Arztes vorlegt werden . Eine Wartezeit zum Beispiel von zwei Wochen wird laut Begründung nicht als unverzüglich angesehen . Angesichts dessen, dass psychische und psychosomatische Erkrankungen kaum unverzüglich in ihrer Schwere abschließend diagnos- tiziert werden können und womöglich kurzfristig kein Termin bei einem qualifizierten Arzt, also einem für das Fachgebiet zuständigen Mediziner, möglich ist, ist diese Regelung für mich nicht akzeptabel . Des Weiteren enthält der Gesetzentwurf Einschrän- kungen beim Familiennachzug und erhebt einen Eigenan- teil für Asylbewerber für Sprach- und Integrationskurse . Diese Bestimmungen sind Integrationshemmnisse . Ein Aussetzen des Familiennachzugs zerreißt Familien, de- ren Schutz laut Grundgesetz ein besonders hohes Gut ist, es wirkt sozial destabilisierend ist schlicht unmenschlich gegenüber Kindern und Eltern . Zumal ist es sehr wahr- scheinlich, dass die in den Heimatländern zurückgeblie- benen Familienangehörigen nun ihrerseits die gefährliche Flucht nach Europa antreten, um mit ihren Ehemännern, -frauen, Müttern, Vätern und Kindern vereint zu sein . Die aktuellen Zahlen des UNHCR bestätigen, dass in- zwischen rund 60 Prozent aller Flüchtlinge Frauen und Kinder sind . Es ist nicht verantwortbar, die Familien auf diese Weise zu trennen. Zu unterstellen, die Geflüchteten würden kollektiv ein Geschäftsmodell mit dem Familien- nachzug betreiben, halte ich für zynisch . Statt die bisher beschlossenen Maßnahmen umzuset- zen und deren Wirkung abzuwarten, wird mit dem Asyl- paket II versucht, politisches Handeln zu demonstrieren . Wirklich helfen würden umfangreiche Integrations- maßnahmen, wie sie die SPD nun bereits mehrfach vor- geschlagen hat. Diese finden sich im Asylpaket II leider nur als Ankündigung wieder . Meine Hoffnung ist, dass diese nun rasch und energisch umgesetzt werden, um endlich zu zeigen, dass Aufnahmebereitschaft und Inte- gration in diesem Land gelingen kann . Daher kann ich dem Asylpaket II nicht zustimmen . Ulli Nissen (SPD): Heute entscheidet der Deutsche Bundestag über ein Gesetz, an dem es erhebliche Kri- tikpunkte von Menschenrechtsverbänden gibt, die ich teile . Im Mittelpunkt der Kritik steht der Familiennach- zug . Aber auch die Bestimmungen zum Gewaltschutz für Frauen und Kinder sind unzureichend . Darüber hinaus kann es durch die Neuregelung zu medizinischen Ab- schiebungshindernissen zu grund- und menschenrechts- widrigen Abschiebungen kommen . Einschränkungen beim Familiennachzug . Der Ge- setzentwurf sieht Verschärfungen beim grund- und men- schenrechtlich verbrieften Schutz des Familienlebens vor: So soll der Familiennachzug für subsidiär Schutz- berechtigte für einen Zeitraum von zwei Jahren ausge- setzt werden . – Das Recht auf Familienleben ist nicht nur im Grundgesetz, sondern auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und zahlreichen weiteren Menschenrechtskonventionen verbrieft, wie etwa der UN-Flüchtlingskonvention . Die Verschärfungen beim Familiennachzug verstoßen gegen dieses verbriefte Recht . Die Bestimmungen zum Gewaltschutz sind unzurei- chend: Gewalt gegen Frauen und Kinder in Flüchtlings- unterkünften wird befördert durch die Rahmenbedin- gungen der Unterbringung . Enge, fehlende Privatsphäre, Bewegungseinschränkungen und Stress führen zu Aus- einandersetzungen . Hinzu kommt Partnergewalt . Es ist daher dringend notwendig, dass in Deutschland die EU-Aufnahmerichtlinie umgesetzt wird . Dazu liegen Untersuchungen und Empfehlungen für Maßnahmen vor, die die Verpflichtung aus Artikel 18 Absatz 4 der EU-Aufnahmerichtlinie, geschlechtsspezifische Gewalt, sexuelle Belästigungen und Übergriffe zu verhindern, umsetzen . Bauliche Maßnahmen wie abschließbare und getrennte sanitäre Anlagen, abschließbare Zimmer, Schutzräume für Kinder und Frauen in den Unterkünften sollten Standard sein . Der Kinderschutzbeauftragte emp- fiehlt darüber hinaus die Benennung von Ansprechperso- nen und einen Notfallplan für den Verdachtsfall . Es ist möglich, diese Mindeststandards gesetzlich zu definieren, insbesondere im Hinblick auf die besonderen Aufnahmeeinrichtungen für beschleunigte Asylverfah- ren . Das ist leider mit dem Gesetzentwurf zur Einführung beschleunigter Asylverfahren nicht geschehen, obwohl das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Kin- derschutzbeauftragte der Bundesregierung hier dringen- de Nachbesserungen angemahnt hatten . Hinzu kommt, dass die im Gesetzentwurf vorgeschla- gene Regelung zur Vorlage eines erweiterten Führungs- zeugnisses eine Sollvorschrift ist . Hier brauchen wir dringend eine Mussvorschrift . Kinderschutz muss auch bei geflüchteten Kindern voll angewandt werden. Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen müssen bei Abschiebungen möglich sein . Schutz vor Abschie- bung liegt nach dem Gesetzentwurf nur bei lebensbe- drohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden . Allein die Tatsache einer „lebensbedrohlichen“ Erkrankung reicht demnach nicht aus, um Abschiebe- schutz zu erhalten . Zusätzlich ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass ärztliche Bescheinigungen über eine Erkrankung unter Umständen keine Beachtung bei behördlichen Entschei- dungen über Abschiebeschutz finden dürfen, wenn diese nicht zeitgerecht vorgelegt werden . Behördliche Ermes- sensspielräume gibt es nicht mehr . Mit dieser Regelung wird in Kauf genommen, dass es zu grund- und men- schenrechtswidrigen Abschiebungen kommen kann . Das lehne ich ab . Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass es nicht nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Er- krankungen einen Abschiebestopp geben muss, sondern auch zum Beispiel bei Schwangerschaft . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15631 (A) (C) (B) (D) All diese Gründe wären ausreichend gewesen, um mit Nein zu stimmen . Ich werde mich jedoch bei der Abstim- mung über das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren enthalten, weil ich nicht gegen einen Ge- setzentwurf stimmen möchte, den CDU/CSU und SPD gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht haben . In meinem bisherigen Abstimmungsverhalten habe ich bis auf eine Ausnahme stets die Große Koaliti- on unterstützt, in diesem Fall aber weicht mein Abstim- mungsverhalten ab, weil ich die Europäische Menschen- rechtskonvention und unser Grundgesetz für wichtige demokratische Errungenschaften halte, die nicht einge- schränkt werden dürfen . Markus Paschke (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati- onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun- gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli- che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An- kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver- einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Wichtig war mir insbesondere die Zusage des Bundes- innenministers de Maiziere, die bisherige Anerkennungs- praxis und die Kriterien für die Gewährung von Asyl und Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zu ändern . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Martin Patzelt (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren am heu- tigen Tag zu, da ich die Intention des Gesetzentwurfs teile, die Asylverfahren zu beschleunigen, den Schutz von Minderjährigen in Aufnahmeeinrichtungen und Ge- meinschaftsunterkünften zu verbessern und den Bezug Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615632 (A) (C) (B) (D) von Leistungen mit der Registrierung der Asylsuchenden zu verknüpfen . Auch die Aussetzung des Familiennach- zuges ist vertretbar und unter der Berücksichtigung der praktischen Erfahrungen mit kriminellen Schleuserban- den kaum vermeidbar . Große Bedenken habe ich allerdings gegen den Zeit- punkt des Inkrafttretens der veränderten Regelungen des Familiennachzuges für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge . Die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Form führt dazu, dass der Familiennachzug auch bei denjenigen Minderjährigen eingeschränkt wird, die die Flucht aus dem Heimatland im Vertrauen auf die damals geltenden Regelungen zum Familiennachzug begonnen haben . Der Familiennachzug hängt nun von vielen Zufäl- ligkeiten ab, etwa dem Zeitpunkt der Einreichung des Asylantrags durch den Vormund oder Jugendamtsmit- arbeiter und Unwägbarkeiten bei der Bearbeitung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (zum Beispiel aufgrund krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenhei- ten) . Nicht nur für die jungen Menschen hat dies erheb- liche psychologische Folgen: Wenn sie ständig in Angst um ihre Familie leben müssen, ist eine Integration kaum möglich, und die Verweigerung einer Perspektive für den Familiennachzug der Eltern wird viele der Eltern selbst zur Flucht veranlassen . Eltern in den eigentlichen Kriegsgebieten besitzen ei- nen eigenen Anspruch auf Schutz und machen sich jetzt wieder selbst mit kleinen Kindern auf den gefährlichen Weg . Bereits jetzt sind erstmals seit Beginn der Flücht- lingskrise im Sommer 2015 mehr Frauen und Kinder auf dem Weg nach Europa als Männer . Im Vergleich zur Si- tuation vor einem halben Jahr hat sich der Anteil der Kin- der verdreifacht . Bei der Flucht über das Mittelmeer sind allein im Januar 368 Menschen ums Leben gekommen, darunter viele Kinder . Es wäre deshalb sachgerecht, wenn das Aussetzen des Familiennachzuges an den Tag der Einreise geknüpft und damit erst für künftige Einreisen wirksam wird . Dr. Simone Raatz (SPD): Tagtäglich begegnen mir Menschen aus Syrien, Nordafrika oder dem Balkan, die bei uns in Deutschland Schutz suchen . Alle tragen eine Bürde mit sich: die Bürde, ihre Heimat, Freunde, Fami- lie, Haus – schlicht ihr bisheriges Leben – verlassen zu haben . Bei diesen Begegnungen treffe ich Menschen, die sich ein neues Leben wünschen . Dafür gibt es verschie- dene Gründe . Manche haben ihr Zuhause wegen Krieg verlassen, andere aus wirtschaftlicher Not . Sie alle ver- bindet die Angst um ihr eigenes Überleben und das ihrer Angehörigen, Freunde und früheren Nachbarn . Ich erle- be Menschen, die sich seit vielen Monaten ehrenamtlich engagieren, um denen, die zu uns kommen, zu helfen . Ih- nen ist es egal, woher die Menschen kommen . Dieses En- gagement war in der Vergangenheit so nicht gefragt und daher eher selten, doch jetzt ist das anders und zeigt mir, dass es die gesellschaftliche Wärme noch immer gibt . Gleichzeitig kommen zu mir Menschen, die Angst da- vor haben, was gerade passiert . Es sind Menschen, die sich um ihre eigene Existenz Sorgen machen und be- fürchten, ihnen würde etwas weggenommen . Sie haben in den vergangenen Jahren ihre eigenen Erfahrungen mit Politik gemacht . Immer wieder wurde von „Gürtel enger schnallen“ gesprochen . Auch die Sozialdemokratie hat ihnen gesagt, man könne sich den Sozialstaat in der Form nicht mehr leisten . Und mir begegnen Menschen, die politische Verant- wortung in unseren Kommunen tragen und berichten, dass sie nicht wissen, wie sie auf die Schnelle ausrei- chend Kitaplätze und Klassenzimmer bereitstellen sol- len . Es sind Menschen, die über kommunale Haushalte beschließen müssen und die die Aufgabe haben, Voraus- setzungen zu schaffen, damit Integration in die Gesell- schaft und das Arbeitsleben gelingen kann . Zwischen all diesen unterschiedlichen Gruppen müs- sen wir als Politik vermitteln – das ist im Moment schwer genug – und Antworten auf die drängenden Fragen fin- den . Hinzu kommen Wertvorstellungen, die uns einen, gelegentlich aber auch deutlich unterscheiden . Für mich ist die Abstimmung zum sogenannten Asylpaket II äu- ßerst schwierig . Einerseits ist es mir wichtig, den Staat in eine aktivere Rolle zu bringen und wieder zum aktiven Gestalten zu bekommen . Es muss eine Politik gemacht werden, die agiert, statt immer nur zu reagieren . Daher freue ich mich zunächst, dass es nun endlich verbindliche Regeln für ein längeres Aufenthaltsrecht während und nach einer Ausbildung gibt und wir Stück für Stück zu einer Strategie kommen, die über die schnelle Registrie- rung, dezentrale Unterbringung, Bildung und Ausbildung bis hin zur Arbeitsaufnahme zu einer wirklichen Integra- tion führt . Es ist nach wie vor richtig, dass wir dringend Maßnah- men zur Beseitigung von Fluchtursachen ergreifen müs- sen . Andererseits kann es keine Lösung sein, faktisch un- sichere Staaten als sicher zu erklären, weil eine verrückte Menge auf der Domplatte in Köln den Ruf von Millionen anderer Flüchtlinge beschädigt . Ich halte es für wichtig, dass Staaten, in denen man sicher leben kann, auch zu si- cheren Herkunftsstaaten erklärt werden . Das ist aber bei den Staaten Nordafrikas nur bedingt der Fall . Es ist für mich ein falscher Schritt, das Zusammen- führen von Familien zu verhindern, um die Zahl der Ge- flüchteten in unserem Land zu senken. Gerade mit Blick auf die Menschen aus den Krisenregionen der Erde ist es wichtig, traumatische Erlebnisse mit den Angehörigen gemeinsam zu verarbeiten . Daher kann ich den Ansatz dieser Maßnahme nicht unterstützen . Die Beteiligung an den Kosten für Sprach- und Inte- grationskurse ist nicht zielführend . In Mittelsachsen erlebe ich, dass nur ein geringer Teil der Flüchtlinge regelmäßig an den Kursen teilnimmt . Dafür gibt es un- terschiedliche Gründe . Zum einen gibt es nicht genug Angebote, zum anderen scheint es keinen ausreichenden Anreiz zum Spracherwerb zu geben . Viele, die sich für Kurse anmelden, bleiben nach wenigen Sitzungen fern . Gerade unsere ehrenamtlichen Sprachlehrer klagen darü- ber und verlieren zunehmend ihre Motivation . Es gelingt uns momentan noch nicht ausreichend, zu vermitteln, dass der Spracherwerb für die Arbeitsaufnahme und die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15633 (A) (C) (B) (D) Integration sehr wichtig ist . Besonders in Gemeinschafts- unterkünften, wo die Kommunikation unter den Bewoh- nern ausreicht, den Alltag zu bestreiten, ist es schwierig, zu vermitteln, dass das Erlernen der deutschen Sprache wichtig ist . Daher denke ich nicht, dass die Erhebung von Gebühren für Sprachkurse der richtige Weg ist, um die Menschen zu motivieren, Sprachkurse regelmäßig zu besuchen . Das Asylpaket beinhaltet allerdings auch Ansatz- punkte, die ich als wichtig empfinde. So soll jetzt sicher- gestellt werden, dass Kinder in den Flüchtlingsunterkünf- ten besser vor möglichen Übergriffen geschützt werden . Alle Personen, die sich in den Aufnahmezentren und Unterkünften um die Beaufsichtigung, Betreuung oder Ausbildung minderjähriger Migranten kümmern, müssen künftig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen . Doch nach Abwägung aller genannten Argumente und nach einem langen Abwägungsprozess habe ich mich dazu entschieden, dem Gesetzesvorhaben nicht zuzu- stimmen . Mechthild Rawert (SPD): Als Mitglied des den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ mitberatenden Gesundheitsausschusses nehme ich aus gesundheitspolitischer Sicht Stellung zum obigen Gesetzentwurf . Ich stimme mit Nein . Der vorliegende Gesetzentwurf erfährt aus gesund- heitspolitischer Sicht erhebliche Kritik vonseiten der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkam- mer und der Diakonie Deutschland . Er enthält erhebliche qualitative und zeitliche Einschränkungen bei der Glaub- haftmachung krankheitsbedingter Abschiebungshinder- nisse (unverzügliche Vorlage der Bescheinigung allein von approbierten Ärztinnen und Ärzten) und beim Zu- gang zur medizinischen Versorgung im Zielstaat . Für mich ist klar, Ärztinnen und Ärzte müssen auch bei einem beschleunigten Verfahren ausreichend Zeit haben, Asylbegehrende auf körperliche und seelische Krankheiten hin zu untersuchen und diese im begrün- deten Fall geltend zu machen . Ob Erkrankungen bereits in ihrem Heimatland bestanden oder erst auf der Flucht bzw . in Deutschland aufgetreten sind, ist aus ärztlicher Sicht unerheblich . Für medizinische Gutachten, Stel- lungnahmen und Untersuchungen von Geflüchteten und Asylsuchenden in aufenthaltsrechtlichen Verfahren und vor der Abschiebung sind ausschließlich Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu beauftragen, die über eine entsprechende Qualifikati- on verfügen . Lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkran- kungen können auch psychische Krankheiten sein . Die EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, die mit Frist zum Juni 2015 von allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollte, enthält in Kapitel IV Bestimmungen für schutzbedürftige Personen . Nach Artikel 21 der Richt- linie haben die Mitgliedstaaten die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen, wie beispielsweise Menschen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere For- men psychischer, physischer oder sexueller Gewalt er- litten haben, zu berücksichtigen . Die Richtlinie ist in Deutschland bisher nicht in nationales Recht umgesetzt worden . Nur mit der Umsetzung der EU-Aufnahmericht- linie kann den medizinischen und psychologischen Be- dürfnissen besonders schutzbedürftiger Geflüchteter und Asylbegehrender zu allen Zeitpunkten ihres Aufenthaltes in Deutschland Rechnung getragen werden . Es bedarf verpflichtender Gewaltschutzkonzepte für Betreiberin- nen und Betreiber von Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften . Ein Abschiebungsverbot bei drohender Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen soll nicht mehr gelten, wenn eine ausreichende medizinische Ver- sorgung nur in einem Teil des Zielstaats der Abschiebung gewährleistet ist . Die geplante Regelung widerspricht jedoch der Rechtsprechung, nach der es bei der Beur- teilung der schwerwiegenden Gesundheitsgefahr auf die Zugangsmöglichkeit im jeweiligen Einzelfall ankommt und nicht pauschal der Zugang zu ausreichender Versor- gung angenommen werden kann . Bei ausreisepflichtigen Personen, insbesondere abge- lehnten Asylantragstellerinnen und Asylantragstellern, wird eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass der Gesundheitszustand einer Abschiebung grundsätzlich nicht entgegensteht . Der Generalverdacht, dass diese Personen ihre Symptome lediglich vortäuschen, um nicht abgeschoben zu werden, ist empirisch nicht belegt . Dies gilt insbesondere für psychische Erkrankungen – vor al- lem für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) . Psychische Erkrankungen sind aber als schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankungen zu berücksichti- gen . In der Herkunftsregion, wo das Trauma gesetzt wur- de, gibt es in der Regel keine Voraussetzungen für eine erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung . Die S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung legt zudem dar, dass eine traumaspezifische Psychotherapie nicht allein durch eine Psychopharmakotherapie ersetzt werden kann . Zudem muss eine angemessene psychiatri- sche und psychotherapeutische Begutachtung von Asyl- suchenden gewährleistet sein . Die Einschränkung, dass eine medizinische Versorgung auch dann vorliegt, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist, muss dahin gehend präzisiert werden, dass das Erlangen der medizinischen Versorgung im konkreten Einzelfall realistisch möglich sein muss . Laut der geplanten Regelung soll künftig nur noch ein „qualifiziertes ärztliches Attest“ zu einer „Beeinträchti- gung“ der Abschiebung führen können . Es ist sachlich nicht nachvollziehbar, warum ein Attest nur durch einen approbierten Arzt oder Ärztin vorgelegt werden darf . Dies verstößt außerdem gegen das Psychotherapeuten- gesetz, welches die statusmäßige Gleichstellung von Psychologinnen und Psychologen und Psychotherapeu- tinnen und Psychotherapeuten mit den ärztlichen Berufs- gruppen vorsieht . Für die Bescheinigung psychischer Erkrankungen sollte allein fachlich spezialisiertes Perso- nal wie ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychothe- rapeuten, Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Fachärztinnen und Fachärzte Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615634 (A) (C) (B) (D) für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder psychologische Psychotherapeutinnen und Psychothera- peuten zugelassen werden . Ohne Sprachverständigung wird es regelhaft nicht möglich sein, eine ärztliche Bescheinigung nach den im Gesetzentwurf genannten Kriterien zu erstellen . Zur Erstellung einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung müssen qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher oder Dolmetscherdienste in ausreichender Zahl zur Ver- fügung stehen . Zudem muss gewährleistet sein, dass Ärztinnen und Ärzte auch im beschleunigten Verfahren ausreichend Zeit für das Ausstellen einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung zur Verfügung steht . Die Anforderung, eine Bescheinigung einer Posttrau- matischen Belastungsstörung (PTBS) unverzüglich nach der Abschiebungsandrohung vorzulegen, widerspricht Erkenntnissen der Wissenschaft, wonach eine PTBS teil- weise erst nach erheblichen Zeiträumen erkannt werden kann . Wird ein Gutachten nicht unmittelbar nach Erhalt der Abschiebungsandrohung vorgelegt, soll es keine Be- rücksichtigung mehr finden können. Dies ist nicht sachge- recht, insbesondere ist bei den geplanten beschleunigten Verfahren eine Berücksichtigung von Abschiebungshin- dernissen bei einer gesamten Verfahrensdauer innerhalb von zwei Wochen nahezu ausgeschlossen . In der Flüchtlingshilfe wurden aufgrund der unzurei- chenden Versorgung von Geflüchteten im gesundheitli- chen Regelsystem psychosoziale Zentren aufgebaut, da sie trotz dringender Behandlungsbedürftigkeit teilweise als Leistungsbeziehende nach dem Asylbewerberleis- tungsgesetz keinen Zugang zur Regelgesundheitsver- sorgung haben . Hier bestehen regelmäßig Wartezeiten von einem halben Jahr, teilweise von über einem Jahr . Aufgrund dieser Überlastung ist es umso schwieriger, zeitnah Gutachten zu erstellen, die eine Aussetzung der Abschiebung bewirken könnten . Petra Rode-Bosse (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommt, ist es mir wich- tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medi- zinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkur- se anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm- tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un- gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo- raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil- dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa- tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür- ger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helfer und Helferinnen vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa- miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsi- diären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitä- ren Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfin- den wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinder- rechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15635 (A) (C) (B) (D) auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten Beden- ken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asyl- verfahren zu . Dr. Martin Rosemann (SPD): Angesichts der gro- ßen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will- kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach- kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm- tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un- gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo- raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil- dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa- tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür- ger ein Anrecht . Das vorliegende „Asylpaket II“ ist ein Kompromiss . Für wesentlich halte ich diejenigen Punkte, mit denen Verfahren beschleunigt werden und die Registrierung verbessert wird . Wichtig ist auch die Verbesserung des Kinderschutzes in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer . Insbesondere begrüße ich, dass durch die jetzt gefundenen Regelungen der unsinnige und inhuma- ne Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Die Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, halte ich für fragwürdig, zumal diese Regelung auch für unbe- gleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Allerdings betrifft sie lediglich eine kleine Zahl von Flüchtlingen . Ich begrüße in diesem Zusammenhang, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi- ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach- zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist auch eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wan- del dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Über 50 Prozent sind unter 25 Jahren, 70 Prozent sind unter 35 Jahren, mehr als ein Viertel sind Kinder . Jetzt gilt es, die notwendigen Investitionen dafür zu tätigen, aus mög- lichst vielen von ihnen die Fachkräfte von morgen zu machen . Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flücht- lingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz einiger Bedenken in Ein- zelpunkten dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss zwischen den Koali- tionsparteien . Die SPD konnte den Ursprungsentwurf in wesentlichen Bereichen verbessern . Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha- ben uns in wichtigen Punkten durchgesetzt . Es wird kei- ne „Transitzonen“ an deutschen Grenzen geben . Damit verhindern wir, dass Menschen unter Haftbedingungen auf ihr Verfahren warten müssen . Stattdessen werden wir dezentrale Registrierzentren einrichten, die nötig sind, um ein effektives Verfahren für die Asylsuchenden durchführen zu können . Wir werden für verschiedene Gruppen die Verfahren beschleunigen . Über den Asylantrag entscheidet zu- künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) innerhalb von einer Woche, Rechtsbehelfsver- fahren sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615636 (A) (C) (B) (D) Grundsätzlich ist der Familiennachzug bei Flüchtlin- gen eine wichtige Maßnahme zur Integration und eine Frage der Humanität . Die jetzt verabredete zeitlich be- fristete Einschränkung des Familiennachzugs für Flücht- linge mit nicht langfristiger Bleibeperspektive darf nun nicht im Gegenzug dazu führen, dass die Vergabe der subsidiären Schutzbedürftigkeit ausgedehnt wird . Ich vertraue hier auf das Wort des Bundesinnenministers, das er der SPD-Bundestagsfraktion am 23 . Februar 2016 zum Verfahren und Vorgehen seiner Person gegeben hat . Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dieser Regelung zugestimmt, weil der Familiennachzug auf zwei Jahre befristet ausgesetzt wird und ansonsten der gesamte Kompromiss mit der CDU/CSU in Frage ge- standen hätte . Ich gehe davon aus, dass der Elternnach- zug zu minderjährigen Flüchtlingen möglich bleibt und in jedem Einzelfall geprüft wird . Eine gute Maßnahme stellt die Pflicht zur Vorlage ei- nes erweiterten Führungszeugnisses bei Beschäftigung oder regelmäßig Engagierten in einer Flüchtlingsunter- kunft dar . Das kann jedoch nur ein Baustein eines umfas- senden Schutzkonzeptes sein . Bedauerlicherweise sind keine weiteren bindenden Schutzbestimmungen vorgese- hen . Die Länder werden nun noch weitere Maßnahmen folgen lassen . Ich will zusätzlich darauf hinwirken, dass auch der Bund sein Schutzkonzept erweitert . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Nach den Asylpaketen muss es jetzt darum gehen, ei- nen umfassenden Integrationsplan zu erarbeiten . Daher begrüße ich, dass jetzt in Abstimmung zwischen den Mi- nisterien Maßnahmen für ein Integrationsgesetz erarbei- tet werden . Dazu gehören unter anderem auch ein aus- reichendes Angebot von Integrationskursen, aber auch Investitionen in Schule, Kitas und den Wohnungsbau sowie Erleichterungen für den Zugang auf den Arbeits- markt . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 fest- gehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er- lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ In Abwägung und Bewertung dieser Sachverhalte stimme ich dem Gesamtpaket zu . Ein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und eh- renamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkursen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaßnahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen . Annette Sawade (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati- onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun- gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli- che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An- kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver- einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15637 (A) (C) (B) (D) land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Deshalb ist es dringend erforderlich, über die bereits genannten Verbesserungen der Integration hinaus weite- re konstruktive und vor allem schnell umsetzbare Inte- grationsmaßnahmen rasch und mit weniger Bürokratie umzusetzen . Der Zwölf-Punkte-Plan vom 1 . Dezember 2015 der SPD-Politikerinnen Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Andrea Nahles, Barbara Hendricks und Aydan Özoğuz ist ein erster Schritt, dem konkrete Vorgaben fol- gen müssen . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Dr. Nina Scheer (SPD): Den heutigen Entscheidun- gen zum Asylpaket II kann ich mich in vielen Punkten nicht anschließen . So halte ich es sowohl aus humanitä- ren als auch integrationsspezifischen Gründen prinzipiell für verfehlt, den Familiennachzug zu subsidiär Geschütz- ten auszusetzen . Ferner vermisse ich in den betreffenden Neuerungen über zu beschleunigende Verfahren, dass Aufklärung und Informationen über Rechtsschutz si- chergestellt werden . Zudem halte ich den Umgang mit psychisch Erkrankten für verfehlt . Die betreffenden Re- gelungen setzen meines Erachtens eine zu große Hürde, um Menschen mit Traumata in einer human vertretbaren Weise gerecht zu werden . Bereits die genannten Fragen wären für mich Grund, den vorliegenden Gesetzesänderungen nicht zuzustim- men . Die Neuregelungen enthalten allerdings auch Maß- nahmen, die meines Erachtens im Gesamtgefüge drin- gend erforderlich sind . Hierzu zählen Regelungen über in Aufnahmeeinrichtungen zu beschäftigende Personen, die deren Rechtstreue gewährleisten, auch um das Risiko von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige zu reduzie- ren. Zudem erachte ich es für sinnvoll, die Identifizierung von Flüchtlingen besser zu gewährleisten und besser zu koordinieren . In einer Abwägung käme ich nach meiner rein per- sönlichen Überzeugung mit Blick auf die Punkte, die ich für sich genommen für nicht vertretbar halte, zu einer Ablehnung . Eine solche Abwägung entspräche meiner sozialdemokratischen, humanistischen sowie einer auf die Ordnungsstrukturen unseres Rechtsstaates bedachten Grundhaltung . Eine solche Abwägung ließe aber das demokratische Gestaltungsgefüge und eine politische Gesamtbetrach- tung außer Acht . Eine Entscheidung innerhalb einer Koa- lition setzt immer auch die Bereitschaft für eine Einigung beider Seiten voraus . In der Asyl- und Flüchtlingspoli- tik sind die Grundhaltungen der Koalitionspartner sehr unterschiedlich . Dies verunmöglicht geradezu eine ge- meinsame Haltung und gesetzliche Fortentwicklung des betreffenden Rechtsrahmens – und dies in einer für die Stabilität unseres Landes so zentralen Frage . Eben dies spiegelt sich auch im Asylpaket II wider . Insofern muss auch die eigene Erwartung an asylgesetzliche Regelun- gen die gegebenen divergierenden Grundhaltungen ein- beziehen . Somit muss auch erkannt werden: Die vorliegenden Regelungen enthalten nicht die Einrichtung von Transit- zonen . Sie enthalten auch keine Festlegung von Ober- grenzen . Sie enthalten ferner nicht ein Aussetzen des Fa- miliennachzuges für Bürgerkriegsflüchtlinge. Angesichts der gesamtpolitischen Bedeutung der be- treffenden Fragen erkenne ich in Bezug auf die anstehen- den Entscheidungen in einem Nein oder einer Enthaltung in der gegenwärtigen Situation zugleich eine Einfallstür für Vorhalte von Populisten und volksverhetzenden Stim- men . Uneinigkeit in den Asyl- und Flüchtlingsfragen wird von Rechtspopulisten instrumentalisiert, um die Regierungsfähigkeit der Bundeskanzlerin und der Regie- rungskoalition infrage zu stellen und auf dem Wege der Angstmacherei Stimmen zu gewinnen . Zu Ende gedacht können in ebendieser Uneinigkeit Mandate der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen liegen oder aber im Bundestag, sollte es über einen Bruch der Großen Koali- tion zu Neuwahlen kommen . Dies muss in der gegenwär- tigen Situation insbesondere mit Blick auf die gesamteu- ropäische Perspektive vermieden werden . Mein Ja ist kein Ja zum Asylpaket II . Mein Ja ist von der Erwägung getragen, welche politische Folge ein Nein oder eine Enthaltung meiner Fraktion in letzter Konse- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615638 (A) (C) (B) (D) quenz mit Blick auf das derzeitige – auch europäische – Gesamtgefüge nach sich zöge . Ein Nein im Vertrauen darauf, dass meine Fraktion dies mit mehr Jastimmen ausgleicht, ist dabei wohlgemerkt für mich und mein Po- litikverständnis kein gangbarer Weg . Udo Schiefner (SPD): In der aktuellen Situation kommt es darauf an, dass die Registrierung ankom- mender Flüchtlinge schnell geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert wer- den . Schnellere Verfahren sind Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Aus dem vorliegenden „Asylpaket II“ ist wichtig, jetzt schnell die Punkte durchzusetzen, die die Verfahren be- schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei- nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorsehen . Große Probleme hingegen habe ich mit der Zustim- mung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsi- diär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, zu- mal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Das ist ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen für nicht richtig halte . Ich begrüße aber, dass vereinbart wurde, dass für un- begleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Ein- zelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon- vention angewandt wird . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingen- te für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück- sichtigt werden soll . Positiv sehe ich zudem die zwischen den Koalitions- partnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umge- setzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijäh- rige Ausbildung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeits- markt und damit in unsere Gesellschaft . Ich stimme trotz meiner benannten Bedenken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu . Die wichtigen und jetzt notwendigen Schritte überwie- gen die zu kritisierenden am gefundenen Kompromiss . Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Angesichts der gro- ßen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will- kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach- kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch den Hauptamtlichen in kommu- nalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuer- wehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich ein- setzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Men- schen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik erwartet, die Arbeit vor Ort in den Kommunen und das zivilgesellschaftli- che Engagement zu unterstützen und nicht durch weite- re neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Dringender denn je kommt es jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig geschieht, dass die Bearbeitung von Asylverfahren beschleunigt wird und die Verfahrensabläufe vor allem optimiert werden . Schnellere Verfahren sind die beste Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben kön- nen, zeitnah durch Sprachkurse, Bildungs- und Ausbil- dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird von den Bürgerinnen und Bürgern zu Recht die Handlungsfähigkeit des Staates er- wartet . In dem nun vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be- schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei- nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzen- tren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Große Probleme bereitet mir jedoch die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidi- är Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen . Denn diese Regelung soll auch für unbegleitete minderjäh- rige Flüchtlinge gelten . Auch wenn in der Realität ins- gesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der bereits ent- schiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und es fan- den nur 105 Fälle von Familiennachzug statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen absolut nicht für richtig halte und für mich mit meinen christli- chen Werten nicht vereinbar ist . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke, die vor dieser Maßnahme warnen, nehme ich hierbei sehr ernst . Ich gehe fest da- von aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße die Vereinbarung, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird . Ich setze ebenso darauf, dass hierbei die UN-Kin- derrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt wer- den dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Denn unser Staat hat sich per Grundgesetz dazu verpflichtet, Familien zu fördern, und nicht, Familien zu verhindern . Vielleicht wird ein Familiennachzug kurzfristig zu einer Belastung führen . Langfristig wird er aber die Integration ganz sicher deutlich erleichtern . Ich bin der festen Über- zeugung, dass ein legaler Familiennachzug vor allem ein Zeichen der Mitmenschlichkeit gegenüber Menschen in großer Not ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15639 (A) (C) (B) (D) Sehr positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspart- nern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umge- setzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijäh- rige Ausbildung absolvieren, danach ein zweijähriges Bleiberecht erhalten . Ebenso ist vereinbart, die Alters- grenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Inte- gration von geflohenen jungen Menschen in unseren Ar- beitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt umgehend und vorrangig ein förderndes und forderndes Integrationsgesetz zur Verbesserung des Zu- gangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Dies schafft so- ziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebens- unterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land und unsere Kommunen, die durch den demogra- fischen Wandel dringend auf junge Menschen angewie- sen sind . Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flücht- lingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme, trotz der oben genannten für mich schwer- wiegenden Bedenken, dem Gesetz zur Einführung be- schleunigter Asylverfahren zu . Stefan Schwartze (SPD): Die große Zahl an Hilfe- suchenden, die vor Krieg, Unterdrückung und Vertrei- bung zu uns nach Europa flüchten, stellt unser Land vor eine der größten Herausforderungen, die wir bisher in der Bundesrepublik Deutschland zu bewältigen haben . Seit Wochen und Monaten ist sowohl die Außen- als auch die Innenpolitik aktiv tätig, um die Situation zu entspannen . Manche Entscheidung wirkt sofort und bringt messbaren Erfolg, andere Maßnahmen wirken verzögert und sind nicht unmittelbar sichtbar, wieder andere Handlungen werden erst in Monaten oder Jahren ihre volle Wirkung entfalten . Außenpolitisch werden Maßnahmen in Zusammen- arbeit mit der Türkei zur Sicherung der EU-Außengren- zen ergriffen, um einen Rückgang der Flüchtlingszahlen zu erreichen . Erst dann können wir die Aufnahme von Flüchtlingen durch Kontingente steuern . Ganz wesent- lich sind die unermüdlichen Bemühungen von Frank- Walter Steinmeier, zu einer Waffenruhe in Syrien zu kommen . Der andauernde Einsatz zur Verbesserung der Lebenssituation in den Flüchtlingslagern ist ein weiterer Schritt zur Bekämpfung der Fluchtursachen . Innenpolitisch erweitern wir mit dem Gesetz zur Ein- führung beschleunigter Asylverfahren Maßnahmen mit dem Ziel, mehr Ordnung bei der Aufnahme von Flücht- lingen zu erreichen . Dies kann nur erfolgreich sein, wenn wir schnellere Asylverfahren haben und auch die, die keine Bleiberechtsperspektive haben, zügig in ihre Hei- matländer rückführen . Dies gilt insbesondere für Men- schen aus sicheren Herkunftsstaaten, für Menschen mit Wiedereinreisesperren oder für diejenigen, die keine Be- reitschaft zeigen, bei der Prüfung der Asylberechtigung wahrheitsgetreu mitzuwirken . Für diesen Personenkreis gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, und eine Rückführung soll unmittelbar aus der Aufnahmeeinrich- tung erfolgen . Ich bin froh, dass wir in der politischen Diskussion verhindern konnten, dass an unseren Gren- zen riesige Auffanglager für mehrere Tausend Flüchtlin- ge entstehen . Dies hat die SPD mit der Schaffung dieser besonderen Aufnahmeeinrichtungen verhindert . Ein weiterer Bestandteil des Gesetzes ist die Ausset- zung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberech- tigte befristet für zwei Jahre . Dieser Regelung stehe ich ablehnend gegenüber . Der Aufschub gilt nur für eine relativ kleine Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten, nicht aber für Flüchtlinge, die als Asylbewerber oder als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention an- erkannt werden . Einer gesonderten Regelung bedürfte es nach meiner Meinung nicht . Daher bin ich froh, dass wir für minderjährige Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz eine Härtefallklausel durchsetzen konnten . In dringen- den humanitären Fällen bleibt der Nachzug der Eltern möglich und wird in einer Einzelfallbetrachtung durch das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundes- innenministerium entschieden . Die Länder und insbesondere die Kommunen und Eh- renamtlichen leisten einen außerordentlichen Beitrag bei der Unterbringung der Flüchtlinge . Die Veränderungen im Asylverfahren erfolgen auch, um insbesondere die Kommunen zu entlasten . Sie brauchen die Möglichkeit, ihre Ressourcen bündeln zu können, um in einem weite- ren Schritt die nächste große Aufgabe angehen zu kön- nen – die Integration für diejenigen Menschen zu bieten, die bei uns bleiben werden . Das ist eine enorme Aufgabe, die unser Land nachhal- tig prägen wird . Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden . Das bedeu- tet: Wir müssen von Anfang an unsere volle Konzentrati- on auf Spracherwerb, Schulbildung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt richten . Daher begrüße ich, dass zwi- schen den Koalitionspartnern die Vereinbarung getroffen wurde, in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren ein zweijähriges Bleiberecht für diejenigen Menschen umzu- setzen, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben . Zudem wollen wir die Altersgrenze für ausbildungsun- terstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochset- zen . Dies und weitere Maßnahmen sind der Grundstein für eine erfolgreiche Integration . Deswegen werde ich mich als Sozialdemokrat auch für ein Integrationsförd- ergesetz einsetzen . Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Verfahren zu- stimmen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615640 (A) (C) (B) (D) Norbert Spinrath (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati- onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun- gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli- che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An- kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver- einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht nach Ab- schluss der Ausbildung haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge- halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Sonja Steffen (SPD): In dem Gesetz gibt es einige Punkte, die ich begrüße: beispielsweise die Beschleuni- gung der Verfahren, die Erweiterung der Aufgaben der Bundespolizei, die Einführung polizeilicher Führungs- zeugnisse für Beschäftigte in Flüchtlingsunterkünften und der Leistungsbezug erst nach Registrierung . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlin- ge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden (2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragsstel- ler subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familien- nachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Im Übrigen habe ich auch verfas- sungsrechtliche Zweifel an der Regelung . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei- tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel- fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonven- tion angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15641 (A) (C) (B) (D) Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außer- dem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach- zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor- rangig berücksichtigt werden soll . Gleichermaßen Schwierigkeiten bereitet mir die Ver- schärfung der gesundheitlichen Abschiebehindernisse . Hier gehe ich jedoch davon aus, dass die Ärztinnen und Ärzte ihre Aufgabe der Feststellung bedrohlicher Erkran- kungen sehr ernst nehmen werden . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrati- onsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkur- sen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst ver- dienen können . Ich stimme deshalb trotz der obengenannten schwe- ren Bedenken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu . Kerstin Tack (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati- onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun- gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli- che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An- kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver- einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau- erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler- nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615642 (A) (C) (B) (D) Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Michael Thews (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver- sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl- fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati- onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun- gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwar- tet, durch die Gesetzgebung die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstüt- zen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvor- schläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig voran- geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni- gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter- stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa- miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege- lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er- hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach- zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus huma- nitären Gründen nicht für richtig halte . Ich hätte mir gewünscht, dass im Verfahren die Stel- lungnahmen der AWO, ProAsyl und anderen mehr Be- achtung gefunden hätten . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijähri- gen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenom- men wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien- nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge- trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver- einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch- land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er- lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Dr. Karin Thissen (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich- tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizi- nisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Die- ser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfs- organisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist unge- brochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15643 (A) (C) (B) (D) Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be- schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht- linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer- den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Vereine und Verbände aus den Be- reichen Menschenrechte, Asyl und Migration, die vor dieser Maßnahme warnen, nehme ich sehr ernst . Ich gehe jedoch fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei- tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel- fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonven- tion angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außer- dem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach- zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor- rangig berücksichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau- erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler- nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe- ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren zu . Carsten Träger (SPD): Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort engagieren . Mein Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Po- lizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich uner- müdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Von der Politik wird erwartet, die Arbeit in den Kom- munen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu un- terstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungs- vorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vor- angeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni- gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter- stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse- hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni- ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist . Bedenken habe ich zu der Regelung, den Familien- nachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung auch für unbegleite- te minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnah- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615644 (A) (C) (B) (D) me warnen. Ich finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich be- grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min- derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin- gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück- sichtigt werden soll . Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz- gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil- dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha- ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil- dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo- henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da- mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau- erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler- nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“ Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser Land, das durch den demografischen Wandel dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da- für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und Freunde werden . Ich stimme deshalb trotz der genannten Bedenken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das von der Bundesregierung und der Koalition vorge- legte Asylpaket II wird die bestehenden Probleme kaum lösen . Es bleibt in den meisten Punkten Symbolpolitik und wagt sich an die grundlegenden Probleme nicht he- ran . Die Beschränkung beim Familiennachzug für Per- sonen mit sogenanntem subsidiärem Schutz wird nur wenige betreffen und damit kaum Entlastung schaffen . Gleichzeitig werden die Betroffenen darunter leiden, wenn sie über Jahre von ihren Familien getrennt bleiben . Es ist damit zu rechnen, dass sich viele der Angehörigen dann auf den Weg über das Meer machen werden . Das kann nicht das Ziel unserer Politik sein, weil wir diese Menschen schließlich dennoch bei uns aufnehmen müs- sen . Unter anderem deswegen kann ich den Vorschlägen im Gesamtpaket nicht zustimmen, auch wenn ich Teile davon richtig finde. Sinnvoll sind zentrale Aufnahmeeinrichtungen, in de- nen Gruppen von Asylbewerbern mit geringer Erfolgs- aussicht Schnellverfahren durchlaufen sollen . Angesichts der großen Zahl an Asylbewerbern ist es dringend nötig, Möglichkeiten zu schaffen, welche die Verfahren be- schleunigen und die Kommunen entlasten . Es hat wenig Sinn, alle Ankommenden gleich auf die Kommunen zu verteilen und den kommunalen Einrichtungen dann bei Nichtanerkennung des Flucht- oder Asylgrundes die Rückführung in die Heimatländer aufzuerlegen . Da es in Deutschland keine funktionierende Möglichkeit zur legalen Einwanderung gibt, weichen viele auf das Asyl- verfahren aus . Das überlastet die Behörden und verzögert die Anerkennung und Integration von denjenigen, denen wir Schutz gewähren müssen . Wo Leben oder Freiheit im Herkunftsland bedroht sind, wollen und müssen wir helfen . Dieses Recht auf Schutz müssen wir durchsetzen und dafür sorgen, dass diese Menschen so schnell wie möglich integriert werden . Gleichzeitig müssen wir je- doch denen, die nachweisbar keinen Anspruch auf Schutz haben, diesen auch wirksam verwehren können . Zentrale Aufnahmeeinrichtungen mit beschleunigten Verfahren können hierzu sinnvoll sein . Das Grundproblem der derzeitigen Asylpolitik wird jedoch mit dem gesamten Gesetzespaket nicht gelöst . Weil es in Deutschland kein modernes Einwanderungs- recht gibt, werden alle, die in ihren Herkunftsländern kei- ne Perspektive sehen, auf lebensgefährliche Fluchtrouten und schließlich bei uns in ein Asylverfahren gedrängt . Die derzeitige chaotische Situation bei der Flüchtlings- aufnahme ist vor allem der Ignoranz der Bundesregie- rung in den vergangenen Jahren geschuldet . Seit Jahren ertrinken Menschen im Mittelmeer . Jahrelang wurden Länder wie Italien und Griechenland mit den Problemen allein gelassen . Schon lange hätte deswegen etwas ge- schehen müssen, um den Flüchtlingen Alternativen zu bieten . Auch zukünftig werden Menschen zu uns kom- men wollen, weil sie in ihren Ländern keine Perspektive sehen . Solange es keine legale Möglichkeit zur Einwan- derung gibt, wird kein Meer und kein Stacheldraht Men- schen daran hindern, sich auf den Weg zu machen und ihr Glück zumindest zu versuchen . Wir brauchen deswegen ein modernes Einwande- rungsrecht . Damit könnte zum einen eine Alternative zur lebensgefährlichen Flucht geschaffen werden . Gleichzei- tig könnte man festlegen, aus welchen Ländern welche Anzahl von Menschen mit welcher Qualifikation zu uns kommen und hier leben, lernen, arbeiten und Steuern zahlen dürfte . Statt Chaos in Aufnahmeeinrichtungen und allen Probleme, die mit Abschiebungen verbunden sind, könnten wir Zuwanderung so steuern und lenken, wie es unsere Gesellschaft braucht . Statt immer neue Debat- ten über sichere Herkunftsländer zu führen, müssen wir ein brauchbares Einwanderungsrecht schaffen . In vielen Ländern besteht eine sehr zweifelhafte Menschenrechts- situation . Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15645 (A) (C) (B) (D) immer mehr davon als sichere Herkunftsländer deklarie- ren . Immer wieder wird es Menschen geben, die zu Recht bei uns um Asyl bitten und denen wir es gewähren müs- sen . Wer kein Recht auf diesen Schutz hat, der wird sich aber ganz sicher nicht von einer Liste im Anhang eines Gesetzes aufhalten lassen, sondern hoffen, dass das Asyl- verfahren dauert, die Abschiebung verzögert wird oder sogar den illegalen Aufenthalt ohne Papiere in Erwägung ziehen . Ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regeln zur legalen Zuwanderung könnte dagegen eine echte Alter- native zu lebensgefährlicher Flucht, horrenden Preisen für Schleuser, erschreckender Rechtlosigkeit und oft jah- relanger Trennung von der Familie sein . Statt Symbolpolitik brauchen wir ein neues Einwan- derungsgesetz . Gülistan Yüksel (SPD): Mit dem Gesetz werden ver- schiedene Maßnahmen zu Verfahren der Anerkennung, Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern so- wie deren Lebensbedingungen geregelt . Auch wenn ich die Zielsetzung des Gesetzes in wesentlichen Bereichen unterstütze und darin das Ergebnis eines Kompromisses sehe, der weitergehende Verschärfungen wie etwa die Einrichtung von Transitzonen verhindert hat, kommt es jetzt darauf an, dass die Registrierung zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Ver- fahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil- dungsmöglichkeiten und Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähig- keit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerin- nen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni- gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin- derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helfer und Helferin- nen vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von Transitzonen an den Grenzen vom Tisch ist . Allerdings habe ich erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit einzelner Regelungen des Gesetzentwurfes . Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen- stehen, sowie die zweijährige Aussetzung des Familien- nachzugs für subsidiär Schutzbedürftige . Sorgen bereitet mir, dass die Regelung zum Familiennachzug auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Ich befürchte, dass durch die Aussetzung des Familiennach- zuges die Lebensbedingungen dieser Jugendlichen ver- schärft werden, Integration erschwert wird und nachzie- hende Angehörige auf unsichere Wege gedrängt werden . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden (2015 erhielten nur 0,6 Prozent der Antragssteller, über die entschieden wurde, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Fami- liennachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich begrü- ße deshalb, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprü- fung zum Familiennachzug stattfinden soll. Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Die Stellungnahmen von Verbänden, Hilfswerken, Kirchen und vielen weiteren Organisationen sind in meine Entscheidung mit eingeflossen. Trotz der obenge- nannten Bedenken werde ich dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren – auch unter Einbeziehung meiner politischen Gesamteinschätzung – zustimmen, denn was wir jetzt brauchen, sind schnellere und bessere Verfahren zur Unterbringung und Anerkennung . Zu guter Letzt: Mein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkur- sen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaß- nahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Axel Knoerig (CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a) Die Auszählung hat ergeben, dass ich bei dem oben genannten Gesetzentwurf mit Nein gestimmt habe . Dazu möchte ich erklären: Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt . Mein Vo- tum lautet Ja . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zu den Abstimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Aus- ländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl- bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b) Im Rahmen der namentlichen Abstimmung am 25 . Februar 2016 werde ich den oben genannten von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzen zustimmen . Wie auch schon in meiner Erklä- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615646 (A) (C) (B) (D) rung vom 15 . Oktober 2015 weise ich erneut mit allem Nachdruck darauf hin, dass meiner Überzeugung nach dieses Maßnahmenpaket nur ein – wenn auch sehr wich- tiger – weiterer Schritt sein kann, um die gesellschaftli- chen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Flüchtlingsströme in unserem Land besser zu bewältigen . Zugleich bitte ich die Bundesregierung, den Weg der Restriktion von illegaler und ungesteuerter Zuwanderung beherzt weiterzugehen . In vielen Gesprächen mit Bürge- rinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis wird grund- sätzliche Hilfsbereitschaft für wirkliche Flüchtlinge und politisch Verfolgte deutlich . Allerdings wird zunehmend auch Unzufriedenheit über eine Art Wagenburgmentalität der etablierten Parteien deutlich . Wenn wir es nicht schaf- fen, eine offene Diskussion über die Frage zu führen, ob, inwieweit und in welcher Form unsere Bevölkerung eigentlich Zuwanderung will, werden wir die Spaltung der Gesellschaft vertiefen . Viele Menschen sehen den sozialen Frieden und die politische Statik Deutschlands gefährdet . Wer diese Menschen mit Verachtung und Vor- verurteilung straft, handelt auch nicht christlich . Wer Empathie für die Flüchtlinge fordert, sollte auch Empa- thie für die eigene Bevölkerung zeigen, die sich teilweise für den Kampf um Arbeitsplatz, Wohnraum etc . nicht so gut gerüstet fühlt . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) zu den Abstimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein- führung beschleunigter Asylverfahren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur er- leichterten Ausweisung von straffälligen Aus- ländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl- bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b) Es ist in weiten Teilen der Bevölkerung und der Po- litik unstrittig, was Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2015 so for- muliert hat: „Unser Herz ist weit . Aber unsere Möglich- keiten sind endlich .“ Seit diesen im Oktober formulierten Worten hat sich die Flüchtlingssituation außen- und innenpolitisch wei- ter verschärft . Die EU und ihre Anrainerländer streiten um die Festlegung von Kontingenten und die Schlie- ßung von Grenzen, die Bundesrepublik dringt auf eine gemeinsame Strategie . Im Inneren geht es uns vor allem um eine Beschleunigung von Verfahren, zudem haben insbesondere die Ereignisse der Silvesternacht in Köln die Notwendigkeit zu einer Verschärfung von Maßnah- men bei der Kriminalitätsbekämpfung und zugleich zu einer Intensivierung von Integrationsangeboten deutlich gemacht . Angesichts dieser Situation halte ich die zügige Verab- schiedung des sogenannten Asylpakets II, welches lange zwischen den Koalitionspartnern verhandelt wurde, für ein notwendiges politisches Signal und stimme diesem schwierigen Kompromiss auch zu . Dennoch gibt es innerhalb der Summe von Maßnah- men, die ich für richtig halte, einige Punkte, die mir Bauchschmerzen machen und bei denen ich mich für Änderungen einsetzen werde . Dies sind in zwei Fällen humanitäre Gründe, in einem Fall habe ich rechtliche Bedenken: Erstens . Zur Aussetzung des Familiennachzugs: Der Fa- miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird für zwei Jahre ausgesetzt (subsidiär Schutzberechtigte sind Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl oder Schutz- status nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben, gleichwohl aber im Land bleiben dürfen, weil ihnen bei der Rückkehr Gefahr durch Krieg, Folter oder Todesstra- fe droht) . Hier halte ich es für unbedingt notwendig, den Familiennachzug zu ermöglichen, wenn Kinder der Ge- flüchteten betroffen sind. Hier sollte in der Diskussion deutlich gemacht werden, dass die Genfer Flüchtlings- konvention eben nicht unterlaufen wird . Ich begrüße al- lerdings die im Asylpaket ausdrücklich veranlagte Ein- zelfallprüfung . Ich wünsche und arbeite darauf hin, dass dies möglichst bald – aus humanitären Gründen – wieder der Regelfall und nicht die Ausnahme ist . Zweitens . Abschiebehindernisse aus gesundheitlichen Gründen: In Zukunft sollen grundsätzlich nur noch le- bensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen die Abschiebung verhindern können . Dem kann ich grund- sätzlich zustimmen . Zukünftig sollen feste Kriterien formuliert werden, denen eine ärztliche Bescheinigung genügen muss . Aber auch hier muss es, insbesondere bei psychischen Erkrankungen, die Möglichkeit zu Einzel- fallprüfungen und Zweitgutachten geben . Drittens . Juristisch sauber geregelt werden muss der Verlust des Schutzstatus und die Ausweisung verurteil- ter Flüchtlinge . Wie die öffentliche Anhörung des In- nenausschusses ergab, führt ein Verlust des Schutzstatus und selbst eine Ausweisung nicht notwendig zu einer Abschiebung . Wie ist dann aber die Duldung zu gestal- ten, ohne eine weitere Marginalisierung (oder Krimina- lisierung) bei den Betroffenen zu bewirken? Hier gilt es, aufzupassen, wie die Umsetzung (auch in den Verwaltun- gen) in den Bundesländern geschieht . Möglicherweise muss dann auch gesetzlich reagiert werden . Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass auch der be- kannte Aktivist und Gründer der Flüchtlingshilfsorgani- sation Cap Anamur, Rupert Neudeck, dem man wahrlich nicht nachsagen kann, dass er die Not von Flüchtlingen nicht kenne, die Einschränkung des Familiennachzugs, auch bei Minderjährigen, für vertretbar hält und zudem als notwendige Voraussetzung für eine Reduzierung des Flüchtlingszustroms sieht, gerade im Hinblick auf Schlepperorganisationen, die von der Schleusung von Jugendlichen und Kindern profitieren. Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15647 (A) (C) (B) (D) Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Saskia Esken (SPD) zu den Ab- stimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffäl- ligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl- bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b) Ich habe heute dem sogenannten Asylpaket II zuge- stimmt . Diese Entscheidung ist mir, wie vielen meiner Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen auch, sehr schwer gefallen . Die Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion, die sich entschieden haben, anders abzustim- men, haben dabei meinen allergrößten Respekt . In Sit- zungen der Bundestagsfraktion, in meiner Landesgruppe, mit Kolleginnen und Kollegen, meinem Team und auch seit Wochen mit den Genossinnen und Genossen vor Ort in meinem Wahlkreis habe ich intensiv über die bisheri- gen Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik diskutiert und darüber, was wir uns für die Zukunft wünschen und was wir erwarten . Mein Anspruch an meine Arbeit als Bundestagsabge- ordnete ist es, keine Spiele (mit-) zu spielen – populisti- sche Scheinlösungen und reine Symbolpolitik sind mir zuwider, ich will wirksame politische Entscheidungen treffen . Es ist mir deshalb ein Anliegen, mich offen und verständlich dazu zu erklären, was das Asylpaket II bein- haltet und was eben noch nicht damit beschlossen wurde, aber durchaus schon zwischen den Koalitionspartnern CDU, CSU und SPD vereinbart wurde . Im Deutschen Bundestag wurde heute über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asyl- verfahren und den Entwurf zur erleichterten Auswei- sung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern abgestimmt . Ziele des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren sind mehr Ordnung bei der Aufnahme von Flüchtlingen, schnellere Asylverfahren und eine raschere Rückführung von Menschen, die kein Bleiberecht haben . Das bedeutet, Asylsuchende mit geringen Chancen auf Anerkennung werden künftig in besonderen Aufnahme- einrichtungen untergebracht, in denen die Asylverfahren in rund drei Wochen abgeschlossen sein sollen . Ich hal- te diese Maßnahme für sinnvoll und bin mir sicher, dass sie auch Wirkung entfalten wird . Die Regelung betrifft Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, mit Wiederein- reisesperren oder solche, die keine Bereitschaft zeigen, ihre wahre Herkunft aufzudecken . Für diesen Personen- kreis gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, das heißt sie dürfen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen . Ihre Rückführung soll unmittelbar aus der Aufnahmeeinrichtung erfolgen . Wer sich diesem Ver- fahren verweigert, dem drohen künftig Sanktionen wie etwa Wegfall des Leistungsanspruchs . Außerdem sieht das geplante Gesetz vor, den Famili- ennachzug für subsidiär Schutzberechtige ab Inkrafttre- ten des Gesetzes befristet für zwei Jahre auszusetzen . Die Zustimmung zu dieser Regelung bereitet mir große Pro- bleme . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr we- nige Personen davon betroffen sein werden (nach Zahlen des Bundesministerium des Inneren erhielten 2015 nur 1 707 Personen, das heißt 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich bin überzeugt: Integration gelingt besser, wenn ganze Familien nach Deutschland kommen . Und ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich bin sehr froh, dass wir uns vehement dafür einge- setzt haben, dass für minderjährige Flüchtlinge mit subsi- diärem Schutzstatus eine Härtefallregelung gelten wird . Wie diese Kompromisslinie der Einzelfallprüfung durch Auswärtiges Amt und Innenministerium im Einzelfall wirkt und wie die Bürokratie mit diesen Fällen überhaupt zurechtkommt, das muss man dann in der Praxis sehen, aber die Zahl der Betroffenen liegt im niedrigen dreistel- ligen Bereich und ist damit auch hier recht gering . In Rahmen des Gesetzentwurfs zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum er- weiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern soll die Ausweisung straf- fälliger Ausländer erleichtert werden . Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte begründen zukünftig ein sogenanntes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, sofern ein Ausländer hierfür zu einer Freiheits- oder Ju- gendstrafe, unabhängig von deren Höhe, verurteilt wur- de . Dies gilt auch, wenn die Strafe zur Bewährung ausge- setzt wurde . Bislang musste die verhängte Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr betragen, um ein schwerwiegendes Ausweiseinteresse zu begründen . Allerdings erfolgt stets eine Einzelfallabwägung aller Interessen, was ich sehr begrüße . Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Asyl- bewerbern, die Straftaten begehen, trotz Vorliegen von Fluchtgründen leichter als bislang die rechtliche Aner- kennung als Flüchtling versagt werden kann . Mir ist es aber auch wichtig, deutlich zu machen: In den Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD wur- den weitere Vereinbarungen getroffen, die in einem künf- tigen Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden sollen, das die bessere Integration derer zum Ziel hat, die eine Bleibeperpektive haben . Ich werde mich gemeinsam mit meiner SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass dies schnell geschieht . Dazu gehört es beispielsweise, dass wir für Ausbil- dungsbetriebe und Geflüchtete Planungssicherheit schaf- fen, weil Auszubildende unabhängig von ihrem Status für die Dauer einer dreijährigen Ausbildung ebenso Bleibe- recht erhalten wie für die zwei Jahre danach . Ebenso ist Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615648 (A) (C) (B) (D) vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstützen- de Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre anzuheben . All das dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft . Eines muss ich aber ganz deutlich sagen: Ich werde jede weitere Verschärfung des Asylrechts ablehnen, die Spirale von Beschlüssen, die stets weitere Forderungen nach sich zogen, muss jetzt beendet werden . Wir müssen uns jetzt endlich damit beschäftigen, die Registrierung, die Unterbringung und die Integration der Geflüchteten gut zu bewältigen und dabei unsere Gesellschaft in ihrer humanitären und offenen Grundhaltung zusammenzuhal- ten . Was jetzt folgen muss, das ist ein Integrationsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bil- dung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende, das sozi- ale Teilhabe schafft und dafür sorgt, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, als Teil unserer Gesellschaft ihr Leben selbst in die Hand nehmen und gestalten können . Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) zu den Abstimmungen über – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren und – den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Aus- ländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl- bewerbern und – die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Konstantin von Notz, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnah- meeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften besser schützen (Tagesordnungspunkt 3) Mit diesem Gesetz sollen die Verfahren von Asylbe- werberinnen und Asylbewerbern mit geringer Bleibe- perspektive vereinfacht und beschleunigt werden . Das soll für eine dringend notwendige Entlastung sorgen und mehr Ordnung und Steuerung bei der Aufnahme und Re- gistrierung schaffen . Jedoch halte ich das Kriterium si- cherer Herkunftsstaaten für unzureichend . Ich begrüße ausdrücklich, dass mit dem sogenann- ten Asylpaket II Kernforderungen der CSU und anderer Gruppierungen rechts davon verhindert werden konnten . Sie forderten unter anderem große Auffanglager unter haftähnlichen Bedingungen an den deutschen Grenzen, eine Aussetzung des Mindestlohnes für Flüchtlinge und eine Flüchtlingsobergrenze . Stattdessen konnten wesentliche Forderungen der SPD durchgesetzt werden: – Kontingente für Flüchtlinge aus der Türkei, dem Libanon oder Jordanien vorrangig für Ehegatten und Kinder von hier bereits lebenden Geflüchteten. – Schutz minderjähriger Geflüchteter; Beschäftigte und regelmäßig ehrenamtlich tätige Personen in Flüchtlingsunterkünften, die in Kontakt zu Min- derjährigen stehen, dürfen nicht durch Gewalt- und Sexualdelikte aufgefallen sein und müssen daher ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen . – Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetzge- bungsverfahren Regelungen für mehr Rechtssi- cherheit und Verfahrensvereinfachungen für aus- zubildende Flüchtlinge und ausbildende Betriebe geschaffen werden . Auszubildende sollen für die Dauer ihrer Ausbildung – drei Jahre – und weite- re zwei Jahre danach ein Aufenthaltsrecht bekom- men . In einem weiteren Schritt gilt es, mit umfassenden Maßnahmen die gesellschaftliche Integration geflüchte- ter Menschen erfolgreich zu gestalten . Ich sehe jedoch das beschleunigte Asylverfahren aufgrund des Kriteriums sicherer Herkunftsstaaten als problematisch an . Das Bundeskabinett hat beschlossen, Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunfts- staaten einzustufen . Zwar erhalten die Menschen aus die- sen Ländern auch weiterhin das Recht auf individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs und erhalten Asyl, wenn ihr Gesuch begründet ist . Jedoch halte ich es für nicht gesi- chert, dass Menschen dort nicht weiter Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt ausgesetzt werden aufgrund ihrer sexuellen Identität . Es besteht weiterhin ein hoher Grad an Diskriminierung und Gewaltbereitschaft gegenüber homo-, bi-, trans- oder intersexuellen Menschen . Die Justiz unternimmt wenig, um vor gewaltsamen Übergrif- fen zu schützen, Menschenrechte werden allein durch die sexuelle Identität infrage gestellt . Solange dies der Fall ist, bleibt der Wunsch vieler Menschen, nach Deutsch- land zu fliehen, verständlich. Mit dieser persönlichen Erklärung bringe ich meine Sorge an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum Ausdruck . Dem Gesetzespaket werde ich aufgrund der Koalitionsvereinbarung zustimmen . Die Regierung hat damit einen auch für mich gangbaren Weg gefunden, Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, ohne das Recht auf Asyl zu schleifen . Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Um- setzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Tagesordnungspunkt 4) Ich stimme dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15649 (A) (C) (B) (D) verwandte Erzeugnisse – Drucksache 18/7218 – nicht zu, da der Gesetzesentwurf keine Verlängerung der Fristen für die tiefgreifenden Umstellungen aller auf dem Markt befindlichen Verpackungen für Tabakprodukte beinhal- tet . Die Industrieverbände, wie auch Gutachten externer Sachverständiger, haben seit Monaten darauf hingewie- sen, dass es für die Hersteller faktisch unmöglich ist, die von der EU gesetzte Frist – 20 . Mai 2016 – zu erfüllen, da die technischen Vorgaben seitens der EU erst im No- vember 2015 vorgelegt wurden . Dass eine Verlängerung der Frist für die Umstellung der Produktion zwingend notwendig ist, unterstreicht zudem die Tatsache, dass am 17 . Februar 2016 die Kommission nochmals die ab Mai zu verwendenden Textwarnhinweise für sechs Spra- chen – darunter auch Deutsch – für mehrere Tabakpro- duktkategorien geändert hat . Dies bedeutet, dass die in Deutschland produzierenden Tabakunternehmen keiner- lei Rechtssicherheit für die notwendigen umfangreichen Investitionen haben . Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulrike Bahr, Dr. Ute Finckh- Krämer, Martin Gerster, Gabriele Groneberg, Rita Hagl-Kehl, Metin Hakverdi, Ulrich Hampel, Frank Junge, Daniela Kolbe, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Hiltrud Lotze, Kirsten Lühmann, Hilde Mattheis, Susanne Mittag, Ulli Nissen, Markus Paschke, Andreas Rimkus, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Dr. Dorothee Schlegel, Matthias Schmidt (Berlin), Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Kerstin Tack und Stefan Zierke (alle SPD) zu der nament- lichen Abstimmung über den Antrag der Abge- ordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Durchführungsverord- nung der Kommission zur Erneuerung der Zulas- sung von Glyphosat SANTE/10026/2016 (Entwurf) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie- rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen (Tagesordnungspunkt 26 a) Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsat- zes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit ziemlich wahrscheinlich . Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun- gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis geführt . Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nehmen wir diese Sorgen sehr ernst . Auch wir sehen die erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kri- tisch . Wenn wir den Antrag der Grünen heute nicht un- terstützen, dann tun wir dies, weil wir der Meinung sind, dass wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Al- ternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirt- schaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternativen organisieren können . Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen- dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur . Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set- zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein- gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol- len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie mög- lich damit in Berührung kommen . Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor- tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih- rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re- gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt . Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Bedenken in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs- plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet, der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen kann . Anlage 15 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Durchfüh- rungsverordnung der Kommission zur Er- neuerung der Zulassung von Glyphosat SANTE/10026/2016 (Entwurf) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie- rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615650 (A) (C) (B) (D) Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen (Tagesordnungspunkt 26 a) Marco Bülow (SPD): Seit Jahrzehnten ist Glyphosat auf dem Markt. Es ist das weltweit am häufigsten ein- gesetzte Herbizid . Mittlerweile stuft die Internationale Krebsforschungsagentur IARC der WHO Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ ein . Auch das Umweltbundesamt (UBA) hat in einer Untersuchung vor kurzem festgestellt, dass bei bis zu 60 Prozent der Probanden eine eindeutige Anreicherung von Glypho- sat im Urin nachweisbar ist . Das UBA kommt zu dem Schluss, dass das Herbizid problematisch ist, und ruft zum Umdenken auf . Spätestens jetzt ist es Zeit, zu han- deln . Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich daher mit Gly- phosat befasst und setzt sich dafür ein, dass das Mittel nicht mehr für Privatkunden im freien Handel, wie zum Beispiel in Baumärkten oder im Internet, verfügbar ist, da es besonders im privaten Bereich häufig zu Fehlan- wendungen und Überdosierungen kommt . Das Verbot soll auch für den kommunalen Bereich gelten . Glyphosat hat auf Spielplätzen und öffentlichen Grünflächen nichts zu suchen . Zudem muss es eine deutliche Reduktion der Anwendung in der Landwirtschaft geben . Da, wo der Einsatz überflüssig ist, sollte er sofort unterlassen werden . Die nächste Zeit muss dringend dafür genutzt werden, sehr viel intensiver die Folgen von Glyphosat zu untersuchen und sichere Alternativen zu erforschen . Wenn Landwirte statt auf Glyphosat auf schon bestehen- de, ebenso schädliche oder noch gefährlichere Herbizide zurückgreifen, ist nichts gewonnen . Ich habe grundsätzlich Verständnis für das Anliegen von Bündnis 90/Die Grünen, Glyphosat auf EU-Ebene nicht wieder zuzulassen . Allerdings lag mir der nament- lich abzustimmende Antrag auch am Mittwochvormittag immer noch nicht vor . Dieses Vorgehen der Opposition ist leider kontraproduktiv . Ich werde den Antrag ohne die Möglichkeit einer Debatte ablehnen, unterstütze aber die Fachpolitiker meiner Fraktion, das Thema Glyphosat weiterhin aktiv und kritisch im Bundestag zu behandeln . Ziel muss auch hier ein eigener Antrag sein . Bernhard Daldrup (SPD): Ärzte, Wissenschaft- ler, Umwelt- und Verbraucherverbände warnen vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen eines über- mäßigen Glyphosateinsatzes . Die Weltgesundheitsorga- nisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinsti- tut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken zwar nicht geteilt, doch haben die widersprüchlichen wissen- schaftlichen Beurteilungen in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis geführt . Ich nehme diese Sorgen ernst und sehe die erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch . Vor einem generellen Verbot des Glyphosateinsatzes in der Landwirtschaft rege ich eine intensive Prüfung aller gesundheits- und umweltverträglichen Alternativen an . Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, da- mit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternativen organisieren . Bis dahin muss die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduziert und effizi- enter gestaltet werden . In vielen Fällen ist die Anwen- dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur . Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und Überdosierung bei der privaten Nutzung . Ich setze mich deshalb für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Kleingärten und auch im kommunalen Be- reich ein . Ich erwarte, dass die Bundesregierung aufgrund der nicht ausschließbaren Risiken einen konkreten Ausstiegs- plan für die Anwendung von Glyphosat in der Landwirt- schaft entwickelt, der dann auch anderen EU-Mitglied- staaten als Vorbild dienen kann . Sabine Dittmar (SPD): Seit langem warnen Exper- ten vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Einsatzes des Breitbandherbizids Gly- phosat . Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebser- regend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken jedoch nicht geteilt . Eine europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit absehbar . Ich sehe diese jedoch kritisch . Die widersprüchlichen Risikobeurteilungen sind be- denklich, insbesondere wenn Meldungen kursieren, dass in Lebensmitteln Glyphosat nachgewiesen wurde . Als Sozialdemokratin und Gesundheitspolitikerin nehme ich die diesbezüglichen Sorgen der Bevölkerung sehr ernst . Am größten ist die Gefahr bei der privaten Nutzung . Dort kommt es immer wieder zu Fehlanwendungen und Überdosierungen . Wir setzen uns deshalb innerhalb der Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Kleingärten und im kommuna- len Bereich ein . Unser Ziel muss es sein, dass Glypho- sat auf Spielplätzen und in öffentlichen Bereichen nicht mehr zum Einsatz kommt . Ein weiteres Problem ist der Einsatz des Wirkstoffs in der Landwirtschaft . Dort müssen wir mit Nachdruck für eine gesundheits- und umweltverträglichere Alterna- tive sorgen . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken der Wissenschaft und der Bevölkerung gegen- über der Nutzung von Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegsplan für die Anwendung in der Land- wirtschaft erarbeitet . Da die gesundheitlichen Auswirkungen von Glypho- sat unklar sind, müssen wir dafür sorgen, dass die An- wendung auf ein Mindestmaß reduziert bzw. effizienter gestaltet wird, damit Menschen und Tiere so wenig wie möglich mit dem Wirkstoff in Berührung kommen . Die großen Baumarktketten haben bereits verantwortungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15651 (A) (C) (B) (D) voll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Gly- phosat aus ihrem Sortiment genommen . Dem vorliegenden Antrag werde ich nicht zustimmen . Ich erwarte jedoch, dass die Bundesregierung sich mit Nachdruck für eine Alternative einsetzt, damit Glyphosat zeitnah nicht mehr zum Einsatz kommt . Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem Antrag „Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen“ zu- stimmen . Begründung: Die Bewertungsprozesse der europäischen Behörde für Chemikalien, ECHA, zu Glyphosat sind noch nicht abgeschlossen . Dennoch strebt die Generaldirektion Ge- sundheit und Lebensmittelsicherheit eine Abstimmung über die Zulassung glyphosathaltiger Pestizide für weite- re 15 Jahre im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel- und Futtermittel an . Eine nach der Euro- päischen Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) erteilte Zulassungsverlängerung für Glyphosat läuft Ende Juni 2016 aus . Als Berichterstatter hatte das Bundesamt für Risi- kobewertung (BfR) 2015 eine positive Stellungnahme zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat abgegeben . Allerdings lag die Einschätzung der Krebsforschungs- agentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC), deren Arbeitsgruppe von unabhängigen Wissenschaftlern Gly- phosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte, noch nicht vor . Außerdem hatte das BfR nur den reinen Wirkstoff Glyphosat untersucht, nicht aber fertige Herbizidmi- schungen mit Träger- und Zusatzstoffen . Die Kombina- tionswirkungen der verschiedenen Stoffe und Anreiche- rungen bei Langzeitexposition wurden ebenfalls nicht untersucht . Die Zulassung bezieht sich auf 33 glypho- sathaltige Herbizide unter 95 Handelsbezeichnungen für 470 Anwendungsgebiete . Mit dem europäischen Vorsorgeprinzip ist eine vorzei- tige Erneuerung der Zulassung von Glyphosat für weitere 15 Jahre nicht vereinbar . Bettina Hagedorn (SPD): Heute stimmt der Deut- sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über ei- nen extrem kurzfristig vorgelegten Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab, auf dessen öffentliche Aus- sprache im Plenum die Grünen ausdrücklich verzichtet haben . Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch und ent- larvt den Antrag mit namentlicher Abstimmung als ein Showinstrument zu Wahlkampfzwecken . Damit aber wird diesem ernsten Thema objektiv nicht angemessen Rechnung getragen, weil nur in einer öffentlichen De- batte im Bundestagsplenum die Gründe für eine Zustim- mung oder Ablehnung darlegt werden können . Ich kri- tisiere dieses Verfahren ausdrücklich und möchte daher meine Auffassung zum Thema Glyphosat jedenfalls in einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung darlegen . Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsat- zes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit ziemlich wahrscheinlich . Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurtei- lungen haben in der Gesellschaft zu einer großen Be- sorgnis geführt . Als Sozialdemokratin nehme ich diese Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies, weil ich der Meinung bin, dass wir für den Glyphosat einsatz in der Landwirtschaft zunächst eine ge- sundheits- und umweltverträgliche Alternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, da- mit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternativen organisieren können . Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen- dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur . Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set- zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein- gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol- len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Aus- wirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie möglich damit in Berührung kommen . Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor- tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih- rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re- gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs- plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet, der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen kann . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Erstens . Mit allergrößtem Befremden nehme ich die Tatsache wahr, dass hier im Parlament ein Antrag zur namentlichen Abstimmung gestellt wird, ohne dass es hierzu eine parlamentarische Aussprache gegeben hat, in der auch differenzierte Positionen zum Sachverhalt eingenom- men und ein Votum in der Sache bzw . ein Sachverhalt hätten erklärt werden können . Ich halte dieses für einen unmöglichen parlamentarischen Stil, unabhängig davon, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615652 (A) (C) (B) (D) ob dieses nun durch Bündnis 90/Die Grünen bewusst herbeigeführt worden ist, weil deren Fraktion zwar die namentliche Abstimmung, aber nicht die inhaltliche Aus- sprache und differenzierte parlamentarische Behandlung wichtig gewesen ist, oder ob dieses im Einvernehmen al- ler Fraktionen im Ältestenrat so entschieden worden ist . Gute parlamentarische Arbeit sieht für mich jedenfalls anders aus . Zweitens . So bleibt mir an dieser Stelle nur die Möglich- keit, der differenzierten politischen Position beizutreten, die von den dafür zuständigen und kompetenten Abge- ordneten der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet und von der SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier beschlossen worden ist . Diese Position bietet zumindest die Perspektive einer konsequenten Rückführung der Nutzung von Glyphosat in Deutschland und muss jetzt auch Schritt für Schritt angegangen werden . Drittens . Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitli- chen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glypho- sateinsatzes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobe- wertung und der Europäischen Behörde für Lebensmit- telsicherheit werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glypho- sat ist damit ziemlich wahrscheinlich . Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun- gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis geführt . Als Sozialdemokrat nehme ich diese Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirk- stoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies, weil ich der Meinung bin, dass wir für den Glyphosa- teinsatz in der Landwirtschaft zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Alternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, damit wir ge- meinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternati- ven organisieren können . Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen- dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur . Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set- zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein- gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol- len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Aus- wirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie möglich damit unmittelbar in Berührung kommen . Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor- tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih- rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re- gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs- plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet, der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen kann . Dr. Nina Scheer (SPD): Seit einigen Jahren war- nen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucher- verbände vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Einsatzes von Glyphosat . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wer- den diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite er- neute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist somit wahrscheinlich . Glyphosat ist ein Wirkstoff, der als sogenanntes To- talherbizid als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen sei- ner krebserregenden Wirkung haben in der Gesellschaft zu großer Besorgnis geführt . Dies muss auch politische Konsequenzen nach sich ziehen . Vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips halte ich die erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat für unverantwortlich . Ich erwarte, dass Wege gefunden werden, um mit den gegebenen Mehrheiten die Anwendung von Glyphosat baldmöglichst auszuschließen . Dr. Karin Thissen (SPD): Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen: Seit einigen Jahren warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheit- lichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Ein- satzes von Glyphosat . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebser- regend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Le- bensmittelsicherheit werden diese Bedenken hingegen nicht geteilt, und eine europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist somit wahrscheinlich . Glyphosat ist ein Wirkstoff, der als sogenanntes To- talherbizid als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen sei- ner krebserregenden Wirkung haben in der Gesellschaft zu großer Besorgnis geführt . Als Sozialdemokratin neh- me ich diese Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die er- neute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat sehr kritisch . Fehlanwendungen im privaten Bereich in Haus- und Kleingärten und Überdosierungen wie auch der Einsatz im kommunalen Bereich müssen verhindert werden . Wenn ich den Antrag der Grünen heute jedoch nicht unterstütze, dann tue ich dies, weil ich neben dem Er- fordernis gesicherter wissenschaftlicher Faktenlage und Erkenntnisse auch für die Landwirtschaft in einer Zu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15653 (A) (C) (B) (D) lassungsverweigerung keine augenblickliche, aber auch noch keine langfristige Alternative sehe . Forschung und Entwicklung müssen daher gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf ökologisch nach- haltige Wege organisieren können . Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen- dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur . Solange die Auswirkungen auf die menschliche Ge- sundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie möglich mit Glyphosat in Berührung kommen . Beim derzeitigen Stand der Wissenschaft stehe ich deshalb für eine diffe- renzierte Betrachtung der Einsatzgebiete zwischen priva- ten und kommunalen Bereichen und der Landwirtschaft . Während wir es auf der einen Seite umgehend verbieten müssen, müssen wir in der Landwirtschaft nach Wegen suchen, es einerseits zu reduzieren, und andererseits langfristig andere Wahlmöglichkeiten nutzbar machen . Für den privaten Sektor haben große Baumarktketten bereits verantwortungsvoll gehandelt und Unkrautver- nichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment ge- nommen . Auch in ihrem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Regelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs- plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet, der auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen kann . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbrau- cherverbände vor den gesundheitlichen und ökologi- schen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsatzes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wer- den diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite er- neute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit ziemlich wahrscheinlich . Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun- gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis geführt . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirk- stoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies, weil wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Al- ternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirt- schaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf Alternativen organisieren können . In vielen Fällen ist die Anwendung schon heute über- flüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur . Am größten jedoch ist die Gefahr der Fehlanwendung und Überdosierung bei der privaten Nutzung . Wir setzen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Kleingärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir werden ver- hindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten Glyphosat gespritzt wird . Wir wollen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicher- stellen, dass die Menschen so wenig wie möglich damit in Berührung kommen . Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor- tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih- rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re- gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs- plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet, der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen kann . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes (Tagesordnungs- punkt 15) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das Design spielt heute eine erhebliche Rolle bei der Kaufentschei- dung . Es gibt Impulse und weckt Emotionen . Nachdem funktionale Unterschiede zwischen den einzelnen Pro- dukten weniger werden, ist das Design der Punkt, an dem sich ein Produkt von anderen abheben kann . Durch das Design können Unternehmer ihren Produkten einen ein- zigartigen Charakter geben und so den Kunden an sich binden . Zunächst möchte ich uns die Unterschiede zwischen den einzelnen Schutzvorschriften nochmals kurz ins Ge- dächtnis rufen: Das Patentrecht schützt als einziges Schutzrecht eine bloße Idee, wie zum Beispiel das von iPhone und iPad bekannte „Wischen“ und die dahinter stehenden techni- schen Abläufe . Voraussetzung für den Patentschutz ist die Neuheit einer Idee und die Lösung eines technischen Problems durch sie . Durch das Markenrecht werden die Unterscheidung von Produkten verschiedener Hersteller und der Schutz vor Verwechselungen gewährleistet . Solche Kennzei- chenmittel können zum einen drei Streifen an einem Sportschuh, das auffällige Design einer Cola-Flasche Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615654 (A) (C) (B) (D) oder das Jingle eines Radiosenders sein . Das Marken- recht schützt das Design daher nur mittelbar – aber es ist ein höchst effektives Schutzrecht, das ohne zeitliche Grenze besteht . In Anlehnung an das Design kann man sich auch eine dreidimensionale Marke eintragen lassen . Diese dreidi- mensionale Marke erlangt man, wenn die Marke oder das Produkt nicht die übliche Form hat, sondern eine be- sonders einprägsame Form für den Verbraucher vorliegt, welche direkt auf den Hersteller schließen lässt . Dies liegt unter anderem bei der Verpackung der berühmten dreieckigen Schweizer Schokolade oder der unverwech- selbaren Flasche eines großen amerikanischen Soft- drink-Herstellers vor . Dies zeigt, dass nicht nur Produkte, sondern auch ihre Verpackungen eine Marke ausmachen können . Das Urheberrecht schützt jedes geistige Eigentum, das über dem handwerklichen Durchschnitt liegt . Die Anforderungen beim Urheberrecht sind durchaus hoch; der Schutz des Urheberrechts geht aber bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers hinaus . Eingetragene Designs schützen die Farb- und Form- gebung von nahezu allen handwerklich herzustellenden Erzeugnissen, wie zum Beispiel Bekleidung . Durch die Eintragung eines Designs wird ein zeitlich begrenztes Monopol auf die Form und die Gestaltung eines Produkts gesichert . Die mit einer Anmeldung ein- gereichten Darstellungen des Designs legen Gegenstand und Umfang des Rechts fest und sind daher von zentraler Bedeutung . Die Eintragung kann durch jeden erfolgen, durch Privatpersonen und durch Unternehmen . Wenn sich ein Designer seine Rechte hat eintragen lassen, besitzt ausschließlich er das Recht, dieses De- sign zu benutzen . Der Rechtsinhaber kann es anderen verbieten, sein Design zu benutzen – sei es zur Herstel- lung oder zum Verkauf von anderen Gütern . Das heißt, als Designinhaber kann man gegen jedes nachgemachte Design vorgehen, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hinterlässt als das eingetragene Design . Durch die Neuerungen nehmen wir technische Anpas- sungen im Designgesetz und in weiteren Gesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes vor . Neben der Anpassung deutschen Rechts an diverse EU-Verordnungen vereinfa- chen und beschleunigen wir dabei die Verfahrensabläufe im Deutschen Patent- und Markenamt, etwa hinsichtlich des elektronischen Rechtsverkehrs und der Vermeidung aufwendiger Nichtigkeitsverfahren . Ziel des Gesetzes zur Änderung des Designgesetztes und der weiteren Vorschriften des gewerblichen Rechts- schutzes ist es, weitere Vereinfachungen und Beschleuni- gungen der Prozesse im Deutschen Patent- und Marken- amt (kurz DPMA) zu erreichen . Durch die Änderungen wird auch der Rechtsverkehr beim DPMA erheblich erleichtert . Hinzu kommt, dass es Verbesserungen im Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA gibt und eine An- passung an geändertes Recht zur Beschlagnahme rechts- verletzender Waren an den Grenzen sowie zum Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen. Diese genannten Änderungen sollen und werden zum Abbau von Bürokratie beitragen . Im Nichtigkeitsverfahren zum Beispiel kann der Inha- ber durch die Änderung des § 33 Designgesetz nun auch bei absoluten Nichtigkeitsgründen in die Löschung ein- willigen und somit ein Nichtigkeitsverfahren vermeiden oder einvernehmlich beenden . Dies führt zu erheblichen Kosten- und Zeitersparnissen . Durch die Änderungen kann auch im Klageverfahren der Einwand der Nichtigkeit eines eingetragenen Designs nur durch Erhebung der Widerklage oder durch Stellung eines Nichtigkeitsantrags beim DPMA geltend gemacht werden . Dies führt zu überaus sinnvollen Vereinfachun- gen im Prozessrecht und bei den Kosten im Nichtigkeits- verfahren . Dieser Gesetzentwurf dient der wirtschaftlichen Zu- kunftsvorsorge und somit einer nachhaltigen Entwick- lung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie . Durch die Zustellung von Dokumenten über den elektronischen Verkehr entstehen erhebliche Effizi- enzgewinne und Kosteneinsparungen: So können zum Beispiel 37,5 Prozent der Patentanmeldungen die elek- tronische Zustellung an das DPMA nutzen . Und bei den durchschnittlich 2 500 Paketsendungen pro Tag werden durchschnittlich 350 förmlich zugestellt . Durch die Neu- erungen kann eine elektronische Zustellung daher in 130 Fällen pro Tag erfolgen . Das ergibt ein Einsparpo- tenzial von bis zu 316 000 Euro pro Jahr . Die einheitliche Zustimmung aller Fraktionen gestern im Ausschuss sowie das Lob der Markenverbände zeigen die hohe Praxistauglichkeit und die Vorteile, die dadurch entstehen . Ich bitte daher um Zustimmung . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Es ist selten, aber es kommt vor, dass wir einen Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten, bei dem wir keinen Ände- rungsbedarf sehen . Sogar der Bundesrat wie auch zum Beispiel der Mar- kenverband und die GRUR, die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht, haben keine Einwände gegen den Gesetzentwurf erhoben . Das ist auch für mich ein Novum . Insofern möchte ich mal die – leider viel zu seltene – Gelegenheit nutzen und das Bundesjustizministerium loben . Es wäre schön, wenn ich das auch bei Entwürfen mit größerer rechtspolitischer Relevanz und Substanz machen könnte . Ich denke etwa an das Mietrecht, wo ja demnächst auch ein Referentenentwurf aus Ihrem Hause kommen soll . Ich bin skeptisch gespannt und freue mich auf Überraschungen, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt! Bei dem heutigen Gesetzentwurf zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerb- lichen Rechtsschutzes sprechen wir in erster Linie über eine Vielzahl von technischen Verfahrensfragen . Dabei geht es im Wesentlichen um Modernisierungsmaßnah- men, Anpassungen an das europäische Recht und redak- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15655 (A) (C) (B) (D) tionelle Änderungen . Die Änderungen dienen vor allem der Erleichterung des elektronischen Rechtsverkehrs beim Deutschen Patent- und Markenamt, einer Verbesse- rung des Nichtigkeitsverfahrens in Designsachen sowie der Modernisierung von Verfahrensabläufen insgesamt . Die Änderungen leisten insoweit einen wichtigen Bei- trag nicht nur zur Umsetzung des Koalitionsvertrags, in dem wir uns auch zum Abbau von unnötiger Bürokratie verpflichtet haben, sondern sie dienen auch der Vereinfa- chung und Beschleunigung der Prozesse im DPMA . Unter dem Stichwort „Law made in Germany“ dis- kutieren wir derzeit die Frage, wie wir unnötige Wett- bewerbsnachteile des Rechtsstandorts Deutschland be- seitigen können . Insofern begrüße ich mit Blick auf den Wettbewerb der Rechtsordnungen die Zielsetzung des Gesetzentwurfes . Denn der Abbau von Bürokratie stärkt die Wettbe- werbsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Un- ternehmen . Eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung und ein geringer Erfüllungsaufwand sind dabei ein we- sentlicher Standortvorteil für unser Land . Die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs ist hierbei ein bedeu- tender Faktor . Bereits heute besteht die Möglichkeit, im Schutzrechtsverfahren vor dem DPMA Dokumente elek- tronisch zu übermitteln . Um den elektronischen Rechts- verkehr jedoch weiter zu erleichtern, soll insbesondere eine virtuelle Poststelle als ein sicherer Übermittlungs- weg für eine elektronische Zustellung etabliert werden . Als zusätzliche Transportsicherung sollen dabei für die Übermittlung sämtlicher elektronischer Dokumente fort- geschrittene elektronische Signaturen eingesetzt werden . Zu diesem Zweck wird das BMJV im Patent- und Mar- kengesetz ermächtigt, in einer Rechtsverordnung nähere Bestimmungen dazu zu erlassen . Weiterhin ist im Gesetzentwurf beabsichtigt, dass eine Bekanntmachung einer Eintragung in das DPMA-Regis- ter künftig auch in elektronischer Form erfolgen kann . Das begrüße ich an dieser Stelle ausdrücklich . Dies dient nicht nur der Verfahrensbeschleunigung, sondern es wer- den bisher bestehende Wettbewerbsnachteile zum „Har- monisierungsamt für den Binnenmarkt“ beseitigt . Einziger Punkt, über den man hier hätte nachdenken können, ist, dass bei einigen absoluten Eintragungshin- dernissen im Markengesetz die Notwendigkeit der Ver- öffentlichung im Bundesgesetzblatt entfallen soll . Dies betrifft zum Beispiel geschützte Wappen, Siegel und Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen . Insofern verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass man die- se Zeichen auch bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum recherchieren könne . Deren Datenbank dient jedoch lediglich der einfachen Recherche von Eintra- gungshindernissen . Ihr kommt in Bezug auf das deutsche Recht keine konstitutive, sondern nur eine deklaratori- sche Wirkung zu . Im Einzelfall muss also geprüft wer- den, ob zum Beispiel ein Zeichen, das nicht in der Daten- bank vorhanden ist, ein absolutes Eintragungshindernis darstellen kann . Hier wird sich zeigen, inwieweit dies in der Praxis nicht doch zu Rechtsunsicherheiten führt . Das BMJV hat mir jedenfalls mitgeteilt, dass bei anderen absolu- ten Eintragungshindernissen, wo keine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgt, dies bisher nicht der Fall sei . Insofern besteht zwar kein akuter Handlungsbedarf, dennoch sollten wir diesen Punkt nicht aus den Augen verlieren . Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen . Das ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Nichtigkeitsverfahrens in Designsachen . Sie ermöglicht künftig die Einwilligung des Designinhabers in die Lö- schung des eingetragenen Designs auch für Fälle absolu- ter Nichtigkeitsgründe – zum Beispiel wenn von Anfang an gar kein Design, also eine Farb- und Formgestaltung von hergestellten Produkten, vorgelegen hat . Damit soll nun auch in diesen Fällen ein Nichtigkeitsverfahren ver- mieden oder einvernehmlich beendet werden können . Bisher war es nur bei relativen Nichtigkeitsgründen möglich, in eine Löschung einzuwilligen . Es verzögert jedoch ungemein das Verfahren, wenn trotz Einverständ- nis des Designinhabers zwingend ein Löschungsverfah- ren durchzuführen ist . Insofern ist diese Änderung eben- falls zu begrüßen . Sie macht das Verfahren schneller und effektiver . Das ist gut . Insgesamt ist der Gesetzentwurf mit seinen Rege- lungsansätzen überzeugend – viele Verfahrensfragen vor dem DPMA werden erleichtert . Insbesondere vollzieht der Gesetzentwurf sinnvolle Anpassungen im Rahmen des Löschungsverfahrens und schafft verschiedene Vo- raussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr, sodass meine Fraktion und ich ihm guten Gewissens zu- stimmen können . Christian Flisek (SPD): Gutes Design macht unser Leben schöner! Ich würde jetzt gerne behaupten, dass wir mit den vorgelegten Änderungen zum Designgesetz dazu beitragen, dass es in Zukunft nur noch geschmackvolles Design geben wird, dass unser Leben auch tatsächlich schöner wird . Aber das wäre natürlich zu viel der Ehre für ein sol- ches Gesetz, und vor allem würde es nicht der Wahrheit entsprechen . Denn – so wünschenswert es wäre – das De- signgesetz schützt nicht gutes Design, sondern nur „De- sign an sich“ bzw . eine bestimmte „Eigenart“ – egal ob gut oder schlecht . Oder wie es das Deutsche Patent- und Markenamt – das DPMA – ausdrückt: „Ein besonderes Gestaltungsniveau ist nicht erforderlich“ . Voraussetzung für den Schutz ist – laut Deutschem Patent- und Mar- kenamt – vielmehr der durch das Design hervorgerufene Gesamteindruck bei einem sogenannten „informierten Benutzer“ . Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass gutes Design häufig besonders schutzwürdig ist. Nicht umsonst wer- den hochwertige Produkte häufig mit dem Präfix wie zum Beispiel „Design-Möbel“, „Designer-Taschen“ oder gar „Design-Klassiker“ versehen . Ganz besonders deutlich wird der Wert von gutem De- sign zum Beispiel an den Produkten der früheren deut- schen Firma „Braun“, die es so heute leider nicht mehr gibt . Ihre Produkte genießen aber bis heute Kultstatus, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615656 (A) (C) (B) (D) der sich alleine aus der Tatsache speist, dass es diese Fir- ma verstand, Form und Funktion bis zu Perfektion zu ver- binden . Sogar bis in das MOMA in New York (Museum of Modern Art) haben es die Braun-Produkte geschafft . Ein aktuelles Beispiel für den ökonomischen Wert von gutem Design ist die Firma Apple, die – wie früher Braun – eine richtige Fan-Gemeinde hat . Auch die Ap- ple-Produkte genießen heute Kultstatus . Und das haben wir nur dem akademischen Scheitern von Steve Jobs, dem Gründer von Apple, zu verdanken . Hätte Jobs 1972 nicht sein Physik- und Literaturstudium geschmissen, hätte er nach eigener Aussage nie einen Kalligrafie-Kurs besucht . Zehn Jahre später nutzte Jobs sein Wissen über Formen für das Design des ersten Mac und für die auf dem Mac verfügbaren Schriftarten . Damit begann der steile Aufstieg der Marke „Apple“ . Viele Menschen kaufen bis heute nur teure Apple-Pro- dukte, obwohl diese nicht mehr – aber auch nicht weni- ger – können als viel günstigere Handys anderer Herstel- ler . Viele Konsumenten sind bereit, für gutes Design tief in die Tasche zu greifen . Das trifft nicht nur auf Kultmar- ken wie Apple oder Braun zu, sondern auf nahezu jedes bessere Produkt, das etwas auf sich hält . Ohne gutes De- sign lässt sich kein Produkt erfolgreich verkaufen . Aus diesem Grund ist der Schutz von Design not- wendig, und aus diesem Grund benötigen wir auch ein modernes Designgesetz . Und wir benötigen es dringen- der denn je! Design wird für den Erfolg von Produkten immer wichtiger und damit natürlich auch, dass Design effektiv geschützt werden kann . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Designgesetzes werden wir das Designgesetz zwar nicht revolutionieren, aber durch Verfahrensvereinfa- chungen an entscheidender Stelle verbessern . Insbesondere erleichtern wir den elektronischen Rechtsverkehr, das heißt, in naher Zukunft wird eine vir- tuelle Poststelle als sicherer Übermittlungsweg für elek- tronische Zustellungen beim DPMA eingerichtet . Damit werden Verfahrensabläufe modernisiert und der Bürokra- tieaufwand erheblich reduziert . Für die Wirtschaft wer- den Einsparungen von rund 300 000 Euro prognostiziert . Außerdem verbessern wir das Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA in Designsachen . Dadurch kann ein Nichtigkeitsverfahren in Zukunft vermieden oder ein- vernehmlich – mit dem Inhaber eines eingetragenen De- signs – beendet werden . Nicht zuletzt passen wir das deutsche Recht an die eu- ropäische Verordnung zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und an die europäische Verordnung über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel an . Ich bin mir sicher, dass wir das Designgesetz mit diesen Änderungen ein gutes Stück modernisieren . Da selbst die Opposition kein Haar in der Suppe findet und sich im Ausschuss enthalten hat, kann man getrost von einem parlamentarischen Konsens sprechen . So etwas kommt ja auch nicht alle Tage vor . Die Anpassung des Designgesetzes in dieser Legisla- tur ist – neben der Modernisierung des Urheberrechts – aber auch ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung der Rechte am geistigen Eigentum in Deutschland . Gutes Design ist nicht einfach . Ein gutes Designgesetz ebenso wenig . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das Designgesetz weiter verbessert . Kultstatus – wie ein Apple iPhone – wird unser Gesetz wohl nicht erlangen . Aber das muss ja nicht sein . Es reicht, wenn wir damit – gutes – Design mithilfe digitaler Verfahren in Zukunft effizienter schützen können. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vor- schriften des gewerblichen Rechtsschutzes – abgesehen davon, dass der Titel des Gesetzes den durchschnittlichen Politik-Verbraucher wahrscheinlich in eine völlig falsche Richtung schickt, schlägt der Gesetzentwurf, über den wir heute hier abschließend beraten und beschließen wer- den, selbst die richtige Richtung ein . Mit dem Gesetz vereinfachen sich vor allem die An- meldung und die Löschung von Patenten, Verfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt können zügiger und vereinfachter stattfinden, bürokratischer Aufwand wird verringert, nicht mehr notwendige Regelungen in einzelnen Gesetzen werden aufgehoben oder notwendi- ge Verweise angepasst, und das Gesetz soll dabei helfen, Kosten zu sparen . Gut so! Und da all diejenigen, die heutzutage ein Patent anmelden wollen, in der Regel sehr technikfreundliche und mit den Tücken und Klippen von Internet und elektronischem Post- und Rechtsverkehr bestens vertraute Menschen sind, wird das Gesetz ihnen wahrscheinlich wirklich nützen . Dies ist der wichtigste Grund, warum Die Linke dem Gesetzentwurf in der vor- liegenden Fassung zustimmen wird . Aber um Ihre Euphorie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, über unsere Zustimmung nicht ins Uferlose wachsen zu lassen, möchte ich wenigstens daran erinnert haben, dass trotz aller gesetzlichen Rege- lungen darüber, eine virtuelle Poststelle (VPS) – diesmal die des Deutschen Patent- und Markenamtes – als einen sicheren Übermittlungsweg für eine elektronische Zu- stellung zu etablieren, diese Sicherheit aus unserer Sicht nicht absolut gegeben sein wird . Alle Erfahrungen über Datensicherheit, die wir bisher sammeln durften und sammeln mussten, bestätigen das . Wir sollten uns dieser Tatsache bewusst bleiben und schon mal mit der Suche nach weiteren alternativen und sicheren Übermittlungs- wegen beginnen, die trotzdem zügig und unbürokratisch, einfach und kostensparend funktionieren und dabei nicht gehackt werden können . Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sogenannte Designgesetz soll unter anderem nationales Recht an die EU-Verordnungen beim Kampf gegen Pro- duktpiraterie und dem Schutz geografischer Herkunftsan- gaben anpassen . Außerdem sollen Prozesse im Marken- und Patentamt vereinfacht und beschleunigt werden . Um eine elektronische Zustellung realisieren zu können, soll die virtuelle Poststelle des Deutschen Patent- und Mar- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15657 (A) (C) (B) (D) kenamtes (DPMA) als sicherer Übermittlungsweg für elektronische Zustellungen etabliert werden . Mit dem Gesetz soll also auch der elektronische Rechtsverkehr beschleunigt werden . Dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden; sinnvolle Vereinfachungen und Beschleunigungen begrüßen wir . Deutschland kann von zügiger und vertrauenswürdiger Kommunikation über das Internet erheblich profitieren, sowohl bei der Verwaltung als auch bei Firmen oder bei der privaten Kommunikation . Die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags be- deutet aber auch, dass wir dem Datenschutz und der Datensicherheit immer mehr Rechnung tragen müssen; denn gerade wenn jemand zum Beispiel seine Erfindung patentieren lassen möchte, handelt es sich doch um ei- nen besonders sensiblen und schützenswerten Bereich . Deshalb muss die Kommunikation mit dem zuständigen Patent- und Markenamt vertraulich und vor allem sicher erfolgen . Genau das hat der Gesetzgeber aber bisher im- mer versäumt . Ich erinnere an das Beispiel „De-Mail-Ge- setz“ . Hier wurde eine besonders unsichere Technologie ohne verpflichtende „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ eingeführt und quasi per Gesetz als sicher erklärt und damit die Datensicherheit ad absurdum geführt . Ich be- fürchte, Ähnliches droht uns nun beim sogenannten De- signgesetz, weswegen wir diesem Gesetz nicht zustim- men, sondern uns enthalten . Im Gesetz steht in Artikel 2 „Änderung des Patentge- setzes“, Absatz 4 b – ich zitiere –: „Für die Zustellung von elektronischen Dokumenten ist ein Übermittlungs- weg zu verwenden, bei dem die Authentizität und Inte- grität der Daten gewährleistet ist und der bei Nutzung allgemein zugänglicher Netze die Vertraulichkeit der zu übermittelnden Daten durch ein Verschlüsselungsverfah- ren sicherstellt . Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erlässt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nä- here Bestimmungen über die nach Satz 1 geeigneten Übermittlungswege sowie die Form und den Nachweis der elektronischen Zustellung .“ Das ist nicht gerade das, was wir Grünen uns unter Datenschutz vorstellen; denn hier verlässt man sich mal eben auf eine nachgeordnete Verordnung, um Datensicherheit zu gewährleisten, und das könnte dann wieder in so einem Desaster wie dem „De-Mail-Gesetz“ enden . Wir können daher nur dringend an die Bundesregie- rung appellieren: Ziehen Sie die richtigen Schlüsse aus der jahrelangen Debatte um das „De-Mail-Gesetz“ und der IT-Sicherheit in den letzten Jahren . Sorgen Sie da- für, dass der elektronische Rechtsverkehr im Umgang mit dem Deutschen Patent- und Markenamt verschlüsselt und absolut sicher erfolgt und für die Verbraucherinnen und Verbraucher trotzdem anwendbar ist . Leider gehe ich aufgrund der Vergangenheit davon aus, dass hier Skepsis angebracht ist . Wir werden daher den Umsetzungsprozess genau beobachten und, wo nö- tig, den Finger in die Wunde legen . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie zu der Verordnung der Bundesregierung: Ver- ordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO) (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Das Vergabe- recht enthält alle Regeln und Vorschriften, die die öffent- liche Hand bei der Beschaffung von Gütern und Leistun- gen zu beachten hat . Mir ist durchaus bewusst, dass das erst mal sehr trocken klingt . Was den meisten aber nicht bewusst ist: Wir beschaffen nicht nur Papier und Büro- stühle . Auch Weiterbildungsmaßnahmen, neue Quartiere oder die Versorgung von Flüchtlingen unterliegen dem Vergaberecht . Jährlich vergibt die öffentliche Hand Auf- träge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages! Wie hoch dieser dreistellige Milliardenbetrag genau ist, kann bisher nur grob geschätzt werden . Nach der Verabschiedung des Modernisierungsgeset- zes bringen wir mit der Vergabeverordnung die Novellie- rung des deutschen Vergaberechts zu einem erfolgreichen Abschluss . Ich bin davon überzeugt, dass wir damit einen substanziellen Fortschritt für eine moderne, transparente sowie wirtschafts- und mittelstandsfreundliche Vergabe- rechtspraxis erreichen . Außerdem geben wir den öffentli- chen Auftraggebern in vielen Bereichen endlich Rechts- sicherheit . Nur um ein Beispiel zu nennen: Zukünftig können beispielsweise der Aspekt der Nachhaltigkeit und die Qualität mehr Gewichtung erfahren; der Preis allein ist nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium . Wir haben mit der Novellierung des Vergaberechts eine Strukturreform vollzogen: Ab sofort werden neben den grundlegenden Regelungen im Gesetz die Details des oberschwelligen Vergabeverfahrens nur noch in der Vergabeverordnung – VgV –, der Sektorenverordnung – SektVO –, der Verordnung über die Vergabe in den Be- reichen Verteidigung und Sicherheit – VSVgV – sowie in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – VOB/A – geregelt . Die VOL und die VOF wurden integ- riert . Dies führt zu mehr Anwenderfreundlichkeit . Große Teile der alten Verordnungen wurden ins Gesetz gezogen . Da aber auch weiterhin Punkte mit politischer Relevanz in der Vergabeverordnung geregelt werden, haben wir uns dazu entschieden, einen Zustimmungs- vorbehalt des Parlaments für die Verordnung im Gesetz zu verankern . Und genau deshalb können wir heute hier über die Vergabeverordnung diskutieren . Die Verordnung begleitet das Gesetz und regelt wich- tige Details . So werden zum Beispiel bei der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen und Qualifizierungs- maßnahmen Qualitätskriterien genauer definiert. Erfreu- licherweise bringt die Verordnung in diesem Bereich eine gute Ergänzung der Bewertungskriterien . Als frühere Bildungssenatorin begrüße ich dies sehr . Ein anderer aus meiner Sicht großer Fortschritt ist – vor allem auch für die Weiterentwicklung des Verga- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615658 (A) (C) (B) (D) berechts – die Statistikverordnung . Selbstverständlich bedeutet dies einen gewissen Aufwand für die Auftrag- geber, jedoch bekommen wir so zum ersten Mal tragfä- hige Daten über die Anzahl und das Volumen von Ver- gaben in Deutschland . Bisher haben wir diese ja nicht, wie eingangs erwähnt . Wir schätzen, dass jedes Jahr ein dreistelliger Milliardenbetrag vergeben wird . Aber ob es jetzt 200, 300 oder 400 Milliarden sind, weiß keiner . Durch die Statistikverordnung wird zukünftig auch im unterschwelligen Bereich ab 25 000 Euro gemeldet wer- den müssen . Ich möchte noch einmal auch in dieser Debatte beto- nen, dass wir zwar mit der Novellierung viele strukturelle Änderungen beschließen, jedoch die Systematik des Ver- gaberechts nicht grundlegend verändern . Denn auch das Kaskadensystem bleibt in Teilen bestehen . Zwar haben wir manches ins Gesetz und manches in die hier vorlie- gende Verordnung gezogen, aber bei Bauleistungen wer- den auch weiterhin wesentliche Details in der VOB, der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, gere- gelt . Dies bedeutet nach meiner Auffassung einen Bruch in der Systematik, den wir bei der nächsten Novellierung des Vergaberechts beseitigen sollten . Das hier heute abschließend zu beratende Gesetzes- werk beschränkt sich ausschließlich auf die Vergaben im sogenannten Oberschwellenbereich, die meisten Ver- gaben finden aber im Unterschwellenbereich statt. Und auch dort brauchen wir Veränderungen . Lassen Sie mich deshalb in Anlehnung an Marcus Porcius Cato den Älteren, der seine Reden vor dem rö- mischen Senat immer mit dem gleichen Satz beendete – Ceterum censeo Crathaginem delendam esse –, weil es ihm ein Anliegen war, auch meine letzte Rede im Zu- sammenhang des Modernisierungsprozess des deutschen Vergaberechts wie immer mit meinem Appell an die Länder schließen, sich im Interesse vor allem der klei- nen und mittleren Unternehmen auf eine Angleichung der 15 Ländervergabegesetze zu verständigen . Die Un- ternehmen werden es ihnen danken . Dies müsste den Ländern ja umso leichter fallen, als sie in das bisherige Verfahren zur Modernisierung des Bundesrechts intensiv eingebunden waren . Der sich abzeichnende Trend zur elektronischen Vergabe in allen Ländern könnte hierfür ein geeigneter Anlass sein . Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Mit der heutigen Debatte über die Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts schließen wir die parlamentarischen Bera- tungen zur Reform des Vergaberechts ab . Diese Debatte können wir dank des sogenannten Parlamentsvorbehalts führen, den wir im Vergaberechtsmodernisierungsgesetz verankert haben . Die Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts im vergangenen November war die erste Etappe auf dem Weg zu einem effizienteren, an- wenderfreundlicheren und flexibleren Vergaberecht. Mit der heute zur Beratung stehenden Verordnung führen wir die Reform des Vergaberechts konsequent zu Ende . Ich denke, wir haben viel erreicht . Wir sorgen für ein mittelstandsfreundlicheres Verga- berecht . Der Zugang zu Ausschreibungen wird für klei- nere Wettbewerber noch weiter erleichtert . Wir haben die komplexe Rechtsstruktur des Vergabe- rechts verschlankt, indem wir die Vergabeordnungen für Leistungen und freiberufliche Leistungen in die Vergabe- verordnung integriert haben . Um den spezifischen Anforderungen für Planungs- leistungen der Architekten und Ingenieure Rechnung zu tragen, gibt es für sie zusätzliche Regelungen . Ebenso für soziale und andere besondere Dienstleistungen . Von besonderem Interesse für Architekten und In- genieure ist die Frage der Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen (in § 3 Absatz 7 VgV) . Hier ist es uns dank unseres Mitspracherechts schon im Vorfeld ge- lungen, eine mittelstandsfreundliche Lösung zu erzielen . Die Auftragswertberechnung sollte nämlich zunächst unter Berücksichtigung eines sogenannten funktionalen Zusammenhangs erfolgen . Dies hätte bedeutet, dass der Gesamtwert der auf ein Projekt bezogenen, aber teils sehr unterschiedlichen Planungsleistungen im Rahmen der Auftragswertermittlung hätte zusammengerechnet wer- den müssen . Die Folge wäre gewesen, dass der maßgeb- liche EU-Schwellenwert bereits bei kleineren Projekten erreicht würde und eine europaweite Projektausschrei- bung erfolgen müsste . Mit der jetzigen Formulierung halten wir an der bisher geltenden Regelung zur Auftragswertberechnung fest . Es wird klargestellt, dass nur die Werte gleichartiger Pla- nungsleistungen zusammenzurechnen sind . Maßgeblich für die Gleichartigkeit ist ihre wirtschaftliche oder tech- nische Funktion . Die Beteiligung kleinerer und mittlerer Büros bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen haben wir zentral in der Verordnung verankert (§ 75 Absatz 4) . Wenn die Aufgabenstellung dafür geeignet ist, müssen Eignungskriterien so bestimmt werden, dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können . Damit stellen wir sicher, dass kleine und mittlere Büros nicht durch zu große Anforderungen faktisch von der Vergabe ausgeschlossen werden . Wir stärken das Instrument des Planungswettbewerbs (§§ 78 bis 80 VgV): Planungswettbewerbe dienen der Förderung der Baukultur und sind insbesondere für klei- ne und „junge“ Planungsbüros eine gute Möglichkeit, ihr Kreativpotenzial zu entfalten . Die Vergabeverordnung hebt die Bedeutung von Planungswettbewerben expli- zit hervor und geht damit über die EU-Vorgaben hinaus . Öffentliche Auftraggeber müssen bei Ausschreibun- gen in der Stadt- und Freiraumplanung nun prüfen, ob ein Planungswettbewerb durchgeführt werden soll; ihre Entscheidung müssen sie dokumentieren . Dies geht über das bisher geltende Recht hinaus und wird künftig einen Anreiz geben, verstärkt Planungswettbewerbe durchzu- führen . Ich weiß, dass es teilweise Wünsche gegeben hat, die wir nicht erfüllen konnten . Dazu muss ich sagen, dass uns die europäischen Vorgaben keinen Spielraum gelas- sen haben . Das betrifft zum Beispiel die Mindestfristen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15659 (A) (C) (B) (D) für die Interessenbekundungen oder die Referenzzeiträu- me bei den Eignungsnachweisen . Ich denke aber, dass wir insgesamt nun ein gut hand- habbares Vergaberecht vorliegen haben . Es gibt den öf- fentlichen Auftraggebern ein hohes Maß an Spielräumen, das geeignete Verfahren für die jeweilige Aufgabenstel- lung zu wählen . Gleichzeitig haben wir an vielen Stellen dafür gesorgt, dass der Zugang auch junger oder kleiner Bieterbüros gewährleistet wird . Ich möchte betonen, dass es nun in der Hand der Auf- traggeber liegt, dieses flexible Rechtsinstrument mit Le- ben zu füllen . Ob die Spielräume des Vergaberechts gut genutzt werden, liegt auch an der Güte der Leistungsbe- schreibungen, an der Wahl der Eignungskriterien, also generell an der Gestaltung des Vergabeverfahrens . Wir haben uns bewusst zurückgehalten, hier allzu starre Vorgaben zu machen . Umso mehr möchte ich nun an die ständischen Berufsorganisationen appellieren, im Zusammenspiel mit den Auftraggebern, den Kommunen, dafür zu sorgen, dass die Vergabeverfahren zweckmäßig ausgestaltet werden . Dr. Matthias Bartke (SPD): Wir haben in das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts einen Parlaments- vorbehalt eingefügt . Damit können wir die vorliegende Vergabeverordnung ändern oder ablehnen . Aber als Sozialpolitiker sage ich Ihnen: Aus arbeits- markt- und sozialpolitischer Sicht besteht dazu keinerlei Anlass! Denn die neue Verordnung ist ein großer Erfolg . Wir haben schon das neue Vergabegesetz intensivst vorbereitet und beraten . Ich selber habe unter anderem ein Regionales Einkaufszentrum der Bundesagentur für Arbeit besucht, um mich über die Vergabepraxis zu infor- mieren . Wir haben uns von Problemen und Befürchtun- gen berichten lassen und Lösungsvorschläge diskutiert . Das Resultat sind ein komplett reformiertes und weg- weisendes Vergabegesetz und eine ebensolche Verord- nung . Soziale Aspekte werden künftig bei der Vergabe verstärkt berücksichtigt . Vergaberecht ist künftig nicht mehr nur klassisches Wirtschaftsrecht, sondern auch ar- beitsmarkt- und sozialpolitisches Umsetzungsrecht . Ein Schwerpunkt der Vergaberechtsnovelle liegt in dem neuen Sonderregime für soziale und andere be- sondere Dienstleistungen . Hier geht es vor allem um Arbeitsmarktdienstleistungen, für die wir deutliche Ver- besserungen durchgesetzt haben . Dort werden zukünftig Rahmenvereinbarungen mit Laufzeiten von bis zu sechs Jahren mit weiterer Verlängerungsoption möglich sein . Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits angekündigt, dass sie verstärkt längerfristige Rahmenverträge mit breiterer Produktpalette abschließen wird . Das bietet gro- ße Vorteile für die Träger: Sie gewinnen deutlich mehr Planungssicherheit, und sie haben weniger Aufwand durch kleinteilige Vergabeverfahren . Noch viel wichtiger ist aber die Qualität . Arbeitsmarktdienstleistungen lassen sich nämlich nicht allein über den Preis bestimmen . Hier treffen ganz verschiedene Menschen mit ganz verschie- denen Bedürfnissen aufeinander . Darauf muss die Quali- tät der Dienstleistung abgestimmt sein . Es ist daher genau richtig, die Gewichtung der Quali- tät zukünftig nicht mehr auf 25 Prozent zu beschränken . Im Vergleich zum Referentenentwurf haben wir konkre- te Qualitätskriterien durchgesetzt . Die Verordnung stellt nun klar, dass über die Integrationsquoten hinaus auch Abbruchquoten, Bildungsabschlüsse und die Zufrieden- heit des Auftraggebers in die Bewertung einfließen kön- nen . So vermeiden wir auch eine Bestenauslese bei den Teilnehmenden, den sogenannten Creaming-Effekt . Wir haben den positiven Rahmen für das Vergaberecht gesetzt . Nun muss die Bundesagentur für Arbeit diesen mit Leben füllen . Ich habe keinen Zweifel, dass sie das tun wird . Herr Keck von der Bundesagentur für Arbeit hat bei der Anhörung letzte Woche gesagt: Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg, hier in die Arbeitsmarktdienst- leistungen mehr Qualität hineinzubringen . – Dem ist nichts hinzuzufügen! Marcus Held (SPD): Heute behandeln wir abschlie- ßend die Verordnung zur Modernisierung des Vergabe- rechts . Bereits Ende Dezember haben wir hier im Deutschen Bundestag das Vergaberecht beschlossen . Die weiteren parlamentarischen Beratungen zur Vergabeverordnung waren nötig, weil wir uns in der Koalition darauf ver- ständigt haben, dass es zu der Verordnung einen Parla- mentsvorbehalt geben soll . Deswegen gab es auch noch einmal eine öffentliche Anhörung, bei der alle Argumen- te vonseiten der Architektenverbände, Industrieverbän- de, Sozialverbände und Umweltverbände ausgetauscht werden konnten . Es kann nun keiner behaupten, dass die Modernisie- rung des Vergabegesetzes nicht gründlich vorgenommen wurde . Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, viele Gespräche geführt und gründlich abgewogen . Meiner Meinung nach ist das Gesetz nicht nur äußerst gelungen, sondern es ist auch Vorbild und Anreiz für die Bundes- länder, ebenfalls ihre Vergabegesetze zu modernisieren . Die Verordnung zur Modernisierung des Vergabe- rechts regelt übersichtlich und leicht handhabbar die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen . Für Unternehmen ebenso wie für die öffentliche Hand und Kommunen wird es zukünftig einfacher und unbüro- kratischer werden, die für sie einschlägigen Vorschriften genau zu ermitteln und anzuwenden . So hatten wir es vorgehabt, so haben wir es auch umgesetzt . Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben un- ser Versprechen gehalten, das Vergaberecht anwender- freundlicher, unbürokratischer und einfacher zu machen . Besonders stolz bin ich darauf, dass wir im Gesetz, das im Dezember beschlossen wurde, den Personalübergang beim Schienenpersonennahverkehr sichergestellt haben . Damit müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Sektor keine Angst mehr vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben, nur weil ein neuer, möglicherweise Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615660 (A) (C) (B) (D) privater Anbieter eine Strecke übernimmt . Wir durchbre- chen somit Sozialdumping durch diese wichtige neue Re- gelung im Vergaberecht . Die Kriterien für Vergaben liegen uns durch Gesetz und Verordnung ohnehin sehr stark am Herzen . Deshalb freuen wir uns, allen Vergabestellen für die Zukunft er- möglicht zu haben, soziale und ökologische Aspekte zum Vergabekriterium zu machen . Und wer nach diesen Tatsachen immer noch der Mei- nung sein sollte, das neue Vergaberecht sei nicht sozial genug, den möchte ich auf § 36 der heute zu beschlie- ßenden Verordnung hinweisen . Denn hier kann künftig der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntma- chung das Unternehmen auffordern, bei Angebotsabgabe nicht nur die Teile des Auftrages, die im Wege der Un- terauftragsvergabe an Dritte vergeben werden sollen, zu benennen, sondern auch das beabsichtigte Unternehmen anzugeben . Gleichsam ist es möglich, dass der Nachweis erbracht wird, dass dieser Unterauftragsnehmer auch die nötigen sozialen Kriterien erfüllt . Wichtig war uns in der Diskussion des Weiteren, dass gerade soziale Dienstleistungen mit einem hohen Qua- litätsniveau versehen werden können . Dies regelt in der Verordnung nun ganz explizit der § 65, indem er öffent- lichen Auftraggebern bereits verschiedene Vergabever- fahren ermöglicht, die zu einem viel engeren Kontakt zwischen Auftraggebern und dem künftigen Beauftrag- ten führen . Hier wollen wir in den kommenden Jahren ganz genau hinschauen und prüfen, ob gerade die großen Auftraggeber, die im Eigentum des Bundes stehen, diese Möglichkeiten der Qualitätssicherung auch nutzen . Bevor ich zum Ende komme, möchte ich nun an die Länder appellieren, ihr jeweils geltendes Vergaberecht ebenfalls zu modernisieren und unseren Regelungen in Gesetz und Verordnung möglichst schnell anzupassen, nicht zuletzt deshalb, weil dies zu einer Vereinfachung für die Bieter und damit für die Wirtschaft wird . Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch danken: nicht nur meinen beiden Berichterstatterkolleginnen von der Union für die gute Zusammenarbeit, sondern auch den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundeswirtschaftsministerium, zu guter Letzt auch mei- nen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundes- tagsfraktion für ihre Anregungen und unserem Bundes- wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sich für diese mittelstandsfreundliche Modernisierung starkgemacht hat . Jutta Krellmann (DIE LINKE): Was hat das Verga- bemodernisierungsgesetz samt Verordnung mit den Men- schen in diesem Land zu tun? Der Staat vergibt Aufträge in Höhe von 400 Milliarden Euro, und viele Menschen könnten da gute Arbeit finden. Die vorliegende Verord- nung verbessert nun, was im Gesetz von der Bundes- regierung noch verpennt wurde . So könnte ein erster Schritt zu einer fairen öffentlichen Auftragsvergabe mög- lich sein . Selbst die EU hat dazu Spielräume eröffnet, um die öffentliche Auftragsvergabe unter anderem nach so- zialen Kriterien zu gestalten . Und Deutschland hat das nicht genutzt . Leider fehlen in der vorliegenden Verordnung Rege- lungen, die möglich und wichtig gewesen wären . Jetzt müssen Sie hier alle ganz tapfer sein, denn ich erkläre Ihnen das jetzt ganz kurz anhand von sechs Beispielen . Erstens: Es geht um einen fairen Wettbewerb, und der findet nicht über den Preis, sondern über die Quali- tät statt . Das heißt, soziale Standards müssen zwingend berücksichtigt werden . Nur so entsteht Wettbewerb ohne Lohndumping . Wir fordern eine „Muss“- statt einer „Kann“-Regelung Zweitens: Öffentliche Aufträge dürfen nur an tarif- gebundene Unternehmen vergeben werden . Das allein stärkt die Tarifautonomie . Drittens: Auch Subunternehmer müssen die Kriterien der Auftragsvergabe einhalten . Das fehlt ebenfalls in der Verordnung . Viertens: Alle Subunternehmen müssen selbstver- ständlich dem öffentlichen Auftraggeber genannt wer- den, und nicht nur „wenn zumutbar“, so wie es in der Verordnung steht . Da komme ich auch direkt zu Fünftens: Dieses ganze „Sub-Sub-Sub-Unternehmertum“ muss auf eine über- schaubare Anzahl von Ebenen begrenzt werden . So ma- chen es beispielsweise längst die Spanier . Grenze liegt bei vier Subunternehmer-Ebenen . Warum geht das nicht auch in Deutschland? Jetzt haben Sie so lange durchgehalten, und jetzt kom- me ich auch schon zu Sechstens: Bei sozialen Dienstleis- tungen, wie zum Beispiel der Alten- oder Krankenpflege, muss die Weitergabe an Subunternehmer grundsätzlich verboten werden . Hier muss der Auftraggeber die direkte Kontrolle über die Leistung behalten . Und für all das braucht es selbstverständlich wirksa- me Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten . Davon steht nichts in der Verordnung . Ich rede hier von Vertragsstra- fen . Bis zur fristlosen Kündigung des Auftrags muss bei Verstößen alles möglich sein . Aber alles in allem – das gebe ich zu – gibt es in der Verordnung schon eine kleine Verbesserung gegenüber dem Gesetz . Aus diesem Grund wird sich die Linke bei der Abstimmung enthalten . Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kurz vor Weihnachten haben wir hier im Bundestag Ihr Gesetz zur Vergaberechtsreform debattiert . Wir hatten an Ihrem Gesetzentwurf einiges auszusetzen und haben Sie dafür kritisiert, dass Sie die sehr gelungene Vorlage der Europäischen Union so unentschlossen umgesetzt haben . In einem Punkt waren wir uns aber einig: Weil in die- ser Verordnung so viele wichtige Fragen für die Vergabe geregelt werden, müssen wir uns die Verordnung genau- so wie das Gesetz ansehen und darüber am Ende auch abstimmen . Hier waren wir einer Meinung, und es ist gut, dass der Bundestag sich in den Ausschüssen und im Rah- men einer Anhörung mit dieser Verordnung befasst hat . Allerdings haben wir mit diesem Verfahren natürlich auch die Hoffnung verbunden, dass Sie dem Gesetz mit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15661 (A) (C) (B) (D) der Verordnung zumindest eine präzisere und passendere Ausgestaltung geben und auf die Kritikpunkte eingehen, die von vielen Gruppen an Sie herangetragen wurden . Denn schon im Gesetzgebungsverfahren gab es deut- liche und fundierte Kritik an Ihrer Umsetzung . Diese Kritik hat sich nun anhand der Vergabeverordnung – ich muss wirklich sagen: leider! – beinahe deckungsgleich wiederholt . Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss in der letzten Woche war in einigen Teilen ein echtes Déjà-vu . Dort trugen Vertreter von Gewerkschaften, der freien Wohl- fahrt und der Sozialverbände und Experten für Entwick- lungszusammenarbeit viele der Kritikpunkte vor, die sie bereits in der Anhörung zum Gesetz genannt hatten . Und genau wie beim Gesetz hat die Bundesregierung auch hier viele der wichtigen und sinnvollen Hinweise und Vorschläge einfach in den Wind geschlagen: – Es ist unverständlich, wenn Sie auf der der einen Seite eine Eins-zu-eins Umsetzung der EU-Richtlinien ankündigen, dann aber wichtige Bausteine ignorieren . So sieht die Richtlinie zum Beispiel vor, dass die Qua- lität von Leistungen im sozialen Bereich besonders gesi- chert werden muss . Qualität ist der entscheidende Faktor, wenn es um Dienstleistungen am Menschen geht – in Ihrem Gesetz und in Ihrer Verordnung finden wir dazu aber nichts . – Die richtigen und überfälligen Ansätze der EU-Richt- linie, mehr Transparenz in die Lieferketten in der Verga- be zu bringen, schwächen Sie mit Ihrer Verordnung . Sie stellen das Angeben von Informationen über Unterauf- tragnehmer unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit . Damit lassen Sie zu, dass weniger, nicht mehr Transparenz ge- schaffen wird . Das ist ein Schritt in die falsche Richtung . – Die Regeln zum Umgang mit Gütezeichen, die Sie erarbeitet haben, sind geeignet, etablierte und gerade für die Verbesserung der humanitären Situation in Entwick- lungsländern wichtige Gütezeichen wie das Fair- Trade- Siegel in ihrer Bedeutung einzuschränken und zu schwä- chen . Auch das ist das Gegenteil von dem, was eigentlich nötig wäre . Die Vorlagen der EU waren wirklich gut . Was Sie daraus gemacht haben, ist einfach zu wenig . Ja, es gibt gute Ansätze . Aber angesichts der großen Bedeutung, die die Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe für die Art und Weise unseres Wirtschaftens haben, reicht das nicht . Auch mit Ihrer Verordnung vergeben Sie eine gro- ße Chance, und das werden wir nicht mittragen . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung zu dem Antrag der Frak- tionen der CDU/CSU und SPD: UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda konse- quent umsetzen – des Antrags der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltige Ent- wicklungsziele in Deutschland konsequent um- setzen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Stefan Rebmann (SPD): 2015 war ein Jahr zahlrei- cher Konferenzen, die für uns Entwicklungspolitiker von großer Bedeutung waren – Elmau Addis Abeba, New York, Paris –, und ich finde, im Großen und Ganzen kann man mit ein paar Abstrichen schon sagen: Es waren er- folgreiche Konferenzen und Gipfel . Die Entwicklungspolitik kommt ja – auch wegen der aktuellen Situation und der enormen weltweiten Flucht- und Wanderungsbewegungen – immer mehr in den öf- fentlichen und vor allem politischen Fokus . Nun sind die großen Gipfel aber vorbei; jetzt geht es darum, das Er- reichte auch umzusetzen . Dazu brauchen wir das langfristige Engagement vieler Akteure und aller Politikbereiche und Ressorts, denn die SDGs beinhalten einen ganzen Katalog an Arbeitsaufträ- gen – für uns alle . Und im Gegensatz zu den MDGs, den Millenniums- zielen, gelten die UN-Nachhaltigkeitsziele, die SDGs, für alle Staaten gleichermaßen, egal ob es sich um Ent- wicklungs- oder Industrieländer handelt . Mit den neuen Nachhaltigkeitszielen verabschieden wir uns also von der klassischen Geber-Nehmer-Struktur . Es ist die Abkehr von der Annahme, dass sich die soge- nannten Entwicklungsländer – die Länder des Globalen Südens – zwangsweise nach dem Vorbild der Industrie- nationen entwickeln müssen . Die SDGs haben eine wesentliche Eigenschaft: Sie umfassen alle Lebens- und Politikbereiche . Und das bedeutet auch: Erstens . Wir müssen auch vor unserer eigenen Haustü- re kehren; auch wir sind Entwicklungsland . Zweitens. Entwicklungszusammenarbeit findet in Zu- kunft auf Augenhöhe statt . Drittens . Es bedarf eines hohen Maßes an Kohärenz und Kommunikationsbereitschaft zwischen den ver- schiedenen Politikbereichen und den handelnden Akteu- ren – und das ist, glaube ich, eine enorme kommunikati- ve Herausforderung und leichter gesagt als getan . Bei aller – zum Teil ja auch berechtigter – Kritik an den SDGs kann nicht geleugnet werden: Die SDGs stel- len einen Paradigmenwechsel innerhalb der Entwick- lungszusammenarbeit dar, und der ist auch bitter nötig . In einer zunehmend globalisierten Welt hängt alles mit allem zusammen . Das gilt für den Klimaschutz wie für Krankheiten und Seuchen, die nicht an Grenzen haltmachen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615662 (A) (C) (B) (D) Und deshalb ist es auch notwendig, dass wir das SDG Gesundheit und das Ziel, Aids, Tuberkulose und Malaria bis 2030 endgültig zu besiegen, ernsthaft angehen . Es ist möglich; dazu müssen wir aber jetzt und nicht morgen oder übermorgen investieren, und wir dürfen es nicht zulassen, dass Krieg und Fluchtbewegungen zum Pull- faktor für diese Krankheiten werden . Deshalb müssen wir jetzt die Ressourcen zur Verfügung stellen, wenn es darum geht, in den Aufnahmeländern rund um Syrien die entsprechenden Strukturen, zum Beispiel durch den GFATM, zu schaffen . Auch das ist konsequente Umset- zung der SDGs . Alles hängt mit allem zusammen . Das gilt für ver- fehlte Städtebau- und Kommunalpolitiken, für verfehlte Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik in vielen Staaten . Das gilt für das Auseinanderdriften von Arm und Reich, für die wachsende Zahl der Armen, der Arbeitslosen, der von der Gesellschaft abgehängten, verstoßenen, ungebil- deten, perspektivlosen und verzweifelten Menschen, die dann oftmals als Rekrutierungszielgruppen im Fokus von allen möglichen wirren Gruppierungen, wie „Angst für Deutschland“, AfD, Extremisten und Rattenfängern die- ser Welt bis hin zum IS stehen . Das gilt für unser Konsumverhalten und die Gier nach immer günstigeren Produkten, die Unternehmen dazu verleiten, zu menschenunwürdigen Arbeitsbedin- gungen zu produzieren, und damit zu Ausbeutung von Menschen und nicht selten auch von Kindern führt . Wir können nicht von menschenunwürdiger Arbeit profitie- ren und gleichzeitig abfällig von Wirtschaftsflüchtlingen sprechen und uns wundern, wenn sich Menschen auf den Weg machen . Die Liste der Wechselwirkungen könnte ich fortfüh- ren – nur helfen würde es niemandem . Fragen wir lieber: Was können wir, was kann Deutschland tun? – Ich finde, eine ganze Menge! Deutschland muss die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte ehrgeizig in nationales Recht umsetzen . Mit unserem NAP sind wir unter Beteiligung vieler Ressorts gerade dabei, Regeln zu schaffen . Aus meiner Sicht müssen das übrigens Regeln sein, die aus einem intelligenten Mix aus freiwilligen und sanktionierbaren verbindlichen Regeln bestehen, die die Unternehmen in die Pflicht nehmen, die Menschenrechte entlang ihrer gesamten Lieferkette zu wahren . Ich hoffe, wir schaffen das, auch wenn ich hin und wieder geneigt bin, dem Eindruck nachzugeben, dass in der einen oder anderen Ministeriumsamtsstube verbindliche Regeln als Todsünde und Teufelszeug betrachtet und entsprechend bekämpft werden . Deutschland muss die SDGs konsequent umsetzen, anwenden, und wir müssen Fehlentwicklungen nicht als Niederlagen begreifen, sondern als Lernprozess verste- hen, Fehler erkennen und korrigieren . Wir müssen uns auch mit dem Thema Steuerflucht auseinandersetzen. Steuerflucht und Steuervermeidung sind nicht nur hier bei uns ein großes Problem, son- dern es ist auch ein riesiges Entwicklungshemmnis . Den Entwicklungsländern gehen dadurch jährlich min- destens 100 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen verloren – Mittel, die für eine nachhaltige Entwicklung dringend notwendig sind . Deshalb müssen wir Steuer- flucht und Steuervermeidungsmodelle bei uns und in den EZ-Ländern bekämpfen . Ich meine, das ist eine reizvolle Aufgabe als angewendete SDG-Politik, nicht nur für Ent- wicklungspolitiker, sondern auch und gerade für Finanz- politiker, denn alles hängt mit allem zusammen . Lassen Sie uns gemeinsam die SDGs umsetzen! All jenen, die wieder mit Unkenrufen um die Ecke kommen, alles schlechtreden, jetzt schon wissen, was alles falsch ist, und sagen: „Wo kommen wir da denn hin, wenn wir das so und so machen?“, sage ich: Ja, genau! Wo kommen wir da hin, wenn jeder nur sagen würde: „Wo kommen wir da hin?“, ohne dass einer ginge, um nachzusehen, wo wir denn hinkönnen? Wo kommen wir denn da hin?! Anlage 19 Neudruck: Antwort des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Fra- ge des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/7603, Frage 10): Sieht sich die Bundesregierung als Gesellschafterin der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH veranlasst, aufgrund der Feststellungen bezüglich des Verfahrens der Prüfung der Organhaftung (Abschnitt F) in der Mitteilung des Landesrech- nungshofes Brandenburg über die „Prüfung der Betätigung des Landes Brandenburg als Gesellschafter der FBB GmbH im Zusammenhang mit den Kostensteigerungen und Verzöge- rungen beim Bau des Flughafens BER“ eine erneute Prüfung der Organhaftung vorzunehmen, und wird sie diesbezüglich gegenüber den Mitgesellschaftern, den Ländern Berlin und Brandenburg, Initiative ergreifen? Die Bundesregierung sieht sich nicht zu einer erneuten Prüfung der Organhaftung veranlasst . Die an der Flugha- fen Berlin Brandenburg GmbH beteiligten Gebietskör- perschaften unterliegen jeweils einer eigenen Finanzkon- trolle durch ihre Rechnungshöfe . Für die Finanzkontrolle der Bundesregierung ist der Bundesrechnungshof zustän- dig . Der Bundesrechnungshof hat die Haftungsprüfung nicht beanstandet . (157 . Sitzung, Anlage 7) Anlage 20 Neudruck: Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LIN- KE) (Drucksache 18/7603, Frage 13): Welche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 30 . Jah- restag der atomaren Katastrophe von Tschernobyl finden im Jahr 2016 unter Mitwirkung oder Unterstützung der Bundes- regierung statt (bitte die einzelnen Aktivitäten und das jeweils zuständige Bundesministerium nennen), und welche weiteren Aktivitäten mit deutscher Beteiligung sind der Bundesregie- rung darüber hinaus bekannt? In Zusammenhang mit dem 30 . Jahrestag der Reaktor- katastrophe von Tschernobyl plant das Bundesministeri- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15663 (A) (C) (B) (D) um für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Jahr 2016 folgende Aktivitäten, die sich in das 30-jäh- rige Jubiläum des Bundesministeriums für Umwelt, Na- turschutz, Bau und Reaktorsicherheit einreihen: – Reise der Bundesministerin für Umwelt, Natur- schutz, Bau und Reaktorsicherheit nach Tscherno- byl vom 20 . bis zum 22 . März 2016, – Öffentliche Fachkonferenz „Den Atomausstieg vollenden – 30 Jahre nach Tschernobyl“ am 6 . Ap- ril 2016, – Magazin „30 Jahre nach Tschernobyl“, Veröf- fentlichung als Zeitungsbeilage im April des Jah- res 2016 . (157 . Sitzung, Anlage 8) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 158. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Einführung beschleunigter Asylverfahren TOP 4 Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse TOP 5 Integrationspolitik TOP 25, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 26 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Intelligente Mobilität im Verkehrssektor TOP 7 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung TOP 8 Befristungen im öffentlichen Dienst TOP 9 Europäisches Einlagenversicherungssystems TOP 10 Gedenken an den Völkermord an den Armeniern TOP 11 Umsetzung der Richtlinie zu Zahlungskonten TOP 12 Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 TOP 13 Änderung des Bundesstatistikgesetzes TOP 14 Private Altersvorsorge TOP 15 Änderung des Designgesetzes TOP 16 Medizinische Versorgung für Geflüchtete TOP 17 Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts TOP 18 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda ZP 3 Änderung des Düngegesetzes Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815800000

Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zu unserer Plenarsitzung . Vor Eintritt in die
Tagesordnung möchte ich der Kollegin Eva Bulling-
Schröter herzlich zu ihrem 60 . Geburtstag gratulieren,
den sie vor wenigen Tagen gefeiert hat .


(Beifall)


Alle guten Wünsche des Hauses für das neue Lebensjahr .

Wir müssen noch eine Schriftführerwahl durchführen .
Die SPD-Fraktion schlägt vor, die Kollegin Dr. Dorothee
Schlegel als Nachfolgerin für den Kollegen Detlev Pilger
als Schriftführerin zu berufen . Können Sie sich damit
anfreunden?


(Stefan Rebmann [SPD]: Vorstellung!)


– Trotz vorgetäuschter schwerwiegender Bedenken in
den Reihen der eigenen Fraktion stelle ich hierzu das
Einvernehmen des Hauses fest .


(Heiterkeit)


Dann ist die Kollegin Schlegel hiermit als Schriftführerin
bestellt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tages-
ordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten
Punkte zu erweitern:
ZP 1 Vereinbarte Debatte

zu den Ereignissen von Clausnitz und Baut-
zen

(siehe 157 . Sitzung)


ZP 2 Weitere Überweisung im vereinfachten Ver-
fahren

(Ergänzung zu TOP 25)


Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Für mehr Transparenz in der Internationalen
Atomenergie-Organisation sowie eine starke
und unabhängige Weltgesundheitsorganisati-
on

Drucksache 18/7658
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Federführung strittig

ZP 3 Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes
zur Änderung des Düngegesetzes und anderer
Vorschriften

Drucksache 18/7557
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit

ZP 4 Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen-
nenden Mitglieder des Kuratoriums des Deut-
schen Instituts für Menschenrechte gemäß § 6
Absatz 2 Nummer 4 und 5 des Gesetzes über
die Rechtsstellung und Aufgaben des Deut-
schen Instituts für Menschenrechte – DIMRG

Drucksache 18/7703

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden . Sind Sie auch mit
dieser Vereinbarung einverstanden? – Das ist offenkun-
dig der Fall . Also können wir so verfahren .

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren

Drucksache 18/7538

– Zweite und dritte Beratung des von den Ab-
geordneten Luise Amtsberg, Volker Beck






(A) (C)



(B) (D)



(Köln), Katja Keul, weiteren Abgeordneten

und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes –
Streichung der obligatorischen Widerrufs-
prüfung

Drucksache 18/6202

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)


Drucksachen 18/7645, 18/7685

b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur erleichterten Auswei-
sung von straffälligen Ausländern und zum
erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsaner-
kennung bei straffälligen Asylbewerbern

Drucksache 18/7537

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)


Drucksachen 18/7646, 18/7686

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Familie, Seni-
oren, Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner,
Dr . Konstantin von Notz, Dr . Franziska Brantner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstauf-
nahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsun-
terkünften besser schützen

Drucksachen 18/6646, 18/7697

Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD zur Einführung beschleunigter Asylverfahren
werden wir später zwei namentliche Abstimmungen
durchführen .

Zu diesem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dauer von 77 Minuten vorgesehen . –
Auch dazu gibt es offenkundig Einvernehmen . Also ver-
fahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst für die Bundesregierung dem Parlamentarischen
Staatssekretär Ole Schröder .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1815800100


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren!

Wer sichtbar hilft, produziert unter Umständen
mehr Nachfrage nach solcher Hilfe, als er befriedi-

gen will und kann … Diesem Problem muss man
sich stellen .

Das sind die Worte von Gertrude Lübbe-Wolff, von 2002
bis 2014 Richterin am Bundesverfassungsgericht .

Wenn wir uns der Flüchtlingskrise als einer der größ-
ten humanitären Herausforderungen der Nachkriegsge-
schichte stellen, dann müssen wir uns gerade auch der
Herausforderung für die Aufnahmefähigkeit unserer
Gesellschaft und unserer Systeme, insbesondere unseres
Aufnahmesystems, stellen und entschlossen die notwen-
digen Konsequenzen daraus ziehen .

Eine dieser Konsequenzen ist das vorliegende Ge-
setzespaket, das wir heute beraten und von dem fünf
deutliche Signale ausgehen: erstens Schutz und Hil-
fe nur für die, die wirklich Schutz und Hilfe brauchen;
zweitens schnellere und entschlossene Rückführung von
Menschen, die nur behaupten, Schutz zu suchen, aber in
Wahrheit aus anderen Gründen nach Deutschland kom-
men; drittens härterer Umgang mit denen, die im Asyl-
verfahren nicht mitwirken oder sich durch Tricks einen
längeren Aufenthalt in Deutschland erschleichen wollen .

Viertens . Für ausländische Straftäter gibt es keine Zu-
kunft in Deutschland . Wir werden sie zukünftig schneller
aus unserem Land ausweisen .

Fünftens – das ist ein ganz wichtiger Punkt –: Eine
Gesellschaft, die hilft, hat ein zwingendes Interesse da-
ran, die eigene Fähigkeit zur Hilfe und zur Integration
zu erhalten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieses Interesse ist Pflicht und Auftrag für die Politik in
Deutschland . Dieses Interesse teilen wir mit allen Men-
schen, auch mit denjenigen, die zu uns gekommen sind
und selbst Migranten waren .

Die Bundesrepublik hat das Ziel, den Flüchtlings-
strom dauerhaft und nachhaltig spürbar zu reduzieren .
Daran arbeiten wir, und daran werden wir uns in den
nächsten Monaten auch messen lassen . Wir tun das mit
großem Einsatz in Europa, mit internationalen Maßnah-
men, Stichwort „Türkei“ . Ich verweise auf das Bemühen
unseres Außenministers um eine Waffenruhe in Syrien
oder auf die internationale Geberkonferenz . Wir tun das
natürlich auch national, unter anderem mit den Maßnah-
men, die wir heute im Plenum beraten und beschließen
werden .

Drei dieser Maßnahmen sind mir besonders wichtig .
Ich beginne mit dem beschleunigten Verfahren . Wir sa-
gen jetzt: Wir entscheiden noch schneller über Antrag-
steller aus sicheren Herkunftsstaaten und über Personen,
die sich der Mitwirkung an einem ordentlichen Verfahren
verweigern, zum Beispiel, weil sie ihre Fingerabdrücke
nicht abgeben wollen, über ihre Identität täuschen oder
ihre Identitätsdokumente einfach vernichten . Es ist nicht
zu viel verlangt von jemandem, der einen Asylantrag in
Deutschland stellt, dass er seinen Namen nennt, wahr-
heitsgemäß sagt, aus welchem Land er kommt, und sich
am Asylverfahren angemessen beteiligt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Wer das nicht macht, dem können wir auch kein Asyl-
recht in Deutschland einräumen, der muss unser Land
wieder verlassen . Das müssen wir auch so deutlich sagen .
Mitwirken, die Wahrheit sagen und seine Ausweisdoku-
mente vorlegen, das ist eine legitime Erwartung in einem
Rechtsstaat . Verstöße dagegen werden wir jetzt stärker
als bisher mit Sanktionen belegen . Diese Ordnung ist
auch wichtig für die Bereitschaft der Bevölkerung, wei-
ter Flüchtlinge aufzunehmen . Sie ist fair gegenüber der
weit überwiegenden Zahl von Antragstellern, die sich or-
dentlich dem Asylverfahren in Deutschland stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mein zweiter Punkt, Abschiebehindernisse . Welchen
medizinischen Standard verlangen wir im Herkunfts-
land? Auch hier treffen wir eine grundsätzliche Entschei-
dung . Wir sagen: Für eine Abschiebung muss es eine so-
lide, angemessene medizinische Versorgung geben . Aber
wir können im Zielstaat nicht die gleiche medizinische
Versorgung auf allerhöchstem Niveau erwarten, wie wir
sie hier in Deutschland kennen . Wann müssen Atteste
vorgelegt werden? Diese Frage ist wichtig, weil manche
Ausreisepflichtige Atteste zurückhalten und am Tag der
Rückführung überraschend vorlegen, um einer Abschie-
bung zuvorzukommen . Wir regeln jetzt, dass eine ärzt-
liche Bescheinigung, die die Abschiebung verhindert,
unverzüglich nach deren Ausstellung bei der Ausländer-
behörde vorgelegt werden muss . Der weit verbreiteten
Praxis der sogenannten Atteste auf Vorrat bereiten wir
damit ein Ende .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir helfen in Deutschland denen, die Schutz brauchen .
Aber wir sagen auch: Die Motivation, nach Deutschland
zu kommen, muss Schutz oder Flucht und darf nichts an-
deres sein .

Die dritte Maßnahme, die ich ansprechen möchte, ist
die Einschränkung des Familiennachzugs . Wir müssen
und werden die Aufnahmefähigkeit unseres Landes auf-
rechterhalten . Diesem Ziel dient die Einschränkung des
Familiennachzugs . Den Kritikern sage ich: Die Koalition
hat sich diese Entscheidung wahrlich nicht einfach ge-
macht .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie hat es trotzdem falsch gemacht! – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Mein Gott!)


Aber, meine Damen und Herren, sie ist dringend er-
forderlich . Unser Land hat auch unter moralischen Ge-
sichtspunkten keine Pflicht, sich selbst und seine Bürger
durch humanitäre Hilfe zu überfordern .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut es auch nicht!)


Deshalb ist diese Entscheidung richtig und notwendig .

Noch ein letzter Punkt: Es ist viel gesagt worden über
die Konsequenzen der Silvesternacht in Köln . Auch ich
habe hier bereits zu diesem Thema gesprochen . Deswe-
gen will ich an dieser Stelle nur Folgendes sagen: Viel-
leicht glauben manche, dass das friedliche Zusammenle-

ben in Deutschland eine Selbstverständlichkeit darstellt .
Aber: Unsere Art zu leben, die Gleichberechtigung von
Mann und Frau, die Toleranz gegenüber unterschiedli-
chen Lebensentwürfen und die Freiheit, die wir kennen –


(Zuruf von der LINKEN: Seit wann interessiert Sie die denn? – Jan Korte [DIE LINKE]: Ein Uranliegen der CDU!)


all das ist nicht in allen Ländern und Kulturen der Welt
selbstverständlich .


(Zuruf von der SPD: Auch bei uns in Deutschland nicht!)


Das gilt zum Teil eben auch für die Herkunftsländer der
Menschen, die derzeit zu uns kommen .

Deswegen sage ich deutlich: Einer Haltung, die den
Respekt und die Achtung zum Beispiel gegenüber einer
Frau von der Begleitung eines Mannes, vom Tragen be-
stimmter Kleidung oder von irgendetwas anderem ab-
hängig macht, werden wir uns entgegenstellen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch wenn diese Haltung mit Religion begründet wird,
hat jedenfalls dieses Verständnis von Religion bei uns im
Land nichts zu suchen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In unserem Land gibt es Regeln, die für alle Menschen
und alle Situationen gelten, unabhängig von Geschlecht
oder Glauben .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie mal was Neues, bitte!)


Sie werden von keiner anderen Kultur und von keiner
Religion relativiert .

Meine Damen und Herren, das muss die Botschaft
sein . Ihre Durchsetzung ist unser aller Auftrag . Daran
müssen wir denken .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815800200

Das Wort hat nun der Kollege Jan Korte für die Frak-

tion Die Linke .


Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815800300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am

26 . Mai 1993 beschloss der damalige Bundestag in Bonn
die bis dato schlimmste Zertrümmerung des Grundrechts
auf Asyl . Gregor Gysi sagte in der damaligen Debatte
zum Klima dieser Debatte:

Außer Kraft gesetzt wurden die Maßstäbe der
Menschlichkeit und der Vernunft .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war damals schon falsch!)


Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder






(A) (C)



(B) (D)


Nur drei Tage später, am 29 . Mai 1993, gab es den
Anschlag in Solingen mit fünf Toten . In 23 Jahren wurde
offenbar nichts gelernt in diesem Haus .


(Beifall bei der LINKEN)


Jedes Antiasylpaket, das am konkreten Problem nichts,
aber auch gar nichts ändert, ist eine indirekte Bestätigung
von Hetzern und Menschenfeinden; um es einmal ganz
klar zu sagen .


(Beifall bei der LINKEN)


Heute wird nun das Asylpaket II beraten, das richtiger-
weise Antiasylpaket II heißen muss: mit beschleunigten
Verfahren in speziellen Aufnahmeeinrichtungen, mit Ab-
schiebung übrigens auch von traumatisierten Menschen
und – das ist wirklich der größte Hammer bei der ganzen
Sache – mit der Behinderung des Familiennachzugs auch
bei Minderjährigen .

Die Folge davon wird sein, dass sich Frauen, Kinder
und Männer wieder über das Mittelmeer auf den Weg
machen werden . Seit September sind 340 Kinder im Mit-
telmeer elendig ertrunken . Es kann doch nicht sein, dass
wir hier so etwas beschließen sollen, was das befördert,
liebe Kolleginnen und Kollegen . Unfassbar!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dieser Debatte – man muss versuchen, das ein we-
nig geradezurücken – wollen wir ein paar Anmerkungen
zu der Begleitmusik machen, zunächst einmal zum baye-
rischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer . Der redet in
der jetzigen Situation allen Ernstes von einer Herrschaft
des Unrechts . Das ist auf der einen Seite dermaßen abge-
dreht und lächerlich, aber auf der anderen Seite – das ist
das eigentliche Problem – ist es so dermaßen gefährlich .

Im Übrigen benutzt er eine Begrifflichkeit, die damals
Fritz Bauer benutzt hat, als er den Vorwurf erhoben hat,
Deutschland sei unter dem Nationalsozialismus ein Un-
rechtsstaat gewesen . Das ist bodenlos und abgrundtief, es
ist nicht zu fassen; deshalb müssen wir uns gemeinsam
dagegen verwahren .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es sind zurzeit Wahlkämpfe, was dazu führt, dass es
auf konservativer Seite offenbar kein Halten mehr gibt .
Ich möchte etwas zu Julia Klöckner und Guido Wolf sa-
gen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sagen Sie zwischendurch mal was zum Gesetzentwurf!)


Letzterer ist eine politische Fachkraft aus Baden-Würt-
temberg, die keiner kennt; deswegen will ich sie erwäh-
nen .


(Heiterkeit bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Gerede über Tageskontingente geht an der
Verfassung und an den Grundrechten völlig vorbei . Wir
wollen einmal versuchen, historisch einzuordnen, was

das eigentlich bedeutet . Nehmen wir einmal ein Beispiel,
nämlich Willy Brandt, der 1934 ins Exil nach Dänemark
und Norwegen gehen konnte . Wenn es in diesen Län-
dern damals Tageskontingente gegeben hätte, was hätte
die Folge sein können? Vielleicht: Entschuldigung, es
ist 13 Uhr, das Tageskontingent ist voll, bitte gehen Sie
zurück . – Das kann doch nicht allen Ernstes Grundlage
einer seriösen Debatte sein; – um es klar zu sagen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Freundinnen und Freunde von der SPD, ihr
müsst euch deshalb genau überlegen, mit wem ihr hier
eigentlich zusammenarbeitet und wer so etwas fordert .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will sagen: Logischerweise brauchen wir eine eu-
ropäische Lösung. Ich finde, Merkel muss mehr Druck
machen .


(Lachen bei der CDU/CSU)


Ich finde auch, sie soll nicht mit Erdogan paktieren.
Ich will nur eines sagen: Sie kann in Europa gar keinen
Druck entfalten, wenn Sie, ihre eigenen Leute, sie jeden
Tag demontieren . Wie soll das denn funktionieren; – um
es einmal klar zu sagen?


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Es ist doch ein Witz, dass ich, ein Linker, Sie darauf hin-
weisen muss . Da stimmt doch etwas nicht .

In drei Monaten haben wir nun zwei Antiasylpakete;
Sie haben schon angekündigt, dass das dritte kommen
wird . Ich frage mich natürlich: Wo ist eigentlich ein
umfangreiches Integrationspaket? Wo ist eigentlich das
große Fluchtursachenbekämpfungspaket? Wir haben Re-
kordwaffenexporte wie noch nie in der Bundesrepublik .
Jetzt werden Sie sagen: Die Waffenexporte zu reduzieren,
hilft uns morgen nicht . – Das mag sein, aber wir müssen
doch irgendwann einmal anfangen, diesen Irrsinn zu be-
enden . Das kann doch nicht wahr sein .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben in dieser Woche den Armutsbericht gese-
hen . Die Armut grassiert in diesem Land .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Man sieht es Ihnen an! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!)


Ich frage mich: Wo ist die soziale Offensive? Wo ist die
Investition in den Wohnungsbau und in Bildung? Warum
packen Sie es nicht endlich an, die Kommunen vernünf-
tig finanziell auszustatten? Sie regen sich auf, aber ich
habe noch mehr . Es kommt noch mehr . Sie können sich
entspannen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jan Korte






(A) (C)



(B) (D)


Wo sind die Investitionen eigentlich? Das kann doch
nicht wahr sein .

Ich glaube in der Tat, dass sowohl Deutschland als
auch Europa an einem wirklichen Scheideweg sind, an
einem historischen Moment, wo sich entscheiden wird,
ob wir den Weg Ungarns gehen oder ob wir den Weg
der Solidarität, der Nächstenliebe, wie die Christen sa-
gen würden, und des sozialen Aufbruchs gehen wollen .
Das ist die Kernfrage . Deswegen brauchen wir nicht nur
einen Aufstand der Anständigen, sondern wir brauchen
einen anständigen Aufstand gegen Ihre Art, Politik zu
machen . Das ist zentral .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür brauchen wir jeden, dem es eiskalt den Rücken
herunterläuft, wenn von Menschen als Viehzeug gespro-
chen wird . Diese Menschen brauchen wir . Wir brauchen
die Kirchen und Wohlfahrtsverbände, die täglich ganz
leise und still Großartiges leisten . Sie brauchen wir .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen die jungen Menschen, die bei jedem Hass-
kommentar Tausende Gegenkommentare organisieren,
die volle Kante dagegenhalten . Diese Leute brauchen
wir .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen eigentlich auch eine sozialdemokratische
Partei, die eine klare, unzweideutige Haltung hat, auch
aus ihrer Geschichte abgeleitet . Ich würde mir wünschen,
dass Sie heute so entscheiden würden, wie es Tausende
von Ihren Mitgliedern an der Basis jeden Tag tun . Wir
bräuchten so eine SPD in diesem Land, liebe Kollegin-
nen und Kollegen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ja, wir brauchen auch – auch das will ich sagen; das
habe ich noch nie in meinem Leben gesagt – die vielen
Mitglieder der CDU, die den Ausspruch von Angela
Merkel „Wir schaffen das“ als einen Auftrag zur Nächs-
tenliebe im Alltag begriffen haben . Auch sie brauchen
wir; – um es klar zu sagen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss . Wenn Sie die berechtigte
Empörung und den Abscheu über das, was in den letzten
Tagen in diesem Land passiert ist, wirklich ernst mei-
nen und wenn Sie daraus konsequent einen deutlichen
Schluss ziehen wollen, dann muss dieser Bundestag heu-
te geschlossen Nein zu diesem Asylpaket sagen .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mit Sicherheit nicht!)


Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815800400

Das Wort erhält nun der Innenminister des Landes Ba-

den-Württemberg, Herr Kollege Gall .


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1815800500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren Abgeordnete! Keine Sorge, ich kom-
me heute nicht mit neuen Vorschlägen zum Asylrecht
aus der Länderebene . Ich halte es – im Gegensatz zur
baden-württembergischen CDU – mit dem Vorsitzenden
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit Herrn Kauder,
der vor kurzem gesagt hat: „Jeden Tag neue Vorschläge
führen, glaube ich, nicht zum Ziel .“


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin gerne gekommen, um Ihnen die Erwartungen
und auch die Notwendigkeiten aus Ländersicht näher-
zubringen . Wir alle machen doch tagtäglich die Erfah-
rung, dass die Menschen in Deutschland erwarten – wie
ich meine: zu Recht –, dass sich Bund und Länder nicht
in gegenseitigen Schuldzuweisungen übertreffen . Sie
erwarten, dass sich die Politik, dass wir uns alle ange-
messen unserer gemeinsamen Verantwortung in der
Flüchtlingsfrage stellen . Wolfsgeheul oder populistische
Vorschläge, ob auf Wahlplakaten zum Ausdruck gebracht
oder in Kameras gesprochen, helfen jedenfalls nach mei-
nem Dafürhalten nicht weiter .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, dann machen Sie hier auch keinen Wahlkampf!)


Als Innenminister des Landes Baden-Württemberg
bin ich mir dieser gemeinsamen Verantwortung durch-
aus bewusst, und deshalb werde ich alle Anstrengungen
der Bundesregierung und des Bundestages unterstützen,
die wirklich helfen, die gemeinsamen Herausforderung-
en, und zwar die der gesamten Bandbreite, gemeinsam zu
meistern: von Aufnahme und Unterbringung über Rück-
führung und Abschiebung bis hin zur Integration derer,
die bei uns bleiben können .

Die Länder sind in ihrem Handeln auf den Bund ange-
wiesen . Wenn man von uns Ländern stringentes Handeln
erwartet, dann muss der Bund die Rahmenbedingungen
schaffen, damit wir konsequent handeln können .


(Beifall des Abg . Rainer Spiering [SPD] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen wir zum Beispiel heute!)


Ich sage ausdrücklich: Wir müssen konsequent handeln
können zum Schutz der Menschen, die aus Angst um
ihr Leben vor Krieg und Zerstörung zu uns flüchten und
einen Anspruch auf Aufnahme haben, konsequent aber
auch gegenüber denjenigen, die keinen Anspruch auf
Asyl haben . Deshalb hat der Bundestag, haben Sie Ende
des letzten Jahres erste richtige Weichen im Asylrecht
gestellt .

Jan Korte






(A) (C)



(B) (D)


Aber ich will schon sagen: Mit der Aufnahme von
Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste sicherer
Herkunftsstaaten ist es nicht getan .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein, wir wollen ja auch noch Algerien, Tunesien und Marokko! Können wir gemeinsam machen!)


Die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, müssen
effizient genutzt und auch bis zum Verfahrensende an-
gewandt werden können . Deshalb haben wir in Ba-
den-Württemberg unter meiner Verantwortung eine
Stabsstelle Flüchtlingsunterbringung und auch einen Ar-
beitsstab „Rückkehrmanagement“ eingerichtet . So konn-
ten wir im vergangenen Jahr die Zahl der Abschiebungen
in unserem Bundesland mehr als verdoppeln .


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Weniger als das Bundesland Hessen!)


Was mir noch wichtiger ist – darauf sollten vielleicht
auch andere ihr Augenmerk richten –: Die Zahl der frei-
willigen Ausreisen konnten wir um 150 Prozent erhöhen .


(Beifall bei der SPD)


Das macht im Übrigen deutlich, welche der beiden Maß-
nahmen die erfolgreichere ist .

Machbar war das Ganze deshalb, weil Sie dafür ge-
sorgt haben, dass die Verfahren optimiert werden konn-
ten und weil wir auch eine gezielte Beratung zur freiwil-
ligen Ausreise installieren konnten . Ich wiederhole: Mit
dieser Beratung waren wir wesentlich erfolgreicher als
mit zwangsweisen Rückführungen .

Um diesen Weg weiterzugehen, muss die Diskussion
um die Aufnahme weiterer Länder wie Marokko, Alge-
rien und Tunesien zu einem Abschluss gebracht werden .


(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Können wir heute machen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn Sie das jetzt noch Ihrer Fraktion erklären!)


Vor allem ist es zwingend notwendig, dass in Verhand-
lungen mit diesen Staaten – auch da sind Sie wieder ge-
fordert – das Laissez-Passer-Verfahren anerkannt wird .
Wir alle wissen doch, dass Letzteres überhaupt erst er-
möglicht, dass in vielen Fällen die Rückführung, übri-
gens auch die freiwillige, tatsächlich funktionieren kann .

Insofern bin ich sehr froh, dass die Bundesregierung
nun den Vorschlag zur Schaffung einer Clearingstelle
Passbeschaffung, den Baden-Württemberg bereits Mitte
des letzten Jahres in die Diskussion eingebracht hat – es
sei mir gestattet, darauf hinzuweisen –, konkret umsetzen
möchte . Auch hiervon erwarte ich mir weitere wertvolle
Verfahrensbeschleunigungen .

Meine Damen und Herren, wir wissen doch alle auch –
da muss man sich immer wieder ein Stück weit ehrlich
machen –: Vielfach scheitern Rückführungsversuche aus
vorgebrachten medizinischen Gründen . Um hier teilwei-
se unnötigen Verzögerungen von Rückführungen, aber
auch von Missbrauch – das gehört zur Wahrheit dazu –
entgegenzuwirken, müssen die Rahmenbedingungen für

die Erstellung ärztlicher Atteste im Zusammenhang mit
Abschiebungen präzisiert werden . Auch das beinhaltet ja
dieses Paket . Aber selbstverständlich muss sichergestellt
sein – darüber gibt es überhaupt keine Diskussion, finde
ich jedenfalls –, dass auch zukünftig schwere, gravieren-
de Erkrankungen einer Abschiebung entgegenstehen .


(Beifall bei der SPD)


Wir sprechen hier aber auch über beschleunigte
Verfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen . Ba-
den-Württemberg – unser Bundesland – kann darauf
verweisen, dass wir mit unserem zentralen Registrie-
rungszentrum in Heidelberg bereits eine entsprechende
Einrichtung geschaffen haben . Waren es ursprünglich –
ja, da gab es auch Handlungsbedarf – die Landesprozes-
se, die wir dort optimieren und beschleunigen mussten,
kamen später – auch da gab es Handlungsbedarf – die
Bundesprozesse hinzu . Beides haben wir jetzt nahezu
optimal miteinander vernetzt . Das heißt, wir haben ein
Konzept aus einem Guss geschaffen .

Das sogenannte baden-württembergische Modell,
meine Damen und Herren, ist bundesweit beispielge-
bend .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Ich weiß gar nicht, warum darüber gelacht wird, wenn
uns der Bundesinnenminister bei einem Besuch vor Ort
diesbezüglich eine hohe Effizienz und gute Arbeit be-
scheinigt hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage dies deshalb, meine Damen und Herren, weil
derart geordnete und beschleunigte Strukturen uns nicht
nur bei der Steuerung bei der Flüchtlingsunterbringung
helfen, sie vermögen auch das Sicherheitsrisiko zu mi-
nimieren und insbesondere besondere Schutzräume für
Frauen und Kinder zu schaffen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815800600

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kol-

legin Hänsel zu?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1815800700

Gerne .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815800800

Bitte schön .


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815800900

Danke schön, Herr Gall . Guten Morgen! – Ich muss

sagen, ich finde es eigentlich einen absoluten Skandal,
dass Sie hier einen bundesweiten Wettbewerb aufma-
chen, welches Bundesland am besten und am meisten
abschiebt,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Minister Reinhold Gall (Baden-Württemberg)







(A) (C)



(B) (D)


und sich hier noch mit stolz geschwellter Brust damit
hinstellen: Wir haben die meisten Abschiebungen ge-
schafft . – Ja, wo leben wir jetzt eigentlich?


(Lachen bei der CDU/CSU)


Dann stellen Sie hier noch Ihr Baden-Württemberg-Kon-
zept vor .

Ich frage Sie einmal etwas anderes – wir sollten ein-
mal einen anderen Wettbewerb aufmachen –: Welches
Bundesland baut eigentlich die meisten Wohnungen und
hat die meisten Pflegekräfte und die meisten Kitas? Und
da kann ich Ihnen sagen, Baden-Württemberg – das wis-
sen Sie ganz genau – ist in den letzten Jahren eines der
Schlusslichter im sozialen Wohnungsbau . 70 Millionen
Euro haben Sie für Wohnungsbau ausgegeben . In Bayern
waren es 260 Millionen Euro .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist Ihr Baden-Württemberg-Konzept .

Erzählen Sie doch vielleicht einmal, wie man hier in
dem Land etwas konstruktiv aufbauen kann, und sagen
Sie nicht, wie man destruktiv immer mehr Menschen
abschieben kann . Das ist ja wirklich eine Blamage für
Baden-Württemberg .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Bravo!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1815801000

Es wird Sie nicht wundern, wenn ich diese Vorwürfe,

diese Anwürfe mit aller Schärfe zurückweise, weil sie
eben nicht den Tatsachen entsprechen. Wir befinden uns
nicht im Wettbewerb – das will ich ausdrücklich sagen –,
welches Bundesland die meisten Menschen zurückführt
oder ausweist . Ich habe ausdrücklich deutlich gemacht,
dass unsere Schwerpunktsetzung ist, die Menschen zu
beraten, unser Land freiwillig wieder zu verlassen, weil
ihr Asylantrag nicht zum Erfolg führen kann, sie keine
Aussicht auf Gewährung des Asylrechts haben . Damit
habe ich ausdrücklich geworben, die Schwerpunkte rich-
tig zu setzen .


(Beifall bei der SPD)


Im Übrigen: Zu den sonstigen Vorhaltungen, die das
Thema Wohnungsbau anbelangen: Nehmen Sie bitte zur
Kenntnis, dass Baden-Württemberg die Mittel für den
Wohnungsbau in den letzten Jahren verdreifacht hat und
dass wir uns vorgenommen haben, in den kommenden
Jahren 25 000 neue Wohnungen zu bauen . Und wir wer-
den in Baden-Württemberg die Ziele, die wir uns vor-
genommen haben, auch erreichen . Nur so viel zu Ihren
Vorhaltungen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brau-
chen aber – ich hatte es gesagt – nicht jeden Tag neue
Vorschläge und Diskussionen, wir brauchen Hilfestellun-
gen bei unseren konkreten Aufgaben . Diese müssen sich
letztendlich an der Lebenswirklichkeit orientieren, und
sie müssen vor allen Dingen auch in der Praxis umsetz-
bar sein und funktionieren . Deshalb will ich sagen: Der

Gesetzentwurf zur Einführung beschleunigter Asylver-
fahren gibt uns diese Hilfestellung, die wir auf der Län-
derebene brauchen .

Meine Damen und Herren, wir bekennen uns zu die-
ser gemeinsamen Verantwortung, die wir in diesem The-
menfeld haben . Deshalb befürworte auch ich diesen Ge-
setzentwurf . Die Landesregierung unseres Bundeslandes
wird bei der Bewältigung der Herausforderungen dieses
Themenfeldes – wer sollte denn bestreiten, dass es enor-
me Herausforderungen gibt? – weiterhin die Kultur des
Gespräches pflegen – darauf lege ich großen Wert – und
sachlich das ausloten, was miteinander gelingen kann .

Herr Korte, zu dem Punkt, wie eigentlich wir Sozi-
aldemokratinnen und Sozialdemokraten mit dem Thema
Flüchtlinge umgehen, will ich schon einmal sagen: Ich
bin mir mehr als sicher, dass es mehr Sozialdemokra-
tinnen und mehr Sozialdemokraten gibt, die sich in der
Flüchtlingshilfe, insbesondere auch im Ehrenamt, enga-
gieren, als beispielsweise Mitglieder Ihrer Partei .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Meine Damen und Herren, diesem von uns gepflegten
Stil der Problemlösung wird dieser Gesetzentwurf ge-
recht, und deshalb bitte ich auch aus Ländersicht, diesem
Gesetzentwurf zuzustimmen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815801100

Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen!
Diakonie, Caritas, Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Amnesty
International, Deutsches Institut für Menschenrechte, Ar-
beiterwohlfahrt, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsver-
band – Gesamtverband, Deutscher Anwaltverein, Neue
Richtervereinigung, Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein, Bundespsychotherapeutenkammer, me-
dico international, IPPNW – das sind noch nicht alle Ver-
bände, die sich gegen Ihr Asylpaket II aussprechen, und,
wie ich finde, zu Recht, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie haben einen eilig erarbeiteten Gesetzentwurf vor-
gelegt und im Eiltempo hier durch das parlamentarische
Verfahren gebracht, nachdem Sie ein ewiges Hickhack
in der Koalition hatten, und zwar so, dass die Verbände
überhaupt nicht richtig darauf reagieren konnten . Jetzt
geht es in Kurzform um Folgendes: Sie trennen Familien;
Sie liefern unbegleitete Minderjährige der Behördenwill-
kür aus – das nennt der Justizminister übrigens Humani-
tät –; Sie bitten Asylbewerber für Integrationskurse zur
Kasse, die sie gar nicht besuchen können; Sie erleichtern
Abschiebungen von Kranken; Sie ermöglichen Schnell-

Heike Hänsel






(A) (C)



(B) (D)


verfahren, bei denen Geflüchtete nicht einmal in die
Nähe eines Anwalts oder einer Anwältin kommen; und
bei den Ausweisungen gehen Sie nach dem Motto „Erst
ausweisen und dann fragen, wohin das führt und ob das
überhaupt funktioniert“ vor .

Meine Damen und Herren, das ist ein bisschen so wie
mit dem Falschfahrer auf der Autobahn, der im Radio
hört, dass ein Falschfahrer unterwegs ist, und dann sagt:
Wieso einer? Hunderte! – Die Menschen, die sich enga-
gieren, und die Verbände wissen sehr genau, warum sie
dieses Paket kritisieren . Das ist nicht Maß und Mitte, das
ist Chaos und Panik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dass in diesen Tagen der Menschenrechtsbeauftragte
dieser Bundesregierung zurücktritt, weil er nicht aushält,
was nicht auszuhalten ist, das kann ich nur zu gut ver-
stehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren von der Union, ich benei-
de Sie ja wirklich nicht um Frau Klöckner, die mit na-
tionalen Lösungen alle EU-Bemühungen der Kanzlerin
torpediert,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie hat ausdrücklich gesagt, dass sie die unterstützt!)


die sich mit dem Grenzschließer Herrn Kurz und mit
Herrn Di Fabio trifft, der die Klage Bayerns gegen die ei-
gene Bundesregierung mit vorbereitet . Herr Kauder muss
wöchentlich den Laden zur Ordnung rufen, es bringt aber
nichts . Ich habe das Gefühl, beim Satz „… verteidigt
Merkel gegen Kritik aus den eigenen Reihen“ brauchen
die Journalistinnen und Journalisten nur noch auf den
Knopf zu drücken, weil er so oft auftaucht, dass er schon
zur Phrase geworden ist – eine gefährliche Phrase, wie
ich finde, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Wolf, der Koautor von Frau Klöckner, zerstreitet
sich mit seinem Erzrivalen Herrn Strobl .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)


Dass die Menschen in Baden-Württemberg von so einer
Truppe nicht regiert werden wollen, ergibt sich faktisch
von selbst .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Gall, wir haben eine andere Position, was die
Frage der Herkunftsländer angeht, der sogenannten si-
cheren, weil wir es vor allen Dingen für Symbolpolitik


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Ministerpräsident vor allen Dingen!)


und für in der Sache nicht hilfreich halten . Aber wenn
Herr Kauder, dessen Not ich ja verstehen kann, ausge-

rechnet Winfried Kretschmann jetzt vorwirft, er würde
irgendetwas verzögern,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


was Sie in den Fraktionen von SPD und Union nicht auf
die Reihe kriegen: So ein Vorwurf der Verantwortungs-
losigkeit und Verzögerung ist so ähnlich, als würden Sie
dem Papst vorwerfen, dass er nicht evangelisch wird .
Das ist doch absurd, meine Damen und Herren!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist aber schon eine sonderbare Verdrehung der Wahrheit! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Wollen Sie das jetzt oder nicht?)


Das alles könnte lustig sein, wenn es nicht gleichzeitig
dazu führen würde, dass wieder mehr Menschen – Frau-
en und Kinder – auf den gefährlichen Booten landen und
sich in Lebensgefahr begeben .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ganz genau!)


Das alles könnte vielleicht noch hingenommen werden,
wenn nicht Ehrenamtliche Tag für Tag sich fragen, was
hier eigentlich los ist, während sie gleichzeitig die Arbeit
wegschaffen, die der Innenminister liegen lässt . Ihr Paket
hilft niemandem .

Punkt eins – das ist ein ganz zentraler; ich muss es
wiederholen –: Den Familiennachzug auszusetzen, ist
unverantwortlich . Es ist schäbig . Es stiftet natürlich Un-
ruhe in den Unterkünften .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es verhindert Integration . Jetzt reden Sie von Einzelfall-
prüfung . Würde eigentlich einer von uns mit seinen eige-
nen Kindern so umgehen?


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer schickt die denn, die Kinder?)


Was sagt der 14-Jährige seiner Mutter am Telefon? Ihr
könnt nicht nachkommen . Ich bin kein Einzelfall . Mir
geht es nicht schlecht genug .


(Zuruf des Abg . Dr . Franz Josef Jung [CDU/ CSU])


Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet? Können
Sie sich vorstellen, welcher Vater, der seine Familie,
seine Frau, seine Kinder in Aleppo weiß, hier in Ruhe
Deutsch lernt und sich in das Arbeitsleben integriert?

Meine Damen und Herren, das, was Sie immer mit
„Wert der Familie“ hochhalten und wo wir Ihnen ger-
ne zustimmen würden, reißen Sie hier mit dem Hintern
grandios ein . Überlegen Sie sich noch einmal – wir wer-
den dies heute hier extra zur Abstimmung stellen –, ob
Sie wirklich den Familiennachzug aussetzen wollen . Das
wird noch nicht einmal dafür sorgen, dass deutlich we-
niger Menschen kommen . Es wird aber zu Verunsiche-
rung führen, und es wird dazu führen, dass gerade Kinder
und Jugendliche neuerlich in eine dramatische Situation

Katrin Göring-Eckardt






(A) (C)



(B) (D)


kommen nach all dem, was sie schon im Krieg und auf
der Flucht erlebt haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In Ihrem Asylpaket gibt es wieder kein Wort zur Inte-
gration . Sie sind dabei, die bei der Gastarbeitergeneration
gemachten Fehler zu wiederholen . In den Erstunterkünf-
ten treffen wir Menschen, die seit Monaten darauf war-
ten, den Asylantrag überhaupt stellen zu können . Jetzt
sollen ihnen 10 Euro dafür abgezogen werden, dass sie
einen Integrationskurs machen, den sie im Zweifelsfall
gar nicht bekommen, weil es nicht genügend gibt . Das
Ganze geht nach dem Motto: Der geflüchtete Afghane
zahlt einen Kurs für den geflüchteten Eritreer, der ihn be-
kommen könnte, der aber noch ewig warten muss, weil
es nicht genügend gibt . Meine Damen und Herren, das
ist doch absurd!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Kümmern Sie sich darum, dass Integration gelingt!
Kümmern Sie sich um die Belange von Frauen und Kin-
dern! Dass Manuela Schwesig nicht eine einzige Maß-
nahme zum Schutz der Kinder in den Entwurf geschrie-
ben hat, ist deprimierend . Und der Justizminister hat es
wieder nicht geschafft, dass der § 177 StGB endlich deut-
lich zugunsten der Frauen ausgelegt wird . Ein Nein muss
ein Nein sein – Sie haben das nach Köln versprochen .
Wir geben Ihnen gerne unseren Gesetzentwurf . Sie kön-
nen ihn direkt auf Ihr Papier drucken .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815801200

Frau Kollegin .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber das muss doch endlich geschehen . Das kann
doch nicht weiter in der Schublade bleiben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ganz zum Schluss will ich Herrn Minkmar zitieren,
der zu Recht gesagt hat: Flüchtlingskrise? Eine Krise ist
das im Leben der Geflüchteten, für uns ist das nur eine
Aufgabe . – Gehen Sie die endlich ernsthaft an!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815801300

Das Wort erhält nun die Kollegin Nina Warken für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Nina Warken (CDU):
Rede ID: ID1815801400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Wir leben in wahrlich heraus-
fordernden Zeiten: herausfordernde Zeiten für Deutsch-
land und seine Bürgerinnen und Bürger sowie für ganz
Europa, herausfordernde Zeiten für uns Abgeordnete und

vor allem für unsere Bundeskanzlerin, die wie keine an-
dere für eine Lösung der Flüchtlingsfrage in Europa und
für die Werte Europas kämpft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Und es sind herausfordernde Zeiten für unsere Demokra-
tie in Deutschland . Rechtspopulisten erreichen nicht nur
in Bundesländern, in denen Landtagswahlen anstehen,
Rekordumfragewerte . Politische Beobachter sehen die
demokratischen Parteien in einer der schwersten Vertrau-
enskrisen seit der Gründung der Bundesrepublik .

Meine Damen und Herren, solch schwierige Zeiten
erfordern entschiedene Maßnahmen – Maßnahmen, die
zeigen, dass der Gesetzgeber handlungsfähig ist, und
Maßnahmen, die zeigen, dass wir die Situation beherr-
schen und den ungeregelten Zuzug in den Griff bekom-
men . Die Regelungen des Asylpakets II bewirken genau
das . Wir werden mit einem weiteren Maßnahmenbündel
den Zustrom in unser Land weiter verringern, und wir
werden dafür sorgen, dass diejenigen, die keine Berechti-
gung haben, bei uns zu bleiben, unser Land zügig wieder
verlassen müssen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir machen es uns dabei nicht leicht . Und keiner bestrei-
tet, dass es zum Teil harte Maßnahmen sind . Sie sind je-
doch fair und ausgewogen


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und angesichts der Situation in den Kommunen und Län-
dern notwendig .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem lieber
Kollege von Notz, Sie haben in der ersten Lesung des
Gesetzespaketes viele harte Worte gegen eine Regierung
und gegen ein Land gefunden, das derzeit den Flüchtlin-
gen hilft wie kein zweites .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich finde es unverschämt, dass Sie Regierung und Land gleichsetzen! Es ist die Arroganz der Großen Koalition, zu glauben, dass das Land und die Regierung das Gleiche sind! Unglaublich!)


Viele waren übertrieben, und die meisten waren unzutref-
fend . Nur in einem Punkt stimme ich Ihnen ausdrücklich
zu, nämlich, als Sie ganz am Ende Ihrer Rede gefordert
haben, dass wir als Demokraten gemeinsam an einer
Lösung arbeiten sollten . Was der ganzen Debatte nicht
hilft – das sage ich ganz offen –, ist die permanente, aber
widerlegte und unlautere Behauptung, die vorgesehenen
Maßnahmen seien rechtswidrig . Die sehr ausführliche
Anhörung der Sachverständigen hat das in aller Klarheit
widerlegt . Alle Regelungsinhalte des Gesetzespakets
sind zweifelsohne rechtmäßig und in vollem Umfang mit
höherrangigem Recht vereinbar .


(Widerspruch des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Katrin Göring-Eckardt






(A) (C)



(B) (D)


Ich will das an zwei Beispielen verdeutlichen:

Zum einen an den beschleunigten Verfahren: Diese
sieht das Europarecht für Asylbewerber ohne Bleibeaus-
sicht ausdrücklich vor .


(Zurufe von der LINKEN)


Es wird für die Betroffenen keine Absenkung der Stan-
dards, etwa bei der Unterbringung, geben . Auch der
Personenkreis ist klar eingeschränkt . Damit bleibt der
Gesetzentwurf sogar noch hinter dem Rahmen der Richt-
linie zurück . Ein effektiver Rechtsschutz bleibt gewähr-
leistet . Meine Damen und Herren, schnelle Verfahren
sind nicht unfair . Im Gegenteil: Sie sind im Interesse aller
Beteiligten, im Interesse der Schutzsuchenden, die Klar-
heit möchten, aber auch im Interesse der Kommunen und
des BAMF, die dadurch entlastet werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtsstaatlich müssen sie schon sein!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815801500

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kol-

legin Vogler zu?


Nina Warken (CDU):
Rede ID: ID1815801600

Ja .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815801700

Bitte sehr, Frau Vogler .


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815801800

Vielen Dank . – Frau Kollegin, wenn Sie hier behaup-

ten, die von Ihnen hier vorgesehenen Maßnahmen, für
die wahrscheinlich nachher eine große Mehrheit dieses
Hauses stimmen wird, seien rechtlich in Ordnung und
mit höherrangigem Recht vereinbar, dann möchte ich
doch mal von Ihnen wissen:

Wie ist das zum Beispiel mit dem UN-Sozialpakt ver-
einbar, den Deutschland bereits vor 40 Jahren ratifiziert
hat und in dem es heißt: „Die Vertragsstaaten erkennen
das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchst-
maß an körperlicher und geistiger Gesundheit an“?

Wie ist das mit Artikel 2 des Grundgesetzes vereinbar,
in dem es heißt: „Jeder“ – nicht nur jeder Deutsche oder
Einheimische, sondern jeder – „hat das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit“?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie kann man das denn infrage stellen? Wir wollen keine schwerkranken Menschen abschieben! Das ist doch Unsinn! Lesen Sie mal den Gesetzentwurf!)


Wie ist das damit vereinbar, dass Sie künftig auch
schwer traumatisierte, schwer erkrankte Menschen ab-
schieben wollen und davon ausgehen wollen, dass je-
mand reisefähig ist, sofern er nicht in der Lage ist, anhand
sehr eng gewählter Kriterien das Gegenteil zu beweisen?

Wie ist die Verweigerung des Familiennachzugs für
unbegleitete Kinder und Jugendliche mit Artikel 10 der
UN-Kinderrechtskonvention vereinbar, die auch von
diesem Land ratifiziert wurde und in der es heißt, dass
Anträge auf Familienzusammenführung „von den Ver-
tragsstaaten wohlwollend, human und“ – ich betone –
„beschleunigt“ zu bearbeiten sind?

In dem Gesetzespaket der Großen Koalition sind mei-
ner Ansicht nach schwerwiegende Menschenrechtsbrü-
che angelegt . Insofern frage ich Sie, wie Sie als Juristin
tatsächlich hier ernsthaft das Gegenteil behaupten kön-
nen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Nina Warken (CDU):
Rede ID: ID1815801900

Liebe Kollegin, Sie stellen es so dar, als ob hier die

Menschen, die zu uns kommen, schlecht behandelt wer-
den . Sie haben die Einhaltung des Rechts auf Schutz und
körperliche Unversehrtheit infrage gestellt . Ich glaube,
das kann nicht Ihr Ernst gewesen sein .


(Zurufe von der LINKEN: Doch!)


Sie haben weiterhin ausgeführt, dass Menschen, die
krank sind, in Zukunft pauschal zurückgeführt und ab-
geschoben werden sollten . Dazu kann man zum einen
sagen – wir haben es auch vom Innenminister gehört –,
dass es eben ein häufiges Abschiebungshindernis ist, dass
es falsche Gesundheitsatteste gibt, dass Menschen eine
Krankheit vorschieben, nur um nicht abgeschoben zu
werden .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dem wollen wir in Zukunft begegnen; das wird aber
nicht pauschal geschehen . Es gibt weiterhin die Möglich-
keit, eine ernsthafte und lebensgefährliche Erkrankung,
eine Bedrohung des Lebens, geltend zu machen und dann
auch Abschiebungsschutz zu bekommen . Man soll sich
aber nicht mit der pauschalen Behauptung, man habe
eine Krankheit, eine Traumatisierung, einer Abschiebung
widersetzen können, wenn die Gesundheitsversorgung
im Heimatland genauso erfolgen kann .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso? – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Syrien?)


Ihr Vorwurf, jetzt könne jeder pauschal abgeschoben
werden, auch wenn er krank ist, ist schlicht unzutreffend
und falsch .

Zum Familiennachzug – Sie haben es erwähnt –: Die
Kinderrechtskonvention, das Grundgesetz und auch der
EGMR halten es zwar für wünschenswert, dass die Fa-
milie zusammenlebt, aber ein Recht darauf, dass die Fa-
milie vor allem in Deutschland zusammenlebt, kann we-
der aus der UN-Kinderrechtskonvention noch aus dem
Grundgesetz noch aus anderem höherrangigem Recht
abgeleitet werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nina Warken






(A) (C)



(B) (D)


Ich darf aus dem Gutachten von Herrn Professor
Thym zitieren, einem der Sachverständigen, der in aller
Klarheit gesagt hat:

Die bisweilen aufgestellte Behauptung, dass aus den
europäischen oder internationalen Menschenrech-
ten ein unbedingtes Nachzugsrecht für Flüchtlinge
folge, das durch die Neuregelung auf jeden Fall ver-
letzt werde, ist schlicht falsch …

Ich denke, klarer kann man es nicht ausdrücken,


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


und ich hoffe, Ihre Fragen zum Familiennachzug damit
beantwortet zu haben .


(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Umfänglich und gut! – Abg . Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815802000

Kleinen Augenblick noch . – Es gibt eine ganze Rei-

he von weiteren Wortmeldungen, die ich jetzt alle nicht
zulasse . Wir haben uns auf eine bestimmte Debattenzeit
verständigt . Die haben wir durch eine Reihe von Zu-
satz – –


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich übersehe die Situation, glaube ich, relativ gut . Wir
haben eine Debattenzeit vereinbart, die ich durch die Zu-
lassung mehrerer Zwischenfragen aus einer Fraktion, die
nach der Rednerliste nicht mehr zu Wort kommt, bereits
erweitert habe . Die Fraktion der Grünen ist noch mit ei-
nem weiteren Redner auf der Rednerliste vertreten . Für
die anderen Fraktionen gilt das auch . Deswegen lasse ich
jetzt weitere Zwischenfragen nicht zu .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Nina Warken (CDU):
Rede ID: ID1815802100

Werte Kollegen, Ihre Behauptungen hinsichtlich der

Rechtmäßigkeit sind unhaltbar und nicht nachvollzieh-
bar . Verzichten Sie darauf!


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, alles gut belegt! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)


Was ich ebenfalls nicht nachvollziehen kann – das
wurde hier auch schon vorgehalten –, ist die Kritik an
der Geschwindigkeit des Gesetzgebungsverfahrens . Wir
machen es uns nicht leicht, aber das Tempo ist richtig
und notwendig – nicht, weil kriminelle Rechtsradikale
durch ihre Verbrechen medienwirksam Aufmerksamkeit
auf sich gezogen haben, sondern die Geschwindigkeit ist
notwendig, um die Akzeptanz für unser Asylsystem in
der breiten Mitte der Bevölkerung zu erhalten


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Breite Mitte? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und, wie wir es auch von Innenminister Jäger gehört ha-
ben, um die Kommunen und die Verantwortlichen vor
Ort wirksam zu entlasten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerne, meine Damen und Herren, möchte ich auf die
vorliegenden Anträge der Grünen eingehen, die gut ge-
meint sind, aber, ehrlich gesagt, bei der Bewältigung der
Probleme wenig hilfreich sind .

So soll künftig nicht mehr vom BAMF überprüft wer-
den, ob die Schutzgründe bei anerkannten Flüchtlingen
auch nach mehreren Jahren noch bestehen . Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, das Asylrecht ist ein Recht auf Zeit
und kein automatisches dauerhaftes Bleiberecht . Wer
nicht schutzbedürftig ist, muss in sein Herkunftsland zu-
rückkehren . Das ist der zentrale Grundsatz unseres Asyl-
systems, auf den sich auch ein großer Teil der Akzeptanz
für dieses stützt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Widerrufsprüfungen durch das BAMF müssen daher
bestehen bleiben .

Was Sie hingegen in Ihrem zweiten Antrag verlangen,
ist durchaus wünschenswert . Wir tun alles, was wir kön-
nen, um gerade Frauen und Kindern ein Höchstmaß an
Schutz zukommen zu lassen – weit mehr im Übrigen als
andere Länder . Nun führen wir ein, dass künftig ein po-
lizeiliches Führungszeugnis vorlegen muss, wer Kinder
und Jugendliche in Flüchtlingseinrichtungen betreuen
will . Außerdem hat die Bundesregierung – anders, als
Sie es behauptet haben – bereits ein Schutzkonzept für
Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften vorgelegt .


(Zurufe von der LINKEN)


Dieses sieht bauliche Maßnahmen und Schulungen der
Helfer vor . Wir machen also sehr viel . Gleichzeitig müs-
sen wir aber – das müssen auch Sie einsehen – die Mach-
barkeit vor Ort im Auge behalten und genau hinschauen,
was tatsächlich geleistet werden kann .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
noch einige Sätze zum Thema sichere Herkunftsländer
sagen . Es freut mich, dass auch Innenminister Gall der
Debatte heute folgen kann . Auch bei diesem Thema tra-
gen Sie mit Ihrer Blockade leider nicht im Geringsten
zur Lösung der Herausforderungen bei, sondern Sie ver-
schärfen diese noch . Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir
brauchen die Einstufung von Algerien, Tunesien und Ma-
rokko als sichere Herkunftsstaaten,


(Beifall bei der CDU/CSU)


und wir werden sie hier in diesem Hohen Haus auch frü-
her oder später beschließen müssen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)


Wissen Sie, der Zustrom aus den Maghreb-Staaten er-
innert mich fatal an letztes Jahr, als wir mit einem massi-
ven Zustrom vom Balkan konfrontiert waren . Auch hier
haben wir schnell die Erweiterung der Liste der sicheren
Herkunftsstaaten auf den Tisch gelegt . Es dauerte jedoch

Nina Warken






(A) (C)



(B) (D)


fast ein Jahr, bis Sie sich endlich dazu durchringen konn-
ten, diesem notwendigen Schritt zuzustimmen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Waren Sie einmal in Algerien und Marokko und haben mit Menschenrechtlern geredet?)


In dieser Zeit kamen etwa 150 000 Menschen vom Bal-
kan zu uns, die wir jetzt nach und nach zurückführen
müssen .

Im Zuge der Einstufung der Balkanstaaten als sichere
Herkunftsstaaten gingen – auch durch andere flankieren-
de Maßnahmen – die Zahlen rasch zurück .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Meine Güte!)


Die Menschen wussten sehr bald, dass sie in Deutschland
keine Bleibeperspektive haben . Gleichzeitig können die
Anträge aus dieser Region – das ist auch wichtig – bei
uns im beschleunigten Verfahren bearbeitet werden . Die
Zahl der Entscheidungen hat sich verdoppelt . Inzwischen
wird bei Migranten aus dem Balkan innerhalb weniger
Tage entschieden . Das entlastet und sorgt dafür, dass wir
den Menschen aus Syrien und dem Irak heute überhaupt
noch Schutz bieten können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, bei den Maghreb-Staaten
begehen wir den gleichen Fehler, nämlich dass wir zu
lange warten, ein zweites Mal . Auch hier steigen die Zah-
len .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat auch Gründe, warum die flüchten!)


Fast ein Viertel der Asylbewerber, die 2015 aus diesen
Staaten kamen, ist alleine im Dezember gekommen .
Auch hier liegt die Einstufung als sichere Herkunfts-
länder als wirksame Maßnahme zur Entlastung auf dem
Tisch . Darüber diskutiert man nicht monatelang . Man be-
schließt es zügig und schnell .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Doch auch hier verweigern Sie sich der Verantwortung
für unser Land . Sie müssen sich schon entscheiden: Wol-
len Sie, dass noch mehr Algerier, Marokkaner und Tune-
sier in unser Land kommen, oder wollen Sie mithelfen,
die Zahlen zu reduzieren?


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es geht hier nicht um Zahlen! Es geht um Menschen!)


Da helfen jetzt auch keine Schuldzuweisungen, Frau
Göring-Eckardt, dass die Koalition selbst für den Zeit-
plan und die Verzögerung verantwortlich sei . Mit mehr
Mut und der Entschlossenheit der Union hätten wir in
dieser Woche diese Länder als sichere Herkunftsländer
beschließen können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das wäre das klare Signal gewesen: Es lohnt sich nicht,
nach Deutschland zu kommen . Stattdessen belasten die

Verzögerungstaktik und die Mutlosigkeit von Grün und
auch von Rot unsere Städte und Kommunen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man sieht Ihnen an Ihrem Gesicht an, dass Sie Ihre Aussagen nicht ernst meinen! – Jan Korte [DIE LINKE]: Megaplatt!)


Meine Damen und Herren, der französische Bischof
und Staatsmann Talleyrand sagte einmal:

Opposition ist die Kunst, so geschickt dagegen zu
sein, dass man später dafür sein kann .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nehmen Sie sich diesen Ratschlag gerade hinsichtlich
der sicheren Herkunftsländer, aber auch im Fall des ge-
samten Asylpakets II zu Herzen . Sie waren einst dage-
gen . Stimmen Sie heute dem Gesetzespaket zu .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815802200

Das Wort erhält die Kollegin Ulla Jelpke für die Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815802300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

Warken, Sie haben in Ihrer Rede wirklich den Geist der
Abschiebepolitik vorgetragen,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


der unsäglich ist . Sie haben nichts Konstruktives vorzu-
tragen – im Gegenteil . Vor allen Dingen der rechten Seite
dieses Hauses geht es nur noch darum: Wie werden wir
Menschen los, die Schutz suchen? Wie können wir sie
am besten abschieben? Und das ist einfach unerträglich
und ekelhaft .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist jetzt ein bisschen frech! – Maik Beermann [CDU/CSU]: Wirtschaftsflüchtlinge! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wollen Sie gar nicht abschieben?)


Wenn Sie schon nicht mehr darüber diskutieren wol-
len, auf welche Weise sichere Herkunftsstaaten einzustu-
fen sind, dann kann ich Ihnen nur sagen: Lesen Sie das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den 90er-Jah-
ren . Da ist sehr genau beschrieben worden, dass auch die
internationalen NGOs befragt werden müssen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja!)


Nina Warken






(A) (C)



(B) (D)


Natürlich haben Sie das nicht getan . Und was haben wir
für eine Situation? In den Abschiebelagern bzw . in den
Sonderlagern sind Roma-Familien, die man meines Er-
achtens nicht einfach so abschieben kann . Diese Men-
schen sind schutzbedürftig! Da kann man sich hier nicht
einfach hinstellen und so tun, als sei es völlig berechtigt,
Tausende von Menschen von heute auf morgen abzu-
schieben . Das ist wirklich unerträglich .


(Beifall bei der LINKEN)


Da Sie hier aus Gutachten der von Ihnen bestellten
Sachverständigen zitiert haben, möchte ich wenigstens
sagen: Innerhalb von fünf Tagen werden diese Gesetz-
entwürfe hier durchgepeitscht . Es gibt auch Gutachten,
die ganz klar sagen, dass mit der Einschränkung beim
Familiennachzug, den Sie hier jetzt behindern wollen,
gegen die UN-Flüchtlingskonvention, die UN-Kinder-
rechtskonvention und auch gegen EU-Recht verstoßen
wird . Aber das interessiert Sie gar nicht . Es ist doch inte-
ressant, dass zum Beispiel die Neue Richtervereinigung
moniert, dass die Anhörung zu den Verschärfungen –
wörtliches Zitat – allenfalls „der Form halber“ durchge-
führt wurde und dass das federführende BMI, also das
Innenministerium, keinerlei Interesse an inhaltlichen
Äußerungen hatte . Das ist doch echt ein Skandal, meine
Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie sagen hier auch nur die halbe Wahrheit . Reden wir
einmal über einen 13-jährigen Jungen, der als unbeglei-
teter Flüchtling aus Syrien gekommen ist . Es geht doch
darum, dass die Wartezeiten heute schon sehr lange sind .
Wenn Sie den Familiennachzug für zwei Jahre aussetzen,
kommt man – wir haben das einmal durchgerechnet –
auf Wartezeiten von insgesamt drei bis vier Jahren . Das
heißt, dieser Jugendliche muss bis zu vier Jahre auf seine
Eltern verzichten .


(Marian Wendt [CDU/CSU]: Nein! Muss er gar nicht!)


Auch das finde ich unmenschlich.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist wirklich ein Skandal, dass Sie hier sagen – so hat
Herr Schröder das formuliert –: Schutz und Hilfe nur für
diejenigen, die Hilfe brauchen . – Wollen Sie etwa sagen,
dass diese jungen Menschen ihre Eltern nicht brauchen?
Was sind Sie bloß für Eltern?


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Was sind das nur für Eltern?)


Da muss ich mich wirklich an den Kopf fassen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich will noch einen Punkt zu den Minderjährigen sa-
gen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815802400

Frau Kollegin, Sie müssen bitte auf die Zeit achten .


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815802500

Im vergangenen Jahr wurden gerade einmal 105 An-

erkennungen von subsidiär, also vorübergehend, schutz-
berechtigten Kindern gezählt . Auch daran wird deutlich,
wie kleinkariert Ihre Flüchtlings- und Asylpolitik ist .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Redezeit ist leider abgelaufen, zum Schluss
will ich aber wenigstens noch einen Satz sagen: Wer ei-
ner Partei angehört, die das Wort „christlich“ oder sogar
noch das Wort „sozial“ in ihrem Parteinamen hat, kann
den Gesetzentwürfen heute nicht zustimmen . So denken
wir . Wir werden auch weiterhin gegen diese Maßnahmen
kämpfen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815802600

Das Wort erhält nun die Staatsministerin Aydan

Özoğuz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


A
Aydan Özoğuz (SPD):
Rede ID: ID1815802700


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Korte hat ganz zu Beginn seiner Rede Willy Brandt
erwähnt . Ich habe schnell noch einmal nachgeguckt, ob
ein Zitat von Willy Brandt, das mir in den Kopf kam,
stimmt . Dieser sagte – Herr Präsident, ich zitiere mit Ih-
rer Erlaubnis –:

Ich glaube nicht, dass diejenigen recht haben, die
meinen, Politik besteht darin, zwischen schwarz
und weiß zu wählen. Man muss sich auch häufig
zwischen den verschiedenen Schattierungen des
Grau hindurchfinden.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Jan Korte [DIE LINKE] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In der Opposition natürlich nicht so häufig wie in der Regierung!)


Ich glaube, dass gerade Willy Brandt das sehr beherzigt
hat .

Alle hier im Hause vertretenen Parteien regieren auch
in den Ländern und wissen eines ganz genau: Es muss
uns mindestens nachdenklich machen, dass sich bei vie-
len in unserer Bevölkerung das Gefühl eingeschlichen
hat, wir hier im Deutschen Bundestag würden unsere Ar-
beit nicht mehr machen, wir würden streiten und nichts
auf den Weg bringen, wir würden in der Flüchtlingspoli-
tik nicht mehr so richtig organisieren, wir hätten gar kei-
ne richtigen Regelungen .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Falsche!)


– Wir haben bisher durchaus auch viele gute Regelungen,
wie ich finde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ulla Jelpke






(A) (C)



(B) (D)


Wir arbeiten ja seit vielen Monaten nun wirklich täg-
lich an diesen Gesetzentwürfen . Und ich glaube, jeder
hier im Haus weiß, was sich seit 1993 alles verändert
hat – seither gab es ja ganz unterschiedliche Regierun-
gen – und was wir alles zum Besseren gewendet haben .
Damals gab es ja schon einmal eine Situation, in der wir
Flüchtlinge in sehr hoher Zahl bei uns hatten . Wenn man
das mit heute vergleicht, muss man sagen: Heute sehen
wir in Deutschland ein komplett anderes Bild . Da muss
ich Ihnen recht geben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland ist – neben Schweden und einigen anderen
Ländern – ein Land, das eine unglaublich hohe Zahl von
Flüchtlingen aufgenommen hat bzw . aufnimmt und ihnen
helfen kann und auch will .

Aber eines hat mich heute Morgen schwer scho-
ckiert – das möchte ich hier sagen –: das Interview mit
Viktor Orban in einer großen Tageszeitung mit vier
Buchstaben – es ist eine ganze Seite lang –, in dem er
eine Menge sagt


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal etwas zum Familiennachzug!)


– ich sage gleich noch etwas zu den Gesetzentwürfen –,
zum Beispiel zu Europa, zu den verschiedenen Ländern
und dazu, wie man selber bleiben will .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist übrigens ein Freund Ihres Koalitionspartners!)


Er sagt aber kein einziges Wort dazu, dass die Flüchtlin-
ge, um die es geht, Menschen sind, die Hilfe brauchen,
und dazu, wie wir es in Europa gemeinsam schaffen kön-
nen, den Flüchtlingen zu helfen .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie auch mal zum Gesetzentwurf!)


Nur zu sagen: „Ich wünsche Angela Merkel viel Glück“,
empfinde ich als eine Unverschämtheit; das möchte ich
einmal so deutlich sagen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist der Freund Ihres Koalitionspartners!)


Jetzt zu den Gesetzentwürfen . Mir ist wichtig, dass
wir die Asylverfahren endlich beschleunigen . Ich sage
das auch so; denn das gehört zur Ehrlichkeit dazu . Alle
sollen schneller wissen, ob sie bleiben dürfen oder nicht
und ob sie einen Grund auf Asyl vortragen können oder
nicht . Das ist wichtig, auch für Länder und Kommunen
und für alle, die Flüchtlinge unterstützen . Das hören wir
immer wieder, wenn wir vor Ort sind .


(Beifall bei der SPD)


Vorhin ging es um die Frage: Was wäre eigentlich,
wenn die Sozialdemokraten nicht mitregieren würden?
Das kann ich Ihnen sagen . Wenn die SPD nicht mitre-
gieren würde, dann hätten wir heute Transitzonen mit
Haftanstalten an unseren Grenzen, und es gäbe eine all-

gemeine Einschränkung des Familiennachzugs . So wäre
es doch .


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Gut, dass es euch gibt! Das ist doch ein Witz!)


Ich glaube, uns wäre es nicht eingefallen – das habe ich
eingangs mit den Grautönen im Brandt-Zitat gemeint –,
Einschränkungen gerade an diesen Stellen vorzunehmen .
Weil das Thema Familiennachzug hier in der Debatte
sehr pauschal behandelt wurde, möchte ich deutlich ma-
chen, dass hierzu viele Regelungen getroffen wurden .

Erstens . Die getroffenen Regelungen betreffen bei
weitem nicht alle, sondern nur eine kleine Gruppe von
Flüchtlingen . Sie alle sind Menschen; gar keine Frage .
Aber es ist nur eine kleine Gruppe, die den subsidiären
Schutz bekommt . 1 700 Menschen waren es 2015 und
sind eben etwas anderes als 1,1 Millionen Menschen; das
muss man klar sehen .


(Beifall bei der SPD)


Das Zweite ist, dass die Regelung zum Familiennach-
zug nach zwei Jahren automatisch außer Kraft tritt . Das
heißt, wer in einigen Monaten zu uns kommt, der ist von
der Regelung bezüglich der zwei Jahre nicht vollumfäng-
lich betroffen . Wer beispielsweise in einem Jahr zu uns
kommt, für den gilt sie nur ein Jahr . Das ist notwendig,
um ein Stück weit für eine Atempause zu sorgen, auch
wenn es nur um eine kleine Gruppe geht . Das ist aber auf
jeden Fall etwas anderes, als zu sagen, es sei grundsätz-
lich etwas beim Familiennachzug geändert worden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sehr wichtig ist mir, dass nach den §§ 22 und 23
Aufenthaltsgesetz weiterhin Ausnahmen für Härtefälle
möglich sind . Wir sollten, glaube ich, den Worten des
Bundesinnenministers Glauben schenken, der meiner
Fraktion sehr deutlich gesagt hat – darauf vertrauen wir,
und Vertrauen ist etwas Wichtiges in der Politik –: Es
wird keine Weisung an das BAMF geben, die Entschei-
dungspraxis bei syrischen Schutzsuchenden zu ändern . –
Das möchte ich ganz deutlich unterstreichen .


(Beifall bei der SPD)


Jeden Tag neue Vorschläge zu machen, führt wirk-
lich nicht zum Ziel; wie ich gerade hörte, hat auch Herr
Kauder das schon gesagt . Ich glaube, das sollten wir alle
unterstreichen . Deswegen möchte ich eine Sache gerne
richtigstellen – in der letzten Woche ist hier nämlich et-
was gesagt worden, was falsch war; aber was eine große
Wirkung in unser Land hinein haben kann . –: Der Kol-
lege Strobl stand hier und meinte, es sei ein Integrati-
onshindernis, dass wir im Zuwanderungsgesetz für an-
erkannte Flüchtlinge nach drei Jahren ein unbefristetes
Daueraufenthaltsrecht eingeführt haben und dass dieses
Recht voraussetzungslos sei – ich zitiere –, „gleichviel,
ob man straffällig geworden ist“ . So haben Sie es gesagt,
Herr Kollege Strobl . Aber Sie wissen ganz genau: Das
Ausweisungsrecht gilt auch für anerkannte Flüchtlinge .
Ich möchte Sie bitten, solche Sachen von dieser Stelle

Staatsministerin Aydan Özoğuz






(A) (C)



(B) (D)


aus nicht mehr zu sagen, nur weil sich das für Sie irgend-
wie gut anhört .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Soweit ich weiß, hat aber auch die Union diese Regelun-
gen damals mitgetragen .

Zuletzt komme ich auf das, was auch Frau Göring-
Eckardt schon angesprochen hat . Wir brauchen tatsäch-
lich ein Integrationspaket;


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon lange!)


wir brauchen es jetzt und schnell . Viele Dinge haben wir
schon verbessert . Übrigens haben wir das in der Vergan-
genheit oftmals schon gemeinsam mit den Grünen ge-
macht . Es sollte auf jeden Fall so sein, dass junge Aus-
zubildende nach der Drei-plus-zwei-Regelung behandelt
werden . Wir hatten doch in der Vergangenheit die Situa-
tion, dass Hochschulabsolventen mit dem Tag ihrer Ex-
matrikulation das Land verlassen sollten .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie mal ein Integrationspaket!)


Jeder hat gesagt, wie absurd das ist . Bei Auszubildenden
sollte es also so sein: Wenn sie mit der Ausbildung fertig
sind, sollen sie ihre Kenntnisse im Betrieb anwenden und
zwei Jahre bleiben können . Und dann gibt es sowieso
eine Bleibeperspektive für sie .


(Beifall bei der SPD)


Es ist klar, dass wir für Flüchtlinge den Arbeitsmarkt-
zugang weiter verbessern müssen . Wir dürfen aber auch
niemals diejenigen vergessen, die schon seit vielen Jah-
ren in unserem Land keine Arbeit finden.

Und natürlich müssen wir noch über den sozialen
Wohnungsbau sprechen . Das ist doch für uns alle hier ein
ganz wichtiges Anliegen . Es gilt übrigens besonders für
die Metropolen, wo schon jetzt kaum Wohnungen vor-
handen sind .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815802800

Frau Staatsministerin .

A
Aydan Özoğuz (SPD):
Rede ID: ID1815802900


Ich komme zum Schluss, Herr Präsident . – Ich kann
nur dafür werben, dass wir dieses Paket jetzt gemeinsam
tragen und auch sehr schnell sagen, wie die Integrati-
on all derjenigen, die bei uns bleiben – es werden viele
sein –, sehr schnell und sehr gut gelingen kann .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815803000

Katja Dörner ist die nächste Rednerin für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen .


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815803100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Das Asylpaket II ist ein Sammelsurium von
Scheinlösungen . Was aber noch viel schlimmer ist: Es
geht voll zulasten der Schwächsten unter den Geflüchte-
ten, die zu uns kommen . Und weil das so ist, können wir
diesem Asylpaket auf keinen Fall zustimmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wie kommt man auf die Idee, den Familiennachzug
einzuschränken? Wie kommt man als CDU und CSU auf
eine solche Idee, für die die Familie doch angeblich ei-
nen so hohen Stellenwert hat? Damit müssen Sie uns gar
nicht mehr kommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wem die Achtung der Familie nur für manche etwas wert
ist, dem ist sie nichts wert . Das dokumentieren Sie mit
dem Asylpaket II .

Was wird denn tatsächlich passieren? Sie werden
doch nicht die Zahl der Geflüchteten reduzieren. Nein,
Sie zwingen noch mehr Kinder und Frauen in morsche
Boote . Ich muss dabei an den kleinen Aylan Kurdi den-
ken. Ich finde, das sollten auch Sie tun, liebe Kolleginnen
und liebe Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es erschüttert mich, dass Sie ernsthaft die Abschie-
bung von schwer traumatisierten und schwerkranken
Menschen massiv erleichtern wollen, dass posttrauma-
tische Belastungsstörungen ausdrücklich als Abschie-
behindernis ausgeschlossen werden . Es soll künftig rei-
chen, dass eine Behandlung kranker, auch schwerkranker
Menschen im Herkunftsland grundsätzlich möglich
erscheint . Das heißt, es kommt gar nicht darauf an, ob
diese schwerkranke Person im Herkunftsland tatsächlich
versorgt werden kann . Das ist doch der Punkt, liebe Kol-
leginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Frau Warken, Sie argumentieren hier mit angeblich
vorgetäuschten Krankheiten und falschen Attesten . Ich
finde, das ist gegenüber den Ärztinnen und Ärzten in die-
sem Lande eine unglaubliche Unterstellung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es gibt für diese Behauptung überhaupt keine Belege,
und ich möchte, dass Sie es unterlassen, hier so etwas
zu sagen .

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es darf doch nicht
sein, dass die Sorge über die Anzahl der Flüchtlinge, die
zu uns kommen, dazu führt, dass wir die Grundsätze der
Menschlichkeit über Bord werfen . Wenn Sie das aus mei-
nem Mund nicht gerne hören wollen, dann lege ich Ihnen

Staatsministerin Aydan Özoğuz






(A) (C)



(B) (D)


die gemeinsame Stellungnahme der EKD und des Kom-
missariats der Deutschen Bischöfe ans Herz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Diese hätte ich hier heute eins zu eins vortragen können .
Ich habe sie bei mir . Sie können sie sich gerne einmal
angucken . Wir haben noch 25 Minuten Zeit, zu entschei-
den, ob wir wirklich den Schwächsten der Geflüchteten
die Unterstützung entziehen wollen .

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dieses Asylpaket
enthält nichts, was nach vorne gewandt ist, Perspektiven
schafft und Integration befördert . Es enthält auch nichts
von dem, was schon angekündigt worden ist . Der sichere
Aufenthalt während einer Ausbildung ist hier angespro-
chen worden . Das ist für junge Flüchtlinge superwichtig .
Die Unternehmen wollen das . Der Vizekanzler hat an-
gekündigt, das schnellstmöglich in Gesetzesform zu gie-
ßen. Ich weiß nicht, was Ihre Definition von „schnellst-
möglich“ ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir denken, „schnellstmöglich“ wäre schon vor Wochen
gewesen . Spätestens wäre es aber heute . Also, wann las-
sen Sie Ihren Ankündigungen endlich Taten folgen?

Ich will diese Frage auch auf einen Punkt in diesem
Paket beziehen, der uns sehr ärgert: Was ist mit verbind-
lichen Schutzkonzepten für Frauen und Kinder in den
Flüchtlingsunterkünften?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Auch die waren angekündigt und sollten mit ins Pa-
ket hinein . Die Familienministerin, die heute aus guten
Gründen nicht hier sein kann, hat im Oktober ganz klar
formuliert, dass die Schutzvorschriften, die in den Ein-
richtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelten, auch für
Flüchtlingskinder in Flüchtlingsunterkünften gelten sol-
len . Es ist beschämend, dass auch dieser Ankündigung
bis heute keine Taten gefolgt sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexu-
ellen Kindesmissbrauchs hat uns ganz klar und deutlich
aufgefordert, den Gesetzentwurf nachzubessern und
Mindeststandards zum Kinderschutz darin aufzunehmen .
Das ist kein „Nice to have“, sondern die Kinder haben
ein Recht darauf .

Wir haben heute einen Antrag dazu vorgelegt, über
den wir auch abstimmen lassen . Es reicht eben nicht,
grundsätzlich zu sagen, dass man Schutzkonzepte gut
findet, wie es Union und SPD im Ausschuss getan ha-
ben, sondern man muss auch tatsächlich etwas tun . Wir
fordern Sie auf, Ihre Verantwortung für den Schutz von
Frauen und Kindern in den Flüchtlingsunterkünften end-
lich ernst zu nehmen und unserem Antrag zuzustimmen .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815803200

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält die Kollegin

Andrea Lindholz das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1815803300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
CDU und CSU verfolgen in der Asylpolitik im Wesent-
lichen drei Ziele: Unser erstes Ziel ist die massive und
dauerhafte Reduzierung der Zuwanderung .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Tja!)


Unser zweites Ziel ist es, die Kontrolle über die Zuwan-
derung zu verbessern . Unser drittes Ziel ist es, dass wir
die Zustimmung für die Migration in Deutschland grund-
sätzlich erhalten .

Nach den vergangenen Monaten müssen wir das Tem-
po und das Volumen der Zuwanderung begrenzen, wenn
wir die Hilfsbereitschaft und die Aufnahmefähigkeit in
Deutschland erhalten wollen . Hier nützen uns polemi-
sche Reden wie die des Kollegen Korte heute überhaupt
nicht,


(Beifall des Abg . Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU])


und ich frage mich, wo die Fraktionsspitze der Linken
bei diesem so wichtigen Gesetzespaket, das angeblich
mit Skandalen versehen ist, heute ist . Vielleicht ist sie
gestern am Nockherberg hängen geblieben . Die meisten
anderen, die ich dort gesehen habe, sind heute aber hier .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Um auf die Leistungen Bayerns einzugehen, möchte
ich Ihnen einmal eines sagen: Bayern versorgt ein Viertel
aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, und das
sind aktuell 15 500 . Bayern stellt 3,2 Milliarden Euro
für die Integration zur Verfügung, damit wir im Bereich
der Lehrer und in anderen Bereichen mehr Stellen schaf-
fen und 28 000 neue Sozialwohnungen bauen können .
Wer also die Leistungen Bayerns nicht schätzt, sondern
hier in Reden pauschal auf die CSU und auf Herrn Horst
Seehofer einschlägt, der geht an der Realität vorbei . In
Bayern wird gehandelt, während von den Linken hier nur
geredet wird .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen auch im Interesse derjenigen, die zu uns
kommen, noch schneller als bisher festlegen, wer in
Deutschland bleibeberechtigt ist und damit auch inte-
griert werden soll und wer seiner Ausreisepflicht nach-
kommen muss und daher auch keinen Anspruch auf Inte-
grationshilfe hat . Diese Entscheidungen müssen wir auch
konsequent durchsetzen .

Katja Dörner






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben in den vergangenen Monaten einiges er-
reicht . Die Ernennung von Ländern zu sicheren Her-
kunftsstaaten, wie wir das mit den Ländern des Westbal-
kans getan haben – über 99 Prozent aller entsprechenden
Anträge waren aussichtslos –, ist richtig . Wir haben vom
Institut für Weltwirtschaft in Kiel im September letzten
Jahres bescheinigt bekommen, dass sich dadurch die An-
zahl der Asylanträge deutlich reduziert .

Es geht nicht darum – Frau Kollegin Jelpke hat sich
auch schon verabschiedet –, Einzelfallentscheidungen
abzuschaffen; denn nach wie vor wird jeder Einzelfall
geprüft . Es geht lediglich um eine Beweislastumkehr .

Mit der Reform des Bleiberechts im letzten Juli ha-
ben wir bereits die Ermessensentscheidung eingeführt .
Wir haben entschieden, dass derjenige, der sich gut in-
tegriert hat, zügiger ein Bleiberecht bekommt . Wer aber
die Sicherheit gefährdet und sich nicht an unsere Regeln
hält und damit auch nicht schutzberechtigt ist, der muss
schneller ausgewiesen werden . Wir haben mit den Wie-
dereinreisesperren die freiwillige Ausreise gefördert und
auch die Zahl aussichtsloser Folgeanträge reduziert .

Im Oktober letzten Jahres haben wir hier im Deut-
schen Bundestag das Asylpaket I beschlossen . Wir haben
damit Länder und Kommunen finanziell massiv entlas-
tet. Wir haben aber auch Leistungen für Ausreisepflich-
tige gekürzt und die Ankündigung des Abschiebetermins
verboten . Im letzten Jahr waren 200 000 Personen aus-
reisepflichtig, aber trotz all dieser Maßnahmen sind nur
20 000 Abschiebungen erfolgt . Da sieht man, dass wir an
diesem Punkt einfach noch besser werden müssen, damit
wir Platz für diejenigen haben, die unseren Schutz wirk-
lich brauchen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben im Januar dieses Jahres mit dem Gesetz
zum besseren Datenaustausch zwischen den Behörden
nicht nur die gesetzlichen Grundlagen für ein gewalti-
ges IT-Projekt geschaffen, sondern auch dafür gesorgt,
dass jetzt alle Asylbewerber mit ihren Qualifikationen
und ihren Sprachkenntnissen systematisch erfasst und
in einer zentralen Datenbank registriert werden sowie
ihre Fingerabdrücke und vieles mehr im Rahmen einer
Sicherheitsüberprüfung durch unsere Nachrichtendienste
konsequent und zielgerichtet zusammengeführt werden .

Wir haben mit dem Bundeshaushalt 2016 über 1 800
neue Stellen für Bundespolizei und BKA geschaffen .
Auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
wurden 4 000 neue Stellen zur Verfügung gestellt, um
die Asylverfahren zu beschleunigen und damit aber auch
eine schnellere Anerkennung zu erreichen und diesen
Flüchtlingen eine schnellere Integration zu ermöglichen .

Wir haben schon im letzten Jahr beschlossen, dass
Asylbewerber mit einer guten Bleibeperspektive be-
reits nach drei Monaten, auch wenn ihre Verfahren noch
nicht abgeschlossen sein sollten, arbeiten dürfen, dass
sie schneller an Integrationskursen teilnehmen dürfen –
aber eben nur diejenigen mit guter Bleibeperspektive . Es
ist daher nicht richtig, wenn heute der Vorwurf erhoben

wird, die rechte Seite würde sich nur um Abschiebungen
und Ausweisungen kümmern . Das Gegenteil ist der Fall .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Mittel für die Integrationskurse sind auf 559 Millio-
nen Euro verdoppelt worden .

Mit den heute vorliegenden Gesetzentwürfen gehen
wir einen weiteren Schritt . Wir haben in den vergange-
nen Monaten vieles debattiert, um zu schauen, wie wir
die Situation für unser Land verbessern können . Diese
Entscheidungen machen uns nicht immer glücklich, aber
sie sind notwendig . Dazu gehört das Asylpaket II, das wir
heute verabschieden und mit dem es ermöglicht wird,
dass die Bundespolizei unter anderem künftig die Länder
bei der Passersatzbeschaffung unterstützt . Wir schaffen
besondere Aufnahmeeinrichtungen, in denen alle Asyl-
bewerber mit geringer Bleibeperspektive Schnellverfah-
ren von drei Wochen durchlaufen können .

Wir haben die Residenzpflicht gestärkt, indem wir den
Leistungsanspruch der Asylbewerber ruhen lassen, wenn
sich der Asylbewerber nicht in der ihm zugewiesenen
Kommune meldet . Es kann nicht sein, dass die Asylbe-
werber selbst entscheiden, wo sie sich in Deutschland
aufhalten . Wir brauchen eine gesteuerte Migration . Das
ist für unsere Kommunen auch dringend erforderlich .

Die Aussetzung des Familiennachzuges ist ein Ein-
schnitt, ja . Aber wir knüpfen an eine Regelung an, die bis
Mitte letzten Jahres bestanden hat . An dieser Stelle habe
ich weder von den Grünen noch von den Linken, seit ich
im Bundestag bin, einen großen Aufschrei gehört . Es
geht lediglich um die Aussetzung des Familiennachzuges
für subsidiär Geschützte und auch nur für einen Zeitraum
von zwei Jahren .


(Zurufe von der LINKEN)


Das ist weder unmenschlich noch inhuman, sondern es
ist notwendig, damit wir die Einwanderungszahlen zu-
mindest in manchen Bereichen reduzieren können . Mir
kann niemand erklären, was es mit „human“ zu tun hat,
wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder allein auf die
Flucht nach Deutschland schicken . Ich werde das nicht
verstehen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Mit dem Gesetz zur erleichterten Ausweisung auslän-
discher Straftäter reagieren wir zu Recht auf die Gewalt
in der Silvesternacht . Bestimmte Delikte sollen bei Ver-
stößen künftig immer ein schwerwiegendes Ausreisein-
teresse begründen . Dazu gehören Straftaten gegen das
Leben, das Eigentum, die sexuelle Selbstbestimmung,
die körperliche Unversehrtheit, und dazu gehört auch der
Widerstand gegen Vollzugsbeamte . Auch hier gilt: Der
Einzelfall wird geprüft . Auch hier gilt: keine pauschale
Aberkennung von Titeln und pauschale Zurückführung .
So ist das in allen Fällen, die wir geregelt haben . Es wird
der Einzelfall berücksichtigt .

Auch hier gilt eine besondere Hürde . Nicht jedes straf-
bare Verhalten führt danach zu einer Aberkennung von
Aufenthaltstiteln oder zu einer Nichtermöglichung im
bestehenden Verfahren . Die Hürde ist mit einem Straf-

Andrea Lindholz






(A) (C)



(B) (D)


maß von einem Jahr ebenfalls hoch gesetzt, sodass wir
auch hier nicht von einer unbilligen und pauschalen Här-
tefallregelung sprechen können . Das Gegenteil ist der
Fall .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815803400

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Oh ja!)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1815803500

Nachdem die Kollegin Jelpke vorhin so schön über-

zogen hat, können wir, glaube ich, die 30 Sekunden ver-
kraften .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815803600

Frau Kollegin, das habe ich zu entscheiden, ob über-

haupt und wie lange gegebenenfalls eine vorgesehene
Redezeit überschritten wird .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1815803700

Ich bitte Sie daher, diesem Gesetzespaket heute zuzu-

stimmen . Wir sind auf einem richtigen Weg, und es wird
nicht das letzte Gesetzespaket in dieser Legislaturperiode
bleiben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815803800

Nur rein nachrichtlich, Frau Kollegin Lindholz: Sie

haben genau die eine Minute mehr gesprochen wie die
Kollegin Jelpke auch . – Nun hat der Kollege Hartmann
für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1815803900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Der bereits zitierte Willy Brandt formulierte vor
36 Jahren, 1980, in der Einleitung zum Nord-Süd-Be-
richt: „Die Globalisierung von Gefahren und Herausfor-
derungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert
eine Art ‚Weltinnenpolitik‘ .“ Die Flüchtlingskrise ist der
Brennpunkt von Innen- und Außenpolitik . Das belegt die
Notwendigkeit eines solchen Gedankens der Weltinnen-
politik .


(Beifall bei der SPD)


Zweiter Gedanke, meine Damen und Herren: Die Rah-
menbedingungen für uns Deutsche sind gut: 19 Milliar-
den Euro Haushaltsüberschuss, ein hoher Bundesbankge-
winn, wie gestern bekannt wurde, und mit 43 Millionen
Erwerbstätigen in diesem Land eine so hohe Beschäfti-
gung wie nie zuvor .

„Wir schaffen das“ bedeutet: wenn wir es wollen . Aus
dem „Wir schaffen das“ leitet sich eine Gesamtverant-
wortung ab . „Wir schaffen das“ ist der Leitgedanke eines
umfassenden Programms . Dieser Leitgedanke ist ein Ap-
pell an alle politisch Handelnden und Verantwortungs-
träger auf allen staatlichen Ebenen: Bund, Länder und
Kommunen .


(Beifall bei der SPD)


Aber lassen Sie uns endlich damit aufhören, alles nur
in Schwarz und Weiß zu denken . Deutschland ist und
bleibt ein liberales, weltoffenes Land, das international
geachtet wird und seine besondere Verantwortung beson-
nen wahrnimmt .


(Beifall bei der SPD)


Dafür stehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
kraten nicht nur theoretisch ein, sondern in Regierungs-
verantwortung in den Ländern und im Bund .


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie uns insbesondere aber auch damit aufhö-
ren, Tag für Tag über singuläre hektische Maßnahmen
zu reden . Das ist kleingeistig und wenig zielführend . In
einer immer komplexeren Welt gibt es keine einfache Lö-
sung, die man in einem Satz zusammenfassen kann .


(Beifall bei der SPD)


Mehr noch: Es ist keine Politik . Politik muss nach Erhard
Eppler Ziele und Orientierung bieten . Politik, so wird er
zitiert, kommt aus der Frage, wie Menschen leben wol-
len und wie nicht . Sie formuliert das Gemeinwohl ge-
genüber den Einzelinteressen . Politik ist etwas anderes
als der Vollzug von Sachzwängen . Politik braucht Ziele,
Entwürfe und Utopien und muss auch die Spannung zwi-
schen Entwurf und Wirklichkeit aushalten, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen Augenmaß und kühlen Kopf, Herz und fro-
hen Mut .

Ich benenne drei Herausforderungen . Was ist jetzt zu
tun? Die erste Herausforderung ist das Fundament jeder
Lösung dieser Krise: Wir müssen die Krisenstaaten und
die Regionen stabilisieren, um den Zuzug zu reduzieren,
um Flucht durch Bekämpfung von Fluchtursachen unnö-
tig zu machen . Das gelingt nur international und europä-
isch . Die Kanzlerin und Frank-Walter Steinmeier allen
voran setzen sich jeden Tag dafür ein .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Manche mögen zweifeln und denken, dass Deutsch-
land überfordert sei . Aber wir sind nicht allein . Deutsch-
land ist stark und kann viel . Es war niemals unser Ziel,
allein zu handeln . Zur Wahrheit gehört auch: Deutsch-
land hat eine Verantwortung, die unteilbar ist und die wir
wahrnehmen .

Die zweite Herausforderung ist unsere strukturelle
Verantwortung als Bund . Wir müssen alles tun, was zur
Ordnung und Beschleunigung der Verfahren nötig ist .
Wir müssen diese Verfahren ordnen, um den Menschen

Andrea Lindholz






(A) (C)



(B) (D)


schneller zu eröffnen, wer bleiben kann und wer eine Per-
spektive hat, um endlich mit der Integration zu beginnen .
Darüber hinaus müssen wir aber auch den anderen sagen:
Ihr habt keine Perspektive; ihr habt keine Chance . – Das
ist übrigens nichts anderes als die Herrschaft des Rechts,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber wir erwarten auch vom Innenminister, dass alle Zu-
sagen betreffend Verfahrensbeschleunigung und Perso-
nalgewinnung, die öffentlich getroffen worden sind, eins
zu eins eingehalten werden . Sonst kommt es nicht zur
Ordnung der Verfahren .

Die dritte Herausforderung ist eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe . Wir müssen und wir können die
langfristige Herausforderung meistern und diese Kri-
se als echte Chance nutzen, um neue Mitbürger zu in-
tegrieren, um den Standort Deutschland zu stärken und
um gemeinsam stärker zu werden . Das ist die zentrale
Ebene, die wir national beeinflussen können. Wir wissen:
Erfolgreiche Integration ist ein Gewinn, kulturell und
moralisch, aber auch wirtschaftlich .


(Beifall bei der SPD)


Wie wollen wir zukünftig zusammenleben? Das ist
die Frage, die wir jetzt beantworten müssen . Integration
erfasst alle: die, die hier leben, und die, die neu hinzuge-
kommen sind . Das ist Integration . Es ist kein loses Mit-
einander oder Nebeneinander . Integration fußt für mich
auf einem neuen Gesellschaftsvertrag, der von allen hier
Lebenden – ich betone: allen hier Lebenden – positiv ge-
schlossen werden muss . Es geht uns alle an . Dann kann
Integration ein echter Erfolg für unser Land sein und eine
Gesellschaft prägen, die das zukünftige Deutschland ist .


(Beifall bei der SPD)


Es ist richtig: Wir brauchen einen Integrationsplan .
Wir brauchen einen Integrationspakt für Deutschland .
Aber wir fangen nicht bei null an . Wir wissen genau, was
zu tun ist . Wir haben in einer Bund-Länder-Arbeitsgrup-
pe sehr deutlich gemacht, wo die Herausforderungen und
die Handlungsfelder bestehen . Wir haben darüber hinaus
in diesen Tagen in meinem Heimatland Nordrhein-West-
falen den ersten Integrationsplan vorgelegt . Wir fangen
nicht bei null an . Wir wissen genau, was zu tun ist .


(Beifall bei der SPD)


Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit gesell-
schaftlicher Integration gelten auch für diejenigen, die
hier leben . Kein anständiger Deutscher kann sich auf un-
seren Rechtsstaat berufen, wenn er Molotowcocktails auf
Asylbewerberheime schmeißt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kein anständiger Deutscher darf sich darauf berufen! Die
Werteordnung ist auch zu leben .

Sprachförderung, Integrationskurse, Arbeitsmarkt,
Bildung sowie Wohnungsbau und Quartiere, das alles
gehört zusammen. Wir wissen, dass das auch finanziert
werden muss . Wir werden über einen längeren Zeitraum

mehr Geld brauchen, und zwar für die Bewältigung der
Folgen der Demografie sowie für Integration und Migra-
tion . Wenn wir aber die notwendigen Mittel investieren,
dann kommt jeder Euro mehrfach zurück .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sehr zentral in einem föderalen Staat ist: Es kann
nicht sein, dass allein die Kommunen diese Aufgabe tra-
gen und für die Integration zahlen müssen, die späteren
Gewinne einer erfolgreichen Integration aber vor allen
Dingen auf Landes- und Bundesebene sowie in den Sozi-
alkassen vereinnahmt werden . Das müssen wir gemein-
sam anpacken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Abschließend: Wenn ich heute – genauso wie ein gro-
ßer Teil meiner SPD-Bundestagsfraktion – dem zweiten
Asylpaket zustimme, dann tue ich das in der Erwar-
tung, dass es zu einer echten Verfahrensbeschleunigung
kommt, ohne die Qualität und die Angemessenheit jeder
Einzelfallentscheidung und -prüfung infrage zu stellen .


(Beifall bei der SPD)


Ich tue das in der Erwartung, dass wir nun weitgehend
alles Erforderliche in den Asylpaketen I und II getan ha-
ben . Damit reicht es dann aber auch . Wir können uns nun
endgültig der Integration und den nächsten Integrations-
paketen zuwenden . Wir müssen aber die Vereinbarung,
die wir in der Koalition getroffen haben, auch einhalten .


(Beifall bei der SPD)


Die Herausforderung liegt auf der Hand .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815804000

Herr Kollege .


Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1815804100

Die Verständigung auf den gemeinsamen Integrations-

pakt steht noch aus .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815804200

Herr Kollege .


Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1815804300

Wenn wir aber mutig sind und Orientierung bieten,

dann schaffen wir das . Dann machen wir das .

Ich möchte enden mit den Worten eines großen Deut-
schen, von Heinrich Heine: „Ein kühnes Beginnen ist
halbes Gewinnen .“

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815804400

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist

die Kollegin Jutta Eckenbach für die CDU/CSU-Frakti-
on .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sebastian Hartmann






(A) (C)



(B) (D)



Jutta Eckenbach (CDU):
Rede ID: ID1815804500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue

mich, heute einmal in einer innenpolitischen Debatte als
Sozialpolitikerin reden zu dürfen .

Den ganzen Morgen war von Integrationsmaßnah-
men, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden die Rede . Ge-
statten Sie mir zu Beginn, ein Wort direkt an die Grünen
zu richten, wenn sie mir denn zuhören . Gestern war im
Ausschuss die Rede davon, dass sich Kirchen, Wohl-
fahrtsverbände wie die AWO und zahlreiche andere
Vereinigungen gegen das Asylpaket II aussprechen . Ich
finde: Es ist das gute Recht der Kirchen, ihre eigene Mei-
nung deutlich zu machen . Daran ersehen Sie, wie groß
deren Sorgen sind . Das heißt aber nicht, dass der Gesetz-
geber an diesen Stellen immer genau diesen Institutionen
folgen muss .

Wir haben hier in Deutschland eine andere Aufgabe .
Wir hören den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden
wie der AWO zu . Wir unterstützen sie bei allen Maß-
nahmen, die sie benötigen . Aber die Gesetzgebung liegt
beim Deutschen Bundestag . Wir müssen im Deutschen
Bundestag auch der sozialen Verantwortung gerecht wer-
den, die wir in Deutschland nun einmal haben .


(Zuruf von der LINKEN: Ja! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Es gilt, für unsere Bürgerinnen und Bürger in unseren
Kommunen, in unserem Land für soziale Gerechtigkeit
zu sorgen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich als Sozialpolitikerin auch noch deut-
lich sagen: Wir reden seit Monaten über die Flüchtlinge
in Deutschland . Wir haben jedoch in Deutschland auch
diejenigen Menschen, die seit vielen Jahren langzeitar-
beitslos sind .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Dann macht es doch! – Jan Korte [DIE LINKE]: Schön, dass das auffällt! Unser Reden!)


Wir haben in Deutschland auch Menschen in prekären
Arbeitsverhältnissen, die gerade an der Leistungsunter-
grenze liegen .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, genau! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


– Da brauchen Sie gar nicht so zu schreien, meine Damen
und Herren .


(Jan Korte [DIE LINKE]: Doch!)


Sie wissen, dass sich gerade diese Bundesregierung deut-
lich für diese eingesetzt hat und weiterhin einsetzen wird .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist mir nicht aufgefallen! Das hat niemand gemerkt!)


Ich will auch dies noch einmal deutlich sagen, denn
auch das gehört zum sozialen Frieden in Deutschland:


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: 5 Euro bei Hartz IV! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Wenn davon gesprochen wird – davon war heute Mor-
gen auch die Rede –, dass jedem einzelnen Flüchtling
10 Euro für Integrations- und Sprachkurse abgenommen
werden, so ist diese Aussage falsch . Unser Anliegen ist,
dass wir nicht die vollen Leistungen auszahlen, die wir
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zahlen müssten .

Wir streichen zum Beispiel Leistungen für Fernseh-
und Videogeräte . Wir streichen Leistungen für Daten-
verarbeitungssoftware . Wir streichen Leistungen für
langlebige Verbrauchsgüter, für Kultur, Sport und Cam-
ping . Wir streichen Leistungen für außerschulischen Un-
terricht und Hobbykurse sowie Gebühren für Kurse . All
das macht zusammen 10 Euro . Genau um diese 10 Euro
werden die Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungs-
gesetz gekürzt .


(Zurufe von der LINKEN: Warum?)


Das ist eine Maßnahme, die wir durchaus in Deutschland
einführen können . Wir haben das übrigens schon einmal
getan . Damals gab es nicht so einen großen Aufschrei .


(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Was wollen Sie damit bezwecken?)


Wir müssen hier auch das Wort der sozialen Gerechtig-
keit benutzen


(Zuruf von der LINKEN: Oh!)


und alles dafür tun, unserer Rolle gerecht zu werden .

Lassen Sie uns aber auch noch einmal über die ge-
setzliche Grundlage unseres Handelns reden . Das Asyl-
recht in Deutschland hat seine Grundlage in Artikel 16 a
Grundgesetz . Daraus ergibt sich eine Berechtigung auf
Asyl in Deutschland . Eine Berechtigung auf Asyl hat al-
lerdings nicht, wer aus wirtschaftlichen Gründen zu uns
kommt . Ich glaube, dass wir dazu kommen müssen, auch
hier deutlich zu sagen, dass wir diese Menschen wieder
zurückführen .

Wir haben heute Morgen einige Reden gehört, auch
vom Innenminister des Landes Baden-Württemberg .
Gestatten Sie mir dazu die Anmerkung, dass es in Nord-
rhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württem-
berg und in vielen anderen Bundesländern noch nicht
einmal dazu gekommen ist, das Asylpaket I umzusetzen .
Hehre Worte sind ganz schön . Gesetze können wir hier
verabschieden; sie müssen aber von Ländern und Kom-
munen umgesetzt werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Jan Korte [DIE LINKE])


Wenn ich erfahre, wie viele Gelder wir letztlich auch
von Bundesseite für den sozialen Wohnungsbau bereitge-
stellt haben, bin ich sehr erstaunt, wenn ich heute Morgen
höre, dass wir für den sozialen Wohnungsbau, der drin-
gend notwendig ist, mehr tun sollen . Aber bitte, meine
Damen und Herren, es ist an den Kommunen und an den
Bundesländern, dies zu tun .


(Widerspruch bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Es liegt beim BAMF!)







(A) (C)



(B) (D)


Ich weiß, dass Richtlinien in einigen Bundesländern
überhaupt noch nicht umgesetzt worden sind, die wir in
Berlin längst als Erleichterung beschlossen haben .

Ich kann nur an alle vor Ort appellieren: Sorgen Sie
dafür, dass Sie in Ihren Kommunen sozialen Wohnungs-
bau generieren . Die Gelder stehen bereit, die KfW stellt
zusätzliche Mittel bereit . Aber lamentieren Sie doch bitte
nicht hier in Berlin, dass wir keine Möglichkeiten hätten,
sozialen Wohnungsbau auszugestalten . Machen Sie es,
tun Sie es . Das würde dazu beitragen, dass wir unter dem
Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland
wesentlich weiter kämen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Nein!)


Es war immer die Rede davon, dass wir jetzt noch
mehr Integrationsmaßnahmen brauchen . Natürlich brau-
chen wir sie . Aber schauen wir einmal, was wir schon
alles gemacht haben .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Verschärfungen!)


Wir haben zahlreiche Vorgaben gemacht . Ich könnte sie
Ihnen alle nennen, aber so viel Redezeit habe ich nicht .
Wir haben sie allerdings weder strukturiert noch geord-
net .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


Jedes Ministerium – gestatten Sie mir diese Worte –
macht an den Stellen ein bisschen . Wir müssen die Maß-
nahmen strukturieren und zusammenfassen . Vielleicht
können wir uns darauf einigen, dass das Bundesinnenmi-
nisterium mit dieser gesellschaftlichen Aufgabe – Stich-
wort „Demografie“ – betraut wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde, dies wäre ein guter Ansatz, um geordnete Ver-
fahren durchzuführen .

Übrigens habe ich gehört, dass in vier Ministerien je-
weils das Grundgesetz in arabischer Sprache gedruckt
wird. Das kostet unnötig Geld und ist nicht effizient.


(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daher sollten wir diese Maßnahmen sein lassen und zu
einer gemeinsamen Lösung kommen . Ich denke, das
führt in die richtige Richtung .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Peinlich!)


Wir sind in Deutschland auf einem guten Weg . Wir
haben den Weg begonnen und werden ihn konsequent
weitergehen . Ich bedanke mich an dieser Stelle recht
herzlich auch bei der Bundeskanzlerin, die im Moment
vor keiner leichten Aufgabe steht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Wegen der eigenen Leute!)


Die Außenpolitik ist im Moment ein wichtiges Feld . Um
die Aufgaben in Deutschland zu bewältigen, müssen wir
als Grundvoraussetzung andere Länder mitnehmen . Wir
alle sollten daran mitwirken, die Bundeskanzlerin in ih-

rer schwierigen Aufgabe, die momentan in Europa vor
ihr liegt, zu unterstützen .

Wir als Gesetzgeber im Deutschen Bundestag haben
auch unsere Pflicht zu erfüllen, und diese Pflicht heißt
heute, das Asylpaket II mit allen Facetten zu verab-
schieden . Es wäre schön gewesen, wenn wir es um den
Programmpunkt der sicheren Herkunftsstaaten hätten er-
gänzen können . Das ist gerade von meinen beiden Kol-
leginnen angesprochen worden . Dazu noch ein Wort an
die Grünen über ihr Verhalten in Nordrhein-Westfalen
und in Rheinland-Pfalz, das ich mit Zeitungsmeldungen
belegen kann .


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Zeitungsmeldungen?)


– Ja, das ist so; fragen Sie Herrn Mostofizadeh in Nord-
rhein-Westfalen, der sich gewehrt hat, den Kreis der si-
cheren Herkunftsstaaten zu erweitern . Ich denke, es wäre
schön, wenn sich die Grünen auf Bund- und Länderebene
hier einigen könnten . Dann hätten wir diesen Punkt heute
mit verabschieden können, und wir wären einen großen
Schritt weitergekommen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich werde Marokko und Algerien niemals als sicher bezeichnen!)


Das hätte im Zuge der Integration geholfen . Gerade ist
das hehre Wort gefallen, wir alle müssten unsere Auf-
gaben wahrnehmen . Ja, das gilt aber nicht nur für den
Bund, das gilt auch für die Länder und die Kommunen .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Gott sei Dank!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815804600

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von den
Koalitionsfraktionen eingebrachten Entwurf eines Ge-
setzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren . Ich
weise darauf hin, dass ich eine ganze Reihe persönlicher
Erklärungen zur Abstimmung erhalten habe, die wir wie
üblich dem Protokoll beifügen .1)

Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei-
ner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/7645
und 18/7685, den Gesetzentwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD auf der Drucksache 18/7538 anzu-
nehmen . Dazu hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
beantragt, über Artikel 2 Nummer 4 – hier geht es um
das Aufenthaltsgesetz mit den Regelungen für den Fami-
liennachzug – einerseits und über den Gesetzentwurf im
Übrigen andererseits getrennt abzustimmen . Wir werden
so verfahren .

Wir stimmen zunächst über den Artikel 2 Nummer 4
des Gesetzentwurfes – Familiennachzug – ab . Dazu hat
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentliche Ab-
stimmung beantragt . Diese Abstimmung führen wir jetzt

1) Anlagen 2 bis 12

Jutta Eckenbach






(A) (C)



(B) (D)


durch . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen und mir anzuzei-
gen, wenn das geschehen ist . – Sind alle Urnen besetzt? –
Das ist der Fall . Dann eröffne ich die Abstimmung .

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht er-
kennbar . Dann schließe ich diese Abstimmung und bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen .

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung, weil die Ge-
samtabstimmung über den Gesetzentwurf naturgemäß
erst nach Auszählung der Einzelabstimmung möglich ist .


(Unterbrechung von 10 .44 bis 10 .51 Uhr)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815804700


Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet . – Des-
wegen schlage ich vor, dass Sie wieder in Frieden Platz
nehmen und wir dann zu einem geordneten weiteren Ver-
fahren kommen .

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
beschleunigter Asylverfahren, hier zum Artikel 2 Num-
mer 4, bekannt: abgegebene Stimmen 581 . Mit Ja haben
gestimmt 427, mit Nein haben gestimmt 147, Enthaltun-
gen gab es 7 . Damit ist auch dieser Artikel des Gesetzent-
wurfes in zweiter Beratung angenommen .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 581;
davon

ja: 427
nein: 147
enthalten: 7

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr . Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig

Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Fritz Güntzler
Olav Gutting

Christian Haase
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Anja Karliczek

Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann

(Braun schweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Anita Schäfer (Saalstadt)

Andreas Scheuer
Karl Schiewerling

Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul

Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Matthias Bartke
Bärbel Bas
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Sabine Dittmar
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster

Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Bettina Hagedorn
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry






(A) (C)



(B) (D)


Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Martin Rabanus
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr . Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Nein

SPD

Ulrike Bahr
Klaus Barthel
Marco Bülow
Dr . Lars Castellucci
Dr . Karamba Diaby
Dr . Ute Finckh-Krämer
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Rita Hagl-Kehl
Petra Hinz (Essen)

Ralf Kapschack
Cansel Kiziltepe
Daniela Kolbe
Helga Kühn-Mengel
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Sabine Poschmann
Dr . Simone Raatz
Mechthild Rawert
Andreas Rimkus
René Röspel
Susann Rüthrich
Sarah Ryglewski
Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Svenja Stadler
Christoph Strässer
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)


DIE LINKE

Jan van Aken
Herbert Behrens
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Andrej Hunko
Sigrid Hupach

Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter

Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Enthalten

CDU/CSU

Dr . Norbert Lammert
Antje Tillmann

SPD

Willi Brase
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Jurk
Ulli Nissen
Stefan Rebmann






(A) (C)



(B) (D)


Ich rufe nun die übrigen Teile des Gesetzentwurfes
auf der Drucksache 18/7538 auf . Ich bitte diejenigen, die
zustimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch der Ge-
setzentwurf im Übrigen in zweiter Lesung angenommen .

Wir kommen nun zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Hierzu gibt es einen Antrag
der Fraktion Die Linke, über den Gesetzentwurf in der
dritten Beratung namentlich abzustimmen . Ich bitte wie-
der die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Positi-
onen einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn alle
Abstimmungsurnen jeweils von Opposition und Koali-
tion besetzt sind . – Hier vorne fehlt noch ein Schriftfüh-
rer der Opposition . – Ich eröffne die zweite namentliche
Abstimmung .

Ist ein Kollege oder eine Kollegin anwesend, der seine
oder die ihre Stimme noch nicht abgegeben hat? – Ich
habe den Eindruck, dass alle, die im Saal sind, nun ihre
Stimmkarten abgegeben haben . Dann schließe ich die-
se Abstimmung . Ich bitte um Auszählung . Das Ergebnis
wird später während des nächsten Tagesordnungspunktes
bekannt gegeben .1)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
der Drucksache 18/7674 . Wer stimmt für diesen Ent-
schließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stim-
men der Koalition abgelehnt .

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den
Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur
Änderung des Asylverfahrensgesetzes . Hier geht es um
die Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung .
Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/7645 und
18/7685, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/6202 abzulehnen . Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um ihr Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Auch dieser Gesetzentwurf ist in zweiter
Beratung mehrheitlich abgelehnt . Damit entfällt nach un-
serer Geschäftsordnung die dritte Beratung .

Unter Tagesordnungspunkt 3 b geht es um die Ab-
stimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur er-
leichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und
zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung
bei straffälligen Asylbewerbern . Der Innenausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf den Druck-
sachen 18/7646 und 18/7686, den Gesetzentwurf der
Koalitionsfraktionen auf der Drucksache 18/7537 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die
diesem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stim-
men der Koalition gegen die Stimmen der Opposition in
zweiter Beratung angenommen .

1) Ergebnis Seite 15491 A

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen
zu erheben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gleichen Stimmen-
verhältnis, nämlich bei Zustimmung der Koalition und
Ablehnung der Opposition, angenommen .

Unter dem Tagesordnungspunkt 3 c geht es um die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend zum Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen mit dem Titel „Besonders gefährdete
Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemein-
schaftsunterkünften besser schützen“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Druck-
sache 18/7697, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf der Drucksache 18/6646 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschluss-
empfehlung mit der Mehrheit des Hauses angenommen .

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt abge-
schlossen .

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 4:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabak-
erzeugnisse und verwandte Erzeugnisse

Drucksachen 18/7218, 18/7452

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(10 . Ausschuss)


Drucksache 18/7696

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Aussprache eine Stunde dauern . – Dazu höre ich keinen
Widerspruch . Dann ist das so vereinbart .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für
die Bundesregierung dem zuständigen Bundesminister
Christian Schmidt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Jedes Jahr sterben in Deutschland 120 000 Men-
schen an den Folgen des Rauchens . Das sind mehr als
10 Prozent aller Sterbefälle . Die direkten Kosten und
die indirekten Kosten gemeinsam werden nach der Sta-
tistik des Statistischen Bundesamtes und des Deutschen
Krebsforschungszentrums auf knapp 80 Milliarden Euro
jährlich geschätzt . Diese Zahlen sind frappierend, und sie
zeigen dringenden Handlungsbedarf auf .

Unser Ziel muss sein, dass wir insbesondere denen,
die vor der Entscheidung stehen, ob sie zur Zigarette
greifen oder nicht, das Rauchen vergällen . Wir wollen
nicht dem Einzelnen die Entscheidung abnehmen; er-

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


wachsene Menschen müssen darüber selbst entscheiden .
Aber wir wollen denen, die auf dem Weg zu dem sind,
was ich beschrieben habe, einen guten Rahmen bieten,
um sich nicht für das Rauchen zu entscheiden, sondern
Nichtraucher zu bleiben .

Das heißt, wir müssen die gesundheitlichen Gefahren
nüchtern beschreiben . Aber die nüchterne Beschreibung
allein sorgt noch nicht für eine persönliche Bewegtheit .
Mein Ziel ist es deswegen, neben vielen Detailregulie-
rungen einen erkennbaren Hinweis und einen emotio-
nalen Anreiz für alle zu geben und deutlich zu machen:
Lasst lieber die Finger davon!

Eines der Mittel sind Text-Bild-Warnhinweise . Die
Bilder sind nicht schön, sie könnten aus medizinischen
Fachblättern stammen: offene Raucherbeine, Raucher-
lungen, schwarze Zahnstummel . Die Entscheidung des
Einzelnen bleibt trotzdem bei ihm . Mit diesen Warnhin-
weisen möchten wir jedenfalls zum Nachdenken anre-
gen . Sie sind Bestandteil der Richtlinie auf europäischer
Ebene, die wir heute mit dem Tabakerzeugnisgesetz um-
setzen wollen .

Ich will noch einmal sagen: Mein Ziel ist, dass die,
die noch nicht mit dem Rauchen begonnen haben, nicht
verführt werden . Insofern bestand der erste Teil der Ge-
setzgebung in diesem Zusammenhang darin, dass ich
gemeinsam mit Kollegin Schwesig eine Änderung des
Jugendschutzgesetzes auch im Hinblick auf E-Zigaret-
ten und E-Shishas – ich werde darauf noch zu sprechen
kommen – in das Gesetzblatt gebracht habe . Der Deut-
sche Bundestag hat sich ausführlich mit diesem Thema
befasst . – Herzlichen Dank .

Wir werden jetzt im zweiten Schritt mit der Umset-
zung des Tabakerzeugnisgesetzes wirksame Regelungen
zum gesundheitlichen Verbraucherschutz vorlegen . Heu-
te finden die zweite und dritte Beratung des Gesetzent-
wurfs statt . Ich bedanke mich dafür, weil wir damit im
Rahmen unserer Möglichkeiten zeitnah für Rechtssicher-
heit sorgen . Wir setzen die Tabakproduktrichtlinie mit
Sorgfalt, aber auch mit Augenmaß um . Das heißt, wir
müssen auch festhalten, dass Tabak und Tabakerzeug-
nisse keine verbotenen Produkte sind . Die Wirtschaft hat
Anspruch auf Rechtssicherheit . Wir leisten das .

Ich gebe zu, dass die Umsetzung der Tabakprodukt-
richtlinie auf den letzten Metern Schwierigkeiten berei-
tet hat . Wir mussten leider fast zwei Jahre warten, bis
die Kommission die technischen Daten herausgegeben
hat . In einem Fall ist dann noch die deutsche Grammatik
nicht beachtet worden, und es war eine Änderung not-
wendig . Wir sollten daher immer deutlicher für Deutsch
als Amts- und Arbeitssprache in der Europäischen Union
werben . Vielleicht hilft das auch dem einen oder ande-
ren in der Kommission weiter, die deutsche Sprache bei
Warnhinweisen richtig anzuwenden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden die Warnhinweise auf die wirklichen
Einstiegsdrogen beschränken – Zigarren sind keine Ein-
stiegsdrogen – und uns insbesondere auf diesen Bereich
konzentrieren . Wir wollen, dass entsprechende Zusatz-
stoffe nach wissenschaftlicher Bewertung nicht mehr zu-

gelassen werden. Das griffigste und bekannteste Beispiel
ist die Mentholzigarette, die wir in einer Übergangsfrist
bis zum Jahr 2020 noch akzeptieren, danach nicht mehr .
Nach wissenschaftlichen Aussagen bieten solche Aroma-
stoffe einen Anreiz, zu rauchen, und führen mindestens
zu einem Gewöhnungseffekt . Soweit mir bekannt ist,
hat Helmut Schmidt, der bekannteste Raucher, bis zum
Schluss Mentholzigaretten geraucht .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es ja nicht besser!)


Nicht jeder leidet darunter, man kann auch als Raucher
ein hohes Alter erreichen; aber wir müssen verhindern,
dass durch Aromastoffe ein leichterer Übergang zur
Sucht entsteht . Dafür wollen wir mit der Umsetzung der
Richtlinie sorgen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Als ob erwachsene Menschen nicht selber entscheiden könnten, wann sie sterben wollen!)


Ich will den roten Faden wieder aufnehmen: Es wird
eine Übergangsfrist von einem Jahr zum Abverkauf der
noch nach altem Recht produzierten Zigaretten und Ta-
bakwaren geben, das heißt bis zum 20 . Mai 2017 . Auch
wenn die Frist knapp bemessen ist, bringt sie eine Er-
leichterung; denn für den einen oder anderen mittelstän-
dischen Betrieb ist die technische Umstellung schon eine
große Herausforderung .

Wir werden E-Shishas und E-Zigaretten einbeziehen,
zumal der Bundesgerichtshof sie erst vor kurzem, quasi
vorauseilend zur jetzigen Gesetzgebung, mit Tabakpro-
dukten gleichgestellt hat . Wir müssen verhindern, dass
über die Möglichkeit, mit E-Shishas und E-Zigaretten
Umwege zu organisieren, der Tabakkonsum im Ergeb-
nis doch nicht sinkt . Man lese die jährlichen Berichte
der Kollegin Mortler, der Drogenbeauftragten der Bun-
desregierung, in denen sie detailliert darstellt, welche
Probleme und Gefahren daraus entstehen . Das Deutsche
Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat uns auf die-
sem Weg auch sehr unterstützt .

Es geht um gesundheitlichen Verbraucherschutz und
darum, dass Werbung für Zigaretten in den Bereichen,
wo sie allgemein zugänglich sind, nicht mehr vorkommt .
Bereits seit 2006 ist die Werbung für Zigaretten in Medi-
en, Zeitungen, Fernsehen usw . nicht mehr erlaubt .

Wir werden in der Beratung eines weiteren Gesetzes
zur Umsetzung einer entsprechenden WHO-Richtlinie
über Außen- und Kinowerbung zu sprechen haben . Nach
der Notifizierung durch die Europäische Kommission
werde ich zeitnah eine entsprechende Vorlage vorlegen .
Es geht nicht darum, die Möglichkeit des Erwerbs einzu-
schränken . Es geht vielmehr darum, denen, die bisher nur
eine Idee von einem Geschmack haben, die Idee und den
Geschmack zu vergällen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD])


Bundesminister Christian Schmidt






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815804800

Vielen Dank . – Bevor ich den nächsten Redner auf-

rufe, möchte ich das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung zum Gesetz zur Einführung beschleunig-

ter Asylverfahren bekannt geben: abgegebene Stimmen
580, mit Ja haben gestimmt 429, mit Nein haben ge-
stimmt 147, Enthaltungen 4 . Damit ist der Gesetzentwurf
angenommen .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 580;
davon

ja: 429
nein: 147
enthalten: 4

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr . Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler

Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke

Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel

Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak






(A) (C)



(B) (D)


Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Anita Schäfer (Saalstadt)

Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge

Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann

Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Matthias Bartke
Bärbel Bas
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Sabine Dittmar
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Bettina Hagedorn
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks

Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Martin Rabanus
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse






(A) (C)



(B) (D)


Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr . Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Nein

CDU/CSU

Axel Knoerig

SPD

Ulrike Bahr

Klaus Barthel
Marco Bülow
Dr . Lars Castellucci
Dr . Karamba Diaby
Dr . Ute Finckh-Krämer
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Rita Hagl-Kehl
Petra Hinz (Essen)

Ralf Kapschack
Cansel Kiziltepe
Daniela Kolbe
Helga Kühn-Mengel
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Sabine Poschmann
Dr . Simone Raatz
Mechthild Rawert
Andreas Rimkus
René Röspel
Susann Rüthrich
Sarah Ryglewski
Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Svenja Stadler
Christoph Strässer

(Wol mirstedt)


DIE LINKE

Jan van Aken
Herbert Behrens
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner

Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk

Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Enthalten

SPD

Willi Brase
Thomas Jurk
Ulli Nissen
Stefan Rebmann






(A) (C)



(B) (D)


Das Wort hat jetzt der Kollege Frank Tempel, Fraktion
Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Bring mal ein bisschen Dampf in die Debatte!)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815804900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Da wir nach Angaben

des Deutschen Krebsforschungszentrums jährlich mehr
als 110 000 Todesfälle infolge des Tabakkonsums ver-
zeichnen müssen und wir laut Eurobarometer von rund
700 000 Todesfällen in der EU sprechen, ist es aller-
höchste Zeit, dass wir Maßnahmen beschließen, um die
Zahl solcher Todesfälle zu reduzieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte allerdings davor warnen, sich allzu stolz
auf die Schultern zu klopfen; denn es ist traurig, wie lan-
ge um solche Veränderungen gerungen werden muss . Es
ist traurig, dass wir unsere Möglichkeiten zur Minimie-
rung des Rauchkonsums auch weiter nicht nutzen wer-
den . Es ist auch traurig, dass in dem Gesetz ein „U-Boot“
platziert wird, eine Regelung, die nur scheinbar präven-
tiven Zwecken dient und sich tatsächlich sogar negativ
auswirken könnte .

Ich möchte aber mit drei positiven Beispielen begin-
nen .

Erstes Beispiel . Die Warnhinweise auf Tabakverpa-
ckungen bestehen künftig nicht nur aus einem Text, son-
dern aus einer Kombination von Text und Bild .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Ekelhaft!)


Da es bereits Länder gibt, die positive Erfahrungen damit
gemacht haben – da kann man ja auch einmal hinschau-
en –, gibt es keinen Grund, die Möglichkeit einer etwas
drastischeren Warnung nicht auch bei uns zu ergreifen .
Wir sind allerdings davon überzeugt, dass mit standar-
disierten Verpackungen sogar ein noch größerer Effekt
erzielt werden könnte .

Zweites Beispiel . Um den Zigarettenschwarzmarkt
zu bekämpfen, sollen Verpackungen fälschungssicherer
gemacht werden . Das ist eine richtige Maßnahme; denn
strenge Verbraucherschutznormen werden natürlich nur
von denen beachtet, die legale Produkte in Umlauf brin-
gen .

Drittes Beispiel . Es wird mehr Einschränkungen bei
der Werbung für Tabakprodukte geben . Dazu gehören
Hörfunkwerbung, Werbung in Druckerzeugnissen, Ver-
bot von Sponsoring usw .

An der Stelle muss ich nun leider mit den positiven
Ausführungen zum Gesetzentwurf aufhören; denn wenn
ich sage, die Werbemöglichkeiten für Tabakwerbung
werden eingeschränkt, dann heißt das: Bestimmte For-
men der Werbung wird es weiterhin geben . Ich darf noch
einmal gegenüberstellen: Durch den Konsum von Tabak-
produkten sind mehr als 100 000 Tote jedes Jahr zu ver-
zeichnen, aber gleichzeitig sind bestimmte Formen der
Werbung weiter erlaubt, Tabakprodukte dürfen weiterhin

beworben werden . Das ist ein Paradoxon, also überhaupt
nicht zu erklären .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer Geld für Werbung ausgibt, erwartet selbstver-
ständlich, dass dieses Geld mit Gewinn durch einen hö-
heren Umsatz wieder erwirtschaftet wird . Tabakwerbung
erhöht den Umsatz von Tabakprodukten . Tabakwerbung
konterkariert alle Maßnahmen, die zur Konsumpräven-
tion eingesetzt werden . Tabakwerbung erhöht die Zahl
konsumierter Zigaretten .

Wir wissen, dass wir den Bürgern Rauchen, Kif-
fen, Spielen, Trinken usw . nicht verbieten können, aber
den Umsatz dieser Produkte mit Werbung zu fördern,
das muss aufhören . Deswegen gibt es auch hier keinen
Grund, wie im Ausschuss gesagt, auf weitere EU-Richt-
linien und Regelungen zu warten .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Und dann gibt es da leider das „U-Boot“ im Gesetz-
entwurf, von dem ich eben schon gesprochen habe . Wis-
sen Sie, wir Linke hätten dem Paket präventiver Maß-
nahmen sehr gerne zugestimmt; denn viele Regelungen,
auch wenn sie noch nicht ausreichend sind, entsprechen
dem, was wir seit langem fordern und wofür wir auch
gekämpft haben . Aber nicht überall, wo Sie Prävention
draufschreiben, ist auch Prävention drin .

Damit komme ich zur E-Zigarette . Sie bekommen alle
viel Post dazu . Mit dem faktischen Verbot von Aroma-
stoffen versuchen Sie, die E-Zigarette deutlich unattrak-
tiver zu machen, sie als Konkurrenz für die klassische
Tabakzigarette deutlich zu schwächen . E-Zigaretten sol-
len, um es vereinfacht zu sagen, nicht mehr schmecken .
Ist das Prävention? Schauen wir uns das einmal genauer
an .

Grundsätzlich begrüßt die Linksfraktion die mit der
Novellierung der EU-Tabakproduktrichtlinie verabschie-
deten Regelungen zur E-Zigarette . Fantasievolle, peinli-
che Irrwege wie die Einstufung der E-Zigarette als Arz-
neimittel dürften damit endgültig Geschichte sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Schauen wir auf die Gründe für die Verwendung der
E-Zigarette in Deutschland. Dazu finden wir Zahlen im
Tabakatlas: zu 35,4 Prozent, um weniger zu rauchen, zu
28 Prozent als Alternative zur Tabakzigarette, zu 18 Pro-
zent als Hilfsmittel, um langsam mit dem Rauchen aufzu-
hören, zu 10 Prozent zur Benutzung in Nichtraucherbe-
reichen, zu 7,8 Prozent zum Schutz der Gesundheit von
Menschen in der Umgebung, also zum Schutz vor Pas-
sivrauchen . Haben Sie sich mit den Motiven überhaupt
beschäftigt? Kennen Sie diese Zahlen? Ist an diesen
Motivationen irgendetwas auszusetzen? Sind das nicht
überwiegend Motive, die wir unterstützen sollten, die wir
unterstützen wollen?


(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Nur noch einmal, um frühzeitig einem Irrtum vorzu-
beugen: Der Konsum von E-Zigaretten ist ein riskanter
Konsum, und wer gesund leben will, braucht weder Ta-
bak- noch E-Zigarette . Aber es gibt zumindest einen Un-
terschied zwischen der E-Zigarette und der klassischen
Tabakzigarette: Das Inhalieren von Verbrennungsrück-
ständen beim Tabakkonsum, zum Beispiel Teer, entfällt
und damit ein wesentlicher Teil des Schadenspotenzials .

Was ist also zu tun? Wir brauchen eine Balance von
Maßnahmen . Das Erste ist: Wir wollen nicht, dass Nicht-
raucher zur E-Zigarette greifen und in das Rauchen ein-
steigen . Damit wären wir beim kompletten Werbeverbot;
denn Werbung soll natürlich zum Konsum animieren .
Damit sind wir bei der Aufklärung, bei Beipackzetteln,
Informationen, Warnhinweisen usw . Das alles würde die
Linke mittragen .

Aber was machen wir mit den vielen Rauchern, die es
bereits gibt? Und davon haben wir ja eine ganze Men-
ge im Land . Wie reden wir mit denen, die bisher nicht
aufhören wollten und ihren Rauchkonsum auch nicht
einschränken wollten? Soll ich die Motive für den Griff
zur E-Zigarette noch einmal aufzählen? Weniger rau-
chen, kein Teer mehr inhalieren, langsame Entwöhnung
vom Rauchen usw . Meine Damen und Herren, es mag
ja Menschen geben, denen die alte Tabakzigarette bisher
zu gefährlich war und die jetzt mit der vielleicht etwas
weniger gefährlichen E-Zigarette mit dem Rauchen, mit
dem Dampfen beginnen . Ich hatte bisher allerdings nicht
das Glück, auch nur einen davon zu finden.


(Beifall bei der LINKEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)


Wir bekommen alle sehr viel Post dazu, und über manche
Medien kann man auch einmal nachfragen . Ich streite
nicht ab, dass es solche Menschen gibt, ich habe nur noch
keinen gefunden . Vielleicht meldet sich jemand hier im
Haus, der sagt: Ich habe bisher keine Zigaretten geraucht,
rauche aber jetzt die E-Zigarette . Mich würde das Motiv
interessieren .

Verwechseln Sie in dieser Diskussion bitte eines
nicht: Menschen, die mal probiert haben, sind noch kei-
ne Raucheinsteiger . Einige Sachverständige haben sich
im Gesundheitsausschuss dieses Mittels bedient und von
Probierern gesprochen . Probierer sind noch keine Kon-
sumeinsteiger .

Ganz ehrlich, meine Damen und Herren, nehmen Sie
einmal Folgendes an: Jemand, den Sie sehr gerne haben,
raucht 40 Zigaretten am Tag, und seit Jahren schaffen Sie
es nicht, ihm oder ihr das auszureden . Was ist denn mit
der Idee, dieser Person zu sagen: „Versuche es doch mal
alternativ mit der E-Zigarette“? Da fallen zumindest ei-
nige schwerwiegende Schadstoffe weg . Vielleicht kann
das Gesundheitsrisiko so wenigstens minimiert werden .
Natürlich bleibt ein Potenzial, Krebs oder andere Sucht-
erkrankungen zu bekommen, vorhanden . Aber wäre das
nicht wenigstens ein Einstieg? Und wenn ein starker
Raucher sich auf diese Idee einlässt, dann wird das Rau-
chen – das werden Sie sehr häufig beobachten – auch in
der Quantität etwas nachlassen, weil das einfach etwas
umständlicher ist, als sich schnell einen Glimmstängel
anzustecken . Die E-Zigarette ist etwas weniger gefähr-

lich . Das Gesundheitsrisiko ist geringer, und es schmeckt
vielleicht auch noch etwas besser . Ich jedenfalls mache
das so mit Menschen, die ich mag . Das habe ich aktuell
anlässlich eines 30 . Geburtstages so getan . So sollten wir
als Gesetzgeber mit unseren Bürgern umgehen . Das soll-
te unser gemeinsames Anliegen sein .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Marcus Held [SPD])


Wenn man die E-Zigarette unattraktiver macht, in-
dem man faktisch die Aromastoffe verbietet, sodass die
E-Zigarette ganz einfach nicht mehr schmeckt, werden
sehr wahrscheinlich weniger Tabakkonsumenten auf die
E-Zigarette umsteigen . Die möglichen präventiven und
schadensminimierenden Effekte würden verschenkt .
Eine solche Regelung kann also nur die Tabakindustrie
erfreuen, und deren Konkurrenz wird so kleingehalten .
Der präventive Charakter dieses Gesetzes, meine Damen
und Herren, wird damit konterkariert . Eine Zustimmung
zum Gesetzentwurf ist für die Linke aufgrund dieser
Regelung ausgeschlossen . Es ist traurig, dass Sie eine
solche Wettbewerbsunterstützung für Tabakprodukte als
„U-Boot“ in dem Entwurf eines Gesetzes verstecken, das
eigentlich zur Erhöhung der Produktsicherheit und zur
Verbesserung der Prävention gedacht ist .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815805000

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Rainer Spiering

für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rainer Spiering (SPD):
Rede ID: ID1815805100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol-

legen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Bevor
ich einsteige: Herr Tempel, das war der beste Werbeblock
für E-Zigaretten, den ich in letzter Zeit in der Primetime
gehört habe . Herzlichen Glückwunsch zu diesem Wer-
beblock in der Primetime!


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir sprechen heute über das Tabakerzeugnisgesetz .
Der Minister hat etliches von dem, was technologisch
abzuarbeiten ist, dargestellt . Ich möchte mich vorab bei
all denen bedanken, die sich an der Debatte beteiligt ha-
ben . Es waren ausgesprochen schwierige Diskussionen .
Da ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen
will – das werde ich in diesem Moment auch nicht tun –,
möchte ich sagen: Wir haben es mit einem Wirtschafts-
zweig zu tun, dessen Gebaren bei der Wahl seiner Mittel
für mich fremd ist; das will ich deutlich sagen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es war sehr schwierig, in diesem Punkt Einvernehmen
herzustellen .

Herr Tempel, Sie haben eben die E-Zigarette ange-
sprochen . Nun spricht ein direkt Betroffener; denn ich bin

Frank Tempel






(A) (C)



(B) (D)


Raucher . Ich werde mir Ihre Erwägungen durch den Kopf
gehen lassen . Ob sie zünden, weiß ich nicht . Bei dieser
Frage geht es nämlich um eine Abwägung: Auf der einen
Seite haben wir die Zigarette . Hierzu hat Herr Tempel
Zahlen genannt, die ich so nicht kenne . Gleichwohl, es
ändert nicht viel: Die Zigarette ist ein gesundheitsschäd-
liches Konsumgut . Auf der anderen Seite haben wir den
freien Willen von Menschen, etwas zu konsumieren, was
für sie nicht gut ist . Dieser Abwägung mussten wir Rech-
nung tragen .

Das versuchen wir mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf zu tun . Er wird natürlich nicht perfekt sein . Aber
ich glaube, er ist gut und im Rahmen des Möglichen das
Beste, was wir derzeit tun können . Er geht auch konform
mit dem EU-Recht, was ich ebenfalls für sehr wichtig
und sehr wertvoll halte; wir sind uns da mit unseren eu-
ropäischen Partnern einig . Der Gesetzentwurf versucht,
die Risiken, die das Rauchen mit sich bringt, so weit wie
möglich einzuschränken, und das unter Beibehaltung
der Möglichkeiten des Konsums . Das ist ein schwieriger
Schritt, und er ist, glaube ich, gelungen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Bei der Auseinandersetzung mit der Zigarette ist mir
etwas aufgefallen. Es ist ja häufig so, dass einem, wenn
man sich intensiv mit einem Thema beschäftigt, auch Wi-
dersprüche auffallen . Über den Widerspruch, den ich Ih-
nen gleich nennen werde, werden Sie sich vielleicht wun-
dern . Als ich mich mehr und mehr mit den Folgen des
Rauchens auseinandergesetzt habe, während ich gleich-
zeitig an den Sitzungen des Ausschusses für Landwirt-
schaft teilgenommen habe, haben sich für mich Wider-
sprüche aufgetan, die mich wirklich erschrocken haben .

Wir diskutieren über ein Konsumgut, von dem wir
wissen, dass es schädlich ist . Gleichzeitig erleben wir,
dass die Landwirtschaft schwer um ihre Existenz kämpft .
Ich bin vor vier oder fünf Wochen in eine Filiale einer
großen Einzelhandelskette gegangen, um für das Abend-
essen das Notwendige zu kaufen, unter anderem Kar-
toffeln . Dabei habe ich festgestellt, dass 1 Kilogramm
Schnitzel für 4 Euro angeboten wird . Gleichzeitig wird
eine Schachtel Zigaretten, die 6 Euro kostet, den Verkäu-
fern geradezu aus den Händen gerissen . Kolleginnen und
Kollegen, das geht so nicht . Das passt in unserem Land
nicht zusammen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist keine Anerkennung der Leistungen in der Land-
wirtschaft . Wir müssen dringend darüber nachdenken, ob
die Prozesse, die wir dort erleben, richtig sind, oder ob
wir dem, was durch menschliche Arbeit geschaffen wird,
nicht mehr Rechnung tragen sollten, um so den Bäuerin-
nen und Bauern und ihren Produkten zu viel mehr Aner-
kennung zu verhelfen . Sollten wir uns nicht viel intensi-
ver damit beschäftigen, wie wir die Dinge, die uns krank
machen, beseitigen können?

Nikotin ist ein hochwirksames Nervengift; das wissen
wir alle . Wir müssen daher alles tun, um das Nikotin und
seine Folgen in den Griff zu bekommen . Ich glaube – das
habe ich eben schon einmal gesagt –, dass der Gesetz-
entwurf dem Rechnung trägt . Der Minister hat die Um-

setzungsfrist angesprochen . Wahrscheinlich wird es am
Ende des Tages darüber die heikelste Diskussion geben .
Man muss dazu sagen: Es gibt die technische Möglich-
keit des Umsetzens, so die Experten . Da es sie gibt und
ich großes Vertrauen in die Fähigkeiten der deutschen
Technologie habe, gehen wir jetzt diesen Weg . Das ist
aber auch der Tatsache geschuldet, dass sich die Tabakin-
dustrie uneins war und uns die Möglichkeiten genommen
hat, überhaupt gesetzgeberisch tätig zu werden . Das ist
nämlich die Wahrheit dahinter: Die Umsetzungsfrist ist
an der Tabakindustrie selbst gescheitert .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wenn wir uns jetzt mit der Zukunft auseinandersetzen,
werden wir uns mit der Frage beschäftigen müssen, was
wir in Zukunft noch machen wollen. Wir befinden uns
jetzt beim ersten Gesetzentwurf . Ein zweiter wird folgen,
der sich mit der Werbung und den Zusatzstoffen beschäf-
tigen wird . Wir werden die Zusatzstoffe sehr kritisch be-
obachten müssen, die dem Raucher etwas suggerieren,
was das reale Produkt überhaupt nicht bringt . Das bes-
te Beispiel ist Menthol . Wir kennen Menthol als etwas
eigentlich Gesundheitsförderndes . Beim Inhalieren des
Zigarettendampfes wird suggeriert: Wir nehmen etwas
zu uns, das gesundheitsfördernd ist . Das glauben wir; in
Wahrheit ist es aber gesundheitsschädlich .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat mir aber der Helmut Schmidt nie geglaubt!)


– Herr Kauder, das weiß ich, und das wissen Sie . Helmut
Schmidt hat es bestimmt auch gewusst . Es hat ihn schlicht
und ergreifend nicht interessiert . Damit kommen wir an
die Stelle, wo der einzelne Mensch die Möglichkeit ha-
ben muss, selbst zu entscheiden .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!)


– Herr Kauder, wir als Gesetzgeber sollten aber dafür
Sorge tragen, die Menschen davor zu schützen, etwas zu
tun, was sie vielleicht selber gar nicht wollen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das ist Dialektik!)


– Danke für die Zustimmung .

Wir werden also die charakteristischen Aromen, die
schädlich sind, vom Markt nehmen . Und wir werden uns
mit den Zusatzstoffen Vitamine, Koffein und Taurin be-
schäftigen und sie vermutlich auch per Gesetzeskraft ver-
bieten . Und das ist auch gut und richtig so .

Wie sieht die Zukunft aus? Wir werden uns mit dem
Werbeverbot auseinandersetzen müssen . Die Anhörung
hat sehr deutlich ergeben, dass das Bedürfnis nach Kon-
sum in jungen Jahren entsteht . Wir werden alles daran-
setzen müssen, Kollege Tempel, um das Konsumverhal-
ten von vornherein so zu steuern, dass junge Menschen
nicht auf die Idee kommen, etwas zu konsumieren, das

Rainer Spiering






(A) (C)



(B) (D)


für ihren Lebensweg schädlich ist . Das ist die Aufgabe
des Gesetzgebers .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Deswegen werden wir uns intensivst bemühen, ein
durchgängiges Werbeverbot zu erlassen, um junge Men-
schen davon abzuhalten, etwas zu tun, was für sie nicht
gut und richtig ist .

Man könnte natürlich der Zigarettenindustrie auch an-
bieten, eine Werbung mit einem Plakat zu machen, das
zu 65 Prozent Warnhinweise enthält . Ob ihr das so ge-
fällt, weiß ich nicht . Ich würde eher vermuten, dass das
nicht der Fall sein wird . Es wird aber im nächsten Schritt
unsere Aufgabe sein, bei der Außenwerbung – bei der
Werbung insgesamt – ein großes Augenmerk darauf zu
richten, etwas klarzustellen .

Deutschland ist das einzige EU-Land, das noch Au-
ßenwerbung erlaubt; denn in Bulgarien ist sie mittlerwei-
le auch nicht mehr erlaubt . Ich glaube, wir sollten uns da
der Weisheit der europäischen Staaten anschließen und
Außenwerbung auch in Deutschland untersagen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU], an die SPD gewandt: Etwas mehr!)


– Herr Kauder, zu Ihrer Linken hat man vernünftigerwei-
se auch geklatscht .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist in Ordnung! Aber die Sozialdemokraten haben nicht mit genügend Empathie geklatscht! Und die habe ich ermuntert! – Heiterkeit)


– Das ist nett von Ihnen, Herr Kauder . Dafür bin ich Ih-
nen dankbar .


(Marcus Held [SPD]: Wir sind noch im Diskussionszyklus!)


Ich möchte meine Ausführungen damit beenden, mich
noch einmal ausdrücklich beim Minister für die gute Zu-
sammenarbeit zu bedanken . Ich glaube, wir haben im
Rahmen des Möglichen das getan, was wir tun konnten,
um hier heute einen ausgesprochen schwierigen Gesetz-
entwurf einvernehmlich zu verabschieden .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815805200

Vielen Dank . – Der Kollege Frank Tempel hat jetzt für

eine Kurzintervention um das Wort gebeten . Bitte schön .


Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815805300

Sie haben jetzt zum Schluss beim Thema Jugend-

schutz noch einmal kurz Werbeverbote angesprochen .
Da werden Sie mich voll an Ihrer Seite haben . Den Ju-
gendlichen nicht mehr zu suggerieren, dass etwas cool
ist, ist durchaus ein sehr wirksames präventives Mittel .

Zum Thema Werbeblock muss ich aber noch ein paar
Worte sagen: Etwas zu schadensärmeren bzw . schadens-
minimierenden Lebensweisen zu sagen, ist noch lange
keine Werbung . Vielleicht wissen Sie, dass englische Ge-
sundheitsbehörden gerade gezielt darauf setzen, starke
Raucher zum Umstieg auf die E-Zigarette zu bewegen .
Auch da gibt es keinen Lobbyismus für die E-Zigarette .
Vielmehr ist es durchaus ein erwiesener Fakt, dass das
auch bei der E-Zigarette erwiesenermaßen vorhandene
Risiko nicht so hoch ist wie beim Konsum einer norma-
len Zigarette und dass man die Zahlen bei vielen Erkran-
kungen und den Herzinfarkten sowie die Sterberisiken
durchaus minimieren kann, wenn man auf diesem Gebiet
etwas unternimmt .

Dass ich regelmäßig sage: „Leute, geht Sport treiben“,
ist keine Werbung für eine Fitnesskette, sondern die Auf-
forderung, auf eine andere Lebensweise umzusteigen
und sich zu überlegen, ob man nicht wenigstens in Teilen
etwas ändern kann, wenn man schon nicht komplett ge-
sund leben will .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815805400

Möchten Sie darauf antworten, Herr Spiering? Sie

müssen nicht . – Danke .

Jetzt hat der Kollege Dr . Harald Terpe, Bündnis 90/
Die Grünen, das Wort .


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815805500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetz-
entwurf ist wieder einmal eine verpasste Chance, einen
umfassenden Verbraucherschutz durchzusetzen . Herr
Spiering, es ist eben nicht das Beste, was man mit einem
Gesetzentwurf zu diesem Thema machen konnte .

Deutschland geht in der Tabakpolitik nach wie vor
einen Sonderweg – und das eigentlich schon seit vielen
Jahren; darauf haben auch Sie hingewiesen . Es war für
die anderen europäischen Länder gar nicht so wichtig,
dass in der Richtlinie etwas zum Verbot von Tabakwer-
bung gesagt wird, weil es dieses Verbot in anderen Län-
dern schon gibt .

Aber für uns ist das ein Problem .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Statt die Prävention durch ein komplettes Werbeverbot
für Tabakprodukte zu stärken, sind Ihnen die wirtschafts-
politischen Interessen der Tabak- und der Werbeindustrie
wichtiger als der Gesundheitsschutz der Verbraucherin-
nen und Verbraucher . Ich frage mich tatsächlich – die
Zahlen wurden ja genannt –, wieso über 100 000 Tote
pro Jahr – hinzu kommen noch Millionen von Erkrankten
infolge des Tabakrauchens – nicht Grund genug sind, auf
jegliche Tabakwerbung zu verzichten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie sieht denn der Alltag in Deutschland aus? Die
Großflächenplakate und die Kinowerbung sind schon an-

Rainer Spiering






(A) (C)



(B) (D)


gesprochen worden . In Berlin werden vor Hochschulen
kostenlos Zigaretten abgegeben, und dies wird auch noch
mit der kostenlosen Abgabe anderer Produkte, zum Bei-
spiel Croissants, verbunden, damit es die Jugend sozusa-
gen triggert, zu rauchen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo gibt es das umsonst?)


Wir waren bei der Frage, wie Werbung auf Jugend-
liche wirkt . Sie können jetzt sagen: Wir haben doch im
Jugendschutzgesetz die Tabakwerbung vor 18 Uhr ver-
boten . – Die jungen Menschen gehen aber auch abends
ins Kino, sie sind an den Universitäten und nehmen
Großflächenplakate wahr. Deswegen: Sie werden dort
manipuliert und zum Rauchen animiert, und ich denke,
damit muss Schluss sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Gibt es da auch Hasch?)


– Natürlich . Das ist nicht Quatsch .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Gibt es da auch Haschisch umsonst?)


Seit hundert Jahren wissen die Psychologen, dass
Werbung eine Wirkung im Gehirn erzeugt und die freie
Selbstbestimmung untergräbt . Das ist nicht bei den Äl-
teren, die meistens im Korsett ihrer Haltungen gefangen
sind, sondern bei den Jüngeren ein Problem . Genau dort
setzt die Tabakwerbung an, und sie gehört verboten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Während beim Tabakrauchen also wesentliche Präven-
tionsschritte unterbleiben, werden bei der Regulierung
der E-Zigaretten starke Geschütze aufgefahren . Damit
Sie mich jetzt nicht falsch verstehen: Bei den technischen
Geräten muss es Verbraucherschutz und Sicherheit ge-
ben . Der Nikotingehalt muss reguliert werden, indem ein
Grenzwert gesetzt wird, wie dies die EU ja auch vorgibt,
weil Nikotin ein starkes Gift ist und eine Überdosis Ni-
kotin akut zum Tode führen kann . Es besteht also kein
Zweifel daran, dass das richtig ist, und das hat die EU ja
auch vorgegeben .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sollen die E-Zigaretten ja auch nicht essen!)


Es wird formuliert, dass in den Liquids nur Stoffe ver-
wendet werden sollen, die mit Sicherheit nicht gesund-
heitsschädlich sind .


(Marcus Held [SPD]: Das sind alle!)


– Das sind ungefähr alle . Ich bin Mediziner, und, ja, die
Dosis macht das Gift .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es in Ordnung!)


Das ist eine Überregulierung, die auch zulasten der Ver-
braucher gehen kann, weil man mit diesem faktischen
Verbot Verbraucher sozusagen in die Illegalität abdrängt,

und wir wissen, was das auch für einen wirksamen Ver-
braucherschutz bedeutet .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Ich will das jetzt nicht im Einzelnen weiter ausführen,
aber letztendlich muss man hier noch einmal ansetzen
und überlegen, ob das wirklich die richtige Maßnahme
ist oder ob man damit nicht auch wirksamen Verbrau-
cherschutz und Prävention untergräbt oder konterkariert .

Also: Mit dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf
verpassen Sie die Chance einer größtmöglichen Präven-
tion und konterkarieren diese . Deswegen können wir die-
sem Gesetzentwurf nicht zustimmen .

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815805600

Vielen Dank . – Nächste Rednerin für die CDU/

CSU-Fraktion ist die Kollegin Kordula Kovac .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Kordula Kovac (CDU):
Rede ID: ID1815805700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe vor
ein paar Wochen hier gestanden, als ich zum Tierschutz
geredet habe, und habe mich sehr darüber gefreut, dass
mein Fraktionsvorsitzender als Einziger von allen Frak-
tionsvorsitzenden hier war – genauso wie am heutigen
Donnerstagmorgen, an dem es um wichtige Themen in
diesem Land und um unseren Ausschuss geht . Danke,
Fraktionsvorsitzender, dass Sie da sind .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Rainer Spiering [SPD]: Applaus für Herrn Kauder!)


– Genau .


(Marcus Held [SPD]: Aber Stellvertreter!)


– Aber kein Vorsitzender .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt zum Thema .
„Die Menschen werden immer rauchen“, hat unser ver-
storbener Altkanzler Helmut Schmidt gesagt . Er wird
damit recht behalten . Auch nach Verabschiedung des
Tabakerzeugnisgesetzes werden die Menschen weiter
rauchen . Die Entscheidung, mit dem Rauchen anzufan-
gen oder aufzuhören, ist jedem selbst überlassen . Diese
Entscheidungsfreiheit wird auch von niemandem infrage
gestellt . Aber diese Entscheidungsfreiheit steht in Ab-
wägung zu Gründen des Allgemeinwohls, im Besonde-
ren zum gesundheitspolitischen Verbraucherschutz . Der
Schutz der Volksgesundheit ist nicht nur ein wichtiges
Gut, sondern Verfassungsauftrag . Es steht unumstritten
fest: Rauchen gefährdet die Gesundheit! 120 000 Men-
schen sterben jährlich an den Folgen des Rauchens . Auch
das Dampfen, das Rauchen von elektronischen Zigaret-
ten und elektronischen Wasserpfeifen, gefährdet die Ge-
sundheit .

Dr. Harald Terpe






(A) (C)



(B) (D)


Es mag sein, dass E-Zigaretten Hilfe beim Ausstieg
aus dem Rauchen sein können . Es stimmt aber ebenso,
dass diese Zigaretten, insbesondere wenn sie nach Scho-
kolade oder anderen Aromen schmecken, den Einstieg
ins Rauchen erleichtern . Durch elektronische Zigaretten
wird suggeriert, dass es eine gesunde Variante des Rau-
chens gibt . Das ist schlichtweg nicht richtig . E-Zigaretten
sind vielleicht weniger schädlich als herkömmliche Ziga-
retten . Sie sind aber in keinem Fall gesund, Herr Kollege .


(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Das habe ich auch nicht gesagt! – Marcus Held [SPD]: Das hat er nicht gesagt!)


Aus diesem Grund begrüße ich es außerordentlich,
dass mit dem Tabakerzeugnisgesetz erstmalig auch Re-
geln hinsichtlich von nikotinhaltigen E-Zigaretten und
E-Wasserpfeifen erlassen werden . Hiermit wird eine Ge-
setzeslücke geschlossen . E-Zigaretten und E-Wasserpfei-
fen liegen bei jungen Menschen im Trend . 11,3 Prozent
der 12- bis 17-Jährigen haben schon eine E-Zigarette
oder E-Shisha probiert,


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Probiert, ja!)


ohne jemals eine Tabakzigarette geraucht zu haben . Wir
haben daher im Januar dieses Jahres ein Verbot der Ab-
gabe von elektronischen Zigaretten und Wasserpfeifen an
Kinder und Jugendliche und des Konsums für Kinder und
Jugendliche im Bundestag beschlossen . Der Bundesge-
richtshof hat am 8 . Februar dieses Jahres E-Liquids, die
auf Rohtabak basieren, als Tabakerzeugnis klassifiziert.
Dadurch ist bis zur Verabschiedung des vorliegenden
Gesetzentwurfes, des Tabakerzeugnisgesetzes, ein fak-
tisches Verkaufsverbot von E-Zigaretten ausgesprochen
worden . Der Branche entstehen dadurch Millionenver-
luste . Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Gesetz nun
zügig verabschieden, um Rechtssicherheit zu schaffen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im April 2014 hat die EU die sogenannte Tabak-
produktrichtlinie erlassen . In der Richtlinie wird eine
Ausweitung von Text- und Bildwarnhinweisen vorge-
schrieben, den Warnhinweisen mit den sogenannten
Schockbildern . Darüber hinaus werden wir Regeln zu
Zusatzstoffen erlassen . Charakteristische Aromastoffe
wie Menthol ebenso wie Tabak oder Nikotin in Filter, Pa-
pier oder Kapseln sind zukünftig verboten . Deutschland
ist verpflichtet, diese Richtlinie bis zum 20. Mai 2016 in
nationales Recht umzusetzen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, anders als bei ande-
ren Richtlinien fallen Umsetzungsfrist und die Frist zur
Produktionsumstellung zusammen . Eine Nachfrage der
Bundesregierung ergab, dass bereits 2015 feststand, dass
es aus europäischer Sicht keinen Spielraum gibt, diesen
Konstruktionsfehler der Richtlinie nachträglich zu behe-
ben: weder für Deutschland oder für Polen noch für Ru-
mänien oder andere Länder . Da die genauen Details zur
technischen Umstellung in der Produktion durch die EU
allerdings erst im November 2015 vorlagen und einige
erst in der letzten Woche, stellt dieser Sachverhalt vor
allem kleine und mittelständische Unternehmen vor He-
rausforderungen . Die Anhörung von Sachverständigen

hat noch einmal deutlich gemacht, dass die notwendige
Produktionsumstellung kostenintensiv ist und nicht un-
bedingt am fehlenden Willen, sondern auch an den zu
wenigen zur Verfügung stehenden Maschinen scheitern
könnte .

Trotzdem: Eine Verlängerung der Frist würde mehr
Nachteile als Vorteile mit sich bringen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stürmischer Beifall!)


Eine Fristverlängerung würde einen EU-Vertragsbruch
hinsichtlich der Umsetzung von Richtlinien bedeuten,
mit der Gefahr, dass ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen Deutschland eingeleitet würde .

Außerdem würde dadurch das faktische Verkaufsver-
bot von E-Zigaretten ebenfalls verlängert und dringend
benötigte Rechtssicherheit nicht geschaffen werden . Und
nicht zu vergessen – das wurde heute Morgen schon
deutlich gesagt –: Auch aus Verbraucherschutzgründen
erscheint eine Fristverlängerung nicht zielführend . Sollte
die Tabakproduktrichtlinie nicht, wie geplant, zum Stich-
tag in Kraft treten, bleiben Produkte, auf deren Schachtel
keine Schockbilder zu sehen sind, länger im Umlauf . Re-
geln zu Inhaltsstoffen ebenso wie zu den bislang unre-
gulierten E-Zigaretten werden weiter aufgeschoben . Das
ist nicht in unserem Sinne und, ich denke, auch nicht im
Sinne der Opposition .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, es ist uns allen klar, dass
das Gesetz im Spannungsfeld zwischen gesundheitli-
chem Verbraucherschutz und dem Erhalt von Arbeits-
plätzen und Industriestandorten in Deutschland steht .


(Dr . Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das darf doch nicht wahr sein!)


Die Frage nach der Fristverlängerung ist zu einer Fra-
ge des Wettbewerbs geworden . Die Uneinigkeit der Ta-
bakindustrie darf aber nicht dominierender Gegenstand
einer verbraucherschutzrechtlichen Regelung werden,
zumal die Verhältnismäßigkeit der Einflussnahme durch
die Tabakwirtschaft zu Recht infrage gestellt werden
kann . Mancher Auftritt, liebe Kolleginnen und Kollegen,
war reif für die heute-show . Sie wissen, was ich meine .

Vor diesem Hintergrund halten wir an der von der EU
vorgegebenen Frist fest . Diese schwierige Entscheidung
ist letztendlich eine Abwägung mit Augenmaß zwischen
wirtschaftlichen Interessen und dem Allgemeinwohl .
Vergessen Sie nicht: Die Frist nicht zu verlängern, bietet
auch für die Industrie Vorteile, nämlich dringend benö-
tigte und umgehende Rechtssicherheit .

Durch das Wiederaufgreifen der Exportklausel in § 42
sind wir außerdem der Wirtschaft entgegengekommen,
indem wir die Ausfuhr von Produkten, die nicht den Vor-
gaben des Gesetzes entsprechen und zur Lieferung ins
Ausland bestimmt sind, trotzdem erlauben . Behauptun-
gen, wonach wir durch das Gesetz die Wirtschaft zuguns-
ten des Verbraucherschutzes einseitig und unzumutbar
belasten, sind somit nicht zutreffend .

Kordula Kovac






(A) (C)



(B) (D)


Ich bitte Sie daher abschließend um Zustimmung zu
dem Gesetzentwurf, damit wir den uns durch die EU
gestellten Anforderungen nachkommen und unseren ei-
genen Ansprüchen an den gesundheitlichen Verbraucher-
schutz gerecht werden können .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815805800

Vielen Dank . – Jetzt hat die Kollegin Nicole Maisch,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815805900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer die

Backen aufbläst, muss hinterher auch pfeifen . Das würde
ich mir beim Thema Rauchen von der Großen Koalition
wünschen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist noch kein Dreivierteljahr her, als Minister
Schmidt in der Bild-Zeitung großspurig ein komplettes
Werbeverbot für Zigaretten und Tabak angekündigt hat .
Er hat das begründet:

Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass
eine allgegenwärtige Werbung in der Öffentlichkeit
den Einstieg in das Rauchen aktiv fördert .

Recht hat der Mann . Aber was hat er daraus gelernt?
Nichts .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Wenn man es noch ein bisschen großspuriger haben
will, dann kann man die alten Zitate der Drogenbeauf-
tragten Mortler nachlesen . Sie hat nämlich gesagt:

Wenn wir

– also die Große Koalition –

glaubhaft bleiben sollen, ist für mich ein Tabakwer-
beverbot auf Plakaten überfällig .

Ein Jahr später hat sie noch einen draufgelegt:

Wir müssen alles tun, um die tödlichen Auswirkun-
gen des Tabakkonsums zu begrenzen . . . . Tabakwer-
bung muss in Deutschland verboten werden .

„Alles tun“, „muss verboten werden“: Darunter macht
es die CSU nicht, und ein halbes Jahr später erinnert sich
niemand von Ihnen mehr daran . Das, meine Damen und
Herren, ist peinlich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kordula Kovac [CDU/CSU]: Tabak ist heute gar nicht Bestandteil des Gesetzentwurfs, Frau Kollegin! – Gegenruf des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE]: Ja, das ist das Problem!)


Wir brauchen endlich sinnvolle Maßnahmen zur Prä-
vention und Werbebeschränkung als erwiesenermaßen
wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen . Das
wäre eine vernünftige drogenpolitische Forderung von
Ihnen gewesen . Ansonsten hört man von Ihnen eher die

Verteidigung der Prohibition, zum Beispiel bei Cannabis .
Aber hier wäre einmal eine sinnvolle Maßnahme zur Prä-
vention möglich gewesen . Leider haben Sie sich dagegen
entschieden . Sie sind vor einer Lobby eingeknickt . Das
ist peinlich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wider besseres Wissen lassen Sie die Tabakindustrie
weiterhin ungehindert Kampagnen fahren, die ganz ge-
zielt an Kinder und Jugendliche gerichtet sind . Nehmen
wir als Beispiel die „Maybe“-Kampagne für die Zigaret-
tenmarke Marlboro: ein schnuckeliger junger Typ in zer-
rissenen Jeans mit seiner E-Gitarre und darunter „Maybe
never wrote a song“ oder „Maybe never feels free“ . Da
sind doch nicht wir erwachsenen Frauen und Männer
die Zielgruppe, sondern das ist ganz gezielt an die Jun-
gen und Mädchen auf den Schulhöfen gerichtet: Wenn
du cool sein willst, wenn du frei und schön sein willst,
dann sind Nikotin und Teer die Stoffe, die du unbedingt
brauchst . – Das wird weitergehen . Das haben Sie mit die-
sem schlechten Gesetz öffentlich sanktioniert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie sind damit europäisches Schlusslicht . Wir sind
das allerletzte Land in der EU – Bulgarien wurde vor-
hin als ähnlich schlecht dargestellt; selbst dort ist man
mittlerweile weiter –, wo man noch mehr oder weniger
ungehindert für Zigaretten werben darf. Ich finde es ein-
fach peinlich, dass wir bei diesem wichtigen Thema noch
immer europäisches Schlusslicht sind .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Lange Rede, kurzer Sinn: Die Lobby hat Ihnen die
Luft abgelassen . Das ist ein schlechtes Gesetz . Sie sind
deutlich unter den Möglichkeiten der Richtlinie geblie-
ben . Deshalb kann man das nur ablehnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815806000

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die

Kollegin Ursula Schulte .


(Beifall bei der SPD)



Ursula Schulte (SPD):
Rede ID: ID1815806100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen

und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben vor knapp einem Monat den Kin-
der- und Jugendschutz gestärkt . Wir haben nämlich be-
schlossen, dass Tabakwaren und elektronische Zigaretten
nicht mehr an Kinder und Jugendliche abgegeben werden
dürfen .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja auch noch schöner!)


Wir haben sichergestellt, dass elektronische Zigaret-
ten und E-Shishas auch über den Versandhandel nur an

Kordula Kovac






(A) (C)



(B) (D)


Erwachsene abgegeben werden dürfen . Ich sage ganz
selbstbewusst: Das haben wir gut gemacht .


(Beifall bei der SPD)


Denn Tabakprodukte, ob konventionell oder elektro-
nisch, haben in Kinderhänden nichts zu suchen .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin froh, dass wir heute im Rahmen der Tabak-
produktrichtlinie noch einmal über die E-Zigarette disku-
tieren . Der Verband des eZigarettenhandels hat, bezogen
auf diesen Umsetzungsprozess, selber noch einmal her-
ausgestellt: Die aus der Tabakproduktrichtlinie abgelei-
teten Regelungen des Gesetzentwurfes hinsichtlich E-Zi-
garetten sind umfassend und regeln alle wesentlichen
Aspekte des Produktes . – Der Verband führt weiter aus:
Damit erhält die derzeit unregulierte E-Zigarette einen
strikten regulatorischen Rahmen . – Ich hätte diese Fest-
stellung nicht besser formulieren können .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist so weit richtig! Aber Sie gehen darüber hinaus!)


Mit der Tabakproduktrichtlinie geben wir exakt einen re-
gulatorischen Rahmen, der aber nicht verbietet – das ist
meiner Meinung nach entscheidend –, Konsum weiterhin
ermöglicht und den Menschen ihre persönliche Verant-
wortung lässt . Jeder Erwachsene kann nach wie vor sel-
ber entscheiden, ob er raucht und wie viel er raucht .

In der öffentlichen Anhörung vom 17 . Februar 2016
haben wir von den Fachexperten gehört, dass gerade
die bunten E-Zigaretten und die vielfältigen Aromen für
Kinder und Jugendliche besonders verführerisch sind .
Sie werden durch die süßen Aromen angefixt und zum
Probieren verleitet .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Quatsch!)


Genau daran hat die Industrie ein Interesse . Das kann
aber nicht in unserem Interesse liegen . Das müssen wir
doch verhindern . Die Vermarktung der E-Zigarette als
trendiges Lifestyleprodukt kommt gerade Kindern und
Jugendlichen entgegen . Die Werbung ist oft emotional,
appelliert an das Gemeinschaftsgefühl und unterstützt die
Risikobereitschaft dieser Zielgruppe . Deshalb müssen
wir ganz genau hinschauen, wo und wann wir Werbung
für E-Zigaretten und E-Shishas überhaupt noch zulassen .


(Beifall bei der SPD – Frank Tempel [DIE LINKE]: Gar nicht zulassen!)


– Dazu komme ich gleich . – Wir müssen auch hinterfra-
gen, ob es im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes ge-
rechtfertigt ist, Werbung im Kino nach einer bestimmten
Uhrzeit zu erlauben und Außenwerbung vor allem auch
bei großen Ereignissen zu gestatten . Herr Minister, da
können wir ruhig ein bisschen forscher nach vorne ge-
hen . Im Übrigen wäre ich für ein komplettes Werbever-
bot . Das ist aber meine persönliche Meinung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben zu überlegen, ob es gerechtfertigt ist, dass
in Supermärkten und an Tankstellen E-Produkte teilwei-
se im Bereich von Süßigkeiten platziert werden . Das

suggeriert doch Harmlosigkeit, unterstützt den Konsum-
wunsch und verführt zum Kauf . Das können und dürfen
wir nicht länger zulassen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes kann ich die
Forderung des Deutschen Krebsforschungszentrums
nach einem umfassenden Werbe-, Marketing- und Spon-
soringverbot nicht nur für Tabakprodukte, sondern auch
für E-Zigaretten und E-Shishas nur unterstützen, gera-
de weil Werbung zum Rauchen animiert . Weil oft nicht
wahrnehmbar ist, ob für ein nikotinhaltiges oder ein ni-
kotinfreies Produkt geworben wird, ist das meiner Mei-
nung nach zwingend erforderlich .

Ich billige allen Erwachsenen zu, Herr Tempel, sich
auch für das Dampfen zu entscheiden . Bei Kindern und
Jugendlichen sehe ich das allerdings vollkommen anders .
Sie müssen geschützt werden, weil auch das Dampfen
bei ihnen gesundheitsgefährdend wirken kann und weil
sie die langfristigen Folgen des Raucheinstiegs und des
Rauchens nicht abschätzen können .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Frank Tempel [DIE LINKE]: Völlig richtig!)


– Prima . – E-Zigaretten, meine Damen und Herren, mö-
gen für Erwachsene weniger schädlich sein als Tabak-
zigaretten; harmlos sind sie allerdings nicht .

Ich möchte kurz auf einen Aspekt eingehen, der mir
in den letzten Wochen immer öfter begegnet ist . Die
Richtlinie spricht von Inhaltsstoffen „von hoher Rein-
heit“ . Diese Formulierung erhält vor dem Hintergrund,
dass viele Dampfer ihre Kartuschen selbst befüllen, eine
völlig neue Bedeutung . Dies, so das Bundesinstitut für
Risikobewertung, führt zu unbegrenzten Möglichkei-
ten . Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, was ein
Dampfer im konkreten Fall tatsächlich inhaliert und wie
gesundheitsschädlich diese Mischungen eigentlich sind .
Deswegen ist die Erweiterung der Liste der verbotenen
Zusatzstoffe für mich mehr als folgerichtig .

Wir können und wollen nicht alles regeln . Das ist auch
nicht mein Ansatz . Wir müssen aber gerade in Bezug auf
den Kinder- und Jugendschutz präventiv handeln . Zu den
verhaltenspräventiven Maßnahmen gehören für uns die
Frage der Verfügbarkeit der Produkte, die Frage der Wer-
bung, die Frage des Nichtraucherschutzes und die Frage
nach einer entsprechenden Preis- bzw . Steuerpolitik .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in
Deutschland, wenn wir die Tabakproduktrichtlinie um-
gesetzt und die nachfolgenden Gesetze verabschiedet ha-
ben, einen umfassenden Schutz von Kindern und Jugend-
lichen vor den Gefahren des Rauchens in allen Facetten .
Jetzt ist es an der Zeit, sich danach der letzten verbliebe-
nen legalen und gesellschaftlich am meisten akzeptier-
ten Droge zu widmen . Ich meine damit den Alkohol . Ich
mache mir vor allem Sorgen um die Kinder, die in einem
Elternhaus aufwachsen, in dem die Eltern Alkoholiker
sind . Diese Kinder erleiden bedingt durch die häusliche
Situation, häufig unbeachtet von der Gesellschaft, kör-

Ursula Schulte






(A) (C)



(B) (D)


perliche und seelische Schäden, um die wir uns dringend
zu kümmern haben .


(Beifall bei der SPD)


Das weiß ich sehr genau, weil ich das in meiner Tä-
tigkeit als Kommunalpolitikerin erfahren habe . Das ist
natürlich eine wunderbare Aufgabe für unsere Drogenbe-
auftragte, Frau Mortler . Aber ich hoffe, dass wir alle uns
in diesem Hause einig sind, dass in diesem Bereich noch
einiges zu tun ist .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815806200

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Marlene Mortler,

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1815806300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Rauchen ist das größte vermeidbare Gesund-
heitsrisiko in unserem Land und weltweit .


(Rainer Spiering [SPD]: Neben Alkohol!)


Es gibt noch schlimmere Zahlen . Es sind nicht mehr
110 000 Tote durch Tabakkonsum, sondern die aktuellen
Zahlen aus dem frisch erschienenen Tabakatlas besagen,
dass 2013 über 121 000 Menschen in unserem Land an
den Folgen des Rauchens starben . 3 000 Menschen ster-
ben an den Folgen des Passivrauchens . Die Statistik be-
sagt außerdem: Menschen, die regelmäßig rauchen, le-
ben im Schnitt zehn Jahre kürzer .

Zählt man die direkten und die indirekten Kosten des
Rauchens für unsere Volkswirtschaft zusammen, kommt
man auf fast 80 Milliarden Euro . Meine Damen und Her-
ren, diese für mich verrückte Zahl zeigt: Gesundheitli-
cher Verbraucherschutz, also die negativen Folgen des
Rauchens, wurden über Jahre und Jahrzehnte in unserem
Land ignoriert, verharmlost, ausgeblendet – auch von
mir . Auch ich war mal Raucherin . 2006 habe ich hier im
Bundestag für mich beschlossen: Marlene, du belügst
dich doch nur . Rauchen ist doch Betrug am Gehirn . Du
redest dir ein, das Rauchen baut Stress ab, und dir geht es
besser . – Das Gegenteil war der Fall . Heute, 2015 – ich
bin immer noch Nichtraucherin –,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: 2016 haben wir mittlerweile, Frau Kollegin!)


kann ich sagen: Mir geht es seitdem wesentlich besser .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema
Lobbyismus ist heute mehrfach angesprochen worden .
Ich meine: Der Lobbyismus gehört zu unserer Demokra-
tie . Das ist ein ganz normaler Vorgang . Wäre es aller-
dings allein nach der Tabaklobby gegangen, wären wir
heute keinen Schritt weiter . Dieser Einsatz ging bis zum
letzten möglichen Tag, bis zur letzten möglichen Stunde .
Darum sage ich an der Stelle ein riesiges Dankeschön
allen, die standhaft geblieben sind .

Ich danke erstens Europa, das diese Tabakproduk-
te-Richtlinie auf den Weg gebracht hat, ich danke aber
vor allem unserem Bundeslandwirtschaftsminister, den
ich als Drogenbeauftragte der Bundesregierung immer
wieder bestärkt und zu dem ich gesagt habe: Christian,
lieber Minister, halte Linie . Deshalb – wen wundert es? –
begrüße ich als Drogenbeauftragte der Bundesregierung
diesen Gesetzentwurf außerordentlich .

Denn herausgekommen – auch das möchte ich gerne
festhalten – ist ein Gesetz, das eins zu eins die Richtlinie
umsetzt . Auch hierüber haben wir massiv debattiert, ge-
stritten, diskutiert . Es ist auch ein Gesetz herausgekom-
men, das nicht nur die Interessen der Wirtschaft wahrt,
sondern vor allem den gesundheitlichen Verbraucher-
schutz stärkt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die vorgeschriebenen Bildwarnhinweise werden aus
meiner Sicht ihre Wirkung nicht verfehlen . Warum? Weil
wir seriöse Studien haben, unter anderem aus Australien,
die belegen, dass diese Bilder gerade junge Menschen
vom Rauchen abhalten nach dem Motto: Bilder sagen
mehr als tausend Worte . Das heißt, dass gerade Kinder
und Jugendliche sehr wohl auf Werbung, auf Bilder, auf
Produktgestaltung reagieren . Diese Bildwarnhinweise
helfen selbstverständlich auch denjenigen, die sich zum
Rauchstopp entschieden haben, dabei, nicht wieder an-
zufangen .

Jede Packung darf in Zukunft – auch das ist ein wich-
tiger Erfolg – nur dann in Verkehr gebracht werden,
wenn sie ein individuelles Erkennungsmerkmal trägt,
wenn sie außerdem ein fälschungssicheres Sicherheits-
merkmal aufweist . Das heißt, die Rückverfolgbarkeit
und die Echtheit von Tabakerzeugnissen werden dadurch
in Zukunft gewährleistet . Tabakprodukten dürfen also
keine Zusatzstoffe beigemischt werden, bei denen klar
und wissenschaftlich gesichert ist, dass sie die Gefahren
des Rauchens noch einmal steigern würden .

Ich komme zur Aussage von Kollegin Maisch . Liebe
Kollegin, Sie sind doch, sooft es geht, im Ausschuss . Da-
rum habe ich nicht verstanden, warum Ihnen entgangen
ist, dass unser Minister sehr wohl das Tabakwerbeverbot
auf den Weg gebracht hat .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist es denn?)


Nur, es liegt zur Notifizierung in Brüssel. Diese Zeit müs-
sen wir dem Minister und diesem Gesetz zugestehen . Da-
mit es klar ist: In Ihrer Regierungsverantwortung hatten
Sie jederzeit die Möglichkeit, das Tabakwerbeverbot ein-
zuleiten . Minister Schmidt wird der erste Minister sein,
der das Gott sei Dank am Ende auf den Weg gebracht und
mit unserer Zustimmung umgesetzt hat .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Schluss . Dieses Gesetz wird nicht un-
ser Problem mit dem Rauchen und seinen Folgen gänz-
lich lösen, aber es wird das Leben einer Vielzahl junger
Menschen länger und besser machen . Deswegen ist es

Ursula Schulte






(A) (C)



(B) (D)


ein gutes Gesetz . Als Drogenbeauftragte der Bundesre-
gierung kündige ich hier an, dass ich im nächsten Monat,
im März, eine Kampagne – das ist kein Verbot – star-
ten werde, die sich an Menschen richtet, die immer noch
nicht wissen, dass Rauchen in Anwesenheit von Kindern
im Auto schädlich ist . Auch dafür möchte ich sie sensibi-
lisieren . Ich freue mich, wenn Sie nun alle unserem Ge-
setz zustimmen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815806400

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt

Marcus Held .


(Beifall bei der SPD)



Marcus Held (SPD):
Rede ID: ID1815806500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Heute haben wir ein schwieriges Thema auf der
Tagesordnung, nämlich das Gesetz zur Umsetzung der
Richtlinie über Tabakerzeugnisse . Das Hauptziel wird
erreicht, nämlich den Jugendschutz für Tabakwaren auch
auf E-Zigaretten und E-Shishas auszudehnen, insbeson-
dere wenn es um den Versandhandel geht . Das ist fak-
tisch eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie, und
das ist auch gut so . Jugendschutz ist für uns alle ein wich-
tiges und hohes Gut, im Übrigen auch für die Dampfer
und die Raucher . Dies gilt auch in Bezug auf alle anderen
Genussmittel, zum Beispiel Alkohol . Leider bereitet uns
das Thema „Komasaufen bei Jugendlichen“ viel zu oft
Kopfzerbrechen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn wir heute aber auch §§ 13 und 14 dieses Ge-
setzes beschließen, dann entscheiden wir über künftige
Inhaltsstoffe sowie über die Beschaffenheit von E-Ziga-
retten und von Nachfüllbehältern; denn wir ermächtigen
das Landwirtschaftsministerium und das BMWi, entspre-
chende Rechtsverordnungen zu erlassen . Diese Rechts-
verordnungen sollen das Ziel haben, dass die Inhaltsstof-
fe von E-Zigaretten eine hohe Reinheit haben und damit
kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen .
Auch das ist ganz klar im Interesse der Konsumenten,
nämlich der Dampfer, und auch der Betreiber von Damp-
fer-Shops .

Was wir bei künftigen Regelungen, die in den nächs-
ten Wochen und Monaten noch intensiv diskutiert werden
müssen, aber unbedingt zu beachten haben: Die E-Ziga-
rette muss neben den herkömmlichen Zigaretten eine re-
ale Chance haben . Genau das werden wir gemeinsam im
Auge behalten . Die E-Zigarette ist zwar ein Genussmit-
tel, aber bietet den Rauchern häufig eine legale Chance,
die Nikotininhalation ohne Schadstoffe durchzuführen;
denn beim Rauchen beruht die Schädlichkeit auf der In-
halation des Rauches . Kohlenstoffdioxid, Kohlenmono-
xid, Stickstoffoxide, Benzol, Formaldehyd, Blausäure,
all diese Stoffe fallen beim Dampfen weg . Auch das Ni-
kotin wird in deutlich geringeren Maßen konsumiert . Bei
E-Zigaretten geht man von 3,5 Nanogramm pro Einheit

aus, bei einer regulären Zigarette von 20 Nanogramm .
Auch das ist mittlerweile untersucht .

Wir als SPD sind für den Jugendschutz; wir sind aber
auch für die kleinen Leute . Gerade in den niedrigsten
sozialen Schichten unserer Gesellschaft ist die Raucher-
quote leider am höchsten . Deshalb ist es wichtig, dass zur
Attraktivierung des Umstiegs ein entsprechender finanzi-
eller Vorteil gegeben ist, und das ist gegenwärtig der Fall .

Ich hatte in den letzten Monaten unzählige Bürgerin-
nen und Bürger in meinen Sprechstunden, Menschen, die
jahre- und jahrzehntelang geraucht haben und jetzt auf
das Dampfen umgestiegen sind . Sie erzählten mir von ih-
ren Erfahrungen . Ein Koch berichtete mir, dass er plötz-
lich wieder Geschmack hat und Gewürze wahrnimmt .
Ein Rettungssanitäter berichtete mir, dass er bei seiner
anstrengenden Arbeit plötzlich wieder Luft bekommt .
Ich habe in den letzten Wochen und Monaten viele wei-
tere positive Mitteilungen zu hören bekommen .

Geben wir den Menschen gemeinsam eine Chance,
nicht mehr der Gefahr ausgesetzt zu sein, irgendwann
am Tabakrauch zu sterben . Geben wir den Menschen
das Werkzeug an die Hand, erstmals in der Geschichte
der Tabakprävention, schmerzfrei aus dem Tabakkon-
sum auszusteigen, gerne auch mit Fruchtaromen als Ge-
schmackszugabe, deren Schädlichkeit zwar behauptet
wird, bisher aber immer noch nicht nachgewiesen ist .
Wir werden uns in der weiteren Diskussion dafür ein-
setzen, dass das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet
wird, sondern erst dann schärfere Regelungen beschlos-
sen werden, wenn es tatsächlich klare Hinweise darauf
gibt, dass das Dampfen oder die Zugabe von bestimmten
Liquids schädlich ist .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815806600

Vielen Dank . – Letzte Rednerin zu diesem Tages-

ordnungspunkt ist die Kollegin Carola Stauche, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Carola Stauche (CDU):
Rede ID: ID1815806700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! In Deutschland gibt es Millionen
Raucherinnen und Raucher . Ich gebe zu: Auch ich gehöre
zu ihnen . Ich genieße es, zu rauchen und immer wieder
festzustellen, dass man in Raucherecken sehr gut Kom-
munikation betreiben kann, mit anderen Menschen ins
Gespräch kommt . Gleichzeitig möchte ich klarstellen:
Ich weiß, welche Gesundheitsgefahren vom Rauchen
ausgehen, besonders für Kinder und Jugendliche . Ich will
hier nicht dem Rauchen das Wort reden; aber wir sollten
anerkennen, dass Tabak zu den Genussmitteln gehört, die
in Deutschland geschätzt, genutzt und erlaubt sind .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Genau! Und die Kiffer sperrt ihr ein!)


Marlene Mortler






(A) (C)



(B) (D)


Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass viele der heuti-
gen Konflikte zum Rauchen nicht neu sind, sondern im-
mer wieder auftreten . Wie allgemein bekannt ist, stammt
die Tabakpflanze vom amerikanischen Kontinent; viel-
leicht hätten wir den nicht entdecken sollen .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Schon lange vor der Ankunft der Europäer am Ende des
15 . Jahrhunderts wurde Tabak auf verschiedenen Wegen
konsumiert, und nach 1492 verbreitete er sich schnell im
Rest der Welt . Es gab immer wieder Versuche, den als
schädlich empfundenen Tabakgenuss zu unterbinden:
massive Tabaksteuererhöhungen, Verbot des Rauchens
mit Androhung von drastischen Strafen, Warnungen vor
Verwahrlosung . Auch religiöse Begründungen gab es .
Doch alle Versuche, das Rauchen zu verbieten, scheiter-
ten .

Es existiert ein berühmtes Zitat von Goethe zum The-
ma Rauchen . Er sagte:

Das Rauchen macht dumm, es macht unfähig zum
Denken und Dichten . Es ist auch nur für Müßiggän-
ger, für Menschen, die Langeweile haben .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Können Sie dieselbe Rede zu Cannabis noch einmal halten?)


Er war ein erklärter Gegner des Rauchens . Niemand
durfte in seiner Nähe dieser Leidenschaft nachgehen –
bis auf eine Ausnahme: Seinem guten Freund Schiller ge-
stattete er das Rauchen in seiner Umgebung, wenn er ihn
auch für den Tabakgenuss kritisierte . Und Schiller war,
wie wir alle wissen, ein ebenso bedeutender Künstler
wie Goethe . Keinesfalls war er unfähig zum Denken und
Dichten oder ein gelangweilter Müßiggänger, sondern
er gilt bis heute zu Recht als einer der größten Dichter
Deutschlands .


(Marcus Held [SPD]: Wo sind wir denn jetzt?)


Was lernen wir daraus? Seit der Einführung des Ta-
bakrauchens gibt es eine Debatte über das Für und Wi-
der . Es gibt Versuche, das Rauchen einzuschränken, es
stärker zu besteuern oder ganz zu verbieten . Auch abseits
von staatlichen Regulierungen stritten und streiten Be-
fürworter und Gegner des Rauchens bis heute . Mir ist
natürlich bewusst, dass zwischen Tabakkonsum damals
und heute Unterschiede bestehen, gerade auch in puncto
Herstellungsverfahren und Verfügbarkeit . Die wesent-
lichen Konfliktpunkte sind jedoch die gleichen. Es ist
ein Problem, das sich wohl auf Dauer nicht lösen lässt,
auch nicht mit dem heute hier zu behandelnden Gesetz-
entwurf oder mit zukünftigen Gesetzen . Die Aufgabe des
Staates muss es aber sein, Gesundheit und Aufklärung
zu fördern, ohne unnötig in die Freiheitsrechte von Ver-
braucherinnen und Verbrauchern und auch der Wirtschaft
einzugreifen .

Gerade der Jugendschutz ist uns sehr wichtig . Deshalb
haben wir bereits in der zurückliegenden Sitzungswoche
E-Zigaretten für Kinder und Jugendliche verboten . Aber
wir müssen uns fragen: Wenn sich Erwachsene aus freien
Stücken für das Rauchen entscheiden, sind wir es dann,

die sie daran hindern wollen? Wir können und dürfen
den Bürgerinnen und Bürgern nicht alles vorschreiben .
Aufklärung und Jugendschutz sind wichtig . Der mündige
Verbraucher aber ist uns ebenso wichtig .

Ich freue mich, dass wir mit dem vorliegenden Ge-
setzentwurf eine sinnvolle Umsetzung der EU-Tabakpro-
duktrichtlinie erreicht haben . Es war ein langes und har-
tes Ringen, um das umzusetzen, was die EU vorschreibt .
Allerdings muss ich Kritik an der EU üben: Bestimmte
konkrete Informationen zur Umsetzung wurden uns erst
sehr spät bekannt gegeben . So konnten wir das Gesetz
nicht früher endgültig behandeln . In der Konsequenz
bleibt den Tabakherstellern nur eine sehr kurze Frist zur
Umsetzung der neuen Regelungen . Das ist ein Punkt, wo
vonseiten der EU gewisse Härten gerade für die mittel-
ständischen Zigarettenhersteller hätten vermieden wer-
den können .

Doch insgesamt können wir festhalten: Nach langem
Arbeiten an diesem Thema sind wir nun zu einer Um-
setzung gelangt . Das ist gut und wichtig . Wir haben eins
zu eins umgesetzt, was uns die EU-Richtlinie vorgibt .
Ich danke ausdrücklich Herrn Bundesminister Christian
Schmidt und seinem Haus für den Entwurf, den wir heute
beschließen werden . Ich denke, wir haben hier einen trag-
fähigen Kompromiss gefunden zwischen Jugendschutz
und Gesundheitsschutz einerseits und der Wahlfreiheit
der Verbraucherinnen und Verbraucher andererseits . Ich
danke Ihnen recht herzlich und bitte, dem Gesetzentwurf
zuzustimmen .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815806800

Vielen Dank . – Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und
verwandte Erzeugnisse . Zu dieser Abstimmung liegt eine
persönliche Erklärung gemäß § 31 Absatz 1 unserer Ge-
schäftsordnung vor .1)

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/7696, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksachen 18/7218 und 18/7452 anzunehmen . Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Mit
Nein haben die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
Herr Koschyk gestimmt .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-

1) Anlage 13

Carola Stauche






(A) (C)



(B) (D)


entwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis ange-
nommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Luise
Amtsberg, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Integration ist gelebte Demokratie und stärkt
den sozialen Zusammenhalt

Drucksache 18/7651
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Sportausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Dagegen gibt
es keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen . Vielleicht
können die Raucher oder Antiraucher ihre Gespräche
draußen fortsetzen . Das gilt auch für Herrn Minister
Schmidt . – Jetzt will er schon zu den Grünen . Gut, ein
Fraktionswechsel heute .


(Heiterkeit)


Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Volker Beck,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815806900

Ein herzliches Willkommen, Herr Minister, in unse-

rer Fraktion . Sie laufen ja Gefahr, dass Ihr Parteivorsit-
zender irgendwann einmal alle Minister Ihrer Partei aus
der Bundesregierung abruft, weil diese Bundesregierung
angeblich Unrecht produziert . Deshalb: Wenn Sie Asyl
brauchen, ist bei uns immer noch ein Stühlchen für Sie
frei .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: So lange wird es noch reichen!)


Wir haben heute Vormittag viel über Flüchtlinge, über
das Asylpaket II und über das neue Ausweisungsrecht
geredet . Das Thema Integrationspolitik, die große He-
rausforderung in diesem Jahr und in den nächsten Jahren,
spielte dabei faktisch keine Rolle . Nur in zwei Aspekten
hat Ihr Asylpaket auch integrationspolitische Relevanz .
Der eine Aspekt ist der Familiennachzug . Es ist einfach
integrationsfeindlich und verfassungsrechtlich mehr als
problematisch, wenn Familien nicht zusammenleben
können; denn die Familie ist ein wichtiger Kristallisati-
onspunkt und eine Stütze beim Integrationsprozess .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Der zweite Aspekt ist die Vereinbarung der Parteivor-
sitzenden . Sie haben im Asylbewerberleistungsgesetz für
einzeln lebende Menschen die Leistungen um 8 Euro ge-
kürzt zur Finanzierung der Integrationskurse, allerdings
unabhängig davon, ob der Asylbewerber tatsächlich ei-
nen Integrationskurs besuchen kann . Das ist so, als wür-
de man Fahrradfahrer die Lkw-Maut zum Bau von Auto-
bahnen bezahlen lassen . Das ist absurd . Das ist ein Stück
aus dem Tollhaus .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)


Die Aufgabe, die jetzt vor uns liegt, ist, die Hundert-
tausend Menschen, die zu uns kommen, zu integrie-
ren . Dabei müssen wir beachten, dass diese Menschen
ganz unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen . Sie
kommen aus einem Bürgerkrieg . Viele von ihnen, die
jungen Leute, haben Jahre des Schulbesuchs durch den
Bürgerkrieg verloren, weil Schulen einfach nicht vor-
handen waren, weil die Menschen auf der Flucht waren .
Es kommen qualifizierte Menschen zu uns; es kommen
Menschen, die keinen Berufsabschluss, keine Schulbil-
dung haben . Darauf müssen wir jetzt mit Integrations-
programmen entsprechend reagieren . Deshalb ist es gut,
dass viele Länder angefangen haben, die Schülerinnen
und Schüler mit Willkommens- und Vorbereitungsklas-
sen auf die Schule vorzubereiten und sie entsprechend
zu integrieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt auch beispielhafte Programme, wie an der Fach-
hochschule in Magdeburg, die dafür sorgen, dass Studen-
tinnen und Studenten die Möglichkeit haben, ein Studi-
um an der Universität zu absolvieren . Dies wird durch
entsprechende Deutschkurse und Vorbereitungsklassen
auf den Weg gebracht .

Dafür brauchen wir aber die Flexibilität der Leis-
tungsträger, und hier gibt es erhebliche rechtliche Unsi-
cherheiten . Es wäre die Aufgabe von Frau Wanka, dafür
zu sorgen, dass nicht wegen des Vermittlungszwangs am
Ende Menschen vom Studium und von den vorbereiten-
den Deutschkursen abgehalten werden . Wir brauchen
diese jungen Menschen als Akademiker zur Gestaltung
der Zukunft unseres Landes .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen auch mehr Flexibilität, damit Menschen im
Erwachsenenalter Hauptschul- und Sekundarabschlüsse
nachholen können . Das ist gut für die Flüchtlinge, und
das ist auch gut für viele Inländerinnen und Inländer mit
gescheiterten Bildungsbiografien. Jeder hat eine weitere
Chance im Bildungssystem verdient . Das brauchen wir
für die Flüchtlinge und die Integration im Land .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sprache ist der Schlüssel für gelungene Integration .
2004 haben wir Grüne das mit den Integrationskursen
im Zuwanderungsgesetz als Prinzip verankert . Danach
kann jeder zu Integrationskursen verpflichtet werden.
Wer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann auch
entsprechend sanktioniert werden . Deshalb sind die De-

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


batten von Frau Klöckner mit ihren Integrationspflichten
und von Herrn Wolf mit seinem Integrationsführerschein
völlig überflüssig und nutzlos.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Problem ist nicht, dass die Menschen nicht integriert
werden wollen . Wir müssen ihnen vielmehr Angebote
machen .

Ich bin erstaunt über Herrn Seehofer und seine CSU .
In diesem Jahr wurde in Wildbad Kreuth erneut die For-
derung erhoben, die Integrationspflicht, die Unterord-
nung unter unsere Werte, müsse in die bayerische Verfas-
sung geschrieben werden .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist richtig, ja!)


Diese Debatte hatten wir schon 2011 . Dann wurde sie be-
endet, weil Ihnen Juristen gesagt haben, dass das weiße
Salbe ist und alles großer Unfug .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die bayerische Verfassung ist keine weiße Salbe!)


Ihr Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregie-
rung hat damals gesagt: Es ist schön, dass es eine stille
Beerdigung ohne Blumen und Kränze gibt .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Jetzt gibt es ein eigenes Gesetz!)


Die Aufnahme der Integrationspflicht in die Verfassung
ist nicht ein Lazarus, den Herr Seehofer einfach wieder-
beleben kann, sondern ein mausetotes Projekt .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Warum regen Sie sich dann auf, Herr Beck?)


Lassen Sie das einfach stecken, und lassen Sie uns daran
arbeiten, echte Integrationsinitiativen voranzubringen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815807000

Sie denken bitte an die Redezeit, Herr Beck .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815807100

Ja, ich komme zum Schluss . – Was jetzt wirklich an-

steht, ist, dass wir allen, die Deutsch lernen wollen, ein
Angebot machen . Sie haben sich letztes Jahr dafür gefei-
ert, dass Asylbewerber aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea
Zugang zu Integrationskursen bekommen . Ich habe die
Bundesregierung im Januar gefragt: Wie viele haben ein
solches Angebot bekommen? 15 000, immerhin . Aber
das BAMF hat im Februar bekannt gegeben, dass 60 000
einen Antrag gestellt haben . Das heißt: Überhaupt nur je-
der Vierte aus den privilegierten Ländern bekommt die
Chance zu einem Integrationskurs . Asylbewerber aus an-
deren Ländern haben überhaupt keinen Zugang . – Wir
müssen daran arbeiten, dass jeder einen Platz bekommt
und schnell und frühzeitig integriert wird, statt in den
Feuilletons der Zeitungen Ersatzdebatten über Integrati-

onspflichten und den Integrationsführerschein zu führen.
So wird ein Schuh daraus .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So kann Deutschland aus der Aufgabe, vor der wir stehen,
eine Chance für die Zukunft unseres Landes machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815807200

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Barbara

Woltmann, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1815807300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Man merkt es an der Rede meines Vorredners
und an der Diskussion heute Morgen zu unserem Geset-
zespaket: Kaum ein Thema beschäftigt uns so sehr wie
die Flüchtlingskrise, insbesondere angesichts der Zahl
von rund 1 Million Flüchtlingen, die im letzten Jahr zu
uns gekommen sind .

In einem Punkt gebe ich Ihnen recht – hier stimme ich
Ihrem Antrag zu –: Die Integration ist eine der großen
Aufgaben, vor denen wir stehen . Ich sehe dies durchaus
als Pflichtaufgabe aller staatlichen Ebenen, aber auch der
Zivilgesellschaft an . Die Integrationsbemühungen müs-
sen sich auf diejenigen konzentrieren, die eine Bleibe-
perspektive haben . Dabei ist für uns klar: Integration ist
keine Einbahnstraße . Sie kann nur gelingen, wenn auch
die Flüchtlinge selbst aktiv mitwirken . Hier gilt für uns
der Leitsatz: Fördern und Fordern!

Die Grundlage für ein Zusammenleben und den Zu-
sammenhalt in unserer Gesellschaft stellt unsere frei-
heitlich-demokratische Grundordnung dar . Unsere Werte
müssen geachtet, aber auch gelebt werden: die Achtung
der Würde aller Menschen, die Gleichberechtigung von
Mann und Frau, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit . Damit Integration
gelingen kann, fordern wir als CDU/CSU-Fraktion den
Abschluss verbindlicher Integrationsvereinbarungen, ge-
regelt über ein Integrationspflichtgesetz. Wir brauchen
eine Verbindlichkeit, die Rechte und Pflichten beider
Seiten festlegt . Uns ist dabei sehr wichtig, dass der Inte-
grationsprozess – ich sagte es schon – von den Flüchtlin-
gen selbst aktiv mit angegangen wird . Wir müssen über
spürbare Konsequenzen für diejenigen nachdenken, die
sich dem verweigern .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie
sprechen in Ihrem Antrag von der Notwendigkeit zügi-
ger, qualifizierter Asylverfahren. Dann wundere ich mich
schon, dass Sie heute Morgen dem Asylpaket II nicht zu-
gestimmt haben . Denn damit haben wir eine Beschleuni-
gung beschlossen . Es ist auch im Sinne der Flüchtlinge,
die zu uns kommen, dass schnell eine Entscheidung ge-
troffen wird .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie sich die Regelungen Volker Beck mal angeschaut? Wollen wir mal darüber reden?)





(A) (C)


(B) (D)


Die Zuwanderung nach Deutschland stellt insbeson-
dere die Kommunen im gesamten Bundesgebiet vor er-
hebliche Herausforderungen; denn die Kommunen sind
schließlich diejenigen, die die Menschen unterbringen
und auch integrieren müssen .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Stärken Sie doch die Kommunen!)


Ich halte es für besonders wichtig, dass die Asylbewer-
ber, die Flüchtlinge sehr schnell aus den zentralen Sam-
melunterkünften herauskommen und am besten dezent-
ral untergebracht werden . Auch das ist ein richtiger und
wichtiger Schritt in Richtung Integration .

Um all das umsetzen zu können, hat der Bund schon
vieles auf den Weg gebracht . Wenn man Ihren Antrag
liest, hat man manchmal das Gefühl, Sie glaubten, dass
noch gar nichts gemacht worden ist . Dass man im-
mer noch mehr machen kann und wahrscheinlich auch
muss, das stellt gar keiner in Abrede . Meine Kollegin
Eckenbach hat heute Morgen schon darauf hingewiesen,
dass wir darüber nachdenken müssen, ob man die Aufga-
ben vielleicht besser konzentrieren kann, damit sie nicht
in so vielen verschiedenen Ministerien angesiedelt sind .
Solche Punkte sollten wir im Laufe der nächsten Zeit dis-
kutieren .

Ich möchte einige Beispiele nennen für das, was wir
schon alles auf den Weg gebracht haben: Insbesondere
haben wir für die Durchführung von Integrationskursen
Geld in den Haushalt eingestellt, nämlich etwa eine hal-
be Milliarde Euro . Im Haushalt des Ressorts „Arbeit und
Soziales“ stehen fast 2 Milliarden Euro bereit, um Aufga-
ben mit Flüchtlingsbezug durchführen zu können . Dazu
gehören die berufsbezogene Sprachförderung und auch
die Eingliederung in Arbeit .

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
unterstützt die Kommunen mit einer neuen Förderricht-
linie zur kommunalen Koordinierung der Bildungsange-
bote für Neuzugewanderte . Alle Kreise und kreisfreien
Städte können sich um die Finanzierung der Stellen von
bis zu drei kommunalen Koordinatoren bewerben . Damit
können sie die Verwaltungen vor Ort entlasten .

Auch das Bundesministerium für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend hat drei Bundesprogramme zur
Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung auf
den Weg gebracht . Für die Umsetzung werden jährlich
100 Millionen Euro bereitgestellt . Damit sollen 4 000 zu-
sätzliche halbe Stellen in den Kitas finanziert werden.
Weiterhin werden 113 Millionen Euro für berufsbezoge-
ne Sprachkurse bereitgestellt .

Ich bin Ihnen dankbar, Herr Beck, dass Sie den Er-
werb der deutschen Sprache angesprochen haben . Ja, das
ist eine Schlüsselqualifikation. Wie lautet immer die Ant-
wort auf die Frage „Was ist wichtig?“? Sprache, Sprache,
Sprache! Ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist Inte-
gration einfach nicht möglich . Vielfach fehlt die Kennt-
nis der lateinischen Schrift. Wir haben es häufig mit An-
alphabeten zu tun . Da müssen wir noch sehr viel tun .

Wenn Sprachkompetenzen vorhanden sind, können
wir sicherlich abstufen und mit niedrigschwelligen An-
geboten beginnen . Dann kann auch die Integration durch
Arbeit gelingen . Das ist ein wichtiger Schritt . Wir wol-
len die Menschen mit Bleibeperspektive sehr schnell in
Arbeit bringen . Gute Ausbildung und Arbeit sind Vor-
aussetzungen für die Integration in unsere Gesellschaft .
Wir haben schon im letzten Jahr ein Gesetz auf den Weg
gebracht, nach dem Asylbewerber bzw . Flüchtlinge be-
reits nach drei Monaten mit und nach 15 Monaten ohne
Vorrangprüfung arbeiten können .

Es ist auch wichtig, schnell herauszufinden, welche
Qualifikation die Menschen mitbringen. Welche Be-
rufserfahrung haben sie? Welche Teilqualifikationen
haben sie? Diese Informationen sollten in den Ankunfts-
nachweis aufgenommen werden, sodass die Daten an-
schließend bekannt sind . Sehr positiv ist, dass allerorten
auch Aktivitäten mit den Handwerkskammern und den
Landwirtschaftskammern laufen, um zu sehen: Was brin-
gen die Menschen tatsächlich mit? Wir wissen, dass die
Berufsanerkennung jetzt leichter läuft . Da muss man im-
mer noch einmal hinschauen, ob wir schon alles getan
haben oder noch besser werden können .

Ich möchte aber auch auf die Belange der Frauen und
insbesondere der Mütter eingehen . Dem muss besonders
Rechnung getragen werden; denn die Betreuung von
Kindern darf nicht dazu führen, dass Frauen die Teilnah-
me an Integrationsmaßnahmen oder Sprachkursen nicht
möglich ist . Das heißt, wir müssen in der Zeit für eine
Kinderbetreuung sorgen . Ich halte es für außerordent-
lich wichtig, dass nicht nur die Männer, sondern auch
die Frauen gleichermaßen Zugang zu den Kursen haben .
Ebenso ist die Schulpflicht für Mädchen einschließlich
der Teilnahme am Sportunterricht und an Klassenfahrten
unerlässlich . Bei den Integrationsprozessen müssen wir
uns deutlich vor Augen halten: Wenn die Integration der
Mütter gelingt, wird auch die Integration der Kinder viel
leichter vorangebracht .

Festzuhalten gilt: Integration geht uns alle an . Wir
wissen, welche tollen Projekte in den Wahlkreisen lau-
fen; jeder könnte sicher ganz viele benennen . In meinem
Wahlkreis haben sich die Kommunen zu dem Förder-
verein „pro:connect“ zusammengeschlossen, der mit
vielen Ehrenamtlichen Arbeitgeber und arbeitssuchende
Zuwanderer zusammenbringt und Fragen rund um Ar-
beitserlaubnis, Arbeitsplätze oder Praktika beantwortet .
Ich möchte auch das Sonderprogramm Bundesfreiwilli-
gendienst erwähnen, über das wir 10 000 neue Stellen
bereitstellen wollen, auch für die Flüchtlingsarbeit . Das
Angebot richtet sich nicht nur an Deutsche, sondern auch
an Flüchtlinge . Sie sehen also – und Sie wissen es selber
aus Ihren Wahlkreisen –: Es gibt zahlreiche Projekte und
Förderungen, die die Integration in Deutschland voran-
bringen und stärken . Wir sind da auf einem sehr guten
Weg .

Zum Schluss möchte ich betonen: Integration ist auch
davon abhängig, dass die Anzahl der Flüchtlinge, die
nach Deutschland kommen, in Zukunft spürbar reduziert
wird . Sonst sind irgendwann alle unsere Systeme hoff-
nungslos überfordert . So weit dürfen wir es gar nicht erst
kommen lassen .

Barbara Woltmann






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815807400

Vielen Dank. – Als Nächstes hat Sevim Dağdelen,

Fraktion Die Linke, das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815807500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind

im Moment Zeugen eines immer stärkeren Auseinander-
driftens der Gesellschaft in Deutschland, ganz besonders
zwischen Arm und Reich . Während die Reichen immer
reicher werden, verfestigt sich die Armut in diesem Land .
Insgesamt sind 13 Millionen Menschen von Armut be-
troffen, ganze Regionen stürzen ab; ich sehe das in mei-
nem Wahlkreis in Bochum und im Ruhrgebiet, aber auch
in Nordrhein-Westfalen insgesamt . So stieg die Armuts-
quote in Nordrhein-Westfalen auf 17,5 Prozent der Be-
völkerung, im Ruhrgebiet gar auf 20 Prozent .


(Cemile Giousouf [CDU/CSU]: Das liegt in der Verantwortung der Landesregierung!)


Diese Entwicklung ist kein Naturgesetz .


(Cemile Giousouf [CDU/CSU]: Genau!)


Sie ist die Folge einer neoliberalen Politik von Union
und SPD und leider auch von den Grünen in den letzten
Jahren .


(Cemile Giousouf [CDU/CSU]: Die sind doch an der Regierung!)


Diese Entwicklung darf, insbesondere angesichts der
großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, so
nicht weitergehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Kern ist es diese Entwicklung, die die Willkommens-
kultur und die Aufnahmebereitschaft in unserer Gesell-
schaft weiter abnehmen lässt bzw . minimiert . Wir brau-
chen deshalb eine Erneuerung unseres Sozialstaates für
alle in unserem Land lebenden Menschen . Das ist die
Voraussetzung für soziale Integration .


(Beifall bei der LINKEN)


Einst war der Sozialstaat gerade auch für Krisen und
besondere Herausforderungen konzipiert . Aber was wir
heute erleben, ist nichts anderes als organisiertes Staats-
versagen . In den vergangenen 20 Jahren wurden allein
im öffentlichen Dienst 1 Million Stellen abgebaut, zum
größten Teil zulasten der öffentlichen Sicherheit, über die
Sie überall klagen . Infolge der Privatisierungen verfügen
die Kommunen kaum noch über einen eigenen Bestand
an sozialem Wohnraum, der dringend notwendig ist . Wir
brauchen deshalb eine radikale Wende, sonst kann die
soziale Integration aller in unserem Land lebenden Men-
schen nicht gelingen .


(Beifall bei der LINKEN)


Flüchtlinge und Schutzsuchende werden für diese Pro-
bleme verantwortlich gemacht, dabei haben sie die Pro-

bleme in unserer Gesellschaft lediglich überdeutlich ge-
macht .

Wir stehen in Deutschland schon lange vor dem Pro-
blem, dass viele öffentliche Aufgaben nicht mehr wahr-
genommen werden, weil man zu feige war und ist, das
Geld dort zu holen, wo es im Überfluss vorhanden ist.


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Bei der Linken zum Beispiel!)


Beispielsweise haben sich die Vermögen von Multimil-
lionären und Milliardären in Deutschland explosionsar-
tig entwickelt, während über die Hälfte der Bevölkerung
sogar noch im Aufstieg Wohlstand und Vermögen ver-
loren hat . Deshalb sollte meiner Meinung nach gerade
angesichts der sozialen Herausforderungen, vor denen
wir stehen, dringend eine andere Steuerpolitik auf der
Tagesordnung stehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen das klare Signal setzen, dass der Tisch für
die Integration von den Reichen gedeckt wird und nicht
von denjenigen, die in den letzten Jahren immer zu kurz
gekommen sind, von den Niedriglöhnern, von den prekär
Beschäftigten oder von den Leiharbeitern .

Integration wird gelingen, wenn Deutschland auch im
Inneren wieder eine sozial gerechtere Politik macht und
damit Solidarität schafft . Schauen wir uns die Zahlen an:
Nicht einmal 20 Prozent der Kosten für die Integration
bekommen die Länder vom Bund zurück . Letztes Jahr
haben sie 17 Milliarden Euro eingestellt, aber sie haben
lediglich 2 Milliarden Euro zurückbekommen . Die Kom-
munen werden regelrecht im Stich gelassen . So schafft
man es meiner Meinung nach nicht . Deshalb wollen wir
eine andere Sozialpolitik .

Wir fordern ein 25-Milliarden-Sofortprogramm des
Bundes für 2016 für eine soziale Offensive für mehr ge-
meinnützigen, sozialen Wohnungsbau, für mehr Bildung,
für die Stärkung des öffentlichen Dienstes, für öffentli-
che Beschäftigung und zusätzliche Integrationsmaßnah-
men . Mittelfristig fordern wir ein 100-Milliarden-Inves-
titionsprogramm für die Erneuerung des Sozialstaats in
Deutschland, weil wir der Auffassung sind, dass es sich
lohnt, durch soziale Integration in die Zukunft des gesell-
schaftlichen Zusammenhalts zu investieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke ist der Überzeugung: Ein Neuanfang für
soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit in diesem
Land kann eine Chance sein . Wir sollten diesen Neuan-
fang mit den Schutzsuchenden in diesem Land anstreben,
anstatt die Neiddebatte, die Sie hier immer führen, weiter
zu befördern .


(Beifall bei der LINKEN – Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Die Neiddebatte machen Sie doch!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815807600

Vielen Dank . – Für die SPD spricht jetzt der Kollege

Dr . Lars Castellucci .


(Beifall bei der SPD)


Barbara Woltmann






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Lars Castellucci (SPD):
Rede ID: ID1815807700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut,
dass wir über Integration sprechen . Das ist wirklich eine
Riesenaufgabe, die vor uns steht . Man kann manchmal
schon Zweifel haben, ob einem das gelingt . Ob sich zum
Beispiel die CSU – Herr Frieser spricht ja gleich – noch
in diese Bundesregierung integriert, das weiß ich nicht
genau, oder Bayern in Deutschland .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: In Bayern haben wir die beste Integration! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!)


Machen wir ernsthaft weiter. Ich finde, die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen hat zum Thema Integration viel
Vernünftiges aufgeschrieben . Ich bin froh – damit schlie-
ße ich an die Worte der Kollegin Woltmann an –, dass
wir in der Lage sind, das auch umzusetzen . Wir haben –
das ist gesagt worden – schon vieles getan: Wir haben in
die Integrationskurse investiert, wir haben den Arbeits-
marktzugang erleichtert, und wir haben verabredet, dass
es – dazu liegen die ersten Entwürfe schon vor – eine
Bund-Länder-Arbeitsgruppe geben wird, die noch im
nächsten Monat ein Integrationskonzept der Bundesre-
gierung vorstellen wird . Ich bin sicher, da wird vieles
von dem drin sein, was Sie hier vorschlagen . Also: Sie
schreiben Papiere, wir handeln .


(Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Castellucci, das war jetzt zu billig für Sie!)


Frau Kollegin Dağdelen, Sie sprachen von organi-
siertem Staatsversagen . Ich möchte Sie fragen: Welches
Land hätte das, was wir im letzten Jahr erlebt haben, ei-
gentlich besser bewältigt? Welches Land hätte es besser
erreicht?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich frage Sie noch etwas: Was ist Ihr Staatsverständnis?


(Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Sie können das gleich sagen . Ich lasse das dann zu . –
Nach meinem Staatsverständnis sind wir alle der Staat .
Dazu gehören die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft, die
Wissenschaft – alle sind mit dabei. Ich finde, das, was
wir im letzten Jahr erleben konnten, war eine großartige
Gesamtleistung .


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815807800

Haben Sie der Frau Dağdelen damit schon geantwor-

tet, oder lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu?


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Hat sich erledigt!)


– Das hat sich erledigt . – Danke . Es ist immer gut, wenn
die Antworten vor der Frage kommen .


(Heiterkeit bei der SPD)



Dr. Lars Castellucci (SPD):
Rede ID: ID1815807900

Ich habe diesen Antrag einerseits gerne gelesen, ande-

rerseits habe ich mich aber auch aufgeregt . Die Frage ist:
Wie wollen wir diese Debatte führen? 1 Milliarde Euro
für Flüchtlinge beim Thema Wohnen, 1 Milliarde Euro
für Flüchtlinge beim Thema Arbeitsmarkt; wir brauchen
hier und da Geld . Die Frage ist: Was für einen Eindruck
sollen die Menschen draußen im Land eigentlich bekom-
men?

Schauen wir einmal auf das Jahr 2015 . Ich versuche,
mich in die Menschen hineinzuversetzen, zu überlegen,
wie es ihnen so geht . Im ersten Halbjahr haben sie den
Eindruck: Die vertickern unser ganzes Geld nach Grie-
chenland . – Und im zweiten Halbjahr sehen sie: Da kom-
men jetzt auch noch die ganzen Flüchtlinge .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie den Leuten ein X für ein U vormachen, oder wie?)


Dann sitzen die Leute da und fragen sich: Wo bleibe ich
denn eigentlich? Ich muss nicht irgendwie rechts sein, um
so etwas zu denken, sondern ich muss nur den Fernseher
einschalten, um den Eindruck zu bekommen, dass es um
die – in Anführungszeichen – „normalen“ Menschen, die
hier schon lange leben, gar nicht mehr geht . Diesen Ein-
druck müssen wir mit allen Mitteln verhindern, weil das
nicht stimmt und weil dieser Eindruck sehr schädlich ist,
weil er dieses Land spaltet .


(Beifall bei der SPD)


Deswegen muss der erste Satz zum Thema Integration
lauten: Integration richtet sich an alle .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mir denn nicht zugehört?)


Integration ist eine Aufgabe für das ganze Land . Integra-
tion heißt Zusammenhalt . Spielregeln? Ja, aber für alle .
Bildung? Ja, aber für alle . Ausbildungsplätze? Ja, aber
für alle . Das ist die Aufgabe, der wir uns stellen müssen .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, es kostet trotzdem Geld für alle!)


Wenn ich irgendwo fremd bin und dazukomme, dann
muss ich mich integrieren . Das ist keine Frage . Das ma-
che ich . Dann passe ich mich sogar ein bisschen an . Ich
denke nicht: „Die Welt, in die ich komme, muss so funk-
tionieren, wie ich drauf bin“, sondern ich schaue mir das
erst einmal an . Individuell ist das richtig, und es ist gut,
wenn der Staat diese Anpassungsprozesse fördert und sie
einfordert . Aber die eigentliche staatliche Aufgabe ist,
ans Ganze zu denken, das ganze Land im Blick zu haben .
Integration richtet sich an alle Menschen in diesem Land .

Jetzt ein Kommentar zum Thema Integrationspflich-
ten; darüber werden wir demnächst sprechen . Im Kern
geht es dabei um Wertevermittlung: Wie bekommen wir






(A) (C)



(B) (D)


es hin, dass es in diesem Land ein bisschen in die Rich-
tung geht, wie wir hier leben wollen?


(Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Nicht nur „ein bisschen“!)


Ich drehe das jetzt einmal um: Ich finde, die Flüchtlin-
ge, die zu uns kommen, helfen uns gerade bei der Wer-
tevermittlung; denn sie holen ganz schön viel Gutes aus
diesem Land heraus . Ich sehe Großherzigkeit, ich sehe
Anpacken, und ich sehe Hilfsbereitschaft . Das sind die
Werte, die uns starkmachen . Die Flüchtlinge helfen uns
gerade dabei, dass sie zutage treten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zur Wertevermittlung könnte man in Flüchtlingsunter-
künften Grundgesetze verteilen . Man könnte die Flücht-
linge auch etwas unterschreiben lassen . Ich glaube aber,
das ist zu kurz gesprungen . Ich denke, es ist ein bisschen
so wie bei der Erziehung . Da gibt es ja den berühmten
Spruch: Kinder kann man nicht erziehen; sie machen
einem ohnehin alles nach . – Als Elternteil kann ich das
zwar nicht bestätigen, aber als Kind habe ich mich daran
gehalten .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Na ja, da ist meine Erfahrung als Mutter aber ein bisschen anders!)


Jetzt stellt sich in diesem Land natürlich die Frage .
Wem werden es die Menschen nachmachen? Denen, die
helfen, oder denen, die hetzen? Das ist die eigentliche
Frage, um die es geht . Wir müssen alles dafür tun, dass
die Werte, die in unserer Zivilgesellschaft im Rahmen
der Hilfe zutage treten, beispielgebend sind, und vor-
leben, wie wir in diesem Land zusammenleben wollen .
Auch die Wertevermittlung ist keine Einbahnstraße, wir
sind vielmehr dazu berufen, uns gemeinsam zu fragen:
Wie wollen wir in diesem Land leben, und wie bekom-
men wir das gemeinsam hin? Wertevermittlung ist etwas,
was sich an alle richtet .


(Beifall der Abg . Burkhard Lischka [SPD] und Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Johannes Rau hat es so formuliert:

Es kommt nicht auf die Herkunft des Einzelnen an,
sondern darauf, dass wir gemeinsam die Zukunft
gewinnen .

Ich bin sicher: Das wird uns gelingen . Das wird uns mit
denen, die hier bleiben und sich mit unserer Hilfe gut in-
tegrieren, sogar gut gelingen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815808000

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Michael Frieser,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1815808100

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Wir haben uns gerade schon darüber
unterhalten, wie oft hier die Rede davon ist, dass es sich
bei der Integrationspolitik nicht um eine Einbahnstra-
ße handelt . Fünfspurige Autobahnen brauchen wir, und
zwar in beide Richtungen! Nur dann wird Integration ir-
gendwann funktionieren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen uns wirklich bei den Grünen bedanken .
Sie geben uns mit diesem Antrag zur Integrationspoli-
tik, die uns allen sehr am Herzen liegt, wieder einmal die
Gelegenheit, heute zu diesem Thema zu reden . Das ist
aber eher eine Open-Space-Debatte, weniger etwas ganz
Konkretes . Vielleicht liegt das auch ein bisschen an dem
Antrag .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Sie lesen unsere Anträge doch gar nicht! – Gegenruf der Abg . Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Na, na! Bitte keine falschen Unterstellungen!)


Er ist zwar sonderpreiswürdig, was Copy and Paste an-
geht . Aber er enthält nichts, was wir nicht schon einmal
gelesen hätten .

Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es sehr vieles
gibt, was deckungsgleich ist . Ich will ebenso nicht in Ab-
rede stellen, dass es im Hinblick auf die Anstrengungen
des Staates auch absolut gleichgelagerte Interessen gibt,
und das über das ganze Haus verteilt . Die entscheidende
Frage ist meistens die der Ausprägung . Das gilt auch be-
züglich der Integrationsfähigkeit der Regierungsmitglie-
der, Herr Kollege – auch was die CSU anbetrifft .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Landwirtschaftsminister hat sie vorhin unter Beweis gestellt!)


Ich will einen kurzen Ausflug machen. Ich halte das,
was unser Entwicklungsminister Gerd Müller im Augen-
blick tut, für einen ganz wesentlichen Beitrag . Er sorgt
dafür, dass Integrationspolitik in unserem Land dadurch
möglich ist, dass in den Ländern, in denen Menschen tat-
sächlich Entwicklungshilfe brauchen, ein Verbleib und
eine positive Entwicklung möglich sind . Das ist ein ech-
tes Integrationsangebot, auch innerhalb der Regierung .

Ich glaube, dass wir bei der Frage: „Was müssen wir
im Hinblick auf Integrationskurse und Integrationsange-
bote machen?“, keine Nachhilfe brauchen . Im wievielten
Jahr hintereinander heben wir die Mittel an dieser Stelle
eigentlich an? Ich will, damit es nicht zu beliebig wird,
nur ein Element herausgreifen: Wir haben wieder einmal
bei den berufsbedingten Sprachkursen draufgesattelt,
weil uns vollkommen klar ist, dass Integration eine ge-
sellschaftliche Aufgabe ist, die den Menschen in seiner
gesellschaftlichen Ganzheit umfassen muss, auch was
die Arbeit betrifft .

Jetzt zu der entscheidenden Frage: Wie kann man sich
dem Thema Sprache nähern? Ich darf daran erinnern –
man muss das auch hier immer wieder tun –, wie sehr die
CSU beschimpft worden ist, als sie vor Jahren deutlich

Dr. Lars Castellucci






(A) (C)



(B) (D)


gemacht hat: Ohne Deutsch gibt es keine Integration;
ohne das Erlernen der Sprache ist Integration nicht mög-
lich . – Da war von „Zwangsgermanisierung“ die Rede .
Gott sei Dank, kann ich nur sagen, dass das heute State
of the Art ist – das war ein doppelter Witz –, da wir der
Meinung sind: Das Erlernen der Sprache ist der entschei-
dende Schlüssel .


(Beifall des Abg . Max Straubinger [CDU/ CSU] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir haben Integrationskurse eingeführt! Die Kohl-Regierung hat es verpennt!)


– Herr Beck, regen Sie sich nicht gleich auf; ich gebe
Ihnen gleich ein paar weitere Möglichkeiten, sich noch
etwas mehr aufzuregen .

Die entscheidende Frage ist doch: Wohin integriert
man sich? Es ist ein Wunschkonzert – das kommt auch in
dem Antrag, der heute debattiert wird, zum Ausdruck –,
wenn man nur sagt, was der Staat alles leisten und vor-
finanzieren muss. Die entscheidende Frage lautet: Was
will ich am Ende durch die Integration erreichen? Wo
hinein soll sich derjenige, der sich integrieren soll und
die Motivation dazu hat, eigentlich begeben? Er soll sich
in eine Gesellschaft hineinbegeben, bei welcher – ja, ich
muss es sagen – der Begriff „Leitkultur“ zumindest aus-
drückt, worum es uns geht . Sie können das – das ist mir
relativ egal – anders nennen . Es geht um die entschei-
dende Botschaft: Was sind denn die Grundlagen dieses
Staates? Was ist der Kitt, der diesen Staat zusammenhält?


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zumindest nicht Eisbein und Sauerkraut!)


Was ist die entscheidende Botschaft, wenn es um die
Grundlagen und Werte geht, an die man sich in der Ge-
sellschaft zu halten hat? Es geht am Ende auch um eine
gewisse Erziehung und eine Integration mit Blick auf
einen Verfassungspatriotismus . Denn unsere Verfassung
gibt Auskunft darüber, was die wirklich wesentlichen
Botschaften dieser Gesellschaft sind, die dazu führen,
dass wir zusammenkommen .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Verfassungspatriotismus können wir uns unterhaken!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tut mir
furchtbar leid: Ich glaube nicht, dass die Gleichberech-
tigung von Mann und Frau – in diesem Zusammenhang
sind bestimmte Vorkommnisse und nicht nur die Ereig-
nisse zu Silvester in Köln zu erwähnen – im Rahmen
eines zwei- bzw . dreitägigen oder auch zweiwöchigen
Genderkurses vermittelt werden kann . Das wird nicht
reichen . Es kommt darauf an, dass wir den Menschen die
Möglichkeit geben, sich in dieser Gesellschaft anzudo-
cken . Das ist kein planwirtschaftlicher Grundsatz . Dieser
Staat kann und wird das nicht allein leisten können . Die-
se Gesellschaft wird das nur miteinander – indem man
aufeinander zugeht – schaffen .

Wir wissen, dass wir bestimmte Maßgaben brauchen,
deren Umsetzung nicht freiwillig zu bekommen ist . Der
Mensch ist ein Gewohnheitstier . Es ist nun einmal so,

dass die intrinsische Motivation normalerweise nicht au-
tomatisch kommt . Sie braucht auch eine Aufforderung
von außen . Diese Aufforderung müssen wir gegebenen-
falls als Staat setzen . Das wird durch das Gebot „Fordern
und Fördern“ nur teilweise ausgedrückt . Bayern hat ein
Integrationsgesetz – ein Integrationsgesetz! – vorgelegt,
das klarmacht, was der Bürger an Angeboten von uns zu
erwarten hat und was er dafür zu leisten hat . Darauf müs-
sen wir schauen . Mit dem erwähnten Gesetz wird eine
Integrationsvereinbarung umgesetzt, von der wir meinen,
dass es nur so gehen wird .

Am Anfang muss klar sein, was wir von einem Men-
schen, der hier eine Bleibeperspektive hat, erwarten .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht alles im Zuwanderungsgesetz drin!)


Klar muss sein, was passiert, wenn er sich der Integra-
tion verschließen sollte . Das betrifft nicht die Mehrheit .
Ich glaube, dass die Mehrzahl der Menschen, die hierher-
kommen, wirklich bereit sind, sich in diese Gesellschaft
zu integrieren, und dass sie es wollen, sich selbst eine
Perspektive für ihr Leben aufzubauen . Wir haben das
immer so definiert: Erfolgreiche Integrationspolitik ist
dann gegeben, wenn ein Mensch in der Lage ist, für sein
eigenes Leben zu sorgen, aber auch dieser Gesellschaft
etwas zu geben . – Das sollte man auf jeden Fall berück-
sichtigen .


(Abg . Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Jetzt soll Herr Beck, bevor sein Arm lahm wird, die
Möglichkeit erhalten, etwas zu fragen, Frau Präsidentin .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815808200

Ja, vielen Dank . – Herr Kollege Beck .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815808300

Bevor Sie sich für den Nobelpreis bewerben, weil Sie

gerade das Rad neu erfunden haben, möchte ich Sie doch
darauf aufmerksam machen, dass wir 2005 mit dem Zu-
wanderungsgesetz Integrationskurse geschaffen haben .
Danach gibt es für jeden, der eine Aufenthaltserlaubnis
erhält, das Recht, innerhalb von zwei Jahren diese Kurse
zu besuchen . Es gibt in Bezug auf die Leute, die es brau-
chen, auch die Möglichkeit, diese zu verpflichten und bei
Nichteinhaltung dieser Verpflichtung sowohl entspre-
chende sozialrechtliche als auch aufenthaltsrechtliche
Sanktionen zu verhängen . Das alles ist seit zehn Jahren
Gesetz . Das einzige Problem, das wir aktuell haben, be-
steht darin, dass wir nicht genügend Integrationskursplät-
ze haben . Wir haben aber nicht das Problem, neue Sank-
tionsdebatten führen zu müssen . Ich bin gar nicht gegen
Sanktionen; es ist aber so, dass wir sie einfach schon
haben . Warum sagen Sie, dass man hier etwas machen
müsste, was längst Gesetzeslage ist?


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1815808400

Warum ich solche Dinge erzähle, ist eher eine psy-

chologische Frage . Ich beantworte Ihre Frage aber gerne:

Michael Frieser






(A) (C)



(B) (D)


weil ich es für notwendig erachte; denn es stimmt natür-
lich nur zum Teil .

Es ist unstrittig, dass wir die Möglichkeit geschaffen
haben, zu reagieren . Sie wissen, dass es auf sehr vielen
verschiedenen Ebenen funktioniert . Es ist in Bezug auf
sehr viele Integrationsleistungen aber eine Mär, dass das
theoretisch möglich ist . Das betrifft eben nicht den ge-
samten Katalog der Möglichkeiten, die der Staat bietet .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was meinen Sie konkret?)


Es geht entscheidend nicht nur um die Frage der Verwei-
gerung von Integrationskursen, sondern auch um die Fra-
ge, welche Art von Beratungsleistung erbracht wird . Es
geht dabei auch um die Frage von Bildung bzw . Aus- und
Weiterbildung .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie da sanktionieren?)


Deshalb bitte ich, einmal einen kurzen Blick in das bay-
erische Integrationsgesetz zu werfen . Es ist jetzt – extra
für Sie – neu aufgelegt . Darin wird diese Frage nachhal-
tig beantwortet .

Ich möchte ganz gerne noch einen Gedanken äußern,
der mir wichtig ist . Mir geht es auch um die entscheiden-
de Frage – ich will nicht immer nur von „Sanktionen“
reden, weil das immer nach „Dampfhammer“ klingt –,


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müssen Sie ja auch nicht!)


was der zukünftige Beitrag ist, den eine wirklich große
Gemeinschaft an Integrationswilligen leisten kann, und
es geht für uns natürlich auch darum, zu sehen, wie die
Herausforderungen des demografischen Wandels für un-
ser Land aussehen . Wo gibt es für uns die Notwendigkeit,
andere Strukturen zu schaffen?

Es ist eine Mär, zu glauben, dass unser demografisches
Grundproblem hier im Land einfach durch die Zuwan-
derung gelöst werden kann . Es ist aber auch wahr, dass
hierin eine sehr große Chance für die Menschen liegt, die
sich hier eine Perspektive aufbauen wollen .

Es werden dann Dinge eingeführt, die sofort wieder
als Zwangsmaßnahme bezeichnet werden . So etwas wie
eine Wohnsitzauflage ist aber nun einmal notwendig, um
die Menschen dahin zu bringen, wo sie an einem Auf-
bauprozess teilhaben können, zu dem wir sie anhalten
wollen .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden Sie nicht allein mit Flüchtlingen machen können! Das müssen Sie dann mit allen Ausländern machen!)


Es geht um eine entscheidende Botschaft . Wir müs-
sen erkennen: Die Menschen werden sich nicht nur durch
die anfänglichen Integrationskurse und das anfängliche
staatliche Bildungsangebot weiterentwickeln, sondern
sie werden ihren Beitrag zum Bestand und zur Weiterent-
wicklung dieser Gesellschaft an dem Ort leisten können,
an dem sie Arbeit und Auskommen finden. Genau das
kann gute Integrationspolitik meines Erachtens bieten .

Klar ist aber auch: Hier sind Anstrengungen des Staa-
tes notwendig, aber diejenigen, die zu uns kommen, müs-
sen auch bereit sein, sich zu integrieren und sich dieser
Herausforderung zu stellen . Integration kann keine Plan-
wirtschaft sein, und sie ist auch keine Option, sondern
ein Gebot . Die Einhaltung dieses Gebots müssen wir von
allen verlangen, die wir in dieser Gesellschaft auf Dauer
als eine positive Bereicherung ansehen wollen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815808500

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Kerstin Kassner, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Kerstin Kassner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815808600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! „Wir schaffen das“: Das ist die Botschaft . Sie
ist mutig und ganz klar solidarisch, aber sie weckte auch
manchen Zauderer und manchen, der etwas dagegen
tut . Genau deshalb ist es höchst wichtig, dass wir etwas
tun, um dieses Zitat zu untersetzen . Es bedarf der kla-
ren Ansage: Wer ist „wir“? Ist es die Weltbevölkerung?
Schwierig, sie blutet an vielen Stellen dieser Welt . Die
Europäische Union? Wohl kaum . Sind es wir hier, die wir
als Bundestag und Bundesregierung, aber auch vor Ort,
in den Ländern und in den Kommunen Verantwortung
haben?

Wenn man sich genau anguckt, wer das Gros der
Aufgaben bewältigt hat, dann sieht man, dass das in den
Kommunen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber
vor allem und in ganz hohem Maße auch Vereine, Ver-
bände und ehrenamtlich Tätige waren . Hier muss man
noch einmal sagen: Ich bin wirklich begeistert, dass so
viele Menschen nach wie vor uneigennützig mitarbeiten
und bei dieser Hilfe und Unterstützung nicht aufgeben .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Matthias Schmidt [Berlin] [SPD])


Neben der Aussage dazu, wer „wir“ ist, fehlen vor al-
lem auch die Unterstützung und die Aussage dazu, was
wir und wie wir das erreichen wollen . Das Integrations-
konzept, das eigentlich von allen gefordert wird und drin-
gend notwendig ist, ist hier das Gebot der Stunde, und es
werden klare Aussagen zur Untersetzung dieser Aufgabe
gebraucht .

Dieses Integrationskonzept muss Aussagen zu ganz
wichtigen Fragen enthalten . Ich denke natürlich auch an
die Sprache . Wir haben hier gehört, dass es Integrations-
kurse gibt . Aber es sind viel zu wenige; das ist ganz klar .

Es gibt auch die Entscheidung, dass Menschen, die
keine optimistische Bleibeperspektive haben, an diesen
Integrationskursen nicht mehr teilnehmen dürfen . Stellen
Sie sich einmal vor, der Lehrer geht morgens in die Klas-
se und sagt einigen, dass sie nicht mehr am Unterricht
teilnehmen dürfen . Das ist ein Schlag ins Gesicht der

Michael Frieser






(A) (C)



(B) (D)


Menschen, die unsere Hilfe und unsere Unterstützung
wollen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen klare Aussagen dazu, wie die Teilhabe
am Arbeitsmarkt möglich ist . Ich sage ganz deutlich: Es
geht hier um die Teilhabe aller Menschen am Arbeits-
markt . Hier brauchen wir Lösungen, und wir wissen: Die
Wirtschaft wird das nicht alleine stemmen können . Des-
halb ist hier staatliche Unterstützung durch entsprechen-
de Arbeitsmarktprogramme gefordert . Dies verlangen
wir, und dies muss finanziell untersetzt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen im Übrigen für alle einen Zugang zu
Bildung . Das gilt für Kindertagesstätten genauso wie für
die Schulen und für die berufliche Bildung. Hier ist es
wichtig, dass die Schulpflicht nicht mit dem 18. Geburts-
tag ausläuft, sondern dass der Schulbesuch fortgesetzt
werden kann . Wir haben davon gehört – das sind wirk-
liche Schicksale –, dass Menschen über Jahre nicht zur
Schule gehen konnten . Sie müssen diesen Schulbesuch,
zu dem noch Sprachschwierigkeiten kommen, nachho-
len . Hier müssen also die entsprechenden Voraussetzun-
gen geschaffen werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich muss die Politik allen einen Zugang zu höherer
Bildung ermöglichen . Die Anerkennung von Berufsaus-
bildung und von Studien muss geregelt werden, damit
dies realisierbar wird .

Nicht zuletzt müssen auch die Finanzen geregelt wer-
den . Wenn den Gemeinden und Kreisen die Aufwendun-
gen nur zu einem geringen Teil erstattet werden, dann
wird das in den Kommunen zu neuen Schwierigkeiten
führen . Deshalb müssen wir hier Aussagen treffen, wie
wir helfen können .

Ich war kürzlich im Landkreis Vorpommern-Greifs-
wald . Der Kreis hat schon seit vielen Jahren 100 Mil-
lionen Euro Schulden . Trotzdem muss er zusätzliches
Personal einstellen, was er auch will, um Flüchtlingen
helfen und sie integrieren zu können . Der Kreis hat auch
eine schwierige Aufgabe bei der Unterbringung von
nichtbegleiteten Jugendlichen zu bewältigen . Das wird
in diesem Jahr etwa 7 Millionen Euro zusätzlich kosten .
Wir brauchen eine Ausstattung, die demgemäß ist . Da
kann der Bundesfinanzminister nicht sagen: Die Länder
haben einen Überschuss; jetzt seht zu, wie ihr das hinbe-
kommt . – So werden wir das nicht schaffen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir werden die Aufgabe nur lösen, wenn wir, Bund,
Länder, Gemeinden und die vielen Ehrenamtlichen, an
dieser Aufgabe gemeinsam arbeiten . Das ist das Einzige,
was zum Erfolg führt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815808700

Vielen Dank . – Nächster Redner für die SPD-Fraktion

ist der Kollege Matthias Schmidt .


(Beifall bei der SPD)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815808800

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen in diesen Tagen
sehr viel über Demokratie, und das hat seinen Grund . Die
Bilder aus Clausnitz und Bautzen haben uns alle erschüt-
tert und zeigen: Genau hierauf muss unser Augenmerk
liegen, und das nicht erst seit diesen Vorfällen . Alle De-
mokratinnen und Demokraten waren und sind gefordert,
dazu eine Haltung einzunehmen; denn Hetze, Gewalt
und Terror gegen Menschen, die bei uns Schutz suchen,
betreffen uns alle . Feinde von rechts bekämpfen nicht nur
Flüchtlinge . Sie bekämpfen die Demokratie . Hier müs-
sen wir zusammenstehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben dieses Thema in der gestrigen Debatte aus-
führlich erörtert und haben es gemeinsam als ein säch-
sisches Phänomen beschrieben . Aber seien wir ehrlich:
Es ist nicht ein rein sächsisches Phänomen, sondern ein
deutsches Phänomen . Wir alle haben in unseren Wahl-
kreisen Flüchtlingsunterkünfte . Ich denke, nicht nur in
den Flüchtlingsunterkünften in meinem Wahlkreis, son-
dern auch in denen in Ihren Wahlkreisen wird von der
Zivilgesellschaft hervorragende Arbeit geleistet, vor der
wir alle nur täglich den Hut ziehen können . Aber wenn
ich ganz ehrlich bin: Würde eine Flüchtlingsunterkunft
bei mir im Wahlkreis brennen, was Gott verhüten möge,
dann müsste ich sagen: Ich kenne die Leute in meinem
Wahlkreis, die davor stehen und applaudieren würden .
Diese Entwicklung, die in Sachsen schon weiter vor-
angeschritten ist, dürfen wir nicht hinnehmen, sondern,
liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen dagegen ge-
meinsam aufstehen und als Demokraten Geschlossenheit
zeigen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin sehr froh, in einem Land zu leben, in dem
Schutzsuchende noch immer ein Dach über dem Kopf
bekommen und ein faires Verfahren . Das muss auch so
bleiben . Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen greift
nun einen Aspekt heraus, um die Demokratie zu stärken,
nämlich die Integration . Ja, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, ich gebe Ihnen recht: Die Integration von Flüchtlin-
gen ist gelebte Demokratie . Sie zu stärken, ist ebenfalls
ein wichtiges Ziel, absolut d’accord .

Nun ist das allerdings nur ein Aspekt . Zu Recht spre-
chen Sie auch das Asylverfahren an, werfen es aber im-
mer mit der Integration in einen Topf . Da geht einiges
durcheinander . Darum will ich versuchen, das ein wenig
zu ordnen .

Welche Abfolge, welche Schritte durchläuft ein
Flüchtling? Die erste Phase ist die von der Einreise bis
zur Antragstellung . Diese Phase ist unerträglich lang . Ich

Kerstin Kassner






(A) (C)



(B) (D)


habe davon gehört, dass man für die Terminvergabe zur
Antragstellung im BAMF einen Vorlauf von neun Mona-
ten braucht . Das kann nicht sein . Wir müssen alle dafür
sorgen, dass diese Frist verkürzt wird . Wir müssen darü-
ber auch mit der Bundesregierung reden . Ich glaube, das
ist überwiegend ein exekutives Problem, aber möglicher-
weise ist es auch legislativ . Darüber müssen wir gemein-
sam nachdenken .

Erst nach dieser Phase beginnt der zweite Teil, näm-
lich das eigentliche Asylverfahren beim BAMF . In un-
serem Koalitionsvertrag haben wir uns geeinigt, dass
das gesamte Asylverfahren nicht länger als drei Monate
dauern soll . Das ist unverändert weiter unser Ziel . Der
Koalitionsvertrag stammt allerdings aus dem Jahr 2013,
und die Anzahl der Flüchtlinge hat sich inzwischen ver-
fünffacht . Wenn man die fünffache Zahl von Menschen
in das System hineinbringt, dann ist es völlig klar, dass
das ganze System mehr Zeit braucht . Gleichwohl hat die
Koalition bzw . die Bundesregierung auch beim BAMF
gehandelt und wichtige und richtige Schritte unternom-
men .

Nach Abschluss des Asylverfahrens gibt es, grob
gesagt, zwei Möglichkeiten: Entweder bekommt der
Flüchtling einen anerkannten Schutzstatus, kann bleiben
und muss integriert werden, oder er muss zurückgeführt
werden. Ich finde, bei diesem Teil müssen wir unbedingt
die freiwillige Ausreise noch stärken . Da gibt es einen
Wildwuchs in den Ländern . Lassen Sie uns das genauer
ansehen . Innenminister Gall hat das heute sehr detailliert
dargestellt .

Kommen wir zum eigentlichen Gegenstand Ihres An-
trags, der Integration . Natürlich gibt es da einen Zusam-
menhang: Wenn die Verfahren so beschleunigt sind, dann
wird sich das auch positiv auf die Integration auswirken .
In Ihrem Antrag wird das allerdings – ich habe es schon
gesagt – ein wenig vermischt .

Sie fordern ein Integrationskonzept und machen das
Asylverfahren zum Bestandteil der Integration. Ich finde,
das ist nicht zielführend . Wir sollten das sauber vonein-
ander trennen .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht aber nicht!)


Sie kritisieren in Ihrem Antrag erheblich die Bundes-
regierung. Ich finde, damit haben Sie nicht recht. Ja, die
Verfahren dauern insgesamt viel zu lange, wie gesagt .
Aber es wurde auch einiges auf den Weg gebracht .

Mir ist klar, dass Sie als Opposition die Regierung
nicht loben müssen . Aber Sie sollten auch nicht alles ne-
gieren, was die Große Koalition auf den Weg gebracht
hat .

Die vielen neuen Stellen beim BAMF habe ich bereits
genannt . Das BAMF hatte kürzlich noch 1 600 Mitarbei-
ter, inzwischen sind es über 4 000 . Wir haben mit dem so-
genannten Datenaustauschverbesserungsgesetz den ein-
heitlichen Ausweis, den Ankunftsnachweis, eingeführt .
Im Bereich der Integration wurden die Mittel erheblich
aufgestockt, und einen erleichterten Arbeitsmarktzugang
gibt es bereits seit Juli 2014 .

Lassen Sie uns das so zusammenfassen: Es wurde be-
reits gehandelt, und die Große Koalition handelt weiter .
Dennoch gibt es in Ihrem Antrag selbstverständlich viele
Dinge, die ich auch begrüße: Wohnkonzepte, Bildung,
Gesundheitsversorgung, der Kampf gegen Hetze . Das ist
alles richtig .

Gleichwohl: Die Koalition führt ihren Kurs weiter .
Wir werden die Verfahren weiter beschleunigen, und
zwar von der Einreise bis zum Ende des Asylverfahrens .
Wir werden die freiwillige Rückkehr stärken und die In-
tegration vorantreiben . Ich freue mich auf die Diskussion
mit Ihnen in den Ausschüssen .

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815808900

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Luise Amtsberg, Bündnis 90/Die Grünen .


Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815809000

Vielen Dank, Herr Präsident . – Meine Damen und

Herren! Liebe Gäste! Integration braucht Offenheit statt
Vorurteile und Ressentiments . Sie braucht selbstver-
ständlich die Bereitschaft der Neuankommenden, aber
auch der aufnehmenden Gesellschaft, sich füreinander
zu öffnen .

Wer will, dass Schutzsuchende in Deutschland an-
kommen, die deutsche Gesellschaft, unsere Verfassung,
unsere Geschichte und unsere Werte kennenlernen, der
muss mit genau dieser Haltung auch auf die Menschen,
die zu uns geflüchtet sind, zugehen. Genau hier, meine
Damen und Herren, liegt das Problem .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer, statt unsere offene und demokratische Gesell-
schaft vom allerersten Tag an zu vermitteln, mit Restrik-
tionen und Maßnahmen willkommen heißt, die allein der
Reduzierung von Flüchtlingszahlen dienen, der wird an
dem Anspruch unseres Grundgesetzes scheitern .

Liebe Kolleginnen und Kollegen – das müssen Sie mir
sozusagen im Nachklang zu der Debatte über das Asyl-
paket gestatten –, Rechtsstaatlichkeit vermittelt sich doch
dann am besten, wenn man das Grundrecht auf Asyl ernst
nimmt und wenn man in dieser Frage nicht mit zweierlei
Maß misst .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Um das einmal auf den Punkt zu bringen: Wie bitte
sollen wir Menschen in einer Unterkunft vermitteln, wa-
rum ein Syrer Anrecht auf einen Sprachkurs hat, eine af-
ghanische Frau aber nicht, weil ihre Bleibeperspektive
angeblich sehr viel schlechter ist, und das, obwohl beide
aus denselben Gründen geflohen sind?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie sollen wir vermitteln, dass der Wert der Familie bei
uns grundgesetzlich geschützt ist, wenn wir Kindern den

Matthias Schmidt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


Nachzug ihrer Eltern verweigern oder Vätern den Nach-
zug der im Kriegsgebiet verbliebenen Familie?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie sollen wir Rechtsstaatlichkeit vermitteln, wenn
künftig Bewährungsstrafen zur Ausweisung führen
können, wenn wir Menschen für Sprachkurse bezahlen
lassen, die sie gar nicht in Anspruch nehmen können?
Weil diese Form der Asylpolitik im Widerspruch zu den
Werten steht, die wir vermitteln wollen, behindern wir
automatisch die Integration . Deswegen kann man, Herr
Schmidt, das nicht trennen . Integration und Asylpolitik
gehören genau an dieser Stelle zusammen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Flucht und Migration geschehen nicht planbar, nicht
auf wirtschaftlichen Befehl hin . Sie sind auch nicht steu-
erbar oder in Gänze vorhersehbar . Das mussten wir alle
im vergangenen Jahr lernen; da bin ich bei Ihnen, Herr
Castellucci . Es war nach meiner Auffassung in Ordnung,
für eine bestimmte Zeit zu sagen, dass wir flexibel re-
agieren müssen, dass wir nicht alle bisherigen Standards
bei der Aufnahme von Flüchtlingen umsetzen können . Es
war auch in Ordnung und in Wirklichkeit auch ein gro-
ßer Gewinn für unser Land, dass die Zivilgesellschaft die
entstandenen Lücken in einem bewundernswerten Maße
und sehr selbstlos gefüllt hat . Aber diese Situation darf
kein Dauerzustand bleiben . Das sage ich, nicht weil ich
befürchte, dass eine allgemeine Überforderung einsetzt –
das ist nicht der Fall –, sondern weil ich finde, dass es
jetzt an der Zeit ist, dass Politik zurückgibt, verantwor-
tungsbewusst und nach vorne schauend handelt und vor
allem aus den gemachten Fehlern oder – besser – Ver-
säumnissen lernt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Dieses Jahr
wird neue, wird mehr Herausforderungen mit sich brin-
gen . Dieses Jahr wird schwieriger als das vergangene;
denn es werden weiterhin Menschen in Deutschland
Schutz suchen, und andere, die schon hier sind, müssen
integriert werden. Wir hatten ein Jahr Zeit, uns fit zu ma-
chen für diese Aufgabe, und ja, es ist viel passiert, vor
allen Dingen vor Ort, aber nicht genug . Wir sind davon
überzeugt, dass Integration, wenn man sie richtig angeht,
nicht Überforderung zur Folge hat, sondern eine enorme
Chance eröffnet . Wir haben nun in unserem Antrag dar-
gelegt, wie unsere Erfahrungen, aber auch unsere Struk-
turen besser genutzt werden können und wo dringend
Strukturen aufgebaut werden müssen . Ich habe wahrge-
nommen, dass es durchaus Bereitschaft gibt, über ein-
zelne Punkte unseres Antrags zu reden . Also kann unser
Antrag nicht so falsch sein .

Ich kann nicht auf alle Punkte eingehen . Aber ich
möchte zwei Dinge hervorheben . Integration gelingt
über Bildung und Arbeit; auch darüber sind wir uns alle
einig . Deshalb muss im Zentrum unserer Bemühungen
der Spracherwerb stehen . Daher ist es hochgradig absurd,
wenn wir den Zugang zu Sprach- und Integrationskur-

sen an eine statistische Bleibeperspektive von Menschen
knüpfen und das Herkunftsland zum einzigen Kriterium
machen; das ist falsch . Das wird nicht dazu führen, dass
wir die Menschen langfristig in unserem Land integrie-
ren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Der Teufelskreis geht weiter . Es ist schön, dass Sie
sich, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
endlich dazu durchgerungen haben, der Forderung der
IHK nach einem Drei-plus-zwei-Modell nachzukom-
men; zumindest nehme ich das so wahr. Das finde ich
richtig . Aber hier wird der zweite Schritt vor dem ersten
gemacht; denn auch hier brauchen wir die Sprachkurse
zwingend. Da ist der Bund weiterhin in der Pflicht. Ja,
mir ist bewusst, dass die Mittel für die Sprachkurse auf-
gestockt wurden, Herr Frieser . Das alles ist richtig . Aber
das ist nicht analog zu den gestiegenen Flüchtlingszahlen
geschehen . Deshalb müssen Sie zuvor anhand der Na-
tionalität und nicht nach Sinnhaftigkeit eine Auswahl
treffen .

Statt also die noch nicht verplanten 6 Milliarden
Euro aus der Rücklage des vergangenen Jahres für die
schwarze Null im Wahljahr 2017 zurückzuhalten, sollte
die Bundesregierung – auch mit unserer Unterstützung –
schleunigst einen Nachtragshaushalt vorlegen; denn Inte-
gration ist nicht zum Nulltarif zu haben, Herr Castellucci;
da bin ich bei Ihnen . Diese Mittel brauchen wir für die
Integration, vor allen Dingen für die Sprachkurse . Geben
Sie sich also einen Ruck! Bitte ein bisschen mehr Druck
aus den Reihen des Parlaments, damit wir den Nachtrags-
haushalt für die Sprachkurse noch durch das Parlament
bekommen!

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815809100

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Cemile

Giousouf, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Cemile Giousouf (CDU):
Rede ID: ID1815809200

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Wir beraten heute über den Antrag der Kolle-
gen von den Grünen . Wir können, glaube ich, festhalten,
dass wir alle das Ziel haben, den gesellschaftlichen Frie-
den in diesem Land zu schützen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen, dass dieser Prozess gelingt . Wir werden die
Menschen, die zu uns kommen und hier bleiben, unter-
stützen . Auch wenn wir – das zeigt der vorliegende An-
trag – politisch anderer Meinung sind, haben wir alle das
gleiche Ziel . Die Geschichte des Einwanderungslandes
Deutschland hat gezeigt: Einwanderung hat unser Land
bereichert . Wir sind nicht nur kulturell gewachsen . Nein,
Einwanderer haben ihren maßgeblichen Anteil am Wirt-
schaftsstandort Deutschland geleistet . Sie haben von

Luise Amtsberg






(A) (C)



(B) (D)


Deutschland profitiert, und unser aller Heimat hat von
ihnen profitiert.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie das der CSU!)


Wir werden auch jetzt mit aller Kraft daran arbeiten,
dass Menschen, die neu zu uns kommen und die auch
hier bleiben, eine Perspektive bekommen . Damit sind wir
in der Mehrheit . Die Möchtegern-Vaterlandsverteidiger,
die Schutzbedürftige bedrohen, Kinder bedrohen, Frauen
bedrohen, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden, die sich
nicht schämen, auf dem Rücken der Flüchtlinge Geld zu
machen und diese gleichzeitig zu verachten, diese Grup-
pe, diese Minderheit gehört nicht zu uns . Wir können sie
nicht ausweisen, aber wir werden sie mit allen Mitteln
des Rechtsstaates bekämpfen .

Wir sind uns einig, dass wir in der aktuellen Situa-
tion alle Energie nutzen müssen, damit die Integration
der Flüchtlinge möglichst schnell erfolgt . Nur bedarf es
dazu nicht der Erkenntnis Ihres Antrages; das wissen wir
schon lange, und wir setzen es vor allem auch um . Aber
der Wettbewerb der Ministerien um mehr Geld ist hier-
bei nicht besonders zielführend . Wir brauchen eine kluge
Priorisierung und Schwerpunktsetzung .

Die CDU kümmert sich seit über zehn Jahren inten-
siv um die Integrationspolitik . Wir haben die nötigen
Strukturen und Maßnahmen geschaffen . Wir haben die
Leitplanken für das Zusammenleben in einer pluralen
Gesellschaft ausformuliert und in konkreten Instrumen-
ten umgesetzt. Von diesen Maßnahmen profitieren wir
im Moment maßgeblich. Ich finde es, ehrlich gesagt,
unverantwortlich, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Opposition, jetzt so zu tun, als hätten wir noch nie einen
Menschen in diesem Land integriert oder noch nie ein
Flüchtlingskind eingeschult .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat keiner behauptet!)


Ich finde es verantwortungslos, welche Stimmung Sie
erzeugen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Sachverständigenrat für Migration hat uns vor
Jahren bereits bescheinigt, dass Integration trotz ei-
niger Problemzonen gesellschaftlich und politisch in
Deutschland ein Erfolgsfall ist . Im internationalen Ver-
gleich stehen wir besser da, als unser Ruf ist, an dem
Sie maßgeblich beteiligt sind . Im Vergleich zu anderen
Einwanderungsländern wie Schweden oder den Nieder-
landen hat es Deutschland besser geschafft, Menschen zu
integrieren .

Kommen wir zu Ihrem Antrag . Sie bemängeln in Ih-
rem Antrag, dass sich die Koalition im vergangenen Jahr
nur mit asylrechtlichen Fragen beschäftigt habe, die In-
tegration der Flüchtlinge aber kaum eine Rolle gespielt
habe . Ich frage mich tatsächlich, was Sie in den Sitzungs-
wochen machen . Wir haben die Integrationskurse für
Asylbewerber mit guten Bleibeaussichten geöffnet . Die
Mittel wurden für 2016 verdoppelt . Die Anforderungen
für die Lehrkräftezulassung wurden angepasst, die Lehr-
kräftevergütung wurde erhöht, die Zahl der Teilnehmer in

einem Kurs wurde hochgesetzt, und die Trägerstrukturen
wurden ausgebaut . Allein in diesem Jahr werden voraus-
sichtlich über 5 000 neue Integrationslehrer zugelassen .

Gestern haben wir auch aktuelle Zahlen des BAMF
bekommen . Pro Tag wird seit Januar über 2 600 An-
träge entschieden, während es im ersten Halbjahr noch
890 Entscheidungen täglich waren . Seit Oktober 2015
wurden zudem 130 000 Altfälle abgearbeitet . Ich bin
in vielen dieser Außendienststellen des BAMF unter-
wegs . Ich möchte hier Folgendes sagen: Diese Arbeit
und dieser Prozess, diese Anhörungen zu machen, die-
se Interviews durchzuführen, zu prüfen, ob die Auswei-
se tatsächlich echt sind oder nicht, und den Menschen
auch einmal sagen zu müssen, dass sie vielleicht keine
Bleibeperspektive haben, sind wirklich keine leichten
Aufgaben . Wir sollten, anstatt den Behörden ständig auf
die Füße zu treten, einfach diesen Menschen auch einmal
für ihren Einsatz und dafür danken, dass sie sich dieser
verantwortungsvollen Aufgabe stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was haben wir noch gemacht? Der Arbeitsmarktzu-
gang für Asylbewerber und Geduldete wurde erleichtert .
Wir haben für 2016 im Haushalt zusätzlich zum ESF-Pro-
gramm Bundesmittel für berufsbezogene Deutschsprach-
förderung aufbauend auf die Integrationskurse bereitge-
stellt . Wir unterstützen studierfähige Flüchtlinge mit den
Studienkollegs . Wir haben 10 000 neue Plätze beim Bun-
desfreiwilligendienst geschaffen . Die Kompensations-
mittel für den sozialen Wohnungsbau für 2016 bis 2019
wurden verdoppelt . Schön, dass Sie in Ihrem Antrag fest-
stellen, dass das die richtigen Maßnahmen sind . Aber das
wussten wir auch vorher .

Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Maßnahmenkata-
logs vom CDU-Bundesvorstand vom 15 . Februar . Darin
haben wir noch einmal festgehalten, welche Maßnahmen
wir ausbauen werden .

Wir sind uns alle einig, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, dass dieser Integrationsprozess nur in Zusammen-
arbeit mit Bund und Ländern erfolgreich sein kann . Da
frage ich mich, ob Sie, lieber Herr Beck, den Ton, den
Sie hier im Bundestag anschlagen, auch bei Ihren Kolle-
ginnen und Kollegen in der Landesregierung von Nord-
rhein-Westfalen wählen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können Sie noch was lernen!)


Wie sieht es in den Regionen Deutschlands, wo Sie,
liebe Grüne, an der Regierung sind, mit der Verantwor-
tung aus? Ich komme aus Nordrhein-Westfalen . Ich kann
Ihnen sagen: Es tut einfach nur weh, wenn ich sehe, wel-
che Integrationspolitik in meiner Heimat gemacht bzw .
nicht gemacht wird .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Über Jahre aufgebaute Strukturen gehen den Bach
runter . Dabei geht es nicht nur um Menschen mit Einwan-

Cemile Giousouf






(A) (C)



(B) (D)


derungsgeschichte . Die aktuelle Studie der Hans-Böck-
ler-Stiftung hat eine traurige Bilanz gezogen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du musst die neun Minuten nicht ausschöpfen!)


Laut dieser Studie stieg die Kinderarmut in der Zeit der
rot-grünen Landesregierung zwischen 2010 und 2014
von 20,9 Prozent auf 23,6 Prozent an . NRW ist das Bun-
desland mit den meisten armen Kindern . 684 000 Kinder
sind in NRW arm .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist schon Wahlkampf?)


Erklären Sie mir doch einmal, warum der Anteil an Kita-
kindern mit Zuwanderungsgeschichte in NRW sinkt,
während der Zuzug ausländischer Familien zunimmt .
Unter einer grünen Bildungsministerin geht die frühkind-
liche Bildung von ausländischen Kindern zurück .


(René Röspel [SPD]: Das liegt am Betreuungsgeld Ihrer Partei!)


Das ist fatal, wenn man weiß, dass das, was Kinder
vor dem Schuleintritt lernen, zentral für den gesamten
weiteren Bildungs- und damit auch Integrationsweg ist .
Es fehlt in meiner Heimat an Lehrplänen für die Sprach-
förderung, es fehlt an Lehrkräften, es fehlt an Räumlich-
keiten, in denen nicht der Putz von der Decke fällt .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Unterschied zu Schwarz-Gelb haben wir neue Lehrerstellen geschaffen!)


Sie haben keinen Plan für die Beschulung der Flücht-
lingskinder in Nordrhein-Westfalen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In Ihrem Antrag fordern Sie mehr Prävention, Gewalt-
schutzkonzepte, eine stärkere Polizei und Justiz . Glück-
wunsch! Das finde ich alles sehr gut. Richtig so. Bitte
setzen Sie es doch um, lieber Herr Beck .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Schwarz-Gelb stieg die Zahl der Polizisten an! Früher ist sie gesunken unter Schwarz-Gelb! Keine Ahnung!)


Falls Sie nicht wissen, wie das geht, dann würde ich
Ihnen empfehlen, einen Blick nach Bayern zu werfen .
Ich weiß, die Kollegen von der CSU werden häufig
kritisiert . Aber in dieser Hinsicht hilft ein Blick zu den
Freunden nach Bayern . Die Staatsregierung hat jüngst
ein Integrationskonzept beschlossen . Die bayerische
Staatsregierung nimmt 490 Millionen Euro in die Hand,
um die Flüchtlinge in Arbeit und Bildung zu integrieren .


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie doch nach Bayern!)


In einem ersten Schritt soll bis Ende 2016 20 000 Flücht-
lingen ein Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz
angeboten werden . Danach sollen jährlich 60 000 erfolg-
reiche Arbeitsmarktintegrationsprozesse folgen . Wenn
ich mir das anschaue und Nordrhein-Westfalen mit Bay-
ern vergleiche, dann kann ich nur sagen: Ich bin über-

zeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen in Bayern das
schaffen werden .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geh doch nach Bayern!)


So sieht verantwortliche Politik aus . Deswegen verge-
be ich den Ehrentitel „Integrationspartei“ heute einmal
ausnahmsweise an die CSU und wünsche weiterhin gutes
Gelingen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815809300

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem

Abgeordneten Rainer Spiering, SPD-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Rainer Spiering (SPD):
Rede ID: ID1815809400

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kol-

leginnen und Kollegen! Ich habe schon immer die Red-
ner bedauert, die kurz vor der namentlichen Abstimmung
sprechen mussten, weil sie gegen diesen Bienenschwarm
anreden mussten . Jetzt hat es mich selbst erwischt . Gut,
dann ist das so .


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815809500

Herr Kollege, vielleicht nutzen wir die Gelegenheit:

Wollen wir versuchen, für einen kurzen Moment Ruhe
einkehren zu lassen? Es sind so viele gekommen, die
noch den Schluss der Integrationsdebatte unbedingt hö-
ren wollen . Denen wollen wir Gelegenheit geben, zuzu-
hören .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Rainer Spiering (SPD):
Rede ID: ID1815809600

Ich habe während der Zeit, als ich zugehört habe, ge-

dacht: Was wäre wohl, wenn du als Berufsschullehrer
diese Plenardebatte übertragen hättest und deine Klasse
teilgenommen hätte? Ich stelle mir die Frage, ob es bei
diesem großen Thema sinnvoll ist, Länderbashing zu be-
treiben, weil wieder irgendwo Wahlkampf ist . Ich glaube,
es ist vor dem Hintergrund dieses Themas nicht notwen-
dig und auch nicht richtig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe über viele Jahre als Berufsschullehrer mit
jungen Menschen unterschiedlicher Kulturen zu tun ge-
habt . Es sind junge Menschen aus vielen unterschied-
lichen Ländern gewesen . Ich kann Ihnen sagen: Es hat
immer Spaß gemacht, es hat viel Freude gemacht, und
es hat uns alle bereichert . Aber es gibt auch Erfahrungen
dazu: Du kannst jede Gruppe und jede Klasse immer nur
begrenzt belasten . Das heißt, wenn wir integrieren wol-
len, dann müssen wir die Kapazitäten für die Integration

Cemile Giousouf






(A) (C)



(B) (D)


haben, um sie gut durchführen zu können . Das wollen
wir, und das können wir .


(Beifall bei der SPD)


Eine weitere Bemerkung, bei der es mir um unser Land
geht . Deutschland ist das Land in Europa, das am ehes-
ten die Fähigkeiten und die Kraft hat, diese Anstrengung
überhaupt durchzuführen; Deutschland hat die Kraft und
die Fähigkeit, es zu tun . Aber dann muss man dem Land
auch die Möglichkeit geben, sich entsprechend zu ent-
wickeln . Das müssen wir behutsam machen, und zwar
über Integrationsschritte . Wir müssen die Integration gut,
gezielt und dosiert durchführen, damit wir jede und jeden
auf dem Wege mitnehmen können .

Meine Erfahrung in den Klassen ist folgende gewe-
sen: Wenn ich mich intensiv genug mit den jungen Men-
schen, und zwar aller Kulturen und aller Nationalitäten,
übrigens inklusive der deutschen Nationalität, befasst
habe, dann war am Ende des Tages klar: Es gilt eins in
Deutschland für jede, für jeden, für jeden aus jeder Kul-
tur – das deutsche Grundgesetz und nichts anderes .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich habe den Antrag der Grünen intensiv gelesen; ich
habe mit dem Kollegen Mutlu gerade darüber gespro-
chen . Dieser Antrag hat mir einige Denkaufgaben gege-
ben . Ich habe darin einen Passus gefunden, der zumin-
dest für mich sehr nachdenkenswert war: Dort geht es
um die Frage, wie wir das Riesenpotenzial der deutschen
Berufsbildung zur Integration nutzen .

Ich sage Ihnen einmal über alle Parteigrenzen hin-
weg und vor allem mit der großen Hinwendung an unser
Land, das es geschafft hat, diese Berufsbildung durch die
Menschen dieses Landes über 50 Jahre zu stabilisieren
und weiterzuentwickeln, übrigens mit allen Länderregie-
rungen und mit allen Bundesregierungen, ohne dass man
dazu irgendein Länder-Bashing durchführen muss: Die
deutsche Berufsbildung ist das, was wir erhalten haben .
Die deutsche Berufsbildung ist am ehesten dazu in der
Lage, die Probleme, die wir haben, anzupacken und zu
lösen . Es gilt immer noch: Hand, Herz, Kopf . Wir kön-
nen die Menschen an den Werkbänken zusammenführen,
und wir können sie zusammen arbeiten lassen . Wenn sie
das schaffen, dann schaffen sie die Interaktion vor Ort
durch Bewältigung gemeinsamer Projekte .

Insofern lautet mein großer Aufruf: Lassen Sie uns die
Berufsschulen in diesem Land stärken . Lassen Sie den
Berufsschulen den Raum, die Zeit und die Kraft, Integra-
tion durchzuführen; denn sie sind der Ort, wo Interaktion
an einem sächlichen Beispiel stattfinden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das können wir leisten .
Aber dafür müssen wir unsere Bemühungen in den

Schulen intensivieren . Dazu gehört als erstes Medium in
der Tat die Sprache . Egal ob ich Physik, Chemie, Mathe-
matik oder irgendetwas anderes unterrichte: Ich kann nur
über die Sprache kommunizieren . Wir müssen auch in die
Berufsschulbildung eine wesentlich bessere Stärkung der

deutschen Sprache einfließen lassen, um die Menschen,
die zu uns kommen, teilhaben und mit uns interagieren
zu lassen . Erst wenn das geschieht, können sie verstehen,
übrigens auch das Grundgesetz, und dementsprechend
handeln . Deswegen meine dringliche Aufforderung, die
Sprachförderung zu verbessern .

Was wir zur Stärkung der Berufsschulen auch brau-
chen, ist, dass mehr Sozialarbeiter in Haupt- und Real-
schulen, in die berufsbildenden Schulen gehen, damit die
Probleme, die jetzt zwangsläufig auftreten, gelöst werden
können . Das zu bewerkstelligen, ist eine Bundesaufgabe .
Damit kann man die Länder nicht alleinlassen; das gilt
für alle Länder, auch für Bayern, Sachsen, Sachsen-An-
halt . Sie brauchen an dieser Stelle unsere Hilfe . Die Bun-
desrepublik Deutschland kann es .

Herzlichen Dank fürs intensive Zuhören .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815809700

Ich schließe die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7651 an die in der Tagesordnung vorge-
sehenen Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a und 25 b sowie
den Zusatzpunkt 2 auf:

25 a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Durchführung der Verordnung

(EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung

sonstiger zivilprozessualer Vorschriften

(EuKoPfVODG)


Drucksache 18/7560
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

b) Beratung des Antrags der Abgeordne-
ten Martina Renner, Dr . André Hahn,
Dr . Konstantin von Notz, Hans-Christian
Ströbele, Dr . Sahra Wagenknecht,
Dr . Dietmar Bartsch, Katrin Göring-
Eckardt, Dr . Anton Hofreiter und weiterer
Abgeordneter

Ergänzung des Untersuchungsauftrages
des 1. Untersuchungsausschusses – Hilfs-
weise: Einsetzung eines Untersuchungs-
ausschusses

Drucksache 18/7565
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Rainer Spiering






(A) (C)



(B) (D)


Für mehr Transparenz in der Internationalen
Atomenergie-Organisation sowie eine starke
und unabhängige Weltgesundheitsorganisation

Drucksache 18/7658
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Federführung strittig

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Wir kommen zuerst zu den unstrittigen Überweisun-
gen; Tagesordnungspunkt 25 a und 25 b . Interfraktionell
wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist der Fall . Dann ist so be-
schlossen .

Wir kommen nun zu einer Überweisung, bei der die
Federführung strittig ist; Zusatzpunkt 2 . Interfraktionell
wird die Überweisung des Antrags der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7658 mit dem Ti-
tel „Für mehr Transparenz in der Internationalen Atom-
energie-Organisation sowie eine starke und unabhängige
Weltgesundheitsorganisation“ an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .

Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen
Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie,
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Federfüh-
rung beim Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit . Ich lasse zuerst abstimmen über den
Überweisungsvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen, die Federführung beim Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit verlangt . Wer
stimmt für den Überweisungsvorschlag von Bündnis 90/
Die Grünen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD abgelehnt gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und von der Fraktion Die Linke .

Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvor-
schlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, die
die Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und
Energie verlangen . Wer stimmt für diesen Überwei-
sungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen
der CDU/CSU und der SPD gegen die Stimmen vom
Bündnis 90/Die Grünen und von der Fraktion Die Linke
angenommen worden .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 h auf .
Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen,
zu denen keine Aussprache vorgesehen ist .

Tagesordnungspunkt 26 a:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald

Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
zu dem Vorschlag für eine Durchführungs-
verordnung der Kommission zur Erneue-

rung der Zulassung von Glyphosat
SANTE/10026/2016 (Entwurf)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-

regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des
Grundgesetzes

Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stop-
pen
Drucksache 18/7675

Hierzu liegen mehrere Erklärungen nach § 31 Ab-
satz 1 unserer Geschäftsordnung vor .1)

Wir stimmen auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen über den Antrag namentlich ab . Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen . – Sind die Plätze an den Urnen alle
besetzt? Hier links fehlt noch ein Vertreter der Regie-
rungsfraktionen . – Sind jetzt alle Plätze ordnungsgemäß
besetzt? – Das ist der Fall . Ich eröffne die Abstimmung
über den Antrag .

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stim-
me noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall . Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .
Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt
gegeben .2)

Tagesordnungspunkte 26 b bis 26 h . Wir kommen zu
den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses .

Tagesordnungspunkt 26 b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 282 zu Petitionen
Drucksache 18/7569

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen .

Tagesordnungspunkt 26 c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 283 zu Petitionen
Drucksache 18/7570

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Dann ist auch die Sammelübersicht 283 ein-
stimmig so beschlossen .

Tagesordnungspunkt 26 d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 284 zu Petitionen
Drucksache 18/7571

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Dann ist das beschlossen mit den Stimmen
der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen

1) Anlagen 14 und 15
2) Ergebnis Seite 15522 C

Vizepräsident Peter Hintze






(A) (C)



(B) (D)


die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Tagesordnungspunkt 26 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 285 zu Petitionen

Drucksache 18/7572

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Dann ist die Sammelübersicht 285 so wie
vorgelegt einstimmig beschlossen .

Tagesordnungspunkt 26 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 286 zu Petitionen

Drucksache 18/7573

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Dann ist das mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Die
Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen so beschlossen .

Tagesordnungspunkt 26 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 287 zu Petitionen

Drucksache 18/7574

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Dann ist das mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke so beschlossen .

Tagesordnungspunkt 26 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 288 zu Petitionen

Drucksache 18/7575

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Dann ist das mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke und die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD

Intelligente Mobilität fördern – Die Chancen
der Digitalisierung für den Verkehrssektor
nutzen

Drucksachen 18/7362, 18/7635

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias
Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Intelligente Mobilität fördern – Rechtssiche-
re Regelung zur Ausweisung von Carsha-
ring-Stationen schaffen

Drucksache 18/7652
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat als ers-
ter Redner der Abgeordnete Thomas Jarzombek, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1815809800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe

zu: Ich bin schon ein Stück weit stolz, dass wir es ge-
schafft haben, diese Initiative heute in die abschließende
Lesung zu bringen, und ich glaube, dass wir hier heute
einen Beschluss fassen, der sehr viel Positives für die Zu-
kunft des Straßenverkehrs mit sich bringt .

Um noch einmal zu erklären, was das wesentliche Ziel
unserer Initiative ist: Es besteht darin, dass wir überall
da, wo heute physische Verkehrsinfrastrukturen sind,
eine Dateninfrastruktur drüberlegen . Was bedeutet das?
Das bedeutet beispielsweise, dass es für Sie, wenn Sie
durch eine Stadt fahren, und zwar vollkommen egal, ob
mit dem Auto oder mit dem Fahrrad, von großem Inte-
resse ist, zu wissen, wann die nächste, die übernächste
und die überübernächste Ampel rot oder grün ist . Denn
dann kann man genau die Geschwindigkeit annehmen,
die moderne Technik einem empfiehlt, damit man nicht
umsonst auf die Ampel zustrampelt oder zufährt, son-
dern entspannt mit dem so gewählten Tempo bei Grün
ankommt .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Man merkt, dass Sie nicht mit dem Fahrrad fahren!)


Wer schon einmal hier in Berlin über die Karl-Lieb-
knecht-Straße geradelt ist, der weiß aus eigener Erfah-
rung, wovon ich da rede .


(Andreas Rimkus [SPD]: Der weiß das! – Kirsten Lühmann [SPD]: Das stimmt!)


Das gilt genauso für die Autofahrer; dadurch können wir
sehr viel an Emissionen, an Feinstaub, an CO2-Emissio-
nen und vor allen Dingen auch an Lärm einsparen . Unse-
re Vision ist die rollende Stadt, in der kein Verkehrsträger
mehr bremsen und beschleunigen muss .

In unserem Antrag steht – das möchte ich an dieser
Stelle auch noch einmal präzisieren – als allererster

Vizepräsident Peter Hintze






(A) (C)



(B) (D)


Punkt unter III ., dass wir eine verkehrsträgerübergrei-
fende Lösung unterstützen . Das bedeutet eben auch, dass
man den Menschen den Umstieg vom Auto auf die Bahn
einfacher macht . Warum werden Park-and-Ride-Plätze
so oft doch nicht angenommen? Weil es für den Autofah-
rer eben kompliziert ist, herauszufinden: Habe ich wirk-
lich einen Zeitvorteil, wenn ich umsteige? Wo sind die
Parkplätze? Ist überhaupt noch einer frei? Wie komme
ich zum Bahnsteig? Welches Ticket brauche ich? Womit
bezahle ich das? Hier gibt es heute schon Lösungen im
Auto, ohne hier für einzelne Produkte bayerischer Au-
tomobilhersteller Werbung machen zu wollen, die ganz
gezielt empfehlen, auf ein anderes Verkehrsmittel – auf
eine U-Bahn, eine S-Bahn, eine Straßenbahn – umzustei-
gen, und zusammen mit dieser Information das Ticket
auf das Handy liefern . Das ist genau das, was wir nach
vorne treiben wollen . Dazu gehört, dass wir alle mobili-
tätsbezogenen Daten, die wir haben, in digitaler Form zur
Verfügung stellen .

Ich komme jetzt zu dem Schreiben des VDV – darüber
habe ich mich wirklich gewundert –, das uns alle erreicht
hat und an dem man merkt, dass der digitale Wandel of-
fenbar schon zu den ersten Verteilungskämpfen im Ver-
kehr führt .

Der Verband der Verkehrsunternehmen schreibt uns
erstens, die Leute würden vor allem Bus und Bahn fah-
ren, weil sie so schlecht einen Parkplatz finden. Deshalb
dürften wir nichts machen, was die Parkplatzsuche er-
leichtert. Das finde ich schwierig, um es einmal ganz vor-
sichtig zu sagen .

Er schreibt uns zweitens, dass selbstfahrende Autos
insbesondere von öffentlichen Nahverkehrsunternehmen
betrieben werden müssen. Das finde ich eine interessante
These . Ich glaube, in einer privatrechtlich organisierten
Welt wird das nicht möglich sein . Aber man kann si-
cher einmal darüber reden . Ich weiß zum Beispiel, dass
die BVG schon aktiv daran arbeitet und prüft, ob nicht
selbstfahrende Autos eine gute Ergänzung zur S-Bahn
sein können, gerade in den Bereichen, wo die Wege zur
Bahnhaltestelle sehr weit sind .

Als Drittes schreibt uns der VDV, dass die Mobilitäts-
daten, die wir jetzt überall als offene Daten zur Verfü-
gung stellen wollen, von den Nahverkehrsunternehmen
nicht zur Verfügung gestellt werden können, weil das
Betriebsgeheimnisse sind . Deshalb sage ich es jetzt ganz
präzise, auch für das Protokoll, damit es hinterher keine
Interpretationsschwierigkeiten gibt:


(Gustav Herzog [SPD]: Jetzt kommt es!)


Wir wollen gerade die Daten von Nahverkehrsunterneh-
men als offene Daten zur Verfügung stellen,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


gerade diese, und zwar nicht nur die Fahrplandaten, son-
dern auch die Echtzeitdaten, anhand derer man ersehen
kann, wann das Verkehrsmittel wirklich ankommt . Das
betrifft auch die Bezahlschnittstelle . Wenn ich auch über
Google das Straßenbahnticket kaufen kann, dann ist das
doch kein Nachteil, sondern ein Vorteil; denn je mehr
Verkehrsstellen es gibt, desto mehr kann man verkaufen .

Das ist eine alte betriebswirtschaftliche Regel . Diese gilt
auch für öffentliche Nahverkehrsunternehmen .


(Gustav Herzog [SPD]: In Kaiserslautern haben wir schon umgerüstet!)


Bevor ich ganz gezielt in Richtung Ministerium sage,
was sich in diesem Antrag noch findet, muss ich an dieser
Stelle das Ministerium einmal loben, weil es sehr vie-
le gute Initiativen gemacht hat . Die Staatssekretärin hat
sich selber sehr engagiert, einen Hackathon gemacht mit
jungen Unternehmensgründerinnen und -gründern, wie
man Verkehrsdaten besser nutzen kann . Das ist, glaube
ich, vorbildhaft auch für andere Ministerien . Es gibt ei-
nen Modernitätsfonds, mit dem Verkehrslösungen, auch
die Entwicklung von neuen Lösungen finanziert werden
können . Das ist ganz hervorragend . Aber wir schreiben
im Antrag außerdem – auch das sage ich ausdrücklich,
damit hier keine Unklarheit herrscht –: Wir wollen ein
digitales Straßengesetz . Hier bitte ich vor dem Hinter-
grund, wie viel Zeit wir noch in dieser Legislaturperiode
für Gesetzgebung haben, Gas zu geben . Das ist ein wirk-
lich wichtiges Thema; denn moderne Fahrzeuge generie-
ren immer mehr Daten über Straßenzustände . Sie haben
Kameras und scannen, wo wie große Löcher im Boden
sind . Das ist für uns wichtig .

Wir haben gleichzeitig die Diskussion über den Bun-
desverkehrswegeplan . Wir reden immer darüber, dass
wir Verkehrsinfrastrukturen nach einer gewissen Dauer
austauschen . Aber wir wissen gar nicht, ob sie dann noch
gut oder wirklich schon schlecht sind . Viel interessanter
ist es, wenn wir mit den Daten aus modernen Fahrzeugen
ein richtiges Straßenkataster über die Qualität der Stra-
ßenzustände bekommen, und das vielleicht auch in Echt-
zeit . Wenn überfrierende Nässe auftritt und morgens in
den Straßen Löcher aufplatzen und Autos mit ihren Ka-
meras diese für die Stoßdämpfer registrieren, könnten sie
entsprechende Daten auch an uns als Staat übersenden .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kriegen die gleich hinten einen Sack Zement mit rein!)


Dann könnte man mit Teerlastern zu diesen Stellen fah-
ren und die Straßen genau da ausbessern, wo die Not am
größten ist, weil tatsächlich schon morgens um 9 Uhr ein
perfekter Straßenzustandsbericht vorliegt . Das ist, was
wir brauchen .

Wir brauchen ein digitales Straßengesetz, mit dem wir
nicht nur von uns aus die Bereitstellung offener Daten
wie Ampeldaten und Nahverkehrsdaten für Dritte regeln,
sondern auch dafür sorgen, dass Dritte uns Daten zukom-
men lassen, mit denen wir eine bessere Verkehrsplanung
vornehmen können – zum Wohle aller; denn alle können
davon profitieren.

Wir brauchen für all diese Dinge Testversuche – noch
mehr als bisher . Wir sehen, dass in Kalifornien immer
so viele schöne Pilotprojekte durchgeführt werden . Ich
finde es von daher sehr gut, dass das Bundesverkehrs-
ministerium begonnen hat, auf der A 9 ein digitales
Testfeld einzurichten . Wir brauchen mehr von solchen
Testfeldern . Wir brauchen so etwas auch für den urbanen
und den teilurbanen Raum, für Stadtverkehre . Es ist sehr

Thomas Jarzombek






(A) (C)



(B) (D)


wichtig, dass man dafür offen ist, neue Technologien aus-
zuprobieren und erste Einsatzszenarien zu entwickeln,
sodass Menschen aus aller Welt zu uns pilgern, um sich
anzuschauen, was da möglich ist .

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben hier
ein gutes Programm vorgelegt . Ich freue mich sehr auf
seine Umsetzung . Die Grünen haben, glaube ich, nicht
ganz verstanden, dass wir über Digitalisierung der In-
frastruktur reden . Deshalb haben sie einen Gegenantrag
zum Thema Carsharing eingebracht .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Ergänzungsantrag! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal etwas Konkretes!)


Ich habe den Zusammenhang nicht verstanden. Ich finde
den Vorschlag interessant, Carsharing-Fahrzeuge auf Ta-

xispuren fahren zu lassen; so liest man jedenfalls . Dazu
wird aber der Kollege Bilger gleich noch etwas sagen .

Ich bedanke mich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815809900

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-

führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den Antrag der Abgeordneten Harald Ebner,
Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stop-
pen“, Drucksache 18/7675, bekannt: abgegebene Stim-
men 565 . Mit Ja haben gestimmt 117, mit Nein haben
gestimmt 445, enthalten haben sich 3 Kolleginnen und
Kollegen . Der Antrag ist damit abgelehnt .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 566;
davon

ja: 117
nein: 446
enthalten: 3

Ja

CDU/CSU

Klaus Brähmig
Josef Göppel

SPD

Dr . Sascha Raabe

DIE LINKE

Jan van Aken
Herbert Behrens
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke

Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke

Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann

Thomas Jarzombek






(A) (C)



(B) (D)


Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn

Dr . Stephan Harbarth
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne

Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech

(Braun schweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold

Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Anita Schäfer (Saalstadt)

Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger






(A) (C)



(B) (D)


Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Klaus Barthel
Dr . Matthias Bartke
Bärbel Bas

Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr . Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk

Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel

Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr . Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Enthalten

SPD

Detlef Müller (Chemnitz)

Ursula Schulte
Gülistan Yüksel






(A) (C)



(B) (D)


Als nächstem Redner in unserer Aussprache erteile ich
jetzt dem Abgeordneten Herbert Behrens, Fraktion Die
Linke, das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815810000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „In-

telligente Mobilität fördern – Die Chancen der Digitali-
sierung für den Verkehrssektor nutzen“ – Mensch, was ist
das für ein Titel!


(Andreas Rimkus [SPD]: Ja, ein guter Antrag!)


Der Titel des Antrags lässt Großes erwarten; aber wenn
man hineinschaut, dann stellt man, wie so häufig bei der
Großen Koalition und auch in der Werbung, fest: mehr
Schein als Sein; Marketing ist alles . Ihr Antrag befasst
sich eben nicht mit den Bedürfnissen der Menschen nach
bezahlbarer und gesunder Mobilität . Der Antrag bedient
fast ausschließlich die Interessen der Industrie .

Sie sagen ganz klar – ich zitiere –:

Es gilt, die technologische Vorreiterrolle auszubau-
en und in allen Bereichen Leitmarkt und Leitanbie-
ter für die Zukunft der individuellen Mobilität zu
werden .

Aber genau das ist nicht das Denken von morgen; das ist
das Denken von gestern .


(Beifall der Abg . Sabine Leidig [DIE LINKE])


Die Chancen der Digitalisierung können genutzt wer-
den, um verkehrs- und umweltpolitische Ziele zu errei-
chen; das ist wahr . Aber Sie setzen auf die falschen Ziele .
Ein Ziel könnte doch beispielsweise sein, an Stuttgarts
Straßen eben nicht mehr Tafeln aufzustellen, auf denen
ein Feinstaubalarm angekündigt wird . Ein Ziel könnte
sein, die Menge der Autos in den Städten zu reduzieren .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg . Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ein Ziel – ganz analog – könnte auch sein, die Geschwin-
digkeiten im Straßenverkehr zu verringern . Das ist intel-
ligente Verkehrspolitik, wie wir sie verstehen .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Staatlich gelenkt!)


Ihre fatale Philosophie ist stetes Wachstum in allen Be-
reichen . Staatssekretär Ferlemann hat es einmal so for-
muliert – ich zitiere –: Wir wollen mehr Verkehr auf allen
Verkehrsträgern .

Es fehlt wirklich jegliche verkehrspolitische Vision,
wie man mit dem Begriff „intelligente Mobilität“ umge-
hen kann . Auf den Punkt gebracht: Für uns geht es im
ersten Schritt um Verkehrsvermeidung . Gerade in Sachen
Verkehrsvermeidung hat die Digitalisierung großes Po-
tenzial . Die Fraktion der Grünen ist in ihrem Antrag auf
diesen Punkt unter einem Aspekt eingegangen, nämlich
Vernetzung des öffentlichen Verkehrs mit Carsharing .
Das finden wir gut und: Es ist schnell umsetzbar.

Ich wundere mich schon sehr, liebe Kolleginnen und
Kollegen der Großen Koalition, wie Sie den Menschen
sehen . Er ist für Sie offenbar kein Individuum, sondern
eher ein Transportgut . Mehr noch: Die Beschäftigten im
Verkehrssektor werden von Ihnen ganz unverblümt als
Risikofaktor bezeichnet . Das ist schon ein starkes Stück .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ja, allerdings!)


Daran ändert auch ein Passus nichts, den wohl die SPD
nach langer Kärrnerarbeit hineinformuliert hat, der lau-
tet:

All die durch die Digitalisierung des Verkehrssek-
tors hervorgerufenen Veränderungen müssen stets in
enger Kooperation von Arbeitgeber- und Arbeitneh-
merverbänden begleitet werden .


(Andreas Rimkus [SPD]: So ist es auch richtig!)


Das ist nicht mehr als die Petersilie auf einer industriepo-
litischen Speise .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Maximal!)


Mobilität muss für die Menschen einen Zugewinn an
Freiheit bringen . Mobilität muss den Klimawandel stop-
pen . Darauf müssen wir all unsere Fantasie und Kreati-
vität richten . Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Koalition, haben Sie die Chance, das selbstgesteckte Ziel
zu erreichen, nämlich bis 2020 jährlich bis zu 10 Milli-
onen Tonnen CO2-Ausstoß im Verkehrssektor einzuspa-
ren .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, die Di-
gitalisierung produziert enorme Datenströme . Mit Ihrem
Konzept besteht die Gefahr, dass Autofahrerinnen und
Autofahrer gläsern werden . Die Daten, die beim Fahren
oder beim Buchen von Fahrten gespeichert werden, dür-
fen deshalb nur anonymisiert verwendet werden . Wer die
Chancen der Digitalisierung wirklich für alle nutzen will,
darf nicht ausschließlich die Interessen der Unternehmen
bedienen .


(Beifall bei der LINKEN)


Für unsere Fraktion steht der Mensch im Mittelpunkt .
Wir wollen eine sozialökologische Wende auch in der
Verkehrspolitik, das heißt saubere, sichere und gesunde
Mobilität . Das ist gut für die Beschäftigten im Verkehrs-
wesen und in der Industrie genauso wie für die Millionen
Kundinnen und Kunden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815810100

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Andreas Rimkus, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Andreas Rimkus (SPD):
Rede ID: ID1815810200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Am Anfang des 20 . Jahr-

Vizepräsident Peter Hintze






(A) (C)



(B) (D)


hunderts lebten 165 Millionen Menschen in der Stadt .
In diesem Jahrhundert werden es erstmalig über 50 Pro-
zent der gesamten Weltbevölkerung sein; es sind mitt-
lerweile 3,4 Milliarden Menschen . Die Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die
OECD, geht sogar davon aus, dass im Jahr 2050 6,4 Mil-
liarden Menschen in den Ballungszentren unserer Welt
wohnen und arbeiten werden .

Aus verkehrspolitischer Sicht stehen deshalb nicht
nur ökologische, sondern vor allem auch logistische He-
rausforderungen an . Mit der Urbanisierung steigt die
Verkehrsbelastung . Schon heute nehmen Staulängen und
Stauzeiten in den meisten deutschen Großstädten im Ver-
gleich zu den Vorjahren kontinuierlich zu . Dies ist nicht
nur ein Kapazitäts-, sondern vor allen Dingen auch ein
ökologisches Problem .

Gleichzeitig bieten aber neue Mobilitätskonzepte
Möglichkeiten, diesen Herausforderungen zu begegnen .
Dazu zählt vor allem die Einführung automatisierter
Verkehrsleitung und Verkehrslenkung . Automatisierte
Kolonnenfahrten, weniger Wegeabstände sowie weniger
Unfälle durch automatisch situationsangepasstes Fahren
optimieren den Verkehr und ermöglichen eine Kapazi-
tätssteigerung der vorhandenen Verkehrsnetze . Dies ver-
bessert nicht nur den Verkehrsfluss, sondern bietet auch
enorme Chancen für den Umweltschutz .

Darum sollten wir neben innovativen Wohnkonzep-
ten auch die Idee einer Straße des 21 . Jahrhunderts, die
Wohnen, Arbeiten und Mobilität zusammendenkt, in den
Blick nehmen . Wenn man so will, ist das die intelligente
Mobilität von morgen . Daher fordern wir in unserem An-
trag nicht nur eine verkehrsträgerübergreifende Strate-
gie, sondern auch einen Aktionsplan „Digital vernetztes
Auto“ und ein digitales Straßengesetz .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Sehr gut!)


– Finde ich auch .


(Beifall des Abg . Thomas Jarzombek [CDU/ CSU] – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Begeisterung auf Ihrer Seite!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zukunftsgerichtete
Konzepte müssen Mobilitätsbedürfnisse und ökologische
Technologie miteinander verknüpfen und dabei Effizien-
zen heben . So verbessert man nicht nur den Komfort –
was immer in den Vordergrund gestellt wird –, sondern
vor allen Dingen schützen wir damit die Umwelt . Denn
die Attraktivität von urbanen Räumen hängt eben neben
umfangreichen Freizeitangeboten und guten beruflichen
Perspektiven vor allem auch von einer effizienten und
gut funktionierenden Verkehrsvernetzung ab; dies gilt
natürlich auch für den ländlichen Raum, der nicht zu kurz
kommen soll und auch deutlich benannt werden sollte .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Vision
Zero, also die Vision, die Zahl der Schwerverletzten und
Toten im Straßenverkehr auf null zu reduzieren, lässt sich
aus meiner Sicht nur mithilfe von automatisierten Pro-
zessen verwirklichen . Hierfür wollen wir die Weichen
stellen und dabei besonders die Fragen des Datenschut-
zes in den Blick nehmen . Denn es gilt, was ich bereits bei
der Einbringung unseres Antrags deutlich gesagt habe:

Der Datenschutz und die Selbstbestimmung über die per-
sönlichen Daten sollten für uns immer an erster Stelle
stehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für die Integration neuer Technologien fungieren Städ-
te insofern als Innovationstreiber, beispielsweise in den
Bereichen Carsharing, Elektromobilität und eben auch
automatisiertes Fahren .

1961 forderte Willy Brandt:


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den hatten wir heute doch schon!)


„Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau
werden!“ Das Image des verdreckten, hektischen und lär-
menden Molochs Stadt ist überwunden . Deutsche Groß-
städte haben dieses Image gerade durch emissionsarme
Technologien hinter sich gelassen, aber wir sind, wie wir
wissen, noch lange nicht am Ziel .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Rahmen für die
weiteren Wegmarken in der Bundesrepublik wollen wir
mit dem vorliegenden Antrag stecken, nicht nur, um die
Systemintegration von automatisierten Verkehrsleitsys-
temen voranzubringen, sondern auch, um als Exportnati-
on weltweit mit an der Spitze bei modernen Vernetzungs-
technologien zu stehen und den weltweiten Bedarf mit
technologischen Innovationen zu begleiten .

Ich möchte noch einmal deutlich machen, vor welchen
Hürden wir noch stehen . Vom Datenschutz über versiche-
rungsrechtliche Fragen bis hin zu technischen Rahmen-
setzungen: Es sind noch lange nicht alle Antworten ge-
funden . Ein wichtiger Baustein für eine Mobilitätswende
hin zu Vernetzung bilden Apps auf dem Mobiltelefon,
satellitengestützte Navigationssysteme und die Mög-
lichkeit, diese Programme überall zu nutzen und Infor-
mationen mobil zu verarbeiten . Dies haben wir mit dem
vorliegenden Antrag in den Blick genommen und deut-
lich gemacht, dass wir zum einen Technologieförderung
brauchen sowie den Ausbau von digitaler Infrastruktur
und zum anderen natürlich auch bei der Unterstützung
aus dem Weltraum vorankommen müssen, nämlich bei
unseren Satellitensystemen . Das gilt für den Verkehr am
Boden, auf dem Wasser und in der Luft .

Weil wir als Technologiestandort Deutschland wei-
terhin vorne sein wollen, brauchen wir gute Strategien,
klare Spielregeln, zielgerichtete Forschungsförderung,
Rechtssicherheit und vor allem den Willen, über den
eigenen Tellerrand hinauszublicken . Wir in der Großen
Koalition wollen das gemeinsam hinbekommen .

Schönen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815810300

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Matthias Gastel, Bündnis 90/Die Grünen .

Andreas Rimkus






(A) (C)



(B) (D)



Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815810400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Der Antrag von CDU/CSU- und SPD-Frak-
tion enthält manch richtige Darstellungen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Steffen Bilger [CDU/CSU])


Ein wirklich schlüssiges Konzept für intelligente Mobili-
tät haben Sie uns damit aber leider nicht vorgelegt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie noch viel weniger!)


Ja, es ist richtig: Ein automatisierter Verkehr führt zu
effizienter Motorsteuerung und weniger Ressourcenver-
brauch . Aber wer wirklich etwas gegen die Verschwen-
dung von natürlichen Ressourcen und für den Klima-
schutz tun möchte, darf nicht ständig nur von Autos und
Lkws reden .

Ja, es ist richtig: Ein voll vernetzter und automati-
sierter Verkehr kann ein Beitrag sein, die Zahl der Ver-
kehrsopfer zu senken . Aber wer wirklich etwas für die
Verkehrssicherheit tun möchte, der sollte nicht so zim-
perlich sein bei der Einräumung von Möglichkeiten für
die Kommunen, Tempo-30-Zonen auszuweisen; Herr
Dobrindt hat ja einen solch zimperlichen Vorschlag einer
veränderten Straßenverkehrsordnung vorgelegt .

Ja, es ist richtig: Wir brauchen intelligente Stromnetze
und die Elektromobilität als Bausteine für die Energie-
wende im Verkehr . Wer wirklich etwas für die Elektro-
mobilität machen will, kommt deswegen um eine Kauf-
prämie für Elektroautos nicht herum . Diese darf aber
nicht aus dem Haushalt finanziert werden – das wäre
nämlich weder ökologisch noch sozial sinnvoll –, son-
dern es braucht eine Umlage auf klimafeindliche Sprit-
schlucker. So muss man diese Kaufprämie finanzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer wirklich etwas für die Elektromobilität machen will,
der muss vor allem festhalten: Wir haben längst eine be-
währte Elektromobilität, und zwar auf der Schiene . Mit
dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplans wird sich
zeigen, ob Sie die tatsächlich notwendigen Elektrifizie-
rungen von Bahnstrecken entsprechend hoch priorisie-
ren .


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann dürft Ihr nicht dagegen protestieren!)


Ja, es ist richtig: Die Digitalisierung kann die Suche
nach Parkplätzen erleichtern . Wer aber wirklich vermeid-
baren Verkehr vermeiden möchte, sollte sich zunächst
einmal fragen, warum so viele Menschen glauben, nicht
auf das Auto verzichten zu können, und weshalb öffentli-
che Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen nicht so attrak-
tiv sind, dass mehr Menschen häufiger das Auto stehen
lassen . Von besseren Bus- und Bahnangeboten könnten
nämlich alle profitieren, auch diejenigen, die mangels
Auto überhaupt nie einen Stellplatz suchen müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, es ist richtig: Echtzeitinformationen können
Lkw-Fahrern helfen, an der Autobahn freie Rastplätze zu
finden und Ruhezeiten einzuhalten. Wer aber den Trans-
port von Gütern zukunftsfähig machen möchte, wer ihn
entsprechend weiterentwickeln möchte, der sollte vor al-
lem die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Bahn
und Lkw ins Lot bringen . Mit dem Trassenpreissystem
hätten Sie die Chance, auf das Grenzkostenprinzip zu-
rückzugehen und damit einen Riesenbeitrag für mehr
Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber dem Lkw auf
der Straße zu leisten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, es ist richtig: In der Digitalisierung steckt viel Po-
tenzial, und darin stecken große Chancen . Aber so, wie
Sie das angehen, ist das einzig und allein schlicht und
ergreifend nur technokratisch . Was ich vermisse, ist der
Ausblick auf eine lebenswerte Umwelt . Was ich vermis-
se, ist die Vision von Innenstädten mit Lebensqualität,
die nicht im motorisierten Individualverkehr ersticken
und in denen einem Auto nicht länger mehr Platz einge-
räumt wird als einem Kind .

Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag zum
Carsharing – Herr Jarzombek, das ist ein ergänzender
Antrag – verhelfen wir Ihnen dazu, Ihr Verständnis von
intelligenter Mobilität wirklich ein Stückchen intelligen-
ter zu machen .


(Beifall der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Durch digitale Kommunikationstechnologie ist das Tei-
len von Fahrzeugen viel einfacher geworden . Das hat
einen Boom ausgelöst: Bereits 1 Million Menschen in
Deutschland nutzen Carsharing . Dabei macht das Teilen
ökologisch und ökonomisch Sinn . Ein Carsharingauto
ersetzt sechs Einzelfahrzeuge von Privaten . Dies führt
zu weniger Ressourcen- und Platzverbrauch in dicht-
gedrängten Städten sowie zu einer zweckmäßigeren
Pkw-Nutzung . Das Auto wird nur dann genutzt, wenn es
tatsächlich nötig ist, und wenn es nicht nötig ist, wird mit
dem Bus, der Bahn oder eben dem Fahrrad gefahren, und
es werden verstärkt verschiedene Verkehrsmittel mitei-
nander kombiniert . Auch das macht die Digitalisierung
möglich .

Eine wesentliche Voraussetzung für die weitere ge-
deihliche Entwicklung des Carsharings ist die rechtssi-
chere Ausweisung von Stellplätzen in den Innenstädten,
am Bahnhof, in den Vororten oder auch im ländlichen
Raum . Ein Gesetzentwurf wurde von Minister Dobrindt
bereits mehrfach, auch schon vor längerem, angekündigt;
aber er hat bis heute leider nicht geliefert .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ankündigungsminister!)


Dabei ist die Sache nicht allzu schwierig . Das lässt sich
einfacher lösen als die CSU-Maut für Ausländer . Ent-
scheidend ist, dass die Kommunen auch Stellplätze für
bestimmte Carsharinganbieter ausweisen können; denn
die stationsbasierten Carsharingkonzepte sind genau da-
rauf angewiesen . Wir fordern die Bundesregierung in un-
serem Antrag auf, endlich einen entsprechenden Gesetz-
entwurf vorzulegen . Das mittlerweile bereits zehnjährige






(A) (C)



(B) (D)


Ringen um ein einfaches Gesetz muss endlich ein Ende
haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit einem attraktiveren Bus- und Bahnangebot, mit
einer stärkeren Rolle des Fahrrads, mit verbrauchsredu-
zierten Autos und eben mit Carsharing wird Mobilität
wirklich intelligenter .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Ohne die Grünen! – Gegenruf der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit den Grünen!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815810500

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Steffen Bilger, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Steffen Bilger (CDU):
Rede ID: ID1815810600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist gut, dass wir zurzeit so intensiv über die Mobilität der
Zukunft diskutieren . Unsere Debatte vor vier Wochen
und unser Koalitionsantrag zur intelligenten Mobilität
sind eine gute Grundlage für die heutige Diskussion .

Worum geht es uns als Koalition? Uns geht es darum,
Mobilität zu ermöglichen, effizient und nachhaltig, aber
eben nicht mit Verboten und Überregulierung, wie es sich
andere hier wünschen .

In unserem Antrag machen wir deutlich: Die Vernet-
zung der Mobilität wird kommen, und sie wird neben
vielen anderen Vorteilen auch einen handfesten Beitrag
zu einer besseren Umwelt- und Klimabilanz leisten . Vie-
les von dem, was vielleicht im Jahr 2050 oder auch schon
früher Standard sein wird, können wir uns jetzt noch gar
nicht vorstellen . Aber diese ferne Zukunft müssen wir
heute schon vorbereiten . Das tun wir mit den Maßnah-
men in unserem Antrag . Schließlich wollen wir nicht nur,
dass intelligente Mobilität Realität wird, sondern dies
soll auch zu unseren Bedingungen geschehen und nach
unseren Bedürfnissen ausgerichtet sein .

Nach allem, was wir heute wissen, wird die Vernet-
zung und Digitalisierung der Mobilität intelligent und
nahezu komplett sein . Für viele Datenschützer klingt das
nach einem Horrorszenario . Aber ich halte es für durch-
aus möglich, dass wir beides bekommen: intelligent
vernetzte Mobilität und sauberen Datenschutz wie auch
Datensicherheit .

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat es
diese Woche wieder deutlich gemacht: Wir haben einen
beispiellosen Investitionshochlauf .


(Gustav Herzog [SPD]: Wir brauchen einen Personalhochlauf!)


In den nächsten Jahren wird so viel Geld in die Ver-
kehrsinfrastruktur fließen, wie es laut der nach Daehre
benannten Expertenkommission für den Bund nötig ist .
Das, meine Damen und Herren, ist wirklich eine enor-

me Leistung . Diese Anstrengung ist aber auch dringend
erforderlich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diesem Investitionshochlauf steht aber in gewisser
Weise der nächste Bundesverkehrswegeplan gegenüber .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)


Nicht alles, was dort an vordringlichem und weiterem
Bedarf ermittelt wurde und wird, kann in den nächsten
Jahren gebaut werden . Das liegt natürlich auch an den
Planungs- und Baukapazitätsengpässen .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kriegt ihr sowieso nicht alles fertig!)


Wenn wir aber sehen, wie die Wachstumsprognosen im
Verkehrsbereich aussehen, merken wir: Wir brauchen zu-
sätzlich zum dringend notwendigen Erhalt und zusätzlich
zu Aus- und Neubau neue Verfahren, um den Verkehr zu
stemmen . So wird allein der motorisierte Personenver-
kehr bis 2030 um 13 Prozent zunehmen; im Güterverkehr
wird die Verkehrsleistung sogar um 39 Prozent steigen .
Diese Zahlen machen deutlich, dass wir insgesamt viele
Ansätze benötigen, um auch in Zukunft Mobilität zu er-
möglichen .

Einer dieser Ansätze ist das Carsharing . Sharingkon-
zepte sind ja gerade in aller Munde .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Sie haben es ja doch verstanden!)


Einige Firmen haben es mit der Kunst der Vermittlung
solcher Angebote sogar zu Milliardenbewertungen ge-
schafft . Carsharing hingegen ist nicht ganz so neu wie
die internetbasierten Aufsteiger der letzten Zeit . Seit über
25 Jahren gibt es das Autoteilen nun schon . Diese Woche
wurde eine Studie veröffentlicht, die zu dem Ergebnis
kam, dass das Carsharing nirgendwo so beliebt ist wie
in Deutschland . Auf den ersten Blick, meine Damen und
Herren, ist das vielleicht erstaunlich; auf den zweiten
aber ist es sonnenklar .

Das Carsharing hat sich im Laufe der Jahre weiterent-
wickelt . Die Erfolge in Deutschland haben ihre Ursachen
nicht zuletzt in den Investitionen großer Anbieter, ins-
besondere von Tochterunternehmen der Autohersteller .
Die großen Hersteller aus dem Süden haben den Markt
der Mobilitätsdienstleistungen für sich erkannt und die
sogenannten Freefloater, also die stationsunabhängigen
Carsharingangebote, massiv ausgebaut . 50 Prozent aller
Carsharingautos in Europa kann man hierzulande leihen .
Das liegt auch daran, dass sich das Carsharing aus der
Ökoecke – ich weiß die geleistete Pionierarbeit sehr zu
schätzen – in die Mitte der Gesellschaft bewegt hat . Heu-
te wünscht sich jede moderne Stadt ein Carsharingange-
bot, weil dies einfach dazugehört und von vielen Bürgern
erwartet wird . Deutschland ist also weit vorne . Diesen
Vorsprung gilt es nun per Gesetz zu erweitern, damit die

Matthias Gastel






(A) (C)



(B) (D)


bereits existierenden Vorteile noch weiter ausgebaut wer-
den können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann machen Sie es doch endlich mal! Machen Sie es mal!)


Mir persönlich und vielen anderen in der Koalition
war es schon während der Koalitionsverhandlungen ein
Anliegen, uns durch ein Carsharinggesetz zu der Unter-
stützung des Carsharings zu bekennen . Für mich hätte
viel dafür gesprochen, dieses Gesetz gemeinsam mit dem
Elektromobilitätsgesetz vorzulegen,


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Und wo war es?)


wobei ich mir schon die Frage stelle, wie man die For-
derungen des Antrags der Grünen zur Förderung sowohl
des Carsharings als auch der Elektromobilität dann mitei-
nander hätte vereinen können . Aber wie auch immer: Ich
glaube, über die Sinnhaftigkeit eines Carsharinggesetzes
dürften wir uns hier weitestgehend einig sein .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super! – Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, dann: Machen, machen, machen!)


Die Verkehrspolitiker kennen die Problemlage . Sie ist
im Wesentlichen juristischer Natur .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht so kompliziert, dass man sie nicht lösen kann! – Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind der Gesetzgeber hier!)


Nun bin ich ja selbst Jurist und weiß, dass zwei Juristen
durchaus zu unterschiedlichen Bewertungen ein und des-
selben Sachverhalts kommen können .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem dann, wenn sie aus dem BMVI kommen!)


Es wäre aber nicht verantwortlich, eine juristisch frag-
würdige Regelung vorzulegen . Bevorrechtigungen sind
im Straßenverkehr eine komplexe Materie . Daher gilt
einmal mehr: Gründlichkeit vor Schnelligkeit .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch Ausreden! Faule Ausreden!)


Sowohl die Regierung als auch die Mehrheitsfraktio-
nen wollen dieses Gesetz, und es wird kommen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und wann? Wann denn?)


Darauf können sich Anbieter und Nutzer von Carsharing
genauso verlassen wie die Kommunen, die solche Ange-
bote auf ihrer Gemarkung machen wollen . Damit leisten
wir dann, zusätzlich zu unserem vorliegenden Antrag,

einen weiteren Beitrag zur Förderung intelligenter Mo-
bilitätsformen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das Ganze am Sankt-Nimmerleins-Tag! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich glaube, auf dieses Gesetz müssen wir noch lange warten!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815810700

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Dr . Birgit Malecha-Nissen, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD):
Rede ID: ID1815810800

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine elek-
tronische Seekarte, das Radarbild auf dem Monitor, al-
les im Blick – der Kapitän steuert seinen Frachter . Das
Spannende ist: Er navigiert nicht auf einem Schiff, son-
dern ohne Mannschaft vom Festland aus . Das klingt wie
Science-Fiction, ist es jedoch nicht . Es ist das europäi-
sche Forschungsprojekt MUNIN . Dabei geht es um die
Entwicklung eines autonomen Schiffes .

Seit Jahren wird an einem Konzept gearbeitet, um
Schiffe unbemannt über die Ozeane fahren zu lassen .
Sieht so die Zukunft aus? Fakt ist, der digitale Wandel
wird die Mobilität revolutionieren . Dabei müssen wir
eine verkehrsträgerübergreifende Strategie entwickeln,
die auch den Klimaschutz besonders im Blick hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn nur mit intelligenten digitalen Steuerungslösun-
gen lassen sich in der Zukunft Staus und logistische Eng-
pässe verringern . Deswegen ist für uns die Digitalisie-
rung im Verkehrsbereich eine große Chance . Diesen Weg
gehen wir zusammen mit unserem Koalitionspartner im
vorliegenden Antrag . Dazu gehört auch Carsharing . Des-
wegen begrüße ich in Teilen den Antrag bezüglich eines
Carsharinggesetzes der Kolleginnen und Kollegen der
Grünen . Ich freue mich auf die Diskussionen im Aus-
schuss besonders auch im Hinblick auf Carsharing und
individuelle Mobilität im Spannungsfeld zum öffentli-
chen Nahverkehr . Ich denke, da werden wir bestimmt
eine spannende Diskussion haben .

Sehr verehrte Damen und Herren, wir stehen nicht am
Anfang der digitalen Revolution . Das wird besonders
am Beispiel komplexer Logistikketten in unseren Häfen
deutlich . Digitale Steuerungslösungen gehören bereits
zum Alltag moderner Häfen . Die Anforderung an eine
reibungslose Güterumschlagslogistik ist extrem hoch .
Lassen Sie mich das am Beispiel des Hamburger Hafens
verdeutlichen .

Schon jetzt sind die Ablade- und Verladeprozesse
automatisiert und werden vom Terminal aus gesteuert .
43 Prozent der umgeschlagenen Seegüter kommen und
gehen noch per Lkw . Das sind laut HHLA 1,8 Millionen

Steffen Bilger






(A) (C)



(B) (D)


Fahrten im Jahr, was zu langen Staus im Hafen und an
den Zufahrten bis hin zu den Autobahnen führt . Zudem
hat sich auf der Seeseite einiges geändert . Innerhalb kür-
zester Zeit muss ein großes Containerschiff – ein Rie-
senpott – ent- und beladen werden . Das „smartPORT
logistics“-Konzept mit seiner digitalen Lkw-Abferti-
gungssoftware soll diese Abläufe in Zukunft massiv be-
schleunigen . Die Testphase läuft seit Monaten und wird
weltweit beobachtet . Ich bin auf die weitere Entwicklung
gespannt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem techni-
schen Fortschritt – das ist uns als Sozialdemokraten be-
sonders wichtig – dürfen wir die Beschäftigten nicht aus
dem Blick verlieren . Daher muss der Prozess der Digita-
lisierung immer in enger Kooperation zwischen Arbeit-
geber- und Arbeitnehmerverbänden begleitet werden .


(Beifall bei der SPD)


Denn der Weg von technischer Revolution zu sozialem
Fortschritt kann nur über starke Mitbestimmungsrechte
gehen .

Fakt ist: Durch die Automatisierung werden viele
neue Jobs entstehen . Jedoch werden dadurch auch in den
nächsten Jahren viele Arbeitsplätze wegfallen . Erst im
Januar dieses Jahres demonstrierten beispielsweise viele
Tausend Hafenarbeiter in Rotterdam . Sie alle bangen um
ihren Arbeitsplatz . Das zeigt: Die Ängste sind Realität,
und wir sind schon in der Zukunft angekommen .

Deswegen brauchen wir neben der digitalen Strategie
zwingend eine vorausschauende Beschäftigungsstrate-
gie . Diese muss die Bewältigung der Herausforderungen
der digitalen Entwicklung gut vorbereiten und beglei-
ten . Es müssen passgenaue Weiterbildungsprogramme
entwickelt werden, damit sich betroffene Beschäftigte
beruflich neu ausrichten können. Ebenso werden neue
Ausbildungsmodule benötigt, um den Bedarf an neuen
Fachkräften in der digitalen Branche künftig abdecken
zu können .

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, intelligente Mo-
bilität und sozialer Fortschritt gehören zusammen . Dafür
setzen wir uns ein .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815810900

Letzter Redner in dieser Aussprache ist der Abgeord-

nete Florian Oßner, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Florian Oßner (CSU):
Rede ID: ID1815811000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist nicht überraschend: Abermals bringt der
Antrag der Grünen, lieber Herr Gastel, erwartungsgemäß
nicht viel Neues hervor .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleibt denn Ihr Gesetzentwurf? Sie kriegen keinen Gesetzentwurf auf die Beine!)


Er hinkt dem hinterher und wiederholt teilweise das, was
die Koalitionsfraktionen und das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur zurzeit umsetzen bzw .
in naher Zukunft umsetzen werden .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit zig Jahren warten wir! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie seit zehn Jahren!)


Sowohl das BMVI als auch wir in der CDU/CSU-Frak-
tion im Deutschen Bundestag wollen Carsharing als um-
weltfreundliches Mobilitätsangebot voranbringen . Kol-
lege Steffen Bilger hat das sehr gut ausgeführt . Derzeit
arbeiten wir daran, mit einem entsprechenden Gesetz die
erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen .


(Beifall des Abg . Steffen Bilger [CDU/ CSU] – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super! Dann stellen Sie es auch einmal fertig, und bringen Sie es ein!)


Es ist erstaunlich, vonseiten der Grünen immer wieder
zu hören, in moderne Mobilität investieren zu müssen .
Geht es aber darum, den Datenschutz entsprechend anzu-
passen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dann
blockieren die Grünen wieder . Liebe Grünen, diese Wi-
dersprüchlichkeit ist wirklich schier unerträglich .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Sagen Sie einmal ein Beispiel!)


Im letzten Jahrzehnt haben wir einen enormen techni-
schen Fortschritt erlebt . Es ist jetzt an uns Verkehrspoli-
tikern, die richtigen Weichen zu stellen . Die Gelegenheit
hierfür war noch nie so günstig wie jetzt . Wir investieren
in unsere Infrastruktur, und zwar auf Rekordniveau . Die
Investitionen sind also so hoch wie noch nie . Hier kön-
nen wir ein großes Lob an unseren Bundesverkehrsmi-
nister Alexander Dobrindt


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er aber nicht verdient!)


– und heute stellvertretend an unsere Parlamentarische
Staatssekretärin Dorothee Bär – schicken . Auch ein herz-
liches Dankeschön an das gesamte Ministerium für die-
sen immensen Kraftakt!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Neben den finanziellen Mitteln müssen aber auch die
notwendigen technologischen Voraussetzungen geschaf-
fen werden, um die Weichen in Richtung Zukunft zu stel-
len .

Das Auto ist ein entscheidender Faktor des Internets
der Dinge . Vernetzte Fahrzeuge bieten viele Möglich-
keiten . Bei Diebstahl kann das Fahrzeug zum Beispiel
digital gestoppt werden . Straßenkarten, Informationen
des eigenen Fahrzeugs und anderer Fahrzeuge sowie der
Wunsch des Fahrers werden intelligent verknüpft . Die
Automobilbranche arbeitet derzeit an der Entwicklung
selbstfahrender Fahrzeuge, und Parkassistenten sowie
Bremshilfen bei geringen Geschwindigkeiten sind be-
reits heute Realität .

Dr. Birgit Malecha-Nissen






(A) (C)



(B) (D)


Um dies alles zu erreichen, muss der Mobilfunkstan-
dard 5G so schnell wie möglich eingeführt werden . Auch
dies wird in unserem Antrag gefordert . Nur wenn wir
Industrie 4 .0 richtig ausgestalten und somit die gesamte
digitale Revolution sichern und stärken, werden wir un-
sere Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit auch in
Zukunft erhalten .

In keinem anderen Land der Welt hat der Verkehr eine
so große Bedeutung für die Industrie, den Mittelstand
und die Arbeitsplätze . Deutschland ist Logistikweltmeis-
ter . Mit BMW, Mercedes-Benz, VW und den Tochter-
unternehmen sitzen hier mit die wichtigsten Automo-
bilhersteller der Welt . In Deutschland werden Züge und
Flugzeuge gebaut; aber auch viele Werften haben ihren
Sitz in Deutschland .

Die Digitalisierung sorgt dafür, dass wir in diesen
Branchen auch in Zukunft federführend sein werden . Sie
wird zu mehr Wirtschaftswachstum und damit am Ende
auch zu mehr Beschäftigung führen . Liebe Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen und den Linken, lassen Sie
deshalb bitte Ihre ständigen und übertriebenen Angriffe
auf Unternehmen wie VW . Sie gefährden den Investiti-
onsstandort Deutschland damit maßgeblich .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Verharmlosung und Nichtaufklärung von Skandalen!)


Die Digitalisierung des Mobilitätssektors bietet aber
auch große Chancen, um die Umwelt- und Klimabelas-
tungen sowie den Verkehrslärm zu reduzieren . Sie kann
auch deutlich zur Verbesserung der Verkehrssicherheit
beitragen und uns dabei helfen, dass es zukünftig zu we-
sentlich weniger Verkehrstoten kommt .

Als zuständiger Berichterstatter für den Bereich De-
mografie der Arbeitsgruppe für Verkehr und digitale In-
frastruktur sehe ich aber auch große Potenziale, wenn es
darum geht, wie wir Menschen zukünftig helfen können,
im Alter länger mobil zu bleiben, um eine längere Teil-
habe am öffentlichen Leben zu gewährleisten . Selbstfah-
rende Autos können insbesondere in ländlichen Räumen
eine Lösung hierfür sein .

Innovationen dafür werden aber nicht nur in Kalifor-
nien vorangebracht, sondern auch auf der A 9 in Bay-
ern . Das dort eingerichtete Digitale Testfeld Autobahn ist
schon jetzt ein weltweites Erfolgsmodell . Das muss der
Maßstab moderner Mobilitätspolitik für uns sein .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Am Flughafen München rollt seit letzter Woche eine
vollautomatische U-Bahn, die zweite dieser Art nach
Nürnberg . Die Digitalisierung im Mobilitätssektor hält
somit tatsächlich in allen Bereichen Einzug .

Mit dem vorliegenden Antrag zum aus meiner Sicht
bedeutendsten Verkehrsthema der Zukunft zeigt diese
Koalition, dass wir Antworten auf die drängenden Zu-
kunftsfragen haben . Ich bitte deshalb um die Zustim-
mung für den Antrag der Koalitionsfraktionen .

Herzliches Vergelts Gott fürs Zuhören .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815811100

Ich schließe die Aussprache .

Tagesordnungspunkt 6 a . Wir kommen zur Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD mit dem Titel „Intelligente Mobili-
tät fördern – Die Chancen der Digitalisierung für den
Verkehrssektor nutzen“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/7635,
den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
auf Drucksache 18/7362 anzunehmen . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit
den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion
gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen .

Tagesordnungspunkt 6 b . Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 18/7652 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Anpassung der Zuständigkeiten
von Bundesbehörden an die Neuordnung der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bun-

(WSV-Zuständigkeitsanpassungsgesetz – WSVZuAnpG)


Drucksache 18/7316

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur

(15 . Ausschuss)


Drucksache 18/7634

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erstem Redner erteile
ich das Wort dem Abgeordneten Manfred Behrens, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Manfred Behrens (CDU):
Rede ID: ID1815811200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der uns heu-
te vorliegende Gesetzentwurf beschäftigt sich mit der
Modernisierung eines leistungsfähigen Wasserstraßen-
netzes in der Bundesrepublik Deutschland . Für die deut-
sche See- und Binnenschifffahrt ist eine effizient arbei-
tende Wasser- und Schifffahrtsverwaltung von höchster
Bedeutung . Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des

Florian Oßner






(A) (C)



(B) (D)


Bundes ist für die Sicherheit der Schifffahrt zuständig
und damit für einen reibungslos fließenden Schiffsver-
kehr .

Die Reform der WSV ist eine der größten Verwal-
tungsreformen des Bundes . Sie ist notwendig, um das
deutsche Wasserstraßennetz zu erhalten, auszubauen und
zukunftsorientiert zu gestalten . Dazu benötigen wir eine
geordnete Struktur .

Die Reform sieht vor, dass die sieben Direktionen
in einer Generaldirektion konzentriert werden . Dieser
Schritt der Reform ist getan, und die folgenden Struk-
turveränderungen in der Behörde schreiten weiter voran .
Dazu hat das Bundesministerium für Verkehr und digita-
le Infrastruktur einen ersten Fortschrittsbericht zur Um-
setzung vorgelegt . Die 39 Wasser- und Schifffahrtsämter
werden im nächsten Schritt in 17 Wasserstraßen- und
Schifffahrtsämter umgeformt .


(Gustav Herzog [SPD]: Der Bundestag hat 18 beschlossen!)


Diese dezentralen Ämter vereinen Fachkompetenz und
regionale Entscheidungskompetenz . Die Weiterentwick-
lung von den bisher regionalen zu funktionalen Zustän-
digkeiten erfolgt schrittweise im laufenden Betrieb .

Mit der Errichtung der genannten Generaldirektion
wurde der Grundstein für die WSV-Reform gelegt . Der
heutige Gesetzentwurf skizziert nun in einem nächsten
Schritt die organisatorischen Änderungen, welche durch
die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des
Bundes eingetreten sind . Der Gesetzentwurf enthält eine
Verordnungsermächtigung, die es dem Bundesministe-
rium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlaubt, die
notwendigen Anpassungen auch in allen betroffenen
Rechtsvorschriften vorzunehmen . Außerdem wird das
Bundesbesoldungsgesetz entsprechend der neuen Stel-
lenstruktur geändert .

Der Gesetzentwurf wurde federführend im Ausschuss
für Verkehr und digitale Infrastruktur beraten . Der Bun-
desrat forderte in seiner Stellungnahme, die Arbeitsfä-
higkeit der WSV durch ausreichendes Personal und gute
Arbeitsbedingungen sicherzustellen .

In meinem Bundesland Sachsen-Anhalt mit dem
Standort Magdeburg bedeutet dies, dass insbesondere
für den Erhalt der Wasser- und Schifffahrtswege und für
die Umsetzung von Investitionen zusätzliches Personal
erforderlich ist . Den Standort Magdeburg kennzeich-
nen drei wesentliche Punkte: erstens die zentrale Lage
im Elbkorridor im Herzen des ostdeutschen Wasserstra-
ßensystems, zweitens die bereits 150 Jahre lange Tra-
dition der Elbstrombauverwaltung vor Ort und drittens
das Wasserstraßenkreuz Magdeburg und die zahlreichen
Bauwerke wie der Mittellandkanal, die Schleuse Nieg-
ripp und das Schiffshebewerk Rothensee .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier geht es aber nicht um Wahlkampf! Hier geht es um die Wasserund Schifffahrtsverwaltung!)


Magdeburg ist ein traditioneller und kompetenter
Standort und bietet Bedingungen, auch in Zukunft zen-

tral für die Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt an
der Elbe zu sorgen .


(Gustav Herzog [SPD]: Ramsauer wollte alles plattmachen!)


Das Ziel einer guten Zusammenarbeit mit anderen Stand-
orten sowie guter Arbeitsbedingungen vor Ort muss an
oberster Stelle stehen, um zukünftig eine erfolgreiche
Arbeit leisten zu können .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815811300

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Herbert Behrens, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Nicht miteinander verwandt, oder?)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815811400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung war vor
vielen Jahren nicht als Reformprojekt angelegt – eine
Reform war es nie –, sondern als Abbauprojekt bzw . als
Abwrackunternehmen, was dazu führen sollte, dass die
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung lediglich eine soge-
nannte Gewährleistungsverwaltung wird . Das heißt, man
passt nur noch auf, dass die, die die privaten Aufträge
übernehmen, die Arbeit richtig machen .

I
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1815811500
Die Aufgaben bestehen in der „Überwachung
und Regulierung Privater, die infolge von Privatisierung
Leistungen erbringen, die zuvor der Staat im Rahmen
seines Daseinsvorsorgeaufkommens wahrgenommen
hat“ . Das stand immer hinter dieser Reform, und es hat
nicht dazu geführt, dass wir jetzt eine Behörde haben, bei
der sichtbar ist, dass sie an den Aufgaben orientiert ist .
Es ist vielmehr eine Behörde geworden, die gerade noch
schafft, das Personal von der einen zu der anderen Stelle
zu schieben . Das hat nichts mit einer wegweisenden oder
zukunftsweisenden Reform zu tun . Das ist vom Anfang
bis zum Ende ein Abbruchunternehmen gewesen . Das
kritisieren wir .


(Beifall bei der LINKEN)


Seit 1993 wurde jede dritte Stelle bei der WSV ab-
gebaut . Ausscheidende Kolleginnen und Kollegen wur-
den nicht ersetzt . Auszubildende wurden nach ihrem
Abschluss nicht übernommen . Nur unter dem Druck der
Belegschaften ist es vor gut anderthalb Jahren gelungen,
den weiteren Personalabbau, der bereits an den Kern der
Verwaltung ging, zu beenden, um die krassesten Folgen
der Kahlschlagpläne abzuwehren .

Die Folgen des Personalabbaus sind, wie ich schon
sagte, deutlich spürbar . Wir haben beispielsweise bei der
WSV Berlin heute 403 Beschäftigte . Nach der Wende
waren es noch 900 . Die Arbeiten haben nicht wesentlich
abgenommen . Sie haben sich verändert; das ist klar . Die
Produktivität hat auch zugenommen . Insofern ist es keine

Manfred Behrens (Börde)







(A) (C)



(B) (D)


Überraschung, dass die Beschäftigten weniger werden .
Aber dieser dramatische Personalabbau ist die Folge ei-
ner verkorksten, einer verdrehten WSV-Reform . Das Ar-
beitspensum ist nämlich fast gleich geblieben und von
den verbliebenen Kräften zu bewältigen . Das kann nur
noch schlecht funktionieren, wie die Kolleginnen und
Kollegen sagen . Wenn einer krank ist oder jemand in
Urlaub geht, sind sie gleich am Limit und können ihren
Aufgaben nicht mehr nachkommen .

Auch für die Nutzer der Kanäle und Schleusen ist das
spürbar . Sie haben damit zu kämpfen, dass sie nicht mehr
denselben Service zur Verfügung haben wie früher . So ist
beispielsweise eine Schleuse in Wendisch Rietz im Osten
Brandenburgs im Sommer nur noch bis 18 Uhr in Be-
trieb . Das heißt für Wassersportler und Wochenendaus-
flügler, dass sie sich sputen müssen, wenn sie die Schleu-
se noch benutzen wollen .

Bis heute hat sich die WSV nicht von diesem Perso-
nalkahlschlag erholt . Um- und Ausbaumaßnahmen an
Schleusen und Kanälen konnten nicht umgesetzt werden .
Hunderte Millionen Euro mussten zurückgegeben wer-
den, weil sie nicht verbaut werden konnten .

Die Gewerkschaft Verdi hat Ende letzten Jahres eine
Beschäftigtenbefragung gemacht, um herauszufinden,
was das Ergebnis dieser vermeintlichen Reform ist . Es
gibt erschütternde Beispiele, finde ich. Zum Beispiel
wurde angegeben, dass freie Stellen nicht besetzt wer-
den können, weil das dafür erforderliche Personal fehlt .
Das Betriebsklima hat sich verschlechtert . 70 Prozent der
Beschäftigten berichten, dass die Arbeit intensiver ge-
worden ist . Zwei Drittel befürchten eine Versetzung an
einen anderen Ort . Fast 40 Prozent fühlen sich nicht mehr
sicher und häufig gehetzt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die armen Leute!)


– Ja, in der Tat sind das arme Leute . Auf der anderen
Seite ist eine Behörde genauso wie ein Betrieb oder ein
Unternehmen abhängig von den Beschäftigten und damit
auf einen entsprechenden Umgang mit den Beschäftigten
angewiesen .


(Beifall bei der LINKEN)


Kollege Kammer, Sie haben bei der ersten Lesung des
Gesetzentwurfs gesagt: mit den Beschäftigten . Die Be-
schäftigten würden an der Reform beteiligt werden, und
es sei gelungen, auf die Bedürfnisse der Beschäftigten
einzugehen . Das ist nicht so . Zu diesem Schluss kommen
Sie, wenn Sie mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort
sprechen .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Ich sage Ihnen gleich etwas dazu!)


Die Errichtung der zentralen Generaldirektion Was-
serstraßen und Schifffahrt in Bonn wirkt sich nicht posi-
tiv aus . Die überwältigende Mehrheit der Beschäftigten
hält es für falsch, Kompetenzen in der Bonner GDWS zu
bündeln . Nicht weniger, sondern mehr Kompetenz vor
Ort wird gefordert . Das sehen die Bundesländer genau-
so . Künftig sollen sie aber an Entscheidungen, die die
Bundesländer betreffen, gar nicht mehr beteiligt werden .

Deshalb fordern wir in unserem Änderungsantrag, die
Beteiligung der Länder über den Bundesrat zu erhalten .

Die Binnenschifffahrt könnte einen wichtigen Bei-
trag zu einer Verkehrswende hin zu ökologischen Ver-
kehrsträgern leisten . Binnenschiffe sind leise und stoßen
weniger Schadstoffe pro Tonnenkilometer aus als ande-
re Verkehrs träger . Aber der Anteil der Binnenschifffahrt
sinkt seit Jahren kontinuierlich . Die Zerschlagung der
bewährten Strukturen der WSV hat zu diesem Trend bei-
getragen . Die Schaffung einer Zentralstelle verschärft
diese Entwicklung . Das ist kein gutes Zeichen für eine
ökologisch orientierte Verkehrspolitik .


(Beifall bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815811600

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Gustav Herzog, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gustav Herzog (SPD):
Rede ID: ID1815811700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Unsere Wasser- und Schifffahrtsverwaltung hat ihr Ziel
in einer kurzen, klaren Botschaft zusammengefasst: Wir
machen Schifffahrt möglich . – Unsere Aufgabe als Ge-
setzgeber ist, dabei zu helfen .

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir ei-
nen weiteren Meilenstein setzen . Aber das Gesetz als sol-
ches ist nicht gerade berauschend . Da ist ganz viel Tech-
nik drin . Wir werden als SPD-Bundestagsfraktion dem
Gesetzentwurf zustimmen .

Lieber Kollege Behrens von der Linken, wir werden
den Änderungsantrag Ihrer Fraktion ablehnen, weil wir
es für nicht erforderlich halten, die Mitbestimmungsrech-
te der Länder über den Bundesrat auszuweiten . Beden-
ken Sie: In den 75 Verordnungen, die geändert werden,
geht es in der Regel nur um Textänderungen, aber nicht
um Inhalte . Es geht überwiegend um rein bundespoliti-
sches Handeln . Bei aller Freundschaft zu den Ländern:
Das, was Sie fordern, ist nicht notwendig .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Für die Länder ist viel wichtiger, dass Ansprechpart-
ner vor Ort sind, dass der Landrat, der Bürgermeister
oder der Feuerwehrkommandant im Fall einer Havarie
wissen, mit wem sie zu telefonieren haben, und ihre Leu-
te bei der WSV kennen . Das ist wichtig, und das machen
wir mit diesem Gesetz fest . Wir bleiben in der Fläche
kompetent vertreten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich kann den Kolleginnen und Kollegen von den Grü-
nen und der CDU/CSU – das hätte früher auch für die
Kollegen von der FDP gegolten – einen Rückblick auf
den 27 . Oktober 2010 nicht ersparen . In jenem berühmten
Herbst der Entscheidungen haben Sie als schwarz-gelbe
Koalition im Haushaltsausschuss eine Entscheidung ge-
troffen, die da lautete: Wir zerschlagen die WSV . Wir
machen aus einer Durchführungsverwaltung eine Ge-

Herbert Behrens






(A) (C)



(B) (D)


währleistungsverwaltung, mit dem Ziel, Personal abzu-
bauen und zu privatisieren . – Nun wende ich mich an den
Magdeburger Kollegen Behrens von der Union . Damals
sind die Beschäftigten auf die Straße gegangen und ha-
ben Schilder mit der Aufschrift „Dem Osten das Wasser
nicht abgraben“ hochgehalten . Ihre Solidarität habe ich
damals vermisst .


(Beifall bei der SPD)


Unter Herrn Ramsauer war geplant, über 2 000 Stellen
abzubauen und ein Viertel aller Standorte zu schließen,
bis hin zu der irren Idee, in den Ämtern eine Trennung
zwischen Infrastruktur und Betrieb vorzunehmen . Das
ist alles im Zuge des 6 . Berichts zur Reform der WSV
einkassiert worden . Dafür bin ich dem Bundesminister
sehr dankbar . Herr Staatssekretär, richten Sie es ihm aus .


(Heiterkeit – Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Minister? Immer noch in Bayern?)


Er hat das, was wir mit der Koalitionsvereinbarung
möglich gemacht haben, umgesetzt . Wir haben damals in
die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben, dass wir
die Reform zusammen mit den Beschäftigten weiterent-
wickeln wollen . Wir haben auch hineingeschrieben: Wir
wollen die Kompetenz in der Fläche erhalten, wir wollen,
dass die Beschäftigten dort sind, wo sie gebraucht wer-
den . – Das steht im 1 . Fortschrittsbericht .

Es gibt eine Garantie für alle Standorte . Die Beschäf-
tigten wissen – sozialverträglich –: Sie müssen nur an-
derswo hin, wenn sie es wirklich wollen . Und der Bun-
desminister hat auch eine klare Aussage getroffen: Wir
wollen nicht weiter privatisieren und vergeben, sondern
wir wollen in Zukunft sehr genau darauf schauen, wo die
Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung eigene Kom-
petenz braucht . Die wollen wir wieder aufbauen, und das
ist auch der richtige Kurs .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mein Dank geht insbesondere an unsere Haushälter .
Bettina Hagedorn und Norbert Brackmann haben sich
in enger Abstimmung mit uns Verkehrspolitikern immer
dafür eingesetzt, dass ausreichende Mittel zur Verfügung
stehen und dass auch in den letzten zwei Jahren das Per-
sonal wieder aufgestockt wird . Es geht nicht wie in der
Vergangenheit mit dem Abbau von Personal und dem Hi-
neintragen von Verunsicherung in die Belegschaft weiter,
sondern wir stellen wieder Leute ein, müssen aber zur
Kenntnis nehmen, dass wir da in Konkurrenz zu vielen
anderen stehen . Planungsingenieure, Bauingenieure, Ju-
risten, die die Planfeststellungsverfahren vorantreiben –
wir streiten uns da um dieselben Leute . Deswegen ist
unser Auftrag, als Parlament und als Abgeordnete dafür
zu sorgen, dass die Wasserstraßen- und Schifffahrtsver-
waltung ein attraktiver Arbeitgeber wird, wo die Leute
gern hingehen . Diese Aufgabe haben auch wir als Abge-
ordnete zur erfüllen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe angesprochen, dass unsere Haushälter gut
Geld zur Verfügung stellen . Der Bundesminister hat auch
schon an anderen Stellen gesagt: Geld ist nicht mehr das
Problem . – Wir mussten sogar Gelder zurückgeben . In
den Jahren von 2009 bis 2014 haben wir aus dem Haus-
halt für Unterhalt und Bau von Wasserstraßen 700 Milli-
onen Euro nicht ausgeben können .

Die Straßenbauverwaltungen der Länder, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, haben sich darüber gefreut . Sie
waren in der Lage, das Geld auszugeben .


(Gero Storjohann [CDU/CSU]: Welche Länder? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Da schreibt der Rechnungshof etwas anderes!)


Das sage ich als kleinen Hinweis für die aktuelle Diskus-
sion über eine Bundesfernstraßengesellschaft . Die Be-
fürworter einer solchen Bundesfernstraßengesellschaft
hätten es etwas einfacher in der Diskussion, wenn sie
sagen könnten: Wir haben das in der Vergangenheit bei
unserer eigenen Firma hervorragend gemacht . – Diesen
Beweis zu führen, ist, glaube ich, etwas schwierig . Meine
persönliche Auffassung lautet: Ich will bei der Aufteilung
der Aufgaben – Wasserstraßen sind Bundessache, Stra-
ßenbau und -unterhaltung sind Ländersache – bleiben .


(Beifall bei der SPD – Peter Wichtel [CDU/ CSU]: Wir haben auch Länder, die ihre Gelder nicht abrufen können!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Diskussion
wird eines klar: Bevor wir den Investitionshochlauf um-
setzen können, müssen wir gemeinsam für einen Perso-
nalhochlauf bei unserer Wasserstraßen- und Schifffahrts-
verwaltung sorgen . Wir müssen auch den Ländern diese
Möglichkeit geben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bei all den Reformen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, müssen wir eines bedenken: Die machen diese Re-
formschritte während der ganz normalen Arbeitszeit . Sie
sind ja dabei an den Schleusen, an den Dükern, an den
Deichen, an den Wehren . Das wird alles gemacht, wäh-
rend wir gleichzeitig einen Umbau der Wasserstraßen-
und Schifffahrtsverwaltung vornehmen . Daher richtet
sich mein Dank an die Beschäftigten, die draußen eine
so tolle Arbeit leisten und auf die wir stolz sein können .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn unsere Wasserstraßen oder Wasserstraßen über-
haupt sind etwas ganz Besonderes . Ohne Schiene und
Straße zu nahe treten zu wollen, muss ich doch sagen:
Schiene ist doch langweilig . Da fahren Züge . Wir kön-
nen noch Güterzüge, Nahverkehrs- und Fernverkehrszü-
ge unterscheiden . Auf der Straße ist das Bild schon etwas
bunter . Da dürfen Lkws, Pkws, Motorräder, manchmal
auch Fahrräder fahren, und sogar Fußgänger sind unter-
wegs . Aber unsere Wasserstraßen sind multifunktional .

Sie sind für die Ökologie unheimlich wichtig . Wir
werden Weltmeister im Bau von Fischtreppen . Für den
Tourismus sind die Wasserstraßen wichtig . Ich sehe den

Gustav Herzog






(A) (C)



(B) (D)


Kollegen Stefan Zierke hier . Wenn Sie mit Ihren Liebsten
einmal ein Picknick machen wollen,


(Andreas Rimkus [SPD]: Am Rheinufer!)


gehen Sie dann an den Autobahnzubringer oder an die
Weiche? Nein, Sie gehen an den Kanal, Sie gehen an den
Fluss . Das ist das äußere Zeichen, wie wichtig dieser Ver-
kehrsträger auch unter ökologischen Gesichtspunkten ist .
Deswegen lohnt es sich, in diesen zu investieren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dazu kommt: Für Millionen von Menschen ist die
Wasserver- und -entsorgung wichtig . Beim Hochwasser-
schutz arbeiten wir jetzt auch sehr eng mit den Ländern
zusammen. Herr Staatssekretär, ich finde es gut, dass wir
gemeinsam mit dem Umweltministerium – Stichwort:
Bundesprogramm „Blaues Band“ – eine Menge machen,
um deutlich zu zeigen: Es gibt keinen Widerspruch zwi-
schen Ökologie und Binnenschifffahrt und Seeschiff-
fahrt . Das können wir gut gemeinsam machen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Wasserstraßen erzeugen Energie, und, ja, sie sind
auch für den Transport wichtig und notwendig . Da fängt
aber das Problem an, weil unsere Bundeswasserstraßen
häufig eindimensional sind. Auf der Schiene können
wir den Verkehr umleiten, auf der Straße sind wir das
gewöhnt . Aber wenn ich irgendwo eine Schleuse wegen
einer Havarie oder weil eine Reparatur ansteht zumachen
muss,


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben wir meist eine zweite, Herr Kollege!)


dann kann ich schlecht das große Motorschiff mit
2 000 Tonnen Gewicht herausheben, herumtragen und
wieder ins Wasser setzen .

Das ist die besondere Herausforderung an die Zuver-
lässigkeit unserer Bundeswasserstraßen . Der müssen wir
uns stellen . Um zu zeigen, wie wichtig sie für die Volks-
wirtschaft sind, will ich daran erinnern, was los war, als
im Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttel eine Schleuse ka-
putt war oder als die „Waldhof“ im Rhein havariert war
und der Rhein für einige Tage blockiert war . Die WSV hat
eine tolle Arbeit geleistet; trotzdem hat die Havarie deut-
lich gemacht, wie wichtig die Wasserstraßen für unsere
Volkswirtschaft sind . Es lohnt sich, darin zu investieren,
auch im Hinblick auf den Bundesverkehrswegeplan .

Da will ich noch einen Hinweis geben . Wir haben
Schleusen, die in 10 bis 15 Jahren grundsaniert werden
müssen . Eine solche Grundsanierung dauert nicht wenige
Tage oder Wochen, sondern sie kann Monate, wenn nicht
sogar ein Jahr dauern . Wenn eine solche Schleuse einen
ganzen Wasserweg sperren kann, stellt sich ganz klar die
Frage, ob wir im Hinblick auf diese Grundsanierungen
nicht überall für Redundanzen, also für zweite Schleusen
sorgen müssen, damit die Durchgängigkeit bleibt .

Liebe Genossinnen und Genossen – –


(Heiterkeit im ganzen Hause)


– Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war eine Einla-
dung an Sie alle . – Wir erwarten mit Spannung in der
nächsten Sitzungswoche den Bundesverkehrswegeplan,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, den SPD-Parteitag!)


die näheren Informationen zum Fortschrittsbericht und
dazu, wie die Reviere abgegrenzt sind, wie die innere
Struktur ist und wie abgeschichtet wird . Wir erwarten
den Netzzustandsbericht, Herr Staatssekretär . Ich hoffe,
es ist das letzte Mal, dass ich von dieser Stelle aus daran
erinnern muss . Wir erwarten auch einen Wassertouris-
musbericht . Es liegt also viel Arbeit vor uns . Packen wir
es gemeinsam an, machen wir Schifffahrt möglich .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815811800

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten

Dr . Valerie Wilms, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .

Der Versprecher kam eben nach Ende der Redezeit .
Daran lag es wahrscheinlich .


(Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, das war gar kein Versprecher!)



Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815811900

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Wo bin ich heute hier gelan-
det?


(Zuruf von der CDU/CSU: Auf dem SPD-Parteitag!)


– SPD-Parteitag?


(Gustav Herzog [SPD]: Am Rednerpult im Deutschen Bundestag!)


– Kollege Herzog, auch für einen SPD-Parteitag waren
das schwer zu ertragende elf Minuten .


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da müssen Sie vielleicht ein bisschen mehr liefern als
das, was Sie heute gemacht haben .

Aber immerhin haben wir es geschafft, dass wir die
heutige Debatte gegen 14 Uhr führen – im Moment ist es
14 .39 Uhr –; sonst sind wir immer gegen 22 Uhr an der
Reihe . Warten Sie einmal ab . Ich bin ja dafür bekannt,
dass ich auch um 22 Uhr noch das eine oder andere an
Stimmung in die Hütte hineinbringen kann . Vielleicht
gelingt mir das jetzt auch noch . Schauen wir mal . Sie alle
warten ja schon ganz gespannt darauf .

Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben es schon
gesagt: Die Wasserstraßen sind ein wichtiger, aber leider
immer wieder vergessener Verkehrsträger in Deutsch-
land . Sie leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, dass
vor allem der Güterverkehr ökologischer als etwa auf der
Straße abgewickelt wird . Aber der Bund muss sich auch
fragen, ob und wie er das umfangreiche Netz noch weiter

Gustav Herzog






(A) (C)



(B) (D)


erhalten kann . – Der Staatssekretär nickt . Er weiß, dass
er nicht so viel Geld hat . – Welche Aufgaben muss der
Bund noch erbringen? Welche tragfähigen Instrumente
brauchen wir dafür langfristig? Oder soll alles so weiter-
laufen wie in den letzten Jahrhunderten, wie es Kollege
Herbert Behrens vielleicht ganz gerne haben möchte?

Die Zeit, diesen Fragen nachzugehen, Herr Staatsse-
kretär, hatte die Bundesregierung; aber intelligente Lö-
sungen habe ich von Ihnen dazu bisher nicht gehört . Sie
doktern stattdessen weiter an einer Reform herum, die
keine ist . Machen Sie sich einmal tiefschürfende Gedan-
ken, wie Sie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwal-
tung zukünftig aufstellen wollen . Ihre Verkehrspolitik
ist in Anbetracht der Probleme, die unserem Land im
Infrastrukturbereich bevorstehen, genauso marode wie
die Schleusen und Wehre, die wir in den Wasserstraßen
finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie versuchen, das Problem einfach durch mehr Stel-
len für ein marodes bürokratisches System zu übertün-
chen . Hier müssen Sie uns schon etwas mehr liefern .
Oder wollen Sie etwa, dass alles bald zusammenbricht?


(Gustav Herzog [SPD]: Das sind Zumutungen gegenüber den Beschäftigten, was Sie hier sagen!)


Wir brauchen endlich ein weitsichtiges und als Dienst-
leistung für die Schifffahrt aufgestelltes System Wasser-
straße .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Noch sehe ich hier jedoch weiterhin nur das Festhalten
an der preußischen hierarchischen Verwaltungsstruktur .
Wäre es nicht sinnvoller, auf eine Zentralstelle hinzuar-
beiten, die den Ämtern nicht mehr so viel hineinredet,
sondern sie auch einmal arbeiten lässt, eine Zentralstelle
mit weniger Aufgaben, also hauptsächlich mit hoheitli-
chen Tätigkeiten?

Herr Staatssekretär, nehmen Sie das doch einmal mit .
Stecken Sie das Ihrem Minister, specken Sie also auf den
höheren Verwaltungsebenen ab, und verlagern Sie Ent-
scheidungen auf die Ebene der ausführenden Ämter . Die
Mitarbeiter vor Ort würden es Ihnen wirklich danken .
Sie sehnen sich geradezu danach, nicht nur die Verant-
wortung für die Sicherheit der Anlagen aufgebürdet zu
bekommen, sondern sie wollen auch die notwendige Ent-
scheidungskompetenz vor Ort haben . Jedes Mal wegen
50 000 Euro über mehrere Ebenen nach Bonn zu lau-
fen – da sitzt nämlich die ganze Verwaltung, nicht hier
in Berlin –


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Zumindest ein Teil!)


und auf Entscheidungen zu warten, bremst das Engage-
ment der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur aus .

Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hau-
se, dazu gehört aber auch die Bereitschaft in der Poli-

tik, also hier von uns allen, auch einmal loszulassen und
nicht bei jeder Detailfrage mitreden zu wollen .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Das gilt aber auch für Sie!)


Das ist schwer für Politiker – das weiß ich –; das ist nicht
so ganz einfach . Haben Sie schon einmal etwas von Füh-
rungskultur gehört? Dazu gehört auch das Prinzip „Füh-
ren durch Ziele“ oder – wenn es Ihnen neudeutsch lieber
ist – „Management by Objectives“ . So sollten wir das
machen und uns damit auch politisch über einen länge-
ren Zeitraum verpflichten. Dann könnte sich das System
Wasserstraße wirklich regenerieren .

Neben einer ineffizienten Verwaltungsstruktur drückt
uns nämlich eine weitere wichtige Aufgabe: der Abbau
des gewaltigen Sanierungsstaus . Vor allem bei den Was-
serstraßen haben wir es mit uralten Bauwerken zu tun .
Hätten frühere Generationen nicht so gute Arbeit geleis-
tet, stünden wir vor noch viel größeren Herausforderun-
gen .

Um diesen Sanierungsstau abzubauen, müssen wir die
Vorhaben auch planen . Dazu passen aber die vorhande-
nen Strukturen überhaupt nicht . Man kann ja gar keinen
neuen Planer einstellen; denn man bezahlt sie einfach zu
schlecht . Hinzu kommt dieses starre System mit gehobe-
nem und höherem Dienst . So kommt man nicht weiter .

Wir brauchen daher neue Lösungen . Die zukünftigen
Anforderungen kann man nur noch über ein betriebswirt-
schaftlich arbeitendes System bewältigen . Eine ausrei-
chende Anzahl an Wasserbauern, Bauingenieuren, Ver-
messern, Architekten oder Juristen erhält man mit den
verkrusteten Behördenstrukturen doch nicht mehr; denn
da macht einem das undurchlässige Besoldungs- und Ta-
rifrecht einen Strich durch die Rechnung .

Das zeigt, Herr Staatssekretär, Sie haben ein Verwal-
tungsproblem . Ich hoffe, das wissen Sie auch . – Nein,
doch nicht? Dann nehmen Sie das einmal mit!


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und Sie haben vor allen Dingen keine Idee, wie Sie es
lösen wollen . Nur mehr Geld und mehr Stellen reichen
nicht . Und diese heute zu beschließenden Gesetzesände-
rungen sind doch nur ein klitzekleiner Schritt hin zu einer
echten Reform .

Dem wollen wir zwar im Interesse der Beschäftigten
nicht im Wege stehen – –


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815812000

Frau Kollegin, Sie haben ein Zeitproblem . Ihre Rede-

zeit ist schon überschritten .


(Heiterkeit)



Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815812100

Ja, Herr Präsident, ich komme jetzt auch zum Ende . –

Sogar da will die Linkspartei nicht mitmachen und macht
sogar noch ein neues Diskussionsfeld mit den Ländern
auf . Da gehen wir garantiert nicht mit .

Dr. Valerie Wilms






(A) (C)



(B) (D)


Herr Staatssekretär, Sie haben wirklich engagierte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, die sich für das
System Wasserstraße richtig einsetzen . Fahren Sie diese
bitte nicht „sauer“ . Bieten Sie ihnen moderne Strukturen
mit eigener Verantwortung . Dann werden Ihnen das Ihre
Mitarbeiter, unsere Mitarbeiter, und vor allen Dingen
auch die Kunden danken . Zur Erreichung dessen ist der
Weg leider noch deutlich weiter, als uns das Herr Herzog
in seiner Parteitagsrede hier darstellen wollte .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gustav Herzog [SPD]: Sie kriegen noch ein Parteibuch von mir!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815812200

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten

Matthias Lietz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Matthias Lietz (CDU):
Rede ID: ID1815812300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht
leicht, wenn man am Ende dieser Debatte im Rahmen der
zweiten und dritten Beratung des Entwurfs des Gesetzes
zur Anpassung der Zuständigkeiten von Bundesbehörden
an die Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwal-
tung des Bundes zu sprechen hat . Es ist vorgesehen, in-
nerhalb dieses Gesetzes eine Neuordnung vorzunehmen
und die Verordnungen dem anzupassen .

Vielleicht gestatten Sie mir aus diesem Grund erst ein-
mal einen kleinen Rückblick – das ist ja von dem einen
oder anderen Kollegen auch schon gemacht worden und
auch von meinem lieben Kollegen Herzog –, damit wir
uns noch einmal daran erinnern können, was denn eigent-
lich der Ausgangspunkt gewesen ist . Warum haben wir
uns auf diesen Weg begeben?

Ich habe recherchiert: Es war bereits im Jahr 1999, als
eine Projektgruppe „Entwicklungskonzepte für eine zu-
kunftsorientierte Wasser- und Schifffahrtsverwaltung –
Konzentration der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
auf Kernaufgaben“ eingerichtet wurde . Zielrichtung war
es, zu prüfen, welche Aufgaben durch die Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung mit welcher Intensität selber
wahrgenommen werden müssen oder sollen und welche
wiederum nicht, welche Aufgaben durch Dritte wahrge-
nommen werden können oder sollen, und welche Aufga-
ben gegebenenfalls sogar entfallen können .

Dazu gab es 2001 einen Abschlussbericht . Das Er-
gebnis ist Ihnen bekannt . Es war – inhaltlich zusammen-
gefasst –: Es besteht ein dringender Reformbedarf . Wir
haben ja auch aus allen Fraktionen heute erfahren, dass
wir gemeinsam versucht haben, diesen Reformbedarf auf
unterschiedlichen Wegen umzusetzen .

Aber lassen Sie mich dabei eines deutlich machen: Es
muss uns gelingen, wenn wir diese Reform auf den rich-
tigen Weg bringen wollen, sie den aktuellen Gegebenhei-
ten anzupassen und vor allen Dingen die Mitarbeiter –
auch das ist schon öfter gesagt worden – auf diesem Weg
mitzunehmen . Das gelingt in Zukunft nur in tragfähigen
Strukturen .

Als Berichterstatter im Verkehrsausschuss ist mir bei
den Gesprächen vor Ort immer wieder gesagt worden,
dass eine Reform überfällig ist, dass die Reform durch-
aus auch auf der Verwaltungsebene selbst und von den
Mitarbeitern begrüßt wird und dass es dann, wenn wir
an diese Reform und an die Umsetzung herangehen – an
diesem Punkt sind wir ja angelangt –, wichtig ist, unauf-
geregt und mit großen Zielen vor Augen und ohne politi-
sche Ränkespiele daranzugehen . Ich habe in den letzten
Jahren erlebt, vor allem in der letzten Legislatur, dass wir
es dann oftmals auf dem Rücken der Mitarbeiter ausge-
tragen haben .

So lautet auch eine klassische und typische Frage, die
immer wieder gestellt wird: Wo ist denn der künftige
Standort des Wasser- und Schifffahrtsamtes? Was wird
in meinem Bereich stattfinden? Das ist aus meiner Sicht
nicht zielführend – auch nicht die Debatte um den Stand-
ort Bonn –, sondern einzig und allein die Frage: Wie er-
füllen wir die vor uns stehenden Aufgaben? Es muss uns
dabei allen bewusst sein, dass eine solche Reform kein
Wunschkonzert darstellen kann . Es wird immer positive
und negative Seiten geben, und es geht darum, einen ziel-
gerichteten Konsens zu finden.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass wir jetzt
den Stand erreicht haben, dass es eine Generaldirektion
in Bonn gibt und die bestehenden Standorte erhalten blei-
ben, ist aus meiner Sicht ein Schritt in die richtige Rich-
tung . Ich hoffe, dass wir mit dem Gesetz die Verwaltung
und letztendlich auch den zuständigen Minister in die
Lage versetzen, diese Aufgaben umzusetzen .

Gerade als einer, der seinen Wohnsitz in einem Seebad
hat, der die Ostsee unmittelbar vor sich hat, möchte ich
am Schluss noch einmal deutlich machen, dass für mich
der Erhalt der Wasserstraßen, der Schleusen, der Wehre,
der Häfen eine der wichtigsten Aufgaben sein wird, die
vor uns stehen . Leider – auch das wurde heute bereits an-
gesprochen – sehen wir dort die Ökologie und die damit
verbundene Ökonomie oftmals im Widerstreit . Ich will
ein Beispiel nennen: Es ist kein Lobeszeichen für uns,
dass wir gerade die Debatte um die Schiffbarkeit, um die
wirtschaftliche Nutzung der Elbe erst einmal beiseitelas-
sen . Auszeichnen würde es uns, wenn wir uns dieser Dis-
kussion um die Elbe mit großer Intensität stellen würden .

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass auf,
im und am Wasser die Zukunft, gerade auch der Wirt-
schaft in Ostdeutschland, liegt . Ich bin mir sicher, dass
unsere Wasserstraßen verkehrstechnisch und touristisch
eine große Bedeutung haben, dass wir in Zukunft dort,
wo wir diese vorfinden, auch Arbeitsplätze schaffen kön-
nen und damit eine große Sicherheit für die Menschen
vor Ort .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Valerie Wilms






(A) (C)



(B) (D)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815812400

Als letztem Redner in der Aussprache erteile ich das

Wort dem Abgeordneten Hans-Werner Kammer, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hans-Werner Kammer (CDU):
Rede ID: ID1815812500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Ich wusste gar nicht, was man alles in eine Debatte hi-
neinpacken kann, bei der es im Grunde nur um eine rein
sachliche Anpassung in mehreren Dutzend Gesetzen
geht; aber es ist ja auch interessant . Hier sitzen heute Ex-
perten für Schifffahrt . Jeder hier weiß im Grunde: Ein
Schiff ist im Hafen sicherer als auf hoher See . Ein Schiff
im Hafen kommt allerdings auch nicht voran . Das be-
schreibt die Entwicklung der WSV in den vergangenen
Jahrzehnten sehr gut . Über viele Jahre hat sich bei der
WSV nichts getan . Für Politik und Beschäftigte war es
eine beruhigende Stille . Aber die WSV ist gealtert und so
auch zum Sanierungsfall geworden . Die WSV darf dabei
allerdings nicht dasselbe Schicksal erleiden wie das Tra-
ditionsschiff „Roland von Bremen“, das 2014 im Bremer
Hafen gesunken ist .

Dass die WSV dringend reformiert werden muss, da-
rüber besteht zumindest heute weitgehend Einigkeit; das
habe ich der Debatte entnommen . Die schwarz-gelbe
Vorgängerregierung hat die dringend notwendige Re-
form angeschoben . Zwischenzeitlich haben wir aller-
dings einige der abenteuerlichen Ideen unseres damali-
gen Koalitionspartners aus dem Reformkonzept entfernt .
Auftragsverwaltung und Privatisierung muss niemand
mehr fürchten . Wir konzentrieren uns auf das Wichtige,
nämlich die Modernisierung einer Verwaltung, die in
vielen Bereichen noch auf dem Stand der Nachkriegszeit
war . Gleichzeitig ist es gelungen, die Mitarbeiter besser
zu beteiligen . Der Dank dafür gebührt insbesondere un-
serem Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der bei der
Reform besonnen nachjustiert und den Dialog mit den
Beschäftigten gesucht hat .


(Beifall bei der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig, Herr Kollege!)


Ein wesentlicher Bestandteil der Reform ist die Zen-
tralisierung der Verwaltung durch die neue Generaldirek-
tion . Die WSV hat endlich einen eigenen Häuptling . Die
Struktur der sieben Direktionen war nicht mehr zeitge-
mäß . Viele zentrale Steuerungsaufgaben kann die WSV
nun selbst übernehmen . Die Fachverwaltung gewinnt
dringend notwendige Unabhängigkeit von der Ministe-
rialverwaltung .

Durch eine Stärkung der Wasserstraßen- und Schiff-
fahrtsämter bleibt die WSV auch in der Fläche ein ver-
lässlicher Ansprechpartner . Gleichzeitig hat die Große
Koalition aus den Personalproblemen Konsequenzen
gezogen . Mithilfe der Unterstützung unserer Kollegen
aus dem Haushaltsausschuss – von unserer Seite waren
das Norbert Brackmann, Eckhardt Rehberg, Norbert
Barthle – konnten nach vielen Jahren des Jobabbaus
wieder neue Schlüsselstellen geschaffen werden . Der
Kollege von der SPD hat es angesprochen: Wir stehen

aber auch in Konkurrenz zur Wirtschaft . Das muss man
einfach sehen .

Die Reform der WSV ist jedoch noch nicht abge-
schlossen . Sie ist aber mit der Schaffung der GDWS, die
nun auch gesetzlich verankert wird, eindeutig auf dem
richtigen Weg . Die Opposition hat in erster Lesung und
im Ausschuss kritisiert, die Reform werde zu langsam
umgesetzt . Dazu kann ich nur sagen – ich habe auch vor-
hin schon zur Schifffahrt gesprochen –, liebe Kollegin-
nen und Kollegen von der Opposition: Wenn das Schiff
den Hafen verlassen soll und der Anker gelichtet wird,
heißt es nicht gleich „Volle Fahrt voraus!“ . Denn dann
erleiden Sie Schiffbruch .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kann auch auf Grund laufen!)


Das Schiff WSV hat Fahrt aufgenommen, aber noch
nicht die hohe See erreicht . Liebe Opposition, wer nicht
auf Grund laufen will, muss Geduld haben . Gerade die
Grünen, die in sieben Jahren Regierungsbeteiligung rein
gar nichts auf den Weg gebracht haben, sollten sich hier
nicht zu weit über die Reling lehnen .


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann war denn das? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr! Im letzten Jahrhundert!)


Seit Beginn der Reform hören wir von Frau Wilms,
wir sollten dem Ministerium einheizen . Dabei haben die
Grünen selbst jahrelang auf dem Sonnendeck gelegen .


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Wilms erzählt uns auch immer wieder, wir müssten
das Anlagevermögen der WSV ausweisen, um Transpa-
renz zu schaffen . Was auf jeden Fall dabei transparent
würde, Frau Wilms, ist, dass wir weitaus mehr in den Er-
halt der Wasserstraßen investieren – das kann ich dem
Kollegen Herzog jetzt nicht ersparen –, als es Rot-Grün
jemals in den sieben Jahren getan hat, in denen sie Regie-
rungsverantwortung getragen haben .


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Da war die Welt noch in Ordnung!)


Ich muss an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Der Kol-
lege Manfred Behrens hat sich nachdrücklich immer
wieder in Magdeburg für den Erhalt der ostdeutschen
Wasserstraßen eingesetzt . Solidarität war hier eindeutig
gegeben .


(Beifall bei der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Hat nur keiner gemerkt!)


Aber – ich kann das auch Ihnen nicht ersparen, Herr
Behrens – die Linken sind keinen Deut besser . Auch Herr
Behrens will, dass es vorwärtsgeht . Gleichzeitig wirft
er aber den Anker . Ihr Änderungsantrag mit dem Inhalt,
die Bundesländer bei jeder Anpassung der Rechtsverord-
nungen zustimmen zu lassen, soll doch nur die Reform
verzögern .


(Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Fisch stinkt vom Kopfe her!)





(A) (C)


(B) (D)


Mal wieder schwelgen die linken Nostalgiker lieber in
alten Zeiten . Dass gerade die Sozialisten eine Verwal-
tungsstruktur aus Kaisers Zeiten am vehementesten ver-
teidigen, ist dabei eine besondere Ironie der Geschichte .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Es geht nicht ums Konservieren! Es geht um einen zukunftsweisenden Umbau!)


In erster Lesung haben Sie, Kollege Behrens, gesagt,
die GDWS sei eine Briefkastenfirma. Ich hatte nie Pro-
bleme, dort jemanden zu erreichen .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Seit wann?)


Vielleicht scheitert die Kommunikation daran, dass Ihre
Partei einmal wieder tote Briefkästen benutzt .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Das war der blanke Seeräuber!)


Bei der Koalition hingegen ist die Reform der WSV in
besten Händen . Minister Dobrindt als erfahrener Lotse,
Enak Ferlemann als Steuermann,


(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Ach nein!)


der mit der Opposition sachlich umgeht, der aber auch
den Klabautermann durchaus einmal von Bord jagt, wer-
den die Reform der WSV sicher auf Kurs bringen und zu
einem guten Ende führen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1815812600

Nachdem wir jetzt den Hafen dieser Debatte sicher er-
reicht haben, schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Anpas-
sung der Zuständigkeiten von Bundesbehörden an die
Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des
Bundes . Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infra-
struktur empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/7634, den Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung auf Drucksache 18/7316 anzunehmen .

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/7647 vor, über den wir zu-
erst abstimmen . Wer stimmt für den Änderungsantrag
der Fraktion Die Linke? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Dann ist das mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen bei Zustimmung der Fraktion Die Lin-
ke abgelehnt .

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Gesetzent-
wurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen
zu erheben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/
CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke angenommen .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815812700

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Jutta
Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Befristungen im öffentlichen Dienst stoppen

Drucksache 18/7567
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
erhebt sich keiner . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Kollegin Jutta Krellmann, Fraktion Die Linke,
das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815812800

Vielen Dank, Herr Präsident . – Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Mutter hatte sich Anfang der 70er-Jah-
re gewünscht, dass ich eine Ausbildung im öffentlichen
Dienst beginne .


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Meine auch!)


Damals galt: Wer einen gut bezahlten Job haben will,
geht in die Privatwirtschaft; wer einen sicheren Job ha-
ben will, geht in den öffentlichen Dienst .


(Bernd Rützel [SPD]: Jawohl! So war’s!)


Diese Zeiten sind aber lange vorbei .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen bist du Abgeordnete geworden!)


– Deswegen bin ich Abgeordnete geworden . Genau! –
Heute ist jede zehnte Stelle im öffentlichen Dienst befris-
tet . Das betrifft mehr als eine halbe Million Beschäftigte .
Fast die Hälfte von ihnen sind junge Leute im Alter von
25 bis 34 Jahren . Kein Wunder, dass die Arbeit im öffent-
lichen Dienst gerade für junge Leute immer unattraktiver
wird!

Befristung bedeutet eine permanente Unsicherheit
und in der Lebens- und Familienplanung ebenfalls kei-
ne Sicherheit . Von den über 5 Millionen Beschäftigten

Hans-Werner Kammer






(A) (C)



(B) (D)


im öffentlichen Dienst geht die Hälfte bis 2030 in Rente .
Trotzdem erfolgt heute nahezu jede zweite Einstellung
befristet . Wie kurzsichtig handelt dieser Staat eigentlich,
wenn er seinen Nachwuchs durch systematische Befris-
tungen bewusst kleinhält?


(Beifall bei der LINKEN)


So, Kolleginnen und Kollegen, kann man sich auch selbst
schachmatt setzen .

In der anstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst
verlangen die Gewerkschaften neben einer Lohnerhö-
hung eine tarifliche Regelung, die Befristungen zum
Ausnahmefall macht .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Richtig!)


Am 21 . März beginnen die Tarifverhandlungen in Pots-
dam . Verhandlungsführer für den Bund ist der Bundes-
innenminister – ausgerechnet Herr de Maizière! Sein
Meisterstück hat er beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge abgeliefert . Seitdem ist dieses Amt bei cha-
otischer Personalpolitik und desaströsem Management
ganz vorn . In keiner anderen Verwaltung offenbart sich
ein so deutliches Staatsversagen, das von ganz oben aus-
geht .


(Beifall bei der LINKEN)


Zur Erinnerung: Nachdem der Bundesinnenminister den
Leiter des Bundesamts gefeuert hatte, ließ er die struktu-
rellen Ursachen für die Nichtbewältigung der Asylanträ-
ge einfach bestehen . Das bedeutete eine bewusste perso-
nelle Unterbesetzung bei gleichzeitig rapide wachsenden
Aufgaben . Neben einem neuen Leiter müssen jetzt vor
allem befristet Beschäftigte die Aufgabe stemmen . Das
ist die Antwort auf die Frage, warum ein so zentrales Amt
in einer solchen zentralen Frage nicht funktionsfähig ist .
Eine derart unfähige Personalpolitik grenzt schon an Sa-
botage .


(Beifall bei der LINKEN)


Das Beispiel zeigt eins ganz deutlich: Mit befristet
beschäftigtem Personal können zentrale staatliche Anfor-
derungen nicht durchgeführt werden . Das betrifft nicht
nur die Beschäftigten des Bundes, sondern auch die der
Kommunen . Die kommunalen Arbeitgeber reden ange-
sichts der anstehenden Tarifrunde reflexartig von leeren
Kassen . Sie nehmen die Flüchtlingssituation zum Anlass,
die Forderung nach mehr Lohn und Gehalt im Vorfeld
abzuwehren . Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun .

Die Beschäftigten in den Verwaltungen machen gera-
de angesichts der vielen Asylsuchenden in Deutschland
einen sehr guten Job und bewältigen die Aufgaben in den
Kommunen .


(Beifall bei der LINKEN)


Damit das so bleibt, sind Rahmenbedingungen wichtig,
und die werden hier gemacht . Deswegen fordern wir in
unserem Antrag die ersatzlose Streichung der sachgrund-
losen Befristung .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Befristung zur Erprobung muss ebenso wie die Be-
fristung wegen Zweckbindung von Haushaltsmitteln aus

dem Gesetz entfernt werden . Wenn bei demselben Ar-
beitgeber zweimal aufeinanderfolgend aus sachlichen
Gründen befristet wurde, ist von einem unbefristeten
Arbeitsbedarf auszugehen . Schluss mit den Kettenbefris-
tungen! Schluss mit den sachgrundlosen Befristungen!
Schluss mit dem ganzen Befristungsirrsinn!


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundesregierung kann in ihren Ministerien und
Behörden mit positivem Beispiel vorangehen . Dass der
Staat über Jahre hinweg systematisch Personal abgebaut
hat, spüren die Menschen in der ganzen Republik . Versu-
chen Sie mal, einen Termin zu kriegen, um ihren Ausweis
zu verlängern .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Oder sich umzumelden!)


– Richtig . – Besonders schlimm ist die Situation im
öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg . Die Be-
fristungsquote liegt dort deutlich über dem Bundes-
durchschnitt . Das ist ein eklatantes Versagen der Lan-
desregierung Kretschmann . Es ist im ureigenen Interesse
von Staat und öffentlicher Verwaltung, dass dort gute
Arbeit geleistet wird . Das setzt gute Arbeitsbedingungen
und einen guten Verdienst voraus .

Ich bin damals dem Rat meiner Mutter nicht gefolgt
und bin stattdessen Gewerkschaftssekretärin und dann
Bundestagsabgeordnete geworden . Sie und die Beschäf-
tigten im öffentlichen Dienst können sich aber darauf
verlassen, dass wir die Kolleginnen und Kollegen wei-
terhin unterstützen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815812900

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Wilfried Oellers .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Wilfried Oellers (CDU):
Rede ID: ID1815813000

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! In dieser Legislaturperiode beraten wir zum
sechsten Mal einen Antrag der Fraktion Die Linke zum
Befristungsrecht .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wir können noch mehr!)


Zum ersten Mal thematisieren Sie die Befristungen im
öffentlichen Dienst, die Sie stoppen wollen . Ihre Forde-
rungen sind trotz geänderter Überschrift gleich geblie-
ben . Sie wollen die sachgrundlose Befristung, den Be-
fristungsgrund der Erprobung und die Möglichkeit der
sogenannten Haushaltsmittelbefristung abschaffen . Den
Katalog der Sachgründe wollen Sie als abschließend an-
sehen sowie eine Sachgrundbefristung nur mit einer ein-
maligen Verlängerung vorsehen . Alle diese Forderungen
stellten Sie bereits mit Ihrem letzten Antrag hierzu vor

Jutta Krellmann






(A) (C)



(B) (D)


etwa viereinhalb Monaten vor, nun lediglich in einem
anderen Gewand .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist passiert?)


Darüber hinaus fordern Sie nun die Bundesregierung
auf, darauf hinzuwirken, dass im öffentlichen Dienst
nicht befristet eingestellt wird . Natürlich sehen wir von
der Union auch am liebsten nur unbefristete Arbeitsver-
hältnisse . Die Realität zeigt jedoch, dass dies aus den un-
terschiedlichsten Gründen nicht immer möglich ist .

Richtigerweise stellen Sie fest, dass die Befristungen
von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst häufiger
vorzufinden sind als in der Privatwirtschaft; diese Fest-
stellung machen Sie erstmals . Um die Befristung jedoch
in einer Gesamtschau darzustellen, sei erwähnt, dass
nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für
das Jahr 2014 die Befristungsquote der Kernerwerbstä-
tigen im Alter von 15 bis 64 Jahren bei 6,9 Prozent lag .
Dies ist der niedrigste Stand seit 2005 .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Berücksichtigt man, dass vor 2005 die Erhebungen
aufgrund einer ungenauen Methode ermittelt wurden, so
kommt man zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Werte
sogar die niedrigsten seit 25 Jahren sind; zwischenzeit-
lich war sogar ein Anstieg auf circa 9 Prozent zu ver-
zeichnen .

Stiegen die Befristungen bis 2010 im Rahmen der
Wirtschaftskrise an, so ist seit 2010 ein stetiger Rückgang
zu verzeichnen . So kommen Menschen auch in schwie-
rigen Zeiten in Arbeit . Diese Entwicklung kann doch nur
als positiv bezeichnet werden . Sie zeigt vor allem auch,
dass die Befristungen ein wichtiges Flexibilisierungsin-
strument sind, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
angemessen reagieren zu können .

Wenn dann in wirtschaftlich guten Zeiten Befristun-
gen rückläufig sind wie zurzeit, dann zeigt dies auch,
dass die Arbeitgeber verantwortungsvoll mit diesem Fle-
xibilisierungsinstrument umgehen und es, der wirtschaft-
lichen Situation angemessen, anpassen .

Mit dieser Feststellung kann ich natürlich nicht aus-
schließen, dass in Einzelfällen Missbrauch betrieben
worden ist bzw . betrieben wird . Diese Fälle sind mit der
derzeitigen Rechtslage aber lösbar . Hierzu gilt es jedoch,
die Gerichte anzurufen . Einzelne Missbrauchsfälle dür-
fen in meinen Augen nicht dazu führen, dass gesetzliche
Regelungen verschärft werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Damit verhindert man nicht die Missbrauchsfälle . Man
verhindert sie nur dadurch, dass sie gerichtlich aufgeklärt
und sanktioniert werden .

Mit einer Verschärfung trifft man zuallererst diejeni-
gen, die redlich handeln, und schränkt sie weiter ein, da
sie sich an die neue Rechtslage halten werden . Es kann
aber nicht das Ziel sein, den Großteil der redlichen Un-
ternehmer und Arbeitgeber durch schärfere Regelungen
zu bestrafen, nur weil es einige schwarze Schafe gibt, die
mit geltendem Recht sanktioniert werden können .

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung darf auch nicht
außer Acht gelassen werden, dass die Befristungen ne-
ben ihrer Flexibilisierungsfunktion auch eine Brücke für
Arbeitslose in den Arbeitsmarkt darstellen .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)


Die Übernahmequote ist bemerkenswert; Sie sollten sie
sich anschauen, Frau Krellmann . Bei 43 Prozent befriste-
ter Neueinstellungen im Jahr 2014 wurde eine Übernah-
mequote von 58 Prozent erreicht, Tendenz steigend .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: 58 sind nicht 100!)


Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht aus dem
Jahr 2015 zu der Feststellung, dass gerade die Möglich-
keit der sachgrundlosen Befristung häufig als eine Brü-
cke in den Arbeitsmarkt fungiert .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Das stimmt nicht!)


– Lesen Sie sich die Feststellungen des IAB durch .


(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Diese Juristen sind eine Katastrophe!)


Das ist darauf zurückzuführen, dass die sachgrundlose
Befristung eine unbürokratische Einstellungsmöglichkeit
darstellt .

Berücksichtigt man all das vor dem Hintergrund der
Rekordbeschäftigungszahlen – über 43 Millionen Er-
werbstätige, über 30 Millionen sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei circa 2,9 Mil-
lionen Arbeitslosen –, so zeigt dies, dass die derzeitige
Rechtslage, natürlich gepaart mit der guten wirtschaft-
lichen Situation, die Menschen in Arbeit bringt, und das
muss doch auch schließlich unser Ziel sein .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dem steht auch nicht entgegen, dass die Altersgruppe
von 15 bis 24 Jahre eine Befristungsquote von 23 Prozent
ausweist, da sie in den folgenden Altersgruppen bis hin
zur ältesten Altersgruppe – 55 bis 64 Jahre – auf 3,7 Pro-
zent absinkt . Dies zeigt: Auch wenn der Berufseinstieg
zunächst durch eine Befristung erfolgt, so geht er in der
Regel in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wieso lassen Sie die jungen Leute so prekär?)


Betrachtet man den Bereich des öffentlichen Dienstes
genauer, so macht man folgende Feststellung: Beim ge-
samten Befristungsanteil im Jahr 2014 von 10,3 Prozent
liegt der Schwerpunkt der Befristungen im wissenschaft-
lichen Bereich .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das ist ja noch schlimmer!)


Das IAB hat in seinem Forschungsbericht festgestellt,
dass die Befristungen im öffentlichen Dienst lediglich
5,6 Prozent betragen würden, wenn man den wissen-
schaftlichen Bereich einmal ausklammern würde .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aha!)


Wilfried Oellers






(A) (C)



(B) (D)


Betrachtet man die Entwicklung von 2004 bis 2014,
so stellt man zwar einen Anstieg von 4,3 Prozent auf
5,6 Prozent fest; allerdings ist der Befristungsanteil seit
2010 leicht rückläufig. Eine derartige Quote ist sicherlich
vertretbar und erfordert keine gesetzlichen Veränderun-
gen und schon gar keine Verschärfung der Rechtslage .

Anders muss man dies sicherlich bewerten, wenn man
sich die Befristungsanteile in den wissenschaftlichen
Einrichtungen anschaut, die etwa 50 Prozent der Befris-
tungen im öffentlichen Dienst ausmachen . Die Entwick-
lung in diesem Bereich ist als sehr kritisch zu bewerten .
Lag der Befristungsanteil im Jahre 2004 insgesamt bei
26,3 Prozent, stieg er bis 2014 auf insgesamt 43,6 Pro-
zent an . Die Entwicklung im wissenschaftlichen Bereich
bedurfte also einer gesonderten Betrachtung .

Daher haben wir uns in der Koalition das Wissen-
schaftszeitvertragsgesetz von 2007 genauer angeschaut .
Es regelt die Bedingungen der befristeten Arbeitsverträge
wissenschaftlicher Mitarbeiter während der Qualifizie-
rungsphase . Die rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen
des Gesetzes führten dazu, dass junge Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftler nur Einjahresverträge erhielten
und der erste Vertrag meist sogar eine Laufzeit von unter
einem Jahr hatte . Diesen Fehlentwicklungen ist die uni-
onsgeführte Koalition im letzten Jahr durch ein Ände-
rungsgesetz entgegengetreten, mit dem unsachgemäße
Kurzbefristungen für junge Wissenschaftler künftig ver-
hindert werden . Sachgrundlose Befristungen sollen nach
dem neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz nur in Aus-
nahmefällen möglich sein . Wissenschaftliche Mitarbeiter
mit Daueraufgaben wie zum Beispiel Angestellte, La-
bor- oder Technikmitarbeiter dürfen keine sachgrundlos
befristeten Verträge mehr erhalten . All diese und weitere
Verbesserungen werden im kommenden Monat, im März
2016, in Kraft treten .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wieso gilt das nicht überall?)


Damit ist ein wesentlicher Bereich der Befristungen
im öffentlichen Dienst durch die unionsgeführte Koaliti-
on verbessert worden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dies wird die Zahl der Befristungen insgesamt, aber ins-
besondere im öffentlichen Dienst, reduzieren und den
Menschen damit Planungssicherheit geben .

Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht zu dem
Ergebnis, dass befristete Beschäftigungen im öffentli-
chen Sektor vielfach zum Einsatz gebracht werden, um
temporäre Personalausfälle zu kompensieren . Mich freut
es, in diesem Zusammenhang ein positives Beispiel aus
meinem Wahlkreis nennen zu können: Eine Behörde hat-
te insgesamt vier Mitarbeiter im Wege der Schwanger-
schaftsvertretung befristet beschäftigt . Rechtlich war dies
nicht zu beanstanden . Nach einigen Verlängerungen der
Arbeitsverträge, erneut im Wege der Schwangerschafts-
vertretung, entschied der Behördenleiter, diese vier Mit-
arbeiter unbefristet einzustellen, um den Mitarbeitern
Planungssicherheit zu geben und weil er der berechtigten

Annahme war, dass Schwangerschaftsvertretungen in
seinem Hause auch zukünftig erforderlich sein werden .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch!)


Besonders freut mich natürlich, dass der Behördenleiter
Mitglied der CDU ist .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Toll! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt wohl bei Ihnen auch gute Leute!)


Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Linken,
muss ich sagen, dass wir als Union sehr verantwortungs-
bewusst mit der Befristung umgehen . Die notwendigen
Rechtsveränderungen wurden bereits vorgenommen .
Natürlich müssen wir als Gesetzgeber die Entwicklung
weiter genau beobachten und gegebenenfalls Änderun-
gen vornehmen;


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Abschaffung der sachgrundlosen Befristung! Ihr Beispiel hatte einen Sachgrund!)


aber mit Augenmaß . Ihre Vorschläge haben dieses Au-
genmaß nicht . Die Befristung ist in der derzeitigen Form
als Flexibilisierungsinstrument und als Brückenfunktion
zu erhalten, weil sie den Menschen im Ergebnis zugute-
kommt .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815813100

Nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-

Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Wir debattieren heute zum vierten
Mal in dieser Legislaturperiode über die Befristungen,
wenn auch immer aus unterschiedlichen Blickwinkeln .

Sie von der Unionsfraktion reden das Thema immer
noch klein. Sie verweisen häufig darauf, dass die meisten
Beschäftigten einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben .
Das stimmt zwar, aber das gilt beispielsweise nicht für
die Berufseinsteiger, für die junge Generation, also für
die Fachkräfte von morgen . Uns geht es bei diesem The-
ma vor allem um die Neueinstellungen; denn jeder zwei-
te neue Arbeitsvertrag hat ein Verfallsdatum . Das ist die
Realität . Das ist heute normal, aber genau das ist das Pro-
blem . Nehmen Sie das doch bitte endlich zur Kenntnis .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Uns Grünen geht es vor allem um die sachgrundlose
Befristung. So werden nur flexible Randbelegschaften
aufgebaut, und der Kündigungsschutz wird umgangen .
Wir meinen, sachgrundlos zu befristen, ist unnötig . Wir
haben genügend Befristungsgründe;


(Beifall des Abg . Bernd Rützel [SPD])


Wilfried Oellers






(A) (C)



(B) (D)


das müssten auch die Sozialdemokraten wissen . Wenn
Sie schon ständig streiten, können Sie doch auch noch
das Thema der sachgrundlosen Befristung aufmachen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Wir kritisieren das übrigens auch im Hinblick auf die
Bundesministerien . Ich habe eine Kleine Anfrage ge-
stellt . Das Ergebnis war: 50 Prozent der Neuanstellungen
waren befristet, und zwei Drittel der Befristungen waren
sogar sachgrundlos . Damit liegen die Bundesministerien
weit vorne, sogar vor der Privatwirtschaft . Das ist kein
gutes und verantwortungsvolles Signal . So werden die
Bundesministerien ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Aber auch ganz grundsätzlich haben Befristungen ne-
gative Folgen für die Beschäftigten:

Erstens . Eine Befristung bedeutet oft weniger Gehalt .
Das gilt nicht nur am Anfang, wenn die Beschäftigten be-
fristet in die Arbeitswelt einsteigen . Sie verdienen auch
danach weniger .

Zweitens . Wer befristet angestellt ist, steht unter grö-
ßerem Druck . Befristet Beschäftigte machen mehr Über-
stunden, sie nehmen weniger Urlaub, sie übernehmen
mehr zusätzliche Aufgaben, und sie fordern, wie gesagt,
auch weniger Geld – das alles, damit eine mögliche Ent-
fristung nicht in Gefahr gerät . So werden Beschäftigte
gefügig gemacht . Das geht gar nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Drittens . Alle Jugendstudien berichten von einer Ge-
neration, die durchaus optimistisch in die Zukunft schaut .
Einzige Ausnahme ist die Jobsituation . Junge Menschen,
die immer wieder nur einen Job auf Zeit haben, kommen
in der Arbeitswelt nie richtig an . Sie wissen nicht, ob sie
nach einiger Zeit wieder auf der Suche sind . Sie wissen
auch nicht, ob sie in eine andere Stadt ziehen müssen . Es
erfordert beispielsweise auch einigen Mut, sich in dieser
Situation für ein Kind zu entscheiden . Der Berufseinstieg
gestaltet sich für junge Menschen zunehmend schwieri-
ger und brüchiger . Job und Einkommenssicherheit sind
aber schlichtweg ökonomische Voraussetzungen für eine
eigenständige Lebensgestaltung . Genau das fehlt vielen
jungen Menschen . Das ist nicht akzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Viertens . Befristungen verschärfen natürlich auch den
Fachkräftemangel . Die Möglichkeit, einen festen Ar-
beitsvertrag zu bekommen, ist im öffentlichen Dienst ge-
ringer als in der Privatwirtschaft . Da werden junge Men-
schen häufig lange hingehalten. Natürlich wechseln die
jungen Menschen dann zwangsläufig in die Wirtschaft.
Wer nur auf Zeit angestellt ist, kann sich nur seltener
weiterbilden . Es gibt auch kaum Aufstiegschancen . In
der Konsequenz wird der öffentliche Dienst junge Men-
schen, die besonders motiviert sind, bald nicht mehr be-

kommen. Mit Blick auf den demografischen Wandel und
die Altersstruktur im öffentlichen Dienst ist das fatal .

Sehr geehrte Regierungsfraktionen, natürlich brau-
chen wir befristete Verträge: für Projektarbeit, die nur
befristet ist, für Schwangerschaftsvertretungen, bei lan-
ger Krankheit usw. Aber für Daueraufgaben – für Pfle-
gepersonal, Erzieherinnen, aber auch Verwaltungsper-
sonal – brauchen wir keine befristeten Verträge . Wenn
der öffentliche Dienst das nicht selber kapiert, dann muss
eben der Gesetzgeber handeln .

Die Lösung der Linken im Hinblick auf die Ketten-
verträge überzeugt mich nicht; das habe ich bereits in
der letzten Debatte gesagt . Dazu sollten Sie im Aus-
schuss endlich eine Anhörung beantragen . Bei der sach-
grundlosen Befristung sind wir uns aber einig: Sie sollte
schleunigst abgeschafft werden . Flexibilität darf keine
Einbahnstraße sein; denn die Menschen brauchen sozia-
le Sicherheit . Zeigen Sie endlich Empathie! Werden Sie
endlich tätig!

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815813200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Hiller-

Ohm für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1815813300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren auf den Besuchertribünen! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Gut, dass wir wieder einmal über das schwer-
wiegende Problem der sachgrundlosen Befristungen
sprechen . Wir haben das hier schon des Öfteren getan .
Die Argumente und die Positionen haben sich nicht ge-
ändert .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Seit 1985!)


Allerdings gibt es nach wie vor das Problem der sach-
grundlosen Befristungen . Möglicherweise löst es sich
durch immer wieder neue Debatten hier im Bundestag
von selber auf . Das wäre ja schön . Ich fürchte aber, dass
das nicht der Fall sein wird . Also müssen wir hier zu an-
deren Lösungen kommen .

Unsere Position ist nach wie vor klar: Wir lehnen
sachgrundlose Befristungen ab .


(Beifall bei der SPD)


Sie sind für die Beschäftigten unwürdig . Sie lassen Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Not im Unge-
wissen über ihre berufliche Zukunft. Und, meine Damen
und Herren, sie sind vor allem dann unnötig, wenn die
Konjunktur – so wie es jetzt der Fall ist – brummt . Ar-
beitgeber sollten froh sein, gutes Personal zu bekommen .
Dieses Personal sollen sie dann auch mit vernünftigen
Verträgen und guter Bezahlung halten . Es gibt heute kein

Beate Müller-Gemmeke






(A) (C)



(B) (D)


stichhaltiges Argument mehr für sachgrundlose Befris-
tungen .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schaffen Sie sie ab!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie pran-
gern in Ihrem Antrag diesmal den öffentlichen Dienst
an . Ich habe selbst im öffentlichen Dienst, und zwar im
Hochschulbereich, gearbeitet .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren noch Zeiten!)


Damals bin ich aus miesen Arbeitsbedingungen als freie
Journalistin in der Hoffnung in den öffentlichen Dienst
gewechselt, geregelte Arbeitszeiten, gute Arbeitsbedin-
gungen sowie gute Perspektiven für mich und meine da-
mals kleine Tochter zu haben . Die Arbeit war gut, der
Arbeitsvertrag war es nicht . Er war befristet . Zweimal
wurde er verlängert, ehe ich endlich ins unbefristete An-
gestelltenverhältnis übernommen wurde . Ich weiß noch
sehr genau, wie es sich angefühlt hat, zu warten und
zu hoffen und nicht zu wissen, wie es beruflich einmal
weitergehen wird . Das, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wünsche ich keinem .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Befristete Arbeitsverträge ohne Angabe eines Grun-
des haben weder in der Wirtschaft noch im öffentlichen
Dienst etwas zu suchen . Befristungen insgesamt wer-
den wir nicht abschaffen können . Es wird zum Beispiel
weiterhin Elternzeit- und Krankheitsvertretungen geben
müssen . Sie sind auch sinnvoll . Schaut man auf den Wis-
senschaftsbereich, so werden wir auch hier nicht alle
befristeten Arbeitsverhältnisse abschaffen können . Sie
können sinnvoll sein, damit zum Beispiel junge Nach-
wuchskräfte an den Universitäten weiterhin ihren Doktor
machen können . Leider wurde aber gerade im Wissen-
schaftsbereich Schindluder mit Befristungen getrieben .
Ich bin deshalb froh, dass wir mit unserer Reform des
Wissenschaftszeitvertragsgesetzes jetzt ein deutliches
Stoppschild gesetzt haben .


(Beifall bei der SPD)


Künftig werden beispielsweise unsachgemäße Kurzbe-
fristungen unterbunden . Nichtwissenschaftliches Perso-
nal fällt nun zum Glück überhaupt nicht mehr unter das
Wissenschaftszeitvertragsgesetz, da diese Personengrup-
pe überwiegend Daueraufgaben leistet . Insofern kann es
hier auch nur Dauerstellen geben . Das ist gut .

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, unse-
re Reform wird hoffentlich schnell Früchte tragen und
die Zahl der Befristungen im öffentlichen Dienst sinken
lassen . Ja, es ist richtig, der öffentliche Dienst sollte mit
gutem Beispiel vorangehen und seinen Beschäftigten
vernünftige Perspektiven bieten .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815813400

Frau Kollegin Hiller-Ohm, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage der Kollegin Krellmann?


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1815813500

Ja, selbstverständlich .


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815813600

Vielen Dank Frau Hiller-Ohm, dass Sie meine Zwi-

schenfrage zulassen . – Sachgrundlose Befristungen gibt
es seit dem 1 . Mai 1985 . 1985! So lange sind sie schon
möglich . Seit diesem Zeitpunkt stehen sie in der Kritik .
Und seit dieser Zeit wird die Zahl der Betroffenen nicht
kleiner, sondern jedes Jahr größer – egal wie die wirt-
schaftliche Situation gerade ist . Ich kenne das aus der In-
dustrie und aus dem öffentlichen Dienst . Wie lange sol-
len die Beschäftigten noch warten, bevor sich da endlich
etwas tut? Sie argumentieren sehr richtig . Das alles kann
ich unterstützen, und ich finde, dass das absolut in Ord-
nung ist . Was aber soll ich meinen Kollegen sagen, wenn
sie fragen, wie lange sie noch warten sollen, bis endlich
etwas passiert?


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1815813700

Sie sollen bis zu den nächsten Wahlen warten, dann

richtig wählen und dadurch für andere Mehrheiten hier
im Bundestag sorgen .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dann wird das Problem auch beseitigt werden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Was ist das denn für eine Antwort vom Koalitionspartner!)


Frau Krellmann, Sie haben recht: Im öffentlichen
Dienst sieht es schlecht aus . Er sollte mit gutem Beispiel
vorangehen . Ich habe ja berichtet, dass ich selber auch
darunter zu leiden hatte . Für mich ist es zu einem guten
Ende gekommen, für viele andere Menschen erfüllt sich
diese Hoffnung aber nicht .

Es ist nicht nötig, junge Menschen, die man dringend
braucht, auf Zeit einzustellen und wie einen Fisch am
Haken zappeln zu lassen . Das ist geradezu kontraproduk-
tiv, da es aufgrund des demografischen Wandels immer
weniger Menschen geben wird, die überhaupt für den öf-
fentlichen Dienst zur Verfügung stehen werden . Schon
heute ist eine deutliche Überalterung in vielen Bereichen
des öffentlichen Dienstes festzustellen .

Meine Damen und Herren, ich fürchte, wir können in
dieser Legislaturperiode mit unserem derzeitigen Koali-
tionspartner kein Gesetz mehr auf die Beine stellen, das
Verträge mit sachgrundlosen Befristungen untersagt, und
den Katalog mit den zulässigen Gründen für Befristun-
gen nicht mehr kritisch durchforsten .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wird 2017?)


Schade eigentlich!

Deshalb setze ich meine Hoffnungen jetzt auf die Ge-
werkschaften . Verdi und der Deutsche Beamtenbund ha-
ben befristeten Arbeitsverträgen ohne Sachgrund im öf-
fentlichen Dienst – allerdings nur denen ohne Sachgrund,
Frau Kollegin Krellmann – den Kampf angesagt . Dies
soll zentrales Thema in der Tarifrunde 2016 sein . Das ist

Gabriele Hiller-Ohm






(A) (C)



(B) (D)


gut so . Ich wünsche Verdi und dem Beamtenbund viel
Erfolg . Macht Schluss mit den unwürdigen befristeten
Arbeitsverhältnissen!


(Beifall bei der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815813800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Uwe

Lagosky .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Uwe Lagosky (CDU):
Rede ID: ID1815813900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt eine Frak-
tion in diesem Hohen Haus, die sagt:

Wir wollen den öffentlichen Dienst ausbauen: Hier-
für sollen 50 Milliarden Euro jährlich in den Berei-
chen Bildung, Kinderbetreuung, Gesundheit, Pflege,
öffentliche Sicherheit und Kultur eingesetzt werden .
Dadurch entstehen 1 Million Vollzeitarbeitsplätze
zu regulären, tariflichen Bedingungen.

Das versprach die Linke 2013 zur Bundestagswahl .

50 Milliarden Euro entsprechen ungefähr 16 Pro-
zent des Bundeshaushaltes 2016 . Diese 50 Milliarden
in Kombination mit Ihren arbeitsmarkt- und sozialpoli-
tischen Projekten, die hier schon vorgeschlagen wurden,
würden für Deutschland zusätzliche Schulden zulasten
der nächsten Generationen bedeuten .

Daher fährt unser Land besser damit, dass es eine wirt-
schaftende, CDU/CSU-geführte Regierung hat .


(Beifall bei der CDU/CSU – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Das war jetzt aber ein Witz, oder?)


Verbindendes Element zu wohl allen Fraktionen – das
muss man auch dazu sagen – ist ihr Einsatz für die Be-
schäftigten in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst .
Sie alle halten unsere Gesellschaft funktionsfähig und
verdienen daher unsere Wertschätzung .

Was uns trennt, ist der Umgang mit den Fakten . Dass
befristete Neueinstellungen im öffentlichen Dienst mit
circa 59,5 Prozent gegenüber 39,9 Prozent in der Privat-
wirtschaft eine größere Rolle spielen, ist unbestritten und
vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu
Recht herausgehoben worden . Allerdings sollte erwähnt
werden, dass die Anteile befristeter Einstellungen im
öffentlichen Dienst gerade seit Angela Merkels Regie-
rungsantritt deutlich zurückgegangen sind, nämlich um
exakt 15,2 Prozent in den letzten neun Jahren .

Vielsagend finde ich die personalwirtschaftlichen Vor-
gaben der jeweiligen Ressorts, die die Bundesregierung
der Linksfraktion in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfra-
ge zur Kenntnis gab . Darin heißt es:

Da vielfach über Bedarf ausgebildet wird, ist die
Bundesverwaltung generell bestrebt, ehemaligen
Auszubildenden zumindest einen befristeten sach-
grundlosen Anschlussvertrag anzubieten . . ., wenn

mangels freier Planstellen und Stellen keine unbe-
fristete Übernahme erfolgen kann .

In der Antwort der Bundesregierung zum Verteidi-
gungsministerium steht unter anderem:

Im Hinblick auf die Steigerung der Attraktivität des
Arbeitgebers Bundeswehr ist grundsätzlich darauf
hinzuwirken, dass die unbefristete Beschäftigung
verstärkt zielgerichtet genutzt und insbesondere bei
fortschreitender Klarheit über die Organisations-
strukturen wieder zum Regelfall wird .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Da geht es!)


Generell geregelt ist das in einem Erlass, der dazu auf
den Weg gebracht wurde . Auf Bundesebene sind wir also
schon dabei, die Situation zu verbessern .

Wenn es darum geht, wie von Ihnen gefordert, auf die
Länder einzuwirken, kann ich nur sagen: Sie sollten ein-
mal das Gespräch mit Ihrem Ministerpräsidenten Bodo
Ramelow suchen . Dem Länderbericht über Thüringen
des IAB-Betriebspanels ist zu entnehmen:

Über die Hälfte aller Betriebe in den Branchen öf-
fentliche Verwaltung und Erziehung und Unterricht
griffen auf befristete Arbeitsverträge zurück .


(Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Hört! Hört!)


Weiter heißt es in dem Bericht zu Thüringen:

In den meisten Branchen wich die Häufigkeit von
Entfristungen in Thüringen vom westdeutschen und
ostdeutschen Durchschnitt ab . In Thüringen entfris-
tete die öffentliche Verwaltung mit 9 Prozent auffäl-
lig selten, in Ost- und Westdeutschland lag hier der
Anteil im Durchschnitt bei 24 und 38 Prozent .


(Beifall bei der CDU/CSU – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Gelegentlich helfen Zahlen zur Erkenntnis!)


Also: Vor der eigenen Tür kehren, hilft auch .

Aber zurück zu Ihrem Antrag . Für befristete Arbeits-
verhältnisse gibt es unterschiedliche Gründe . Beim öf-
fentlichen Dienst sind die wichtigsten Befristungsmotive
laut IAB-Forschungsbericht ein befristeter Ersatzbedarf
mit 39,6 Prozent,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um sachgrundlose Befristungen!)


eine befristete Finanzierung der Stelle, die sogenannte
Haushaltsmittelbefristung, mit 20,1 Prozent, ein befris-
teter zusätzlicher Bedarf mit 13,6 Prozent .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815814000

Herr Kollege Lagosky, die Kollegin Krellmann möch-

te erneut eine Zwischenfrage stellen . Gestatten Sie sie?


Uwe Lagosky (CDU):
Rede ID: ID1815814100

Nein, diese gestatte ich nicht . Ich möchte gerne

weitersprechen . – Befristungen auf Probe spielen mit
9,4 Prozent im Vergleich zu diesen Befristungen in der

Gabriele Hiller-Ohm






(A) (C)



(B) (D)


Privatwirtschaft mit 28 Prozent eine geringere Rolle .
Würden nun, wie von der Linksfraktion gefordert, ins-
besondere die Passagen zur Befristung auf Probe aus
dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gestrichen, hätte das
Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft . Davon steht in
ihrem Antrag natürlich nichts .

Wozu Befristungen gut sind, egal wie man dazu steht,
wurde in der Anhörung zur sachgrundlosen Befristung
am 17 . März 2014 deutlich . Hier stellte der Sachverstän-
dige der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-
verbände fest, dass 75 Prozent der befristet Beschäftigten
in reguläre Arbeit kommen . Demnach haben Befristun-
gen für unseren Arbeitsmarkt eine wichtige Brücken-
funktion; das ist hier heute schon mehrfach angeklungen .
Wir wollen diese erhalten .

Im öffentlichen Sektor, den wir bei dieser Frage ja be-
sonders berücksichtigen müssen, spielen Verlängerungen
mit 38,3 Prozent eine größere Rolle als Übernahmen mit
31,4 Prozent und Personalabgänge mit 29,7 Prozent . „Im
öffentlichen Sektor sind demnach die Übernahmechan-
cen geringer als in der Privatwirtschaft“, so der IAB-For-
schungsbericht 2015 . Deshalb müssen Bund, Länder und
Kommunen alle Umstände, die mit einer Verlängerung
befristeter Verträge verbunden sind, intensiv prüfen und
so dafür sorgen, dass die Verlängerungen von Befristun-
gen rechtskonform sind .

Zur Ausbildungssituation ist zu sagen: Durch die Aus-
bildung über Bedarf im öffentlichen Dienst bietet sich
jungen Menschen eine berufliche Perspektive.

Natürlich sind wir uns einig, dass junge Berufseinstei-
ger nach ihrer Ausbildung möglichst eine unbefristete
Anstellung bekommen sollten . Wir unterscheiden uns
jedoch dadurch, dass wir es eben den Betrieben überlas-
sen, ob eine unbefristete Einstellung erfolgt oder nicht .
Damit liegt diese Entscheidung bei der Wirtschaft in den
Händen der Unternehmer und der Sozialpartner . In den
Ministerien und Verwaltungen entscheiden die Verwal-
tungsleitungen, in welchem Umfang unbefristete Über-
nahmen erfolgen . Diese Entscheidungsträger müssen die
wirtschaftliche Situation und den Stellenplan im Blick
haben .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür hat man Befristungsgründe!)


Abschließend: Befristete Arbeitsverhältnisse spielen
bei Neuanstellungen im öffentlichen Dienst nach wie
vor eine große Rolle . Trotzdem ging ihr Anteil auf Bun-
desebene seit 2005 erheblich zurück . Die obersten Bun-
desbehörden und ihre nachgeordneten Institutionen sind
bereits im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestrebt, den
befristet Beschäftigten gute Lösungen zu bieten . Für ge-
setzliche Änderungen sehen wir zurzeit keine Grundlage .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815814200

Für eine Kurzintervention erteile ich das Wort der

Kollegin Krellmann .


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815814300

Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Lagosky, Sie sind

Betriebsrat, und Sie sind Gewerkschafter .


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Guter Betriebsrat! Guter Gewerkschafter!)


– Ich höre gerade: ein guter Betriebsrat . – Ich kenne kei-
nen Betriebsrat, der sich für sachgrundlose Befristungen
ausspricht – keinen einzigen . Ich bin im Grunde irritiert
darüber, dass es dann, wenn eine Große Koalition etwas
vereinbart hat und ein Punkt nicht dabei ist, nicht mög-
lich ist, darüber zu reden . Für mich heißt Große Koalition
im Moment: null Bewegung,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jeden Streit haben sie! Da ist richtig was los!)


gerade in einer Frage, die ganz viele Menschen betrifft .
Große Koalition heißt ferner, dass man nicht außerhalb
von Koalitionsvereinbarungen über Dinge reden kann,
die man richtig findet, sodass man in dieser politischen
Situation nichts ändern kann .

Ich biete Ihnen an, mit Ihnen über sachgrundlose Be-
fristungen zu reden . Das tue ich gerne . Mich würde inte-
ressieren, was Ihre Gewerkschaft zu der Position sagt,
die Sie hier vertreten .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815814400

Herr Kollege Lagosky, Sie haben die Möglichkeit, da-

rauf zu erwidern .


Uwe Lagosky (CDU):
Rede ID: ID1815814500

Liebe Frau Krellmann, Sie haben meine Betriebs-

ratstätigkeit angesprochen . Für mich standen immer der
Mensch und natürlich auch die Frage im Mittelpunkt,
wie ich jemanden in eine unbefristete Beschäftigung
bringen kann . Wenn es in gewissen Übergangszeiten nur
die Möglichkeit gab, über eine befristete Stelle in eine
unbefristete Stelle zu kommen, dann habe ich dieses auch
befördert, aber in die Richtung, dass es am Ende des Ta-
ges eine unbefristete Stelle gab .

Es gab durchaus Zeiten, in denen ein Unternehmen –
das gilt für alle Unternehmen in allen Branchen – in die
Situation gerät, dass sporadische Arbeitsleistungen not-
wendig sind . Auch diese Zeiten haben wir gehabt mit
Blick auf Investitionen, die in der Zukunft lagen . Dann
haben wir befristet eingestellt . Wir haben unseren Kol-
leginnen und Kollegen, die für einen befristeten Zeit-
raum eingestellt wurden, gesagt, dass sie nach diesem
Zeitraum den Betrieb wieder verlassen . Auch das gehört
zur Wahrheit und zur Klarheit dazu, die Betriebsräte auf-
rechterhalten müssen, wenn sie in unseren Betrieben un-
terwegs sind; sie müssen das den Menschen sagen .

Entscheidend ist aber, dass es gelungen ist, über eine
derartige Personalpolitik in den Betrieben, in denen ich
als Konzernbetriebsratsvorsitzender und Betriebsratsvor-
sitzender Verantwortung getragen habe, durchaus für eine
Personalentwicklung und auch eine Personalsteigerung
zu sorgen, teilweise auch über befristete Verträge . Das

Uwe Lagosky






(A) (C)



(B) (D)


ist, glaube ich, beispielhaft für alle Betriebe in Deutsch-
land . Insofern hoffe ich, dass das Ihre Frage beantwortet .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So macht man Politik für Arbeitnehmer ohne Scheuklappen!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815814600

Jetzt hat das Wort für die SPD der Kollege Markus

Paschke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Markus Paschke (SPD):
Rede ID: ID1815814700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
möchte mit Herrn Oellers beginnen; denn in seiner Rede
sind mir ein paar Dinge aufgefallen . Eine kleine Rich-
tigstellung: Die Koalition ist nicht unionsgeführt; die
SPD-Fraktion wird immer noch von einem Sozialdemo-
kraten geführt, und das ist auch gut so .


(Beifall bei der SPD)


Vielleicht ist die Regierung unionsgeführt, weil die
Kanzlerin von der Union gestellt wird, aber nicht die Ko-
alition . Da reden wir, denke ich, auf Augenhöhe .

Ich finde, das Thema Befristungen verdient durch-
aus eine differenzierte Betrachtung . Was gar nicht geht,
sind Fälle, wie ich sie auch in meinem Wahlkreis erlebt
habe: Dort war ein Mitarbeiter 14 Jahre lang beim Land-
kreis beschäftigt, aber nicht unbefristet, sondern mit 16
befristeten Verträgen . Diese Verträge führten auch alle
Sachgründe an: Mal war es eine Vertretung, mal eine
Haushaltsbefristung . Diese Form von Kettenbefristun-
gen – das sage ich ganz deutlich – halte ich im öffentli-
chen Dienst für völlig unangebracht und falsch .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir sind sicherlich einer Meinung: Daueraufgaben
im öffentlichen Dienst müssen mit unbefristet Beschäf-
tigten erfüllt werden . Langfristiger Bedarf – dazu zähle
ich auch Springer – kann kein Grund für eine Befristung
sein . Mit seinem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht
schon 2012 den Weg zur Wende bereitet: Es verlangte in
seiner Entscheidung, dass eine umfassende Missbrauchs-
kontrolle bei Befristung – auch unter Einbeziehung der
Zahl und der Gesamtdauer der geschlossenen befristeten
Arbeitsverträge – zu erfolgen hat . Anders ausgedrückt:
Auch wenn für die einzelne Befristung Sachgründe vor-
liegen, sprechen 16 Verträge in 14 Jahren eine deutliche
Sprache: Das ist nämlich Missbrauch .

Es wird Zeit, dass wir die klugen Urteile des Bundes-
arbeitsgerichts endlich in der Gesetzgebung umsetzen .
Da ich schon bei der Gesetzgebung bin: Mir fällt glatt
ein, dass wir auch im Koalitionsvertrag Regelungen
zum Thema „gute Arbeit“ vereinbart haben . Wir haben
vereinbart, den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkver-

trägen zu beenden . Deswegen fordere ich Sie an dieser
Stelle ausdrücklich auf, endlich die Blockadehaltung, die
Sie hier eingenommen haben, aufzugeben .


(Beifall bei der SPD – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ach!)


Wie ich sehe, habe ich meine Zeit schon überschritten .


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Die ist schon befristet! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Mit Sachgrund befristet! – Heiterkeit)


Deswegen kann ich den zweiten Teil zur Befristung gar
nicht mehr vortragen . Nur so viel: Der öffentliche Dienst
leistet wichtige Arbeit für die Menschen in unserem
Land . Er kann nicht rein betriebswirtschaftlich betrach-
tet werden . Andererseits darf er auch nicht das Geld mit
vollen Händen zum Fenster hinauswerfen . Da ist ein
Ausgleich, eine differenzierte Betrachtung nötig . Diffe-
renziert betrachten, aber Missbrauch bekämpfen, das ist
unser Motto als Sozialdemokraten .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815814800

Vielen Dank, Herr Kollege Paschke . – Nicht Ihre Zeit,

sondern nur Ihre Redezeit ist überschritten .


(Heiterkeit – Markus Paschke [SPD]: Danke schön!)


Abschließender Redner in dieser Debatte ist der Kol-
lege Bernd Rützel für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1815814900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist
richtig: Bis Ende der 80er-Jahre galt der Satz: Gehʼ zum
Staat, da hast du einen sicheren Arbeitsplatz . – Die Si-
cherheit war vielen wichtig, und dafür nahm man gerin-
gere Verdienste und auch schlechtere Aufstiegsmöglich-
keiten in Kauf . Diese Sicherheit gibt es heute nicht mehr .
Der öffentliche Dienst ist Spitzenreiter bei den Befristun-
gen, – und zwar nicht nur bei der Anzahl, sondern auch in
Bezug auf die Länge der Befristungen .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fünf Jahre!)


Im Durchschnitt muss jeder Befristete fünf Jahre war-
ten, bis er vielleicht übernommen wird . Dadurch ist die
Attraktivität des öffentlichen Dienstes gesunken . Es gibt
immer weniger junge Menschen im Staatsdienst, und
dadurch wird das Durchschnittsalter der Beschäftigten
immer höher . Bis 2020, also in rund vier Jahren, gehen
18 Prozent – fast jeder Fünfte – und bis 2030, also in
den nächsten 14 Jahren, die Hälfte aller im öffentlichen
Dienst Beschäftigten in den Ruhestand . Die brauchen
Nachwuchs! Das geht aber nur mit sicheren und verläss-
lichen Arbeitsplätzen und guten Rahmenbedingungen .
Ich wiederhole das, was ich schon oft von diesem Pult

Uwe Lagosky






(A) (C)



(B) (D)


aus gesagt habe: Sachgrundlose Befristungen verbauen
Lebenschancen und damit eine langfristige Perspektive .
Sie helfen nicht, sie schaden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das IAB, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung in Nürnberg, hat die Situation beleuchtet . Warum
ist das so? Man könnte sagen: Weil es im öffentlichen
Dienst weniger Minijobs, weniger Leiharbeit, weniger
Praktika und weniger freie Mitarbeit als in der Privat-
wirtschaft gibt, wird das Instrument der Befristung stär-
ker genutzt, um flexibel zu sein. – Das ist für mich kein
ausschlaggebendes Argument . Ein wichtiges Argument
aus meiner Sicht ist aber, dass es nicht genügend Plan-
stellen gibt . Die Aufträge müssen aber erledigt werden .

Deshalb will ich an dieser Stelle ein ganz herzliches
Dankeschön an alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst
sagen, die mit ganz vielen Überstunden nicht nur auf
die aktuellen Herausforderungen in der Flüchtlingskrise
reagieren, sondern die unseren Staat, unser Zusammen-
leben und unsere Ordnung funktionieren lassen und die
dabei mit Problemen konfrontiert werden, die sie viel-
leicht so noch nie hatten, aber Lösungen suchen und Lö-
sungen finden. Die jammern nicht, sondern die packen
an . Sie sind motiviert, und sie sind wirkliche Staatsdie-
ner . Deswegen freue ich mich auch, dass in den Tarifver-
handlungen, die anstehen, das noch einmal auf den Punkt
gebracht wird .

Zusammenfassend und abschließend will ich sagen:
Wo es gute Sachgründe gibt – der Katalog ist lang ge-
nug –, ist eine Befristung von Arbeitsverhältnissen in
Ordnung . Sachgrundlose Befristungen dagegen ver-
wehren den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein
Mindestmaß an Sicherheit . Es wird Zeit, dass man bald
wieder sagen kann: Gehʼ zum Staat, da hast du einen si-
cheren Arbeitsplatz .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815815000

Damit schließe ich die Aussprache .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage
auf Drucksache 16/7567 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . – Ich sehe aus-
schließlich Zustimmung zu diesem Vorschlag .


(Zuruf von der CDU/CSU: Grenzenlose Begeisterung!)


Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

zu dem Vorschlag für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates zur
Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014
im Hinblick auf die Schaffung eines euro-

päischen Einlagenversicherungssystems
KOM(2015) 586 endg.; Ratsdok. 14649/15

hier: Politischer Dialog mit der Europäischen
Kommission

Drucksache 18/7644

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
sehe und höre ich nicht . Dann ist das damit beschlossen .

Deshalb eröffne ich die Aussprache und erteile als ers-
ter Rednerin der Kollegin Antje Tillmann für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1815815100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bei der Re-
gulierung der Finanzmärkte seit 2009 viel Richtiges ver-
abredet und einiges davon auch schon gut umgesetzt .

Ich nenne die EZB-Aufsicht . 130 der größten europä-
ischen Banken sind der EZB unterstellt und fallen jetzt
unter ihre Aufsicht .

Wir haben mit dem Abwicklungsmechanismus eine
Institution geschaffen, mit der im Ernstfall eine geord-
nete Sanierung oder Abwicklung möglich wird, ohne
auf das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
zurückgreifen zu müssen . Im Ernstfall gilt dann vorran-
gig die Haftung der Eigentümer und Gläubiger in Höhe
von 8 Prozent der Bilanzsumme; das ist der sogenannte
Bail-in .

Diese Richtlinie war bis zum 31 . Dezember 2014 um-
zusetzen . Drei Staaten haben das bis heute aber immer
noch nicht getan . In ihrer Mitteilung „Auf dem Weg zur
Vollendung der Bankenunion“ vom 24 . November 2015
stellt deshalb die Kommission richtigerweise fest – ich
zitiere –:

Daher besteht die oberste Priorität darin, … dass die
Mitgliedstaaten die BRRD …

– also die Abwicklungsrichtlinie –

vollständig umsetzen .

Leider melden sich auch schon die ersten Länder zu
Wort, die die Pflicht, 8 Prozent der Bilanzsumme als
Haftungskapital vorzuhalten und im Zweifel von Ei-
gentümern und Gläubigern einzufordern, wieder infrage
stellen . Die Kommission hat recht, wenn sie sagt – ich
zitiere –:

Dies erfordert eine konsequente Anwendung der
Bail-in-Regelungen der BRRD, um sicherzustellen,
dass die Kosten für die Abwicklung von ausfallen-
den … Banken primär von deren Anteilsinhabern
und Gläubigern getragen werden .

Ich ergänze: nicht mehr von den Steuerzahlern .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist wichtig!)


Bernd Rützel






(A) (C)



(B) (D)


Die Kommission erkennt auch Risiken, die immer
noch in Bankbilanzen vorhanden sind, zum Beispiel
das Risiko, das Staatsschulden auf heimische Banken-
systeme haben können . Staatsschulden in Bankbilanzen
stellen ein großes Risiko dar, insbesondere bei Staaten,
denen es finanziell nicht gut geht. Ich nenne zusätzlich
latente Steuern, die in erheblichem Umfang in den letz-
ten Jahren zu mehr Risiken in den Bankbilanzen geführt
haben . Auch dazu schreibt die Kommission richtigerwei-
se – ich zitiere –:

… müssen nationale Wahlmöglichkeiten und Er-
messensspielräume bei der Anwendung der Auf-
sichtsregeln doch noch weiter reduziert werden .

In Klammern: Die Bilanzen müssen noch krisenfester
gemacht werden .

Wir haben uns dann auf einen Abwicklungsfonds als
weiteres Instrument verständigt, und zwar in einer Grö-
ßenordnung von 55 Milliarden Euro . Diesen Fonds fül-
len die Banken je nach Größe mit Beiträgen selbst, und
er steht dann zur Verfügung, wenn die haftenden Mittel
von Eigentümern und Gläubigern nicht ausreichen . Aber:
Erst ab diesem Jahr finden die ersten Einzahlungen in
den Abwicklungsfonds überhaupt statt . Seine Zielgröße
soll der Fonds dann auch erst 2023 erreichen . In manchen
Ländern ist die Übertragung der Bankenabgabe auf den
gemeinsamen Abwicklungsfonds noch nicht geregelt,
und in vielen Ländern ist die Vereinbarung zur Kredit-
aufnahme innerhalb des Abwicklungsfonds noch offen .
Es gibt also auch hier noch erhebliche Vollzugsdefizite.

Die Schlussfolgerung der Kommission im Verord-
nungsentwurf, über den wir heute sprechen – Schaffung
eines europäischen Einlagenversicherungssystems –,
vom 24 . November 2015 muss dann schon hinterfragt
werden . Hier steht nämlich – ich zitiere –:

Während die ersten beiden Stufen mit der Ein-
richtung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus

(SSM) und des einheitlichen Abwicklungsmecha-

nismus (SRM) schon verwirklicht wurden, steht die
Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung
noch aus .

Wie ich oben dargestellt habe, ist hier noch gar nicht
viel verwirklicht . Wir haben viel beschlossen, aber die
Verwirklichung ist durchaus noch fragmentarisch . Wir
bestehen darauf, dass diese Aufgaben zuerst erfüllt wer-
den .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Als Letztes haben wir 2014 mit der Änderung der Ein-
lagensicherungsrichtlinie beschlossen, dass alle Banken
in der Europäischen Union einem nationalen Einlagen-
sicherungssystem angehören müssen, das mit Kapital in
Höhe von 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen ausgestat-
tet sein muss . Das heißt, wir stärken nationale Einlagen-
sicherungssysteme .

Alle EU-Staaten hätten diese Einlagensicherungs-
richtlinie bis zum 3 . Juli 2015 umsetzen müssen . Fünf
Länder haben bis zum heutigen Zeitpunkt das aber nicht
getan . Ich zitiere gern ein weiteres Mal aus der Mittei-
lung der Kommission, die wirklich lesenswert ist:

Daher besteht die oberste Priorität darin, sicherzu-
stellen, dass die Mitgliedstaaten die … DGSD

– also die Einlagensicherungsrichtlinie –

vollständig umsetzen .

Selbst wenn die Umsetzung in allen Staaten erfolgt ist,
haben sie für die sukzessive Erfüllung der aus der Richt-
linie folgenden Pflichten noch bis 2024 Zeit. Erst dann
muss das nationale Einlagensicherungssystem das gefor-
derte Kapitel aufweisen . Ich habe versucht, im Vorfeld in
Erfahrung zu bringen, wie viel Geld in den Einzelstaaten
in diesem Jahr in dieses System schon eingezahlt wurde .
Offensichtlich hat die Kommission keinen Überblick da-
rüber .

Trotz all dieser Umsetzungsmängel hat die Kommis-
sion jetzt ihren Verordnungsentwurf zur Schaffung eines
europäischen Einlagenversicherungssystems mit folgen-
den Worten begründet – ich zitiere –: Risiken würden
breiter gestreut . – Aber genau darum geht es uns nicht .
Wir wollen in diesem System Risiken minimieren .


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau!)


Wir wollen nicht einfach Risiken aus Einzelstaaten auf
die Allgemeinheit der Europäischen Union übertragen,
sondern wir wollen, dass überall die Risiken minimiert
werden .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Auch da zitiere ich wieder gerne aus der Mitteilung,
die am selben Tag wie der Verordnungsentwurf bekannt
gemacht wurde, der heute zur Diskussion steht:

Die mit diesen Maßnahmen einhergehende Risiko-
teilung muss jedoch durch Maßnahmen flankiert
werden, die gleichzeitig mit der schrittweisen Er-
richtung des EDIS

– also der vergemeinschafteten Einlagensicherung –

zur Reduzierung der Risiken im Bankensektor er-
griffen werden .

Das Gegenteil schlägt der Verordnungsentwurf der-
selben Kommission am selben Tag vor . Erst vergemein-
schaften und dann weiter über Risiken diskutieren, das
ist nicht der richtige Weg . Wir sollten uns zügig daranma-
chen, die Risiken und Umsetzungsdefizite zu reduzieren.
Wenn wir das geschafft haben, kann über weitere Verge-
meinschaftungen wohl diskutiert werden, aber die Rei-
henfolge muss richtig sein: Risiken herunter, dann über
Vergemeinschaftung nachdenken .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815815200

Nächster Redner ist der Kollege Dr . Axel Troost,

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)


Antje Tillmann






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815815300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

vorliegende Antrag der Koalition gegen ein gemeinsa-
mes europäisches Einlagenversicherungssystem hat, was
den Forderungsteil angeht, vor drei Monaten hier schon
einmal in praktisch gleicher Form vorgelegen . Wir haben
ihn damals abgelehnt, und wir lehnen ihn auch heute ab .
Was sich an dem Antrag geändert hat, sind im Wesentli-
chen erstens der Adressat und zweitens die Begründung .

Im November ging der Antrag noch an die Bundesre-
gierung, um ihr den Rücken zu stärken, gegen die Forde-
rungen der Kommission vorzugehen . Jetzt ist die Kom-
mission der Adressat geworden .

Im November waren wir uns zumindest noch einig,
dass es inakzeptabel ist, dass in einer gemeinsamen Si-
cherung die Sparkassen und Volksbanken für die Einla-
gen riskanter Geschäftsmodelle der Groß- und Invest-
mentbanken geradestehen müssen . Auch darin stimmen
und stimmten wir durchaus überein . Einer Europäisie-
rung der Einlagensicherung kann unsererseits nur zuge-
stimmt werden, wenn unterschiedliche Banktypen und
unterschiedliche Geschäftsmodelle auch unterschiedlich
abgesichert werden, wenn also die Einlagensicherungs-
systeme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken
nicht verwendet werden können, um die privaten Banken
zu sichern .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Den entsprechenden Teil haben Sie aber leider komplett
aus der Begründung gestrichen .

Nach acht Jahren Finanz- und Bankenkrise wissen
wir alle, dass eine Regierung nicht einmal eine einzelne
Großbank, geschweige denn ein gesamtes Bankensystem
in die Insolvenz schicken kann, weil das verheerende
Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und natürlich auch
den Staatshaushalt hätte . Sie haben trotz aller Regulie-
rungsschritte im Hinblick auf das Problem „too big to
fail“, wie es auf Englisch so schön heißt, also „zu groß,
um es kaputtgehen zu lassen“ bzw . „so groß, dass es mit
staatlichen Mitteln gerettet werden muss“, nicht an einer
Verkleinerung der Großbanken gearbeitet . Meine Vorred-
nerin, Frau Tillmann, hat den Abwicklungsmechanismus,
so wie er beschlossen ist, dargestellt . Aber wir sind uns
immer einig gewesen, dass das bei den wirklich großen
Einheiten, den Großbanken, nicht ausreichen wird . Ein
Rettungsfonds als letzte Maßnahme, der europaweit
50 Milliarden Euro im Jahr 2023 umfassen wird, wird
nicht einmal reichen, um auch nur eine große Bank zu
retten .

Insofern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass in
diesem Bereich nicht nur nichts geschehen ist, sondern
dass auch aufgrund von wirtschaftlichen Schieflagen im
Rahmen der Bankenkrise mittelgroße Banken in Europa
mit Unterstützung der Regierungen im Rahmen der Ban-
kenrettung zu angeschlagenen Megabanken fusioniert
worden sind . Wir haben damals das Gegenteil gefordert,
und das tun wir auch jetzt . Wir glauben, man muss Re-
gulierung betreiben, indem man den Bankensektor insge-

samt umbaut, ihn stabiler macht und die Sparkassen und
Genossenschaftsbanken – auch die in anderen Ländern –
stärkt und auf der anderen Seite die Gigagroßbanken
deutlich verkleinert .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Bereich hat die Bundesregierung weder
national noch auf europäischer Ebene wirkliche Initiati-
ven ergriffen . Das ist nicht verwunderlich, weil man sich
damit natürlich mit den Mächtigsten dieser Gesellschaft
und dieser Wirtschaft anlegt; aber es ist notwendig, wenn
man Einlagensicherung vernünftig betreiben will, wenn
man sicherstellen will, dass Bankenpleiten und daraufhin
der Einsatz von Steuergeldern verhindert werden können .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe in der Novemberdebatte 2015 gesagt: Es
wäre also mehr als ratsam, schon jetzt die Sicherungsein-
richtungen für die Einlagen „möglichst breit aufzustellen
und nicht selbstgefällig zu glauben, die nächsten Ban-
kenzusammenbrüche und Entschädigungsfälle in Europa
würden immer nur weit entfernt von Frankfurt passie-
ren“ . Das war im November . Seitdem ist es in der Tat
so, dass man sich auch in Deutschland vorstellen kann,
dass es zu Schieflagen im Bankenbereich in Frankfurt
kommen kann . Die Aktienkurse insgesamt sind in den
letzten drei Monaten um 25 Prozent gesunken . Die Com-
merzbank hat einen Absturz ihrer Aktie um 40 Prozent
erlebt . Der Wert der Aktie der Deutschen Bank hat sich
mehr als halbiert . Insofern: Davon auszugehen, dass nur
in anderen Ländern, aber nicht in Deutschland Probleme
auftauchen, ist, glaube ich, sehr vermessen . Deswegen
wollen wir eine Europäisierung des Sicherungssystems .

Natürlich muss in den anderen Ländern Druck ge-
macht werden, dass die entsprechenden Maßnahmen,
was Bankenabwicklung und Rettungsfonds angeht, um-
gesetzt werden . Aber wir brauchen eine europäische Lö-
sung für die Einlagensicherung .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815815400

Für die SPD spricht jetzt der Kollege Manfred Zöllmer .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1815815500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vie-

le Bankkunden in Deutschland wurden im letzten Monat
von ihrer Bank oder Sparkasse über eine Umstellung der
Einlagensicherung informiert, über die Obergrenze von
100 000 Euro pro Konto und über ein paar andere Verän-
derungen, die wir hier beschlossen haben .

Angesichts der aktuellen medialen Debatte über einen
möglichen Bankencrash in Deutschland fragen sich vie-
le: Wie sicher ist eigentlich mein Geld? Die Krisenhyste-






(A) (C)



(B) (D)


rie, die von manchen verbreitet wird, geht mir – das muss
ich in aller Deutlichkeit sagen – wirklich auf den Geist .
Deshalb sei für alle Hysteriker noch einmal klargemacht:
In Deutschland ist das hohe Schutzniveau für Einlagen
garantiert . Mit dem Einlagensicherungsgesetz wurde in
Deutschland die europäische Richtlinie zur Einlagensi-
cherung fristgemäß umgesetzt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben festgelegt, dass jedes Land seinen eigenen
Einlagensicherungsfonds bis zur Höhe von 0,8 Prozent
der gedeckten Einlagen national aufbauen muss . Die be-
währten Institutssicherungssysteme der Sparkassen und
Genossenschaftsbanken und die Sicherungssysteme der
privaten Banken bleiben erhalten .

Axel, eines muss ich jetzt zu deiner Rede sagen: Ihr
fallt mit eurer Position den Sparkassen und Genossen-
schaftsbanken voll in den Rücken; denn die Sicherungs-
systeme würden bei einer Veränderung nicht erhalten
werden können .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Damit sei nun die dritte Säule der Bankenunion in Eu-
ropa erst einmal aufgebaut, dachten wir . So dachten wir,
aber offensichtlich nicht die Europäische Kommission .
Vor kurzem hat sie einen Verordnungsentwurf vorgelegt,
der in sieben Jahren in drei Stufen eine Vergemeinschaf-
tung der Einlagensicherung in Europa zum Ziel hat . Der
deutsche Einlagensicherungsfonds soll also auch in Zu-
kunft zur Finanzierung der Einlagensicherung in ande-
ren europäischen Ländern herhalten, wenn dort Banken
abgewickelt werden müssen . Welchen Sinn macht das?

Die aktuelle Lage in Europa ist, vorsichtig formuliert,
unübersichtlich . Es gibt eine Vielzahl von Krisenherden .
Seit Anbeginn der Diskussion über die Bankenunion ha-
ben wir Sozialdemokraten deutlich gemacht, dass eine
gemeinsame Einlagensicherung in Europa erst dann um-
gesetzt werden kann, wenn dafür die Voraussetzungen
gegeben sind . Wir sind davon überzeugt, dass eine Um-
setzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu mehr, sondern
zu weniger Stabilität in Europa führen würde .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Zum Stichwort „Solidarität“ . Solidarität ist im Nach-
gang der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise durch
Deutschland nun wirklich in beeindruckender Weise ge-
leistet worden . Ich nenne hier nur als Stichworte „ESM“
und „Bankenabwicklungsfonds“ . Das jetzige System, das
wir in Europa beschlossen haben, ist ein flexibles System.
Es besteht die Möglichkeit, von anderen Einlagensiche-
rungen Kredite zu bekommen, und die Sicherungssyste-
me einzelner Länder können auch, wenn das gewollt ist,
zusammengelegt werden. Wir haben damit ein flexibles
und schlagkräftiges Einlagensicherungssystem in Euro-
pa aufgebaut . Voraussetzung dabei ist, dass die einzelnen
Länder die Vorgaben auch entsprechend umsetzen . Das
ist bisher leider noch nicht in vollem Umfang geschehen .

Bei der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise haben wir
beharrlich das Ziel verfolgt, den Steuerzahler in Zukunft
nicht mehr für die Zockerei der Banken bluten zu lassen .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Antje Tillmann [CDU/CSU])


Mit der Umsetzung der Abwicklungsrichtlinie und den
Bail-in-Regeln müssen in Zukunft die Eigentümer und
die Gläubiger die Haftung übernehmen, nicht die Steuer-
zahler . Aber mit einer gemeinsamen Einlagensicherung
zum jetzigen Zeitpunkt würde dieses Vorhaben unterlau-
fen . Die Gefahr von Fehlanreizen würde deutlich erhöht .


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


– Aber natürlich, liebe Kollegin von den Grünen . – Die
Gefahr von Fehlanreizen würde erhöht . Nationale Politi-
ker könnten dann das Insolvenzregime unterlaufen und
die Haftung abwälzen . Nationale Regierungen könn-
ten den Banken zusätzliche Risiken aufbürden, Banken
schwächen . Andere Länder müssten dann für die Folgen
einer falschen Politik haften . Statt Risiken in den Banken
zu reduzieren, könnten zusätzliche Risiken aufgebaut
werden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen er-
reichen, dass die von Banken für Staaten und die von
Staaten für Banken ausgehenden Risiken weiter deutlich
verringert werden . Risiko und Haftung müssen zusam-
menfallen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir können also feststellen: Das Vorhaben der Kommis-
sion führt nicht zu mehr Stabilität, sondern letztendlich
zu mehr Instabilität in Europa . Dies wollen wir verhin-
dern .

Die Umsetzung des Vorhabens soll nach Auffassung
der Kommission auf Artikel 114 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union gestützt werden,
weil dann eine qualifizierte Mehrheit ausreicht. Mehrere
Rechtsgutachten, unter anderem auch des Wissenschaft-
lichen Dienstes des Bundestages, haben deutlich gezeigt,
dass dies keine tragfähige Rechtsgrundlage ist, weil da-
mit ein neues Finanzierungsinstrument auf europäischer
Ebene geschaffen würde . Wenn dies jemand will, muss er
schon für Einstimmigkeit in Europa sorgen .

Wir wollen eine solche Zwangshaftung jedenfalls
nicht . Wir erwarten, dass sich die Kommission dafür
einsetzt, dass geltendes europäisches Recht auch in allen
Ländern umgesetzt wird . Eine vergemeinschaftete Ein-
lagensicherung kann es erst dann geben, wenn die vor-
handenen Risiken in den Banken abgebaut worden sind,
die Banken in Europa über ausreichend Kapital verfügen,
um im Krisenfall Verluste ausgleichen zu können, und
die nationalen Sicherungstöpfe aufgebaut sind .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag
stärken wir der Bundesregierung für die Verhandlungen
in Brüssel den Rücken und signalisieren der Kommissi-
on, dass sie bei diesem Vorhaben mit falscher Geschwin-
digkeit auf einem falschen Gleis unterwegs ist . Wenn
das, was die Kommission vorhat, so umgesetzt würde,

Manfred Zöllmer






(A) (C)



(B) (D)


dann wäre es so, als ob man einen Vampir zum Chef der
Blutbank machen würde .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815815600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Lisa Paus, Bünd-

nis 90/Die Grünen .


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815815700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einschnei-

dende Finanzkrisen überfordern jedes noch so stabile
nationale System, auch das deutsche . Ich will noch ein-
mal in Erinnerung rufen: Nur in Irland und Griechenland
wurde mehr Steuergeld für die Rettung strauchelnder
Banken ausgegeben als in Deutschland . Unsere Lan-
desbanken waren es, die während der Finanzkrise mehr
von der Freigiebigkeit unseres Finanzministers als von
der viel beschworenen Institutssicherung der Sparkassen
profitierten. Auch die Einlagensicherung der Privatban-
ken wurde von der Pleite des deutschen Ablegers von
Lehman Brothers völlig überfordert . Schon heute besteht
also eine Rückversicherung in Deutschland als Gratis-
leistung des deutschen Steuerzahlers . Aber genau damit,
meine Damen und Herren, muss ein für alle Mal Schluss
sein in Deutschland und in Europa .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen müssen die deutsche Kreditwirtschaft und der
deutsche Finanzminister ihre Fundamentalopposition ge-
genüber einem europäischen Einlagensicherungssystem
endlich aufgeben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Doch auch die Europäische Kommission macht einen
Fehler, wenn sie die schrittweise Vergemeinschaftung
der Einlagensicherung fordert. Wir finden, klüger wäre
eine europäische Rückversicherung der nationalen Töp-
fe, die nur im Falle einer nationalen Überlastung greift .
Ein solches europäisches Rückversicherungssystem bie-
tet ausreichend Sicherung und ausreichend Gestaltungs-
spielraum, um funktionierende nationale Systeme wie
die Institutssicherung der Sparkassen und der Genossen-
schaftsbanken und das in sie bestehende Vertrauen der
Bankkunden zu bewahren. Die Refinanzierung der Rück-
versicherung sollte aus unserer Sicht über risikobasierte
Gebühren der Banken und nicht über nationale Systeme
erfolgen .

Aber was machen Sie? Anstatt dem Ansinnen der
Kommission mit einem vernünftigen Gegenvorschlag,
wie ich ihn gerade skizziert habe, im Geiste der euro-
päischen Gemeinschaft zu begegnen, stoßen Sie unsere
Partner in Europa durch sture Denkverbote nur vor den
Kopf .


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das kann man so nicht sagen!)


Sie poltern in Ihrem Antrag, dass „Vorschläge für die
Errichtung einer europäischen Einlagensicherung, auch
in Form einer Rückversicherung, nicht akzeptabel sind“ .
Warum verbauen Sie hier wertvolle Optionen für die

Zukunft? Wenn Sie sich eine europäische Einlagenver-
sicherung zwar nicht jetzt, aber mittelfristig durchaus
vorstellen können, wie im Ausschuss und auch hier zu
vernehmen war, warum steht das dann nicht im Antrag,
meine Damen und Herren von der Koalition?


(Manfred Zöllmer [SPD]: Weil es einen konkreten Vorschlag der Kommission gibt, der jetzt auf dem Tisch liegt! Genau deshalb!)


Warum stattdessen diese bockige Verweigerungshaltung
mit offenen Drohgebärden gegenüber unseren europäi-
schen Nachbarn? Das ist nicht nur destruktiv . Es ist auch
nicht besonders glaubwürdig für die Sozialdemokratie,
wenn deutsche Sozialdemokraten hier Nein sagen, aber
in Brüssel Ja sagen .


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das soll bei den Grünen auch schon mal vorgekommen sein!)


Das trägt nicht zu Ihrer Glaubwürdigkeit bei und ist auch
gefährlich, meine Damen und Herren . Denn eines hat uns
die Euro-Krise doch gelehrt: Kundeneinlagen bei Ban-
ken müssen sicher sein – überall in Europa .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Und Risikokonzentrationen müssen vermieden werden! Das ist der Punkt an Versicherungssystemen!)


Der integrierte Binnenmarkt und die gemeinsame Wäh-
rung funktionieren nur, wenn 1 Euro bei einer spanischen
Bank nicht weniger wert ist als 1 Euro bei einer deut-
schen Bank . Ansonsten kommt es bei den ersten Anzei-
chen einer Krise zu Kapitalflucht und zu einem sich selbst
verstärkenden Teufelskreis, der das ganze System, auch
das deutsche, gefährden kann . Deshalb brauchen wir
neben der einheitlichen Aufsicht und dem einheitlichen
Abwicklungsfonds zur Vollendung der Bankenunion den
gemeinsamen Fonds zur Rückversicherung der Einlagen .

Leider sind wir Grünen derzeit die einzige Partei, die
hier und in Brüssel dieselbe Position vertreten . Dabei
wissen Sie doch, dass Sie Ihre Blockade gar nicht auf-
rechterhalten können . Der Internationale Währungsfonds
fordert uns dazu auf, die Bankenunion zu vervollständi-
gen .


(Manfred Zöllmer [SPD]: Der sitzt ja auch in Washington!)


Auch die fünf Präsidenten, darunter Herr Juncker, Christ-
demokrat, und Martin Schulz, deutscher Sozialdemokrat,
sagen: Wir brauchen jetzt ein europäisches Einlagen-
sicherungssystem . – Aber was machen Sie? Mit dem
Versuch einer Subsidiaritätsrüge haben Sie beim Thema
Einlagensicherung schon einmal unser Land in Europa
blamiert .


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wie bitte? Wir haben doch überhaupt keine Subsidiaritätsrüge gemacht!)


Was haben Sie daraus gelernt? Weil das mit der Rüge so
gut geklappt hat, drohen Sie jetzt mit einer Subsidiari-
tätsklage . Herzlichen Glückwunsch, meine Damen und
Herren .

Manfred Zöllmer






(A) (C)



(B) (D)


Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Kommissions-
vorschlag – ich sagte es – hat seine Schwächen . Aber wir
sollten daran arbeiten, ihn zu verbessern, und ihn nicht
blockieren . Wir brauchen die dritte Säule . Deswegen las-
sen Sie mich zum Schluss vier Punkte aus grüner Sicht
festhalten:

Erstens . Eine europäische Einlagensicherung ist wich-
tig und richtig, aber als reine Rückversicherung .

Zweitens . Bei den Beiträgen zur Rückversicherung
muss gelten: riskanteres Geschäft, höhere Beiträge .

Drittens . Für den Steuerzahler dürfen keine neuen
Kosten entstehen . Die Beiträge müssen die Auszahlun-
gen langfristig decken .

Viertens . Voraussetzung für die Teilnahme an der
Rückversicherung muss die Umsetzung klarer Haftungs-
und Abwicklungsregeln sein und selbstverständlich auch
die Reduktion nationaler Risiken . Das darf aber kein Vor-
wand sein, Europa vollständig zu blockieren .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich schließe frei nach einem in diesem Hohen Hause
so oft bemühten Satz: Scheitert dieser Koalitionsantrag,
gewinnt Europa . Deswegen: Lehnen Sie ihn ab, meine
Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815815800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Alexander

Radwan .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alexander Radwan (CSU):
Rede ID: ID1815815900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Wir haben heute schon einige Bemerkungen gehört
wie die, dass Europa möglicherweise scheitern wird .
Konzentrieren wir uns auf das, was wir heute themati-
sieren, und schauen wir, ob der in Sonntagsreden immer
wieder gepriesene Kampf für die Regionalbanken auch
in spürbarem Handeln deutlich wird .

Wir haben als Deutscher Bundestag mit unserem ers-
ten Antrag zur Einlagensicherung rechtzeitig unsere Posi-
tion zur Bankenunion bezogen . Es ging um verschiedene
Bereiche wie Abwicklungsmechanismus, Einlagensiche-
rung und Aufsicht . Das ist eine Reihenfolge, die abgear-
beitet werden muss . Dabei tauchte am Horizont auch die
Frage auf: Soll jetzt auch ein Vorschlag für einen Ein-
lagensicherungsfonds entwickelt werden? – Das war die
Ausgangslage vor der entsprechenden Initiative der Eu-
ropäischen Kommission . Deswegen hatte sich der Antrag
damals auch an die Bundesregierung gerichtet .

Jetzt kommunizieren wir über den Vorschlag der Eu-
ropäischen Kommission . Ich halte eine Subsidiaritätsrü-
ge vom Grundsatz her für richtig, da wir so gegenüber
der Kommission signalisieren, was wir zum gegenwärti-
gen Zeitpunkt der Diskussion von diesem Vorschlag hal-
ten . Ich halte es für falsch, im Europäischen Parlament
und im Rat immer nur zuzuschauen, was passiert, und

hier dann bei der Umsetzung zu lamentieren: Was pas-
siert denn jetzt mit den Regionalbanken? Jetzt können
Sie beweisen, dass Sie Beschlüsse mittragen, die den Re-
gionalbanken in der Perspektive helfen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Heute ist der Tag, nicht erst, wenn es um die Umsetzung
geht .


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie doch heute einen konstruktiven Vorschlag und sagen nicht einfach Nein!)


– Ich komme jetzt dazu .

Man muss sich einmal den Ablauf anschauen . Sie
kennen ihn; Frau Kollegin Tillmann hat darauf hinge-
wiesen – darüber sind sich alle Redner einig –: Die Ban-
kenunion baut auf verschiedenen Elementen auf, die erst
vollendet werden müssen . Wir wissen aber, dass die Mit-
gliedstaaten – erstens – noch nicht alles umgesetzt haben .
Es wäre die primäre Aufgabe der Kommission, auf eine
Umsetzung hinzuwirken, bevor sie mit einem nächsten
Vorschlag kommt . Zweitens erleben wir momentan, dass
die entsprechenden Maßnahmen aufgeweicht werden
sollen . Es ist bekannt – nicht erst, seitdem es in den Zei-
tungen steht –, dass Italien und Frankreich ein anderes
Verständnis vom Bail-in haben als der Rat und das Par-
lament . Für diejenigen, die es nicht verstehen: Bail-in
heißt, dass wir zukünftig bei Bankenpleiten nicht mehr
den Steuerzahler heranziehen wollen, sondern die einzel-
nen Haftungen erst einmal vor Ort abgewickelt werden;
dies gilt für mindestens 8 Prozent der Verbindlichkeiten .
In der Kommission wird auf Druck der Mitgliedstaaten
momentan daran gearbeitet, diese Regelung auszuhöh-
len .

Jetzt kommt der Vorschlag der Kommission . Wenn es
nach Ihrer Strategie geht, Frau Kollegin, dann haben wir
am Schluss einen Verordnungsvorschlag der Kommissi-
on, der mit Sicherheit nicht die von Ihnen genannten vier
Punkte berücksichtigen wird . Europa ist – das wissen
Sie – kein Wunschkonzert . Vielmehr wird am Schluss ein
europäischer Kompromiss stehen, der dazu führt, dass
unsere Banken im Rahmen einer Einlagensicherung für
andere Banken und damit auch für entsprechende Staats-
schulden in Haftung genommen werden, bevor das ganze
Konstrukt überhaupt steht .


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei Ihrer Strategie aber nicht anders!)


– Doch, Herr Kollege . Wenn der Verordnungsvorschlag
noch nicht vorliegen würde, könnten wir gar nicht darü-
ber diskutieren und würde er nicht verabschiedet werden .
Sie sagen schlicht und ergreifend, welche Voraussetzun-
gen geschaffen werden müssen, applaudieren aber, wenn
der dritte Schritt vor dem ersten gemacht wird . Hören Sie
mit dieser Heuchlerei auf!


(Beifall bei der CDU/CSU)


400 bis 500 Millionen Euro müssten nach den jetzigen
Kalkulationen des Genossenschaftswesens für die euro-
päische Einlagensicherung aufgebracht werden . Das ist

Lisa Paus






(A) (C)



(B) (D)


ungefähr der Betrag, der zurzeit für die Institutssicherung
gezahlt wird . In der Perspektive werden wir im Genos-
senschaftswesen und im Sparkassenwesen die Diskussi-
on haben, ob man dann nicht gleich in die europäische
Einlagensicherung einzahlen und den anderen Bereich
der Einlagensicherung dafür vernachlässigen sollte . Das
Ergebnis des jetzigen Vorschlags wäre, dass Genossen-
schaftsbanken und Sparkassen doppelt zahlen .

Wir können gerne über „too big to fail“ und andere
Probleme diskutieren . Aber heute ist die Frage: Ist der
Weg, den die Europäische Kommission geht, zum jet-
zigen Zeitpunkt der richtige? Da sagen Sie Ja, mit dem
Ergebnis, dass am Schluss eine Verordnung unmittelbar
mit einem Gesetz umzusetzen sein wird, ohne dass die
anderen Maßnahmen entsprechend umgesetzt sind . Die
Alternative wäre, dass wir als Deutscher Bundestag der
Regierung den Auftrag geben: Stoppen Sie das zum jetzi-
gen Zeitpunkt! Sorgen Sie dafür, dass sich die Kommis-
sion dafür einsetzt, die Bankenunion erst einmal Realität
werden zu lassen!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Uns geht es darum, in diesem Prozess die Regional-
banken zu stärken . Uns geht es darum, sich auf europä-
ischer Ebene dafür einzusetzen – das ist ein wichtiger
abschließender Punkt –, dass die Eigenverantwortung
der Banken und Mitgliedstaaten gestärkt wird . Darum
gilt das, was Wolfgang Schäuble im Rat gesagt hat: Erst
ist die Nullgewichtung der entsprechenden Staatsanlei-
hen durchzusetzen, damit hier eine Vergleichbarkeit vor-
handen ist . Ansonsten wird die Vergemeinschaftung der
Schulden und Risiken in diesem Bereich – davon haben
Sie am Anfang Ihres Beitrags gesprochen – auf die Regi-
onalbanken und die kleinen Banken, die eine hohe Stabi-
lität aufweisen, ausgeweitet, bevor die anderen Maßnah-
men ergriffen sind .

Insofern sage ich Ihnen heute klipp und klar: Setzen
Sie sich nicht nur in Sonntagsreden für die Stärkung der
Regionalbanken ein, sondern kämpfen Sie mit uns, wenn
es notwendig ist, wenn die Zeit dafür gekommen ist –
jetzt ist die Zeit dafür –, dass auf europäischer Ebene
keine Entscheidungen getroffen werden, die unsere Re-
gionalbanken schwächen .

Besten Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815816000

Der Kollege Christian Petry spricht als Nächster für

die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Christian Petry (SPD):
Rede ID: ID1815816100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Ich empfinde es so, als ob es in dieser Debatte eine
Trennlinie gäbe, als ob es darum ginge, pro oder kontra
Europa zu sein . Das gibt der Antrag, den wir heute hier
debattieren, aber überhaupt nicht her . Ganz im Gegenteil:
Es wird ein Antrag verabschiedet, mit dem eine Säule

Europas gestärkt werden soll, mit dem verwirklicht wer-
den soll, was wir schon lange beschlossen haben, aber in
einem seriösen, stabilen System, nämlich nach der Ban-
kenunion, dem Abwicklungsmechanismus und der Auf-
sicht zu einem Einlagensicherungssystem in Europa zu
gelangen . Die Frage ist, ob das sofort geschehen soll und
mit einer Rückversicherung, bei der man die Risiken auf
die Versicherungsbranche überträgt – da kann natürlich
auch einiges schiefgehen; es ist nicht so, als wäre da al-
les prima –, oder ob man zunächst noch die großen Ban-
ken verkleinert bzw . trennt, damit man nicht immer mit
der Systemrelevanz argumentiert . Aber am Ende – Frau
Tillmann hat es vorhin ausgeführt – steht doch der ge-
meinsame Wunsch, ein gemeinsames Sicherungssystem
zu verwirklichen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was hatten wir bisher? Bisher haben wir die Rettung
von Banken – bei uns und in anderen Ländern – über
den Steuerzahler finanzieren lassen. Dann kamen die
Bail-in-Instrumentarien . Bei der Einlagensicherung halte
ich dies für unabdingbar, damit am Ende nicht wieder
der Steuerzahler haftet. Es gibt ja das griffige Argument:
Der deutsche Sparer ist verantwortlich für andere . – Wir
ersetzen „deutscher Sparer“ aber im Moment durch
„deutscher Steuerzahler“, da der im Ernstfall für andere
einspringen muss .


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Hier müssen wir einen Weg finden; Herr Radwan hat das
auch angesprochen . Das System muss in allen Ländern
stabil und sicher sein . Dann kann man es mit den genann-
ten Instrumentarien auf die europäische Ebene heben .
Man kann über alles reden, auch über Versicherungen;
das ist keine Frage . Die Kommission geht diesen Weg
nicht .

Letztlich müssen die notwendigen geschätzten 45 Mil-
liarden Euro, die wir für ein stabiles System brauchen,
am Ende europäisiert durch die Beiträge eingebracht
werden . Deshalb ist es gut, dass wir heute auf die not-
wendigen Vorarbeiten hinweisen . Es gibt drei Punkte, die
teilweise schon genannt wurden:

Zum einen ist die Rechtsgrundlage durchaus frag-
würdig . Sie ist bequem; dagegen kann man nichts sagen .
Aber ist sie wirklich richtig? Der Kollege Dörflinger aus
dem Europaausschuss wird gleich sagen: Wir müssen
über die Ansätze reden . – Das können wir immer . Nur,
arbeiten wir mit solchen rechtlichen Tricks in Europa,
mit intergouvernalen Vereinbarungen, wenn gar nichts
mehr geht, oder müssen wir Europa so weiterentwickeln,
dass wir zu tragbaren Instrumentarien kommen? In die-
sem Fall wurde es genannt: Es ist fragwürdig .

Zum anderen wurde die Folgenabschätzung des Vor-
habens von der Kommission nicht in ausreichendem
Maße eingebracht . Auch das ist zu kritisieren . Das tun
wir; es ist Bestandteil unseres Antrags .

Zum Dritten ist zu erwähnen, dass alle wichtigen Ge-
setze auf der europäischen Ebene, was die ersten beiden

Alexander Radwan






(A) (C)



(B) (D)


Säulen der Bankenunion betrifft, in vielen Staaten noch
nicht umgesetzt sind .

Das sind doch wirklich gute Gründe, zu sagen: Wir
beauftragen die Bundesregierung zum jetzigen Zeit-
punkt, in den Verhandlungen mit der Kommission noch-
mals eine Änderung des Vorgelegten herbeizuführen,
um dann, wenn in Europa tatsächlich alle Hausaufgaben
gemacht sind, zur Vollendung der Bankenunion zu kom-
men .

Ich halte es für eminent wichtig, dass wir die Frage
der Einlagensicherung – weg vom Steuerzahler, hin zur
Haftung und zur Sicherung der Banken untereinander
in einem Einlagensicherungssystem – auf Sicht lösen,
und zwar insgesamt in Europa . Von meiner Seite stellt
sich nur die Frage: Mit welcher Geschwindigkeit tun wir
dies, und was sind die Voraussetzungen? Wir haben die
Voraussetzungen genannt, sie sind in den europäischen
Staaten zu schaffen . Wir sind gerne konstruktiv dabei
und nehmen alle Vorschläge auf . Wir arbeiten hoffent-
lich dauerhaft gemeinsam an dem Ziel, in den nächsten
Jahren ein europäisches Einlagensicherungssystem auf
einen stabilen Weg zu bringen, damit die Bankenunion,
wie wir es bereits beschlossen haben, verwirklicht wer-
den kann .

In diesem Sinne wünsche ich uns gutes Arbeiten .
Glück auf!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815816200

Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der

Kollege Thomas Dörflinger für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1815816300

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da-

men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-
statten Sie mir, dass ich zum Ende dieser Debatte, die
überwiegend von Kolleginnen und Kollegen aus dem Be-
reich Finanzpolitik bestritten worden ist, mit Ausnahme
von Christian Petry als Europapolitiker,


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Er ist auch Finanzpolitiker!)


das, was wir diskutieren, in einen europapolitischen Zu-
sammenhang einordne .

Wir haben gestern im Ausschuss für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union abseits der engeren fi-
nanzpolitischen Agenda gemeinsam mit dem Bundes-
finanzminister über die folgenden Fragen nachgedacht.
Erstens: Was macht die europäische Krise heute im Kern
aus? Zweitens: Was führt uns aus dieser Krise heraus?
Wir waren uns unabhängig von in Nuancen unterschied-
lichen Einschätzungen einig, dass es im Kern eine Ver-
trauenskrise der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den
Institutionen ist, die sich auch darin begründet, dass nicht
jede Entscheidung so ohne Weiteres nachvollziehbar ist,
was in einem direkten Zusammenhang mit dem steht,
was Alexander Radwan eben vorgetragen hat, nämlich

dass man eine zweite Baustelle eröffnet, während die
erste noch nicht abgearbeitet ist . Das ist quasi das Kron-
beispiel für das Zusammenspiel von nationalem und eu-
ropäischem Einlagensicherungssystem: Wenn es hierzu
Vorschläge gibt, die sich nicht nur zeitlich, sondern auch
qualitativ überlappen, dann blickt niemand mehr so rich-
tig durch, was eigentlich gewollt ist .

Ich kann meine Vorredner, egal von welcher Fraktion,
in ihrer Position nur unterstützen, wenn sie sagen: Die ei-
gentliche Kernbotschaft der Finanz- und Bankenkrise der
Jahre 2008 ff . war, dass wir dem alten marktwirtschaft-
lichen Grundsatz, dass Risiko und Haftung zusammen-
gehören müssen, auf Dauer wieder Geltung verschaffen .
Das heißt, dass jedes Mitgliedsland der Europäischen
Union wissen muss, dass es die Verpflichtung hat, das
System der nationalen Einlagensicherung umzusetzen –
was wir in der Bundesrepublik Deutschland schon seit
vielen Jahren mit Erfolg praktizieren –, und dass logi-
scherweise wir, alle 28 Mitgliedstaaten, miteinander in
der Verpflichtung stehen, zunächst einmal der Aufforde-
rung der Europäischen Kommission Genüge zu tun, die-
se nationalen Einlagensicherungssysteme einzurichten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist bislang von einer Reihe von Mitgliedstaaten um-
gesetzt worden – Antje Tillmann hat zu Recht darauf
hingewiesen – und von einer Reihe von Mitgliedstaaten
eben nicht .

Damit kommen wir zu einem zweiten Kernproblem
der Europapolitik: die Kommission als Hüterin der Ver-
träge einerseits und die Kommission als Gesetzgeberin
andererseits . Das muss nicht in jedem Einzelfall zwangs-
läufig zu einem Konflikt führen, aber im vorliegenden
Fall ist das offensichtlich ein Konflikt, weil die Kom-
mission als Hüterin der Verträge eigentlich primär das
Augenmerk hätte darauf richten müssen, dass der Richt-
linienvorschlag zur Errichtung der nationalen Einlagen-
sicherungssysteme zunächst einmal von allen umgesetzt
wird . Wenn man auf die Idee kommt – was meine und
unsere Position nicht ist –, dass es darüber hinaus noch
anderer Maßnahmen bedarf, kann man anschließend da-
rüber nachdenken, aber erst machen wir die eine Bau-
stelle zu . Erst dann diskutieren wir darüber, ob wir eine
zweite Baustelle aufmachen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Zusammenhang kann ich Herrn Zöllmer
nur unterstützen, der gefordert hat, dass wir uns sowohl
unter finanzpolitischen als auch unter europapolitischen
Gesichtspunkten noch einmal mit der Rechtsgrundlage
des Vorschlages befassen . Artikel 114 AEUV, der besagt,
dass die Verhältnisse innerhalb des Binnenmarktes ange-
glichen werden sollten, ist nach meiner festen Überzeu-
gung – da teile ich Ihre Einschätzung – gerade im vorlie-
genden Fall nicht einschlägig . Wenn wir uns im ersten
Schritt zunächst auf die Institute konzentrieren, die Mit-
glied der Bankenunion sind, und es für alle anderen nicht
gilt, dann ist die Folge nicht mehr Wettbewerb, sondern
Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Europäischen Uni-
on . David Cameron geht es bei seinem Vorschlag, der in

Christian Petry






(A) (C)



(B) (D)


einem anderen Zusammenhang gemacht wird, natürlich
genau um diesen Punkt, und er fühlt sich in seiner Auf-
fassung bestätigt . Deswegen macht die Kommission am
Ende des Tages mit ihrem Vorschlag genau das Gegenteil
von dem, was sie eigentlich will .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Manfred Zöllmer [SPD])


Deswegen ist mein Ansatz – ich weiß nicht, ob es Zu-
fall ist, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband
seine Geschäftszahlen für 2015 gerade heute veröffent-
licht hat; vermutlich schon –, dass wir uns gemeinsam
in der Verpflichtung sehen, die gut funktionierenden
Regionalbankensysteme, in der Sparkassenorganisation
genauso wie im Genossenschaftswesen, vor Gefahren,
die ihnen zum Beispiel aus einem solchen Vorschlag der
Europäischen Kommission drohen, zu schützen und ge-
meinsam dafür zu sorgen, dass das positive Ergebnis für
2015, das unsere Sparkassen am heutigen Tag präsentiert
haben – davon profitieren mittelbar letztlich auch Vereine
und Verbände in unseren Wahlkreisen –, dieser und ver-
gleichbarer Organisationen auch in Zukunft in der Weise
erhalten bleibt, dass sie ihrer Verpflichtung gegenüber
der Allgemeinheit nachkommen können .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815816400

Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf Drucksa-
che 18/7644 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung
der Verordnung (EU) Nr . 806/2014 im Hinblick auf die
Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungs-
systems, hier: Politischer Dialog mit der Europäischen
Kommission . Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich
um ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Gibt es
Enthaltungen? – Der Antrag ist damit mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen .

Damit verlassen wir diesen Tagesordnungspunkt, und
ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Cem
Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Peter
Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erinnerung und Gedenken an den Völker-
mord an den Armeniern vor 100 Jahren

Drucksache 18/7648

Über diesen Antrag – darauf weise ich jetzt schon
hin – werden wir später namentlich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
oder abweichende Meinungen sehe ich keine . Dann ist
das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem
Redner das Wort dem Kollegen Cem Özdemir für Bünd-
nis 90/Die Grünen .


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815816500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute be-

fassen wir uns zum zweiten Mal in dieser Legislaturperi-
ode mit dem Völkermord an den Armeniern, den Aramä-
ern, den Assyrern und anderen christlichen Minderheiten
wie den Chaldäern und den Pontusgriechen, der vor
100 Jahren im Osmanischen Reich stattgefunden hat .

Das war bereits vor 100 Jahren Thema im Reichstag .
Eduard Bernstein und Karl Liebknecht, damals noch
Mitglieder der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das waren noch Zeiten!)


haben die Reichsregierung zum Handeln gegen die
drohende Ausrottung ihrer christlichen Mitbrüder und
-schwestern aufgefordert – vergeblich . Es gab übrigens
auch einen prominenten Katholiken und Zentrumspoli-
tiker, Matthias Erzberger, der versuchte, zu retten, was
nicht mehr zu retten war . Die Reichsregierung hatte sich
für eine Politik entschieden, die man heute wohl als die
zynische Variante der Realpolitik bezeichnen würde .
Es ging darum, einen Verbündeten, den man dringend
brauchte, koste es, was es wolle, bei der Stange zu halten .
Wenn man die Zeitungen von heute liest, kommt einem
manches davon ziemlich bekannt vor; denn auch aktuell
geht es für die Bundesregierung vor allem darum, den
türkischen Staatspräsidenten – das Thema von heute ist
ein Beispiel dafür – auf keinen Fall zu verärgern .

Nach der allseits gelobten Debatte vom 24 . April des
vergangenen Jahres haben wir, Koalitionsabgeordnete
wie Oppositionsabgeordnete, uns in die Hand verspro-
chen, dass wir den Geist dieser Debatte und die Worte
unseres Bundespräsidenten, aber auch die Worte unseres
Bundestagspräsidenten – ich will mich für deren Gradli-
nigkeit hier noch einmal ausdrücklich bedanken -


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Karamba Diaby [SPD])


in einen interfraktionellen Antrag münden lassen .

Der Antrag, der heute vorliegt, ist das Resultat dieses
Prozesses . Sie wissen es: Wir haben mit den Kollegen
der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gemein-
sam verhandelt . Leider haben dann die Spitzen der Ko-
alitionsfraktionen beschlossen, dass dieser Antrag nicht
gemeinsam eingebracht werden soll, aus Furcht – man
muss sagen: aus vorauseilendem Gehorsam –, weil das
Herrn Erdogan möglicherweise verärgern könnte .

Dazu muss man wissen: Nach dem 24 . April letzten
Jahres gab es gar keine Reaktion aus der Türkei . Das
heißt, Sie spannen den Schirm schon auf, bevor es reg-
net . Wir von Bündnis 90/Die Grünen stehen zu diesem
Kompromiss . Er war damals übrigens vor allem für uns
ein Kompromiss . Denn dieser Antrag besteht zu weit
über 80 Prozent aus Ihrem ursprünglichen Antrag, er-
gänzt um wenige Spiegelstriche von uns und die Rede
des Bundespräsidenten . Ich kann nicht verstehen, warum

Thomas Dörflinger






(A) (C)



(B) (D)


man diesem Antrag nicht zustimmen kann, sehr verehrte
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will auch das sehr klar sagen: Was der Deutsche
Bundestag debattiert und beschließt, kann und darf ein-
zig und allein hier in Deutschland entschieden werden .
Kein ausländischer Staatspräsident hat zu entscheiden,
was in Deutschland beschlossen wird, und keine Vorlage
dieses Parlamentes darf ausländischen Staatsleuten zur
Vorlage gemacht werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da machen? Ist Ihnen
klar, welche Einladung Sie damit im Hinblick auf künf-
tige Beratungen des Bundestages aussprechen? Ich frage
mich auch, welches Geschichtsverständnis dem eigent-
lich zugrunde liegt, wenn man weiß, welche Mitverant-
wortung wir als Rechtsnachfolger des Deutschen Kaiser-
reiches für die Vernichtung der Armenier haben . Allein
die historische Verantwortung und das Geschichtsbe-
wusstsein sollten dazu führen, dass Sie heute gemeinsam
mit uns stimmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wahrscheinlich
auch das Argument des falschen Zeitpunkts kommen
wird: Ich weiß, für diese Frage gibt seit 100 Jahren kei-
nen richtigen Zeitpunkt .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, richtig!)


Übrigens: Bei einem interfraktionellen Antrag hätten Sie
den Zeitpunkt bestimmen können; Sie hätten das völlig
in der Hand gehabt . Ich hätte allem zugestimmt – Haupt-
sache, wir machen das interfraktionell und setzen damit
jenseits der Parteipolitik ein Zeichen, dass dieses Par-
lament in Gänze nach 100 Jahren für das, was damals
Schreckliches geschehen ist, Verantwortung übernimmt .

Vielleicht ist der Unterschied zwischen Ihrer und un-
serer Definition von Realpolitik – ich glaube, ein biss-
chen verstehe ich von diesem Thema –, dass unsere keine
zynische, sondern eine wertegeleitete Realpolitik ist . Das
würde ich mir bei diesem Thema auch bei Ihnen wün-
schen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen, meine Herren, um auch das sehr klar
zu sagen: Das Schicksal von Armeniern und von Christen
in der Türkei darf nicht mit dem verrechnet werden, was
aktuell in der Flüchtlingspolitik geschehen muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich zum Schluss, da ich nur wenig
Redezeit habe, den armenischen Erzbischof Karekin
Bekdjian, den Primas der Diözese der Armenischen Kir-
che in Deutschland, der mir folgende Zeilen geschrieben
hat, zitieren:

Unser Ziel ist Wahrheit und Versöhnung . In der
Türkei erhebt die Zivilgesellschaft ihre Stimme . Sie
setzt sich mit der eigenen Geschichte offen ausei-
nander – trotz drohender Unterdrückung seitens des
Staates . Ein klares Signal aus Deutschland würde
diese Kräfte stützen und den Dialog, auch den in-
nertürkischen, stärken . Denn wahre Demokratie be-
ginnt mit Bekenntnis . Deutschland kann einen spür-
baren Beitrag zu Wahrheit und Versöhnung leisten,
wenn es die Wahrheit gemäß der UN-Genozidkon-
vention ausspricht .

Ich zitiere weiter:

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, han-
deln Sie am 25 . Februar 2016 im Sinne der Wahr-
heit!

Diesen Worten der Verständigung und der Versöhnung
habe ich nichts hinzuzufügen .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815816600

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Klaus

Brähmig .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1815816700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für

mich steht außer Frage: Die planmäßige Vertreibung und
Vernichtung von über 1 Million ethnischer Armenier
durch das jungtürkische Regime 1915 war ein Völker-
mord . Leider ist er nicht der einzige geblieben, an dem
Deutschland im 20 . Jahrhundert direkt oder indirekt be-
teiligt war . Wir als Regierungskoalition und wahrschein-
lich das ganze Hohe Haus gedenken in Respekt der Op-
fer und wissen um die Verantwortung, die damaligen
Verbrechen weder zu verdrängen noch zu beschönigen .
Als Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertrei-
bung, Versöhnung werde ich mich persönlich mit meinen
Kollegen bei der Konzeption der Dauerausstellung im
Deutschlandhaus dafür einsetzen, dass diese historische
Katastrophe für das stolze armenische Volk eine ange-
messene Würdigung erhält .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nicht auch im Parlament?)


Selbstverständlich dürfen wir als Deutsche niemanden
über den Umgang mit seiner Vergangenheit belehren . Al-
lerdings können wir auf unsere Erfahrung hinweisen, und
alle Völker, die Schuld auf sich geladen haben, ermuti-
gen, sich der eigenen Geschichte zu stellen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hätten wir heute gemeinsam machen können!)


Das haben wir Deutsche nach anfänglich heftigen Ver-
drängungsversuchen wie kein anderes Volk getan . Inso-

Cem Özdemir






(A) (C)



(B) (D)


fern können wir uns heute beim Thema „Aufarbeitung
von Vergangenheit“ durchaus als Vorbild sehen,


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, können wir nicht! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Vorbild sind wir nicht!)


aber mit verflixt viel Abstand zum Kriegsende. Deswe-
gen können wir sagen, dass nur ein selbstkritisches Be-
kenntnis zur Wahrheit eine Chance auf Versöhnung er-
öffnet .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815816800

Herr Kollege Brähmig, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Liebich?


Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1815816900

Ja, bitte .


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815817000

Vielen Dank, Herr Kollege Brähmig, dass Sie die Zwi-

schenfrage zulassen . – Mit Blick auf das Selbstbewusst-
sein Deutschlands und seine eigene Geschichte habe ich
eine Frage bezüglich des Völkermordes an Sie, den das
Deutsche Reich an den Herero und Nama in den Jahren
1904 bis 1908 in seiner damaligen Kolonie Deutsch-Süd-
westafrika – das ist heute Namibia – begangen hat . Bis
heute scheut der Deutsche Bundestag in Gänze, diesen
Völkermord als genau das zu benennen, was er ist: ein
Völkermord . Ich wundere mich schon, wie Sie sagen
können, dass wir hier allen Anlass haben, selbstbewusst
anderen Ländern zu sagen, wie sie handeln müssen . Also
wann wird auch die CDU/CSU-Fraktion bereit sein, eine
Entschließung des Bundestages zu unterstützen, die die-
sen Völkermord auch als Völkermord benennt?


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1815817100

Herr Kollege Liebich, das ist heute nicht das Thema .

Ich denke, zu gegebener Zeit kann man auch darüber
sprechen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zugleich ist dieses
Verhalten Grundvoraussetzung, aus der Geschichte für
die Zukunft zu lernen und die Fehler nicht zu wieder-
holen . Dabei verweise ich ausdrücklich auf die aktuel-
le Situation in der Levante . Wir als Deutsche können in
diesem Fall schon gar nicht mit erhobenem Zeigefinger
auftreten, da die deutsche Reichsregierung über die türki-
schen Gräueltaten umfassend informiert war,


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)


dem Massaker aber tatenlos zusah . Wer diese Mitschuld
leugnet, verliert seine Glaubwürdigkeit gegenüber den
beteiligten Nationen Armenien und Türkei .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Bereits in der Plenardebatte des letzten Jahres ha-
ben sich alle demokratischen Parteien deutlich zu den
Geschehnissen positioniert . Unzweifelhaft haben alle

Fraktionen die damaligen Geschehnisse historisch als
Völkermord eingeordnet . Insofern mag zwar der heuti-
ge zusätzliche Antrag von Bündnis 90/Die Grünen durch
Verschriftlichung der weiteren Klarheit dienen . Gleich-
zeitig bezweifle ich aber, dass ein Beschluss zum jetzi-
gen Zeitpunkt unserem gemeinsamen Ziel – dem einer
sachlichen Aufarbeitung in der Türkei durch die Türkei –
dienen wird .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also doch der falsche Zeitpunkt! Es ist immer der falsche Zeitpunkt!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Realität in der
Diskussion lautet: Wer sich mit dem Thema „Völker-
mord an den Armeniern“ auseinandersetzt, klagt nieman-
den an, der heute noch lebt . – So wie wir Deutsche uns
gegen die Erbschuldthese nach dem Zweiten Weltkrieg
gewehrt haben, so müssen die Türkei und die Türken
nicht befürchten, dass ihnen und ihren Enkelkindern die
Schuld aufgeladen wird .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!)


Die heutige Regierung in der Türkei ist nicht für das
verantwortlich, was vor 100 Jahren geschah . Sie kann
aber dafür Sorge tragen, dass eine unrühmliche Vergan-
genheit in eine gute Zukunft gewendet werden kann . Die-
se Sensibilität für Geschichte könnte der Türkei auch bei
der Lösung innenpolitischer Probleme behilflich sein.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha, es gibt also doch genau diesen Zusammenhang!)


Von uns muss auch ausdrücklich anerkannt werden,
dass gerade die Türkei mit der Aufnahme von weit über
2 Millionen syrischen Flüchtlingen eine gewaltige huma-
nitäre Hilfeleistung erbringt . Dies kann meines Erachtens
aber nicht dazu führen, dass wir völlig unkritisch mit-
einander umgehen . Aber Diplomatie ist auch eine Aner-
kennung des Machbaren und eine Analyse der eigenen
Interessen . Deshalb brauchen wir keine Anträge, die ein-
seitig zum türkeikritischen Signal hochstilisiert werden
könnten . Wir als deutsche Volksvertreter haben derzeit
doch ein besonderes Interesse daran, die Zusammenar-
beit mit der Türkei zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
fortzusetzen . Damit meine ich nicht nur, dass die Türkei
beim Stopp des Flüchtlingsstroms Verantwortung über-
nimmt .

Zur Wahrheit gehört doch auch, dass sich der Groß-
teil der Syrer immer noch Hoffnung auf eine Zukunft
im eigenen Land macht . Insofern sollten wir durch eine
schnelle Bereitstellung von deutlich höheren Finanzmit-
teln den Menschen einen menschenwürdigen Verbleib in
der Türkei ermöglichen, bis Syrien befriedet ist .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir reden gerade über den Völkermord an den Armeniern!)


Nach meinen Informationen sieht auch die Genfer
Flüchtlingskonvention idealtypisch immer eine krisen-
nahe Unterbringung für Flüchtlinge vor . Das wäre ein
Erfolg, denn die risikoreiche Reise würden sich die Men-

Klaus Brähmig






(A) (C)



(B) (D)


schen – gerade auch Familien – ersparen, und nach einer
erfolgreichen Befriedung fiele die Rückkehr viel leichter.
Auch könnte damit den Schleusern, Schleppern und kri-
minellen Organisationen das Handwerk gelegt werden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts unserer
eigenen Geschichte kann ich nur sagen: Aufarbeitung
der Vergangenheit ist besonders effizient und nachhaltig,
wenn sie aus eigenem Antrieb geschieht . Insofern dürfen
wir die Türkei zu einer kritisch-historischen Selbstrefle-
xion einladen . Erfolg wird dieses Projekt aber erst dann
zeigen, wenn die türkische Bevölkerung selber Fragen
stellt und trotzdem selbstbewusst in die Zukunft schaut .

Sie als Angehörige der Partei der Grünen, die immer
alles hofft und an das Gute im Menschen appelliert, soll-
ten hier einmal mehr auf Hoffnung setzen . Ich habe die
Hoffnung, dass in zukünftigen Jahren auch in der Türkei
eine Jugend vorhanden ist, die mehr Offenheit für histo-
rische Wahrheit und Versöhnung zeigt .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich spreche über die Zivilgesellschaft, im Gegensatz zu Ihnen! Sie fallen der Zivilgesellschaft in den Rücken!)


Das geschieht jedoch nur dann, wenn kein Druck von au-
ßen ausgeübt wird .

Dem Ziel des Antrages bleiben wir aufgeschlossen ge-
genüber und sehen es als notwendig an . Gleiches gilt für
die Partnerschaft mit dem armenischen Volk und seinen
aktuellen Herausforderungen .

Aus den oben genannten Gründen können meine
Fraktion und ich diesem Antrag heute nicht zustimmen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815817200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815817300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im ver-

gangenen Jahr waren sich in der Tat alle Fraktionen und
Redner hier einig, dass es sich bei den Massakern und
den Vertreibungen von 1,5 Millionen Armeniern um ei-
nen Völkermord handelt . Es würde diesem Hause wirk-
lich gut anstehen, diese Einigkeit in einen gemeinsamen
Antrag münden zu lassen . Die Grünen setzten sich aber
nur mit den Regierungsfraktionen zusammen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lag nicht an uns, Ulla! Die wollten nicht mit euch!)


Die Linke, die damals als PDS eine der ersten Fraktionen
war, die dieses Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt

haben, wurde einfach außen vor gelassen. Das finde ich
wirklich beschämend .


(Beifall bei der LINKEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich war bereit, selbst das für einen Kompromiss zu akzeptieren!)


Um den türkischen Despoten Erdogan vor der erhoff-
ten Flüchtlingsabschottung nicht zu verärgern, hat die
Bundesregierung das Thema Armenien nun in der Tat auf
Eis gelegt . Ganz offenbar – das ist wirklich ein Skandal –
lässt sich die Bundesregierung von Ankara diktieren,
welche Anträge hier zur Abstimmung gebracht werden .

Der jetzt von den Grünen vorgelegte Antrag weist
leider zwei entscheidende Schwächen auf: Zum einen
drückt er sich vor einer klaren Einordnung der Vernich-
tung der Armenier als Völkermord, und zum anderen ver-
harmlost er die deutsche Mitverantwortung daran .

In der Überschrift wird der Völkermord zwar benannt,
doch im Antragstext heißt es nur verwaschen, das Schick-
sal der Armenier stehe – ich zitiere – „beispielhaft für
die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen
Säuberungen, der Vertreibungen, ja, der Völkermorde,
von denen das 20 . Jahrhundert auf so schreckliche Weise
gekennzeichnet ist“ .

Ich möchte hier auf den polnischen Juristen Raphael
Lemkin verweisen . Dieser hat sich bei seiner Ausarbei-
tung der UN-Konvention gegen Völkermord von 1948
ausdrücklich – neben dem Holocaust – auf den Arme-
niergenozid bezogen .

Meine Damen und Herren, ohne das deutsch-türki-
sche Bündnis im Ersten Weltkrieg wäre der Völkermord
an den Armeniern so nicht möglich gewesen . Das haben
zahlreiche Historiker nachgewiesen . Hohe deutsche Of-
fiziere sprachen sich für die Vernichtung der Armenier
aus . Einige unterzeichneten Deportationsbefehle und lie-
ßen armenische Stadtviertel beschießen . Ein deutsches
U-Boot rettete jungtürkische Verantwortliche vor der
drohenden Strafverfolgung .

Darüber findet sich in dem heute vorgelegten Antrag
kein Wort . Beklagt wird lediglich „die unrühmliche Rolle
des deutschen Reiches“, das nicht einmal versucht habe,
dieses Verbrechen zu stoppen . Das ist eine massive Ver-
harmlosung der deutschen Rolle . Es handelt sich hier
vielmehr um Beihilfe zum Völkermord .

Um zur Aussöhnung von Türken und Armeniern bei-
zutragen, müssen wir uns erst einmal vorbehaltlos zur
ganzen deutschen Mitverantwortung bekennen . Alles an-
dere wäre unglaubwürdig und kontraproduktiv .


(Beifall bei der LINKEN)


Einer solchen Geschichtsklitterung, wie sie im Antrag
der Grünen hier heute vorliegt, werden wir nicht zustim-
men können . Wir werden uns enthalten . Zum Jahrestag
im April werden wir unseren Antrag, den wir vor einem
Jahr hier eingebracht haben, erneut zur Debatte stellen .

Jetzt noch einiges zur aktuellen Situation: Heute führt
die türkische Regierung wieder einen erbarmungslosen
Krieg im eigenen Land . Panzer beschießen kurdische

Klaus Brähmig






(A) (C)



(B) (D)


Städte, Zivilisten werden lebendig verbrannt, Hun-
derttausende sind auf der Flucht, darunter aramäische
Christen, deren Vorfahren den Genozid überlebt hatten .
Auch die historische armenische Sankt-Giragos-Kirche
in Diyarbakir wurde gerade von türkischen Soldaten
zerstört . Indessen fordert der Bundesinnenminister, man
solle die Türkei als Gegenleistung für die Flüchtlingsab-
schottung nicht mehr kritisieren .


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich! Das hat er doch so überhaupt gar nicht gesagt!)


– Das hat er genau so gesagt: dass wir uns zurückhalten
sollen .


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


Das erinnert an einen deutschen Reichskanzler von
1915, der Kritik am türkischen Bündnispartner mit den
Worten untersagte:

Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des
Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob
darüber Armenier zu Grunde gehen . . .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815817400

Frau Kollegin Jelpke .


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815817500

Ich komme zu meinem letzten Satz .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815817600

Nein, Sie haben mich jetzt missverstanden . Ich woll-

te Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Weiler gestatten .


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815817700

Ja, bitte .


Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1815817800

Sehr geehrte Frau Jelpke, danke, dass Sie die Zwi-

schenfrage zulassen . – Ich kenne die Intention und die
Ansicht der Linken zu dem Land Armenien, aber auch
zu der Türkei sehr gut, das können Sie mir glauben . Als
Präsident des Deutsch-Armenischen Forums wünschte
ich mir auch so schnell wie möglich eine Lösung in der
Sache .

Ich glaube aber, dass das Thema Genozid zu wichtig
ist, als dass man es zum Spielball der Politik werden lässt .
Bald wird bei uns gewählt . In Baden-Württemberg gibt
es circa 5 000 Wählerinnen und Wähler, die selber oder
deren Nachfahren armenischer Herkunft sind . Es wird
der Sache nicht gerecht, wenn man zu diesem Zeitpunkt
die Regierungskoalition vor sich hertreiben und nur aus
diesem Grunde eine schnelle Entscheidung haben will .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten den Zeitpunkt bestimmen können! Das wissen Sie!)


Ein Antrag der Koalition zu diesem Thema ist fertig,
sodass wir ihn in Kürze einbringen könnten .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Hurtig, hurtig!)


Ich glaube, die Art und Weise der Polemik und des Vor-
führens der Regierungskoalition passen nicht dazu . Dazu
ist das Thema viel zu wichtig . Wir werden den Antrag der
CDU/CSU-Fraktion baldigst einbringen . Ich würde ihm
dann zustimmen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Respekt! Dem eigenen Antrag!)


Jetzt aber die Frage an Sie . Wenn wir unseren Antrag
einbringen, werden dann auch Sie diesem Antrag zustim-
men? Sie haben gesagt, Sie werden sich bei der Abstim-
mung über den vorliegenden Antrag enthalten, weil Sie
einen eigenen Antrag vorlegen wollen . Sie hätten heute
die Möglichkeit, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen .
Sie haben aber auch später die Möglichkeit, dem CDU/
CSU-Antrag zuzustimmen . Wenn Ihnen die Sache so
wichtig ist, tun Sie das und zeigen Sie Gesicht . Ich wäre
Ihnen dafür sehr dankbar .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ulla, was hast du ihm bezahlt?)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815817900

Herr Kollege, erster Punkt . Wenn Sie genau diesen ei-

nen Antrag vorlegen sollten, ist die Frage, ob die Kritik,
die ich hier sehr deutlich formuliert habe, darin berück-
sichtigt wird . Es geht darum, den Mord an dem armeni-
schen Volk eindeutig so zu bezeichnen und nicht so ver-
nuschelt zu formulieren .

Zweiter Punkt . Es geht darum, die deutsche Mitbetei-
ligung und Mitverantwortung, die Rolle, die Deutschland
dabei gespielt hat, aufzuarbeiten und sich dazu zu beken-
nen . – Das ist der erste Schritt, um zu einer wirklichen
Verständigung bzw . zu Frieden zwischen Armeniern und
Türken zu kommen .

Dritter Punkt. Ich finde sehr wohl, dass die aktuelle
Situation in der Türkei/Kurdistan genau damit etwas zu
tun hat . Sie verschieben den Antrag und legen das Thema
auf Eis, weil Sie Erdogan nicht verärgern wollen. Ich fin-
de es schon schlimm genug, dass diese Bundesregierung
aus vielerlei Gründen zu dem verbrecherischen Krieg
schweigt, den Erdogan in der Türkei/Kurdistan führt . Ich
habe hier gesagt: Es werden Menschen bei lebendigem
Leibe verbrannt. Fast über 200 000 Menschen fliehen
aus dieser Region . Ihre Politik, was die Türkei angeht,
ist wirklich ein Skandal . Deswegen meine ich, dass es
richtig ist, auf die aktuelle Situation hinzuweisen und zu
zeigen, warum und weshalb die Bundesregierung sich so
verhält .

Man muss auch klar sagen: Die Bundesregierung steht
in dieser Tradition . Auch heute wieder – ich habe gera-
de zitiert, was der damalige Reichskanzler 1915 gesagt
hat –: Sie schweigen, damit die Flüchtlingsabschottung
funktioniert . Das geht mit uns nicht .

Damit ist meine Rede zu Ende .

Ulla Jelpke






(A) (C)



(B) (D)


Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815818000

Als Nächster spricht der Kollege Dietmar Nietan für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1815818100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am

24 . April 1915 begann in Konstantinopel das, was sich
zu einem Völkermord am armenischen Volk entwickel-
te . Dort wurden Menschen verhaftet und verschleppt, die
nichts, aber auch gar nichts angestellt hatten . Der Grund,
warum sie verfolgt wurden, war einzig und allein, dass
sie Armenier sind .

Es begannen Verschleppungen, Vertreibungen und
Vergewaltigungen schlimmster Art . Viele der Menschen,
denen man erst ihre Ehre und dann ihr Leben genommen
hat, haben noch nicht einmal ein Grab, weil sie einfach
in die Wüsten getrieben wurden, wo sie am Ende elendig
verhungerten, verdursteten und starben .

Es war deshalb gut und richtig, dass genau am 24 . Ap-
ril 2015 zum 100 . Jahrestag des Völkermords an den Ar-
meniern der Deutsche Bundestag in einer, wie ich finde,
sehr bewegenden Debatte sich dieses Themas angenom-
men hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Debatte war davon geprägt, dass so deutlich wie
noch nie in diesem Hohen Hause Vertreter aller Fraktio-
nen das, was geschehen ist, auch so benannt haben, wie
es sich gehört, nämlich dass es dort einen Völkermord
gegeben hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es war, glaube ich, auch eine Debatte, die aus mei-
ner Sicht deshalb eine Sternstunde des Parlamentarismus
war, weil die Rednerinnen und Redner in dieser Debat-
te mit ihren Wortbeiträgen wirklich versucht haben, ein
würdiges und ernsthaftes Gedenken an die Opfer zum
Ausdruck zu bringen . Denn das sollte am 100 . Jahrestag
im Vordergrund stehen .

Es war aber nicht nur deshalb eine Sternstunde, weil
es gute Redebeiträge von allen Kolleginnen und Kolle-
gen gab, sondern auch – ich habe es schon betont –, weil
der Bundestag zwar noch nicht in einer schriftlichen Ent-
schließung, aber in dieser Debatte keinen Zweifel daran
gelassen hat, dass es sich hierbei um einen Völkermord
gehandelt hat .

Es war für mich auch deshalb eine Sternstunde des
Parlaments, weil es für mich auch eine Art Selbstbehaup-
tung des Parlamentarismus war, auch dann heiße Eisen
anzufassen und klar zu formulieren, wenn vielleicht der
eine oder andere in der Bundesregierung das nicht so ger-

ne sieht. Ich finde, dass das einem Parlament auch gut
ansteht . Das Parlament ist nicht der verlängerte Arm ei-
ner Regierung, sondern ein eigenständiges Verfassungs-
organ .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin sehr unglücklich darüber, dass wir heute in
der Situation sind, die sich in dieser Debatte ausdrückt,
weil wir alle gemeinsam – ich will da überhaupt keine
Schuldzuweisungen aussprechen – es nicht geschafft
haben, nachdem wir einen so guten Auftakt hatten, mit
dieser Debatte möglichst schnell auch zu einem gemein-
samen Antrag zu kommen, der sicherlich der Sternstunde
des Bundestages am 24 . April 2015 gewissermaßen noch
eine Krone aufgesetzt hätte .


(Dr . Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Wir hätten damals abstimmen sollen!)


Ich finde, dass die heutige Debatte auch deshalb keine
Sternstunde des Parlamentarismus ist – ich habe die gro-
ße Sorge; ich unterstelle niemandem, dass das gewollt
ist –, weil die heutige Debatte in der Art, wie sie geführt
wird, nicht dem Anspruch gerecht wird, das Gedenken
an die Opfer in den Mittelpunkt einer solchen Debatte
zu stellen .

Ich halte es für völlig legitim, dass eine Fraktion in die-
sem Hause sagt: Diese Herumeierei und dieses Warten,
wenn über vorliegende Anträge nicht abgestimmt wird,
machen wir nicht mehr mit, und deshalb bringen wir
einen Antrag – der sogar durchaus konsensfähig wäre –
erneut ein . – Dagegen ist nichts zu sagen . Es gehört zu
den Aufgaben und ist auch die Pflicht von Oppositions-
fraktionen, da, wo sie kritische Punkte sehen – auch in
parlamentarischen Debatten –, die Bundesregierung zu
kritisieren, etwa dann, wenn sie das Gefühl haben, dass
die Bundesregierung in ihren Äußerungen zum Beispiel
gegenüber der Türkei nicht klar genug ist .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach einem Jahr Warten und Verhandeln!)


Natürlich ist es richtig, dass man mit dem Satz „Es ist
nicht der richtige Zeitpunkt“ alles auf den Sankt-Nim-
merleins-Tag verschieben kann . Aber ich glaube, es ist
auch richtig, zu sagen – und ich will es deutlich ausspre-
chen –, dass mit einer Entschließung zu diesem Thema
zehn Tage vor einem EU-Türkei-Gipfel niemandem ge-
dient ist, weder den Problemen, die wir dort lösen wol-
len, noch dem Gedenken an das armenische Volk .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt ein Jahr Zeit gehabt!)


Der Antrag, der eingebracht wurde, trägt die, wie ich
finde, sehr treffende und gute Überschrift „Erinnerung
und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern
vor 100 Jahren“ . Aber wir merken in dieser Debatte: Wir
debattieren heute weniger über den Völkermord und das
Gedenken daran als über die Frage – diese ist durchaus
legitim –, ob sich die Bundesregierung richtig verhält .

Ulla Jelpke






(A) (C)



(B) (D)


Aber hätte es dazu der Aufsetzung eines Antrags über
einen Völkermord bedurft, oder hätte man besser zum
Beispiel in einer Aktuellen Stunde oder in einem Ent-
schließungsantrag auf dieses Thema hinweisen können?
Mir bereitet Sorge, dass dieser gut formulierte Antrag zu
einem Vehikel für etwas wird, was eigentlich nicht Inhalt
dieses Antrags ist . Dann kommen wir zu einem Punkt,
wo es schwierig wird, in der heutigen Debatte dem Ge-
denken an die Opfer gerecht zu werden .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815818200

Herr Kollege Nietan, lassen Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Haßelmann zu?


Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1815818300

Ja, bitte .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815818400

Bitte .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815818500

Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank, Herr

Nietan, für die Zulassung der Zwischenfrage . – Meine
Frage an Sie lautet: Mein Kollege Cem Özdemir hat
mehrfach darauf hingewiesen, dass unser Antrag nicht
vom Himmel gefallen ist, sondern dass wir seit fast ei-
nem Jahr mit allen anderen Fraktionen darüber diskutie-
ren, wie wir uns als Parlament zu dieser Frage verhalten,
und zwar gemeinsam und nicht nur durch Redebeiträge .
Sie haben gerade betont, heute sei nicht der richtige Zeit-
punkt . Wann ist denn der richtige Zeitpunkt aus Sicht der
SPD-Fraktion?


Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1815818600

Vielen Dank für die Frage. – Ich finde, dass wir unsere

Aufgabe verfehlen würden, wenn wir nicht vor Ablauf
des Gedenkjahres, also vor dem 24 . April dieses Jahres,
zu einer klaren Entscheidung des Bundestages kämen .
Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, dass wir
uns als Parlament damit auseinandersetzen und eine mit
möglichst breiter Mehrheit getragene Entschließung tref-
fen . Das ist meine Antwort .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Interfraktionell oder nur Große Koalition?)


– Cem, ich gehe darauf gleich noch ein .

Ich wiederhole: Das ist heute eine unglückliche Situ-
ation. Ich finde es schade, dass es nicht möglich war, in-
terfraktionell zu vereinbaren, dass diese Sitzungswoche
nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Diskussion
ist und dass eine Verschiebung besser ist . Ich betone noch
einmal: Ich will auf niemanden zeigen . Ich glaube, dass
wir uns alle nicht mit Ruhm bekleckert haben . Wir hätten
verhindern können, in die heutige Situation zu kommen .
Nun kommt es dazu – das wissen wir alle; das weißt du
auch, Cem –, dass die Koalitionsfraktionen dem Antrag
von Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen werden .
Die Fraktion Die Linke wird sich enthalten .

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass dieser
Antrag heute nicht aus inhaltlichen Gründen keine Mehr-
heit findet. Ich hoffe zudem, dass der eine oder andere
Nationalist in der Türkei nicht auf die Ablehnung durch
den Deutschen Bundestag hinweist und behauptet, jetzt
sehe man, wie weit man damit gekommen sei . Ich will
denjenigen in der Türkei, die solche Gedanken hegen,
deutlich sagen: Die Tatsache, dass die Beratungen über
diesen Antrag bisher nicht so richtig rundgelaufen sind,
sollte niemanden in der Türkei darüber hinwegtäuschen,
dass die Zeit, mit Drohungen die Auseinandersetzung mit
der geschichtlichen Verantwortung der türkischen Regie-
rung und des türkischen Volkes hinauszuzögern, vorbei
ist . Es wurde gesagt, dass es weite Teile der türkischen
Zivilgesellschaft und viele andere Menschen auf der Welt
satt haben, dass man sich nicht mehr der geschichtlichen
Verantwortung stellt . Deshalb hoffe ich sehr, dass wir bis
zum 24 . April dieses Jahres zu einem Antrag kommen .
Ich würde mich freuen, wenn es ein gemeinsamer Antrag
wäre, gar keine Frage . Wir müssen das auch tun, weil es
unsere Verantwortung gegenüber den Opfern ist, keinen
Zweifel daran zu lassen, dass sich die Bundesrepublik
Deutschland ihrer Mitverantwortung für das, was damals
geschehen ist, stellt . Diese Mitverantwortung hat es ge-
geben .

Ich hoffe, dass es mit einem Beschluss in diesem Jahr
nicht zu Ende ist . Ich würde mir sehr wünschen, dass wir
überlegen, welchen Beitrag wir auch mit der täglichen
Arbeit leisten können, um etwas dazu beizutragen, dass
der Völkermord und die geschichtliche Wahrheit nicht
unter den Teppich gekehrt werden können .

Deshalb fände ich es nicht schlecht, zum Beispiel
darüber nachzudenken, welche Möglichkeit es für die
Zivilgesellschaft gibt, an den vielen guten Dokumen-
ten, die im Auswärtigen Amt lagern, und die eindeutig
beweisen, dass es sich um einen Völkermord gehandelt
hat, teilzuhaben . Man kann sie zum Beispiel aufarbeiten,
richtig zusammenstellen und auf einer Internetplattform
in Deutsch, Englisch, Türkisch sowie Armenisch veröf-
fentlichen . Das wäre zum Beispiel etwas, durch das wir
ein sichtbares Zeichen setzen können, dass wir nicht nur
Beschlüsse fassen, sondern dass wir auch aktiv daran ar-
beiten wollen, dass die Wahrheit von keiner Seite unter
den Teppich gekehrt werden kann .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es zu Be-
ginn gesagt: Am 24 . April 1915 begann ein schrecklicher
Völkermord . Wir dürfen keine Gelegenheit auslassen,
deutlich zu machen, dass wir diesen Völkermord nicht
unter den Teppich kehren . Wir dürfen bei aller Realpoli-
tik auch nicht in den Verdacht geraten, dass wir ihn unter
den Teppich kehren wollen, wenn das für uns einen Vor-
teil bedeuten könnte .

In diesem Sinne wünsche ich mir sehr, dass die Dinge,
die auf dem Weg bis heute nicht so gut gelaufen sind,
uns allen den richtigen Anstoß geben, uns unterzuhaken
und alles dafür zu tun, dass wir möglichst im April dieses
Jahres in diesem Hohen Hause ein klares Zeichen dafür
setzen, dass wir der Verantwortung gegenüber den Op-
fern gerecht werden, und auch ein klares Zeichen dafür,
dass der Deutsche Bundestag seinen Beitrag zur Versöh-
nung leistet .

Dietmar Nietan






(A) (C)



(B) (D)


Wir wissen es alle: Versöhnung kann nur dann funk-
tionieren, wenn die Wahrheit, die historische Wahrheit
offen ausgesprochen wird .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815818700

Vielen Dank . – Als nächster Redner spricht Dr . Hans-

Peter Uhl von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1815818800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kol-

leginnen und Kollegen! In einer beeindruckenden Rede
hat Bundespräsident Joachim Gauck im April vergan-
genen Jahres der Hunderttausenden Armenier gedacht,
die Opfer von Vertreibung und Massakern wurden . Die
schrecklichen Ereignisse liegen zwar über 100 Jahre zu-
rück, doch der Bundespräsident hatte recht, als er dort
gesagt hat:

Wir gedenken der Opfer, damit sie und ihr Schicksal
nicht vergessen werden . Wir erinnern an sie

– Herr Özdemir –

um ihrer selbst willen .

Und zu keinem anderen Zweck .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tun Sie das!)


Wir Deutsche haben am allerwenigsten das Recht, in
Angelegenheiten von Völkermord über andere Nationen
zu richten . Gerade das Inkommensurable des Holocaust
verbietet es uns für alle Zeiten, über andere Nationen zu
richten . Doch erwächst aus dem vorangegangenen Tun
aus unserer jüngsten Geschichte eine ganz besondere Ga-
rantenstellung, was Menschenrechtsverletzungen angeht .
Sie müssen, wann immer sie geschehen sind und gesche-
hen, von uns benannt werden und von uns bekämpft wer-
den .

An diesem Rednerpult hat uns vor 15 Jahren Elie
Wiesel ermahnt . Er hat gesagt:

Wer sich dazu herbeilässt, die Erinnerung an die
Opfer zu verdunkeln, der tötet sie ein zweites Mal .

Das soll uns eine Mahnung sein .

Als Adolf Hitler im August 1939 den Überfall auf
Polen befahl, erwartete er von uns Militärs, „mitleidlos
Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung … in
den Tod zu schicken“ . Als Begründung fügte er 1939
die menschenverachtende Behauptung hinzu: „Wer redet
heute noch von der Vernichtung der Armenier?“

Vor zehn Jahren gedachte der Deutsche Bundestag in
großer Sachlichkeit, Ernsthaftigkeit und Übereinstim-
mung über die Parteigrenzen hinweg des Massakers an
den Armeniern . Der damalige Fraktionsvorsitzende der
Grünen, Fritz Kuhn, legte in seiner Rede Wert darauf,
nicht auf die Türken zu zeigen, um zu entlarven oder je-
manden vorzuführen . Nicht im Gestus eines hohen Ge-

richts, sondern im ehrlichen Bemühen um die historische
Wahrheit sollte die zarte Pflanze der in der Türkei aufkei-
menden Erinnerungskultur behütet werden .

Das war seine Rede . Wie wohltuend unterscheidet
sich dieses damalige Bemühen des Grünen Fritz Kuhn
von den heutigen parteipolitischen Aktionen der Grünen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aus dem unbeschreiblichen Leid der armenischen
Opfer soll heute parteipolitisch Kapital geschlagen wer-
den; denn worum geht es den Grünen heute wirklich? In
wenigen Tagen finden entscheidende Gespräche mit der
Türkei statt . Die Bundesregierung versucht, zwischen
der Türkei und der Europäischen Union eine Verhand-
lungslösung in der uns alle sehr bedrängenden Einwan-
derungs- und Flüchtlingskrise zu finden. Das ist auch ein
Versuch, das kriminelle Geschäft der Menschenhändler
zu stoppen, dem bereits Tausende von Flüchtlingen im
Mittelmeer zum Opfer gefallen sind . In dieser geradezu
historischen Situation ist es das Hauptanliegen der Grü-
nen, die diplomatischen Beziehungen zur Türkei zu be-
lasten .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! Sie fallen doch der Kanzlerin in den Rücken! Die CSU!)


Das ist schändliches und destruktives Oppositionsverhal-
ten, Herr Özdemir .


(Beifall bei der CDU/CSU) – Cem Özdemir

[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie fallen der
Kanzlerin in den Rücken! Wir unterstützen
sie bei dem Gipfel! Bleiben Sie doch bei der
Wahrheit!)

Auch wenn der heutige Antrag der Grünen mit unserer
Position inhaltlich übereinstimmt – das wissen Sie –,


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie in den Spiegel! Sie fallen der Kanzlerin in den Rücken, wir nicht!)


halten wir es, Herr Özdemir, mit Lukas, nachzulesen im
Kapitel 4, dritter Vers . Dort sagt Lukas: Gutes in böser
Absicht vorgeschlagen, dazu sage man Nein . – Deswe-
gen sagen wir Nein zu diesem Antrag .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gutes in böser Absicht vorgeschlagen, dazu sagen wir
Nein .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem Auge bemerkst du nicht?“ Sie haben einen Balken im Auge!)


Wir sagen Nein zu Ihrem Antrag von heute; denn wir
wollen das Gedenken nicht instrumentalisieren wie Sie,
sondern wir bleiben bei unserem Bemühen, konstruk-
tiv zu einer Versöhnung zwischen den Türken und den
Armeniern beizutragen . Aus diesem Grunde werden wir

Dietmar Nietan






(A) (C)



(B) (D)


noch in diesem Halbjahr einen Antrag stellen, der Ihnen
bekannt sein wird .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hoffe, dass viele Christen Ihre Rede hören!)


Dann hoffen wir auf konstruktive Mitwirkung .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Peinlich!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815818900

Als nächster Redner spricht Dr . Johann Wadephul, eben-
falls von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1815819000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Mir geht es ähnlich wie dem Kollegen Nietan,
der auch bedauert hat, dass wir nicht schon im vergange-
nen Jahr die von der CDU/CSU und der SPD gemeinsam
erarbeitete Resolution zum Völkermord hier zur Abstim-
mung gebracht und abgeschlossen haben . Insofern will
ich durchaus mit einem Mea Culpa aus Sicht der Uni-
onsfraktion beginnen und feststellen, dass es uns nicht
gelungen ist, über die doch in diesem Hause gemeinsam
getragene Auffassung, dass es ein Völkermord war, was
an den Armeniern verübt worden ist, abzustimmen, und
dass es selbstverständlich eine Mitschuld deutscher ver-
antwortlicher Politiker zu Beginn des vergangenen Jahr-
hunderts gegeben hat . Daher will ich durchaus zuerst
an meine eigene Brust schlagen und sagen: Das hätten
wir damals tun müssen . Insofern haben wir eine gewisse
Mitverantwortung dafür, dass dieser Antrag jetzt hier zur
Abstimmung kommt .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)


Dennoch kann ich Ihnen, Herr Kollege Özdemir,
nicht ersparen, zu sagen, dass es wahrscheinlich keinen
ungünstigeren Zeitpunkt gab, um diesen Antrag zur Ab-
stimmung hier im Deutschen Bundestag zu bringen, als
jetzt in dieser politischen Situation, in der wir uns in Eu-
ropa befinden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Was heißt das?)


Es mutet mich immer wieder eigenartig an, dass gera-
de die Grünen, die uns in den letzten 10, 15 Jahren im-
mer vorgeworfen haben, nicht Türkei-freundlich genug
zu sein, die uns ständig aufgefordert haben, möglichst
morgen die Türkei mit vollen Rechten in die Europäische
Union aufzunehmen, uns heute vorwerfen, dass wir mit
der Türkei kooperieren und versuchen, mit der Türkei zu
gewissen Vereinbarungen zu kommen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Abg . Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815819100

Herr Kollege Wadephul, lassen Sie eine Zwischenfra-

ge zu?


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1815819200

Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende brin-

gen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815819300

Okay .


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1815819400

Es ist doch völlig unbestritten: Die Bundeskanzlerin

hat in der letzten Debatte noch einmal gesagt, dass von
deutscher Seite selbstverständlich – das ist unverzichtbar
und im Übrigen auch von Ihnen gar nicht bestritten – je-
derzeit und in allen Gesprächen das angesprochen wird,
was es an Menschenrechtsverletzungen, Verletzungen
der Meinungsfreiheit oder an gescheiterter Kurdenpolitik
in der Türkei gibt . All das sprechen wir gegenüber der
türkischen Regierung an . Auf parlamentarischer Ebene
machen wir das, Herr Kollege; auch auf Regierungsebe-
ne wird das gemacht . Wir nehmen gegenüber der Türkei
kein Blatt vor den Mund . Darüber gibt es gar keine Dis-
kussion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Von wegen!)


Aber was bewirken Sie mit einem Antrag in dieser
Situation? Die Türkei ist ja auch kein monolithischer
Block . Mit einem Antrag in dieser Situation stärken Sie
die europakritischen Kräfte in der Türkei, die es dadurch
in der türkischen Innenpolitik einfach haben, auf Europa
zu zeigen, und die es den europafreundlichen Kräften,
denjenigen, die für Meinungsfreiheit sind, denjenigen,
die wirklich zur Europäischen Union mit ihren Werten
wollen, schwermachen . Das wollen wir nicht . Wir wollen
in der Tat die Verhandlungen weiterführen, und wir wol-
len mit den positiven Kräften in der Türkei zusammenar-
beiten . Darin könnten Sie uns unterstützen . Da wäre der
Einsatz in der Tat gut angebracht . Insofern ist es zum jet-
zigen Zeitpunkt einfach falsch, diesen Antrag zu stellen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich denke, wir sollten uns besinnen, ob nicht eine wei-
tere Auseinandersetzung angesichts des Umstandes, dass
wir doch darüber einig sind, wie wir diese Sache beur-
teilen, abgeschlossen werden sollte, ob wir nicht in die
parlamentarischen Beratungen zurückkehren und ob wir
uns nicht an einen Tisch setzen sollten .

Wenn es ein Thema gibt, das sich – Wahlen hin oder
her – nun wirklich nicht eignet für Auseinandersetzun-
gen zwischen den Fraktionen, dann ist es doch ein so
schwerwiegendes und auch belastendes Thema wie ein
Völkermord . Auf die besondere deutsche Sensibilität und
Rücksichtnahme haben alle meine Vorrednerinnen und
Vorredner schon hingewiesen . Darüber besteht hier bei
uns im Deutschen Bundestag doch ein großer Konsens .
Deswegen kann der Appell nur sein, dass wir uns, anstatt
über eine solche Sache streitig abzustimmen, zusammen-

Dr. Hans-Peter Uhl






(A) (C)



(B) (D)


setzen und den großen Konsens, den es in diesem Hause
eigentlich gibt – diesen Hinweis nehme ich gerne auf –,
nun auch in absehbarer Zeit zu Ende bringen, indem wir
zügig zu einer Beschlussfassung hier im Deutschen Bun-
destag kommen .

Nochmals: In der jetzigen Situation, angesichts der
Flüchtlingskrise erweisen Sie all denjenigen, die sich da-
rum bemühen, für mehr Menschlichkeit, für mehr Huma-
nität gerade in der Türkei zu sorgen, einen Bärendienst .
Deswegen ein letzter Appell an die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen, heute von einer Abstimmung abzusehen und
noch einmal in Gespräche mit uns einzutreten . Wir sind
dazu bereit; Sie haben das gehört . Wir Koalitionsfraktio-
nen stehen zu unserer Debatte aus dem vergangenen Jahr .
Es ist möglich, hier im Hohen Hause einen ganz großen
Konsens in dieser Frage zu finden. Unsere Hand ist aus-
gestreckt . Ergreifen Sie sie .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815819500

Vielen Dank . – Der Kollege Özdemir erhält die Mög-

lichkeit zu einer Kurzintervention .


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815819600

Lieber Kollege, ich bedaure es, dass Sie meine Zwi-

schenfrage nicht zugelassen haben . Dann hätte ich Ihnen
nämlich gesagt, dass wir ein Jahr lang unsere Hand aus-
gestreckt haben; fragen Sie die Kollegen der SPD-Frakti-
on und der Unionsfraktion .

Erstens . Wir haben gesagt: Wir sind bereit, inhaltlich
auf Sie zuzugehen . Wir haben gesagt: Wir sind bereit,
vom Zeitpunkt her auf Sie zuzugehen . Wir haben gesagt:
Wir sind bereit, vom Format her auf Sie zuzugehen . Wir
haben keine Anhörung durchgeführt . Wir haben gesagt:
Wir warten auf Sie, bis Sie so weit sind .

Ihre Kollegen – nicht meine Kollegen – haben gesagt:
Wir brauchen noch ein bisschen Zeit . Bitte wartet . Ich
habe meiner Fraktion gesagt: Wir warten so lange, bis
die Unionsabgeordneten so weit sind . Mir wurde signa-
lisiert: Es wird einen interfraktionellen Antrag geben .
Darauf habe ich mich eingelassen . Ich habe mich dafür
eingesetzt, dass wir unseren Antrag, der viel weiter ging,
zurückgezogen haben – für die Sache . Also bitte, kom-
men Sie mir nicht mit dem Vorwurf, dass es uns nicht um
die Sache gehe .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens . Sie berufen sich auf die Zivilgesellschaft .
Viele meiner Freunde gehören ihr an; manche von ihnen
sitzen gerade im Gefängnis, beispielsweise weil sie kri-
tische Journalisten sind . Raten Sie einmal, wofür diese
Vertreter der Zivilgesellschaft heute hier wären . Ich kann
es Ihnen sagen: Sie wären der Meinung, dass man mit
der Türkei natürlich über die Flüchtlingsfrage verhan-
deln muss, dass man der Türkei beim Umgang mit den
Flüchtlingen natürlich helfen muss – was denn sonst? –;
aber sie würden auch sagen: Mit autoritären Herrschern

muss man auch verhandeln können . Man darf ihnen nicht
jeden Wunsch von den Augen ablesen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Das machen wir auch nicht, Herr Kollege!)


Das ermutigt sie nämlich zu einer falschen Politik, also
zum Gegenteil dessen, was doch auch Sie wollen, Herr
Kollege . Also ein bisschen Selbstachtung im Umgang
mit Herrn Erdogan würde ich schon auch noch empfeh-
len .

Drittens . Sie haben das mit der Türkei und der EU
angesprochen, dass wir Grünen da seit 15 Jahren immer
eine entsprechende Position hätten . Jetzt will ich Ihnen
einmal Folgendes sagen: Als wir mit der SPD zusammen
regiert haben, haben wir die Beitrittsverhandlungen be-
gonnen, aber mit einer Türkei, die auf einem Reformweg
war . Wir haben die Möglichkeiten der Verhandlungen da-
mals erfolgreich genutzt, um uns dafür einzusetzen, dass
die Türkei Reformen in der Politik macht, was die religi-
ösen, was die politischen Minderheiten angeht .

Sie haben doch dann den Kurs mit der privilegierten
Partnerschaft eingeschlagen . Und jetzt, wo sich die Tür-
kei in die falsche Richtung entwickelt, entdecken Sie die
Beitrittsverhandlungen wieder . Das hat doch nichts mit
Werten zu tun . Das ist reine Taktik, meine Damen und
Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das schadet der Zivilgesellschaft, das schadet der Demo-
kratie, das schadet unseren Partnern in der Türkei, den
proeuropäischen Kräften, um die es Ihnen leider nicht so
richtig geht .

Aber ich will versöhnlich enden . Meine Damen, mei-
ne Herren, ich habe ja gehört, was mein Kollege hier
gesagt hat . Ich möchte ihm übrigens ausdrücklich dan-
ken; denn ich weiß, an ihm lag es nun wirklich nicht,
dass es hier nicht geklappt hat . Das lag an anderen, die
heute nicht anwesend sind; das wissen wir . Aber ich will
noch einmal ausdrücklich sagen: Wenn das ernst gemeint
ist mit dem 24 . April, mit einer Resolution oder einem
Beschluss hier, der wirklich besagt: „Erstens war es ein
Völkermord; zweitens gibt es eine deutsche Mitverant-
wortung; drittens erwächst daraus eine Aufgabe für die
Zukunft, dass Deutschland sich dafür einsetzt, dass die
Grenze zwischen Armenien und der Türkei eines Ta-
ges so wird wie die Grenze zwischen Deutschland und
Frankreich“, dann machen wir da gerne mit . Aber dann
sagen Sie es hier auch, dass Sie das vorhaben, und keine
Tricks, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Und was sollen wir jetzt machen, mein Lieber? – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zustimmen!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815819700

Herr Kollege Wadephul, Sie haben die Möglichkeit

zur Erwiderung .

Dr. Johann Wadephul






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1815819800

Herr Kollege Özdemir, wir wissen alle, wir sind in

Wahlkampfzeiten . Sie sind in besonderen Wahlkampf-
zeiten . Das erklärt möglicherweise Ihre Aufregung .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es hier aber gar nicht!)


– Seien Sie doch ein bisschen ruhiger und gelassener bei
dieser Frage .

Sowohl der Kollege Nietan als auch ich als auch der
Kollege Dr . Uhl haben gesagt: Wir sind bereit, über die-
sen Antrag mit Ihnen jetzt zügig zu sprechen, ihn zu fi-
nalisieren und ihn hier zu verabschieden . Es gibt nichts
Gutes, außer man tut es . Also, dann lassen Sie uns jetzt
an die Arbeit gehen, und lassen Sie uns das zügig in den
nächsten Wochen abschließen!


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ziehen Sie ihn zurück! – Gegenruf des Abg . Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ein Jahr gewartet, und nichts ist passiert!)


Ich bin jetzt nicht autorisiert, für diese Fraktion eine
temporäre Erklärung abzugeben, wann wir das schaffen,
ob der 24 . wirklich realistisch ist . Aber es gibt die Zusa-
ge auch unseres Fraktionsvorsitzenden, dass das jetzt in
den nächsten Wochen gemacht wird . Vielleicht ist das ein
Weg für Sie, Herr Kollege Özdemir, über die Sache noch
einmal nachzudenken und den Antrag zurückzustellen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja!)


Das ist – ich will jetzt Ihre Worte gar nicht aufgreifen –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Großzügig!)


ein ehrlich gemeintes Angebot der CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Und der SPD!)


Und ich sage noch einmal: Diese Hand ist ehrlich ausge-
streckt, nehmen Sie sie an!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2016! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor der Sommerpause ist das hier erledigt! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht Sommerpause! 24 . April! – Abg . Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] begibt sich nach kurzer Beratung innerhalb seiner Fraktion zu Abg . Volker Kauder [CDU/ CSU] und spricht mit ihm – Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815819900

Herr Özdemir, Sie haben noch einmal das Wort .


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815820000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, es ist hier in der Debatte deutlich geworden,
dass es uns um die Sache geht, und ich glaube, nicht
nur meiner Fraktion, sondern vielen hier im Haus, egal
von welcher Fraktion . Ich habe das jetzt gerade gehört .

Das habe nicht nur ich gehört, das haben viele Men-
schen draußen auch gehört . Da oben sitzen Vertreter von
verschiedenen Kirchen, der armenischen Kirche, der
aramäischen Kirche, der assyrischen Kirche, der grie-
chisch-orthodoxen Kirche, der evangelischen Kirche,
der katholischen Kirche . Sie alle verbindet ein Wunsch:
dass wir 100 Jahre nach diesen schrecklichen Ereignis-
sen endlich so weit sind, dass nicht eine Fraktion, son-
dern alle Fraktionen – ich habe ja vorher Zentrumspo-
litiker und sozialdemokratische Politiker zitiert, die vor
100 Jahren mutig waren, im Gegensatz zu manchen ihrer
Kollegen – in der Tradition, in einer guten deutschen Tra-
dition sich hier gemeinsam zur Verantwortung bekennen .
Das heißt – ich sage es noch einmal im Klartext, damit es
im Protokoll steht – erstens: Es war ein Völkermord . Das
sagen wir glasklar .

Zweitens . Es gibt eine deutsche Mitverantwortung, zu
der wir uns bekennen .

Drittens . Daraus erwächst Verantwortung für die Zu-
kunft, dass sich am türkisch-armenischen Verhältnis
endlich etwas ändert, dass sich das verbessert, dass die
Grenze sich öffnet .

Wenn das die Zusage ist und es ein Antrag wird, an
dem nicht nur die Koalitionsfraktionen arbeiten, sondern
bei dem wir zusammenarbeiten, dann ziehen wir unseren
Antrag zurück und machen das gemeinsam, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Heidrun Bluhm [DIE LINKE])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815820100

Das war zur Geschäftsordnung gesprochen .


(Zuruf von der LINKEN: Eine großzügige Auslegung!)


Ich gehe jetzt davon aus, dass der Antrag zurückge-
zogen ist, das heißt, wir werden keine Abstimmung dazu
durchführen . Die Abstimmung entfällt, weil der Antrag
durch den Antragsteller zurückgezogen wurde .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb werden jetzt von meiner Seite auch keine weite-
ren Kurzinterventionen zugelassen, sondern so, wie ver-
abredet, werden in den kommenden Tagen und Wochen
die Verhandlungen über einen gemeinsamen interfraktio-
nellen Antrag geführt werden .

Damit schließe ich diese Debatte .


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Unparlamentarisch! So etwas Unparlamentarisches habe ich noch nicht erlebt!)


Ich möchte noch eine Anmerkung für die Kolleginnen
und Kollegen machen, die eine schriftliche Erklärung zur
Abstimmung abgegeben haben, und darauf hinweisen:
Da wir keine Abstimmung durchgeführt haben, entfallen
natürlich auch schriftliche Erklärungen und werden von
daher auch nicht ins Protokoll aufgenommen .






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit kommen wir
jetzt zum nächsten Tagesordnungspunkt; das ist der Ta-
gesordnungspunkt 11:

Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Umsetzung der Richtlinie über die
Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgel-
ten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie
den Zugang zu Zahlungskonten mit grundle-
genden Funktionen

Drucksache 18/7204

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses (7 . Ausschuss)


Drucksache 18/7691

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Dazu gibt es
keinen Widerspruch . Dann ist das auch so beschlossen .

Wenn die Kolleginnen und Kollegen ihre Plätze einge-
nommen haben, würde ich gern in der Debatte fortfahren .
Ich bitte darum, die Gespräche jetzt zu beenden bzw . an
anderer Stelle fortzuführen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner erhält
Matthias Hauer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Matthias Hauer (CDU):
Rede ID: ID1815820200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Nach Wochen der intensiven Beratung bringen
wir heute das Zahlungskontengesetz hier im Plenum zum
Abschluss . Wir machen damit den Wechsel beim Giro-
konto einfacher, wir erhöhen die Transparenz bei den
Kosten für Bankentgelte, und wir schaffen einen Rechts-
anspruch auf ein Basiskonto für alle . Kurzum: Wir stär-
ken mit dem Zahlungskontengesetz die Rechte der Bank-
kundinnen und Bankkunden in Deutschland .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Für welches Girokonto bei welcher Bank soll man
sich entscheiden? Diese Frage stellen sich viele von uns .
Man entscheidet das, dann ändern sich Lebensphasen,
dann ändern die Banken manchmal auch Gebühren oder
Serviceleistungen, und dann scheut man einen Konto-
wechsel, weil die Entgelte oftmals wenig transparent
sind, aber auch, weil ein Kontowechsel bislang sehr
mühselig war . Beide Punkte gehen wir mit dem heutigen
Umsetzungsgesetz an .

Verbraucher sollen Bankentgelte besser vergleichen
können. Wie geht das? Durch zertifizierte und unab-
hängig betriebene Vergleichswebsites sollen sie kosten-
los und sachgerecht den Vergleich von Kontoentgelten
durchführen können . Ein guter Schritt zu mehr Transpa-
renz für Verbraucherinnen und Verbraucher .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit einem Mehr an Transparenz ist es aber nicht ge-
tan . Der Kontowechsel wird erleichtert . Künftig werden
Banken und Sparkassen ihren Kunden dabei helfen müs-
sen, den Wechsel des Girokontos zu einem anderen Ins-
titut vornehmen zu können . Dadurch wird der Wechsel
unbürokratischer, schneller und einfacher . Es wird nicht
mehr notwendig sein, Daueraufträge mühselig einzeln
beim neuen Institut einzurichten, Lastschriftempfänger
einzeln anzuschreiben . Damit kann nun Schluss sein .
Nach Kundenwunsch werden diese Informationen direkt
übermittelt . Der Kunde entscheidet, welche Informatio-
nen genau der neuen Bank mitgeteilt werden und welche
nicht . Die Bankkunden können mit dem Kontowechsel-
service also flexibler auf Angebote am Markt reagieren,
ein echter Mehrwert für die Bankkunden .

In den Beratungen haben wir uns dafür entschieden,
dass wir den Kontowechsel auch online möglich machen
wollen, das heißt ohne Medienbruch . Dass man ein Do-
kument auf dem Computer online ausfüllt, es dann aber
ausdrucken, unterschreiben und verschicken muss, wol-
len wir nicht . Es soll möglich sein, alles komplett online
im Rahmen des Onlinebanking durchzuführen . Es soll
aber auch auf Wunsch des Bankkunden genauso möglich
sein, das schriftlich zu tun .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg . Sarah Ryglewski [SPD])


Insgesamt wird mit dem Gesetz der Wechsel einfa-
cher, die Hürden werden abgebaut, sich für ein anderes
Girokonto bei einem anderen Institut zu entscheiden .
Wir stärken damit die Rechte der Kontoinhaberinnen und
Kontoinhaber in Deutschland .

Es gibt aber auch Menschen in unserem Land, die kein
Girokonto haben . Der Versorgungsgrad in Deutschland
ist deutlich höher als in den meisten anderen EU-Län-
dern, aber dennoch haben knapp 1 Million Menschen – so
die Schätzung der EU-Kommission aus dem Jahr 2013 –
kein Konto . Miete zahlen, Gehalt bekommen, viele Ge-
schäfte des Alltags – ohne Girokonto kaum denkbar . Mit
dem Zahlungskontengesetz geben wir diesen Menschen
einen Rechtsanspruch auf ein Zahlungskonto mit grund-
legenden Funktionen . Wir bauen damit eine Brücke zu
den Menschen, die oft am Rande der Gesellschaft stehen .
Deshalb ist es auch richtig, dass eine entsprechende In-
fokampagne diese Möglichkeit ausweist . Wir möchten,
dass auch obdachlose oder andere einkommensschwache
Menschen ein Konto eröffnen können; denn ein Girokon-
to ist Grundvoraussetzung für eine Teilhabe am gesell-
schaftlichen und wirtschaftlichen Leben in Deutschland .


(Beifall der Abg . Sarah Ryglewski [SPD])


Im parlamentarischen Verfahren haben wir den gu-
ten Gesetzentwurf noch besser gemacht . Wir haben die
Gesellschaft für deutsche Sprache einbezogen . Dadurch
ist das Antragsformular für das Basiskonto deutlich ein-
facher und verständlicher geworden . Wir stellen sicher,
dass das Basiskonto auch direkt als Pfändungsschutzkon-
to eröffnet werden kann .

Insofern abschließend: Zunächst einmal der Dank für
die konstruktive Zusammenarbeit der letzten Wochen
zum einen den beteiligten Ministerien, federführend und

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


damit stellvertretend genannt das Bundesfinanzministeri-
um, zum anderen aber auch den Berichterstatterkollegin-
nen und -kollegen der anderen Fraktionen .

Schon in der Anhörung und auch in den Stellungnah-
men der Sachverständigen ist viel Lob für den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung geäußert worden . Dem Lob
schließen wir uns als CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich
an .

Das Gesetz ist sogar so gut geworden, dass selbst die
Opposition nicht widerstehen kann und Zustimmung an-
gekündigt hat . Das freut mich und darf gerne Vorbildcha-
rakter für andere Gesetze haben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815820300

Vielen Dank . – Als nächster Redner spricht Dr . Axel

Troost von der Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815820400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist gerade schon gesagt worden: Man kann sich ei-
gentlich gar nicht vorstellen, heute ohne ein Girokonto
auszukommen, vom Zahlungsverkehr abgeschnitten zu
sein, seine Miete nicht per Dauerauftrag überweisen zu
können oder im Beruf bzw . auf Ämtern zu bestimmten
Terminen in einer Schlange stehen zu müssen, um Bar-
geld ausgezahlt zu bekommen . Man ist ohne ein Anrecht
auf ein Konto im Prinzip entmündigt . Trotzdem gibt es
rund 1 Million Menschen, denen bisher der Zugang zu
einem Girokonto verweigert wurde . Es sind insbesondere
ausländische Studierende, Saisonarbeiter, Asylsuchende,
Geduldete und auch Obdachlose, denen die Banken die
Eröffnung eines Kontos verweigern .

Die Linke hat in den letzten zehn Jahren fünf Anträ-
ge in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit denen
wir zum Ausdruck gebracht haben: Wir wollen ein Recht
auf ein Basiskonto, ein Konto für alle . – Immer sind die
Anträge hier im Hohen Haus abgelehnt worden . Man hat
argumentiert, es reiche die freiwillige Selbstverpflich-
tung der Banken, die zugesagt hatten, hier aktiv zu wer-
den . Aber nur die Sparkassen haben reagiert, die anderen
Geld institute eben nicht . Insofern ist der bisherige Zu-
stand unmöglich .


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt hat sich endlich etwas getan . Aber weit gefehlt,
wenn Sie glauben, dass bei der CDU/CSU oder bei der
SPD nun neue Gedanken eingezogen wären . Nein! Wie-
der einmal setzen wir jetzt europäisches Recht in deut-
sches Recht um .


(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wir setzen es gut um!)


Insofern kommen die Bundesregierung und die Große
Koalition gar nicht darum herum, dieses gesetzlich um-
zusetzen . Und dass dies in Brüssel so beschlossen wor-
den ist, ist insbesondere auf die Arbeit der Linken im Eu-

ropaparlament zurückzuführen . Sie hat dort erhebliche
Arbeit hineingesteckt, bis die Richtlinie im April 2014
zustande kam . Ich erwähne explizit Jürgen Klute, der da-
mals Verhandlungsführer war .


(Beifall bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Elf Jahre gedauert!)


Insofern ist heute, was diese Frage angeht, wirklich
ein guter Tag . Es ist in der Tat so, dass von der Koalition
noch vieles aufgenommen worden ist . Dadurch ist der
Gesetzentwurf in der Tat noch besser geworden . Es gibt
eine feste Frist von zehn Tagen für die Kontoeröffnung .
Wir schaffen die Option, das Basiskonto von Anfang an
als Pfändungsschutzkonto einzurichten und zu führen .
Wir schaffen auch Rechtssicherheit für die Betroffenen,
indem wir dafür sorgen, dass das Konto nicht sofort ge-
kündigt werden kann, wenn einmal Gebühren auflau-
fen, sondern eine Kündigung erst dann erlaubt ist, wenn
100 Euro Gebühren aufgelaufen sind .

Trotzdem gibt es aus unserer Sicht im Prinzip schon
Nachbesserungsbedarf, weil die Fragen der angemesse-
nen Gebühren und der Dispozinsen nicht gesondert gere-
gelt sind . Man darf sich da nichts vormachen: Wir reden
hier auch über einkommensschwache Personen, für die
jährliche Kontoführungsgebühren von 40 oder 50 Euro
nicht unerheblich sind . Insofern wird man da sicherlich
noch einmal nachfassen müssen . Insbesondere im länd-
lichen Raum ist die Dichte der Banken und Sparkassen
natürlich nicht so hoch, dass es Konkurrenz gäbe, die
sozusagen Einfluss auf die Gebührenhöhe in Form von
geringeren Gebühren hätte .

Insofern haben wir Linke immer noch Wünsche, die
wir gerne erfüllt sähen, um das Gesetz noch sozialer zu
machen . Alles in allem glaube ich aber, dass mit diesem
Gesetz jetzt eine Regelung gefunden worden ist – deswe-
gen werden wir auch zustimmen –, die 1 Million Men-
schen die Möglichkeit gibt, ein Konto zu eröffnen . Das
ist gut so . In diesem Fall kann man nur sagen: Gut, dass
die europäische Gesetzgebung hier entsprechende Vor-
gaben für die Bundesrepublik Deutschland gemacht hat .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Antje Tillmann [CDU/CSU])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815820500

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Sarah

Ryglewski von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Philipp Murmann [CDU/CSU])



Sarah Ryglewski (SPD):
Rede ID: ID1815820600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der ers-
ten Lesung des Zahlungskontengesetzes habe ich gesagt:
Lassen Sie uns ein gutes Gesetz noch besser machen! Ich

Matthias Hauer






(A) (C)



(B) (D)


glaube, heute können wir alle sagen: Das ist uns gemein-
sam gelungen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen möchte ich diesmal mit dem Dank begin-
nen . Ich möchte auch nicht nur dem Kollegen Hauer von
der Union und meinem Kollegen Dr . Zimmermann so-
wie den beiden beteiligten Bundesministerien danken,
sondern auch den Kolleginnen und Kollegen von Bünd-
nis 90/Die Grünen und der Linken . Ich fand die Zusam-
menarbeit über weite Strecken hinweg sehr konstruktiv .
Ich glaube, wir haben auch verschiedene Anregungen,
die aus den Verbänden gekommen sind, sehr gut einge-
arbeitet .

Nun ist es schon fast verdächtig, wenn sich sowohl
Regierung und Opposition als auch die Verbraucherver-
bände und die deutsche Kreditwirtschaft in der Bewer-
tung eines Gesetzes weitgehend einig sind .


(Dr . Axel Troost [DIE LINKE]: Selten!)


Nur, hier würde ich sagen: Diese seltene Einigkeit ist
kein Grund zur Skepsis, sondern vielmehr ein Indiz da-
für, dass uns hier etwas wirklich Gutes gelungen ist, auch
wenn der Kollege Dr . Troost schon ein bisschen Wasser
in den Wein gegossen hat . Nichtsdestotrotz ist es ein sehr
gutes Gesetz; denn wir schaffen heute nicht mehr und
nicht weniger als einen Rechtsanspruch auf ein Girokon-
to und verbessern damit substanziell die Lebenssituation
von vielen Menschen in Deutschland .


(Beifall bei der SPD)


Eigentlich wollte ich nicht weiter ausführen, dass ein
solches Gesetz gegen Kontolosigkeit schon viel früher
möglich und auch nötig gewesen wäre, aber die Aus-
führungen des Herrn Kollegen Dr . Troost veranlassen
mich, noch einige Sätze dazu zu sagen . Natürlich hat es
in Deutschland immer verschiedene Impulse gegeben,
ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen . Da kann ich
auch an verschiedene Initiativen der SPD sowohl in die-
sem Hause – das habe ich beim letzten Mal schon ausge-
führt – als auch im Bundesrat erinnern . Natürlich ist es
auch so, dass eine EU-Richtlinie nicht vom Himmel fällt .
Sie haben die Arbeit der Linken in Europa gelobt . Aber
ich glaube, man darf, ohne vermessen zu sein, hier auch
darauf hinweisen, dass die Initiative in der Bundesregie-
rung deutlich von der SPD ausgegangen ist .


(Beifall bei der SPD)


Doch wir wollen uns das hier nicht kaputtmachen, indem
wir kleinlich werden; wir haben ja alle sehr gut daran
gearbeitet .

Ich möchte uns noch einmal die wichtigsten Ziele bei
der Ausgestaltung des Basiskontos in Erinnerung rufen:
Für mich waren das der leichte Zugang zum Basiskonto,
niedrige Entgelte und ein angemessener Funktionsum-
fang . Klar ist: Das Basiskonto muss ein echtes Konto für
jedermann sein . Deswegen darf eine Bank nur aus sehr
guten und sehr eng begrenzten Gründen eine Kontoeröff-
nung ablehnen . Wir alle wissen, dass die Kundengruppe,
auf die das Basiskonto zugeschnitten ist, nicht unbedingt
die ist, die eine Bank gerne in ihren Filialen sieht . Des-

wegen wären größere Spielräume bei den Ablehnungs-
tatbeständen oder eine Auffangklausel, wie sie ja von der
Kreditwirtschaft gefordert wurden, sehr, sehr gefährlich
gewesen . Damit hätten wir womöglich gerade die Ver-
braucherinnen und Verbraucher ausgeschlossen, die wir
mit dem Gesetz erreichen wollen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Philipp Murmann [CDU/CSU])


Jetzt ist das Verfahren klar: Es gibt klare Gründe für
die Ablehnung . Die Leute bekommen einen Bescheid .
Wenn sie mit diesem Bescheid nicht einverstanden sind,
können sie bei der BaFin prüfen lassen, ob die Ableh-
nung berechtigt ist . Es ist auch gut, dass wir deutlich
gemacht haben, dass nach Antragstellung nur noch zehn
Tage vergehen dürfen, bis das Konto eröffnet wird . Somit
kann es nicht zu Verschleppungen kommen .

Ein weiterer Barriereabbau betrifft die Antragsformu-
lare, in deren Gestaltung wir die Gesellschaft für deut-
sche Sprache einbezogen haben .

Ich möchte jedoch, weil ich sehe, dass meine Redezeit
dem Ende entgegengeht, noch etwas zu den Entgelten
sagen . Wir hatten die ganz große Sorge, dass es versteck-
te Entgelte gibt, dass es heißt: Das Basiskonto hat eine
niedrige Grundgebühr, aber der typische Kunde, der eben
nicht über einen Internetzugang verfügt, der vielleicht
auch nicht internetaffin ist, muss dann horrende Gebüh-
ren für beleghafte Überweisungen zahlen . – Das wollten
wir verhindern . Wir haben hier die Formulierung der Ver-
braucherzentrale übernommen, dass sich die Entgelte an
den Kosten für das günstigste Kontomodell mit dem je-
weiligen Nutzungsumfang orientieren und nicht darüber
hinausgehen sollen .

Ein letzter Satz zur Onlinefähigkeit: Wir wollten, dass
das Basiskonto kein Konto light ist . Deswegen war für
uns klar: Das Basiskonto muss unbedingt onlinefähig
sein . In Zeiten, in denen Leute sogar ihren Partner über
das Internet finden, ist Onlinefähigkeit absolute Basis;
das ist 21 . Jahrhundert .

Ich habe vorhin gesagt: Ich glaube, es ist ein guter
Tag . Es ist ein guter Tag für uns in diesem Hause, aber
es ist vor allem ein guter Tag für viele Menschen, für die
eine unwürdige Situation endlich ein Ende findet.

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815820700

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Nicole

Maisch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815820800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was lange währt, wird endlich ganz okay;


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


das muss man heute auch vonseiten der Opposition neid-
los zugeben .

Sarah Ryglewski






(A) (C)



(B) (D)


Für mittlerweile fast 1 Million Menschen in Deutsch-
land, die ohne Girokonto leben müssen, ohne ein nor-
males Wirtschaftsleben mit regulärem Job, Mietvertrag,
Telefonanschluss oder Zeitungsabo, ist dieses Gesetz ein
Fortschritt . Das kann man anerkennen, und das ist gut so .

Aber es gehört zur Wahrheit dazu, zu sagen, dass seit
vielen Jahren klar war, dass die Selbstverpflichtung der
Kreditwirtschaft nicht funktioniert . Das ist jetzt die dritte
Legislatur, in der ich zusammen mit meiner Fraktion –
die Linken haben das ähnlich gemacht – immer wieder
Anträge auf ein Girokonto für alle einbringe . Aber Sie
haben in unterschiedlichen Konstellationen immer alle
abgelehnt, egal ob Steinbrück oder Schäuble Finanzmi-
nister war . Auch der vorliegende Gesetzentwurf ist ja
nicht auf Ihre eigene Initiative für kontolose Menschen
hin entstanden; vielmehr war der Grund die Umsetzung
einer Richtlinie . Sie mussten von Brüssel zum Jagen ge-
tragen werden. Ich finde, das hätte man heute ruhig ein-
mal zugeben können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber – das gehört zum Gesetzgebungsprozess dazu –
das Gesetz hat sich im Laufe des Verfahrens verbessert;
das ist nicht immer der Fall . Wir haben in der letzten
Woche die Wohnimmobilienkreditrichtlinie beschlossen,
bei der sich im Laufe des Verfahrens alles Mögliche ver-
schlechtert hat . In diesem Fall gab es Verbesserungen,
aber man hätte an einigen Punkten doch noch nachschär-
fen, Dinge besser machen können .

Der erste Punkt: die Kosten . Es ist gut, dass Sie jetzt
definieren, dass das Nutzerverhalten maßgeblich für das
Gebührenmodell ist . So kann vermieden werden, dass ei-
ner hochbetagten Dame ein Onlinekonto angedreht wird,
bei dem sie für jede Papierüberweisung 1 Euro bezahlen
muss. Es ist gut, dass Sie das so definiert haben, aber
trotzdem hätte es eine hieb- und stichfeste Formulierung
zur Kostenbegrenzung gebraucht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Erfahrung mit dem P-Konto lehrt uns: Wo kein wirk-
licher Wettbewerb besteht – und das ist bei der Kunden-
gruppe, für die wir das Girokonto für alle machen, leider
der Fall –, da funktioniert auch der normale Preiswett-
bewerb nicht . Deshalb hätte es hier eine Regelung ge-
braucht .

Punkt zwei – für uns auch ganz wichtig –: die an-
spruchsberechtigten Personen . In den vorherigen Diskus-
sionen haben Sie ja immer darauf hingewiesen, dass es
Ihnen wichtig ist, dass die Menschen, die zu uns flüchten,
möglichst schnell ein Girokonto bekommen . Aber wenn
ich Ihre Vorlage richtig verstanden habe, dann sind jene
Flüchtlinge nicht erfasst, die nur über einen Ankunfts-
nachweis oder eine Bescheinigung über die Meldung als
Asylsuchender verfügen . Da die Verfahren im Moment
oft viele Wochen und Monate dauern, wäre es schön ge-
wesen, eine entsprechende Regelung einzufügen, damit
die Menschen schneller am Leben hier teilnehmen kön-
nen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Punkt drei – das war auch in der Anhörung ein wich-
tiges Thema –: der Pfändungsschutz . Sie haben gut gere-
gelt, dass bei Eröffnung des Basiskontos der Pfändungs-
schutz auf dem neuen Konto geregelt ist . Es ist aber nicht
sichergestellt, dass dadurch der Pfändungsschutz auf ei-
nem alten Konto sofort automatisch gelöscht wird . Weil
man zwei P-Konten nicht gleichzeitig führen kann, ge-
hen wir davon aus, dass das in der Praxis zu Problemen
führen wird, die Sie einfach hätten vermeiden können .

Der nächste Punkt, mit dem wir nicht zufrieden sind,
ist die Transparenz von Vergleichswebsites . Es ist grund-
sätzlich gut, dass es eine staatliche Zertifizierung von
Vergleichswebsites geben soll. Aber wir finden: Zwin-
gende Voraussetzung für eine solche Zertifizierung muss
sein, dass alle wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen
Website und Anbieter offengelegt werden, sodass die
Kundinnen und Kunden auf Euro und Cent sehen: So
viel Geld fließt zwischen Bank und Websiteanbieter. Sie
haben gesagt, dass Sie in der Verordnung noch einiges re-
geln können. Aber wir finden: Man hätte schon im Gesetz
klare Bestimmungen treffen können .

Lange Rede, kurzer Sinn, es wäre besser gegangen,
aber unterm Strich bleibt: Unsere langjährige Forderung
nach einem Konto für alle hat sich endlich erfüllt . Des-
halb stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zu .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815820900

Vielen Dank . – Als nächster Redner spricht Alexander

Radwan von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alexander Radwan (CSU):
Rede ID: ID1815821000

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht heute,
wie bereits meine Vorredner ausgeführt haben, um die
Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie in nationales
Recht . Man merkte bei manchen Vorrednern, dass für sie
das, was aus Europa kommt – das hat sich vielleicht so
eingeschliffen –, von Haus aus etwas ist, das ohne natio-
nale Beteiligung erfolgt . Wir haben jedoch, Herr Kollege
Troost, die vorangegangene Debatte geführt, um Europa
beeinflussen zu können. Es ist nicht so, dass entsprechen-
de Richtlinien auf der europäischen Ebene ohne deutsche
Beteiligung verabschiedet werden . Bei aller Wertschät-
zung der Linken: Es war die Bundesregierung und es war
das von der Union geführte Finanzministerium, die an
dieser Richtlinie entsprechend mitgewirkt haben . Diese
Richtlinie ist nicht gegen ihren Widerstand entstanden
und jetzt umzusetzen, sondern sie waren daran beteiligt .
So sollte man mit Europa umgehen und auch offen und
ehrlich sagen, wer an den Entscheidungen beteiligt ist,
und nicht behaupten, dass es umgekehrt ist .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


Weil wir uns eben entschieden haben, auf europäischer
Ebene eine Richtlinie zu erlassen, sind wir heute in der

Nicole Maisch






(A) (C)



(B) (D)


Lage, einen Gesetzentwurf zur Umsetzung dieser Richt-
linie zu verabschieden .

Ich möchte drei Punkte konkretisieren, die in der Dis-
kussion angesprochen worden sind:

Der erste Punkt betrifft den Zugang zu einem Konto,
zu einem Basiskonto . Es wurde bereits gesagt, dass es
um die Umsetzung einer europäischen Richtlinie geht . In
anderen Staaten in Europa sehen die Zugangsmöglich-
keiten weitaus schlechter aus; wir hatten hier eine Selbst-
verpflichtung. Wir gehen aber jetzt diesen Weg mit und
setzen dies entsprechend um . Diese Umsetzung erfolgt
auch nicht – darauf sollte man schon Wert legen – auf-
grund der aktuellen politischen Lage, sondern die Dis-
kussion darüber läuft schon länger . So werden nun viele
Personen davon profitieren.

Der zweite Punkt betrifft Vergleichbarkeit und Trans-
parenz . Ich halte es für sehr wichtig, dass Vergleiche
transparent und nachvollziehbar sind . Die Webseite, die
entstehen soll, ist der richtige Weg: öffentlich zertifiziert.
Auch und gerade angesichts der aktuellen Zinslage – das
sollten wir bei dieser Diskussion über Entgelte im Blick
behalten – wird die Struktur der Finanzierung der Banken
erheblich problematischer . Gebühren werden zukünftig
als Finanzierungsinstrument von den Banken verstärkt
herangezogen werden . Gerade angesichts der aktuellen
Entwicklungen bei den Zinsen und der Bankenrefinan-
zierung ist dies ein wichtiges Instrument, um den Bür-
gern klarzumachen, welche Kosten bei einer möglichen
Entscheidung auf sie zukommen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Sarah Ryglewski [SPD])


Der dritte Punkt betrifft den Kontowechsel . Der Kon-
towechsel wird erheblich einfacher werden, da wir ihn
hinsichtlich Lastschriften und Daueraufträgen weiter ver-
einfachen . Wir haben intensiv über einen Medienbruch
diskutiert, also inwieweit man das zukünftig online ma-
chen kann oder nicht . Dazu möchte ich schon grundsätz-
lich sagen: Wir leben in einer Zeit der Digitalisierung .
Wir stehen vor der Herausforderung, das traditionelle
Bankengeschäft weiterzuentwickeln; wir müssen uns
aber davor hüten, bestimmte Entwicklungen zu blockie-
ren, weil wir dadurch vermeintlich etwas schützen kön-
nen, was in dieser Form möglicherweise gar nicht mehr
zu schützen ist . Darum haben wir uns dafür entschieden,
hier keinen Medienbruch zu machen . Das sollte auch in
Zukunft unsere Linie sein .

Wir wollen auf der einen Seite, dass die Banken re-
gional verankert sind, vor Ort gute Geschäfte machen
können und sich aus sich selbst heraus entwickeln kön-
nen, und auf der anderen Seite wollen wir, dass die neuen
Entwicklungen genutzt werden und wir in Deutschland
und in Europa auch zukünftig entsprechende Player ha-
ben . Das werden wir aber nicht schaffen, wenn wir dann
bei einzelnen Gesetzgebungsvorhaben von der Linie ab-
weichen . Darum ging es hier bei der Frage des Medien-
bruchs . Wir hatten das Gleiche beim Crowdfunding, und
wir werden ähnliche Diskussionen bei der PSD II haben .
Dahinter steht zukünftig immer die Entscheidung, in
welche Richtung wir grundsätzlich gehen . Von daher ein

Dankeschön dafür, dass die Augen für zukünftige Ent-
wicklungen offengehalten wurden .

Wichtig ist die deutsche Sprache . Wir haben ja den
Versuch unternommen, die Formulare verständlicher zu
gestalten . Das ist mit Blick auf den Verbraucherschutz
letztlich immer die Aufgabe . Denn – das haben wir auch
bei den ganzen Dokumentationspflichten gemerkt – was
nützt Verbraucherschutz, was nützen Informationen für
den Verbraucher, wenn er sich einem Konvolut entspre-
chender Formulare gegenübersieht, wenn er ein Juristen-
deutsch vorgelegt bekommt, das er nicht nachvollziehen
kann? Das wäre nicht im Sinne des Verbraucherschutzes .
Die Formulare müssen leicht verständlich und nachvoll-
ziehbar sein, um den Verbraucher entsprechend schützen
zu können . Das sagen sowohl die Finanzinstitute als auch
die Verbraucherschützer . Darum ist das ein richtiger An-
satz; denn wir machen Verbraucherschutz für den Ver-
braucher und nicht für Juristen . Ich sage das, obwohl ich
selber einer bin . Insofern ist hier das Ziel erreicht .

Ich danke allen Beteiligten für die gute, konstruktive
Arbeit bei der Umsetzung dieser Richtlinie für den Ver-
braucher in Deutschland .

Besten Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815821100

Vielen Dank . – Als letzter Redner in dieser Debatten-

runde hat Dr . Jens Zimmermann von der SPD-Fraktion
das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Jens Zimmermann (SPD):
Rede ID: ID1815821200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mit dem vorliegenden

Gesetzentwurf machen wir Schluss mit der Stigmatisie-
rung und Diskriminierung Hunderttausender Menschen
in Deutschland . Alle Bürgerinnen und Bürger bekommen
jetzt Zugang zu einem Konto und können damit am all-
täglichen Wirtschaftsleben teilnehmen . Damit geht ein
jahrelanger Kampf glücklich zu Ende . Das ist ein großer
Erfolg .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will die spezielle Situation, über die wir im Gesetz-
gebungsverfahren diskutiert haben, verdeutlichen . Denn
auf der einen Seite geht es um viele Bürgerinnen und
Bürger, die jahrelang nach einer Möglichkeit gesucht ha-
ben, ein Girokonto zu bekommen . Auf der anderen Seite
haben uns viele Initiativen und Kommunen darauf hinge-
wiesen, dass das ein Thema ist, das auch viele Flüchtlin-
ge betrifft . Ich will drei Punkte ansprechen, weshalb ich
glaube, dass uns dieses Gesetz an dieser Stelle hilft und
dass es auch vielen Geflüchteten hilft.

Erstens . Es ist nun einmal eine sicherere Variante,
auch kleine Beträge auf ein Konto zu überweisen . Ich
habe in meinem Wahlkreis Unterkünfte besucht, in denen
das Taschengeld bar ausgezahlt wird . Wenn das Geld dort

Alexander Radwan






(A) (C)



(B) (D)


am 1 . eines Monats an 100 Personen in bar ausgezahlt
wird, birgt das auch Risiken .

Der zweite Punkt ist: Dadurch werden auch die Kom-
munen und die Landkreise entlastet, die das alles handeln
müssen . Mit der Möglichkeit, so etwas unbar, also per
Überweisung, zu machen, helfen wir auch ihnen .

Drittens – auch das ist ein wichtiger Punkt – hilft es
bei der Bekämpfung von Geldwäsche . Hier hatten ja eini-
ge große deutsche Banken Bedenken; darüber haben wir
in der ersten Lesung diskutiert . Zum Glück hat sich in
der Anhörung herausgestellt, dass diese Bedenken unbe-
gründet sind und somit auch in den USA keine Strafver-
folgung droht .

Von der Kollegin der Grünen ist angesprochen wor-
den: Ein entscheidender Punkt an dieser Stelle ist, zu
ermöglichen, dass im Hinblick auf die entsprechenden
Dokumente, die zur Eröffnung eines Kontos notwendig
sind, auch die sogenannte Identitätsprüfungsverordnung
angepasst wird . Dafür ist das Bundesinnenministerium
zuständig . Es hat mich sehr gefreut, dass der Bundesin-
nenminister in dieser Woche zu diesem Thema gesagt hat,
dass der neue Ankunftsnachweis für genau solche Dinge
geschaffen wurde, und er somit auch die Ausweisfunkti-
on erfüllen wird . Insofern sind wir als SPD-Fraktion da
sehr entspannt . Wir werden natürlich darauf achten, dass
diese Verordnung schnellstmöglich angepasst wird, weil
wir glauben, dass dies ein ganz wichtiger Punkt ist .


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, wir schaffen heute mehr
Gerechtigkeit für ganz viele Deutsche, und wir machen
das Leben für viele Geflüchtete, die bei uns Unterschlupf
gefunden haben, um einiges leichter . Ich glaube, deshalb
ist dies ein wirklich gelungener und guter Gesetzentwurf .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815821300

Vielen Dank . – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da-

mit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von
Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskon-
ten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundle-
genden Funktionen. Der Finanzausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/7691,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/7204 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig
angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –

Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Das ist
nicht der Fall . Dann ist der Gesetzentwurf in dritter Le-
sung einstimmig angenommen worden .

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/7702 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Die Opposition . Wer stimmt dagegen? –
Die Koalition . Gibt es eine Enthaltung? – Das ist nicht
der Fall . Dann ist der Entschließungsantrag mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositi-
on abgelehnt worden .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Ausstieg aus Stuttgart 21 – Die Deutsche Bahn
AG vor einem finanziellen Desaster bewahren

Drucksache 18/7566

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens,
Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on DIE LINKE sowie der Abgeordneten Matthias
Gastel, Cem Özdemir, Harald Ebner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Offene Fragen zum Bahnhofsprojekt Stutt-
gart 21 aufklären

Drucksachen 18/3647, 18/5399

Zu dem letztgenannten Antrag der Fraktionen Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben diese beiden
Fraktionen einen Änderungsantrag vorgelegt .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin hat
Sabine Leidig von der Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815821400

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Wenn Verschwendung, Murks und Macht-
politik bei Großprojekten so offensichtlich sind wie beim
BER und bei Stuttgart 21 und niemand dafür geradeste-
hen muss, dann macht das politikverdrossen . Und das
wollen wir nicht .


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb gibt es unseren neuen Antrag „Ausstieg aus
Stuttgart 21 – Die Deutsche Bahn AG vor einem finanzi-
ellen Desaster bewahren“ .

Sie erinnern sich sicher alle: Als 2009 der Baubeginn
beschlossen wurde, haben Sie behauptet, dass die Bahn
dann auf der europäischen Magistrale – ich weiß schon
gar nicht mehr, von wo aus – nach Bratislava schneller

Dr. Jens Zimmermann






(A) (C)



(B) (D)


und um zehn Minuten früher in Ulm wäre, und das für
schlappe 3 Milliarden Euro . Hartmut Mehdorn hat da-
mals Stein und Bein geschworen, dass es so sein würde .

Kurz zuvor allerdings hat das unabhängige Verkehrs-
planungsunternehmen Vieregg-Rössler die Kosten für
Stuttgart 21 auf 6,9 Milliarden Euro veranschlagt . Später
musste dann Bahnchef Grube Mehrkosten zugeben . Er
legte sich fest, 4,5 Milliarden Euro seien die Sollbruch-
stelle, weil es sonst ein völlig unwirtschaftliches Projekt
sein würde .

Auf dieser Grundlage haben dann die Bewohner von
Baden-Württemberg – nachdem die CDU abgewählt
war – darüber abgestimmt, ob das Land aussteigen soll .
Die Projektbetreiber plakatierten damals überall die fal-
sche Behauptung, dass beim Ausstieg 1,5 Milliarden
Euro für nichts fällig würden . Unter diesen Bedingungen
war die knappe Mehrheit dagegen .

Was aber kam danach? Im Dezember 2012 musste
Herr Grube zugeben, dass die Kosten viel höher sein
werden als die 4,5 Milliarden Euro . Sie würden nämlich
6,5 Milliarden Euro betragen . Der Kostendeckel war kra-
chend gesprengt worden . Vieregg und Rössler hatten mit
ihrer Kostenschätzung offensichtlich recht gehabt .

Die einzig vernünftige Konsequenz wäre gewesen,
den Ausstieg zu beschließen . Das hätte der Aufsichtsrat
der Bahn im März 2013 tun müssen . Zu diesem Zeitpunkt
waren zwar die Bäume im Park gefällt und ein Teil des
denkmalgeschützten Bahnhofes war abgerissen worden,
aber der eigentliche Bau war noch gar nicht begonnen
worden .

Was aber geschah? Aus politischen Gründen hat die
Kanzlerin höchstpersönlich interveniert und dafür ge-
sorgt, dass wider besseres Wissen weitergemacht wird .
Im Jahr der Bundestagswahl sollte die CDU und nicht die
Bürgerbewegung triumphieren – zum Schaden der Bahn
übrigens . Denn keiner der anderen Projektpartner ist be-
reit, sich an den gewaltigen Mehrkosten zu beteiligen .
Und Frau Merkel wird ihre Schatulle auch nicht öffnen .

Mittlerweile sind nun genau die Probleme zutage ge-
treten, vor denen zum Beispiel die „Ingenieure gegen
Stuttgart 21“ von Anfang an gewarnt hatten: Es sei viel
zu viel Grundwasser abzupumpen . Der Brandschutz sei
nicht ausreichend, und es gebe Fehlplanungen bei der
Flughafenanbindung usw . – Deshalb hat Vieregg-Rössler
jetzt eine neue Kostenstudie vorgelegt . Das Projekt wird
nicht 6,5 Milliarden Euro, sondern 9,8 Milliarden Euro
kosten .

Stellen Sie sich vor: Auf der einen Seite werden ge-
rade sämtliche Nachtreisezüge gestrichen, weil sich die
Investitionen in neue Schlafwagen angeblich oft nicht
lohnen . Auf der anderen Seite soll die Deutsche Bahn
dieses Milliardengrab finanzieren. Das ist völlig absurd.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir verlangen, dass der Bund jetzt endlich die Not-
bremse zieht . Als Eigentümer der Bahn haben Sie die
Verantwortung, wirtschaftlichen Schaden von diesem
öffentlichen Unternehmen abzuwenden . Sie dürfen nicht
zulassen, dass diese Milliarden an Steuergeldern so ver-

schwendet werden . Ihren Mitgliedern im Aufsichtsrat –
auch Frau Lühmann – droht übrigens eine Klage wegen
Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Sorgen Sie dafür, dass
die Bahn aus Stuttgart 21 aussteigt!


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt das Positive zum Schluss: Es gibt gute Alterna-
tiven . Auch die sind mitsamt den Ausstiegskosten seriös
berechnet worden . Der bestehende Bahnhof kann restau-
riert werden . Er erhält ein neues Dach und verfügt da-
nach über viel größere Kapazitäten . Die Baugrube kann
für Nahverkehrsangebote genutzt werden .


(Michael Donth [CDU/CSU]: Als Schwimmbad noch, oder?)


In jedem Fall würden die K-21-Vorschläge mindestens
5,9 Milliarden Euro weniger kosten als Stuttgart 21 –
Geld, das für sinnvolle Zwecke gebraucht wird .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815821500

Frau Kollegin, Sie ignorieren zwar meinen Hinweis,

dass Ihre Redezeit beendet ist, sie ist aber trotzdem be-
endet .


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815821600

Ich komme zum Schluss und bedanke mich beim Ak-

tionsbündnis und bei allen Aktiven gegen Stuttgart 21,
die immer wieder für Aufklärung und konkrete Alternati-
ven sorgen . Das ist wirkliche Demokratie .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815821700

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der Frak-

tion Die Linke bitten, ihre Buttons abzunehmen . Wir
haben eine Geschäftsordnung, nach der das Zeigen von
Plakaten und Symbolen – das gilt auch für das Tragen
von Buttons – durch die Abgeordneten im Deutschen
Bundestag nicht zulässig ist . Diese Geschäftsordnung
haben wir alle gemeinsam miteinander beschlossen, und
ich erwarte, dass auch die Kolleginnen und Kollegen der
Linken sich daran halten . – Ich bitte Sie deshalb noch-
mals, die Buttons abzunehmen .


(Zurufe von der CDU/CSU: Alle!)


– Ja, alle . Ich kann die Sitzung solange auch unterbre-
chen .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Oder sind die Linken etwa außerhalb der Demokratie? – Zuruf von der LINKEN: Wegen ein paar Buttons so eine Debatte aufzumachen!)


– Ich habe die Kolleginnen und Kollegen vorhin ohne
öffentliche Ankündigung darum gebeten . Sie haben aber
dieser Bitte keine Folge geleistet . Deshalb muss ich das
jetzt öffentlich ansprechen . Mir wäre es lieber gewesen,
wenn wir das im Einvernehmen hätten regeln können .


(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja wenn Sie meinen, das so ansprechen zu müssen!)


Sabine Leidig






(A) (C)



(B) (D)


– Es soll hier um die Sache gehen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Also keine Stuttgart-21-Buttons im Deutschen Bundestag! Wir haben es verstanden!)


– Generell nicht, auch zu anderen Themen nicht .

Als nächster Redner hat der Parlamentarische Staats-
sekretär Norbert Barthle das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1815821800


Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-
ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Verehrte Frau Kollegin Leidig, nach Ihrer Rede und
Ihrem Antrag nach zu urteilen, kann ich nur sagen: Der
sofortige Stopp und der Ausstieg aus diesem Projekt wä-
ren für die Bahn der größte wirtschaftliche Schaden . Ich
rate Ihnen sehr und lade Sie ein: Kommen Sie einmal
nach Stuttgart, und gucken Sie sich an, was dort unter der
Oberfläche schon entstanden ist.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ich bin jeden Monat dort!)


Gucken Sie sich auch an, was auf der Strecke Richtung
Ulm schon entstanden ist . Dann kommen Sie vielleicht
irgendwann in der Wirklichkeit an . Ich habe bei Ihnen
zwar Zweifel, aber vielleicht schaffen Sie es doch . Dann
ist bei Ihnen auch ein Erkenntnisgewinn möglich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, Stuttgart 21 ist, auch wenn
die Opposition das etwas anders sieht, ein Projekt von
nicht nur regionaler, baden-württembergischer und deut-
scher, sondern auch von europäischer Bedeutung .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn! Sie machen hieraus eine Verballhornung!)


Durch dieses Projekt werden Städte und Regionen mit
34 Millionen Menschen und 16 Millionen Arbeitneh-
mern miteinander verknüpft . Ich wiederhole das für Sie
gerne nochmals, Frau Leidig: Die Strecke führt von Paris
über Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, München, Wien und Bra-
tislava bis nach Budapest .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Fährt da jetzt noch keine Bahn?)


Das ist das Rückgrat einer gesamteuropäischen Schie-
nenverbindung und ein Zeichen des verkehrlichen Zu-
sammenwachsens ganz Europas .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wie funktioniert das denn jetzt? – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dieses Projekt noch verteidigen! Unglaublich!)


Nebenbei bemerkt, verehrte Kollegin: Eine eindeutige
Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Würt-
temberg will dieses Projekt .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das hat sich längst geändert! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das?)


Bei der Volksabstimmung am 27 . November 2011 haben
sich fast 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gegen
den Ausstieg des Landes aus der Projektfinanzierung
ausgesprochen .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Mit welcher Kostenzusage?)


Damit ist das grün-rote Stuttgart-21-Kündigungsgesetz
gescheitert, und zwar krachend .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das ist ein Irrtum! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird uns alle noch teuer zu stehen kommen!)


Die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg
haben mit Weitsicht gehandelt, und diese Weitsicht wür-
de ich gerne auch in den vorgelegten Anträgen der Grü-
nen und der Linken wiederfinden. Das scheint aber leider
nicht der Fall zu sein .


(Michael Donth [CDU/CSU]: Das heißt, Volksentscheidungen für die Linken nur, wenn sie so ausgehen, wie sie wollen! – Gegenruf des Abg . Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen ja gar keine! Das ist der Unterschied! – Sabine Leidig [DIE LINKE]: 4,5 Milliarden Euro sollten kostendeckend sein!)


Am 5 . März 2013 hat sich auch der Aufsichtsrat der
Bahn aufgrund der plausiblen Darlegung der wirtschaftli-
chen Vorteilhaftigkeit durch den Vorstand für die Fortfüh-
rung des Projekts Stuttgart 21 und gegen einen Abbruch
ausgesprochen . Auch das nehmen wir zur Kenntnis . Ich
fordere das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart
und alle Projektbeteiligten auf, daran mitzuarbeiten und
dazu beizutragen, dass dieses Projekt zügig und ohne
weitere Behinderungen vorangebracht werden kann .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das ist doch absurd!)


An dieser Stelle appelliere ich insbesondere an die
Grünen: Machen Sie doch einmal etwas anderes als diese
turnerischen Spagatübungen . Es gibt einen grünen Mi-
nisterpräsidenten, einen grünen Landesverkehrsminister
und einen grünen Oberbürgermeister, die als Beteiligte
zum Gelingen dieses Projektes beitragen müssen . Nur
die grüne Bundestagsfraktion spricht sich gegen dieses
Projekt aus .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Udo Schiefner [SPD] – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne keinen Grünen, der dieses Projekt gut findet! Das tut auch kein Winfried Kretschmann!)


Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Sie müssen der Öffentlichkeit einmal erklären, wie Sie
das zusammenbekommen . Ich bekomme das nicht zu-
sammen . Ich weiß, dass die grüne Basis es nicht gut
findet. Aber Ihr grüner Landesverkehrsminister hat öf-
fentlich kundgetan, dass er konstruktiv-kritisch zum Ge-
lingen dieses Projektes beitragen will .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber wohl was anderes, als zu sagen, das sei ein gutes Projekt!)


Das finde ich gut und richtig. Konstruktiv-kritisch sind
wir alle . Aber er hat dadurch mit Ihnen und Ihrer grünen
Basis ein kleines Problem .

Wir als Bundesregierung stehen zu unseren Verein-
barungen und zu unseren Zusagen . Wir haben gesagt:
563,8 Millionen Euro übernehmen wir als Festbetrag .
Das ist der Anteil, der für die Einbindung der Neubaustre-
cke Wendlingen–Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne
Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen
wäre . Zu dieser Zusage stehen wir klar und eindeutig .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden Sie auf Dauer nicht durchhalten! Das wissen Sie auch!)


Darüber hinaus übernehmen wir auch für die Ge-
samtfinanzierung der Strecke Wendlingen–Ulm ab dem
Jahr 2016 die entsprechenden Notwendigkeiten . All das
ist im Planfeststellungsbeschluss und im Bundesver-
kehrswegeplan enthalten . Es geht voran . Ich habe mich
erst unlängst beim Durchschlag des Steinbühltunnels im
November 2015 vor Ort kundig machen können . Wir sind
bei dieser Bahnstrecke Richtung Ulm voll im Zeitplan .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit Stuttgart 21 nichts, aber auch gar nichts zu tun!)


Darüber hinaus soll dann, wenn die Bahnstrecke bis
Ulm fertiggestellt ist, der Weiterbau Richtung Augsburg
in Angriff genommen werden, damit dann die gesamte
Strecke mit 200 km/h befahren werden kann .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das, meine Damen und Herren, ist dann hoffentlich
ein gutes Beispiel für eine moderne Mobilitätspolitik
des Bundes . Dass dieses Projekt sehr mühsam zustande
gekommen ist, will ich gerne zugestehen . Aber wenn es
dann fertig ist, wird es ein Beispiel für eine wirklich zu-
kunftsweisende Mobilitätspolitik sein . Daran sollten Sie
mitwirken, anstatt dagegen zu sein . Aber das ist Ihre ei-
gene Entscheidung . Diese muss man Ihnen überlassen .
Wir sind überzeugt: Das Projekt ist im Zeitplan und geht
einer guten Vollendung entgegen .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Projekt war noch nie im Zeitplan!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815821900

Als nächster Redner hat Matthias Gastel von der Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815822000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Der November 2011 war ein ganz be-
sonderer Monat, nämlich der Monat, in dem die Grünen,
nachdem sie in Baden-Württemberg an die Regierung
kamen, den Bürgerinnen und Bürgern Baden-Württem-
bergs das erste Mal die Möglichkeit gegeben haben, an
einer wichtigen Sachentscheidung, nämlich der Mitfinan-
zierung von Stuttgart 21 durch das Land, mitzuwirken .
Wir als Grüne haben für das Ja zum Ausstieg gekämpft .
Wir haben leider verloren .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Dann akzeptiert das doch mal!)


Als gute Demokraten akzeptieren wir selbstverständlich
dieses Ergebnis .


(Michael Donth [CDU/CSU]: Das merken wir!)


Dieses Ergebnis hat für uns zwei Dinge zur Folge .
Der erste Punkt ist unser Versprechen des kritischen
Begleitens . Der Antrag, über den wir heute diskutieren,
ist Teil der Einlösung dieses Versprechens, das Projekt
Stuttgart 21, das durch die Volksabstimmung keineswegs
besser geworden ist, kritisch zu begleiten .

Der zweite Punkt ist der Kostendeckel, Sabine Leidig,
aber natürlich bezogen auf den Landesanteil . Es gibt kei-
nen Kostendeckel auf den Gesamtbetrag . Das ist logisch .
Es kann nur um den Anteil des Landes gehen . Da sind
wir Grünen die Garanten dafür, dass der Kostendeckel
weiterhin gilt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Michael Donth [CDU/CSU]: Verzögerung kostet Geld!)


Winfried Kretschmann hat nach der Volksabstimmung
gesagt: Es ist nicht verboten, schlechte Bahnhöfe zu bau-
en . – Damit hat er recht . Er akzeptiert damit das Votum;
das tun wir Grüne alle .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Merken wir aber nicht!)


Aber er sagt auch, dass wir keineswegs der Meinung
sind, dass der Bahnhof dadurch in der Sache besser ge-
worden wäre . Dieser Bahnhof, der dort geplant wird, ist
ein grottenschlechter Bahnhof . Das ist ein Rückbau von
Infrastruktur für einen Haufen Geld .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Immer noch dagegen! – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Und Sie wollen regieren!)


Mit unserem Antrag bezwecken wir mehrere Dinge .
Wir wollen, dass eine aktuelle Kostenberechnung vorge-
nommen wird . Wir wollen, dass die Kosten, die am Ende
tatsächlich zu erwarten sind, endlich offengelegt werden;
denn dieses Projekt lastet auf dem Bahnkonzern wie Blei .
Gerade in den Zeiten, in denen die Gewinne schrumpfen
und die Verschuldung steigt, wird dieses Projekt zuneh-
mend zum Problem des Konzerns und damit auch des
Eigentümers, nämlich des Bundes, der sich nicht länger

Parl. Staatssekretär Norbert Barthle






(A) (C)



(B) (D)


damit herausreden kann, er habe damit überhaupt nichts
zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen Offenheit und Transparenz für dieses
Projekt . Dazu gehört auch, die Prüfberichte des Bundes-
rechnungshofs vorzulegen, sobald sie fertig sind . Dazu
gehört, die Rolle des Aufsichtsrats und vor allem der
Mitglieder der Bundesregierung, die dem Aufsichtsrat
angehören, klarzustellen, wenn es darum geht, ein Pro-
jekt weiterzubetreiben, das längst die Wirtschaftlichkeit
verloren hat .

Was den Flughafen angeht – da gibt es inzwischen
deutliche Verbesserungen –, wollen wir, dass auch die
Gäubahn-Lösung endlich entwickelt wird, wie es Heiner
Geißler in seinem Schlichterspruch gefordert hat . Wir
brauchen eine Nutzungskonzeption für die Gäubahn zwi-
schen Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Hauptbahnhof .

Ansonsten sind wir Grünen natürlich sehr froh und
dankbar für die Lösung am Flughafen, die durch das Zu-
tun von Winne Hermann und anderen Projektpartnern
möglich geworden ist . Hier gibt es auf jeden Fall deutli-
che Verbesserungen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Massiver Druck!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815822100

Herr Kollege Gastel, lassen Sie eine Zwischenfrage

zu?


Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815822200

Bitte schön .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815822300

Bitte .


Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1815822400

Lieber Herr Kollege Gastel, es ist wunderbar, was Sie

im Deutschen Bundestag über die Verantwortlichkeiten
ausführen . Aber ich muss noch einmal darauf zurück-
kommen, dass Sie gerade festgestellt haben, dass Sie
über Ihre Landesregierung zum Gelingen des Projektes
beitragen wollen . Ich verstehe insofern den Antrag nicht .
Wenn Sie etwas nachrechnen wollen, warum machen Sie
es dann nicht über die eigene Regierung in Stuttgart, an
der Sie beteiligt sind?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steilvorlage!)



Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815822500

Lieber Kollege Lange, als ob eine Landesregierung

ein Milliardenprojekt, das nicht ihr eigenes Projekt, son-
dern das Projekt der Deutschen Bahn ist, nachrechnen
könnte . Wir kommen doch noch nicht einmal an alle Un-
terlagen heran . Wie soll denn eine Landesregierung ein

solches Projekt, das sie selber nicht betreibt, nachrechnen
können? Das ist schlicht und ergreifend unmöglich .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Versenkt! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt zu spät!)


Das kann nur die Deutsche Bahn machen . Deswegen for-
dern wir, dass der Bundestag über die Bundesregierung
den Bahnkonzern dazu zwingt, die Dinge offenzulegen
und nachzukalkulieren, um zu sehen, ob die Wirtschaft-
lichkeit überhaupt noch gegeben ist . Wir wollen wissen,
wie es um das Kosten-Nutzen-Verhältnis steht .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Ihr seid doch dagegen! Seid doch ehrlich!)


Das kann keine Landesregierung nachrechnen . Eine Lan-
desregierung hat doch gar keinen Zugang zu den Unterla-
gen, und sie hat auch nicht das Personal dafür .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist wirklich absurd, was Sie für Vorstellungen haben,
Herr Kollege Lange .


(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Darf ich dazu etwas feststellen?)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815822600

Herr Kollege Lange, das geht nicht . Sie können eine

Zwischenfrage stellen, aber Sie müssen schon mit der
Antwort darauf leben .


(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Darauf muss ich aber antworten! – Heißt das, Sie sind Projektpartner, aber hilflos?)


– Herr Kollege Lange, Sie hatten eine Zwischenfrage .
Sie können sich zu einer Kurzintervention melden – die
Möglichkeit haben Sie –, aber bitte keine Erwiderungen
auf eine Antwort .


Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815822700

Zurück zu unserem Antrag . Ein weiterer Punkt ist: Wir

fordern eine neue Kapazitätsberechnung; denn wir haben
nach wie vor große Zweifel, ob dieser Tiefbahnhof die
Verkehre abwickeln kann, die notwendig sind, um Men-
schen möglichst pünktlich, zuverlässig und in größerer
Zahl als bisher mit dem System Bahn zu befördern .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Man kann nach wie vor nicht bauen!)


Im Übrigen ist seit Beginn der Diskussion um Stutt-
gart 21 das Thema Deutschland-Takt neu dazugekom-
men . Das heißt, wir wollen optimale Umsteigebezie-
hungen bieten . Dazu brauchen wir Bahnhöfe mit der
entsprechenden Kapazität, in denen Züge auch auf Fahr-
gäste aus verspäteten Zügen warten können . Dabei kann
man sich nicht nur auf einen Hauptbahnhof beschränken,
wo es nur darum geht, schnell aus- und einzusteigen, und
dann fährt der Zug husch, husch schnell weiter .

Matthias Gastel






(A) (C)



(B) (D)


Das ist nicht der Bahnhof der Zukunft . Deswegen
wollen wir eine neue Kapazitätsberechnung .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Aber was war denn bisher in Stuttgart?)


Die Anhörung des Verkehrsausschusses auf Grundlage
unseres Antrages hat eindeutig erbracht, dass es Kapa-
zitätsengpässe gibt, insbesondere an den Zulaufstrecken .
Dieser These hat niemand widersprochen . Im Gegenteil:
Sie ist bestätigt worden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815822800

Sie müssen zum Schluss kommen .


Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815822900

Fazit zu unserem Antrag: Das, was hier geplant wird,

ist und bleibt ein teurer Murks, der nicht funktionieren
wird . Er wird am Ende der Deutschen Bahn und damit
schließlich auch dem Eigentümer, dem Bund, massiv auf
die Füße fallen . Deswegen muss der Bund anfangen, sich
endlich für dieses Projekt zu interessieren, –


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815823000

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist vorbei .


Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815823100

– kritische Nachfragen zu stellen und Antworten ein-

zufordern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815823200

Als nächste Rednerin spricht Annette Sawade von der

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Annette Sawade (SPD):
Rede ID: ID1815823300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Liebes Publikum auf den Tribünen! Lie-
ber Matthias Gastel, in der Anhörung, von der du vor-
hin gesprochen hast, wurden viele Fragen beantwortet .
Bei dem Problem, das die Zulaufstrecken betrifft, wurde
zugesagt, dass die Zuständigen vom VCD und Professor
Martin miteinander reden . Ich denke, dass die Gespräche
stattfinden werden. Insofern hat die Anhörung ein Ergeb-
nis gezeitigt .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!)


Ich selbst kann nicht mehr sagen, wie oft Stuttgart 21
Thema hier im Deutschen Bundestag war . Für mich je-
denfalls ist es an dieser Stelle eine Premiere, das The-
ma aber nicht . In meiner gesamten Zeit als Stadträtin in
Stuttgart von 1994 bis 2009 war Stuttgart 21 ein Dauer-
brenner mit wechselnder Intensität . Ich landete 1994 mit-
ten in diesem Thema . Es gab Bürgerforen . Wir machten

Führungen auf dem vorgesehenen Gelände und hatten
zahlreiche Podiumsdiskussionen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das war eine Mogelpackung!)


– Das weiß ich besser als Sie .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ich war dabei!)


Dann herrschte Funkstille . Die Projektgruppen wurden
zurückgebaut, bis es zur Wiederbelebung im Jahr 2009
mit der Finanzierungsvereinbarung kam . Dann kamen
plötzlich Widerstände und Ablehnungen; das alles ist be-
kannt . Ich glaube, die einen haben gedacht: „Das kommt
nicht mehr“, und die anderen haben gedacht: „Das ziehen
wir einfach durch .“ Beides waren falsche Schlüsse . Ge-
lernt haben wir alle aus diesen Vorgängen, auch aus dem
schlimmen 30 . September 2010, und der Schlichtung, die
die Fortführung des Projektes unter Auflagen zum Ergeb-
nis hatte .

Aber gestatten Sie mir in Erinnerung an die gestrige
Debatte folgende Bemerkung: Vergleiche der rassisti-
schen Übergriffe und Demonstrationen im sächsischen
Clausnitz und Bautzen mit den Demonstrationen der
S-21-Gegner verbieten sich einfach . Wir können keine
Verharmlosung der rassistischen Demonstrationen ge-
brauchen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zurück zu Stuttgart . Ja, Diskussionen und die erfor-
derliche Transparenz der Planungen bei solchen Projek-
ten sind notwendig, weil auch diese Projekte leben und
weiterentwickelt werden . Aber bereits in den 90er-Jahren
gab es die ersten Umplanungen . Die sogenannten Zwi-
schenangriffe wurden aufgrund der Mitsprache der Be-
völkerung dahin verlegt, wo sie am wenigsten störten . Ja,
manche heftige, konstruktive Kritik und die Forderung
nach mehr Transparenz, das hat schon geholfen, Verän-
derungen, und zwar nicht nur kleine, zu bewirken .

Heute ist deutlich sichtbar: In Stuttgart sowie zwi-
schen Wendlingen und Ulm wird heftig gebaut; der
Staatssekretär hat das bereits erwähnt .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Feinstaubalarm!)


Von rund 59 Kilometer sind bereits 12,6 Kilometer Tun-
nel ausgehoben . Auf der Neubaustrecke Wendlingen–
Ulm sind es 27,7 Kilometer von rund 62 Kilometer . Ein
Viertel des Gesamtbudgets ist bereits bezahlt . 50 Prozent
der Aufträge sind vertraglich gebunden . Einmal nachden-
ken bitte, was ein Stopp allein an Vertragsstrafen kosten
würde!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Lesen Sie mal das Gutachten durch!)


Hier auf diesem Bild sehen Sie die große Baustelle in
Stuttgart . Es gibt mächtige Baugruben . Ich weiß nicht,

Matthias Gastel






(A) (C)



(B) (D)


ob das bei einem Stopp so bleiben soll . Wir möchten
schließlich wieder ein schönes Stadtzentrum haben .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ja, genau! Wir auch!)


Als regelmäßige Umsteigerin am Hauptbahnhof in
Stuttgart erlebe ich die wöchentlichen Veränderungen .
Stillstand oder Chaos sieht anders aus . Im Antrag der
Linken, über den wir heute debattieren, finden wir auf
wenige Zeilen verteilt und bereits in der Überschrift Wor-
te wie Desaster, Stopp, Ausstieg, Schaden . Ich denke,
wir sollten zur sachlichen Diskussion zurückfinden; denn
Horrorszenarien sind – hören Sie bitte gut zu! – nie gut
für eine sachliche und ergebnisorientierte Debatte . Sie
verstellen uns nur den Blick .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wir haben es doch nicht verursacht! Sie haben es verursacht!)


Wie ich schon eingangs sagte, ist die Debatte wichtig,
aber dort, wo schon Entscheidungen getroffen werden
können, wo Verbesserungen und Weiterentwicklungen
zur Diskussion stehen . Natürlich gehören Fragen der
Sicherheit, der Feinplanung und der Kostenentwicklung
offen besprochen . Grundsätzlich ein Projekt zu befür-
worten, bedeutet ja nicht, sich nicht kritisch mit diesem
Projekt auseinanderzusetzen .

Der Statements zu S 21 sind viele . Viele werden stän-
dig wiederholt . Aber vom steten Wiederholen allein wer-
den Argumente nicht besser oder überzeugender . Am
6 . Mai 2015 hatten wir die letzte öffentliche Anhörung –
ich sprach darüber –, und in zwei Wochen folgt die
nächste . Und nun noch dieser neue Antrag der Linken!
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier
möglicherweise ein wenig Wahlkampf gemacht werden
soll, anstatt sachlich und konstruktiv voranzukommen,
was wir alle doch wohl wollen .

Ich zitiere: „Die Mehrheit wollte S 21 . Also wird es
jetzt gebaut .“ Das hat Winfried Kretschmann nach dem
Ergebnis der Volksabstimmung im November 2011 ge-
sagt . 58,8 Prozent waren dafür . Er hat es im Anschluss
daran als „erlebnispsychologisch interessant“ bezeich-
net . Mal sehen .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Mittlerweile arbeiten sowohl der Verkehrsminister als
auch der Oberbürgermeister von Stuttgart an der Ent-
wicklung des Projekts mit . Da gibt es die Bürgerbetei-
ligung bei der Gestaltung des Rosensteinviertels . Diese
würde es nie geben, wenn das Gleisvorfeld nicht abge-
baut würde .


(Zuruf des Abg . Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie wird noch wesentlich verbessert durch den Rückbau
der teilweise 17 Meter hohen Überwerfungsbauwerke im
Gleisvorfeld . Damit kann endlich das berühmte Grüne U
der IGA von 1993 erweitert und geschlossen werden .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Nachdem man die Bäume im Schlosspark abgeholzt hat!)


Selbst die Grünen hatten im März 1999 – bitte gut
zuhören – die große städtebauliche Chance durch den
Wegfall des Gleisvorfeldes erkannt, in einem Antrag im
Gemeinderat dazu Forderungen formuliert und ihre Zu-
stimmung zum Ankauf des Geländes in Aussicht gestellt .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch aber nichts mit Stuttgart 21 zu tun! – Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Auch die Lösung am Flughafenterminal durch das dritte
Gleis gehört zu diesen konstruktiven Verbesserungen .

Ja, es ist auch ein ingenieurtechnisch ungeheuer an-
spruchsvolles Projekt. Die Topografie Stuttgarts und
auch der Albaufstieg fordern unseren Ingenieurinnen und
Ingenieuren alles ab .

Um mit Wolfgang Dietrich, dem ehemaligen Sprecher
des Projektbeirates zu sprechen, zitiere ich:

Wer immer gegen die Bahn schreibt, schreibt … da-
mit wiederholt auch gegen Menschen . Gegen Planer
oder Ingenieure, die für ihre Arbeit haften .

Deshalb spreche ich an dieser Stelle meine ganze Hoch-
achtung den Menschen, den Spezialisten sowie allen
Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern auf dieser Baustelle
aus . Leider werden uns über kurz oder lang diese Fach-
leute fehlen . Deswegen müssen wir dringend an der Aus-
bildung und Beschäftigung dieser Menschen arbeiten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich komme noch kurz auf zwei Punkte zurück . Zu den
Kosten: Der Finanzierungsrahmen für S 21 beträgt un-
verändert 6,5 Milliarden Euro . Andere Zahlen sind Spe-
kulation .


(Zuruf von der LINKEN: Ach!)


Die geplanten Rückbaukosten sind zu niedrig gegrif-
fen . Was ist die Alternative? Seien wir doch mal ehrlich:
Allein die Bauverzögerungen haben sehr viel Geld ge-
kostet . Neue Brandschutzverordnungen müssen umge-
setzt werden, und das kostet Geld . Eine Grobplanung
kann nicht jedes Detail voraussehen . Risiken müssen
eingeplant werden . Das ist keine Entschuldigung für die
anfangs fehlende Transparenz und Kommunikation .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815823400

Ich möchte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zu-

lassen .


Annette Sawade (SPD):
Rede ID: ID1815823500

Nein, ich muss hier fertig werden .


(Heiterkeit bei der SPD)


Ein kleines Beispiel aus meinem privaten Leben: Man
kauft ein altes Haus – laut Vertrag „gekauft wie gese-
hen“ – und stellt dann fest, dass die Anlage zur Warm-
wasserversorgung zu erneuern ist . Kosten: zusätzlich
10 Prozent der Renovierungskosten . Lasse ich es so, wie
es ist? Nein, ich investiere und habe damit einen Mehr-
wert geschaffen .

Annette Sawade






(A) (C)



(B) (D)


Um mit dem Vater von Stuttgart 21, Professor Heimerl,
zu sprechen:

Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut
zu sein .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Er hat sich ja distanziert!)


– Nein, hat er nicht . – Ich komme noch einmal auf Pro-
fessor Heimerl zurück . Er, der bei diesem Projekt nie
polemisch wurde und teilweise sehr harsch angegangen
wurde, sagt heute zu S 21: In Stuttgart 21 sei viel mehr
drin, als er ursprünglich vorgeschlagen habe . – Und wei-
ter:

Aber alles, was ich damals wollte und geplant habe,
wird letztlich mit Stuttgart 21 verwirklicht .

Bleiben wir offen für Verbesserungen, für hohe Trans-
parenz und Kommunikation . Lassen wir weiterbauen und
begleiten dieses Projekt weiterhin konstruktiv, kritisch,
vertrauensvoll und mit dem notwendigen Schuss Opti-
mismus .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn das Kritische? Das Kritische vermissen wir!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815823600

Vielen Dank . – Als letzter Redner in der Debatte hat

Stefan Bilger von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Steffen Bilger (CDU):
Rede ID: ID1815823700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Endlich mal wieder eine Stuttgart-21-Debatte; man hat
das ja fast schon vermisst .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Beifall des Abg . Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich muss sagen: Es war schon mal mehr los . Bei den
Grünen sind vielleicht acht Abgeordnete anwesend . Bei
den Linken sind es vielleicht knapp zehn .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wird die Beschlussfähigkeit hier angezweifelt?)


– Nein, keine Sorge, die Beschlussfähigkeit wollen wir
natürlich nicht anzweifeln . Aber das zeigt vielleicht
schon, was sich in dieser Diskussion bewegt hat .

Wir von der Union haben uns noch nie vor der Dis-
kussion über dieses Projekt gescheut . Der Einsatz hat
sich gelohnt . Denn die Mehrheit der Baden-Württem-
berger hat sich – das wurde schon angesprochen – bei
der Volksabstimmung am 27 . November 2011 ganz klar
hinter Stuttgart 21 gestellt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Bei 4,5 Milliarden Euro Kosten!)


Seitdem – das kann ich als jemand aus der Region Stutt-
gart sagen – wird auch kaum mehr in der Bevölkerung
über dieses Projekt diskutiert und gestritten .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)


Nun sind aber bald Landtagswahlen in Baden-Würt-
temberg . Für die Linken ist es anscheinend die letzte
Hoffnung, um Aufmerksamkeit zu erzielen, den verblie-
benen harten Kern der Stuttgart-21-Gegner zu reaktivie-
ren .

Ich will klar sagen, dass man natürlich auch gegen
Stuttgart 21 sein konnte, und zwar durchaus mit beacht-
lichen Argumenten, wie das bei einem solch großen Pro-
jekt mit vielen Pros, aber auch mit einigen Kontras immer
ist . Wie es die meisten Projektgegner bereits getan haben,
kann auch ich Sie nur auffordern, endlich das Votum der
Baden-Württemberger zu respektieren und nicht immer
neue Querschüsse zu versuchen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass Sie dies auf Grundlage eines gemeinsamen An-
trags mit den Grünen tun, verdient allerdings eine beson-
dere Betrachtung; denn der Antrag ist insofern spannend,
als die Grünen so tun – das wurde gerade schon ange-
sprochen –, als ob sie selbst an dem Projekt gar nicht
beteiligt wären . Aber im Gegensatz zur Bundesregierung
sind Vertreter der baden-württembergischen Grünen eben
auch Projektpartner von Stuttgart 21 –


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und haben Verbesserungen durchgesetzt am Flughafen!)


noch über die Landesregierung, aber auch über die Stadt
Stuttgart .

So erklärt sich auch, dass Sie hier im Bund mit Ihrem
Antrag noch gegen die verbesserte Flughafenanbindung
gewettert haben, als die grün-rote Landesregierung end-
lich dem Druck nachgegeben und sich zu einer besseren
Lösung durchgerungen hatte . Das wenigstens haben Sie
noch mit einem Änderungsantrag korrigiert .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815823800

Herr Kollege Bilger, die Kollegin Leidig hat die Bitte

um eine Zwischenfrage .


Steffen Bilger (CDU):
Rede ID: ID1815823900

Ich habe den Eindruck gewonnen, es sei Konsens,

dass keine Zwischenfragen mehr von Kollegin Leidig zu-
gelassen werden . Deswegen will ich mich diesem Kon-
sens nicht verschließen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Caren Lay [DIE LINKE]: Unverschämt!)


Eines wird doch einmal mehr deutlich: Während die
offizielle Maxime der Landesgrünen nach dem positiven
Volksentscheid ist, stillzuhalten und Stuttgart 21 fertig-
zustellen – Ihrem Wahlprogramm habe ich entnommen,
das Ergebnis der Volksabstimmung sei für Sie bindend –,

Annette Sawade






(A) (C)



(B) (D)


wird hier wieder einmal Fundamentalopposition betrie-
ben – und dann noch zusammen mit den Linken .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Unsinn, was Sie da reden! Wir wollen die Kosten offengelegt haben!)


Auf der einen Seite wollen Sie das Ergebnis der Volks-
abstimmung respektieren, auf der anderen Seite mit den
Linken gemeinsame Sache machen . Das passt nicht zu-
sammen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es passt auch noch etwas gar nicht zu Ihrem ansonsten
sehr staatstragenden Wahlkampf: einmal mehr bürgerli-
ches Erscheinungsbild, in Wahrheit linke Politik . Das ist
die typische grüne Doppelzüngigkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stuttgart bekommt einen eleganten Bahnhof und einen
modernen Bahnknoten, um den wir beneidet werden und
von dem die gesamte Region und das gesamte Land Ba-
den-Württemberg profitieren werden.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Warten wir mal ab!)


Die Landeshauptstadt bekommt neue Chancen bei der
Stadtentwicklung . Neue Wohnungen in bester Innen-
stadtlage, Büros und Gewerbeflächen und zudem mehr
Grünanlagen als zuvor werden entstehen . Wir brauchen
ohnehin eine Erneuerung des Stuttgarter Hauptbahnhofs .
Die ganze Region Stuttgart braucht eine bessere Ver-
kehrsinfrastruktur .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum bauen Sie sie dann zurück?)


Wir profitieren nicht zuletzt von den Investitionen rund
um Stuttgart 21 . Denken Sie doch bitte auch einmal an
die vielen Arbeitsplätze, die an diesem Projekt hängen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sollte aber auch Sinn machen, was man baut!)


Es ist für die Pendler besser, und – noch einmal – die de-
mokratische Legitimierung durch zahlreiche Beschlüs-
se von Volksvertretern und durch die Volksabstimmung
wiegt weitaus mehr als Ihre parteipolitisch motivierten
Spielchen in Berlin .

Die Argumente sprechen für Stuttgart 21, und daran
hat sich in den vergangenen Jahren auch nichts geändert .
Trotz der ganzen bereits erfolgten Bauarbeiten ist übri-
gens noch nichts eingestürzt, die Mineralquellen sind
nicht versiegt, und auch sonst geht der Bau erfreulich
problemlos voran . Verbesserungen während des Baus
sind dabei immer möglich . Erst vor kurzem wurde das
Brandschutzkonzept noch einmal verbessert,


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch einmal?)


obwohl das bisherige Konzept bereits genehmigt war .

Ich würde mich wirklich freuen, wenn alle politisch
Verantwortlichen endlich in diesem Sinn für den Erfolg

des Projekts arbeiten würden, zur Verbesserung beitra-
gen, wo nötig oder möglich, und ansonsten nicht stän-
dig Sand ins Getriebe streuen würden . Politik für Ba-
den-Württemberg sieht jedenfalls anders aus .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Annette Sawade [SPD])


Ich kann Sie nur auffordern: Begleiten Sie den weite-
ren Baufortgang endlich konstruktiv . Hören Sie auf mit
dieser Form der Fundamentalopposition, und lassen Sie
diese albernen Vorstöße, den Bau von Stuttgart 21 zu
stoppen . Mit Verlaub, damit würden wir uns wirklich in
der ganzen Welt nur lächerlich machen .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sie machen sich auch so lächerlich!)


Wir würden als unfähig dastehen, aber vor allem hätten
auch die Menschen im Schwabenland, dem Land der
sparsamen Häuslebauer, kein Verständnis dafür .

In dieser Debatte wurde einmal mehr deutlich: Wer
wirklich eine konstruktive Begleitung des Projekts will,
der sollte dafür sorgen, dass die Grünen der nächsten
Landesregierung nicht mehr angehören .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815824000

Frau Leidig erhält das Wort zu einer kurzen Kurzin-

tervention .


(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Es bleibt uns nichts erspart! – Gegenruf des Abg . Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da müsst ihr durch!)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815824100

Kollege Bilger, so ist eben parlamentarische Demo-

kratie . Da müssen Sie jetzt durch .

Ich möchte einige Punkte festhalten, die ich für sehr
wesentlich halte . Es ging bei Stuttgart 21 von Anfang an
um die Frage, was dieses Projekt kosten wird, jenseits
der Frage, ob es überhaupt Sinn macht . Die lasse ich jetzt
einmal ausgeklammert .

Es gab eine eindeutige Festlegung, nicht nur des Bahn-
chefs Grube, sondern auch des damaligen Verkehrsmi-
nisters Ramsauer, dass 4,5 Milliarden Euro die absolute
Obergrenze für das Gesamtprojekt sind, weil es ansonsten
ein unwirtschaftliches Projekt für den Konzern Deutsche
Bahn AG wäre . Dann, etwa ein Jahr später, hat derselbe
Herr Grube nachrechnen müssen, weil die an ihn gerich-
teten Fragen nicht aufhörten, und er musste feststellen,
dass dieses Projekt 2 Milliarden Euro teurer wird . Daher
muss man einfach sagen: Schon allein dadurch ist es ein
unwirtschaftliches Projekt . Die Einzigen, die von Anfang
an die Kosten realistisch abgeschätzt haben, waren von
dem unabhängigen Unternehmen Vieregg-Rössler, das
übrigens für die Schweizer Bahn extrem viele Aufträge
erfolgreich abwickelt .

Jetzt hat dasselbe Unternehmen eine aktuelle Kosten-
schätzung von 9,8 Milliarden Euro vorgelegt . Ich kann

Steffen Bilger






(A) (C)



(B) (D)


einfach nicht begreifen, wie Sie sich hinstellen und sa-
gen können: Es ist alles in Ordnung . – Da ist überhaupt
nichts in Ordnung . Ihre Zusagen, Ihre Versprechen sind
gebrochen, und der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn
AG hat die Verantwortung dafür, wirtschaftlichen Scha-
den vom Unternehmen abzuhalten. Ich finde, Sie müs-
sen sich ernsthaft überlegen, wie die Vertreter der Bun-
desregierung in der nächsten Aufsichtsratssitzung am
15. März 2016 auf den Bahnvorstand Einfluss nehmen
bzw . ob sie aufhören, dafür zu sorgen, dass der Bahnvor-
stand wider besseres Wissen – Herr Grube will das Pro-
jekt nämlich längst nicht mehr – handelt und er endlich
die Möglichkeit hat, diesem Desaster zu entkommen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815824200

Herr Bilger, Sie haben jetzt die Möglichkeit zur Er-

widerung .


Steffen Bilger (CDU):
Rede ID: ID1815824300

Frau Kollegin Leidig, ich glaube, wir sollten alle da-

rauf achten, dass der Zeit- und Kostenplan eingehalten
wird . Dazu gehört eben auch, dass man nicht ständig
weiter Sand ins Getriebe streut . Dazu können wir alle ei-
nen Beitrag leisten . Man gewinnt ja fast den Eindruck, so
wie Sie sich hier die ganze Zeit einbringen, Ihnen wäre es
lieber, wenn es immer teurer werden würde .

Ich freue mich als Baden-Württemberger über dieses
Zukunftsprojekt, das in Stuttgart gebaut wird, das für
ganz Baden-Württemberg eine gewaltige Bedeutung hat .
Ich freue mich über jeden Euro, der dort investiert wird .
Ihr Vorschlag, das Projekt jetzt abzubrechen, ist wirklich
das Absurdeste, was man sich vorstellen kann, Frau Kol-
legin Leidig .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Annette Sawade [SPD])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815824400

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich

die Aussprache .

Wir kommen zu den Abstimmungen .

Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion
Die Linke auf der Drucksache 18/7566 ab . Die Fraktion
Die Linke wünscht Abstimmung in der Sache . Die Frak-
tionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überwei-
sung, und zwar federführend an den Ausschuss für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur und mitberatend an den
Haushaltsausschuss .

Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den
Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Ich frage deshalb:
Wer stimmt für die beantragte Überweisung an die Aus-
schüsse? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition
und von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke angenommen worden . Die Überwei-
sung ist so beschlossen .

Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Druck-
sache 18/7566 nicht in der Sache ab .

Ich komme zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag
der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
mit dem Titel „Offene Fragen zum Bahnhofsprojekt
Stuttgart 21 aufklären“. Der Ausschuss empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/5399, den
Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/3647 abzulehnen .

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke auf Drucksa-
che 18/7694 vor . Über diesen Änderungsantrag stimmen
wir zunächst ab . Wer stimmt für diesen Änderungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? –
Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt
worden .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung . Wer stimmt für die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op-
position angenommen worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Bundesstatistikgesetzes und anderer
Statistikgesetze

Drucksache 18/7561
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner in der
Aussprache hat Herr Dr . Tim Ostermann von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Tim Ostermann (CDU):
Rede ID: ID1815824500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir widmen uns heute der ersten Lesung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgeset-
zes und anderer Statistikgesetze . Da könnte man auf den
ersten Blick den Eindruck gewinnen: Das ist ja recht tro-
cken .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Bei näherem Hinsehen


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stellt man fest: Es ist recht trocken!)


stellt man aber fest, dass Statistiken das staatliche Han-
deln in einem nicht unerheblichen Maße beeinflussen.
Kaum eine politische Entscheidung wird heute gefällt,

Sabine Leidig






(A) (C)



(B) (D)


ohne dass vorher einschlägige Statistiken konsultiert und
analysiert werden . Ordentliche und gut geführte Statis-
tiken sind wichtig; denn dadurch können ausgewogene
politische Entscheidungen getroffen werden .


(Zuruf von der LINKEN)


Daher debattieren wir heute ein Thema, das die informa-
tionelle Basis unseres Staates und damit unserer Gesell-
schaft betrifft .

Da dies heute die erste Lesung des Gesetzentwurfs
ist, will ich zunächst einmal die Highlights des Entwurfs
wiedergeben . Das Gesetz will den Rechtsrahmen der
Bundesstatistik praxisgerecht modernisieren . Diese Mo-
dernisierung umfasst vier Aspekte .

Der erste Aspekt ist die verstärkte Nutzung von bereits
vorhandenen Verwaltungsdaten bei der Erstellung von
Statistiken . Dies dient der Entlastung der Bürgerinnen
und Bürger sowie der Entlastung der Wirtschaft .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Regelung macht Sinn . Wenn bestimmte Daten
ohnehin schon bei Verwaltungsstellen vorhanden sind,
ist es effizienter, diese Daten von den Stellen abzurufen,
anstatt sie in einer aufwendigen Befragung von Bürgern
und Unternehmen zu erheben . Für Privatpersonen und
Wirtschaft sinkt dadurch der Aufwand . Und das ist gut
so .

Richtig ist, dass auf der anderen Seite bei der Verwal-
tung zunächst ein höherer Erfüllungsaufwand entsteht .
Beim Statistischen Bundesamt muss zunächst jemand
prüfen, ob überhaupt geeignete Daten für eine entspre-
chende Statistikerstellung zur Verfügung stehen . Die-
ses Verfahren ist in zwei Schritte aufgeteilt . Zunächst
müssen in einem groben Prüfvorgang diejenigen Daten
identifiziert werden, die für eine nähere Prüfung infrage
kommen. Anschließend findet eine Einzeldatenprüfung
mit der entsprechenden Prozessumstellung statt, damit
die Daten künftig automatisiert dem Statistischen Bun-
desamt zur Verfügung stehen .

Sofern die Daten im Kompetenzbereich der Länder
liegen, kommt auch auf diese ein zusätzlicher Erfül-
lungsaufwand zu . Die Daten müssen dort zunächst an-
onymisiert und anschließend in ein Format gebracht
werden, das vom Statistischen Bundesamt verwendet
werden kann . Meines Erachtens ist dieser Mehraufwand
allerdings gerechtfertigt . Wenn Daten ohnehin vorliegen,
sollten sie nutzbar gemacht werden, anstatt Bürger und
die Wirtschaft für eine erneute Erhebung in Anspruch zu
nehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich denke, dies entspricht zum einen dem Effizienzge-
danken, zum anderen aber auch dem Gedanken, Privat-
personen und Unternehmen von staatlichen Handlungen
möglichst zu verschonen . Auch das ist für unsere Frakti-
on wichtig .

Im Übrigen folgt dies auch einer Vorgabe der EU-Ver-
ordnung über europäische Statistiken aus dem Jahr 2015 .


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)


Zusätzlich findet sich dieser Gedanke auch in einem Ka-
binettsbeschluss aus dem Jahr 2014 wieder . Das Bundes-
kabinett hatte seinerzeit Eckpunkte zur Entlastung der
mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie beschlos-
sen .

Der zweite Aspekt des Gesetzentwurfs ist die Anpas-
sung des deutschen Rechts an das europäische Recht . Die
EU-Verordnung aus dem letzten Jahr habe ich ja bereits
erwähnt. Einerseits geht es hier um begriffliche Anpas-
sungen, andererseits aber auch um eine Bekräftigung der
Koordinierungszuständigkeit des Statistischen Bundes-
amtes .

In den Bereich der Harmonisierung fällt im Übrigen
auch ein erweiterter, letztlich aber natürlich vollständig
anonymisierter Zugang zu Daten für die Wissenschaft .

Der dritte Aspekt ist eine höhere Flexibilität bei der
Anordnung von bestimmten Bundesstatistiken und frei-
willigen Erhebungen für besondere Zwecke . Hier besteht
das Ziel darin, schnell auf veränderte Datenbedarfe zu
reagieren – etwa seitens der Europäischen Union oder
oberster Bundesbehörden . Dazu ist eine Ermächtigung
zum Erlass von Rechtsverordnungen vorgesehen, mit
denen die Erstellung von Statistiken zur Erfüllung von
EU-Lieferpflichten angeordnet werden kann. Hierbei
geht es vor allem um Wirtschafts- und Umweltstatisti-
ken, bei denen seitens der Befragten ohnehin eine Aus-
kunftspflicht besteht.

Sensible Erhebungen, die möglicherweise Grundrech-
te berühren, sind hiervon nicht erfasst und bedürfen nach
wie vor einer gesetzlichen Grundlage . Zwar kann auch
in diesen Bereichen eine Erhebung durchgeführt werden,
jedoch besteht keine Auskunftspflicht, und die Befragten
äußern sich nur auf freiwilliger Basis . Die Bundesre-
gierung erstattet dem Deutschen Bundestag im Übrigen
alle zwei Jahre Bericht über alle auf Grundlage dieser
Ermächtigung angeordneten Statistiken .

Der vierte und damit letzte Aspekt ist die Schaffung
von Rechtsklarheit . Schwerpunkt ist hier die weitere
Ausgestaltung eines Statistikregisters, das bisher schon
existierte, jedoch noch weiter konkretisiert werden muss .
Das Statistische Bundesamt wird künftig bezüglich die-
ses Registers die zentrale Koordinierungsfunktion über-
nehmen . Die Ämter der Länder wirken jedoch bei der
Pflege mit und dürfen das Register ebenfalls nutzen.

So sieht also das Gesetzespaket aus . Es soll nicht un-
erwähnt bleiben, dass ein Großteil dieser Regelungen auf
den vom Statistischen Beirat verfassten Empfehlungen
zur Fortentwicklung der amtlichen Statistik beruht . Ich
meine, dass mit diesem Gesetzentwurf eine begrüßens-
werte Modernisierung unseres Bundesstatistikgesetzes
vorgeschlagen wird .

Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundes-
rates . Gleichwohl hat sich dieser in einer Stellungnahme
zu dem Gesetzentwurf geäußert . Der Bundesrat kritisiert
darin, dass durch den Gesetzentwurf in die Kompetenzen
der Länder eingegriffen würde .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es!)


Dr. Tim Ostermann






(A) (C)



(B) (D)


So moniert der Bundesrat etwa, dass die Aufwertung
des Statistischen Bundesamtes zulasten der Kompeten-
zen der Statistischen Landesämter ginge . Diese Aufwer-
tung ist aus meiner Sicht jedoch nicht nur aufgrund der
EU-Verordnung rechtlich geboten, sondern sie ist auch
effektiv . Die Koordinierung und Überprüfung des Quali-
tätsstandards muss an zentraler Stelle erfolgen, und dies
ist nun einmal die Bundesebene .

Ein zweiter Kritikpunkt des Bundesrates ist die bereits
angesprochene Prüfung von Datenbeständen durch das
Statistische Bundesamt . Der Bundesrat sieht es hier als
angemessen an, zunächst eine Prüfung durch die Landes-
ämter voranzustellen . Eine Vorschaltung der Landesäm-
ter würde aus meiner Sicht aber zu einem Mehraufwand
und zu Zeitverzug führen . Die Datenanforderung durch
das Bundesamt sollte aber wenigstens im Benehmen mit
den entsprechenden Landesministerien erfolgen . Dies
hat die Bundesregierung bereits aufgegriffen und einen
entsprechenden Vorschlag unterbreitet .

Mit diesen zwei Beispielen möchte ich verdeutlichen:
Es besteht sicherlich Gesprächsbedarf hinsichtlich eini-
ger Regelungen in dem Gesetzentwurf . Insgesamt ist der
Entwurf jedoch stringent und durchdacht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf könnte
das Statistikwesen im Sinne der Praxis, aber auch im
Sinne der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen
modernisiert werden. Ich habe eben von Effizienz ge-
sprochen . Darum lasse ich noch zwei Minuten Redezeit
übrig .


(Florian Oßner [CDU/CSU]: Bravo!)


Ich freue mich auf die anstehende Beratung im Innenaus-
schuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815824600

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin spricht Ulla

Jelpke von der Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815824700

Ich dachte schon, Sie wollten mir die zwei Minuten

schenken . Schade! – Meine Damen und Herren! Frau
Präsidentin! Wir beraten hier heute über einen von der
Bundesregierung eingebrachten Vorschlag zur Reform
des Bundesstatistikgesetzes, die – ich zitiere – „eine pra-
xisgerechte Modernisierung des rechtlichen Rahmens
der Bundesstatistik“ bezweckt . Was nach einer Routine-
anpassung klingt, greift in Wirklichkeit in einen bürger-
rechtlich äußerst sensiblen Bereich ein .

Die grundlegende Novellierung des Bundesstatistik-
gesetzes erfolgte 1987 aufgrund des Volkszählungsurteils
des Bundesverfassungsgerichts . Das damals vom Gericht

eingeführte Recht auf informationelle Selbstbestimmung
muss für uns weiter Geltung haben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wenn der vorliegende Ge-
setzesantrag zu größerer Transparenz bei der Datenerhe-
bung und -aufbereitung führt, begrüßen wir das natürlich .
Auch einzelne Elemente, wie etwa die vorgesehenen
technischen Vorkehrungen zur Pseudonymisierung, se-
hen wir als Fortschritt .

Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten . Äußerst kri-
tisch sieht die Linke das geplante Anschriftenregister . Zu
jeder Anschrift im gesamten Bundesgebiet sollen Post-
leitzahl, Gemeindebezeichnung, Straßenbezeichnung mit
Hausnummer, Geokoordinate, Gesamtzahl der Personen
je Anschrift sowie Wohnraumeigenschaften gespeichert
werden. Das ist nicht weniger als eine Kartografierung
der gesamten deutschen Bevölkerung . Begründet wird
dies mit stichprobenartigen Befragungen wie bei dem
EU-weiten Zensus von 2011 . Doch der nächste EU-
Zensus steht erst 2021 an . Niemand kann sagen, ob die
EU dann überhaupt noch in ihrer aktuellen Form beste-
hen wird . Doch die Bundesregierung will schon jetzt
fleißig Daten horten, und zwar höchst sensible Daten;
denn es gibt eine Menge Leute, die zum Beispiel gerne
wüssten, in welchen Einfamilienhäusern nur noch eine
Person lebt oder gar keine, zum Beispiel Immobilienma-
kler oder auch Einbrecherbanden . Wenn solche Angaben
dann noch mit weiteren Datenbanken zusammengeführt
werden, ist es schnell vorbei mit der Anonymität . Ich
denke hier an das sogenannte Geoscoring, also die Er-
mittlung der Kreditwürdigkeit von Kunden anhand ihres
Wohnortes .

Die Bundesregierung muss erklären, wie sie die sen-
siblen Daten vor Missbrauch schützen will . Sie muss
offenlegen, ob und wie sie zukünftige Begehrlichkeiten
und Nutzungsansprüche von Sicherheitsbehörden oder
kommerziellen Anbietern unterbinden kann .

Meine Damen und Herren, es wurde eben schon ge-
sagt: Auch der Bundesrat hat Bauchschmerzen bei dem
Gesetz . Denn einige neue Regelungen greifen direkt in
die Länderzuständigkeit ein . Zudem fehlt ein Umset-
zungskonzept . Klar ist nur, dass die Länder den Löwenan-
teil der Kosten tragen sollen . Wir meinen: Bundesländer
brauchen Statistiken gerade im Bereich der Wirtschaft,
um eine eigene Politik umzusetzen . Doch sie sollten auch
weiterhin die volle Gewalt über diese Daten behalten .

Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf sind noch viele
Fragen offen . Wir werden hier gewiss nicht die Katze im
Sack kaufen . Dafür ist uns das Grundrecht auf informati-
onelle Selbstbestimmung viel zu wichtig .

Schönen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Tim Ostermann






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815824800

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Matthias

Schmidt von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1815824900

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Meine sehr geehr-

ten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Lie-
be Kolleginnen und Kollegen! Frau Jelpke, es ist völlig
richtig: Die Statistiken sind ein bürgerrechtlich sensibler
Bereich . Aber Einbrecherbanden und Makler zu bemü-
hen, um Probleme zu konstruieren, ist schon ganz schön
weit hergeholt .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: War nur ein Beispiel!)


Aber Sie haben recht: Wir haben heute die erste Lesung
und wollen uns den Gesetzentwurf genauer ansehen .
Auch ich habe noch Kritikpunkte und Nachfragen . Da-
rauf komme ich gleich .

Ich wollte meine Rede mit einem Satz von Pythago-
ras beginnen . Sie alle kennen sicherlich einen Satz von
Pythagoras, den Satz von Pythagoras: a2 + b2 = c2 . Sie
sehen vor Ihrem geistigen Auge vielleicht noch das recht-
winklige Dreieck . Den Beweis konnten wir alle in der
Schule führen . Darüber wollen wir heute aber gar nicht
sprechen, ich wollte nämlich einen anderen Satz von Py-
thagoras zitieren .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So viel Redezeit hätte ich auch einmal gerne! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie ruhig alle Sätze durch! Das ist sehr interessant!)


– Okay, in Ordnung . – Pythagoras hat gesagt: „Die Zahl
ist das Wesen aller Dinge .“ Heute möchte man den Satz
folgendermaßen erweitern: Zahlen und Daten sind das
Wesen aller Dinge . – Jetzt sind wir endlich beim Bun-
desstatistikgesetz angekommen, wie Sie es sich gedacht
haben .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Ich habe gar nichts gedacht!)


Der Umgang mit Zahlen und Daten hat sich seit Py-
thagoras erheblich geändert, Daten- und Zahlenfluss
haben sich beschleunigt . Wir alle wissen, dass wir mit
einem Mausklick oder dem Handy E-Mails im Nu ver-
senden können, Überweisungen tätigen können, Daten
senden können . Das hat natürlich das Datenvolumen in
der Wirtschaft vervielfacht . Aber nicht nur dort . Ich frage
mich manchmal – auch bei uns im Bundestag fällt sehr
viel an –, wie unsere Kollegen vor 20 Jahren gearbeitet
haben . Sie haben sicherlich ganz anders gelebt und gear-
beitet als wir heute .

Der Datenaustausch erfolgt natürlich auch zwischen
Behörden . Die Daten laufen an vielen Stellen zusammen:
im Bund, im Land und bei den Kommunen . Darüber hi-
naus werden zum Beispiel Wirtschaftsdaten bei der Deut-
schen Bundesbank erhoben .

Bevor Statistiken erstellt werden konnten, mussten
Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger bisher immer
wieder befragt werden – ein mühsamer und aufwendiger
Prozess für das Statistische Bundesamt, die Unternehmen
und die Menschen . Frau Jelpke hat schon darauf hinge-
wiesen: Es gab immer wieder Widerstand gegen Statisti-
ken. Besonders signifikant war das bei der Volkszählung
1987 . Auch ich war seinerzeit als Volkszähler unterwegs
und erinnere mich an eine harte Zeit .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Auf der anderen Seite der Tür!)


– Ja, ich war auf der anderen Seite . Vielleicht haben wir
uns gesehen;


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schmeicheln mir!)


ich weiß es nicht . Allerdings war ich in Marburg unter-
wegs .

Bei dem Gesetzentwurf, der uns jetzt vorliegt, geht es
darum, Auskunftspflichtige und Statistiker zu entlasten.
Das allein ist schon ein guter Grund, einen Gesetzent-
wurf einzubringen . Aber es geht auch um die Moderni-
sierung und Vereinfachung von Verfahren mit dem Ziel,
Wirtschaft und Privatpersonen zu entlasten . Kollege
Ostermann hat schon beschrieben, wie es gedacht ist .
Ich will es den Zuschauerinnen und Zuschauern einmal
erklären: Wenn man beispielsweise erheben wollte, wel-
che Berufe Bundestagsabgeordnete haben und welchen
Altersklassen sie angehören, dann könnte man allen
630 Abgeordneten einen Fragebogen zuschicken, abwar-
ten, bis die Antworten kommen, und sie dann auswerten .
Man kann sich aber auch Gedanken darüber machen, ob
die entsprechenden Daten nicht schon an anderer Stelle
vorhanden sind, so zum Beispiel bei der Verwaltung des
Deutschen Bundestages oder in Kürschners Volkshand-
buch, und sie gegebenenfalls einfach auswerten . Genau
das wollen wir jetzt dem Statistischen Bundesamt auf-
geben: Es muss bei jeder Statistik zunächst prüfen, ob
die Daten nicht an anderer Stelle vorhanden sind, und
vorhandene Verwaltungsdaten gegebenenfalls nutzen .
Teilweise wird das auch schon gemacht, aber eben nicht
flächendeckend. Wir wollen mit dem neuen Gesetz errei-
chen, dass es flächendeckend passiert.

Zweitens – Kollege Ostermann, Sie haben auch da-
rauf hingewiesen – geht es um eine Flexibilisierung bei
der Anordnung von Bundesstatistiken. Hier, finde ich, ist
ein bisschen Vorsicht angebracht . Flexibilisierung – das
klingt ja immer sehr positiv und kann auch positiv sein .
Aber bisher galt der eindeutige Grundsatz: keine Statistik
ohne Gesetz . Jetzt soll die Bundesregierung ermächtigt
werden, unter bestimmten Voraussetzungen Statistiken
per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
anzuordnen . Da, Herr Kollege Krings, ist es gut, dass wir
die Ausschussberatungen haben; denn man muss einfach
tiefer einsteigen, damit klar wird, warum der Bundes-
tag diese Rechte an die Bundesregierung abtreten soll,
welchen Hintergrund und Sinn das hat . Dafür gibt es die
Ausschussberatungen .






(A) (C)



(B) (D)


Herr Kollege Ostermann, Sie haben auch darauf hin-
gewiesen: Auch Statistiken für besondere Zwecke kön-
nen erhoben werden, dann allerdings ohne Auskunfts-
verpflichtung. Es ist sicherlich immer gut, wenn es ohne
Auskunftsverpflichtung passiert. Gleichwohl sollten wir
im Innenausschuss auch darüber reden, zu welchen Zwe-
cken das gemacht werden soll .

Wie bei vorangegangenen Änderungen des Bundes-
statistikgesetzes müssen auch hier EU-Recht und natio-
nales Recht in Einklang gebracht werden .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwie klingt das ein bisschen wie im ersten Semester hier!)


Das werden wir jetzt mit diesem Gesetz tun . Die Stan-
dards werden angeglichen .

Bei der Gelegenheit können wir den Menschen dan-
ken, die jeden Tag in den statistischen Ämtern der Län-
der und des Bundes für die Statistik und mit der Statistik
arbeiten und uns alle mit sehr soliden Zahlen und Daten
versorgen . Wir könnten fast kein Gesetzesvorhaben hier
im Bundestag voranbringen, wenn wir nicht auf die Da-
ten zugreifen könnten . Auch im Alltag begegnen uns die
statistischen Daten an sehr vielen Stellen . Sie bilden die
Grundlage für die Planung von Kindergärten und Schu-
len, von Krankenhäusern und Arztpraxen, von Wohnun-
gen und des öffentlichen Nahverkehrs . Die Statistiken
sind kaum wegzudenken .

Der Gesetzentwurf ist damit im parlamentarischen
Verfahren angekommen . Wir werden seine Beratung in
den Ausschüssen begleiten . Ich freue mich auf die Dis-
kussionen mit Ihnen allen in den Ausschüssen . Ich ende
mit einem Zitat der Grande Dame der Statistik, von
Elisabeth Noelle-Neumann, die gesagt hat: „Statistik
ist … das Informationsmittel der Mündigen .“

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825000

Vielen Dank, Kollege Schmidt . – Schönen guten

Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe als
letztem Redner in dieser Debatte Dr . Konstantin von
Notz für Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Jetzt erfahren wir wahrscheinlich, warum das alles ein Skandal ist!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Damen und Herren auf der Tribüne, Sie
haben sich vielleicht vor langer Zeit um eine Karte für
die Besuchertribüne im Deutschen Bundestag beworben,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jetzt das!)


und jetzt sind Sie ausgerechnet bei der Debatte zum Bun-
desstatistikgesetz gelandet . Das klingt erst einmal lang-

weilig, aber es ist tatsächlich ein interessantes Thema .
Denn es geht uns alle an . Wir alle sind davon betroffen .
Insofern ist dies eine gute Debatte .

Das Bevölkerungsstatistikgesetz stellt die rechtliche
Grundlage für die Erhebungen der Bundesstatistik dar,
die Auskünfte über die Veränderungen in Zahl und Zu-
sammensetzung der Bevölkerung gibt, von uns allen
also . Klar ist: Derartige Erhebungen stellen eine wichtige
Grundlage zielgerichteten staatlichen Handelns dar . Klar
ist aber auch: Gerade in Zeiten von geheimdienstlichen
Massenüberwachungsansätzen und Big-Data-Geschäfts-
modellen müssen sie auf das tatsächlich Notwendige be-
schränkt sein, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


An der Frage der Statistik entscheiden sich zentra-
le Fragen der Zukunft der digitalen Informations- und
Wissensgesellschaft . Die mächtigen Treiber des Statis-
tikwesens sind heute vor allem die großen Player des
Silicon Valley; Mark Zuckerberg ist ja gerade in Ber-
lin . Sie durchforsten bestehende Datenheuhaufen nach
geringsten Abweichungen von statistisch errechnetem
Normalverhalten . Das tun sie leider viel zu oft außerhalb
jeglicher Gemeinwohlorientierung, fernab einer funktio-
nierenden Aufsicht und bisher rechtlich weitgehend un-
reguliert. Die auf diesem Weg gewonnenen Profile sind
nicht nur höchst aussagekräftig, für datenverarbeitende
Konzerne stellen sie eine genauso lukrative Einnahme-
quelle dar, wie sie für das Individuum eine erhebliche
Gefahr für dessen informationelle Selbstbestimmung
sind . Das wurde hier schon angesprochen .

Das Spannungsfeld zwischen in der Sache berechtig-
ten modernen statistischen Erhebungsverfahren und dem
notwendigen Schutz der persönlichen Informationen der
Bürgerinnen und Bürger ist offenkundig . Gerade in der
durchdigitalisierten Welt ist es Aufgabe des Gesetzge-
bers, sicherzustellen, dass die Errungenschaften moder-
ner Erhebungsverfahren bestmöglich genutzt werden,
gleichzeitig aber das Recht auf informationelle Selbstbe-
stimmung unbedingt erhalten bleibt, meine Damen und
Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nachdenklich stimmen uns Aussagen des neuen Chefs
des Bundesamtes für Statistik, der unter anderem Big
Data als wichtiges Aufgabenfeld seiner Behörde aus-
gemacht hat . Ist das wirklich der richtige Ansatz, sich
ausgerechnet diejenigen als Beispiel zu nehmen, die mit
oftmals höchst fragwürdigen Praktiken das Ziel verfol-
gen, unsere noch so privaten Lebensbereiche statistisch
berechenbar und kommerziell verwertbar zu machen?
Wir sagen: Nein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Solange es noch keine funktionierenden Mechanis-
men zur nicht wieder umkehrbaren Anonymisierung der
Daten gibt, sind wir sehr gut beraten, hier deutliche Zu-
rückhaltung an den Tag zu legen . Neben der Beschrän-
kung auf die tatsächlich absolut notwendigen Informatio-
nen brauchen wir nachvollziehbare, transparente Abläufe

Matthias Schmidt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


und Verfahren, die Sicherstellung der Richtigkeit der
Informationen und die zeitgemäße Absicherung des Sta-
tistikgeheimnisses .

Der vorliegende Entwurf zeigt hier und da jedoch
genau in die entgegengesetzte Richtung . Er enthält eine
Reihe von Verschiebungen der Verantwortlichkeiten und
Zuständigkeiten in Richtung des Bundesamtes . Hier ver-
weise ich auf die Ausführungen des Bundesrates . Wir
erwarten eine sachorientierte Debatte, an welcher Stelle
wir eine Zentralisierung wollen, aber wo eben auch nicht .

Der Entwurf enthält zudem eine ganze Reihe von re-
levanten Grundrechtseingriffen, zumindest in das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung, die nicht allein
auf Rechtmäßigkeit hin zu diskutieren sind, sondern auch
hinsichtlich der Frage, ob sie datenschutzpolitisch in die
richtige Richtung gehen . Auch da kann man durchaus
Zweifel haben .

Wir erwarten daher auch hier eine auf der Grundlage
der jüngst verabschiedeten Datenschutzverordnung ge-
führte Diskussion, eine Erläuterung und Änderung des
Gesetzentwurfs . Gerade in diesen Zeiten müssen wir
dem Persönlichkeits- und Privatheitsschutz endlich die
Bedeutung beimessen, die ihm angesichts immer neu-
er Datenerhebungs- und -auswertungsmöglichkeiten in
Rechtsstaaten zukommen muss .

Statt grundlegende Errungenschaften des Datenschutzes
und damit den Kernbereich unserer verfassungsrechtli-
chen Identität infrage zu stellen, wie es derzeit leider das
Bundesinnenministerium und neuerdings – man kann es
kaum fassen – auch Peter Altmaier tut – ob es nun im
Namen der Terrorbekämpfung oder im Namen fragwür-
diger Geschäftsmodelle des Silicon Valley ist –, müssen
wir das Ziel verfolgen, bestehende Schutzmechanismen
auszubauen und innovativ weiterzuentwickeln . Das muss
dieses Parlament hier leisten . Wir stehen für konstruktive
Debatten zur Verfügung .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825100

Vielen Dank, Konstantin von Notz . – Damit schließe

ich die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/7561 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es anderwei-
tige Vorschläge?

– Das ist nicht der Fall, und die Überweisung ist so be-
schlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Kurth, Nicole Maisch, Dr . Gerhard Schick, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine faire und transparente private Alters-
vorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System

Drucksache 18/7371

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die an der De-
batte teilnehmen, zügig Platz zu nehmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre vie-
les, aber keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlos-
sen .

Sind wir startbereit? – Das sieht so aus . Dann eröffne
ich die Aussprache und gebe das Wort Markus Kurth für
Bündnis 90/Die Grünen .


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Einmal im Jahr be-
kommen Sie von der gesetzlichen Rentenversicherung
Informationen über Ihre zu erwartende gesetzliche Ren-
te . Das Pendant dazu ist der jährliche Rentenversiche-
rungsbericht der Bundesregierung, der jedes Jahr Aus-
kunft über das Gesamtsicherungsniveau gibt . Wenn Sie
da hineinschauen, dann werden Sie sehen, dass das Ni-
veau der gesetzlichen Rente, ausgehend von 53 Prozent
im Jahr 2001,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das war noch gut!)


Jahr für Jahr absinkt und bis zum Jahr 2030 bei rund
44 Prozent ankommen wird . Aber der Rentenversiche-
rungsbericht der Bundesregierung suggeriert: Alles kein
Problem; denn es gibt ja die geförderte private Altersvor-
sorge, vulgo Riester-Rente, und die wächst und wächst
und wächst, sodass man später unter dem Strich keinen
Cent Einbußen hat und das Gesamtsicherungsniveau
weiterhin oberhalb von 50 Prozent liegt; so alljährlich die
optimistische Prognose der Bundesregierung .

Allerdings, wie bei allen Sachen, die sich erst einmal
gut anhören, lohnt sich ein Blick ins Kleingedruckte .
Denn dann sieht man, dass bestimmte Annahmen zu-
grunde gelegt werden: Es werden 4 Prozent Rendite pro
Jahr erzielt –


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


können Sie sich das heutzutage vorstellen? –, die Anbie-
ter haben nur 10 Prozent Verwaltungskosten oder we-
niger – ist das realistisch? – und alle 36 Millionen An-
tragsberechtigten sind in vollem Umfang versichert und
zahlen brav Jahr für Jahr 4 Prozent ihres Bruttoeinkom-
mens in die Riester-Rente ein . Ich sage Ihnen: Es sind ge-
rade einmal 6,4 Millionen Versicherte, die das in diesem
Umfang tun .

Mich erinnert der Rentenversicherungsbericht der
Bundesregierung an das Märchen Des Kaisers neue Klei-
der, in dem im Grunde genommen alle wissen: Der Kaiser
ist nackt . Niemand aber wagt es, dieses auszusprechen .
In diesem Fall müssten wir ernsthaft über das gesetzli-
che Rentenniveau und über Nutzen oder Nichtnutzen der

Dr. Konstantin von Notz






(A) (C)



(B) (D)


Riester-Rente diskutieren . Das tun wir von Bündnis 90/
Die Grünen an dieser Stelle .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der drei klare
Kriterien enthält:

Erstens . Wir wollen ein einfaches und nachvollzieh-
bares Basisprodukt, in dem zunächst alle versichert sind .
Wer das nicht möchte, der kann dann „herausgehen“; he-
rausoptieren nennen wir das . Wir sagen: Angesichts Tau-
sender intransparenter Produkte brauchen wir ein klares
Produkt in öffentlich-rechtlicher Hand, das für die Ver-
braucher nachvollziehbar ist und ihnen Sicherheit gibt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens . Wir wissen, dass gerade Geringverdienerin-
nen und Geringverdiener unterdurchschnittlich riestern .
Das heißt, wir werden die Förderung – wenn es nach un-
serem Vorschlag geht – umstellen und bei der Zulagen-
förderung einen Zuschlag für Geringverdiener einführen
und das durch die Einstellung der steuerlichen Förderung
entsprechend gegenfinanzieren. Das ist wichtig, damit
wir diejenigen erreichen, die am stärksten von Alters-
armut bedroht sind . Sie werden von der gegenwärtigen
Förderung nämlich kaum erfasst. Vielmehr fließt die För-
derung – das sind 3 Milliarden Euro pro Jahr – überwie-
gend an die Empfänger der oberen 20 Prozent der Ein-
kommen .

Drittens wollen wir einen klaren verbraucherschutzpo-
litischen Auftrag . Wir wollen, dass die Menschen nach-
vollziehen können, wie viel sie für Provisionen bezah-
len . Wir wollen, dass sie ihre Produkte kennen . Es liegt
nämlich der Verdacht nahe, dass viele Produkte von Leu-
ten verkauft worden sind, denen der Verbraucherschutz
überhaupt nicht am Herzen lag . Carsten Maschmeyer,
der ehemalige Inhaber eines ebenso legendären wie obs-
kuren Finanzvertriebs, hat vor 15 Jahren zu seinen Ver-
trieblern gesagt:

Es ist . . . so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen .
Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß, und sie wird
sprudeln .

Und dann hat er seinen Vertrieblern noch gesagt: Ihre
Vision ist die Provision . Wir sind der Ansicht: So etwas
Wichtiges wie die Altersvorsorge gehört nicht in die
Hände von obskuren Drückerkolonnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das ist der dritte Punkt in unserem Vorschlag .

Ich hoffe, wir diskutieren darüber sinnvoll in den Aus-
schüssen . Ich bin mir sicher, dass das neuen Schwung in
die Debatte bringen wird, und ich hoffe, dass wir zu einer
Reform der Riester-Rente kommen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825300

Vielen Dank, Markus Kurth . – Der nächste Redner ist

Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ein Plädoyer für die Deutschland-Rente!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1815825400

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Besucherinnen und Besucher! Da ist uns ja ein An-
trag mit einem sehr ambitionierten Titel vorgelegt wor-
den, in dem für eine transparente private Altersvorsorge
plädiert wird und ein stabiles Drei-Säulen-System ver-
sprochen wird . Ich habe gedacht: Jetzt kommt der große
Entwurf


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Der kommt von den Linken!)


der Grünen mit einem Vorschlag, wie man das Drei-Säu-
len-System der Alterssicherung in Deutschland insge-
samt stärken kann . Aber Fehlanzeige; es geht nur um das
Riestern .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: „Nur“? Aber hallo! – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei den anderen Säulen legen wir auch noch was vor!)


Da hat man irgendwie den Eindruck, die Grünen wol-
len ein bisschen was verwischen, oder sie bereuen etwas,
wollen es nur nicht deutlich sagen . Das, was Herr Kurth
hier als Märchen vorgetragen hat, hat ja einen Verfasser .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber kein Grüner! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der hieß Walter Riester!)


Die Schreiber dieses Märchens waren damals Rote und
Grüne unter Bundesarbeitsminister Walter Riester .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Wo er recht hat, hat er recht!)


Jetzt wollen wir einmal festhalten: Wenn da jemand ein
Märchen erfunden hat, dann waren die Grünen die Miter-
finder dieses Märchens und sollten dafür auch geradeste-
hen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE] – Manfred Grund [CDU/CSU]: Tätige Reue! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was tun Sie?)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was brauchen wir
wirklich? Ich finde, es sollte der Vergangenheit angehö-
ren, dass wir ein System gegen das andere ausspielen .
Die Wahrheit ist – von daher stimmt die Überschrift des
Antrags; danach kommt aber nichts –: Wir brauchen drei
starke Säulen der Alterssicherung in Deutschland, da-
mit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen,
dass sie auch in Zukunft mit einer insgesamt starken

Markus Kurth






(A) (C)



(B) (D)


Altersversorgung rechnen können, von der sie auch im
Alter leben können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist auch ein Märchen!)


Die erste starke Säule ist und bleibt die gesetzliche
Rentenversicherung .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Ja! Genau!)


Wir haben in dieser Großen Koalition mit dem Rentenpa-
ket bewiesen: Wir stärken die Altersversorgung durch die
gesetzliche Rentenversicherung .


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie senken doch das Rentenniveau! Nur die Beiträge steigen!)


Und mit dem, was wir in unserer Koalitionsarbeitsgruppe
zur Flexirente verabredet haben – das wollen wir noch in
Gesetzesform gießen –, beweisen wir, dass wir zusätz-
lich dafür sorgen wollen, dass die gesetzliche Rentenver-
sicherung flexibler wird und es vor allen Dingen besser
möglich ist, seine Rentenansprüche zum Ende seines Be-
rufslebens noch einmal zu steigern . Also lautet die klare
Botschaft dieser Legislaturperiode: CDU/CSU und SPD
sorgen dafür, dass die erste Säule, die gesetzliche Ren-
tenversicherung, stärker wird und auch in Zukunft der
starke Arm der Altersvorsorge bleibt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Schön wäre es! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht einmal Ihre Fraktion! – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wird schwächer, die erste Säule, durch die Große Koalition!)


Genauso klar ist: Um auch in Zukunft eine ausreichen-
de und auskömmliche Altersversorgung zu haben, brau-
chen wir auch eine starke zweite und dritte Säule . Nun
war es so: Nach der Rentenreform 2001 haben wir erlebt,
dass sowohl die Zahl der Abschlüsse von Riester-Spar-
verträgen als auch die Zahl der Anwartschaften auf eine
betriebliche Altersversorgung Jahr für Jahr angestiegen
sind . Das, was politisch initiiert worden ist, hat also funk-
tioniert . Wir stellen nur leider fest, dass bei beiden ergän-
zenden Altersvorsorgeformen etwa seit dem Jahr 2009,
was den weiteren Aufwuchs anbelangt, eher Stillstand
herrscht, und damit darf man sich nicht zufriedengeben .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825500

Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage

oder -bemerkung von Markus Kurth?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1815825600

Gerne .


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825700

Vielen Dank, Herr Weiß, dass Sie die Frage zulassen .

Ich habe angesichts der vorgerückten Stunde lange mit
mir gerungen, ob ich etwas sagen soll .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Er antwortet ja auch immer so lange!)


Aber ich kann Ihre Bemerkung, dass die Große Koaliti-
on die gesetzliche Rente mit dem Rentenpaket gestärkt
hätte, nicht einfach so stehen lassen; denn das Gegenteil
ist richtig, und das wissen Sie . Sie haben sie geschwächt;
denn Sie haben zusätzliche Ausgaben, insbesondere die
sogenannte Mütterrente, nicht adäquat finanziert.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber eine gute Rente!)


Sie finanzieren sie aus der Rücklage. Sie wissen, dass das
Rentenniveau aufgrund der deshalb früher fällig werden-
den Beitragssatzerhöhungen und der Rückwirkungen der
verschiedenen Faktoren eher sinkt .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Würden Sie mir also zustimmen, dass Sie unter dem
Strich zwar für einige Personen Leistungsverbesserun-
gen durchgesetzt haben, dass das Niveau der gesetzli-
chen Rentenversicherung insgesamt deswegen aber nied-
riger und nicht höher ist?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das leider!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1815825800

Herr Kollege Kurth, was das Rentenniveau anbelangt,

ist die Frage, wie die wirtschaftliche Entwicklung unse-
res Landes ist, viel wesentlicher .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh! Wirklich?)


Wir hatten in diesem Jahr eine Rentenanpassung, bei der
sich der Nachhaltigkeitsfaktor positiv auf das Rentenni-
veau ausgewirkt hat .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort auf die Frage! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Einmal und nie wieder! – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer hat ihn erfunden?)


Die Schätzung für dieses Jahr werden wir noch bekom-
men . Ich gehe davon aus, dass sich der Nachhaltigkeits-
faktor aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung
erneut positiv auswirkt, dass das Rentenniveau also nicht
sinkt, sondern stabilisiert wird . Das ist der entscheidende
Punkt .

Bei der Mütterrente war der Aspekt der Gerechtigkeit
für uns der entscheidende Punkt .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das soll gerecht sein?)


Peter Weiß (Emmendingen)







(A) (C)



(B) (D)


Verehrter Herr Kollege Kurth, man kann über Zahlen hin
und her diskutieren: Die gesetzliche Rente wird von den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dann als gerecht
empfunden,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerecht wäre steuerfinanziert!)


wenn sie die Leistung, die erbracht wurde, gerecht ab-
bildet .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum fragen Sie die nicht mal?)


Wir haben die Regelung, dass für alle ab 1992 gebo-
renen Kinder bei der Rente drei Kindererziehungsjahre
anerkannt werden . Zu Recht haben uns Mütter und Väter
gefragt: Warum gibt es für die vor 1992 geborenen Kin-
der keine ähnliche Regelung?


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Es gibt nur zwei Punkte, nicht drei! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer finanziert es? – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es doch jetzt gar nicht!)


Darum haben wir uns entschlossen, die Mütterrente für
vor 1992 geborene Kinder zu verdoppeln . Das ist eine
der bisher größten Gerechtigkeitstaten im Bereich der
Rentenversicherung, die wir vor allen Dingen für erzie-
hende Mütter durchgesetzt haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da ist immer noch eine Ein-Drittel-Lücke!)


Wir haben in der Koalitionsvereinbarung im Hinblick
auf die Stärkung der zusätzlichen Altersvorsorge vor al-
len Dingen verabredet, etwas dafür zu tun, dass die be-
triebliche Altersvorsorge wieder an Dynamik gewinnt,
für die Unternehmen interessanter und vor allen Dingen
für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiver
wird . Ich glaube übrigens, dass es in einer Niedrigzins-
phase richtig ist, genau hier anzusetzen; denn da, wo wir
große Kollektive versichern, können wir insgesamt mit
einer höheren Rendite rechnen . Dazu haben wir einen
ganzen Maßnahmenkatalog erarbeitet, über den wir dis-
kutieren werden .

Um einen Bezug zu Ihrem Antrag herzustellen – das
ist ein ganz wichtiger Punkt –: Wenn man die zusätzliche
Altersvorsorge für Niedrigverdiener interessant machen
will, dann wäre es zum Beispiel entscheidend, die Mög-
lichkeit der betrieblichen Altersvorsorge mit der Ries-
ter-Förderung zu verknüpfen .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Wir müssen sie vereinfachen und attraktiver gestalten;
das würde zu einer echten Dynamik führen . Aus Ries-
ter-Förderung und bAV eine starke zusätzliche Alters-
vorsorge aufzubauen, ist ein Reformpunkt, den wir als
Große Koalition angehen wollen .

Hinzu kommt: Als Sie Riester angesprochen haben,
haben Sie, sehr geehrter Herr Kurth, völlig unterschla-

gen, dass wir das Märchen, das die Grünen mit erfunden
haben, schon kräftig umgeschrieben haben, indem wir
Korrekturen vorgenommen haben . Wir haben das ein-
heitliche Produktinformationsblatt, das wirklich mehr
Transparenz schafft, eingeführt . Wir haben die Kosten
beim Anbieterwechsel begrenzt . Wir haben als zusätzli-
ches Angebot den Wohn-Riester geschaffen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Erklären Sie den mal! Den versteht keiner! Viel zu kompliziert!)


Wir haben innerhalb der Riester-Verträge die Möglich-
keit, die Erwerbsunfähigkeit abzusichern, verbessert .
Wir haben die Förderung für Kinder verbessert .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist passiert?)


Wir haben die Riester-Rente im Vergleich zu dem, was
die Grünen damals ins Gesetz geschrieben haben, also
schon kräftig reformiert .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es hat sich seitdem nichts gebessert! Die Rahmenbedingungen sind anders, aber es ist nichts besser geworden! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Bringt nichts!)


Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir
werden ein Gutachten zur betrieblichen Altersvorsorge
erhalten, das das Bundesfinanzministerium in Auftrag
gegeben hat . Wir werden im Herbst dieses Jahres den
alle vier Jahre vorzulegenden Altersvorsorgebericht der
Bundesregierung bekommen . Ich plädiere dafür, bei ei-
nem so sensiblen und ernsten Thema wie der Altersver-
sorgung, bei dem es um die Frage geht: „Habe ich mein
Geld richtig investiert, um eine gute Altersversorgung zu
bekommen?“, nicht im Nebel herumzustochern, sondern
sich auf valide Daten zu verlassen . Deswegen schlage
ich vor, über diese Frage im Angesicht des Altersvor-
sorgeberichts, der uns exakte Daten und Informationen
liefern wird, zu diskutieren und nicht vorab einen etwas
schwächlichen Antrag wie den der Grünen zu beraten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815825900

Vielen Dank, Kollege Weiß . – Der nächste Redner:

Matthias W . Birkwald für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815826000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber

Kollege Markus Kurth! Peter Weiß hat es ja eben schon
gesagt: Die Grünen haben gemeinsam mit der SPD im
Jahr 2002 die Riester-Rente eingeführt . Das Ziel war aus-
drücklich, mit Riester die vorher von SPD und Grünen
beschlossenen dramatischen Kürzungen der gesetzlichen

Peter Weiß (Emmendingen)







(A) (C)



(B) (D)


Rente auszugleichen . Heute wissen wir: Das ist grandios
gescheitert .


(Beifall bei der LINKEN)


Der Focus brachte es am 8 . Dezember 2014 mit sehr
bösen Worten auf den Punkt: „Lasst Riester sterben“, lau-
tete das Fazit . Nun, ich wünsche Herrn Riester ein langes
Leben . Meine Damen und Herren, in anständiger Sprache
ausgedrückt müsste es heißen: „Lasst die Riester-Rente
sterben .“ Denn für die große Mehrheit der Rentnerinnen
und Rentner gilt nämlich: Mit der Riester-Rente ist die
politisch willkürlich in die gesetzliche Rente gerissene
Lücke nicht zu schließen .


(Beifall bei der LINKEN)


Darum sage ich: Wir brauchen auf gar keinen Fall eine
neue Deutschland-Rente, wie sie drei Minister der
schwarz-grünen Regierung in Hessen vorgeschlagen ha-
ben . Und ein neues Basisprodukt, wie es im Antrag der
Grünen-Bundestagsfraktion heißt, brauchen wir eben-
falls nicht . Das alles ist nur Herumdoktern an Sympto-
men .


(Beifall bei der LINKEN)


Worum geht es? Die gesetzliche Rente muss wieder
zum Leben reichen .


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu bleiben Sie in Ihrem Antrag verdächtig vage, lie-
be Grünen . Stattdessen stellen sich zwei CDU- und ein
grüner hessischer Minister hin und sagen: Oh, es ist ja
dramatisch, wie die gesetzliche Rente in den Keller ras-
selt . Und sorry, das mit der Riester-Rente auszugleichen,
funktioniert leider nicht . – Und dann wiederholen sie und
die Grünen im Bundestag die jahrelange Kritik des Bun-
des der Versicherten, vieler Betroffener und der Linken,
Riestern sei zu teuer, Riestern sei zu komplex, und die
Rendite bei den Riester-Verträgen sei zu gering . Stimmt
alles!


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, also!)


Nur die SPD braucht für diese Erkenntnis noch ein biss-
chen .

Wir Linken sagen Ihnen schon lange: Versicherungs-
konzerne haben in erster Linie ein Interesse an Provisi-
onen, Gebühren, hohen Verwaltungskosten und fetten
Gewinnen . Ihr Interesse an bezahlbarer und langfristiger
Altersvorsorge sowie einem bezahlbaren Schutz der Er-
werbsminderung ist deutlich übersichtlicher . Also bis auf
die SPD sind sich endlich alle einig: Riestern ist geschei-
tert . Das können Sie übrigens heute im Handelsblatt bei
Peter Thelen unter der Überschrift „Baufällige Altersver-
sorgung“ nachlesen .

Was will die schwarz-grüne Hessenkoalition jetzt
machen? Sie will die Versicherungskonzerne durch den
Staat ersetzen . Hallo, geht es noch? Sie wollen einen
Staatsfonds einführen, der dann bis zu 60 Prozent der
von den Versicherten einkassierten Gelder für ein neues
Riester-Produkt in Aktien anlegen soll . In Aktien! Den
Finanzplatz Frankfurt wird das freuen . Die zukünftigen
Rentnerinnen und Rentner, die in der nächsten Finanz-

krise auf ihr Vorsorgekapital angewiesen sein werden,
müssen dann in die Röhre schauen . Zocken mit der Rente
nenne ich das . Und das, meine Damen und Herren, will
die Linke nicht .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Grüne, warum haben Sie nicht den Durchblick
und vor allem den Mumm, den die Christlich-Demokra-
tische Arbeitnehmerschaft der CDU hat? Komisch, dass
der Kollege Weiß, der da Mitglied ist, kein Wort darüber
gesagt hat . Der erste Stellvertretende Bundesvorsitzende
der CDA, Christian Bäumler, sagt:

Die Riester-Rente ist spätestens mit der Niedrigzins-
phase an die Wand gefahren .

Und was fordert er? Er will Riester rückabwickeln . Das
ist konsequent und vor allem eines: Es ist richtig .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir Linken fordern die Rückabwicklung schon seit
2008 und ganz explizit in unserem Antrag von 2013
„Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen“ .
Das ist gut; denn das würde die Rentenversicherung stär-
ken . Die 3,6 Milliarden Euro Riester-Förderung pro Jahr
aus Steuermitteln täten der Rentenversicherung gut . Dar-
um fordere ich die Bundesregierung auf: Stoppen Sie den
Verfall der gesetzlichen Rente . Erhöhen Sie das Renten-
niveau wieder auf 53 Prozent, also auf das Niveau von
2001 .


(Beifall bei der LINKEN)


Wer dann noch zusätzlich vorsorgen will, kann und muss,
sollte nicht erst ab 55 und auch nicht erst ab 50, son-
dern vom ersten Arbeitstag an freiwillige Zusatzbeiträ-
ge in die gesetzliche Rente einzahlen können . Sie, liebe
Grüne, deuten diese Option in Ihrem Antrag an . Darauf
können wir uns einigen . Das wäre attraktiv . Riester- und
Deutschland-Renten sind es auf keinen Fall .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815826100

Vielen Dank . Kollege Birkwald . – Der nächste Redner

ist Ralf Kapschack für die SPD .


Ralf Kapschack (SPD):
Rede ID: ID1815826200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuschauer! Mit Statistik haben die meisten hier im
Saal wahrscheinlich nicht viel zu tun, aber sicherlich mit
dem Thema Altersversorgung .

Wie bekommen wir es angesichts der demografischen
Entwicklung und bei langfristig steigenden Beiträgen
hin, auch in Zukunft eine lebensstandardsichernde Al-
tersversorgung zu gewährleisten? Das ist heute die Fra-
ge, und das war auch vor 15 Jahren die Frage . Damals
war das Ergebnis die Riester-Rente, eine private zusätz-
liche Altersversorgung, die geplante Einbußen bei der
gesetzlichen Rente ausgleichen sollte – die sogenannte
dritte Säule neben gesetzlicher und betrieblicher Rente .
Das war die Idee .

Matthias W. Birkwald






(A) (C)



(B) (D)


Richtig funktioniert hat es nicht, zugegeben .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist eine späte Einsicht! Aber schön!)


Das lag aber nicht in erster Linie an Walter Riester,
sondern nicht zuletzt auch an den Widerständen in der
Öffentlichkeit und auch in den Institutionen . Konkret:
Die ursprünglich geplante obligatorische Lösung schei-
terte an einer Medienkampagne gegen die damals so dif-
famierte „Zwangs-Riester-Rente“ .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig! So war das damals!)


Die Idee, für jeden Versicherten bei der Rentenversiche-
rung noch ein sogenanntes Vorsorgekonto für die zusätz-
liche private Altersversorgung anzulegen, scheiterte, wie
man hört, an der Rentenversicherung .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: So ist das!)


Das Ergebnis: Die Riester-Rente ist zu unübersicht-
lich – darin sind wir alle uns, glaube ich, einig – und oft
zu teuer . Durch die niedrigen Kapitalmarktzinsen schla-
gen hohe Provisionen und Vertriebskosten erst recht voll
auf die Rendite durch . Viele nehmen Riester gar nicht
erst in Anspruch, vor allem jene nicht, die auf eine zu-
sätzliche Altersversorgung angewiesen sind . Deshalb
brauchen wir gerade dort dringend eine Verbesserung .

Für die SPD geht es in der aktuellen Debatte darum,
wie wir gerade diejenigen erreichen, die bislang keine ei-
gene Altersversorgung finanzieren können.


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Frage!)


Wie erreichen wir gerade diejenigen, die ahnen, dass
jede private Vorsorge von der Grundsicherung „wegge-
fressen“ wird?


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Rentenniveau anheben!)


Die aktuelle Anrechnung auf die Grundsicherung muss
deshalb auf den Tisch – genauso die bisherige staatliche
Förderung . Die Idee im Antrag der Grünen, Neuverträge
auf eine reine Zulagenförderung umzustellen, finde ich
sehr sympathisch . Mit deutlich höheren Zulagen würde
die eigene Vorsorge gerade für Geringverdiener attrak-
tiver .

Daneben schlagen Sie ein einfaches Basisprodukt vor,
das staatlich organisiert werden soll . Das kommt unserer
Forderung nach großen Einheiten sehr entgegen . Kollek-
tive Lösungen können die Kosten für Verwaltung und
Vertrieb reduzieren und haben deutlich bessere Anlage-
möglichkeiten . Darin sind wir uns einig .

Man kann es beklagen, aber realistisch betrachtet wird
es auf Dauer ohne eine private und wahrscheinlich auch
ohne eine kapitalgedeckte Altersversorgung nicht gehen .
Für uns ist die betriebliche Altersversorgung die beste
Form der privaten und zugleich kollektiven Altersver-
sorgung . Dazu wird Martin Rosemann gleich noch etwas
sagen .

Aber natürlich geht es auch darum, das Niveau der
gesetzlichen Rente – der ersten und zentralen Säule – zu
stabilisieren .


(Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Aber wie? Das ist der wichtigste Punkt!)


Aus der CDU – Matthias Birkwald hat das schon ge-
sagt – gibt es dazu ja durchaus interessante Vorschlä-
ge . Herr Bäumler fordert, das Rentenniveau schrittwei-
se wieder anzuheben, weil sich die Riester-Rente nicht
durchgesetzt hat .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das sehen wir auch so! – Beifall des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Ich finde das eine gute Überlegung, aber ich bin mir nicht
sicher, ob er dafür in seiner eigenen Partei eine Mehrheit
findet.

Die Zukunft der Altersversorgung betrifft jeden – frü-
her oder später . Die DGB-Gewerkschaften haben an-
gekündigt, eine angemessene Rente zu ihrem zentralen
Thema der nächsten Monate zu machen . Dort werden
Antworten erwartet . Auch deshalb ist es sinnvoll, not-
wendig und an der Zeit, sich darüber auseinanderzuset-
zen, wie die Altersversorgung in Zukunft aussehen soll
und welche Rolle die private und die gesetzliche Rente
dabei spielen .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815826300

Vielen Dank, Herr Kollege Kapschack . – Nächster

Redner: Matthäus Strebl für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Matthäus Strebl (CSU):
Rede ID: ID1815826400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Die Riester-Rente, die Deutschland-Rente und
auch das Sozialpartnermodell sind zurzeit in aller Mun-
de . Ich vertrete die Position, dass die Altersvorsorge aus
einem abgestimmten Dreiklang bestehen muss . In der
ersten Säule haben wir durch das Rentenpaket umfang-
reiche Leistungsverbesserungen auf den Weg gebracht .
Neben der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversi-
cherung ist aber auch die kapitalgedeckte Altersvorsorge
der zweiten und dritten Säule als Gegengewicht zur Al-
tersarmut unabdingbar .

Die Einführung der Riester-Rente, um darauf zu spre-
chen zu kommen, vor 15 Jahren diente dazu, den sinken-
den Renten entgegenzuwirken und den Generationenver-
trag zu stärken . Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass
die Riester-Rente kein Wundermittel ist . Der Grundge-
danke war vielmehr die Schaffung einer weiteren Vor-
sorge und nicht eine unschlagbare Renditeoptimierung .
Zweifelsfrei gibt es auch Probleme . Die Riester-Rente
ist, wie viele Kritiker bemängeln, ein sehr komplexes
System mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Mög-

Ralf Kapschack






(A) (C)



(B) (D)


lichkeiten, fürs Alter vorzusorgen . Das Misstrauen in
Finanzdienstleistungen seit der Wirtschafts- und Finanz-
krise und die mitunter hohen Abschluss-, Vertriebs- und
Verwaltungskosten lassen den Unmut über Riester-Spar-
verträge nicht sinken .

Durch die seit Jahren andauernde Niedrigzinsphase
ist die kapitalgedeckte Altersvorsorge natürlich weniger
attraktiv als noch bei der Einführung der Riester-Ren-
te 2002 . Die Idee 2001/2002 war, dass mit Riester alle
Einkommensschichten erreicht werden sollten . Deshalb,
werter Kollege Kurth, lehne ich Ihren Vorschlag ab, dass
die Förderung auf eine reine Zulagenförderung umge-
stellt werden soll und vornehmlich nur noch Geringver-
diener gefördert werden sollen .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „nur noch“! Die Zulage kriegen alle!)


Werte Kolleginnen und Kollegen, viele Kritiker for-
dern insbesondere in den letzten Wochen schlagzeilen-
trächtig die Abschaffung der Riester-Rente . Dieser For-
derung möchte ich widersprechen . Allerdings stimme
ich zu, wenn Forderungen nach der Vereinfachung der
Riester-Rente und der Förderungsbedingungen laut wer-
den . Eine Optimierung halte ich deshalb für geboten und
unausweichlich .

Werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
Sie sprechen in Ihrem Antrag zumindest ansatzweise
die sogenannte Deutschland-Rente der schwarz-grünen
Landesregierung in Hessen an . Wir beide waren vor
kurzem in der hessischen Landesvertretung, in der diese
Deutschland-Rente vorgestellt worden ist . Ich bin aber
nicht zu 100 Prozent überzeugt worden .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich auch nicht!)


Dennoch: Dieser Vorschlag enthält einige interessante
Ideen . Gleichwohl sind uns noch nicht alle Details be-
kannt . Wir werden derartige Ideen natürlich diskutieren
und prüfen müssen . Eine abschließende Beurteilung zum
jetzigen Zeitpunkt halte ich daher für voreilig .

Ein weiteres Thema des Antrags, das mir sehr wichtig
ist, möchte ich gerne noch ansprechen, nämlich trans-
parente und verständliche Informationen . Darüber hat
auch schon der Kollege Karl Schiewerling gesprochen,
der eine säulenübergreifende und transparente Auskunft
angeregt hat . Wir beraten uns deshalb bereits mit Vertre-
tern aller drei Säulen, um eine einheitliche Information
für alle Beschäftigten zu ermöglichen . Dabei stellen sich
auch zahlreiche Fragen, etwa nach Datenschutz und Da-
tensicherheit .

Letztendlich kann jeder Einzelne nur ausreichend vor-
sorgen, wenn er eine Vorstellung davon hat, was er im
Alter zur Verfügung hat . Wir dürfen aber nicht dem Irr-
glauben verfallen, dass wir eine exakte Aussage über den
genauen Betrag der späteren Gesamtversorgung treffen
können .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Machen Sie doch im Rentenversicherungsbericht!)


Es wäre nämlich falsch, dies den Bürgerinnen und Bür-
gern zu versprechen . Schließlich hängt der Betrag von zu
vielen Faktoren ab . Zudem stellt sich die Frage, welche
Kaufkraft der Betrag nach Abzug der Inflation in 20 oder
30 Jahren noch hat .

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis zum Schluss . Sie
sprechen in Ihrem Antrag von einem „stabilen Drei-Säu-
len-System“ . Jedoch können Sie keinen nennenswerten
Vorschlag zur betrieblichen Altersvorsorge bieten .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommt noch! Keine Sorge!)


Wir haben im Koalitionsvertrag die Stärkung der betrieb-
lichen Altersvorsorge verankert . Ich werbe dafür, dass
wir die Hemmnisse sowohl bei Arbeitgebern als auch
bei Arbeitnehmern abbauen, um eine Verbreitung der be-
trieblichen Altersvorsorge zu erreichen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Schaffen Sie mal als Erstes die Doppelverbeitragung bei den Krankenversicherungsbeiträgen ab!)


Nur so können wir im Zusammenspiel mit beiden Seiten
gute Lösungen ermöglichen .

Dazu gehört insbesondere die Zulagenförderung für
Geringverdiener, die Frage der Haftung der Arbeitgeber
oder zum Beispiel auch das Thema der Doppelverbeitra-
gung. Das Gutachten des Bundesfinanzministeriums, so
wie das der Kollege Weiß schon gesagt hat, wird sich
auch mit der riestergeförderten betrieblichen Altersvor-
sorge befassen . Die Ergebnisse, mit denen wir in Kürze
rechnen, sollten wir daher abwarten .

Ich teile zwar einige Kritikpunkte Ihres Antrags, wer-
ter Kollege Kurth, halte aber die Vorschläge so für nicht
umsetzbar und praktikabel . Deshalb werden wir den An-
trag ablehnen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815826500

Vielen Dank, Herr Strebl . – Der letzte Redner in der

Debatte ist Dr . Martin Rosemann für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1815826600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Ich will es auch noch einmal
ganz deutlich sagen: Die gesetzliche Rente ist und bleibt
die zentrale Säule der Altersversorgung in Deutschland,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


und ich denke, wir müssen alle daran arbeiten, dass es
auch so bleibt .

Matthäus Strebl






(A) (C)



(B) (D)


Am wichtigsten dafür sind aber – das zeigen auch die
Erfahrungen gerade der vergangenen Jahre – eine gute
Beschäftigungsentwicklung, eine geringe Arbeitslosen-
quote und vor allem viele sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse . Deswegen geht es darum,
gute Arbeit und guten Lohn für möglichst viele Men-
schen in Deutschland sicherzustellen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb müssen wir die Tarifbindung stärken, die Er-
werbsbeteiligung von Frauen erhöhen, Flüchtlingen faire
Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben, Langzeitarbeitslo-
se auf ihrem Weg zurück auf den Arbeitsmarkt unterstüt-
zen und Geringqualifizierte weiter fördern. Daran haben
wir Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren gear-
beitet, und daran arbeiten wir auch weiterhin .


(Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Viel Erfolg!)


Klar ist aber auch, dass der demografische Wandel
und die mit ihm verbundenen Herausforderungen sich
nur dann bewältigen lassen, wenn wir die Lasten gerecht
zwischen den Generationen verteilen und die Alterssi-
cherung auf mehrere Säulen stützen . Das war damals vor
15 Jahren die wahre Leistung von Rot-Grün, dass genau
das erkannt worden ist .

Im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung
heißt es – ich zitiere –:

Die Alterssicherung steht im demografischen Wan-
del stabiler, wenn sie sich auf mehrere starke Säulen
stützt .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die eine Säule ist nicht stark!)


Deswegen werden wir die betriebliche Altersvorsor-
ge stärken . Sie muss auch für Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben selbst-
verständlich werden .

Daher werden wir an unterschiedlichen Punkten an-
setzen: erstens am Haftungsrisiko für die Betriebe, ein
Hemmnis vor allem für viele kleine Betriebe, in die
betriebliche Altersversorgung einzusteigen; zweitens
an der Förderung vor allem für Geringverdiener – Herr
Kapschack hat es schon angesprochen –, und vor allem
müssen wir drittens wegkommen von individuellen Lö-
sungen hin zu kollektiven, auch kollektiven kapitalge-
deckten Systemen .

Wer könnte das besser organisieren als die Sozialpart-
ner, meine Damen und Herren? Damit können wir die
Verbindlichkeit erhöhen, mehr Beschäftigte erreichen,
die Vertriebs- und Verwaltungskosten reduzieren und
optimale Anlagestrategien ermöglichen . Dabei, Herr
Birkwald, geht es um alles, nur nicht darum, mit dem
Geld zu zocken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE] – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das erkläre ich Ihnen gern mal!)


Ich meine, dass im Hinblick auf diese Ziele das von
Bundesministerin Andrea Nahles vorgelegte Sozialpart-
nermodell eine gute Grundlage für die weitere Diskus-
sion ist . Wir sind gerne bereit, konstruktive Vorschläge
natürlich von den Sozialpartnern, aus der Wissenschaft,
aber auch aus der Opposition mit in die Diskussion auf-
zunehmen . Denn es ist immer besser, wenn viel Expertise
in eine solche Diskussion einfließt.

Ich glaube aber, insgesamt müssen wir die betriebliche
Altersvorsorge in Deutschland in dem Sinne weiterent-
wickeln, dass sie von einem Instrument der betrieblichen
Personalpolitik zu einem Instrument der Sozialpolitik
wird .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815826700

Vielen Dank, Kollege Rosemann . – Damit schließe

ich die Aussprache und wünsche Ihnen eine sehr kon-
struktive weitere Debatte in dieser sehr wichtigen Frage .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7371 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . – Sie sind einverstan-
den . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Designgesetzes und weiterer
Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes
Drucksache 18/7195
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/7684
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . Sind

Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall .1)

Dann kommen wir direkt zur Abstimmung . Der Aus-
schuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/7684,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/7195 anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenom-
men . Zugestimmt haben CDU/CSU, SPD und die Linke,
und enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen .

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erhe-
ben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist angenommen . Zugestimmt haben
CDU/CSU, SPD und die Linke, und enthalten hat sich
Bündnis 90/Die Grünen .

1) Anlage 16

Dr. Martin Rosemann






(A) (C)



(B) (D)


Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Weinberg, Ulla Jelpke, Sabine Zimmermann

(Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion DIE LINKE

Medizinische Versorgung für Geflüchtete und 
Asylsuchende diskriminierungsfrei sichern

Drucksache 18/7413
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgehen . – Ich höre keinen
Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich bitte die Rednerinnen und Redner sowie die inte-
ressierten Kolleginnen und Kollegen, Platz zu nehmen,
damit ich die Aussprache eröffnen kann .

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Kathrin
Vogler für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815826800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Heute Morgen haben wir in diesem Haus über
Asylpolitik debattiert . Dabei wurde deutlich, dass die
Große Koalition bei dem Ziel, Flüchtlinge möglichst
schnell abzuschieben, auch auf traumatisierte und kranke
Menschen kaum noch Rücksicht nimmt. Wir finden das
weder christlich noch sozial . Deswegen lehnt die Linke
das ab .


(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das stimmt ja auch nicht!)


Wenn ich vor Ort mit Aktiven aus der Flüchtlingshilfe
spreche, dann sind die großen Probleme in der Gesund-
heitsversorgung ein großes Thema . Das liegt am Asylbe-
werberleistungsgesetz . Nach diesem Gesetz ist nämlich
medizinische Versorgung grundsätzlich nur dann zu ge-
währen, wenn es sich um Schwangerschaft, Entbindung,
akute Erkrankungen und Schmerzzustände handelt . Oft
verweigern die zuständigen Behörden und Gerichte die
Behandlung einer chronischen Erkrankung sogar dann,
wenn körperliche Unversehrtheit oder sogar das Leben
bedroht sind .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Unverantwortlich!)


Ein besonders drastisches Beispiel vom Verwaltungs-
gericht Gera: Ein junger Mann aus Bangladesch leidet an
einer Hüftgelenksnekrose . Seine beiden Hüftköpfe sind
nahezu zerstört . Laufen kann er kaum . Er erleidet ganz
schlimme Schmerzen . Medizinisch geboten wäre eine
Operation, um die Schmerzen und die Behinderung dau-
erhaft zu beseitigen . Doch er bekommt nur Opiate, also
starke und abhängig machende Schmerzmittel; denn das
sei eine chronische Erkrankung, und es bestehe keine Ge-

fahr für Leib und Leben. Ich finde, das ist eine massive
Menschenrechtsverletzung .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist ein Verstoß gegen Artikel 12 des UN-Sozialpakts,
der in der Bundesrepublik Deutschland seit 40 Jahren
geltendes Recht ist . Das ist nicht hinnehmbar .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke fordert darum, dass die Einschränkung auf
Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände
ersatzlos gestrichen wird . Hierbei steht die Linke üb-
rigens an der Seite der Ärztinnen und Ärzte . Denn sie
werden derzeit genötigt, entweder gegen geltendes Recht
oder gegen ihre berufliche Ethik zu verstoßen. Das wol-
len wir ändern . Wir wollen Recht und Ethik endlich wie-
der in Übereinstimmung bringen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Perspektivisch wollen wir, dass auch die Menschen,
die auf der Flucht zu uns kommen, ordentlich kranken-
versichert sind . Ihre Beiträge soll zunächst der Bund
übernehmen . Damit soll er die Kommunen entlasten . Als
Übergangslösung sollten alle Menschen zumindest über-
all in Deutschland eine Gesundheitskarte erhalten, mit
der sie jederzeit zum Arzt gehen können .


(Beifall bei der LINKEN)


Manche Kommunen sorgen sich, dass dann die Kos-
ten aus dem Ruder laufen könnten . Aber aufgrund der
Erfahrungen in Hamburg und Bremen können wir das
doch inzwischen deutlich widerlegen . Daher ist es genau
andersherum: Die Ausstattung der Flüchtlinge mit Ge-
sundheitskarten hat erstens Verwaltungskosten gespart
und zweitens auch noch Gesundheitskosten . Denn wenn
kranke Menschen gleich zum Arzt gehen können, werden
so mancher Rettungswageneinsatz und mancher Kran-
kenhausaufenthalt gar nicht erst nötig .


(Beifall bei der LINKEN)


Denn was passieren kann, wenn Verwaltungsmitarbei-
ter ohne medizinische Qualifikation darüber entscheiden
müssen, ob ein Flüchtling zum Arzt gehen kann oder
nicht, zeigt ein weiteres Beispiel, diesmal aus Zirndorf:
Ein Kleinkind litt an einer septischen Hirnhautentzün-
dung . Der Sachbearbeiter erkannte die Schwere der Er-
krankung nicht und verweigerte den Eltern, das Kind ins
Krankenhaus zu bringen oder einen Notarzt zu rufen .
Der Junge lag danach monatelang im Koma und über-
lebte nur mit schwersten Behinderungen . Dass so etwas
in unserem Land passieren kann, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ist wirklich eine Schande . Dafür muss man
sich schämen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit,
wie es in Artikel 2 unseres Grundgesetzes steht, gilt aus
gutem Grund für alle Menschen . Ich rufe Sie auf: Setzen
Sie es mit uns gemeinsam um!


(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815826900

Vielen Dank, Kollegin Vogler . – Der nächste Redner

ist Reiner Meier für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Reiner Meier (CSU):
Rede ID: ID1815827000

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute Vormittag haben wir das Asylpaket II beschlossen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, schändlicherweise!)


Ein wichtiges Ziel darin ist, dass möglichst viele Asylan-
ten


(Heike Baehrens [SPD]: Asylbewerber!)


möglichst bald Gewissheit darüber haben, ob sie in unse-
rem Land bleiben können oder nicht . Zugleich ist es ein
wichtiges Signal für unsere Kommunen,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die leiden gar nicht so darunter!)


die zu Recht fragen: Wo sollen wir die vielen Flüchtlinge
noch menschenwürdig unterbringen?


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht ist denen Humanität wichtiger als Ihnen!)


In dieser Situation wollen Sie nun Leistungen auswei-
ten und weitere Anreize zur Migration schaffen .


(Zurufe von der LINKEN)


Ich nehme das Ergebnis an dieser Stelle vorweg:


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sie wollen Menschenrechte verweigern!)


Die von Ihnen so wortreich skandalisierte Diskriminie-
rung findet in unserem Land einfach nicht statt. Nehmen
Sie das zur Kenntnis!


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann gehen Sie mal raus! Gehen Sie mal in die Heime! Gehen Sie doch mal mit und gucken Sie, wie die Leute abgeholt und abgeschoben werden! Da erleben Sie die Realität! Wo leben Sie denn? – Gegenruf von der CDU/CSU: Geltendes Recht, mein Lieber! – Weitere Zurufe)


Erstens ist schon die Prämisse Ihres Antrags falsch .
Sie gehen davon aus, dass allein der volle Leistungsum-
fang der gesetzlichen Krankenversicherung menschen-
würdig ist .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Ja, natürlich!)


Das stimmt nicht, meine Damen und Herren . Richtig ist:
Jeder Flüchtling, der zu uns kommt, erhält bei uns alle
unaufschiebbaren Behandlungen, und zwar von Anfang
an


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)


und solange es nötig ist, bis sein Asylantrag entschieden
ist .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Darüber entscheiden Verwaltungsmitarbeiter, keine Ärzte! – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist viel Geld!)


Natürlich bietet die GKV auch Leistungen, die weit
darüber hinausgehen, an . Dazu gehören aber auch Ange-
bote, die nur dann sinnvoll sind, wenn der Patient über
einen längeren Zeitraum behandelt werden kann .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Oh!)


Zweitens . Anders als Sie behaupten, berücksichtigt
das geltende Recht durchaus die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und lässt im Härtefall beson-
dere Leistungen zum Beispiel bei Kleinkindern durchaus
zu . Ich frage mich zunehmend, wie Ihre ständige Kritik
auf jemanden wirken muss, der in seinem Heimatland
praktisch keinen Zugang zu jeglicher medizinischen Ver-
sorgung hatte .

Drittens . Auch wenn Sie das nur ungern anerken-
nen: Was Sie fordern, kostet sehr viel Geld, viel Geld
der Steuerzahler, das meines Erachtens an anderer Stel-
le dringend benötigt wird, sei es für die Integration von
Flüchtlingen


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist die Einstellung der CSU: Lassen wir sie doch verrecken! Sie kosten zu viel Geld!)


oder – noch wichtiger – für die Bekämpfung der Fluchtur-
sachen .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Aber das machen Sie ja auch nicht!)


Wir erwarten schon ohne Ihre Forderungen in den
nächsten zwei Jahren Kosten von bis zu 50 Milliarden
Euro für die Versorgung der Flüchtlinge, und Sie sagen,
wir tun nichts? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)


Auch wenn Deutschland ein wirtschaftlich starkes
Land ist, stößt es hier an seine finanziellen Grenzen.
Schließlich müssen wir auch über die Gerechtigkeit in
der Gesundheitspolitik sprechen .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Oh ja! Das ist ein spannendes Thema!)


Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern wird,
anders als die gesetzliche Krankenversicherung, nämlich
aus Steuermitteln finanziert, und das halte ich auch für
sachgerecht; denn die Versorgung der Asylbewerber ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Genau! Das finden wir auch richtig!)


Es ist aber kaum vermittelbar, wenn Sie heute fordern,
den Leistungsumfang für gesetzlich Versicherte und






(A) (C)



(B) (D)


ALG-II-Empfänger jenem von Asylbewerbern gleichzu-
stellen .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Warum soll das falsch sein?)


Es macht eben schon einen Unterschied,


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die Würde des Menschen!)


ob jemand zur Stabilität unseres Sozialstaats aktiv bei-
getragen hat oder nicht . Diesen Unterschied können Sie
nicht einfach einebnen, meine Damen und Herren, das ist
nicht möglich .

Im Übrigen reden wir bei Asylbewerbern über einen
zeitlich begrenzten Status . Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge hat zugesagt, die Asylverfahren auf eine
Dauer von drei Monaten zu reduzieren . Für Antragsteller
mit geringen Bleibeperspektiven werden die beschleu-
nigten Verfahren schon nach drei Wochen abgeschlossen
sein . In dieser Übergangsphase, in der noch völlig offen
ist, ob jemand in Deutschland bleibt oder nicht, halte ich
eine Ausweitung des Leistungsumfangs für sehr proble-
matisch, ja auch kontraproduktiv .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was wir brauchen, sind klare, vollziehbare Regeln im
Asylverfahren und keine neuen Anreize zur Verfahrens-
verschleppung .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Als ob die kommen, weil sie sich hier die Zähne machen lassen wollen!)


Ich bedanke mich .


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Was habt ihr in der CSU für ein Menschenbild? – Gegenruf der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Kein christliches! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Widerlich!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815827100

Vielen Dank, Kollege Meier . – Die nächste Rednerin:

Maria Klein-Schmeink für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Meier, ich empfehle Ihnen Lektüre, In-
formation . Da gibt es eine, die relativ neu und relativ ak-
tuell ist: Das ist das Gutachten der Expertenkommission
der Robert-Bosch-Stiftung unter Leitung des CDU-Vor-
sitzenden von NRW, Armin Laschet . Sie hat eine große
Handreichung herausgegeben, in der steht, was zu tun ist,
um die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen zu
verbessern . Genau dieses Gutachten lege ich Ihnen sehr
ans Herz . Schauen Sie sich das einmal genau an . Dann
werden Sie sehen, dass Sie fast alle Behauptungen, die
Sie eben getroffen haben, zurücknehmen müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Denn darin wird sehr deutlich gemacht, dass es ers-
tens humaner und medizinethisch richtiger ist, wenn wir
Flüchtlinge so früh wie möglich in die medizinisch-ge-
sundheitliche Regelversorgung einbeziehen, dass zwei-
tens als Instrument dafür sehr gut geeignet ist, eine Ge-
sundheitskarte auszugeben, jedenfalls an die Gruppe
derjenigen, die nicht mehr im Erstaufnahmeverfahren
sind, und dass wir drittens dafür Sorge tragen müssen,
dass nicht die Kommunen diese Kosten tragen müssen,
sondern der Bund, weil das eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe ist .


(Reiner Meier [CDU/CSU]: Tut er ja!)


In dieser dreifachen Aufgabenstellung macht es Sinn, das
Versorgungssystem insgesamt neu auszurichten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Auf genau diesen Punkt zielt dieser Antrag der Lin-
ken, der im Übrigen im letzten Jahr fast genauso schon
einmal gestellt worden ist .


(Reiner Meier [CDU/CSU]: Und nicht besser geworden ist!)


Es hat seither auch von unserer Seite viele Initiativen ge-
geben, um diese beiden wichtigen Punkte hinzubekom-
men: Zum einen geht es um die Beseitigung der Defizite,
die es in der Versorgung von Asylbewerbern gibt, ins-
besondere im Bereich der Prävention, der Rehamaßnah-
men, der gesamten gesundheitlichen Maßnahmen, die
außerhalb von Akut- und Schmerzversorgung notwendig
sind . Zum anderen sollten Sie sich vor Augen führen, wie
viel bürokratischer Aufwand damit verbunden ist, dass
die Kommunen gezwungen sind, extra Behandlungs-
scheine auszugeben und diese abzurechnen . Außerdem
kann man nicht an den Rabattverträgen der gesetzlichen
Krankenversicherungen teilnehmen . Das wären Vor-
schläge zugunsten einer besseren Versorgung . Das wäre
besser, als in mehr Bürokratie zu investieren, wie Sie es
derzeit tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Schauen Sie sich einmal eine Studie der Uni Hei-
delberg an; sie ist letztes Jahr veröffentlicht worden . In
dieser Studie hat man anhand der statistischen Realdaten
Ausgaben für Asylbewerber innerhalb und außerhalb der
Regelversorgung verglichen . Auch da hat sich herausge-
stellt: Die Versorgung von Asylbewerbern außerhalb des
Regelsystems ist 22 Prozent teurer,


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Die wollen mehr Geld ausgeben, die Menschen schlechter behandeln! So schaut’s aus!)


als wenn man sie ganz normal in unserem System – hau-
särztlich, kinderärztlich usw . – behandeln würde . Das ist
die Wahrheit; aber dieser Wahrheit verschließen Sie sich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Warum tun Sie das? Sie tun dies, weil Sie ein Sig-
nal der Abschottung setzen wollen . Genau darum geht
es; das haben Sie heute Morgen sehr deutlich gezeigt . Sie

Reiner Meier






(A) (C)



(B) (D)


haben auch gezeigt, dass Sie sich als Gesundheitspoliti-
ker in keiner Weise dafür eingesetzt haben, die schlim-
men Verschärfungen, die heute Morgen beschlossen
worden sind, auch nur ansatzweise aufzuhalten . Ich habe
von Ihrer Seite keinerlei Initiative dagegen erlebt . Es gab
nur ganz wenige Abgeordnete, die sich diesen Verschär-
fungen entgegengestellt haben. Ich muss sagen: Ich finde
das perfide. Dieses Symbol zur Abschreckung ist nicht
human, das ist unvernünftig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Gehen Sie endlich in sich, und schauen Sie sich an, wie
rationale Menschenrechtspolitik betrieben wird . Dafür
wäre es wirklich höchste Zeit . Wie gesagt, ich empfehle
Ihnen das genannte Gutachten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815827200

Vielen Dank, Maria Klein-Schmeink . – Nächste Red-

nerin: Heike Baehrens für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Heike Baehrens (SPD):
Rede ID: ID1815827300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr
geehrte Damen und Herren! Vor genau einer Woche wur-
de uns hier vom Fraktionsvorsitzenden der Linken vorge-
worfen, blindlings immer neue Asylgesetze auf den Weg
zu bringen . Da passt es überhaupt nicht, wenn Sie mit
dem heute vorliegenden Antrag eine grundlegende Ver-
änderung bei der gesundheitlichen Versorgung von Asyl-
bewerbern fordern, anstatt zunächst einmal abzuwarten,
wie sich das längst Beschlossene in der Praxis bewährt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kommt eigentlich das Wort „bewährt“ her in diesem Zusammenhang?)


Wir als SPD setzen uns für eine gute und angemessene
medizinische Versorgung von Flüchtlingen ein . Wer das
hier im Haus bezweifelt, hat in den letzten Monaten nicht
aufgepasst . Worauf es derzeit beim Thema „Flüchtlinge
und Asyl“ aber vor allem ankommt, ist, sich politisch für
gesellschaftlichen Zusammenhalt starkzumachen; denn
dieser Zusammenhalt scheint momentan an allen Ecken
und Enden zu bröseln, und er wird auch von manchen
bewusst untergraben . Da ist es wenig hilfreich – ja, ich
finde es sogar regelrecht kontraproduktiv –, wenn die
hier mit großer Mehrheit beschlossenen Asylgesetze als
diskriminierend bezeichnet werden und die Linken der
Regierung mit ihrem Antrag sogar vorwerfen, die Men-
schenrechte zu verletzen .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist aber Fakt! Dann muss man sich das auch anhören!)


Mit solchen ungerechtfertigten Anschuldigungen und
Überzeichnungen heizen Sie die ohnehin schon zuge-
spitzte öffentliche Debatte noch weiter an . Ich fordere
Sie als demokratisch gewählte Abgeordnete dieses Lan-

des auf, endlich verbal abzurüsten . Das, Frau Klein-
Schmeink, ist auch ein bisschen an Sie gerichtet, nach-
dem Sie hier eben das Wort „perfide“ benutzt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, es ist perfide!)


Wir brauchen keine weitere Verunsicherung der Bür-
gerinnen und Bürger, und wir brauchen keine sozialpoli-
tischen Experimente wie die Einbeziehung von Asylbe-
werbern in die „Versicherungspflicht“, so haben Sie es
ja genannt, der GKV . Viel dringender und notwendiger
ist das, was wir heute Morgen in diesem Haus beschlos-
sen haben, nämlich die Beschleunigung der Verfahren . Je
schneller ein Verfahren abgeschlossen ist, desto schneller
erhalten die Betroffenen auch Anspruch auf soziale Leis-
tungen und, mehr noch, desto schneller erhalten sie den
Zugang zum Arbeitsmarkt .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Darum geht es euch doch gar nicht!)


Nur so erhalten Asylsuchende die Möglichkeit, ihren
Lebensunterhalt selber zu bestreiten und ihren Versi-
cherungsbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung
aus eigener Kraft zu bezahlen, was die Menschen auch
wollen . Dafür mit einem breitangelegten Integrations-
konzept Brücken zu bauen, darauf sollten wir uns jetzt
konzentrieren .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Legen Sie mal so ein Integrationskonzept auf!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815827400

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung von Frau Klein-Schmeink?


Heike Baehrens (SPD):
Rede ID: ID1815827500

Gerne .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815827600

Gut . – Frau Klein-Schmeink, bitte .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke für die Zulassung der Frage . – Frau Baehrens,
mit dem heute verabschiedeten Asylpaket wurde auch
eine große und umfangreiche Änderung bei den Abschie-
behindernissen vorgenommen . Da heißt es:

Der Gesetzgeber geht nunmehr davon aus, dass
lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende
Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung we-
sentlich verschlechtern würden, die Abschiebung
des Ausländers hindern .

Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äu-
ßerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche, konkre-
te Gefahr für Leib und Leben nach Satz 1 darstellen . Eine
solche schwerwiegende Erkrankung kann hingegen zum

Maria Klein-Schmeink






(A) (C)



(B) (D)


Beispiel in den Fällen von posttraumatischer Belastungs-
störung regelmäßig nicht angenommen werden .

Meinen Sie wirklich, dass das, was ich vorhin ausge-
führt habe, tatsächlich eine Überzeichnung war? Ist es
nicht sogar so, dass man sagen muss, dass ich gar nicht in
der Deutlichkeit auf das Schlimme, was Sie heute Mor-
gen hier entschieden haben, hingewiesen habe?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Heike Baehrens (SPD):
Rede ID: ID1815827700


Frau Klein-Schmeink, wir haben uns über diesen
Sachverhalt vorgestern Abend im Gesundheitsausschuss
schon ein wenig ausgetauscht . Ich habe auch da bereits
gesagt, dass unsere Auffassung von schwerwiegender
Erkrankung selbstverständlich auch die psychischen Er-
krankungen umfasst, die als Posttraumata oder ähnliche
Erkrankungen bezeichnet werden .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das steht aber nicht im Gesetz!)


– Nein, wir müssen unterscheiden, Frau Vogler – das wis-
sen Sie auch ganz genau –, zwischen dem, was wortwört-
lich im Gesetz steht, und dem, was in der Begründung
steht . Die konkrete Entscheidung obliegt nach wie vor
den Ärzten und den Psychotherapeuten, die im Einzelfall
entscheiden müssen .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Die dürfen ja gar nicht! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Psychotherapeuten dürfen ja gar nicht entscheiden! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können ja gar nicht entscheiden!)


Ich werde auf das Thema aber im Weiteren noch einmal
zu sprechen kommen .

Ich komme zurück zum Antrag der Linken . Schlicht
falsch ist es, wenn Sie als Linksfraktion in Ihrem Antrag
behaupten, der medizinische Versorgungsanspruch von
Flüchtlingen werde auf unterhalb des medizinisch Not-
wendigen begrenzt . Am Umfang der medizinischen Ver-
sorgung wurde nichts geändert und wird nichts geändert;


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist ja das Schlimme!)


denn selbstverständlich haben Asylsuchende in unserem
Land Anspruch auf ausreichende medizinische Versor-
gung . Dies wird gewährleistet durch die Regelung im
Asylbewerberleistungsgesetz . Einen leichteren Zugang
zu diesen Leistungen wollen wir Flüchtlingen ja gerade
dadurch ermöglichen, dass sie eine Gesundheitskarte er-
halten, die sie berechtigt, direkt zum Arzt zu gehen, an-
statt sich zuerst ans Sozialamt wenden zu müssen . Das
genau, Frau Vogler, ist die Antwort auf diese furchtbaren
Vorkommnisse, die Sie vorhin zitiert haben . Die Antwort
lautet: Es muss ein direkter Zugang zum Arzt und auch
ins Krankenhaus ermöglicht werden . Dies wird möglich,

indem die Flüchtlinge und Asylsuchenden eine Gesund-
heitskarte erhalten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun kritisieren Sie in Ihrem Antrag erstaunlicherwei-
se, dass dadurch Ärzte über die Notwendigkeit von Be-
handlungen zu entscheiden hätten . „Ja, wer denn sonst?“,
frage ich Sie . Genau das wollen wir doch mit der Ge-
sundheitskarte erreichen . Wir wollen, dass endlich me-
dizinisch geschultes Fachpersonal entscheidet und nicht
fachfremde Mitarbeiter der Sozialämter entscheiden, die
ohnehin durch andere Aufgaben überlastet sind . Dass
Ärzte eine Differenzierung vornehmen müssen, was im
Einzelfall medizinisch notwendig ist oder eben nicht, ist
nicht „unzumutbar“, wie Sie schreiben, sondern im Ge-
genteil originärer ärztlicher Auftrag .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge garantiert den
Betroffenen also eine gesundheitliche Versorgung ohne
Umwege, entlastet die Sozialverwaltung und nutzt das
Know-how und die vorhandenen Strukturen der Kran-
kenkassen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es ja fast nirgendwo! In Bayern nicht! In Sachsen nicht! In vielen Kreisen nicht! In vielen Städten nicht!)


Das ist, wo es umgesetzt wird, ein ganz wichtiger Fort-
schritt für alle Beteiligten . Jetzt kommt es darauf an, das
tatsächlich umzusetzen, und dazu fordern wir die Länder
auf .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Länder können das gar nicht umsetzen! Das hängt von den Kommunen ab!)


Wir alle wissen, die Umsetzung dieser und anderer
Verbesserungen, die wir beschlossen haben, braucht Zeit .
Diese Zeit sollten Sie nicht dafür nutzen, den Eindruck
zu vermitteln, als würde sich nichts entwickeln; denn ne-
ben der Einführung der Gesundheitskarte haben wir noch
einiges mehr auf den Weg gebracht, das hier noch ein-
mal erwähnt werden soll: Wir haben den Anspruch von
Flüchtlingen auf Schutzimpfungen eingeführt . Wir haben
die Situation von Traumageschädigten verbessert, Frau
Klein-Schmeink,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch was?)


durch Programme zur Förderung von Traumazentren,
aber auch durch die Ermächtigung von mehr Ärzten und
Psychotherapeuten zu ihrer Behandlung .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Frau Baehrens, das stimmt nicht! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das genau? Wann fängt das an?)


Zudem haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen,
dass Ärzte, die selbst Asyl hier in Deutschland suchen,
sich rasch an der gesundheitlichen Versorgung in den
Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften

Maria Klein-Schmeink






(A) (C)



(B) (D)


beteiligen können – im Übrigen ein ganz wichtiger Bei-
trag zur besseren medizinischen Versorgung, weil damit
auch die Sprachbarriere überwunden wird, die ansonsten
ein großes Problem darstellt .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist, wenn einer nicht deutsch spricht?)


Schon diese wenigen Beispiele mögen belegen, dass
wir als Große Koalition sehr verantwortlich mit der Auf-
gabe umgehen, die gesundheitliche Versorgung von Asyl-
suchenden zu verbessern . Lassen Sie uns doch einfach
gemeinsam an der Umsetzung konkreter und sachgerech-
ter Lösungen weiterarbeiten; denn was wir angesichts der
hohen Zuzugszahlen brauchen, sind Entscheidungen mit
Maß und Ziel und auch so etwas wie humanitärer Prag-
matismus .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsächlich Pragmatismus zur Abschiebung! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn humanitärer Pragmatismus? Das gibt es doch gar nicht!)


Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815827800

Vielen Dank, Kollegin Baehrens . – Der letzte Red-

ner in dieser Debatte ist Heiko Schmelzle für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Heiko Schmelzle (CDU):
Rede ID: ID1815827900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste! Ihr Antrag, meine Damen und
Herren von der Fraktion Die Linke, zeichnet ein Zerrbild
der Realität in unserem Land . Ihre Behauptung, Asylbe-
werbern werde die Möglichkeit auf ein menschenwür-
diges Leben in unserer Mitte versagt, weise ich auf das
Entschiedenste zurück .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wir haben noch kein Argument gehört!)


Die Realität sieht anders aus: Unzählige Menschen in
Deutschland versuchen im Ehrenamt, aber auch in den
zuständigen Ministerien, Behörden und Ämtern alles,


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Dann kommen Sie mal zum LAGeSo!)


um das Leid der bei uns ankommenden Flüchtlinge zu
lindern . Denjenigen, die jeden Tag aufs Neue ihre Solida-
rität in der Flüchtlingshilfe zeigen, gilt von dieser Stelle
heute mein aufrichtiger Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ehrlich gesagt, halte ich das für Heuchelei!)


Anfang des zurückliegenden Jahres wäre es unvor-
stellbar gewesen, dass Deutschland mehr als 1 Million
Menschen vorübergehend aufnimmt . Es ist vielleicht
nicht alles perfekt gelaufen; aber es läuft in erstaunlich
geordneten Bahnen . Es gibt kaum ein Land, das so viel
für Flüchtlinge getan hat . Auf das Erreichte können die
Menschen in unserem Land stolz sein . Um es mit den
Worten unseres Bundespräsidenten zu sagen: „Danke
Deutschland!“


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dirk Heidenblut [SPD])


Unser Asylrecht ist ein Gut von unschätzbarem Wert;
denn das deutsche Asylrecht hat durch Artikel 16 a
Grundgesetz Verfassungsrang . Es ist meine persönliche
Überzeugung, dass Deutschland gerade mit Blick auf die
dunkle Seite seiner eigenen Geschichte politisch Verfolg-
ten Schutz bieten muss . Darum darf das Asylrecht aber
kein Schlupfloch für illegale Migration oder die Ausnut-
zung unserer Sozialsysteme sein .


(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das meinen Sie jetzt nicht so richtig ernst, oder?)


Damit kommen wir zum Kern Ihres Antrags . Wer
wie Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion Die
Linke, die Behauptung aufstellt, wegen der derzeitigen
Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz bestehe die
Gefahr – ich zitiere –, „dass selbst unaufschiebbare Be-
handlungen unter Gefahr für Leib und Leben verschleppt
werden“, der setzt sich nicht sachlich mit der Frage nach
Art und Umfang einer angemessenen medizinischen Ver-
sorgung für Asylbewerber auseinander .


(Beifall bei der CDU/CSU – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fragen Sie mal die Ärzteschaft! Schauen Sie mal ins Asylbewerberleistungsgesetz! Akutund Schmerzversorgung!)


Richtig ist, dass Leistungsberechtigte nach dem Asylbe-
werberleistungsgesetz in Deutschland nach 15 Monaten
vollumfänglich die Leistungen der gesetzlichen Kran-
kenversicherung in Anspruch nehmen können .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Nach 15 Monaten! Aber vorher nicht!)


– Ja, aber waren es bis vor kurzem nicht noch 48 Mona-
te? Haben wir nicht gehandelt?


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Es geht noch schlimmer!)


Wir sind von 48 Monate auf 15 Monate runtergegangen .
Das ist doch auch eine Geste gewesen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Was seid ihr gut! Das ist ja toll! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat dem Jungen mit Meningitis auch nicht geholfen! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn sie schwer krank sind, dann ist das ein richtig großer Trost!)


Heike Baehrens






(A) (C)



(B) (D)


Im Falle einer akuten Notfallbehandlung im Kranken-
haus oder bei Zahnärzten können Krankenhausträger und
Ärzte unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen
ihren Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem je-
weiligen Leistungsträger geltend machen .

Ihre Forderung, allen nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz Berechtigten vom ersten Tag an den Zugang
zu sämtlichen Leistungen der gesetzlichen Krankenversi-
cherung zu gewähren, wäre ein Konjunkturprogramm für
Schlepperbanden und würde unsere Anstrengungen, die
Zuwanderung aus sicheren Drittstaaten zu reduzieren,
konterkarieren . Vor allem aber würde die Gesellschaft
überfordert . Es würde eine Situation geschaffen, in der
es attraktiv würde, in Deutschland, trotz offenkundiger
Aussichtslosigkeit, Asyl zu beantragen,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist Ihr Hauptproblem!)


um medizinische Leistungen im Rahmen der GKV in
Anspruch zu nehmen .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Ach, nein!)


Das ist falsch verstandene Nächstenliebe .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Sie brauchen eine Audienz beim Papst, damit er Ihnen mal die Ohren langzieht!)


Der innere Zusammenhalt in Deutschland darf nicht
gefährdet werden . Das wird man aber sicher nicht errei-
chen, wenn künftig jedermann, egal ob er Leistungsbe-
rechtigter nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, aus-
ländischer Studierender oder ausländischer Rentner, der
seinen Lebensabend in Deutschland verbringen möchte,
ist, Anspruch auf alle Leistungen der gesetzlichen Kran-
kenversicherung hat .

Meine Damen und Herren, mit Drucksache 18/5370
hatten Sie von der Fraktion Die Linke zur Jahresmitte
2015 bereits einen Antrag mit dem Titel „Medizinische
Versorgung für Asylsuchende und Geduldete diskrimi-
nierungsfrei sichern“ gestellt .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Genau!)


Es hat mich schon erstaunt, dass der heute vorliegende
Antrag fast wortgleich ist . Was ich aber überhaupt nicht
verstehen kann, ist, dass Sie trotz der seitdem extrem ge-
stiegenen Flüchtlingszahlen nach wie vor nicht an der Fi-
nanzierbarkeit Ihrer Forderungen zweifeln . Eine Öffnung
sämtlicher Leistungen der gesetzlichen Krankenversi-
cherung für jeden, der nach Deutschland kommt, würde
unsere Gesellschaft aus meiner Sicht über kurz oder lang
finanziell überfordern.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schmelzle, wenn Sie zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass das preiswerter ist! Mehr Leistung für das gleiche Geld!)


Die Bürgerinnen und Bürger verlangen mit Blick auf die
rasant gestiegenen Flüchtlingszahlen als Gegenleistung
für ihre Solidarität eine Politik mit Augenmaß . Es gilt,

unser Land vor Überforderung zu schützen . Ihr Antrag
wird diesem Anliegen leider nicht gerecht .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da geht die christliche Kühlschranktür auf!)


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828000

Vielen Dank, Herr Kollege Schmelzle . – Ich schließe

die Aussprache .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7413 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . – Sie sind damit ein-
verstanden . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung

Verordnung zur Modernisierung des Verga-

(Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO)


Drucksachen 18/7318, 18/7417 Nr. 2, 18/7693

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . –
Sind Sie damit einverstanden? – Ich bin mir nicht ganz
sicher, weil es um das Vergaberecht geht . – Sie sind also
einverstanden, dass die Reden zu Protokoll genommen
werden .1)

Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Ausschuss
für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/7693, der Verordnung
der Bundesregierung auf Drucksache 18/7318 zuzustim-
men . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen bei Zustimmung von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die
Grünen bei Enthaltung der Linken .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD

UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung –
2030-Agenda konsequent umsetzen

Drucksachen 18/7361, 18/7632 Buchstabe a

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Claudia
Roth (Augsburg), Dr . Valerie Wilms, Uwe
Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

1) Anlage 17

Heiko Schmelzle






(A) (C)



(B) (D)


Nachhaltige Entwicklungsziele in Deutsch-
land konsequent umsetzen

Drucksache 18/7649
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre und
sehe keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Debatte . Der erste Redner ist Andreas
Jung für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1815828100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nachhaltige Entwicklungsziele konsequent umsetzen –
die Überschriften der beiden Anträge der Koalition und
der Grünen sind fast wortgleich . Das zeigt, dass wir hier
bei allem Streit, den wir wahrscheinlich auch in dieser
Debatte haben werden, doch eine große Gemeinsamkeit
haben . Die Gemeinsamkeit hat sich auch darin gezeigt,
dass wir gemeinsam begrüßt haben, dass es in New York
gelungen ist, die SDGs zu vereinbaren . Das ist ein wich-
tiger Schritt . Wir haben jetzt endlich, nach vielen Jah-
ren, nach Jahrzehnten des Ringens einen Weltzukunfts-
vertrag mit Nachhaltigkeitszielen, die eben nicht nur für
Entwicklungsländer im klassischen Sinn gelten, sondern
global für alle . Deutschland ist damit im Sinne der SDGs
zum Entwicklungsland geworden . Auch wir müssen uns
entwickeln . Wir können nicht einfach so weitermachen
wie bisher .


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das eine ist die Freude darüber, dass es in New York
gelungen ist, die SDGs zu vereinbaren; das andere ist,
dass wir in New York auch – ich will den Begriff nen-
nen, obwohl er im letzten Jahr fast Unwort des Jahres
geworden wäre – Hausaufgaben mitgenommen haben .
Was sind diese Hausaufgaben? Wir müssen zeigen, dass
wir unserem Anspruch, Vorreiter bei der Nachhaltigkeit
zu sein, gerecht werden . Das müssen wir durch eine am-
bitionierte Umsetzung der SDGs zeigen . Dazu gehören
drei Dimensionen .

Erstens geht es um den Prozess . Wir müssen hier ei-
nen breiten gesellschaftlichen Dialog anstoßen . Wir müs-
sen eine breite Debatte führen . Wir müssen den Gedan-
ken der Nachhaltigkeit in jede Gemeinde tragen, so wie
es nach der Konferenz in Rio mit der Lokalen Agenda 21
gelungen ist . Wir müssen diesen Prozess neu befeuern .
Das tut die Bundesregierung im Rahmen eines Dialog-
prozesses . Wenn hinsichtlich der Umsetzung der SDGs
ein Entwurf vorliegt, soll sich jeder online beteiligen
können . Das ist notwendig . So können wir die Menschen

dafür gewinnen . Wir müssen alles tun, um sie dafür zu
begeistern . Jeder soll mitmachen können .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD])


Zweitens geht es um die Struktur . Wie setzen wir die
17 Ziele und 169 Unterziele um? Ich möchte ganz aus-
drücklich dafür plädieren, der Nachhaltigkeitsstrategie
dabei ein besonderes Gewicht beizumessen . Wann im-
mer es geht, müssen wir die Maßnahmen zur Umsetzung
in die Nachhaltigkeitsstrategie integrieren; das sind für
uns die Zehn Gebote für Nachhaltigkeit . Diese Strategie
muss noch viel mehr als im Moment zu einem Instru-
ment werden, an dem sich der Erfolg oder Misserfolg
der jeweiligen Bundesregierung bemisst . Wir müssen die
Nachhaltigkeitsstrategie stärken, indem wir die SDGs
umsetzen und dabei alles, was geht, in die Strategie in-
tegrieren .

Drittens geht es selbstverständlich darum, dass wir
die Inhalte konsequent umsetzen . Wenn wir uns die Fort-
schrittsberichte zur Umsetzung unserer nationalen Stra-
tegie, die es in der Vergangenheit immer wieder gegeben
hat, anschauen, dann erkennen wir, dass wir in Deutsch-
land bei vielem gut und bei manchem Vorreiter sind; aber
wir haben in anderen Bereichen auch noch Aufholbedarf .
Ich will in der verbleibenden Zeit einige Punkte anspre-
chen, die ich für besonders wichtig halte .

Nach New York wird unsere Glaubwürdigkeit auch da-
ran bemessen, dass wir die Dinge, die angekündigt sind,
im Rahmen unseres Engagements in der internationalen
Entwicklungshilfe einlösen . Da kommt dem vor langem
gemachten Versprechen, 0,7 Prozent unseres Bruttoin-
landsprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, also
die ODA-Quote zu erfüllen, zentrale Bedeutung zu . Die
Kanzlerin und die Bundesregierung haben angekündigt,
das zu tun . Wir müssen das jetzt umsetzen, mit einem
ganz konkreten Stufenplan, der aufzeigt, wie wir das in
den nächsten Jahren erreichen können .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich will zweitens den Bereich „nachhaltiger Konsum
und nachhaltige Lieferketten“ ansprechen . Wir müssen
uns darüber klar sein, dass das, was wir hier tun – ob
es das Einkaufen von Kleidung ist, ob es der Konsum
von Schokolade oder Kakao ist –, Auswirkungen auf die
Bedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern
hat und damit auf die Frage, ob sie in ihren Herkunftslän-
dern Perspektiven und Chancen haben . Wir müssen zum
Beispiel in den Gesprächen mit dem Textilbündnis oder
mit dem Forum Nachhaltiger Kakao vorankommen und
damit unserer Verantwortung gerecht werden, nicht nur
für Nachhaltigkeit in Deutschland, sondern für internati-
onale Nachhaltigkeit .

Das sind zwei Bereiche, die ich in der kurzen Zeit an-
sprechen konnte . Es gilt aber, mit demselben Nachdruck
alle Ziele, die in der Strategie verankert sind, umzuset-
zen . Dabei wird der Bundestag eine ganz entscheidende
Rolle spielen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828200

Vielen Dank, Andreas Jung . Ich bedanke mich bei

dem Vorsitzenden unseres Parlamentarischen Beirats für
nachhaltige Entwicklung . Den gibt es in keinem ande-
ren Parlament dieser Welt; den haben nur wir . Ich hoffe,
dass dieser Beirat zukünftig noch mehr Kompetenzen
bekommt und dass Sie Ihre Arbeit über alle Fraktionen
hinweg sehr engagiert fortführen können . Es sind ja Kol-
legen aus allen Fraktionen sehr aktiv dabei .


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die nächste Rednerin in der Debatte: Heike Hänsel für
Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815828300

Frau Präsidentin! Guten Abend, meine Kolleginnen

und Kollegen! Herr Jung, Sie haben gerade die Titel der
vorliegenden Anträge genannt . Es gibt dabei aber einen
kleinen entscheidenden Unterschied . Zum einen geht es
um die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele .
Zum anderen geht es um die Umsetzung der nachhaltigen
Entwicklungsziele in Deutschland . Das Entscheidende
ist doch, dass bei den Vereinten Nationen erstmalig eine
internationale Entwicklungsagenda verabschiedet wur-
de, die alle Länder gleichermaßen verpflichtet, die Ziele
umzusetzen . Davon ist in Ihrem Antrag leider herzlich
wenig zu sehen, und das ist das Problem .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie legen einen Antrag vor, der sich allgemein mit
den SDGs beschäftigt, und machen ein paar Vorschläge
dazu . Aber entscheidend ist doch, dass endlich für alle
Politikbereiche in Deutschland formuliert wird, was es
hieße, nachhaltige Entwicklung zu betreiben . Hier hört
man herzlich wenig von Ihnen . Es kann doch nicht sein,
dass Sie weiter so verfahren: Wir haben einerseits schöne
SDG-Anträge; aber was die Agrarpolitik angeht, wollen
Sie weiterhin die Agrarbetriebe finanzieren. Die Subven-
tionen laufen weiter . – Es braucht endlich eine Kehrtwen-
de, wenn Sie ernsthaft nachhaltige Entwicklungsziele
umsetzen wollen . Das betrifft auch viele andere Berei-
che .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt ein großes Überziel bei den Vereinten Natio-
nen, nämlich den Kampf gegen die soziale Ungleichheit .
Darauf möchte ich mich konzentrieren . Dazu steht in Ih-
rem Antrag eigentlich gar nichts . Auch in Deutschland
ist die soziale Ungleichheit in den letzten Jahren massiv
angestiegen . Oxfam hat Anfang des Jahres neue Zahlen
veröffentlicht, die darlegen, dass die oberen 10 Prozent
der Haushalte in Deutschland mittlerweile über 52 Pro-
zent des Vermögens verfügen und umgekehrt die unte-
ren 50 Prozent der Haushalte gerade noch über 1 Prozent
des Vermögens . Ich kann Ihnen auch eine Zahl des Pa-
ritätischen Wohlfahrtsverbandes nennen: 12,5 Millionen

Menschen in Deutschland gelten als einkommensarm .
Damit kann man sich doch nicht abfinden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen eine Politik, die diese soziale Ungleichheit
bekämpft . Aber Sie thematisieren sie nicht einmal .

Wir haben viele Vorschläge gemacht . Der erste ist,
endlich an den enormen Reichtum heranzugehen, den es
in diesem Land gibt . Auch hierzu liegen Zahlen vor . Wir
haben in Deutschland mittlerweile Millionäre und Mil-
liardäre wie Sand am Meer; wir stehen hier weltweit an
dritter Stelle .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wie Sand am Meer?)


Deshalb: Wer von nachhaltigen Entwicklungszielen
spricht, kann über die soziale Umverteilung des Reich-
tums nicht schweigen . Das sind zwei Seiten einer Me-
daille .


(Beifall bei der LINKEN – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir machen die Reichen ärmer, und dann werden die Armen reicher!)


Das betrifft zweitens auch den Kampf gegen die glo-
bale Ungleichheit . Auch hier haben wir eine massive
Konzentration von Reichtum, wenn 62 Menschen welt-
weit über so viel Einkommen verfügen wie 3,5 Milliar-
den Menschen . Das ist die schreiende Ungerechtigkeit .
Das sind die großen Herausforderungen, mit denen wir
alle konfrontiert sind . Aber auch davon ist in Ihrem
Antrag nichts zu lesen . Dabei könnten Sie einen ganz
konkreten Beitrag leisten, indem Sie endlich Initiativen
unterstützen würden, die die massive, organisierte Steu-
ervermeidung und Steuerflucht der multinationalen Kon-
zerne, viele mit Sitz in Europa, bekämpfen . Sie könnten
eine Initiative der Länder des Südens unterstützen, die
eine bei den Vereinten Nationen angesiedelte internatio-
nale Steuerbehörde wollen, um endlich zu mehr Kontrol-
le und sozialer Gerechtigkeit zu kommen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wenn es schon einmal gut gegangen wäre, aber es ist noch nie gut gegangen!)


200 Milliarden Euro gehen den Ländern des Südens so
pro Jahr verloren . Damit könnten sie Armut bekämpfen,
sie könnten eine selbstständige ökonomische Entwick-
lung fördern, sie könnten eine Energiewende fördern, sie
hätten viel Geld zur Verfügung . Aber wer hat dagegen-
gestimmt? Es war die Bundesregierung, die diese wich-
tige Initiative abgelehnt hat . Machen Sie erst einmal Ihre
Hausaufgaben! Unterstützen Sie lieber solche Initiativen,
bevor Sie solche schwachen Anträge schreiben!


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828400

Vielen Dank, Frau Kollegin Hänsel . – Mit Zustim-

mung aller Fraktionen gibt Stefan Rebmann aus persön-
lichen Gründen seine Rede heute zu Protokoll .






(A) (C)



(B) (D)


Ich rufe den nächsten Redner auf . Das ist Uwe
Kekeritz für Bündnis 90/Die Grünen .


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828500

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir sprechen heute zum zweiten Mal über die Nachhal-
tigkeitsagenda, zum zweiten Mal zu später Stunde und
dann auch nur 30 Minuten . Ich habe den Eindruck, die
Koalition will dieses Thema nicht wirklich intensiv dis-
kutieren, obwohl Sie genau wissen, dass die SDGs in ih-
rer Bedeutung durchaus mit der Paris-Agenda auf einer
Ebene liegen . Beide Verträge müssen sich ergänzen . Sie
wissen auch, dass in beiden Verträgen Schicksalsfragen
der Menschheit adressieren werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Schade, Herr Kollege Kekeritz, dass Sie die Eingangsrede verpasst haben! Da war alles drin!)


SDGs können nur erfolgreich werden, wenn die Ge-
sellschaft breit darüber diskutiert . Aber Sie glauben, sich
wegducken zu können . Sie stehlen sich aus der Verant-
wortung, weil Sie Angst haben, die Botschaft der Nach-
haltigkeitsagenda mit den Menschen zu diskutieren .
Noch mehr Angst haben Sie davor, eine konkrete Politik
hierfür zu entwickeln; denn Sie wissen, dass Sie Ihre Po-
litik in vielen Fällen radikal verändern müssten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828600

Kollege Kekeritz, sind Sie einverstanden mit einer

Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Pfeiffer?


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828700

Aber sicher doch .


Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1815828800

Herr Kollege Kekeritz, es tut mir leid, ich muss jetzt

einmal nachfragen . Sie behaupten hier Dinge, die Sie
überhaupt nicht behaupten können, weil Sie nämlich die
Rede unseres Kollegen Andreas Jung gar nicht gehört
haben .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja! Bitte nachlesen!)


Jetzt frage ich Sie: Wie können Sie behaupten, was wir
alles nicht tun, obwohl Kollege Jung genau erklärt hat,
wie es zu machen ist, wie wir die SDGs umsetzen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was? Davon habe ich nichts gehört! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Ich habe auch nichts gehört!)


Deshalb frage ich mich, worauf Sie sich jetzt eigentlich
beziehen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815828900

Frau Kollegin Pfeiffer, es tut mir leid, dass ich die

Rede nicht gehört habe . Ich werde sie selbstverständlich
intensiv lesen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber eines müsste uns beiden doch klar sein: An den Ta-
ten wollen wir Sie messen, nicht an den Worten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Zum zweiten
Mal besprechen wir zwischen acht und neun Uhr abends
dieses hochwichtige Thema . Ich kann nur betonen: Die
SDGs haben allerhöchste Priorität; die sollten sie zumin-
dest haben .


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Deshalb sollten Sie da sein, wenn die Debatte stattfindet!)


– Ja, ja . Freuen Sie sich darüber, dass ich nicht da war,
wenn es Ihnen weiterhilft, und genießen Sie noch den
Abend .

Ihrer Angst entsprechend legen Sie einen windelwei-
chen Antrag vor; Kollegin Hänsel hat es angesprochen .
Er ist bezeichnend für die mutlose und für die – das
kann ich Ihnen auch sagen, Frau Kollegin Pfeiffer – an
Arbeitsverweigerung grenzende Politik der Großen Ko-
alition . Die CDU/CSU-Fraktion scheint die Nachhaltig-
keitsziele überhaupt nicht ernst zu nehmen . Das ist kein
Wunder; denn gerade Sie, Frau Kollegin Pfeiffer, die ent-
wicklungspolitische Sprecherin der Fraktion, zweifeln
die Programmatik der SDGs ja immer wieder öffentlich
an und lassen daran im Prinzip nicht viel Positives . Ich
kann Ihnen sagen, dass dieser Antrag in unserer langen
gemeinsamen Chronik der Meinungsverschiedenheiten
einen neuen Höhepunkt darstellt .

Liebe SPD, arbeiten Sie an diesen Anträgen eigentlich
noch mit, oder setzen Sie Ihr Servus inzwischen unter je-
des Text gewordene Nichts, das Ihnen Ihr Koalitionspart-
ner auf den Tisch legt? In Ihrem Antrag steht nichts von
der notwendigen Koordinierung der SDGs mit den Be-
schlüssen von Paris . Ich lese nichts über die Einbindung
der Zivilgesellschaft . Nicht einmal die Information der
Bevölkerung hat es in Ihren Antrag geschafft . Außerdem
verlieren Sie keine Silbe über unsere Verantwortung, sa-
gen nichts über unsere Produktions- und Lebensweise,
nichts über unseren Konsum, der endlich nachhaltig wer-
den muss .

Wir müssen uns endlich positiv entwickeln . Deutsch-
land ist Entwicklungsland . Noch ist Deutschland Welt-
meister in der Kohleverstromung und ein bedrohlicher
Luftverschmutzer, führend im Fleisch- und im Textil-
verbrauch, und die Grundwasserbelastung hat uns ein
EU-Vertragsverletzungsverfahren eingebracht . Der Sau-
bermann, der Musterknabe Deutschland existiert seit
zehn Jahren nicht mehr .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bis vor kurzem waren die wirklichen ökologischen,
menschlichen und klimatischen Probleme ganz, ganz
weit weg . Da konnte man sie wirklich wunderbar igno-

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


rieren . Heute sind die klimatischen Auswirkungen hier in
Deutschland ganz konkret zu spüren . Auch das Elend ist
massiv zu uns gekommen . Und die Koalition reagiert da-
rauf mit einer politischen Verhaltensstarre und Abwehr-
strategien .


(Tobias Zech [CDU/CSU]: Haben Sie heute früh nichts mitbekommen?)


Deutschland muss Vorreiter bei der Umsetzung
der SDGs werden . Wir müssen die Bevölkerung, aber
auch die Staatengemeinschaft mitziehen . Dafür ist der
G-20-Gipfel im nächsten Jahr eine hervorragende Gele-
genheit .


(Tobias Zech [CDU/CSU]: Da kann man dann wieder dagegen demonstrieren! Vielleicht ein Plakat?)


Ich bin gespannt, ob Sie diese Gelegenheit tatsächlich
nutzen werden . Wir brauchen schlüssige Umsetzungs-
strategien, auf nationaler wie auf europäischer Ebene,
und endlich eine kohärente, ressortübergreifende Zu-
sammenarbeit der Ministerien . Das gesamte Regierungs-
handeln muss einem Menschenrechts- und Nachhaltig-
keits-TÜV unterzogen werden . All das scheitert, weil Sie
Ihre Aufgaben als Parlamentarier einfach nicht ernst neh-
men und sich lieber in Regierungslobhudeleien ergehen
und wachsweiche Anträge formulieren .


(Tobias Zech [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit, was Sie da sagen! Und das, obwohl Sie so spät kamen!)


– Herr Zech, freuen Sie sich doch, dass ich zu spät ge-
kommen bin .

Eigentlich wollte ich jetzt noch den Kollegen Rebmann
ansprechen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815829000

Nein, das geht nicht mehr – eigentlich .


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815829100

Das geht nicht mehr . Nichtsdestotrotz, Frau Präsiden-
tin, möchte ich dem Kollegen Rebmann zu seiner neu-
en Aufgabe als entwicklungspolitischer Sprecher der
SPD-Fraktion herzlich gratulieren . Ich hoffe, dass er
kraftvoll und mit sehr viel Mut vor allem die CDU unter
Kontrolle bringt .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Nur über meine Leiche, mein Lieber!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815829200

Vielen Dank, Kollege Kekeritz . – Das mit der Leiche

hoffen wir aber nicht, was ich da gerade gehört habe .


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Uns unter Kontrolle bringen, das geht nur über mich! Die „Leiche“ streichen wir!)


– Gut . – Der letzte Redner in dieser Debatte: Peter Stein
für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Stein (CDU):
Rede ID: ID1815829300

Frau Präsidentin! Werter Kollege Kekeritz, wer zu

spät kommt, den bestraft die Rede .


(Beifall der Abg . Sibylle Pfeiffer [CDU/ CSU])


Um das zu beweisen, gehe ich auf Ihre Formulierung
„Text gewordenes Nichts“ und den Vorwurf der Nicht-
einbindung der Bevölkerung ein . Ich möchte nur einen
Satz aus dem Antrag vorlesen – vielleicht haben Sie ihn
ja gar nicht gelesen; zuhören konnten Sie schon nicht –:


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf . . .

– Punkt 2 –

das Parlament und die Zivilgesellschaft bei der Um-
setzung der 2030-Agenda zu beteiligen, um auch
die Akzeptanz . . . bei der Bevölkerung zu steigern .

Das ist im Grunde der Beleg dafür, dass die Hälfte Ihrer
Rede Blabla und Geblubber gewesen ist .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kollegen, die Verabschiedung der globalen Ziele,
SDGs genannt, im letzten Jahr war ein Meilenstein . Es
ist dabei nämlich nicht nur gelungen, die erfolgreichen
Millenniumsziele weiterzuentwickeln, sondern es ist
erstmalig auch gelungen, dass jeder Staat der Welt an-
gesprochen worden ist, egal ob Industrie- oder Entwick-
lungsland . Damit betrifft das in letzter Konsequenz einen
jeden von uns . Insofern waren die Ergebnisse von New
York, des dritten Gipfels des Jahres 2015, eine Vorlage
für den vierten Gipfel, den Klimagipfel in Paris . Ich will
daher auf die internationale, die globale Verantwortung
eingehen, welche das SDG-Abkommen mit sich gebracht
hat .

Mit Blick auf die noch in der Entwicklung befind-
lichen Teile der Welt, die Staaten, die sich noch in der
Entwicklung befinden, nennt der Antrag der Koalition
die wichtigsten Aspekte und nimmt sie in unsere Verant-
wortung . Eine solide Finanzierung ist die Basis unserer
entwicklungspolitischen Vorgaben und unserer Vorhaben
und ist unerlässlich für die erfolgreiche Umsetzung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unser Antrag, der Antrag der Koalition, Herr Kekeritz,
enthält alle Details . Lesen, wie gesagt, bildet .

Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass die
Mittel für entwicklungspolitische Maßnahmen deutlich
aufgewachsen sind; das wissen auch Sie . Sie haben sich
mehr als verdoppelt . Das freut natürlich nicht nur uns
Entwicklungspolitiker, sondern das betrifft auch die an-
deren Ressorts, die sich daran beteiligen . Wir sehen ja
gerade, wie wichtig es ist, dass es auch ressortübergrei-

Uwe Kekeritz






(A) (C)



(B) (D)


fendes Handeln gibt; dafür steht die Koalition . Denn die
globale Verantwortung schlägt gerade in diesen Tagen
in Wellen an die Küsten des europäischen Südens, der
südlichen EU-Mitgliedstaaten . Die Europäische Union
bleibt hier derzeit vieles schuldig . Wir möchten, dass sich
Deutschland nicht unter den Schuldigen befindet.

Im Weiteren weist der Antrag auf die Lage der Men-
schenrechte hin, entlang von Produktionsketten beispiels-
weise . Aufgeführt sind die ILO-Kernarbeitsnormen, die
Verantwortung, die wir mit Blick auf die biologische
Vielfalt haben, und die Bedeutung der kontinuierlichen
Evaluierung und Anpassung der Maßnahmenkataloge
für die Erreichung der gesteckten Ziele . Diese Liste lie-
ße sich beliebig erweitern . Es ist richtig, dass nicht alles
im Antrag drinsteht; denn das alles ist schon beschlossen
worden .

Die Eigenschaften, die sich aus den SDGs ergeben,
teilen sich übrigens mit einem anderen wichtigen Thema .
Die große Konferenz hierzu liegt als fünfter Gipfel noch
vor uns. Ihr Gelingen wird enormen Einfluss auf das Ge-
lingen oder auch das Scheitern des globalen Nachhaltig-
keitsprozesses haben . Ich meine die Habitat-III-Konfe-
renz in Quito im Oktober dieses Jahres . Habitat III wird
als erste Weltkonferenz nach der Verabschiedung der
Agenda 2030 stattfinden. Sie wird – so würde ich es be-
zeichnen – der erste Gradmesser dafür sein, ob wir bereit
sind, das, was wir dort beschlossen haben, auch konse-
quent umzusetzen .

In New York hat die Urbanisierung diesbezüglich ein
eigenes SDG bekommen . In Ziel 11 wird die nachhalti-
ge Stadt beschrieben . Bei genauerem Hinsehen offenbart
sich, jedenfalls für mich, dass auch das Ziel 4, die höhere
Bildung, und das Ziel 9, bei dem es um Infrastruktur und
Innovationen geht, stark auf das Thema „Stadtentwick-
lung und Urbanisierung“ abheben .

Nach und nach wird klar, dass die meisten Ziele über-
wiegend, zumindest aber teilweise, die urbanen Räume
und die urbane Entwicklung tangieren werden, gerade
auch solche Themen wie Ernährung und Gesundheit .
Ein Beispiel dafür ist der enorme Anteil – derzeit rund
70 Prozent –, den die Städte am globalen Energiever-
brauch und damit auch an den Treibhausgasemissionen
haben . Damit eröffnet sich im urbanen Raum das größte
Steuerungs- und Effizienz- bzw. Einsparpotenzial. Das
erklärt seinen möglichen signifikanten Einfluss auf die
globalen Nachhaltigkeitsbemühungen und deren Erfolge .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich fordere an dieser Stelle – ich nutze diese Gelegen-
heit ausdrücklich dazu –, dass wir uns in Quito stark en-
gagieren, nicht unbedingt zwingend aus einer Begeiste-
rung für die urbanen Themen heraus, sondern weil unser
Engagement dort für die Umsetzung der SGDs absolut
entscheidend ist . International ist das nämlich der nächst-
mögliche Termin und Ort, um unserer globalen Verant-
wortung für nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit
gerecht zu werden .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815829400

Vielen Dank, Kollege Stein . – Damit schließe ich die

Aussprache .1)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
auf Drucksache 18/7632. Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Annah-
me des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD auf Drucksache 18/7361 mit dem Titel „UN-Ziele
für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda konsequent
umsetzen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist angenommen . Zugestimmt
haben CDU/CSU und SPD, dagegengestimmt hat das
Bündnis 90/Die Grünen . Enthalten hat sich die Linke .

Tagesordnungspunkt 18 b . Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 18/7649 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . – Sie sind damit einverstanden . Dann ist die Über-
weisung so beschlossen .

Ich rufe am Ende unserer heutigen Tagesordnung den
Zusatzpunkt 3 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes
zur Änderung des Düngegesetzes und anderer
Vorschriften

Drucksache 18/7557
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Waldemar
Westermayer für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Waldemar Westermayer (CDU):
Rede ID: ID1815829500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf den Tribü-
nen! Wir diskutieren heute die Novellierung des Dünge-
gesetzes . Ich möchte gleich zu Beginn klarstellen, dass
Wirtschaftsdünger kein Abfall ist, sondern eine wertvolle
Energiequelle für Pflanzen darstellt. Eine optimierte Nut-
zung des Wirtschaftsdüngers ist somit ein wesentliches
Element in dem Bestreben, die Ernährung der Weltbe-
völkerung zu sichern, nämlich durch höhere Erträge bei
einem geringeren Rohstoffverbrauch .

In Bezug auf die Neuregelung sollten wir uns alle über
die Zielsetzung einig sein . Es geht um einen tragfähigen
Ausgleich zwischen einer pflanzenbedarfsgerechten
Düngung und der Erreichung unserer Umweltziele . Der
Schutz von Boden, Gewässern und Klima liegt dabei im
originären Interesse von uns allen . Deshalb haben wir in
Deutschland im Wasser- und Bodenrecht bereits ein ho-

1) Anlage 18

Peter Stein






(A) (C)



(B) (D)


hes Regelungs- und Schutzniveau . Dieses hohe Niveau
schlägt sich auch in einem Bericht des Bundesamtes nie-
der, das im letzten Jahr dem Grundwasser überwiegend
Trinkwasserqualität bescheinigt hat . Auch werden die
strengen Grenzwerte für Nitrat in über 85 Prozent der
Grundwasserkörper eingehalten .

Trotzdem ist für uns klar, dass wir den vorhandenen
Überschreitungen bei einem Teil der Messstellen entge-
genwirken müssen . Um diese Einträge ins Grundwasser
zu vermeiden, müssen wir die Vorschriften über die Dün-
gung anpassen . Gerade in Gebieten mit belasteten Was-
serkörpern hat die Reduzierung des Eintrags von Nitrat
eine hohe Priorität .

Dieser Problematik stellen wir uns; denn mit dem
vorliegenden Entwurf werden die Anforderungen an die
Düngung in Deutschland verschärft . Die neuen Regeln
für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger, die ver-
kürzten Ausbringungszeiten und die verringerten Aus-
bringungsmengen verlangen von unseren Betrieben ein
hohes Maß an Anpassungsfähigkeit . Auch die erhöhten
Anforderungen an die Ausbringungstechnik im Hinblick
auf deren Emissionen stellen für die Landwirte eine He-
rausforderung dar, wobei die Erfahrungen in den Nieder-
landen zeigen, dass die neue Technik für das Bodenleben
nicht immer förderlich ist .

Erwähnen möchte ich auch, dass die Novelle keine
Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau hat . Das
heißt nichts anderes – auch das gilt es anzusprechen –, als
dass die Kosten bei der Landwirtschaft hängen bleiben .
Dies bewirkt einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil für
unsere Landwirtschaft, auch im Hinblick auf verstärkte
Importe zum Beispiel von Rindfleisch aus Argentinien.

Bereits in der Vergangenheit hat die Landwirtschaft
ihren Beitrag zur Verminderung von Nährstoffverlus-
ten geleistet . So konnten die Stickstoffüberschüsse in
der Flächenbilanz seit Anfang der 90er-Jahre um über
25 Prozent gesenkt werden . Gleichzeitig stieg im glei-
chen Zeitraum der Ertrag zum Beispiel von Weizen um
20 Prozent . Gerade im Hinblick auf die Hoftorbilanz
stellt sich deshalb schon die Frage, ob wir nicht besser
den etablierten Nährstoffvergleich weiterentwickeln soll-
ten und damit den Anforderungen aus der Nitratrichtlinie
gerecht werden können .


(Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das sehe ich ganz anders, Herr Kollege Westermayer!)


Zusammengefasst: Wir brauchen praktikable Lösun-
gen, die die Fruchtbarkeit unserer Böden erhalten und die
es gleichzeitig erlauben, eine ausreichende Nährstoffver-
sorgung unserer Pflanzen mit Wirtschaftsdünger zu ge-
währleisten, und helfen, Handelsdünger einzusparen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Abschließend möchte ich festhalten, dass der vor-
liegende Entwurf diese umsetzbaren Lösungen enthält .
Der Entwurf entwickelt die gute fachliche Praxis, die
wir haben, weiter und erfüllt die Anforderungen der
Nitratrichtlinie und des Nitratberichts aus 2012 . Durch
die Neuregelungen wird außerdem die Wirksamkeit des
Nationalen Aktionsprogramms zur Umsetzung der Richt-
linie gewährleistet . Aus meiner Sicht haben wir einen gu-

ten, austarierten Kompromiss erarbeitet, der für die Dün-
gung in Deutschland in Zukunft ein solides Fundament
garantiert .

Zum Schluss möchte ich auch noch betonen, dass wir
jetzt alle miteinander endlich zum Abschluss kommen
müssen. Ich möchte nicht, dass Deutschland offiziell von
der Europäischen Kommission verklagt wird .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geschieht doch schon!)


Diese Peinlichkeit sollten wir uns ersparen .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815829600

Vielen Dank, Kollege Westermayer . – Nächste Redne-

rin: Dr . Kirsten Tackmann für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815829700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Ja, es gibt wirklich Diskussionen, die so
lange dauern, dass man am Ende eigentlich froh ist, dass
wenigstens irgendwie entschieden wird . Wenn das das
Ziel der Koalition war, dann hat sie das wirklich erreicht .
Die Nitratbelastung im Grundwasser und in den Gewäs-
sern ist im Zeitraum der Debatten aber weiter gestiegen .
Das ist ein Problem für das Trinkwasser und für die Na-
tur .

Bereits seit August 2013 liegen die gemeinsamen
Handlungsempfehlungen der drei Beratergremien des
Bundesagrarministeriums vor, und es geschieht nicht
oft, dass sich diese drei gemeinsam äußern . Bereits seit
Oktober 2013 läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der
EU-Kommission gegen Deutschland . Unterdessen droht
sogar eine Klage vor dem EuGH. Ich finde, das ist eine
dunkelorange Karte für den selbsternannten Saubermann
und Musterschüler im Umwelt- und Klimaschutz .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das kann nicht nur teuer werden, sondern ich finde, das
ist einfach nur peinlich .

Wir brauchen also endlich Regelungen, die der Nitrat-
richtlinie entsprechen – das ist überfällig –; denn das
Hickhack hat auch dazu geführt, dass die Betriebe sehr
verunsichert sind . Sie brauchen jetzt dringend Rechtssi-
cherheit,


(Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD]: Genau!)


und die Neuregelungen müssen zumindest eine gewisse
Zeit lang Bestand haben, das heißt, sie müssen zu einer
deutlichen Nitratreduktion führen .

Halbherzigkeiten, auch wenn sie gut gemeint sind, wer-
den sich schnell als vergiftetes Geschenk erweisen . Also
Hände weg davon, auch wenn es angesichts der großen
wirtschaftlichen Schwierigkeiten in vielen Betrieben

Waldemar Westermayer






(A) (C)



(B) (D)


auch mir schwerfällt, weitere Belastungen zu beschlie-
ßen . Die hohe Nitratbelastung im Grund- und in den
Oberflächengewässern lässt uns aber keine andere Wahl.

Rund ein Viertel aller deutschen Trinkwasserreser-
voirs gilt als zu stark nitratbelastet . Dabei geht es einer-
seits eben um historische Lasten . Nitratsünden werden
über 40 Jahre und länger vererbt . Andererseits geht es
hier auch um aktuell zu hohe Einträge, weil mehr ge-
düngt wird, als die Pflanzen aufnehmen können, und
der Überschuss gelangt dann nicht nur ins Grundwasser,
sondern über die Bäche und Flüsse letztlich auch in die
Nord- und in die Ostsee . Das schadet der Natur und übri-
gens auch dem Geldbeutel der Agrarbetriebe . Deswegen
ist fachgerechtes Düngen eigentlich unser aller Anliegen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu braucht man viel Wissen und gute Ortskenntnis-
se . Das spricht übrigens auch gegen ferngesteuerte Ag-
rarunternehmen . Als Gesetzgeber müssen wir wirklich
sichern, dass überall richtig gehandelt wird . Schließlich
geht es hier um die öffentlichen Schutzgüter Wasser und
Boden .

Der heute eingebrachte Entwurf des Düngegesetzes
ist eine wichtige Weichenstellung, ja, Hauptinstrument
ist aber eigentlich die Düngeverordnung, die hier im
Parlament gar nicht behandelt wird . Deren Entwurf liegt
unterdessen in Brüssel zur Prüfung, und ich bin mir, ehr-
lich gesagt, nicht sicher, ob sie den Ansprüchen Zielge-
nauigkeit, Angemessenheit und Praktikabilität wirklich
genügt .

Ich muss ehrlich sagen: Der Nachbesserungsbedarf,
den uns gerade auch die drei Beratungsgremien des
BMEL noch einmal verdeutlicht haben, macht mich ein
bisschen nervös . Es wäre wirklich ein Desaster für alle,
wenn der Entwurf durchfällt . Angesichts dessen bin ich
eigentlich schon froh, dass wenigstens im Gesetzent-
wurf Richtiges steht, zum Beispiel die Hoftorbilanz für
die Nährstoffe eines Betriebes . Das hatten auch die drei
Beratergremien empfohlen . Allerdings ist ihre Ausgestal-
tung noch offen .


(Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD]: Ja!)


Deswegen will ich lieber noch nicht so viel loben .

Der Bundesrat hat auch noch einige Verbesserun-
gen vorgelegt, die wir durchaus teilen . Die Erweiterung
beim Zweck „Bodenschutz“ um das Schutzgut „Wasser“
macht Sinn, und beim Düngedeckel sollten die Standort-
bedingungen und die Vorbelastungen durchaus berück-
sichtigt werden . Auch die Erhöhung des Strafrahmens
von 50 000 Euro auf 200 000 Euro ist aus unserer Sicht
absolut richtig .

Das eigentliche Problem bei der Düngung ist aber, dass
es genau darum oftmals gar nicht geht, sondern eben um
die Entsorgung von Gülle . Ein Blick auf die Karte der
Nitratbelastung im Grundwasser zeigt das: Die Prob-
lemzonen sind eben die viehdichten Regionen in Nord-
rhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein .
41 Prozent der Grundwasserkörper in Niedersachsen wa-
ren 2014 nicht als Trinkwasser geeignet, nicht nur, aber

eben auch, weil zu viel Gülle auf zu wenig Fläche trifft .
Auch dieses Problem müssen wir lösen, und zwar nicht
durch Gülleentsorgung in Ostdeutschland, sondern durch
Anpassung der regionalen Viehdichte an die verfügbare
Fläche .


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei geht es mir eben nicht nur um die Vermeidung des
Ärgers mit Brüssel, sondern mir geht es auch um die Ver-
meidung des Ärgers unserer Enkel .

Deswegen ist hier viel Ehrgeiz gefragt . Einige Fra-
gen sind offen . Diese werden wir in der Anhörung am
14 . März dieses Jahres weiter diskutieren . Aber für
Schattenboxen haben wir jedenfalls keine Zeit mehr .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815829800

Vielen Dank, Kollegin Tackmann . – Der nächste Red-

ner ist Dr . Wilhelm Priesmeier für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1815829900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich setze
in der Koalition auf den konstruktiven Dialog . Aber spä-
testens seit 1991 wissen wir ja alle, dass wir die europäi-
sche Nitratrichtlinie umzusetzen haben . Damals war Frau
Merkel Umweltministerin, heute ist sie Kanzlerin . Daran
kann man ermessen, wie lange der Zeitraum ist, bevor
eine Richtlinie effizient greift.

Die Vorgaben hätten wir 2013 erfüllen müssen, das
haben wir nicht gemacht . Auch die europäische Was-
serrahmenrichtlinie hätten wir 2015 erfüllen müssen .
Ob wir sie erfüllt haben, wissen wir zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch nicht ganz genau . Wir müssen natürlich
auch sehen, dass wir als SPD auf die Dringlichkeit die-
ser Frage schon in unserem Antrag vom 26 . Juni 2012
hingewiesen haben und verschiedene Dinge eingefordert
haben .

Eine Forderung war, die Stickstoffüberschüsse auf
50 Kilogramm pro Hektar pro Jahr zu begrenzen und die
Stickstoffbilanz anhand einer Hoftorbilanz vorzuneh-
men . Eine weitere Forderung war, die Düngeverordnung
konsequent zu kontrollieren und wirksame Sanktionen
vorzusehen . Das erreichen wir jetzt unter anderem mit
den Vorschlägen, die seitens des Bundesrates mit der Er-
höhung des Sanktionsrahmens gemacht werden .


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass es den Bundesrat gibt!)


Eine weitere Forderung war die Umsetzung . Die da-
malige schwarz-gelbe Bundesregierung hat natürlich
nicht gehandelt, sondern sie hat das Problem in die Zu-
kunft verschoben, obwohl wir die Umsetzung angemahnt
haben . Seit 2013 läuft jetzt das Vertragsverletzungsver-
fahren wegen der unzureichenden Umsetzung . Auch im
Hinblick auf die Wasserrahmenrichtlinie gibt es bereits

Dr. Kirsten Tackmann






(A) (C)



(B) (D)


eine Pilotanfrage . Ich befürchte, dass ein weiteres Ver-
tragsverletzungsverfahren die Konsequenz sein könnte .
Auch im Hinblick auf die NEC-Richtlinie ist absehbar,
dass wir diese ohne weitere gesetzliche Rahmenbedin-
gungen, die wir zu schaffen haben, vermutlich nicht wer-
den umsetzen können .


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sieht es aus!)


Das zentrale Element der Umsetzung dieser drei
Richtlinien sind das Düngerecht und auch die Dünge-
verordnung, sie basiert auf dem Düngegesetz . In weni-
gen Tagen werden wir erfahren, ob die jetzt vorliegende
Düngeverordnung ausreichend ist oder nicht . Aber wir
sollten nicht erst warten, bis wir flächendeckend und
überall 50 Milligramm Nitrat im Trinkwasser vorfinden.
Die zusätzlichen Kosten für sauberes Trinkwasser darf
am Ende nicht der Verbraucher und soll auch nicht die
Allgemeinheit bezahlen .

Am Beispiel von Niedersachsen möchte ich die hohe
Viehdichte beschreiben: 1 500 Biogasanlagen, 60 Milli-
onen Tonnen Gülle, also 7,7 Tonnen pro Einwohner . Das
sind die Bilanzen, die wir in ganz Niedersachsen vorzu-
zeigen haben . Dazu kommt noch ein grenzüberschrei-
tender Gülleimport aus den Niederlanden . Im Koaliti-
onsvertrag haben wir vereinbart, eine flächengebundene
Nutztierhaltung anzustreben . Wir sollten uns daranma-
chen, das konsequent umzusetzen; denn nur durch die
Bindung der Tierhaltung an die landwirtschaftliche Flä-
che erreichen wir, dass regionale Nährstoffkreisläufe
wieder funktionieren .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Um Stickstoff- und Phosphatüberschüsse in den Griff zu
bekommen – und nicht nur aus diesem Grunde – müssen
wir zumindest versuchen, das Problem zeitnah zu lösen .
Wenn ich davon ausgehe, wie viel Phosphat zum Bei-
spiel ausgebracht wird – ein weiteres Problem, das wir
mit der jetzigen Düngeverordnung nicht entscheidend
angehen –, fehlen uns, wenn man nur das ersetzt, was die
Pflanzen dem Boden entziehen, so wie es in Niedersach-
sen ordnungsgemäß normalerweise sein sollte, allein in
der Weser-Ems-Region circa 450 000 Hektar Fläche . Die
gesamte niedersächsische Landwirtschaftsfläche reicht
nicht aus, um alle Nährstoffe bedarfsgerecht zu verteilen .
Das macht deutlich, wie drängend das Problem ist .

Wir haben uns verpflichtet, die Einleitung von
Phosphaten in die Nord- und Ostsee bis 2030 um 70 Pro-
zent zu reduzieren . Auch das macht deutlich, wie groß
der Handlungsbedarf ist . Darüber hinaus reichen die Vor-
räte vermutlich nur noch 60 bis 100 Jahre . Phosphat ist
aber ein ganz wichtiger Rohstoff für unsere Welternäh-
rung, und wir sollten damit sparsam umgehen .

Für uns ist dabei in der weiteren Umsetzung neben der
Düngeverordnung die Hoftorbilanz das entscheidende,
zentrale Instrument, um gerade in den roten Gebieten auf
der Landkarte das Problem in den Griff zu bekommen .
Bei der Hoftorbilanz werden der Stickstoffeintrag in den
Bestand oder in den Betrieb, zum Beispiel durch Zufuhr
von Dünger, wie auch der Stickstoffaustrag erfasst .

Diese Bilanzierung – vereinfacht Flächenbilanz bzw .
Feld-Stall-Bilanz, was auch vielfach diskutiert wird – ist
in Summe die Hoftorbilanz . Sie ist wesentlich genauer
als alle Schätzverfahren und weiteren Verfahren, die wir
sonst kennen und die viele Gestaltungsspielräume ent-
halten .


(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: So viel zum Bürokratieabbau!)


– Manchmal geht es nicht ganz ohne Bürokratie, aber mit
ein bisschen Datenverarbeitung und IT geht es garantiert,
und dann wird es vielleicht auch einfacher, als wenn ich
es mit der Hand nach dem alten Schätzverfahren berech-
nen muss, Herr Kollege . Das sollten Sie zur Kenntnis
nehmen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Dezember 2014 haben wir in der Koalition klar
vereinbart, dass die Rechtsgrundlagen für die Einführung
einer Hoftorbilanz geschaffen werden . Deshalb kann ich
es mitnichten nachvollziehen, dass wir erst 14 Monate
später ein entsprechendes Gremium zusammenrufen,
das sich damit beschäftigt, wie die Voraussetzungen für
die Hoftorbilanz in eine Verordnung zu bringen sind . Ich
glaube, da kann man wesentlich schneller sein . Das kann
man auch besser machen .

Ich erwarte jetzt im weiteren Fortgang für das Gesetz-
gebungsverfahren – davon sind viele Dinge abhängig –,
dass es einen klaren, nachvollziehbaren Zeitplan gibt,
wann die Hoftorbilanz im Rahmen einer Verordnung
verabschiedet werden kann und wann sie in Kraft tritt .
Ich hoffe, dass das zum 1 . Januar 2018 der Fall sein wird .

Was die Datenlage angeht, muss man einen Großteil
der Daten verfügbar machen, ganz einfach deshalb, um
das Vollzugsdefizit des alten Düngerechts zu beseitigen.
Dazu gehört auch, dass zum Beispiel in Niedersachsen
bisher nur 11 Prozent der Daten zum Stickstoffanfall und
lediglich 2 Prozent der Daten zur Stickstoffverwertung
von den Behörden ausgewertet werden können . Ich glau-
be, man kann einiges tun, um das Vollzugsdefizit zu be-
seitigen .

Einen wichtigen Beitrag dazu leisten in der jetzigen
Diskussion vor allen Dingen die Bundesländer mit ih-
ren Anträgen im Bundesrat zu dem vorgelegten Entwurf
des Düngegesetzes . Ich gehe davon aus, dass das für uns
Ansporn ist, uns der Arbeit, die jetzt an dem Gesetzent-
wurf zu leisten ist, zu stellen . Wir können im Bundestag
Gesetzentwürfe der Bundesregierung im Gesetzgebungs-
verfahren nicht schlechter, sondern nur besser machen .
Wir sollten uns daranmachen, diese Arbeit zügig zu erle-
digen und das Problem anzugehen . Ich fordere alle dazu
auf, die sich daran beteiligen wollen, ganz besonders den
Koalitionspartner . Es gibt noch viel zu tun . Packen wir
es an!


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815830000

Vielen Dank, Kollege Priesmeier . – Nächster Redner:

Friedrich Ostendorff, Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Wilhelm Priesmeier






(A) (C)



(B) (D)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit über
vier Jahren ist Deutschland als europäischer Tabellen-
letzter gefordert, die Nichteinhaltung der EU-Nitratvor-
gaben abzustellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vor allen Dingen die massierte Schweinehaltung mit den
hohen Güllemengen ist der Hauptverursacher der hohen
Nitratwerte .

Die Trinkwasserkunden erwarten, dass der Minister
die Probleme nicht länger aussitzt, sondern endlich re-
agiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Nachdem Minister Schmidt vollmundig erst für Weih-
nachten 2014 und dann für Weihnachten 2015 das Dün-
gegesetz angekündigt hatte, liegt es nun seit Dienstag
völlig abrupt und überraschend auf dem Tisch, um die
für heute drohende Einleitung der Klage in Brüssel abzu-
wenden . Anscheinend wurde sie aber in Brüssel wieder
vertagt, und zwar für eine Woche, wie wir gehört haben .

Die grün mitregierten Länder haben den vorliegende
Gesetzentwurf tatkräftig erkämpft . Wir sehen trotzdem
die Gefahr, dass Sie von der CDU/CSU alles versuchen
werden, ihn vor der Bundestagswahl nicht mehr zu be-
schließen .

Den Schweinemästern wurde immer wieder signa-
lisiert: Die Trias Minister Schmidt, Ministerpräsident
Seehofer und Bauernverband wird es schon verhindern .
Der Minister hat zwar die Partitur schreiben lassen,
aber der Dirigent des Verfahrens sitzt in München und
heißt Seehofer . Lassen Sie sich doch nicht länger von
den Blockaden aus Bayern ausbremsen, Herr Minister
Schmidt . Wenn sich die Bayern einmauern wollen, dann
wollen wir sie dabei nicht aufhalten . Aber wir Grüne sind
bereit, über Asyl für sie zu sprechen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Nein, nicht wirklich!)


Die Menschen sind nicht mehr bereit, mit ihrer Was-
serrechnung die Exzesse und Sünden einer falschen in-
dustriellen Tierhaltung zu bezahlen . Sie erwarten auch in
den viehdichten Regionen sauberes Trinkwasser . Trink-
wasser ist Allgemeingut . Niemand hat das Recht, es zu
verschmutzen, auch nicht mit Gülle .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Um genau zu erfassen, wie viele Nährstoffe einen
landwirtschaftlichen Betrieb verlassen und auf die Flä-
chen gelangen, brauchen wir mindestens in den roten
Gebieten, den sogenannten Hotspots, die Hoftorbilanz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sind Gebiete mit besonders hoher Viehdichte und
folglich besonders hoher Nitratbelastung . Darin sind sich
alle Beiräte der Bundesregierung einig . Die Länder brau-
chen endlich für wirksame Kontrollen den Zugriff auf die
Nutzung der Daten, die zum Beispiel von InVeKos, dem
Datensystem der Landwirtschaft für die Flächenanträge,
und der Tierseuchenkasse erhoben werden, um festzu-
stellen, wo die Gülleseen verbracht werden, und wo wie
viele Tiere in den Ställen stehen . Ohne diese Daten kann
eine wirksame Kontrolle nicht funktionieren . Ohne Da-
tenabgleich lassen sich Verstöße und ihre Ursachen nicht
feststellen . Es geht um die schwarzen Schafe . Es geht
nicht um die verantwortlich handelnden Bäuerinnen und
Bauern, die Tiere und Fläche im Einklang halten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ursula Schulte [SPD])


Wollen Sie denn zig Millionen Euro Strafzahlungen
aus dem Agrarhaushalt für Ihr Nichtstun aus dem Fenster
werfen? Bei Frankreich haben wir erlebt, wie viele Mil-
lionen fällig werden, wenn man hier säumig ist . Dieses
Geld brauchen wir dringend, um den gebeutelten, notlei-
denden Milchbäuerinnen und Milchbauern, den Sauen-
halterinnen und Sauenhaltern sowie dem gesamten länd-
lichen Raum zu helfen .

Heute ist die drohende Klage nochmals um eine
Woche vertagt worden . Wer weiß, wie lange sich die
EU-Kommission noch mit Nichtstun abspeisen lässt .
Wir alle wissen es nicht . Stattdessen beschäftigt sich das
Ministerium damit, wie man Unbeteiligte zu Tätern sti-
lisiert . Wir fordern Sie auf: Lassen Sie die Verschärfung
für die Weidehaltung! Kühe gehören auf die Weide, nicht
in den Stall .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Lassen Sie doch endlich die durch nichts begründeten
Ausbringungssperrfristen für Festmist und Kompost .
Damit machen Sie viele bäuerliche Betriebe, die nichts
mit dem Nitratproblem zu tun haben, zu Tätern . Festmist
und Kompost stellen für die Wasserqualität kein Pro-
blem dar . Kümmern Sie sich doch endlich um die wahren
Probleme: 28 Millionen Schweine auf zu wenig Fläche,
hohe Gülleüberschüsse, die zu hohen Nitratwerten füh-
ren, weil die Pflanzen diese Fluten nicht mehr aufneh-
men können . Nicht mehr nichts tun und aussitzen! Herr
Minister, fangen Sie endlich an, zu regieren! Doch wir
Grüne befürchten: Auch das ist wieder vergossene Milch
bei Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815830100

Vielen Dank, Friedrich Ostendorff . – Der letzte Red-

ner in der Debatte und für diesen Abend ist Johannes
Röring für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD])







(A) (C)



(B) (D)



Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1815830200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir dis-

kutieren heute in erster Lesung über den Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Düngegesetzes vom 9 . Janu-
ar 2009, das das Inverkehrbringen und die Anwendung
von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Pflanzenhilfsmit-
teln und Kultursubstraten in Deutschland regelt . Die
Gesetzesnovelle ist ein wichtiger Schritt hin zu einem
ressourcenschonenden und nachhaltigen Umgang mit
Nährstoffen bei landwirtschaftlicher Erzeugung . Kontext
aller meiner Vorredner war, dass wir uns einig sind, dass
sauberes Wasser in Flüssen sowie sauberes Grund- und
Trinkwasser hohe, schützenswerte Güter sind .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Düngegesetzes
vom 9 . Januar 2009, das wir nun novellieren, haben wir
hier im Deutschen Bundestag eine Bundesverbringungs-
verordnung erlassen und den Ländern die Möglichkeit
gegeben, die Nährstoffströme besser in den Griff zu be-
kommen . Dies haben zwei Jahre später allerdings nur
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen umgesetzt .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren auch betroffen!)


Ich will damit nur sagen, dass wir uns nicht in einem
rechtsfreien Raum befinden. Vielmehr ist die Düngung in
Deutschland schon immer geregelt . Wir machen uns jetzt
daran, dies noch zu verbessern .

Im Übrigen, Kollege Ostendorff, hat die Bundesver-
bringungsverordnung den Landwirtschafts- und Um-
weltminister in NRW erst in die Lage versetzt, einen
Nährstoffbericht in Nordrhein-Westfalen zu machen .
Er ist im letzten Jahr veröffentlicht worden . Wir haben
gesehen, dass mit Blick auf diese Verbringungsverord-
nung – da ist von jedem Kreis die Bilanz gemacht wor-
den – alle nordrhein-westfälischen Kreise diese Bilanz
gezogen und 170 Kilogramm unterschritten haben – auch
die Regionen mit intensiver Tierhaltung –, nur, Herr
Kollege Priesmeier, leider nicht der Kreis unserer Bun-
desumweltministerin: Kleve hat die Latte beim Wert von
170 Kilogramm gerissen .

Meine Damen und Herren, es ist kein rechtsfreier
Raum . Es ist schon intensiv geregelt, und wir machen
uns daran, diese Regelung noch besser zu machen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will deutlich machen, worüber wir reden, nämlich
über Düngung. „Düngung“ heißt Pflanzenernährung, also
die Pflanze so zu ernähren, dass sie ihr Ertragspotenzial
ausnutzen kann . Ich bin der Meinung: Wir müssen die
Pflanzen so stark düngen, wie sie Bedarf haben – nicht
mehr, aber auch nicht weniger .

Ich will ganz deutlich darauf hinweisen, wie wich-
tig hohe Pflanzenerträge in Deutschland sind. Denn sie
sind die Ernährungsgrundlage für Mensch und Tier in
Deutschland . Das sind viele Rohstoffe, die wir zusätzlich
gebrauchen . Dies in Balance zu bringen, ist uns wich-
tig . Das ist eine wichtige Dimension, die oft unterschätzt
wird . Wir haben im Moment in diesem Jahr gegenüber
2013/14 1 Million Menschen in Deutschland mehr zu

ernähren . Es gibt nur wenige Regionen auf der Erde, die
dies von einem Jahr auf das andere Jahr könnten . Wir
haben viele Sorgen um unsere neuen Bürger in unserem
Land; aber niemand spricht darüber, wie wir sie ernähren
sollen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist die Leistung der deutschen Bauern, und das hat
mit Pflanzen zu tun.

Also: Meine Damen und Herren, die Änderung des
Düngegesetzes schafft die Grundlage für die Novellie-
rung der Düngeverordnung . Wir werden damit die Vor-
gaben der EU-Nitratrichtlinie einhalten und ihr gerecht
werden .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da waren wir uns alle einig, dass das richtig ist!)


Die Kritik an der Grundwasserqualität der EU-Kommis-
sion basiert nämlich auf Messstellen, die Grundwasser
messen . Wir haben in Deutschland ein Belastungsmess-
system – ich will das noch einmal erwähnen –,


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig, dass wir das haben!)


wo wirklich die Hotspots ausgewählt wurden zur Beur-
teilung der Frage, ob Trinkwasser in Ordnung ist .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da waren wir uns alle einig, dass das richtig ist!)


Ein anderes repräsentatives Messnetz für die Euro-
päische Umweltagentur zeigt, dass an 85 Prozent der
800 Messstellen in Deutschland der Trinkwassergren-
zwert von 50 Milligramm eingehalten wird . Ich will nur
sagen: Die Situation ist doch meist besser, als dargestellt
wird .

Bei Grenzwertüberschreitung vor Ort müssen wir an-
gepasste Lösungen suchen . Gemeinsam mit den Ländern
müssen wir uns auch daranmachen, die Messnetze zu
verbessern .

Düngegesetzgebung muss auch mit den Entwicklun-
gen in der Praxis Schritt halten . Deswegen werden wir in
diesem Düngegesetz die Möglichkeit schaffen, auch die
Gärreste von Biogasanlagen in die Bilanzierung einzube-
ziehen . Das ist fachlich geboten und macht Sinn . Das ist
hier verankert .

Die Gesetzesnovelle bringt deutliche Verschärfun-
gen für die tierhaltenden Betriebe . Ich will das deutlich
machen: Der Erfüllungsaufwand wird mit 56 Millionen
Euro geschätzt . Aber der Normenkontrollrat sagt, dass es
mehr als 230 Millionen Euro sind . Wir lasten also den
Betrieben, die im Moment in einer schwierigen Situati-
on sind, noch erheblich mehr Bürokratiekosten auf, aber
auch Kosten für die Erfüllung insgesamt . Ich will das
nicht schmälern . Das muss gemacht werden, aber ich will
es nur an dieser Stelle deutlich erwähnen . Sie werden,
wenn wir nicht aufpassen, den Strukturwandel noch ein-
mal deutlich beschleunigen . Denn man muss im Grun-
de für die Erfüllung der Vorgaben immer mehr Fläche






(A) (C)



(B) (D)


nachweisen . Wir dürfen keine Politik für Großgrundbe-
sitzer machen. Wir müssen die kleinen und flächenarmen
Betriebe, die oft die Tierhaltung als Einkommensquelle
gewählt haben, auch im Blick behalten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir uns einmal einig!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815830300

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit .


Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1815830400

Ganz schnell noch den Datenabgleich .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815830500

Schnell .


Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1815830600

Ja . – Der ist wichtig . Ich stehe dazu, dass wir das ma-

chen müssen . Aber ich appelliere auch an die Grünen, die
den Datenschutz an vielen Stellen sehr hervorheben, dass
man nicht willkürlich in alle Datenbanken hineinschauen
darf . Ja, die Düngebehörde muss hineinschauen dürfen .
Dafür werden wir die Möglichkeiten schaffen .

Ich will aber als letzten Punkt noch ganz schnell etwas
erwähnen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815830700

Ich bitte Sie, kommen Sie jetzt zum Ende .


Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1815830800

Dieses Verfahren hätte schneller abgewickelt werden

können . Wir hätten das Düngegesetz schon haben kön-
nen, Friedrich Ostendorff, richtig . Aber dieses ständige

Hin und Her, Peter Bleser, zwischen Bundeslandwirt-
schaftsministerium, das standgehalten hat,


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Er hat so viel Redezeit und überzieht noch!)


und dem Umweltministerium hat zur Verlängerung ge-
führt . Wir machen uns jetzt zügig daran, das Düngege-
setz zu verabschieden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815830900

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit habe ich keine

Zwischenfrage oder -bemerkung zugelassen . Ich hoffe,
Sie sehen mir das nach, zumal der FC Augsburg verloren
hat .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch Schalke hat verloren . Es ist traurig .

Ich schließe die Aussprache . Vielen Dank . – Bitte füh-
ren Sie die Düngedebatte lebendig weiter .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/7557 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen . – Ich sehe keine
anderweitigen Vorschläge . Dann ist die Überweisung so
beschlossen .

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen langen
Tagesordnung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tags auf morgen, Freitag, den 26 . Februar 2016, 9 Uhr,
ein .

Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen noch
einen schönen Abend .