Johannes Röring
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15613
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Albsteiger, Katrin CDU/CSU 25 .02 .2016
Barley, Dr . Katarina SPD 25 .02 .2016
Bartol, Sören SPD 25 .02 .2016
Bartsch, Dr . Dietmar DIE LINKE 25 .02 .2016
Beckmeyer, Uwe SPD 25 .02 .2016
Bergner, Dr . Christoph CDU/CSU 25 .02 .2016
Binder, Karin DIE LINKE 25 .02 .2016
De Ridder, Dr . Daniela SPD 25 .02 .2016
Dörmann, Martin SPD 25 .02 .2016
Drobinski-Weiß, Elvira SPD 25 .02 .2016
Eberl, Iris CDU/CSU 25 .02 .2016
Engelmeier, Michaela SPD 25 .02 .2016
Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 25 .02 .2016
Gröhe, Hermann CDU/CSU 25 .02 .2016
Höger, Inge DIE LINKE 25 .02 .2016
Holzenkamp, Franz-
Josef
CDU/CSU 25 .02 .2016
Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 25 .02 .2016
Kaczmarek, Oliver SPD 25 .02 .2016
Karawanskij, Susanna DIE LINKE 25 .02 .2016
Klare, Arno SPD 25 .02 .2016
Kömpel, Birgit SPD 25 .02 .2016
Kühn (Dresden),
Stephan
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
25 .02 .2016
Maizière, Dr . Thomas
de
CDU/CSU 25 .02 .2016
Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 25 .02 .2016
Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 25 .02 .2016
Schlecht, Michael DIE LINKE 25 .02 .2016
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 25 .02 .2016
Steinbach, Erika CDU/CSU 25 .02 .2016
Tank, Azize DIE LINKE 25 .02 .2016
Thönnes, Franz SPD 25 .02 .2016
Veit, Rüdiger SPD 25 .02 .2016
Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 25 .02 .2016
Wicklein, Andrea SPD 25 .02 .2016
Zimmermann
(Zwickau), Sabine
DIE LINKE 25 .02 .2016
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Martin Gerster, Kerstin Griese,
Gabriela Heinrich, Wolfgang Hellmich, Dr. Birgit
Malecha-Nissen, Michelle Müntefering, Detlev
Pilger, Bernd Rützel, Johann Saathoff, Elfi Scho-
Antwerpes und Bernd Westphal (alle SPD) zu
der namentlichen Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a)
Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu
uns kommen, ist es uns wichtig, den vielen Ehrenamt-
lichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort enga-
gieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spen-
den, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den
Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern
begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denje-
nigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden,
Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich un-
ermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns
geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft
der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleich-
zeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in
den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engage-
ment zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Ver-
schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt
jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen-
den zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt
werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere
Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration,
damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615614
(A) (C)
(B) (D)
Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in
Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungs-
fähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bür-
gerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ können wir
deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be-
schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
Helfer vorsehen . Insbesondere begrüßen wir, dass da-
durch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Tran-
sitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
Uns bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
wir aus humanitären Gründen nicht für richtig halten . Die
Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Wir
finden das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Wir
gehen fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht .
Wir begrüßen, dass vereinbart wurde, dass für unbe-
gleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Ein-
zelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird,
und setzen darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon-
vention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen
ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen .
Außerdem begrüßen wir, dass vereinbart wurde, dass in-
nerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Fami-
liennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flücht-
lingen vorrangig berücksichtigt werden soll .
Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine drei-jährige Aus-
bildung machen, ein zwei-jähriges Bleiberecht danach
haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für aus-
bildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Wir be-
grüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden von
CDU, CSU und SPD vom 5 . 11 . 2015 festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Wir setzen uns da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Wir stimmen deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die wir auch in weiteren Debatten wie-
der einbringen werden, dem Gesetz zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren zu .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Bärbel Bas und Frank Junge
(beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung
über den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung beschleunigter Asylverfahren (Tages-
ordnungspunkt 3 a)
Angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die zu
uns kommen, ist es uns wichtig, den vielen Ehrenamt-
lichen sehr herzlich zu danken, die sich vor Ort enga-
gieren, Flüchtlinge willkommen heißen, Kleidung spen-
den, Essen ausgeben, sie medizinisch versorgen, mit den
Kindern spielen, Sprachkurse anbieten, sie zu Ämtern
begleiten und vieles mehr . Dieser Dank gilt auch denje-
nigen in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden,
Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich un-
ermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns
geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft
der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleich-
zeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in
den Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engage-
ment zu unterstützen und nicht dauernd durch neue Ver-
schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt
jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen-
den zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt
werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere
Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration,
damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch
Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in
Arbeit unterstützt werden können . Hier wird Handlungs-
fähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bür-
gerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ können wir
deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be-
schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
Helfer vorsehen . Insbesondere begrüßen wir, dass da-
durch der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Tran-
sitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
Uns bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15615
(A) (C)
(B) (D)
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Wir
gehen fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht . Wir begrüßen, dass ver-
einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
nachzug stattfinden wird, und setzen darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüßen wir, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Wir begrüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzen-
den von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015
festgehalten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich be-
fristet oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden,
wollen wir die Integration ermöglichen, indem wir das
schnelle Erlernen der deutschen Sprache und ihre Inte-
gration in den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Wir setzen uns da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Wir stimmen deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die wir auch in weiteren Debatten wie-
der einbringen werden, dem Gesetz zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren zu .
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Petra Crone und Sönke Rix (bei-
de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über
den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein-
führung beschleunigter Asylverfahren (Tagesord-
nungspunkt 3 a)
Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss
zwischen den Koalitionsparteien . Die SPD konnte den
Ursprungsentwurf in wesentlichen Bereichen verbessern .
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha-
ben uns in wichtigen Punkten durchgesetzt . Es wird kei-
ne „Transitzonen“ an deutschen Grenzen geben . Damit
verhindern wir, dass Menschen unter Haftbedingungen
auf ihr Verfahren warten müssen . Stattdessen werden
wir dezentrale Registrierzentren einrichten, die nötig
sind, um ein effektives Verfahren für die Asylsuchenden
durchführen zu können .
Wir werden für verschiedene Gruppen die Verfahren
beschleunigen . Über den Asylantrag entscheidet zu-
künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) innerhalb von einer Woche, Rechtsbehelfsver-
fahren sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden .
Grundsätzlich ist der Familiennachzug bei Flüchtlin-
gen eine wichtige Maßnahme zur Integration und eine
Frage der Humanität . Die jetzt verabredete Einschrän-
kung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit nicht
langfristiger Bleibeperspektive darf nun nicht im Ge-
genzug dazu führen, dass die Vergabe der subsidiären
Schutzbedürftigkeit ausgedehnt wird . Wir Sozialdemo-
kratinnen und Sozialdemokraten haben dieser Regelung
zugestimmt, weil der Familiennachzug auf zwei Jahre
befristet ausgesetzt wird und ansonsten das gesamte
Asylpaket infrage gestanden hätte . Wir gehen davon aus,
dass der Elternnachzug zu minderjährigen Flüchtlingen
möglich bleibt und in jedem Einzelfall geprüft wird .
Eine gute Maßnahme stellt die Pflicht zur Vorlage ei-
nes erweiterten Führungszeugnisses bei Beschäftigung
oder regelmäßig Engagierten in einer Flüchtlingsunter-
kunft dar . Das kann jedoch nur ein Baustein eines umfas-
senden Schutzkonzeptes sein . Bedauerlicherweise sind
keine weiteren bindenden Schutzbestimmungen vorgese-
hen . Die Länder werden nun noch weitere Maßnahmen
folgen lassen . Wir wollen zusätzlich darauf hinwirken,
dass auch der Bund sein Schutzkonzept erweitert .
Positiv sehen wir die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Nach den Asylpaketen muss es jetzt darum gehen, ei-
nen umfassenden Integrationsplan zu erarbeiten . Daher
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615616
(A) (C)
(B) (D)
begrüßen wir, dass jetzt in Abstimmung zwischen den
Ministerien Maßnahmen für ein Integrationsgesetz er-
arbeitet werden . Dazu gehören unter anderem auch ein
ausreichendes Angebot von Integrationskursen, aber
auch Investitionen in Schule, Kitas und den Wohnungs-
bau sowie Erleichterungen für den Zugang auf den Ar-
beitsmarkt .
Ein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und eh-
renamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement
in den Unterkünften, in Sprachkursen, bei der Begleitung
zu Ämtern, in Integrationsmaßnahmen und in unzähligen
weiteren Bereichen betätigen .
Wir begrüßen, dass im Beschluss der Parteivorsitzen-
den von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015
festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Trotz der gravierenden Bedenken bezüglich des Fa-
miliennachzugs und für uns nicht ausreichend vorhande-
ner Schutzbestimmungen und Integrationsmaßnahmen
stimmen wir dem „Gesetz zur Einführung beschleunigter
Asylverfahren“ – auch unter Einbeziehung unserer poli-
tischen Gesamteinschätzung – zu .
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Bernhard Daldrup und Ulrich
Hampel (beide SPD) zu der namentlichen Abstim-
mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Ta-
gesordnungspunkt 3 a)
Mit dem Gesetz werden verschiedene Maßnahmen zu
Verfahren der Anerkennung, Unterbringung von Flücht-
lingen und Asylbewerbern sowie deren Lebensbedingun-
gen geregelt . Auch wenn wir die Zielsetzung des Geset-
zes in wesentlichen Bereichen unterstützen und darin das
Ergebnis eines Kompromisses sehen, der weitergehende
Verschärfungen wie etwa die Einrichtung von Transit-
zonen verhindert hat, bestehen weiterhin erhebliche Be-
denken gegen die Wirksamkeit einzelner Regelungen des
Gesetzentwurfes .
Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der
medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen-
stehen, sowie die aus unserer Sicht wirkungslosen Redu-
zierungen von Geldleistungen in einzelnen Fällen .
Flüchtlinge, die Asyl erhalten oder Schutz nach der
Genfer Flüchtlingskonvention bekommen, können ihre
Familien weiter nachholen – das trifft für die meisten
Flüchtlinge zu .
Wir sind aber im Kern anderer Auffassung bei der
vorgesehenen zweijährigen Aussetzung des Familien-
nachzuges für Personen mit subsidiärem Schutz . Wir
befürchten damit vielleicht sogar eine gegenteilige Wir-
kung als beabsichtigt: Durch die Aussetzung des Fami-
liennachzuges werden die Lebensbedingungen zumeist
unbegleiteter Jugendlicher verschärft . Deren Unterbrin-
gung und Betreuung verursachen höhere Kosten als eine
Familienzusammenführung und erschweren ihre Integra-
tion (während die dennoch nachziehenden Angehörigen
auf unsichere Wege gedrängt werden könnten) .
Ein relevanter quantitativer Beitrag zur Reduzierung
der Flüchtlingszahlen wird offenbar auch durch den In-
nenminister selbst angesichts der konkreten Zahlen und
damit verbundenen Entwicklungen nicht ernsthaft er-
wartet . 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt .
Die Stellungnahmen der Kirchen, ihrer Hilfswer-
ke und vieler Organisationen der Flüchtlingshilfe sind
ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Wir
erwarten, dass die für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz vorgesehene Einzelfallprüfung zum
Familiennachzug unter Berücksichtigung der UN-Kin-
derrechtskonvention erfolgt, nach der Kinder nicht gegen
ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen .
Wir gehen davon aus, dass die erst zum 1 . August
2015 eingeführte Möglichkeit des Familiennachzuges
für subsidiär geschützte Personen nach der Aussetzung
für einen Zeitraum von zwei Jahren wieder reibungslos
ermöglicht wird .
Wir haben unsere ablehnende Haltung zur Aussetzung
des Familiennachzuges im Rahmen der Willensbildung
bis zur Entscheidung des Deutschen Bundestages auch
in der eigenen Fraktion deutlich gemacht . Da wir im
Abstimmungsprozess unterlegen waren, gehört es zu
unserem parlamentarischen Verständnis, eine Mehrheits-
entscheidung mitzutragen, wenn die eigene Position ge-
genwärtig nicht durchsetzbar ist .
Wir erwarten darüber hinaus und werden uns massiv
dafür einsetzen, dass nach den gesetzlichen Änderun-
gen des Asylrechts bei Unterbringung und Anerkennung
deutlich größere Anstrengungen zur Integration der Men-
schen mit Bleiberechtsperspektive unternommen werden .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ralf Kapschack und René
Röspel (beide SPD) zu der namentlichen Abstim-
mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (Ta-
gesordnungspunkt 3 a)
Wir haben dem „Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh-
rung beschleunigter Asylverfahren“ nicht zugestimmt .
Dabei haben wir selbstverständlich nichts gegen eine
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15617
(A) (C)
(B) (D)
Beschleunigung der Registrierungs- und Anerkennungs-
verfahren . Diese hätten allerdings schon längst über eine
Aufstockung des Personals beim BAMF erfolgen kön-
nen . Wäre es nach dem Willen der SPD gegangen, hätte
es auch bei Sprach- und Integrationskursen längst eine
deutliche Aufstockung gegeben .
Die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf
war für uns nicht möglich, vor allem wegen der von der
Union geforderten Verschärfungen bei gesundheitlichen
Abschiebehindernissen und beim Familiennachzug .
Nach dem Kompromiss der Parteivorsitzenden im
November 2015 wäre davon nur eine kleine Zahl von
schätzungsweise 1 700 subsidiär Schutzberechtigten be-
troffen gewesen . Nach Intervention aus der Union, vor
allem nach dem Beschluss der CSU – kurz vor Weih-
nachten 2015! –, den Familiennachzug „größtmöglich“
zu beschränken, ist nun von einer deutlich höheren Zahl
von Kindern, Jugendlichen, Vätern oder Müttern auszu-
gehen, denen es verwehrt wird, ihren Ehepartner, ihre El-
tern oder ihr Kind nachholen zu dürfen . Dabei sind nach
Angaben der Bundesregierung – Antwort auf die Kleine
Anfrage 18/7200 – bis Ende September 2015 für Staats-
angehörige aus Syrien 18 400 Visa zum Familiennachzug
erteilt worden – eine aus unserer Sicht verträgliche Zahl
von Fällen .
Völlig unakzeptabel ist für uns die Vorstellung, Kinder
von ihren Eltern getrennt zu lassen – und umgekehrt –,
vermutlich ist es sogar ein Verstoß gegen Artikel 6 des
Grundgesetzes und Artikel 8 der Europäischen Men-
schenrechtskonvention .
Sehr beeindruckt haben uns Diskussionen im letzten
November mit Kindern und Jugendlichen in Schulen in
unseren Wahlkreisen über die Rechte und Wünsche von
Kindern, in denen auch deutlich wurde, wie wichtig es
für Kinder ist, nicht von ihren Eltern getrennt zu sein .
Mit einer Zustimmung zum sogenannten Asylpaket II
würden wir unser Versprechen brechen, uns für die in
der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte von
Kindern einzusetzen . Wir fühlen uns gegenüber den Kin-
dern im Wort .
Wir erkennen ausdrücklich an, dass die SPD-Führung
und allen voran Sigmar Gabriel in den letzten Wochen
auch in Nachverhandlungen versucht hat, wenigstens Er-
leichterungen und Härtefallregelungen zu erzielen .
Deshalb finden wir es umso bedauerlicher, dass die
sogenannten christlichen Parteien auf weitgehend sym-
bolischen und populistischen Forderungen beharren und
damit einen breiten Konsens verhindert haben, den wir
mittragen könnten .
Wir sind dankbar für das unglaubliche Engagement
vieler Menschen in unserem Land, die sich für einen
menschlichen Umgang mit Flüchtlingen einsetzen und
diesen jeden Tag leben . Sie brauchen dabei nicht nur mo-
ralische, sondern auch materielle Unterstützung, genauso
wie die Kommunen . Integration gelingt nur, wenn unsere
Städte und Gemeinden in der Lage sind, vor Ort die Vo-
raussetzungen dafür zu schaffen . Dazu ist eine deutliche
größere Hilfe durch den Bund unerlässlich .
Anlage 7
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den
von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung beschleunigter Asylverfahren
(Tagesordnungspunkt 3 a)
Heike Baehrens (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger ist unge-
brochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der Po-
litik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das
zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und
die ordnende und steuernde Funktion des Staates bewusst
und mit Sorgfalt wahrzunehmen . Es kommt jetzt darauf
an, die vollständige Registrierung der Ankommenden zu
gewährleisten und die Verfahrensabläufe zu beschleuni-
gen und zu optimieren . Schnellere Verfahren sind auch
Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen,
die hier bleiben können, konkret durch Sprachkurse,
Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsin-
nige und inhumane Vorschlag von „Transitzonen“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Allerdings habe ich auch Bedenken, die mir die Ab-
stimmung für dieses Gesetz nicht leicht gemacht haben .
So mache ich mir Sorgen bezüglich der Änderungen im
Aufenthaltsgesetz, die sich auf Abschiebungshindernis-
se aus gesundheitlichen Gründen beziehen . Zwar ist es
richtig, Missbrauch entgegenzuwirken . Die getroffenen
Regelungen könnten aber in der Praxis schutzbedürftigen
Kranken schaden . Denn gesetzlich wird zukünftig erst
einmal davon ausgegangen, dass eine Erkrankung einer
Abschiebung nicht im Wege steht . Personen, die abge-
schoben werden sollen, müssen nicht nur ihre Krankheit
nachweisen, sondern diese muss dann auch tatsächlich
als Abschiebungshindernis anerkannt werden . Außerdem
müssen die Betroffenen – die vermutlich häufig weder
über Sprachkenntnisse noch über soziale Anbindung ver-
fügen – den Nachweis einer schwerwiegenden Erkran-
kung innerhalb einer sehr kurzen Frist erbringen . Diese
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615618
(A) (C)
(B) (D)
knappe Frist ist gerade bei der Behandlung und Diagno-
se von posttraumatischen Belastungsstörungen, von der
insbesondere Kriegsflüchtlinge häufig betroffen sind, nur
schwer einzuhalten .
Nur mit großen Bedenken kann ich die Regelung mit-
tragen, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberech-
tigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung
auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten
soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr weni-
ge Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhiel-
ten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller sub-
sidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug
fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitä-
ren Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen
der Kirchen und ihrer Hilfswerke nehme ich sehr ernst,
die vor dieser Maßnahme warnen. Ich finde diese Rege-
lung mit christlichen Werten schwer vereinbar . Ich gehe
fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Ausset-
zung der Familiennachzug wieder aufgenommen wird,
wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart
wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi-
ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach-
zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die
UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der
Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt
werden dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung,
dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der
Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ein demokratisches Staatswesen kann nur funktio-
nieren, wenn seine politischen Verantwortungsträger zu
Kompromissen bereit sind . Da der Gesetzentwurf zur
Einführung beschleunigter Asylverfahren vor dem Hin-
tergrund der aktuellen großen Herausforderungen viele
notwendige Regelungen enthält, stimme ich ihm trotz der
oben genannten schweren Bedenken zu .
Dr. Matthias Bartke (SPD): Angesichts der großen
Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich-
tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizi-
nisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse
anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen
Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr
und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen,
um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men-
schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen
ist ungebrochen . Das ist großartig .
Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die
Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche
Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der
Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen
und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser
Maßnahme warnen .
Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijähri-
gen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenom-
men wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass
vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15619
(A) (C)
(B) (D)
nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv ist die zwischen den Koalitionspartnern ge-
troffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
nach der Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbildung ma-
chen, ein zweijähriges Bleiberecht danach haben . Ebenso
ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstüt-
zende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen .
Alles das dient der Integration von geflohenen jungen
Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere
Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen beim Asyl-
recht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz
zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bil-
dung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den
Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt
dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind, so
schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst verdie-
nen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Was würde
ich wohl von mir denken? Was würde ich von mir den-
ken, wenn ich flüchten müsste, wenn ich meine Heimat,
Deutschland, in großer Angst hektisch verlassen müss-
te, um einem Bombenangriff zu entkommen, um meine
Frau der Folter oder unsere Kinder dem Hungertod zu
entreißen? Was würde ich von mir denken, wenn ich dem
Asylkompromiss, genannt „Asylpaket II“, nicht zuge-
stimmt hätte?
Ich käme in ein Land mit einer unvorstellbaren Hilfs-
bereitschaft . Ehrenamt . Aber auch hauptamtlich ist die
Hilfsbereitschaft in Verbänden und Verwaltungen der
Städte und Dörfer groß . Hilfe, Verständnis, Empathie,
Nächstenliebe, Verantwortung, Engagement – alles zu-
sammen genommen nennen wir Willkommenskultur .
Dies ist eine Kulturleistung vieler Männer und Frauen in
Deutschland . Diese Kulturleistung Menschlichkeit zeigt
sich auch in den Mahnungen vieler Verbände wie des
Bundesverbandes der AWO (Arbeiterwohlfahrt), der Di-
akonie, der Caritas, des Paritätischen Gesamtverbandes,
Amnesty International, des Deutschen Instituts für Men-
schenrechte, das Asylpaket II im Bundestag abzulehnen .
Das ist die eine Seite .
Auf der anderen Seite brennen Asylbewerberheime .
Christliche Parteien wie die CSU sowie Teile der CDU
wollen riesige Auffanglager bzw . Transitzentren an den
Außengrenzen, bevorzugt außerhalb Deutschlands . Es
wird über Grenzzäune und von kulturlosen, radikalen Po-
litikern sogar über bewaffnete Grenzsicherung an diesen
Zäunen schwadroniert . Der Vorsitzende der CSU, Herr
Seehofer, fordert gar eine Obergrenze für Asylbewer-
ber, also praktisch eine Begrenzung des Grundrechts auf
Asyl . Das ist Angriff auf unsere Verfassung . Gleichzeitig
fordert auch Herr Palmer, grüner Oberbürgermeister der
Stadt Tübingen in Baden-Württemberg, im Spiegel dazu
auf, Zäune an den EU-Außengrenzen zu errichten und
diese von bewaffneten Grenzbeamten kontrollieren zu
lassen . Er fordert eine „klare Grenzpolitik“ .
All diese primitiv-populistischen „Vorschläge“ sind
nicht nötig . Ein Blick in die jüngere Geschichte hilft . Seit
1990 sind viele Millionen Flüchtlinge nach Deutschland
gekommen . Viele von ihnen haben Deutschland wieder
verlassen und kehrten zumeist in ihre Heimat zurück .
Menschen lieben ihre Heimat . Schauen wir mit Carl
Zuckmayer noch einige Jahre weiter zurück:
„Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenrei-
he vor – seit Christi Geburt . Da war ein römischer Feld-
hauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive,
der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht . Und
dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das
war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ
geworden und hat die katholische Haustradition begrün-
det . Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein
keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein
schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein deser-
tierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder
Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Hol-
land, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein
französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant –
das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und ge-
sungen und Kinder gezeugt – und – und der der Goethe,
der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und
der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und – ach
was, schau im Lexikon nach . Es waren die Besten, mein
Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die
Völker dort vermischt haben . Vermischt – wie die Was-
ser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu
einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen . Vom
Rhein – das heißt: vom Abendland . Das ist natürlicher
Adel . Das ist Rasse . Seien Sie stolz darauf, Hartmann –
und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Ab-
tritt . Prost .“
Auch durch gravierende Fehler der Bundeskanz-
lerin sehen wir in Europa die Gefahr von Renationali-
sierung und Rückentwicklung . Deutschland hat unter
schwarz-gelber Regierung die südlichen Länder Euro-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615620
(A) (C)
(B) (D)
pas mit den vielen Flüchtlingen alleingelassen . Heute
gibt in vielen anderen Ländern Europas wenig Neigung,
Deutschland zu helfen .
Diese Entwicklung, gepaart mit der Berichterstattung
bestimmter Medien und aufkeimenden radikalen Partei-
en, lässt wenig Raum für symbolische Politik . Es gibt im
Bundestag keine Mehrheit in der Regierungskoalition für
ein Einwanderungsgesetz, keine Mehrheit für ein Reset-
tlement-Programm (also die Möglichkeit zur dauerhaften
Neuansiedlung mit Integrationsprogramm, analog zu den
USA, Kanada oder Australien), keine Mehrheit für einen
Kompromiss ohne die Einschränkungen im Asylpaket II .
Mit Blick auf diese Gemengelage besteht größte Ge-
fahr, dass jegliche weitere Verhandlung über das Asyl-
paket II eine Verschlechterung für die in Deutschland
Schutzsuchenden bedeutet und radikale Kräfte gestärkt
würden . Wir haben mit dem Kompromiss eine untere (!)
Linie gefunden, die uns, die die gesamte Bevölkerung
davon abhält, nach rechts abzudriften . Deshalb unter-
stütze ich den gefundenen Kompromiss – mit Blick auf
die drohenden anderen Szenarien und halte ihn für einen
Verhandlungserfolg .
Kritisch bleiben die Änderungen im Familiennach-
zug und die Vereinfachung der Abschiebung kranker
Menschen . Rechtlich bedenklich sind die beschleunigten
Verfahren. Kontraproduktiv finde ich die Gebühren für
Integrationskurse .
Wenigstens soll es für unbegleitete Minderjährige mit
„subsidiärem Schutz“ eine Einzelfallprüfung beim Fami-
liennachzug geben . Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge erklärt:
„Auf subsidiären Schutz kann ein Drittstaatsangehöri-
ger oder Staatenloser Anspruch haben, dem weder durch
die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch durch
das Asylrecht Schutz gewährt werden kann . Er wird als
subsidiär Schutzberechtigter anerkannt, wenn er stichhal-
tige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm
in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht .
Als ernsthafter Schaden gilt:
– die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstra-
fe,
– Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Be-
handlung oder Bestrafung oder
– eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens
oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge
willkürlicher Gewalt im Rahmen eines interna-
tionalen oder innerstaatlichen bewaffneten Kon-
flikts.“
Manche sprechen hier von einem „Pulleffekt“ oder
von einer „Sogwirkung“ und vergessen dabei, in welch
verzweifelter Lage Familien sein müssen, die ihr min-
derjähriges Kind auf die Flucht schicken müssen, um es
zu retten . Sie leben mit der absoluten Ungewissheit, ihr
Kind jemals wieder zu sehen . Auch die Möglichkeit für
Flüchtlinge, nach einer dreijährigen Ausbildung weitere
zwei Jahre in Deutschland bleiben zu dürfen, ist ein gutes
Ergebnis .
Würde ich nach alldem von mir denken: „Gut ge-
macht, ich habe denen, die der Bevölkerung Angst ma-
chen, abgetrotzt, was möglich war“? Oder würde ich
denken: „Hätte ich den faktisch wahrscheinlich sowieso
fast unwirksamen Asylkompromiss, den Asylpakt II, ab-
gelehnt, ginge es mir nun formal und kurzfristig besser –
aber das Damoklesschwert unberechenbarer Verschlech-
terungen schwebt weiter über mir“? Ich weiß es nicht .
Jedenfalls werden wir zerstören, was uns wichtig ist,
wenn wir es weiterhin so schützen wie bisher .
Marco Bülow (SPD): Durch das Asylpaket II, über
das wir heute im Deutschen Bundestag abstimmen, sol-
len die Asylverfahren beschleunigt und Abschiebungen
erleichtert werden, um die Zahl der Flüchtlinge zu re-
duzieren . Auch der Familiennachzug von Menschen mit
subsidiärem Schutz wird für zwei Jahre ausgesetzt .
Ich glaube, dass diese Maßnahmen keine wirkliche
Wirkung zeigen und nur zur Beruhigung beitragen sol-
len . Die Regierung hat damit einen Formelkompromiss
geschlossen, der nicht funktionieren wird . Vor allem,
weil die eigentlich notwendigen Maßnahmen damit nicht
einhergehen .
In erster Linie bräuchten wir ein Integrationspaket I,
wie es die SPD einfordert . Wir benötigen deutlich mehr
Anstrengungen zur Integration der angekommenen
Flüchtlinge . Dazu brauchen wir mehr Investitionen vor
allem in Schule, Kitas und den Wohnungsbau sowie Er-
leichterungen für den Zugang auf den Arbeitsmarkt .
Wir benötigen deutlich mehr Geld für die Kommunen,
als bisher zugesagt wurde . Ein Hauptaugenmerk sollte
dabei neben der Integrationsleistung auch auf Maßnah-
men für Langzeit- und Jugendarbeitslose gelegt werden .
Wir müssen den sozialen Frieden wahren . Das funktio-
niert aber nicht, wenn in einigen Regionen viele Men-
schen keine Perspektive haben .
Zudem müssen wir endlich klarere Maßnahmen gegen
den zunehmenden Terror von rechts gegen Flüchtlinge
ergreifen . Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte gibt es
mittlerweile täglich . 2015 wurden in Deutschland bis
Mitte November 1 610 überwiegend rechtsmotivierte
Delikte gezählt, die im Zusammenhang mit der „Unter-
bringung von Asylbewerbern“ stehen . 2014 lag die Zahl
bei 895 Taten, 2013 bei 399 und 2012 bei 62 Delikten .
Diese Entwicklung ist dramatisch .
Es ist positiv zu erwähnen, dass die SPD in den Ver-
handlungen mit der Union dafür gesorgt hat, dass Flücht-
linge nach der Ausbildung in Deutschland zwei Jahre
arbeiten dürfen . Zudem entfällt die jährliche Neugeneh-
migung des Aufenthalts während der Ausbildungszeit .
Beides führt zu deutlich mehr Rechtssicherheit für Aus-
zubildende und Unternehmer und dient damit einer bes-
seren Integration .
Es ist ebenfalls gut, dass der Bundesjustizminister
Heiko Maas durchgesetzt hat, dass in Härtefällen auch
bei Minderjährigen mit eingeschränktem Schutz ein
Nachzug der Eltern möglich sein kann . Insgesamt halte
ich die Einschränkungen aber immer noch für mangel-
haft . Die beschlossene Einzelfallprüfung bedeutet eine
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15621
(A) (C)
(B) (D)
hohe Belastung für die minderjährigen Flüchtlinge und
übrigens auch eine zusätzliche Bürokratisierung . Das
Kindeswohl darf nicht unter der aktuellen politischen Si-
tuation leiden .
Bei der Aussetzung des Familiennachzugs für Min-
derjährige verstoßen die Regelungen auch gegen die
UN-Kinderrechtskonvention, weil unbegleitete, minder-
jährige Flüchtlinge von ihren Eltern und Erziehungsbe-
rechtigten getrennt werden . Diese Entscheidung ist umso
weniger nachzuvollziehen, wenn man bedenkt, wie we-
nig neue Flüchtlinge damit ins Land kommen würden .
Weitere Kritikpunkte:
Leider gibt es neben der Einschränkung des Famili-
ennachzugs noch weitere Punkte, die ich an diesem Ge-
setz kritisiere. Zum Beispiel die vereinbarte finanzielle
Beteiligung von Flüchtlingen an Integrationskursen . In
Zukunft werden 20 Euro von den Leistungen an Flücht-
linge als Eigenbeitrag zu Sprach- und Integrationskursen
einbehalten . Durch einen Eigenbetrag wird die Integrati-
on nicht gefördert . Im Gegenteil, das wird lediglich dazu
führen, dass weniger Menschen die Kurse besuchen wer-
den .
Auch die Ausweitung der Liste sicherer Herkunfts-
staaten auf Algerien, Marokko und Tunesien sehe ich
skeptisch . Zum einen ist das Instrument der sicheren
Herkunftsstaaten generell problematisch, weil es den
individuellen Anspruch auf eine einzelne Prüfung des
Asylantrags untergräbt . Zum anderen sind die Berichte
von Menschenrechtsorganisationen über die drei Länder
bedenklich und sprechen nicht dafür, dass man allgemein
von der Einhaltung von Menschenrechten sprechen kann .
Gesamtbetrachtung statt Symbolpolitik: Keine Frage,
die Situation ist problematisch . Genau deshalb müssten
die verschiedenen Aspekte der Flüchtlingspolitik in ei-
ner Gesamtdiskussion zusammenfließen, von der Außen-
und Sicherheitspolitik über die soziale Lage – vor allem
in einigen Regionen in Deutschland – bis hin zur Innen-
politik und Integration . Beim Asylpaket I habe ich mich
mit Bauchschmerzen noch enthalten können, weil vor al-
lem auch die Kommunen entlastet wurden . Diesmal kann
ich – trotz intensiver Abwägung – das Gesamtpaket nur
ablehnen, nicht nur wegen dessen, was im Gesetz steht,
sondern auch wegen dessen, was fehlt .
Dr. Karamba Diaby (SPD): Bei Abstimmungen mit
erheblicher Reichweite oder auch bei Gewissensfragen
nehme ich für mich das Recht eines jeden Abgeordneten
nach Artikel 38 (1) des Grundgesetzes in Anspruch . In
Abwägung der getroffenen Verschärfungen im Entwurf
zum Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfah-
ren unter anderem beim Familien- und Elternnachzug für
subsidiär geschützte Geflüchtete und unter Berücksich-
tigung der Menschen- und Grundrechte stimme ich mit
Nein .
1 . Die Einschränkung des Familien- und Eltern-
nachzuges bei subsidiär Schutzbedürftigen ist mit dem
Grundrecht auf Schutz der Familie (Artikel 6 GG) und
der Europäischen Menschenrechtskonvention (Arti-
kel 8 EMRK) nicht zu vereinbaren .
2 . Innerhalb von drei Wochen soll ein komplettes
Asylverfahren für unter anderem Geflüchtete aus siche-
ren Herkunftsstaaten in besonderen Aufnahmezentren
durchgeführt werden . Hier besteht die Gefahr, dass ein
ausreichender Zugang zur unabhängigen Rechtsberatung
in den Aufnahmeeinrichtungen nicht gegeben sein kann .
3 . Die Absenkung der Leistungen für Asylsuchende ist
nicht nachvollziehbar . Das Existenzminimum darf nicht
weiter herabgesetzt werden . Das hat auch das Bundes-
verfassungsgericht in seinem Urteil vom 18 . Juli 2012
zum AsylbLG bekräftigt .
Unter Berücksichtigung dieser aufgeführten Argu-
mente stimme ich dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren nicht zu .
Sabine Dittmar (SPD): Der Deutsche Bundestag
stimmt heute über das von den Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD eingebrachte Gesetz zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren ab . Nach den Verhandlungen
innerhalb der Regierungskoalition und nach intensiven
Diskussionen über die Inhalte des Gesetzentwurfs stim-
me ich diesem zu .
Zugleich mache ich von meinem Recht Gebrauch, zu
den gesundheitspolitischen Aspekten, die ich aufgrund
meiner langjährigen ärztlichen Tätigkeit sehr kritisch be-
werte bzw . ablehne, Stellung zu beziehen:
Der Gesetzentwurf regelt, dass lebensbedrohliche
und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die
Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die
Abschiebung eines Ausländers verhindern . Die Ein-
schränkung bezieht sich somit auf erhebliche konkrete
Gefahren für Leib und Leben . Dies muss durch ein quali-
fiziertes ärztliches Attest nachgewiesen werden.
Die diesbezüglich im Gesetzentwurf formulierte Prä-
zisierung der Rahmenbedingungen für die Erstellung
qualifizierter ärztlicher Atteste gemäß § 60 a Absatz 2 c
erachte ich als sinnvoll . Allerdings möchte ich betonen,
dass ich eine verbindliche Einbeziehung der psychologi-
schen und psychotherapeutischen Diagnostikkompeten-
zen jenseits der Einschränkung auf approbierte Ärzte für
notwendig erachte .
Darüber hinaus halte ich die Pauschalität der Aussage
in der Gesetzesbegründung, dass eine PTBS im Regelfall
keine schwerwiegende Erkrankung darstellt, für medizi-
nisch falsch . Die Diagnose des „Schweregrades“ einer
PTBS ist komplex und sollte hierfür ausgebildeten Spe-
zialisten vorbehalten sein Aus dem Begründungsteil ist
weiter unterschwellig eine unterschiedliche Bewertung
und Gewichtung somatischer und psychischer Erkran-
kungen herauszulesen, was abzulehnen ist .
Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich die Frage der
angemessenen medizinischen Versorgung im Zielland .
Durch die Änderung des § 60 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz
soll geregelt werden, dass ein Ausländer, der an einer Er-
krankung leidet, auch dann in einen Zielstaat abgescho-
ben werden kann, wenn eine ausreichende medizinische
Versorgung nur in einem Teil dieses Zielstaats gewähr-
leistet werden kann . Dass die medizinische Versorgung
mit der Versorgung in Deutschland im Regelfall nicht
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615622
(A) (C)
(B) (D)
gleichwertig ist, ist unbestritten . Problematisch ist jedoch
der Verweis in der Begründung darauf, dass dem Aus-
länder zumutbar ist, sich in einen bestimmten Teil des
Zielstaats zu begeben, in dem für ihn eine ausreichende
medizinische Versorgung gewährleistet ist, ohne zu wür-
digen, ob diese Versorgung für ihn erreichbar ist oder er
regelhaften Zugang zur Versorgung hat .
Mit Blick auf die jeweiligen regionalen Gegeben-
heiten in den Zielstaaten und dem patientenabhängigen
medizinischen Bedarf ist jedoch zu differenzieren, ob
eine angemessene medizinische Versorgung tatsächlich
gewährleistet ist . Hier ist aus meiner Sicht eine weite-
re Präzisierung durch die zuständigen Ministerien nötig .
Die einschränkende Formulierung „in der Regel“ im
§ 60 Absatz 7 gibt hoffentlich den zuständigen Gerichten
den notwendigen Entscheidungsspielraum, um die medi-
zinische Versorgung im Zielstaat genauer unter die Lupe
zu nehmen . Der Spielraum für Einzelfallentscheidung ist
zu begrüßen .
Darüber hinaus bereitet mir die Zustimmung zu der
Regelung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzbe-
rechtigte für zwei Jahre auszusetzen, große Probleme,
zumal diese Regelung auch für unbegleitete minderjäh-
rige Flüchtlinge gelten soll . Ich begrüße daher die Ver-
einbarung, für unbegleitete Minderjährige im subsidiären
Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug zu-
zulassen . Ich setze darauf, dass hierbei die UN-Kinder-
rechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht
gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dür-
fen . Außerdem befürworte ich die Regelung, dass inner-
halb künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familien-
nachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen
vorrangig berücksichtigt werden soll .
Eine Evaluierung der in diesem Gesetz beschlossenen
Regelungen nach einem angemessenen Zeitraum ist drin-
gend geboten .
Trotz meiner Bedenken stimme ich dem Gesetzent-
wurf zu, da er mit Blick auf die aktuellen großen Heraus-
forderungen in der Asylpolitik viele notwendige Rege-
lungen und Konkretisierungen beinhaltet .
Angelika Glöckner (SPD): Angesichts der großen
Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich-
tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medi-
zinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkur-
se anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen,
um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men-
schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen
ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von
der Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen
und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstüt-
zen und nicht permanent durch neue Verschärfungsvor-
schläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an,
dass die Registrierung der Ankommenden zügig voran-
geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass
Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind
auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege-
lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr
wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er-
hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller
subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach-
zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus huma-
nitären Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnah-
men der Kirchen und Hilfsorganisationen, die vor dieser
Maßnahme warnen, sind ernst zu nehmen . Ich halte das
weder mit christlichen noch humanitären Werten schwer
vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der
zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder
aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich be-
grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min-
derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung
zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf,
dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt
wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren
Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich,
dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin-
gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
sichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15623
(A) (C)
(B) (D)
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten Beden-
ken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylver-
fahren zu .
Dirk Heidenblut (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Mandaten und Äm-
tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen,
um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Men-
schen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen
ist ungebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird
von der Bundespolitik jetzt erwartet, die Arbeit in den
Kommunen und das zivilgesellschaftliche Engagement
zu unterstützen und nicht andauernd durch neue Ver-
schärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt
jetzt darauf an, dass die Registrierung der Ankommen-
den zügig vorangeht, das Asylverfahren beschleunigt
und Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren
sind Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni-
gen, die Registrierung verbessern, die Kommunen entlas-
ten sowie den Kinderschutz in den Einrichtungen durch
die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Hel-
ferinnen und Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich,
dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von
„Transitzentren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
Jahre auszusetzen, große Probleme, ganz grundsätzlich,
weil es Integration erschwert, besonders aber, weil diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz –, und nur 105 Fälle
von Familiennachzug fanden statt, ist das ein Zeichen,
das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte .
Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei-
tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel-
fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden, wird und
setze darauf, dass diese im Interesse des Kindeswohls
erfolgt . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde,
dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge
der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll – das
muss in besonderem Maße für Angehörige unbegleiteter
Minderjähriger gelten .
In gleicher Weise bereiten mir die Einschränkungen
bei der Einbeziehung gesundheitlicher Gründe als Ab-
schiebungshindernis massiv Probleme, insbesondere
die Regelungen zur Berücksichtigung posttraumatischer
Belastungsstörungen (PTBS) . Ich begrüße zwar, dass es
gelungen ist, auch hier bei schwerwiegenden, massiv die
Gesundheit beeinträchtigenden Erkrankungen, insbe-
sondere wenn diese Eigengefährdung erwarten lassen,
Regelungen zu finden. Dennoch halte ich die in der Be-
gründung genannte pauschale Herunterstufung der psy-
chischen Erkrankung für falsch, weil sie einer individu-
ellen, medizinisch fundierten Klärung bedarf .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, im Anschluss ein zweijähriges Bleiberecht
erhalten . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für aus-
bildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. All das dient der Integration von geflohe-
nen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und damit
in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615624
(A) (C)
(B) (D)
Rudolf Henke (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag
stimmt heute über das von den Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD eingebrachte Gesetz zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren ab . Nach den Abstimmungen
in den Fraktionen der Koalition und in den Ausschüssen
folge ich den dort getroffenen Entscheidungen und stim-
me dem Gesetz zu . Ich will damit auch das Wirken und
Engagement der Bundeskanzlerin unterstützen .
Zugleich mache ich von der nach der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages gegebenen Möglich-
keit Gebrauch, zu einzelnen Punkten in der Sache Stel-
lung zu nehmen, die die gesundheitliche Versorgung von
Asylbewerben betreffen .
Der Gesetzentwurf stellt klar, dass eine Abschiebung
auch dann erfolgen kann, wenn der Ausländer an einer
Erkrankung leidet . In der Gesetzesbegründung ist fest-
gehalten, dass sie jedoch nicht dazu führen darf, „dass
sich die schwerwiegende Erkrankung des Ausländers
mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß
verschlechtern wird, dass ihm eine individuell konkre-
te, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht“ . Der
Bundesminister des Inneren hat bei der ersten Lesung im
Plenum davon gesprochen, dass es für eine Abschiebung
eine solide medizinische Versorgung im Zielstaat geben
muss, ausreichend und angemessen . Die medizinischen
Standards in den Herkunftsländern müssen so sein, dass
dem Menschen auch nach der Rückkehr gut geholfen
werden kann . Diese Anforderungen unterstütze ich un-
eingeschränkt .
Durch die Änderung des Aufenthaltsgesetzes soll in
§ 60 Absatz 7 geregelt werden, dass ein Ausländer, der
an einer Erkrankung leidet, auch dann in einen Zielstaat
abgeschoben werden kann, wenn eine ausreichende me-
dizinische Versorgung nur in einem Teil dieses Zielstaats
gewährleistet werden kann .
Ich habe Bedenken, ob diese Kriterien ausreichen,
um die Möglichkeit einer (Weiter-)Behandlung der be-
troffenen Person in jedem Einzelfall zuverlässig genug
sicherzustellen . Genauso, wie wir keine Gleichwertigkeit
der medizinischen Versorgung im Zielland mit den hohen
deutschen Standards erwarten können, werden die Infra-
struktur, die Mobilität, die sozialen und die regionalen
Gegebenheiten nicht mit denen in Deutschland gleich-
zusetzen sein . Das kann den Zugang zu einer medizini-
schen Behandlung erschweren oder unmöglich machen .
Deshalb habe ich mich während der parlamentarischen
Beratung in meiner Fraktion dafür eingesetzt, dass diese
Passage um den Aspekt der „Zugänglichkeit“ erweitert
wird – leider ohne Erfolg .
Auch nach einer Gesetzesänderung werden Ausfüh-
rungsvorschriften notwendig sein, die die Existenz einer
ausreichenden medizinischen Versorgung im Zielstaat in
den Blick nehmen müssen . Dazu müssen das Auswärti-
ge Amt bzw . das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit die notwendigen Feststellungen zu den
örtlichen Gegebenheiten treffen .
Die im Gesetzestext enthaltene einschränkende For-
mulierung „in der Regel“ im ergänzten Absatz 7 des
§ 60 Aufenthaltsgesetz ermöglicht den zuständigen Ge-
richten bei Einzelfallentscheidungen einen Entschei-
dungsspielraum, der es ihnen weiterhin ermöglicht, die
medizinische Versorgungssituation im betroffenen Ziel-
land gesondert in den Blick zu nehmen . Das ist sicher zu
begrüßen .
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Tauglichkeit
der jetzt verfolgten Maßnahmen zur Verfahrensbeschleu-
nigung, die der Notwendigkeit folgen, die Flüchtlings-
zahlen zu reduzieren, in regelmäßigem Abstand darauf-
hin überprüft werden muss, ob eine Anpassung an eine
neue Situation möglich ist, zum Beispiel an eine Redu-
zierung der Anzahl Asylbegehrender .
Auch wenn die aktuelle Flüchtlingssituation uns vor
große Herausforderungen stellt, ist die solide medizini-
sche Versorgung von erkrankten Menschen eine Sorge,
der wir angemessen entsprechen müssen . Ich hoffe sehr,
dass die heute beschlossenen Regelungen an dem Be-
wusstsein, dieser Verpflichtung nachzukommen, nichts
ändern werden .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Aktuell erreichen
Deutschland so viele Flüchtlinge wie noch nie in seiner
jüngeren Geschichte . Die Aufnahme und Versorgung der
Geflüchteten ist eine große gesellschaftliche Aufgabe.
Das stellt den Bund, die Länder und Kommunen und
die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen .
Ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer
und den Einsatz vieler weiterer Menschen bei den Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr, den Hilfsorgani-
sationen und den Behörden vor Ort wäre dies nicht zu
schaffen . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
che Engagement zu unterstützen . Angesichts der großen
Zahl von teils lange andauernden Asylverfahren ist es
für die Geflüchteten selbst, aber auch für alle Beteiligten
wichtig, die Verfahren zu beschleunigen . Leider müssen
immer noch Hunderttausende Asylbewerberinnen und
Asylbewerber Monate warten, bis sie den Antrag über-
haupt stellen können . Es kommt daher jetzt darauf an,
dass die Registrierung der Ankommenden zügig vor-
angeht, dass Asylverfahren beschleunigt und Verfahren
optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch eine
wichtige Voraussetzung für gute Integration, damit die-
jenigen, die hierbleiben können, schnell durch Sprach-
kurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit
unterstützt werden können . Hier wird die Handlungsfä-
higkeit des Staates erwartet – sowohl von den Bürgerin-
nen und Bürgern als auch von den Geflüchteten.
In dem vorliegenden sogenannten Asylpaket II, dessen
Hauptübereinkunft bereits am 5 . November 2015 statt-
gefunden hat, kann ich deshalb den Punkten zustimmen,
die die Verfahren beschleunigen und die Registrierung
verbessern sowie den Minderjährigenschutz in den Ein-
richtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungs-
zeugnisses für dort Beschäftigte sowie Helferinnen und
Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch
der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzen-
tren“, also Massenlagern an den Grenzen, vom Tisch ist .
Mir bereitet jedoch die Zustimmung zu der Regelung,
den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme . Auch wenn in
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15625
(A) (C)
(B) (D)
der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon
betroffen sein werden (2015 entfielen nur 0,6 Prozent
aller Entscheidungen auf subsidiären Schutz), halte ich
dies nicht für richtig . Ich gehe fest davon aus, dass nach
Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug
wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht .
Ich begrüße die Vereinbarung, dass für unbegleitete Min-
derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfall- bzw .
Härtefallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird,
und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon-
vention angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen
ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen .
Außerdem begrüße ich die Vereinbarung, dass innerhalb
künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach-
zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor-
rangig berücksichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine Regelung für mehr Rechtssicher-
heit und Verfahrensvereinfachungen für auszubildende
Flüchtlinge und ausbildende Betriebe umgesetzt wird .
Auszubildende sollen für die Dauer ihrer Ausbildung
(drei Jahre) und weitere zwei Jahre danach ein Aufent-
haltsrecht bekommen . Ebenso ist vereinbart, die Alters-
grenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von
21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Dies dient der Integration
von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeits-
markt und damit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationspaket zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Ich be-
grüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden zum so-
genannten Asylpaket II von CDU, CSU und SPD vom
5 . November 2015 festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Am 28 . Januar 2016 wurde bei der Ministerpräsiden-
tenkonferenz zudem ein zwischen Bund und Ländern ab-
gestimmtes Integrationskonzept vereinbart . Dazu wurde
eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet, die bis Ende
Februar 2016 Eckpunkte und bis Ende März 2016 ein
Konzept erarbeitet . Es besteht Einigkeit, dass es einer
kontinuierlichen Anpassung der Regelsysteme und der
Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Sprachförde-
rung, Integrationskurse, Bildung, Ausbildung, Studium
und Arbeitsmarkt sowie beim Wohnungsbau, bedarf .
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Geflüchteten unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb in der Gesamtabwägung der
getroffenen Vereinbarungen trotz der obengenannten
schweren Bedenken dem Gesetz zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren zu .
Petra Hinz (Essen) (SPD): Im zurückliegenden Jahr
haben unsere Gemeinden, Kommunen und Städte über
eine Million Menschen aufgenommen . Die vielen ehren-
amtlichen Helferinnen und Helfer haben Großartiges für
Deutschland geleistet . Die Kommunen und die ehren-
amtlichen Helferinnen und Helfer tragen jeden Tag zum
sozialen Frieden bei . Richtig ist aber auch, dass nach die-
ser so großen Anstrengung klar ist: so viele Menschen
können wir in einem Jahr nicht noch einmal aufnehmen .
In dieser Geschwindigkeit überfordern wir die Kommu-
nen und werden den Herausforderungen nicht gerecht .
Um den Zuzug von Flüchtenden zu reduzieren, stehen
deshalb die Lösung des Syrien-Konflikts und die Besei-
tigung von Fluchtursachen im Zentrum der SPD Politik .
Es reicht also nicht aus, nur zu sagen „Wir schaffen
es“, sondern wir müssen den ehrenamtlichen Kommu-
nalpolitikern und den Bürgerinnen und Bürgern sagen,
wie und was wir verlässlich auf den Weg bringen . Die
Kanzlerin und auch der Innenminister haben bisher die
Situation nicht wirklich nachhaltig gestaltet . Der bayri-
sche Ministerpräsident ist Teil der Regierung und gleich-
zeitig Opposition . Es ist nicht nur die Tatsache, dass er
eine Verfassungsklage anstrebt, sondern seine Politik und
seine Forderungen begünstigen das Erstarken der rechten
Parteien und Rechtsextremismus .
Meine große Hoffnung sind die vielen zivilgesell-
schaftlichen Initiativen, die sich dagegenstellen, und eine
demokratische Kultur, die stark genug ist, damit sich
extremistische Gedanken nicht weiter ausbreiten . Dazu
aber brauchen wir eine nachhaltige Flüchtlingspolitik
über alle föderalen Ebenen . In den zurückliegenden Wo-
chen haben wir zahlreiche Gesetze im Deutschen Bun-
destag beschlossen, die vor Ort noch nicht angekommen
sind bzw . noch nicht wirken können . Die Kanzlerin und
CDU-Vorsitzende verfolgt eine Politik, die von ihrer
Union nicht getragen wird . Der Koalitionspartner ver-
folgt mehrheitlich eine Politik, die Flüchtenden rauszu-
halten . Wir aber müssen uns jetzt auf die Integration und
auf die Unterstützung der Kommunen konzentrieren .
Wir haben über lange Zeit, und das ging gerade von
der Kanzlerin, vom Finanzminister und vom Innenmi-
nister aus, eine Europapolitik in kurzsichtigem nationa-
len Interesse Deutschlands praktiziert . Das ist der Hin-
tergrund der aktuellen Situation, in der wir den Mangel
an Solidarität erkennen müssen . Deswegen ist es nun so
schwer, die Solidarität unserer EU-Partner zu erhalten .
Richtig ist auch: Es fehlt eine moralisch-politische Auto-
rität. Deswegen befinden wir uns in dieser sehr schwieri-
gen, ja fast hoffnungslos scheinenden Krise .
Ich bin davon überzeugt, dass eine Schließung der
Grenzen Europa nachhaltig belasten würde, und andere
beschreiben sogar, dass wir den europäischen Gedanken
zerstören würden . Ich halte dies für eine falsche Antwort .
Die Schließung der Grenzen wird es zu chaotischen Zu-
ständen in Europa kommen lassen . Meiner Meinung nach
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615626
(A) (C)
(B) (D)
kann nur eine solidarische Aktion helfen, beispielsweise
einen Hilfsfonds für die Länder aufzulegen, die in Euro-
pa Flüchtlinge aufnehmen . Eine Verteilung der Flücht-
linge in Europa ist ohne eine gemeinsame und solidari-
sche Politik nicht möglich . Was bei den Befürwortern der
Grenzschließung übersehen wird, ist: Die Flüchtenden
kommen auch, wenn die Grenzen dicht sind . Wir haben
das Problem lange vor uns hergeschoben, aber nun hat
uns die Realität eingeholt .
Es geht doch nicht um die reine Zahl . Es geht darum,
wie wir den Zugang der Menschen nach Deutschland und
Europa ordnen . Wir haben in den 50er-Jahren 50 Millio-
nen Deutsche in Westdeutschland gehabt und 8 Millio-
nen Vertriebene . Auch diese wurden nicht als wunderbare
Deutsche in Empfang genommen, sondern als Fremdlin-
ge angesehen . Und damals waren die Bedingungen noch
viel armseliger .
Kurt Schumacher sagte einst: „dass Politik mit dem
Betrachten der Wirklichkeit beginnt“ . Haben wir tatsäch-
lich unsere Wirklichkeit vergessen, was 1945 bis 1949
für Not und Elend in Deutschland herrschte?! Das tägli-
che Brot war knapp, und seitdem haben Quäkerspeisen
und CARE-Pakete aus den USA für die Generation mei-
ner Eltern und Großeltern ein legendäres Image . Haben
wir vergessen, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bis
heute nach Vermissten sucht, dass Frauen ihre Männer,
Männer ihre Frauen und Kinder, Kinder ihre Eltern und
Angehörigen gesucht haben? Mein Vater ist als junger
Erwachsener in den Krieg eingezogen worden und mit
schweren Verwundungen, die sein ganzes Leben be-
stimmten, nach Hause gekommen . Meine Mutter musste
ihre Heimat verlassen, sie war ein Flüchtling, eine Ver-
triebene . Sie hat auf der Flucht ihren kleinen Bruder ver-
loren, und sie haben natürlich alles unternommen, damit
sie alle wieder als Familie zusammen sein konnten . Fes-
tes Schuhwerk zu haben, Holz zum Heizen, im Winter ei-
nen dicken Mantel, zu essen und zu trinken war Lebens-
ziel dieser Generation – haben wir dies alles vergessen?
In dem Gesetz heißt es, dass diese Regelung nur für
subsidiär Schutzberechtigte gilt . Im Jahr 2015 wurde
137 136 Menschen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt .
Demgegenüber erhielten lediglich 1 707 Menschen sub-
sidiären Schutz . Das bedeutet: Der Familiennachzug
bleibt für die allermeisten Geflüchteten weiterhin mög-
lich . Wenn es so ist, dann stellt sich doch die Frage: Wa-
rum sollen wir einem Gesetz zustimmen, welches den
angedachten Zweck verfehlt?!
Wie können wir den jetzigen Flüchtenden den Wunsch
auf Familienzusammenführung bzw . Familiennachzug
verwehren? Wir sollen heute eine weitere unbefristete
Verschärfung des Asylrechts beschließen, nur weil die
CDU/CSU nicht bereit ist, ein modernes Einwanderungs-
gesetz zu beschließen?!
Wir brauchen jetzt eine Entscheidung über ein Ein-
wanderungsgesetz, leider schiebt die Kanzlerin, aber
auch die CSU, diese Entscheidung auf die lange Bank
und verweist auf den Koalitionsvertrag . Mit einem Ein-
wanderungsgesetz kann gesteuert werden, wie groß der
Zuzug pro Jahr nach Deutschland ist . Dadurch würden
die Asylverfahren tatsächlich entlastet .
Darüber hinaus vermisse ich auf der EU-Ebene eine
überzeugende und nachhaltige Einwanderungsstrategie .
Nationale Alleingänge werden nichts bewirken .
Das Asylrecht ist eine Schlussfolgerung der Völkerge-
meinschaft und der „Väter und Mütter“ des Grundgeset-
zes aus der Verfolgung durch den deutschen Faschismus .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich
dem vorgelegten Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksa-
che 18/7538) der Koalitionsfraktionen nicht zu .
Christina Jantz-Herrmann (SPD): Angesichts der
großen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es
mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu
danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und
das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge
Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren
optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
ger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege-
lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr
wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015
erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragsstel-
ler subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familien-
nachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus
humanitären Gründen für problematisch halte . Ich be-
grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min-
derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung
zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf,
dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt
wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren
Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15627
(A) (C)
(B) (D)
dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin-
gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
sichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Helga Kühn-Mengel (SPD): Nachdem ich bisher
allen gesetzlichen Änderungen in diesem Bereich zuge-
stimmt habe, habe ich beim Asylpaket II so starke Be-
denken, dass ich dem Gesetzespaket meine Zustimmung
nicht geben kann . Dazu möchte ich folgende Gründe an-
führen:
Der Gesetzesentwurf enthält Einschränkungen beim
Familiennachzug . Diese Bestimmungen halte ich für In-
tegrationshemmnisse: Ein Aussetzen des Familiennach-
zugs zerreißt und belastet Familien, deren Schutz laut
Grundgesetz ein besonders hohes Gut ist . Das wirkt sozi-
al destabilisierend und ist gegenüber Kindern und Eltern
unter menschlichen und psychosozialen Aspekten eine
schwer zu ertragende Härte. Als jemand, der beruflich
26 Jahre lang mit Kindern und Familien gearbeitet hat,
kann ich diese Härte nicht mittragen .
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die in den Heimatlän-
dern zurückgebliebenen Familienangehörigen nun ihrer-
seits die gefährliche Flucht nach Europa antreten, um mit
ihren Ehemännern, Ehefrauen, Müttern, Vätern und Kin-
dern wieder zusammenzukommen . Die aktuellen Zahlen
des UNHCR bestätigen, dass inzwischen rund 60 Pro-
zent aller Flüchtlinge Frauen und Kinder sind . Deshalb
ist es nicht verantwortbar, die Familien auf diese Wei-
se zu trennen. Zu unterstellen, die Geflüchteten würden
kollektiv ein Geschäftsmodell mit dem Familiennachzug
betreiben, halte ich für unangemessen .
Daneben sehe ich weitere Einschnitte in den geplan-
ten Verschärfungen der Abschiebebedingungen . Diese
sollen dazu dienen, dass Abschiebungen nur verhindert
werden, wenn lebensbedrohliche und schwerwiegende
Krankheiten vorliegen, die sich bei einer Abschiebung
wesentlich verschlechtern würden . Konkret heißt das,
dass auch Asylbewerber abgeschoben werden sollen, bei
denen eine unmittelbar lebensbedrohliche Krankheit dia-
gnostiziert wurde . Die medizinische Versorgung im Ab-
schiebeland gilt als theoretisch gegeben, auch wenn diese
nicht vergleichbar mit der in Deutschland ist . Es reicht
aus, wenn irgendwo im Herkunftsland eine „ausreichen-
de“ medizinische Versorgung vorherrscht . Damit wird
meines Erachtens billigend in Kauf genommen, dass es
zu menschenrechtsunwürdigen Abschiebungen kommen
kann .
Genauso fragwürdig sind die weiteren Bestimmungen
zu medizinischen Abschiebegründen . In der Begründung
des Gesetzentwurfes wird verdeutlicht, dass posttrauma-
tische Belastungsstörungen nicht als eine schwerwiegen-
de oder lebensbedrohliche Erkrankung angesehen wer-
den und somit auch kein Abschiebehindernis darstellen .
Dieses pauschale Urteil ist in meinen Augen weder medi-
zinisch noch politisch gerechtfertigt . Zudem soll „unver-
züglich“ ein Attest eines approbierten Arztes vorgelegt
werden . Eine Wartezeit zum Beispiel von zwei Wochen
wird laut Begründung nicht als unverzüglich angesehen .
Angesichts dessen, dass psychische und psychosomati-
sche Erkrankungen kaum unverzüglich in ihrer Schwere
abschließend diagnostiziert werden können und womög-
lich kurzfristig kein Termin bei einem qualifizierten Arzt,
also einem für das Fachgebiet zuständigen Mediziner,
möglich ist, ist diese Regelung für mich nicht akzeptabel .
Der Gesetzentwurf erhebt einen Eigenanteil für Asyl-
bewerber für Sprach- und Integrationskurse . Dies ist
neben der finanziellen Belastung ein starkes Integrati-
onshemmnis, das auch von vielen Lehrkräften in diesem
Bereich abgelehnt wird .
Wirklich helfen würden umfangreiche Integrations-
maßnahmen, wie sie die SPD nun bereits mehrfach vor-
geschlagen hat. Diese finden sich im Asylpaket II leider
nur als Ankündigung wieder . Meine Hoffnung ist, dass
diese nun rasch und energisch umgesetzt werden, um
endlich zu zeigen, dass Aufnahmebereitschaft und Inte-
gration in diesem Land gelingen kann .
Meiner Meinung nach werden die im Gesetzesentwurf
vorgeschlagenen Maßnahmen zum Großteil das erklärte
Ziel einer Reduzierung der Asylbewerber in Deutschland
nicht erreichen, sondern führen stattdessen in der Abwä-
gung zwischen Grundrechten zu nicht gerechtfertigten
Einschnitten im Asylrecht .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615628
(A) (C)
(B) (D)
Ich halte es für sinnvoller, statt Symbolpolitik die bis-
her beschlossenen Maßnahmen umzusetzen und auf der
Grundlage der erhofften Wirkungen die nächsten Schritte
anzugehen .
Hiltrud Lotze (SPD): Tagtäglich erreichen mehrere
Tausende schutzsuchende Menschen Deutschland, im
gesamten Januar waren es knapp 92 000 . Es kommen
Menschen, das ist Leitbild meines Handelns! Dass sie
gut aufgenommen werden, ist den vielen Ehrenamtlichen
zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern in den Kommunalverwaltungen, bei Wohlfahrts-
verbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen,
die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingungen
für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
großartig .
Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die
Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche
Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der
Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Probleme bereitet mir die Zustimmung zu der Rege-
lung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberech-
tigte für zwei Jahre auszusetzen, zumal diese Regelung
auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten
soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr we-
nige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er-
hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller
subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach-
zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus hu-
manitären Gründen nicht für richtig halte . Die Kirchen
und ihre Hilfswerke warnen vor dieser Maßnahme; ich
teile diese Auffassung, weil diese Maßnahme mit christ-
lichen Werten schwer vereinbar ist . Ich gehe fest davon
aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der
Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das
Gesetz vorsieht . Auch gehe ich davon aus, dass auch in
Zukunft nur eine sehr kleine Minderheit der Flüchtlinge
subsidiären Schutz erhält . Ich begrüße, dass vereinbart
wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi-
ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach-
zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die
UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der
Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. All das dient der Integration von geflohe-
nen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen
beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrati-
onsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkur-
sen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende
auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und
sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind,
so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst
verdienen können . Ich begrüße, dass im Beschluss der
Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5 . No-
vember 2015 festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Herausforderung
für unser Land, aber auch eine Chance, denn aufgrund
des demografischen Wandels sind wir dringend auf junge
Menschen angewiesen . Ich setze mich dafür ein, dass aus
Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kolle-
gen und unsere Freundinnen und Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der obengenannten Beden-
ken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylver-
fahren zu .
Kirsten Lühmann (SPD): Angesichts der großen
Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es die Auf-
gabe der Bundesregierung und der sie tragenden Frak-
tionen im Bundestag, sicherzustellen, dass Ordnung,
Fairness und Verlässlichkeit im Verfahren und für die
Menschen sichergestellt werden . Zuerst aber ist es mir
wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu
danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15629
(A) (C)
(B) (D)
Politik erwartet, die Arbeit in den Kommunen und das
zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen und
nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge Un-
ruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
Asylverfahren beschleunigt werden und die Verfahren
optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
hier bleiben können, umgehend durch Sprachkurse, Bil-
dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
tes erwartet und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
ger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni-
gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin-
derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines
erweiterten Führungszeugnisses für Helfende vorsehen .
Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige
und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Erschwerend für eine Zustimmung ist für mich die
neu geschaffene Regelung zum Familiennachzug bei
subsidiär Schutzberechtigten . Dieser soll für zwei Jahre
ausgesetzt werden . Das gilt auch für unbegleitete Min-
derjährige, die dann ohne Eltern und Familie hier zu-
rechtkommen müssen . Die Stellungnahmen der Kirchen
und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser
Maßnahme warnen. Ich finde das mit christlichen Wer-
ten schwer vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach
Ende der zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug
wieder aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht .
In der Realität sind zwar zur Zeit nur sehr wenige Per-
sonen davon betroffen – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent
der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, da-
von waren nur 105 allein reisende Minderjährige –, al-
lerdings sehe ich die Gefahr einer deutlichen Erhöhung
dieser Zahlen durch die auch veröffentlichte Rechtsauf-
fassung namhafter CDU-Abgeordneter im Deutschen
Bundestag, nach der eigentlich fast alle Menschen aus
Syrien nur subsidiären Schutz beanspruchen können .
Wenn wir einer erheblich größeren Zahl von Flüchten-
den den Familiennachzug – auch nur zeitweise – unter-
sagen, würde dies meines Erachtens nicht zu weniger
Flüchtenden führen, sondern eher zu mehr illegaler
Einwanderung und damit zu mehr Chaos für unser po-
litisches System und mehr Leiden für die Flüchtenden,
denn niemand wird seine Familie jahrelang mit unbe-
stimmter Perspektive in unsicheren Ländern zurücklas-
sen . Die Flüchtlinge werden ihre Familien wenn nötig
auf illegalem und gefährlichem Wege, zumeist über das
Mittelmeer, zu uns nach Deutschland holen . Wir riskie-
ren damit, dass es anstelle geordneter Asylverfahren zu
unübersichtlichen und ungeordneten Verfahren kommen
wird . Das kann nicht im Interesse unserer Politik sein .
Tatsächlich benötigen wir Regelungen und Maßnahmen,
die dazu beitragen, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren,
ohne menschliches Leben zu gefährden .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Auch aufgrund der klaren Aussage des Bundesinnen-
ministers in dieser Woche, dass es zu keiner deutlichen
Anhebung der Zahl subsidiär Schutzbedürftiger kommen
wird, und in der Erwartung der zügigen Umsetzung des
oben zitierten Papiers der drei Parteivorsitzenden werde
ich trotz meiner schweren Bedenken, die ich auch in wei-
teren Debatten einbringen werde, dem Gesetz zur Ein-
führung beschleunigter Asylverfahren zustimmen .
Hilde Mattheis (SPD): Die im Gesetzentwurf vor-
geschlagenen Maßnahmen werden zum Großteil das
erklärte Ziel einer Reduzierung der Asylbewerber in
Deutschland meiner Meinung nach nicht erreichen,
sondern führen stattdessen in der Abwägung zwischen
Grundrechten zu nicht gerechtfertigten Einschnitten im
Asylrecht .
Dies betrifft folgende Punkte:
Einschränkung der Abschiebehindernisse
Einschränkung des Familiennachzugs
Einführung eines Eigenanteils für Sprach- und Integ-
rationskurse
Die geplanten Verschärfungen der Abschiebehinder-
nisse sollen dazu dienen, dass Abschiebungen nur verhin-
dert werden, wenn lebensbedrohliche und schwerwiegen-
de Krankheiten vorliegen, die sich bei einer Abschiebung
wesentlich verschlechtern würden . Konkret heißt das,
dass auch Asylbewerber abgeschoben werden sollen, bei
denen eine unmittelbar lebensbedrohliche Krankheit dia-
gnostiziert wurde . Die medizinische Versorgung im Ab-
schiebeland gilt als theoretisch gegeben, auch wenn diese
nicht vergleichbar mit der in Deutschland ist . Es reicht
aus, wenn irgendwo im Herkunftsland eine „ausreichen-
de“ medizinische Versorgung vorherrscht . Damit wird
meines Erachtens billigend in Kauf genommen, dass es
zu grund- und menschenrechtsunwürdigen Abschiebun-
gen kommen kann .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615630
(A) (C)
(B) (D)
Genauso fragwürdig sind die weiteren Bestimmungen
zu medizinischen Abschiebegründen . In der Begründung
des Gesetzentwurfes wird verdeutlicht, dass posttrauma-
tische Belastungsstörungen nicht als eine schwerwie-
gende oder lebensbedrohliche Erkrankung – und somit
auch kein Abschiebegrund – angesehen werden . Dieses
pauschale Urteil ist weder medizinisch noch politisch ge-
rechtfertigt . Zudem soll „unverzüglich“ ein Attest eines
approbierten Arztes vorlegt werden . Eine Wartezeit zum
Beispiel von zwei Wochen wird laut Begründung nicht
als unverzüglich angesehen . Angesichts dessen, dass
psychische und psychosomatische Erkrankungen kaum
unverzüglich in ihrer Schwere abschließend diagnos-
tiziert werden können und womöglich kurzfristig kein
Termin bei einem qualifizierten Arzt, also einem für das
Fachgebiet zuständigen Mediziner, möglich ist, ist diese
Regelung für mich nicht akzeptabel .
Des Weiteren enthält der Gesetzentwurf Einschrän-
kungen beim Familiennachzug und erhebt einen Eigenan-
teil für Asylbewerber für Sprach- und Integrationskurse .
Diese Bestimmungen sind Integrationshemmnisse . Ein
Aussetzen des Familiennachzugs zerreißt Familien, de-
ren Schutz laut Grundgesetz ein besonders hohes Gut ist,
es wirkt sozial destabilisierend ist schlicht unmenschlich
gegenüber Kindern und Eltern . Zumal ist es sehr wahr-
scheinlich, dass die in den Heimatländern zurückgeblie-
benen Familienangehörigen nun ihrerseits die gefährliche
Flucht nach Europa antreten, um mit ihren Ehemännern,
-frauen, Müttern, Vätern und Kindern vereint zu sein .
Die aktuellen Zahlen des UNHCR bestätigen, dass in-
zwischen rund 60 Prozent aller Flüchtlinge Frauen und
Kinder sind . Es ist nicht verantwortbar, die Familien auf
diese Weise zu trennen. Zu unterstellen, die Geflüchteten
würden kollektiv ein Geschäftsmodell mit dem Familien-
nachzug betreiben, halte ich für zynisch .
Statt die bisher beschlossenen Maßnahmen umzuset-
zen und deren Wirkung abzuwarten, wird mit dem Asyl-
paket II versucht, politisches Handeln zu demonstrieren .
Wirklich helfen würden umfangreiche Integrations-
maßnahmen, wie sie die SPD nun bereits mehrfach vor-
geschlagen hat. Diese finden sich im Asylpaket II leider
nur als Ankündigung wieder . Meine Hoffnung ist, dass
diese nun rasch und energisch umgesetzt werden, um
endlich zu zeigen, dass Aufnahmebereitschaft und Inte-
gration in diesem Land gelingen kann .
Daher kann ich dem Asylpaket II nicht zustimmen .
Ulli Nissen (SPD): Heute entscheidet der Deutsche
Bundestag über ein Gesetz, an dem es erhebliche Kri-
tikpunkte von Menschenrechtsverbänden gibt, die ich
teile . Im Mittelpunkt der Kritik steht der Familiennach-
zug . Aber auch die Bestimmungen zum Gewaltschutz für
Frauen und Kinder sind unzureichend . Darüber hinaus
kann es durch die Neuregelung zu medizinischen Ab-
schiebungshindernissen zu grund- und menschenrechts-
widrigen Abschiebungen kommen .
Einschränkungen beim Familiennachzug . Der Ge-
setzentwurf sieht Verschärfungen beim grund- und men-
schenrechtlich verbrieften Schutz des Familienlebens
vor: So soll der Familiennachzug für subsidiär Schutz-
berechtigte für einen Zeitraum von zwei Jahren ausge-
setzt werden . – Das Recht auf Familienleben ist nicht
nur im Grundgesetz, sondern auch in der Europäischen
Menschenrechtskonvention und zahlreichen weiteren
Menschenrechtskonventionen verbrieft, wie etwa der
UN-Flüchtlingskonvention . Die Verschärfungen beim
Familiennachzug verstoßen gegen dieses verbriefte
Recht .
Die Bestimmungen zum Gewaltschutz sind unzurei-
chend: Gewalt gegen Frauen und Kinder in Flüchtlings-
unterkünften wird befördert durch die Rahmenbedin-
gungen der Unterbringung . Enge, fehlende Privatsphäre,
Bewegungseinschränkungen und Stress führen zu Aus-
einandersetzungen . Hinzu kommt Partnergewalt . Es
ist daher dringend notwendig, dass in Deutschland die
EU-Aufnahmerichtlinie umgesetzt wird . Dazu liegen
Untersuchungen und Empfehlungen für Maßnahmen
vor, die die Verpflichtung aus Artikel 18 Absatz 4 der
EU-Aufnahmerichtlinie, geschlechtsspezifische Gewalt,
sexuelle Belästigungen und Übergriffe zu verhindern,
umsetzen . Bauliche Maßnahmen wie abschließbare
und getrennte sanitäre Anlagen, abschließbare Zimmer,
Schutzräume für Kinder und Frauen in den Unterkünften
sollten Standard sein . Der Kinderschutzbeauftragte emp-
fiehlt darüber hinaus die Benennung von Ansprechperso-
nen und einen Notfallplan für den Verdachtsfall .
Es ist möglich, diese Mindeststandards gesetzlich zu
definieren, insbesondere im Hinblick auf die besonderen
Aufnahmeeinrichtungen für beschleunigte Asylverfah-
ren . Das ist leider mit dem Gesetzentwurf zur Einführung
beschleunigter Asylverfahren nicht geschehen, obwohl
das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Kin-
derschutzbeauftragte der Bundesregierung hier dringen-
de Nachbesserungen angemahnt hatten .
Hinzu kommt, dass die im Gesetzentwurf vorgeschla-
gene Regelung zur Vorlage eines erweiterten Führungs-
zeugnisses eine Sollvorschrift ist . Hier brauchen wir
dringend eine Mussvorschrift . Kinderschutz muss auch
bei geflüchteten Kindern voll angewandt werden.
Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen müssen
bei Abschiebungen möglich sein . Schutz vor Abschie-
bung liegt nach dem Gesetzentwurf nur bei lebensbe-
drohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die
sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern
würden . Allein die Tatsache einer „lebensbedrohlichen“
Erkrankung reicht demnach nicht aus, um Abschiebe-
schutz zu erhalten .
Zusätzlich ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass
ärztliche Bescheinigungen über eine Erkrankung unter
Umständen keine Beachtung bei behördlichen Entschei-
dungen über Abschiebeschutz finden dürfen, wenn diese
nicht zeitgerecht vorgelegt werden . Behördliche Ermes-
sensspielräume gibt es nicht mehr . Mit dieser Regelung
wird in Kauf genommen, dass es zu grund- und men-
schenrechtswidrigen Abschiebungen kommen kann . Das
lehne ich ab .
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass es nicht
nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Er-
krankungen einen Abschiebestopp geben muss, sondern
auch zum Beispiel bei Schwangerschaft .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15631
(A) (C)
(B) (D)
All diese Gründe wären ausreichend gewesen, um mit
Nein zu stimmen . Ich werde mich jedoch bei der Abstim-
mung über das Gesetz zur Einführung beschleunigter
Asylverfahren enthalten, weil ich nicht gegen einen Ge-
setzentwurf stimmen möchte, den CDU/CSU und SPD
gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht
haben . In meinem bisherigen Abstimmungsverhalten
habe ich bis auf eine Ausnahme stets die Große Koaliti-
on unterstützt, in diesem Fall aber weicht mein Abstim-
mungsverhalten ab, weil ich die Europäische Menschen-
rechtskonvention und unser Grundgesetz für wichtige
demokratische Errungenschaften halte, die nicht einge-
schränkt werden dürfen .
Markus Paschke (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich
gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Wichtig war mir insbesondere die Zusage des Bundes-
innenministers de Maiziere, die bisherige Anerkennungs-
praxis und die Kriterien für die Gewährung von Asyl und
Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention
nicht zu ändern .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Martin Patzelt (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz
zur Einführung beschleunigter Asylverfahren am heu-
tigen Tag zu, da ich die Intention des Gesetzentwurfs
teile, die Asylverfahren zu beschleunigen, den Schutz
von Minderjährigen in Aufnahmeeinrichtungen und Ge-
meinschaftsunterkünften zu verbessern und den Bezug
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615632
(A) (C)
(B) (D)
von Leistungen mit der Registrierung der Asylsuchenden
zu verknüpfen . Auch die Aussetzung des Familiennach-
zuges ist vertretbar und unter der Berücksichtigung der
praktischen Erfahrungen mit kriminellen Schleuserban-
den kaum vermeidbar .
Große Bedenken habe ich allerdings gegen den Zeit-
punkt des Inkrafttretens der veränderten Regelungen
des Familiennachzuges für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge .
Die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Form führt
dazu, dass der Familiennachzug auch bei denjenigen
Minderjährigen eingeschränkt wird, die die Flucht aus
dem Heimatland im Vertrauen auf die damals geltenden
Regelungen zum Familiennachzug begonnen haben .
Der Familiennachzug hängt nun von vielen Zufäl-
ligkeiten ab, etwa dem Zeitpunkt der Einreichung des
Asylantrags durch den Vormund oder Jugendamtsmit-
arbeiter und Unwägbarkeiten bei der Bearbeitung im
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (zum Beispiel
aufgrund krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenhei-
ten) . Nicht nur für die jungen Menschen hat dies erheb-
liche psychologische Folgen: Wenn sie ständig in Angst
um ihre Familie leben müssen, ist eine Integration kaum
möglich, und die Verweigerung einer Perspektive für den
Familiennachzug der Eltern wird viele der Eltern selbst
zur Flucht veranlassen .
Eltern in den eigentlichen Kriegsgebieten besitzen ei-
nen eigenen Anspruch auf Schutz und machen sich jetzt
wieder selbst mit kleinen Kindern auf den gefährlichen
Weg . Bereits jetzt sind erstmals seit Beginn der Flücht-
lingskrise im Sommer 2015 mehr Frauen und Kinder auf
dem Weg nach Europa als Männer . Im Vergleich zur Si-
tuation vor einem halben Jahr hat sich der Anteil der Kin-
der verdreifacht . Bei der Flucht über das Mittelmeer sind
allein im Januar 368 Menschen ums Leben gekommen,
darunter viele Kinder .
Es wäre deshalb sachgerecht, wenn das Aussetzen des
Familiennachzuges an den Tag der Einreise geknüpft und
damit erst für künftige Einreisen wirksam wird .
Dr. Simone Raatz (SPD): Tagtäglich begegnen mir
Menschen aus Syrien, Nordafrika oder dem Balkan, die
bei uns in Deutschland Schutz suchen . Alle tragen eine
Bürde mit sich: die Bürde, ihre Heimat, Freunde, Fami-
lie, Haus – schlicht ihr bisheriges Leben – verlassen zu
haben . Bei diesen Begegnungen treffe ich Menschen, die
sich ein neues Leben wünschen . Dafür gibt es verschie-
dene Gründe . Manche haben ihr Zuhause wegen Krieg
verlassen, andere aus wirtschaftlicher Not . Sie alle ver-
bindet die Angst um ihr eigenes Überleben und das ihrer
Angehörigen, Freunde und früheren Nachbarn . Ich erle-
be Menschen, die sich seit vielen Monaten ehrenamtlich
engagieren, um denen, die zu uns kommen, zu helfen . Ih-
nen ist es egal, woher die Menschen kommen . Dieses En-
gagement war in der Vergangenheit so nicht gefragt und
daher eher selten, doch jetzt ist das anders und zeigt mir,
dass es die gesellschaftliche Wärme noch immer gibt .
Gleichzeitig kommen zu mir Menschen, die Angst da-
vor haben, was gerade passiert . Es sind Menschen, die
sich um ihre eigene Existenz Sorgen machen und be-
fürchten, ihnen würde etwas weggenommen . Sie haben
in den vergangenen Jahren ihre eigenen Erfahrungen mit
Politik gemacht . Immer wieder wurde von „Gürtel enger
schnallen“ gesprochen . Auch die Sozialdemokratie hat
ihnen gesagt, man könne sich den Sozialstaat in der Form
nicht mehr leisten .
Und mir begegnen Menschen, die politische Verant-
wortung in unseren Kommunen tragen und berichten,
dass sie nicht wissen, wie sie auf die Schnelle ausrei-
chend Kitaplätze und Klassenzimmer bereitstellen sol-
len . Es sind Menschen, die über kommunale Haushalte
beschließen müssen und die die Aufgabe haben, Voraus-
setzungen zu schaffen, damit Integration in die Gesell-
schaft und das Arbeitsleben gelingen kann .
Zwischen all diesen unterschiedlichen Gruppen müs-
sen wir als Politik vermitteln – das ist im Moment schwer
genug – und Antworten auf die drängenden Fragen fin-
den . Hinzu kommen Wertvorstellungen, die uns einen,
gelegentlich aber auch deutlich unterscheiden . Für mich
ist die Abstimmung zum sogenannten Asylpaket II äu-
ßerst schwierig . Einerseits ist es mir wichtig, den Staat
in eine aktivere Rolle zu bringen und wieder zum aktiven
Gestalten zu bekommen . Es muss eine Politik gemacht
werden, die agiert, statt immer nur zu reagieren . Daher
freue ich mich zunächst, dass es nun endlich verbindliche
Regeln für ein längeres Aufenthaltsrecht während und
nach einer Ausbildung gibt und wir Stück für Stück zu
einer Strategie kommen, die über die schnelle Registrie-
rung, dezentrale Unterbringung, Bildung und Ausbildung
bis hin zur Arbeitsaufnahme zu einer wirklichen Integra-
tion führt .
Es ist nach wie vor richtig, dass wir dringend Maßnah-
men zur Beseitigung von Fluchtursachen ergreifen müs-
sen . Andererseits kann es keine Lösung sein, faktisch un-
sichere Staaten als sicher zu erklären, weil eine verrückte
Menge auf der Domplatte in Köln den Ruf von Millionen
anderer Flüchtlinge beschädigt . Ich halte es für wichtig,
dass Staaten, in denen man sicher leben kann, auch zu si-
cheren Herkunftsstaaten erklärt werden . Das ist aber bei
den Staaten Nordafrikas nur bedingt der Fall .
Es ist für mich ein falscher Schritt, das Zusammen-
führen von Familien zu verhindern, um die Zahl der Ge-
flüchteten in unserem Land zu senken. Gerade mit Blick
auf die Menschen aus den Krisenregionen der Erde ist
es wichtig, traumatische Erlebnisse mit den Angehörigen
gemeinsam zu verarbeiten . Daher kann ich den Ansatz
dieser Maßnahme nicht unterstützen .
Die Beteiligung an den Kosten für Sprach- und Inte-
grationskurse ist nicht zielführend . In Mittelsachsen
erlebe ich, dass nur ein geringer Teil der Flüchtlinge
regelmäßig an den Kursen teilnimmt . Dafür gibt es un-
terschiedliche Gründe . Zum einen gibt es nicht genug
Angebote, zum anderen scheint es keinen ausreichenden
Anreiz zum Spracherwerb zu geben . Viele, die sich für
Kurse anmelden, bleiben nach wenigen Sitzungen fern .
Gerade unsere ehrenamtlichen Sprachlehrer klagen darü-
ber und verlieren zunehmend ihre Motivation . Es gelingt
uns momentan noch nicht ausreichend, zu vermitteln,
dass der Spracherwerb für die Arbeitsaufnahme und die
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15633
(A) (C)
(B) (D)
Integration sehr wichtig ist . Besonders in Gemeinschafts-
unterkünften, wo die Kommunikation unter den Bewoh-
nern ausreicht, den Alltag zu bestreiten, ist es schwierig,
zu vermitteln, dass das Erlernen der deutschen Sprache
wichtig ist . Daher denke ich nicht, dass die Erhebung
von Gebühren für Sprachkurse der richtige Weg ist, um
die Menschen zu motivieren, Sprachkurse regelmäßig zu
besuchen .
Das Asylpaket beinhaltet allerdings auch Ansatz-
punkte, die ich als wichtig empfinde. So soll jetzt sicher-
gestellt werden, dass Kinder in den Flüchtlingsunterkünf-
ten besser vor möglichen Übergriffen geschützt werden .
Alle Personen, die sich in den Aufnahmezentren und
Unterkünften um die Beaufsichtigung, Betreuung oder
Ausbildung minderjähriger Migranten kümmern, müssen
künftig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen .
Doch nach Abwägung aller genannten Argumente und
nach einem langen Abwägungsprozess habe ich mich
dazu entschieden, dem Gesetzesvorhaben nicht zuzu-
stimmen .
Mechthild Rawert (SPD): Als Mitglied des den
„Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter
Asylverfahren“ mitberatenden Gesundheitsausschusses
nehme ich aus gesundheitspolitischer Sicht Stellung zum
obigen Gesetzentwurf . Ich stimme mit Nein .
Der vorliegende Gesetzentwurf erfährt aus gesund-
heitspolitischer Sicht erhebliche Kritik vonseiten der
Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkam-
mer und der Diakonie Deutschland . Er enthält erhebliche
qualitative und zeitliche Einschränkungen bei der Glaub-
haftmachung krankheitsbedingter Abschiebungshinder-
nisse (unverzügliche Vorlage der Bescheinigung allein
von approbierten Ärztinnen und Ärzten) und beim Zu-
gang zur medizinischen Versorgung im Zielstaat .
Für mich ist klar, Ärztinnen und Ärzte müssen auch
bei einem beschleunigten Verfahren ausreichend Zeit
haben, Asylbegehrende auf körperliche und seelische
Krankheiten hin zu untersuchen und diese im begrün-
deten Fall geltend zu machen . Ob Erkrankungen bereits
in ihrem Heimatland bestanden oder erst auf der Flucht
bzw . in Deutschland aufgetreten sind, ist aus ärztlicher
Sicht unerheblich . Für medizinische Gutachten, Stel-
lungnahmen und Untersuchungen von Geflüchteten und
Asylsuchenden in aufenthaltsrechtlichen Verfahren und
vor der Abschiebung sind ausschließlich Ärztinnen und
Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
zu beauftragen, die über eine entsprechende Qualifikati-
on verfügen .
Lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkran-
kungen können auch psychische Krankheiten sein . Die
EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, die mit Frist zum
Juni 2015 von allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt
werden sollte, enthält in Kapitel IV Bestimmungen für
schutzbedürftige Personen . Nach Artikel 21 der Richt-
linie haben die Mitgliedstaaten die spezielle Situation
von schutzbedürftigen Personen, wie beispielsweise
Menschen mit psychischen Störungen und Personen,
die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere For-
men psychischer, physischer oder sexueller Gewalt er-
litten haben, zu berücksichtigen . Die Richtlinie ist in
Deutschland bisher nicht in nationales Recht umgesetzt
worden . Nur mit der Umsetzung der EU-Aufnahmericht-
linie kann den medizinischen und psychologischen Be-
dürfnissen besonders schutzbedürftiger Geflüchteter und
Asylbegehrender zu allen Zeitpunkten ihres Aufenthaltes
in Deutschland Rechnung getragen werden . Es bedarf
verpflichtender Gewaltschutzkonzepte für Betreiberin-
nen und Betreiber von Erstaufnahmeeinrichtungen und
Gemeinschaftsunterkünften .
Ein Abschiebungsverbot bei drohender Gefahr für
Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen soll nicht
mehr gelten, wenn eine ausreichende medizinische Ver-
sorgung nur in einem Teil des Zielstaats der Abschiebung
gewährleistet ist . Die geplante Regelung widerspricht
jedoch der Rechtsprechung, nach der es bei der Beur-
teilung der schwerwiegenden Gesundheitsgefahr auf die
Zugangsmöglichkeit im jeweiligen Einzelfall ankommt
und nicht pauschal der Zugang zu ausreichender Versor-
gung angenommen werden kann .
Bei ausreisepflichtigen Personen, insbesondere abge-
lehnten Asylantragstellerinnen und Asylantragstellern,
wird eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass der
Gesundheitszustand einer Abschiebung grundsätzlich
nicht entgegensteht . Der Generalverdacht, dass diese
Personen ihre Symptome lediglich vortäuschen, um nicht
abgeschoben zu werden, ist empirisch nicht belegt . Dies
gilt insbesondere für psychische Erkrankungen – vor al-
lem für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) .
Psychische Erkrankungen sind aber als schwerwiegende
und lebensbedrohliche Erkrankungen zu berücksichti-
gen .
In der Herkunftsregion, wo das Trauma gesetzt wur-
de, gibt es in der Regel keine Voraussetzungen für eine
erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung . Die
S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung legt
zudem dar, dass eine traumaspezifische Psychotherapie
nicht allein durch eine Psychopharmakotherapie ersetzt
werden kann . Zudem muss eine angemessene psychiatri-
sche und psychotherapeutische Begutachtung von Asyl-
suchenden gewährleistet sein . Die Einschränkung, dass
eine medizinische Versorgung auch dann vorliegt, wenn
sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist,
muss dahin gehend präzisiert werden, dass das Erlangen
der medizinischen Versorgung im konkreten Einzelfall
realistisch möglich sein muss .
Laut der geplanten Regelung soll künftig nur noch ein
„qualifiziertes ärztliches Attest“ zu einer „Beeinträchti-
gung“ der Abschiebung führen können . Es ist sachlich
nicht nachvollziehbar, warum ein Attest nur durch einen
approbierten Arzt oder Ärztin vorgelegt werden darf .
Dies verstößt außerdem gegen das Psychotherapeuten-
gesetz, welches die statusmäßige Gleichstellung von
Psychologinnen und Psychologen und Psychotherapeu-
tinnen und Psychotherapeuten mit den ärztlichen Berufs-
gruppen vorsieht . Für die Bescheinigung psychischer
Erkrankungen sollte allein fachlich spezialisiertes Perso-
nal wie ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychothe-
rapeuten, Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie
und Psychotherapie sowie Fachärztinnen und Fachärzte
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615634
(A) (C)
(B) (D)
für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder
psychologische Psychotherapeutinnen und Psychothera-
peuten zugelassen werden .
Ohne Sprachverständigung wird es regelhaft nicht
möglich sein, eine ärztliche Bescheinigung nach den
im Gesetzentwurf genannten Kriterien zu erstellen . Zur
Erstellung einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung
müssen qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher
oder Dolmetscherdienste in ausreichender Zahl zur Ver-
fügung stehen . Zudem muss gewährleistet sein, dass
Ärztinnen und Ärzte auch im beschleunigten Verfahren
ausreichend Zeit für das Ausstellen einer qualifizierten
ärztlichen Bescheinigung zur Verfügung steht .
Die Anforderung, eine Bescheinigung einer Posttrau-
matischen Belastungsstörung (PTBS) unverzüglich nach
der Abschiebungsandrohung vorzulegen, widerspricht
Erkenntnissen der Wissenschaft, wonach eine PTBS teil-
weise erst nach erheblichen Zeiträumen erkannt werden
kann . Wird ein Gutachten nicht unmittelbar nach Erhalt
der Abschiebungsandrohung vorgelegt, soll es keine Be-
rücksichtigung mehr finden können. Dies ist nicht sachge-
recht, insbesondere ist bei den geplanten beschleunigten
Verfahren eine Berücksichtigung von Abschiebungshin-
dernissen bei einer gesamten Verfahrensdauer innerhalb
von zwei Wochen nahezu ausgeschlossen .
In der Flüchtlingshilfe wurden aufgrund der unzurei-
chenden Versorgung von Geflüchteten im gesundheitli-
chen Regelsystem psychosoziale Zentren aufgebaut, da
sie trotz dringender Behandlungsbedürftigkeit teilweise
als Leistungsbeziehende nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz keinen Zugang zur Regelgesundheitsver-
sorgung haben . Hier bestehen regelmäßig Wartezeiten
von einem halben Jahr, teilweise von über einem Jahr .
Aufgrund dieser Überlastung ist es umso schwieriger,
zeitnah Gutachten zu erstellen, die eine Aussetzung der
Abschiebung bewirken könnten .
Petra Rode-Bosse (SPD): Angesichts der großen
Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommt, ist es mir wich-
tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medi-
zinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkur-
se anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und
das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge
Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren
optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
ger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helfer und Helferinnen vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
Jahre auszusetzen, Probleme, zumal diese Regelung auch
für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll .
Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige
Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten
nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller subsi-
diären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennachzug
fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitä-
ren Gründen nicht für richtig halte . Die Stellungnahmen
der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind ernst zu nehmen,
die vor dieser Maßnahme warnen . Ich gehe fest davon
aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung der
Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es das
Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass
für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz
eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfin-
den wird, und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinder-
rechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder nicht
gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt werden
dürfen . Außerdem begrüße ich, dass vereinbart wurde,
dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge
der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15635
(A) (C)
(B) (D)
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten Beden-
ken, die ich auch in weiteren Debatten wieder einbringen
werde, dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asyl-
verfahren zu .
Dr. Martin Rosemann (SPD): Angesichts der gro-
ßen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir
wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu
danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Äm-
tern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und
Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um
gute Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen
zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist un-
gebrochen . Das ist großartig . Gleichzeitig wird von der
Politik jetzt erwartet, die Arbeit in den Kommunen und
das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstützen
und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvorschläge
Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an, dass die
Registrierung der Ankommenden zügig vorangeht, dass
Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren
optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Vo-
raussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die
hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staa-
tes erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bür-
ger ein Anrecht .
Das vorliegende „Asylpaket II“ ist ein Kompromiss .
Für wesentlich halte ich diejenigen Punkte, mit denen
Verfahren beschleunigt werden und die Registrierung
verbessert wird . Wichtig ist auch die Verbesserung des
Kinderschutzes in den Einrichtungen durch die Pflicht
eines erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen
und Helfer . Insbesondere begrüße ich, dass durch die
jetzt gefundenen Regelungen der unsinnige und inhuma-
ne Vorschlag von „Transitzentren“ an den Grenzen vom
Tisch ist .
Die Regelung, den Familiennachzug für subsidiär
Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, halte ich
für fragwürdig, zumal diese Regelung auch für unbe-
gleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Allerdings
betrifft sie lediglich eine kleine Zahl von Flüchtlingen .
Ich begrüße in diesem Zusammenhang, dass vereinbart
wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidi-
ären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familiennach-
zug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei die
UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach der
Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist auch eine Chance
für unser Land, das durch den demografischen Wan-
del dringend auf junge Menschen angewiesen ist . Über
50 Prozent sind unter 25 Jahren, 70 Prozent sind unter
35 Jahren, mehr als ein Viertel sind Kinder . Jetzt gilt es,
die notwendigen Investitionen dafür zu tätigen, aus mög-
lichst vielen von ihnen die Fachkräfte von morgen zu
machen . Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in
unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flücht-
lingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und
unsere Freundinnen und Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz einiger Bedenken in Ein-
zelpunkten dem Gesetz zur Einführung beschleunigter
Asylverfahren zu .
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Der vorliegende
Gesetzentwurf ist ein Kompromiss zwischen den Koali-
tionsparteien . Die SPD konnte den Ursprungsentwurf in
wesentlichen Bereichen verbessern .
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha-
ben uns in wichtigen Punkten durchgesetzt . Es wird kei-
ne „Transitzonen“ an deutschen Grenzen geben . Damit
verhindern wir, dass Menschen unter Haftbedingungen
auf ihr Verfahren warten müssen . Stattdessen werden
wir dezentrale Registrierzentren einrichten, die nötig
sind, um ein effektives Verfahren für die Asylsuchenden
durchführen zu können .
Wir werden für verschiedene Gruppen die Verfahren
beschleunigen . Über den Asylantrag entscheidet zu-
künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) innerhalb von einer Woche, Rechtsbehelfsver-
fahren sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615636
(A) (C)
(B) (D)
Grundsätzlich ist der Familiennachzug bei Flüchtlin-
gen eine wichtige Maßnahme zur Integration und eine
Frage der Humanität . Die jetzt verabredete zeitlich be-
fristete Einschränkung des Familiennachzugs für Flücht-
linge mit nicht langfristiger Bleibeperspektive darf nun
nicht im Gegenzug dazu führen, dass die Vergabe der
subsidiären Schutzbedürftigkeit ausgedehnt wird . Ich
vertraue hier auf das Wort des Bundesinnenministers,
das er der SPD-Bundestagsfraktion am 23 . Februar 2016
zum Verfahren und Vorgehen seiner Person gegeben hat .
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben
dieser Regelung zugestimmt, weil der Familiennachzug
auf zwei Jahre befristet ausgesetzt wird und ansonsten
der gesamte Kompromiss mit der CDU/CSU in Frage ge-
standen hätte . Ich gehe davon aus, dass der Elternnach-
zug zu minderjährigen Flüchtlingen möglich bleibt und
in jedem Einzelfall geprüft wird .
Eine gute Maßnahme stellt die Pflicht zur Vorlage ei-
nes erweiterten Führungszeugnisses bei Beschäftigung
oder regelmäßig Engagierten in einer Flüchtlingsunter-
kunft dar . Das kann jedoch nur ein Baustein eines umfas-
senden Schutzkonzeptes sein . Bedauerlicherweise sind
keine weiteren bindenden Schutzbestimmungen vorgese-
hen . Die Länder werden nun noch weitere Maßnahmen
folgen lassen . Ich will zusätzlich darauf hinwirken, dass
auch der Bund sein Schutzkonzept erweitert .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Nach den Asylpaketen muss es jetzt darum gehen, ei-
nen umfassenden Integrationsplan zu erarbeiten . Daher
begrüße ich, dass jetzt in Abstimmung zwischen den Mi-
nisterien Maßnahmen für ein Integrationsgesetz erarbei-
tet werden . Dazu gehören unter anderem auch ein aus-
reichendes Angebot von Integrationskursen, aber auch
Investitionen in Schule, Kitas und den Wohnungsbau
sowie Erleichterungen für den Zugang auf den Arbeits-
markt .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 fest-
gehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
In Abwägung und Bewertung dieser Sachverhalte
stimme ich dem Gesamtpaket zu .
Ein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und eh-
renamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement
in den Unterkünften, in Sprachkursen, bei der Begleitung
zu Ämtern, in Integrationsmaßnahmen und in unzähligen
weiteren Bereichen betätigen .
Annette Sawade (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich
gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15637
(A) (C)
(B) (D)
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Deshalb ist es dringend erforderlich, über die bereits
genannten Verbesserungen der Integration hinaus weite-
re konstruktive und vor allem schnell umsetzbare Inte-
grationsmaßnahmen rasch und mit weniger Bürokratie
umzusetzen . Der Zwölf-Punkte-Plan vom 1 . Dezember
2015 der SPD-Politikerinnen Malu Dreyer, Manuela
Schwesig, Andrea Nahles, Barbara Hendricks und Aydan
Özoğuz ist ein erster Schritt, dem konkrete Vorgaben fol-
gen müssen .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Dr. Nina Scheer (SPD): Den heutigen Entscheidun-
gen zum Asylpaket II kann ich mich in vielen Punkten
nicht anschließen . So halte ich es sowohl aus humanitä-
ren als auch integrationsspezifischen Gründen prinzipiell
für verfehlt, den Familiennachzug zu subsidiär Geschütz-
ten auszusetzen . Ferner vermisse ich in den betreffenden
Neuerungen über zu beschleunigende Verfahren, dass
Aufklärung und Informationen über Rechtsschutz si-
chergestellt werden . Zudem halte ich den Umgang mit
psychisch Erkrankten für verfehlt . Die betreffenden Re-
gelungen setzen meines Erachtens eine zu große Hürde,
um Menschen mit Traumata in einer human vertretbaren
Weise gerecht zu werden .
Bereits die genannten Fragen wären für mich Grund,
den vorliegenden Gesetzesänderungen nicht zuzustim-
men .
Die Neuregelungen enthalten allerdings auch Maß-
nahmen, die meines Erachtens im Gesamtgefüge drin-
gend erforderlich sind . Hierzu zählen Regelungen über
in Aufnahmeeinrichtungen zu beschäftigende Personen,
die deren Rechtstreue gewährleisten, auch um das Risiko
von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige zu reduzie-
ren. Zudem erachte ich es für sinnvoll, die Identifizierung
von Flüchtlingen besser zu gewährleisten und besser zu
koordinieren .
In einer Abwägung käme ich nach meiner rein per-
sönlichen Überzeugung mit Blick auf die Punkte, die ich
für sich genommen für nicht vertretbar halte, zu einer
Ablehnung . Eine solche Abwägung entspräche meiner
sozialdemokratischen, humanistischen sowie einer auf
die Ordnungsstrukturen unseres Rechtsstaates bedachten
Grundhaltung .
Eine solche Abwägung ließe aber das demokratische
Gestaltungsgefüge und eine politische Gesamtbetrach-
tung außer Acht . Eine Entscheidung innerhalb einer Koa-
lition setzt immer auch die Bereitschaft für eine Einigung
beider Seiten voraus . In der Asyl- und Flüchtlingspoli-
tik sind die Grundhaltungen der Koalitionspartner sehr
unterschiedlich . Dies verunmöglicht geradezu eine ge-
meinsame Haltung und gesetzliche Fortentwicklung des
betreffenden Rechtsrahmens – und dies in einer für die
Stabilität unseres Landes so zentralen Frage . Eben dies
spiegelt sich auch im Asylpaket II wider . Insofern muss
auch die eigene Erwartung an asylgesetzliche Regelun-
gen die gegebenen divergierenden Grundhaltungen ein-
beziehen .
Somit muss auch erkannt werden: Die vorliegenden
Regelungen enthalten nicht die Einrichtung von Transit-
zonen . Sie enthalten auch keine Festlegung von Ober-
grenzen . Sie enthalten ferner nicht ein Aussetzen des Fa-
miliennachzuges für Bürgerkriegsflüchtlinge.
Angesichts der gesamtpolitischen Bedeutung der be-
treffenden Fragen erkenne ich in Bezug auf die anstehen-
den Entscheidungen in einem Nein oder einer Enthaltung
in der gegenwärtigen Situation zugleich eine Einfallstür
für Vorhalte von Populisten und volksverhetzenden Stim-
men . Uneinigkeit in den Asyl- und Flüchtlingsfragen
wird von Rechtspopulisten instrumentalisiert, um die
Regierungsfähigkeit der Bundeskanzlerin und der Regie-
rungskoalition infrage zu stellen und auf dem Wege der
Angstmacherei Stimmen zu gewinnen . Zu Ende gedacht
können in ebendieser Uneinigkeit Mandate der AfD bei
den anstehenden Landtagswahlen liegen oder aber im
Bundestag, sollte es über einen Bruch der Großen Koali-
tion zu Neuwahlen kommen . Dies muss in der gegenwär-
tigen Situation insbesondere mit Blick auf die gesamteu-
ropäische Perspektive vermieden werden .
Mein Ja ist kein Ja zum Asylpaket II . Mein Ja ist von
der Erwägung getragen, welche politische Folge ein Nein
oder eine Enthaltung meiner Fraktion in letzter Konse-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615638
(A) (C)
(B) (D)
quenz mit Blick auf das derzeitige – auch europäische –
Gesamtgefüge nach sich zöge . Ein Nein im Vertrauen
darauf, dass meine Fraktion dies mit mehr Jastimmen
ausgleicht, ist dabei wohlgemerkt für mich und mein Po-
litikverständnis kein gangbarer Weg .
Udo Schiefner (SPD): In der aktuellen Situation
kommt es darauf an, dass die Registrierung ankom-
mender Flüchtlinge schnell geht, dass Asylverfahren
beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert wer-
den . Schnellere Verfahren sind Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können .
Aus dem vorliegenden „Asylpaket II“ ist wichtig, jetzt
schnell die Punkte durchzusetzen, die die Verfahren be-
schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
Helfer vorsehen .
Große Probleme hingegen habe ich mit der Zustim-
mung zu der Regelung, den Familiennachzug für subsi-
diär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, zu-
mal diese Regelung auch für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge gelten soll . Das ist ein Zeichen, das ich aus
humanitären Gründen für nicht richtig halte .
Ich begrüße aber, dass vereinbart wurde, dass für un-
begleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Ein-
zelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird,
und setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskon-
vention angewandt wird . Außerdem begrüße ich, dass
vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingen-
te für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
sichtigt werden soll .
Positiv sehe ich zudem die zwischen den Koalitions-
partnern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren
Gesetzgebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umge-
setzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijäh-
rige Ausbildung machen, ein zweijähriges Bleiberecht
danach haben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze
für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf
25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Integration
von geflohenen jungen Menschen in unseren Arbeits-
markt und damit in unsere Gesellschaft .
Ich stimme trotz meiner benannten Bedenken dem
Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu .
Die wichtigen und jetzt notwendigen Schritte überwie-
gen die zu kritisierenden am gefundenen Kompromiss .
Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Angesichts der gro-
ßen Zahl der Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, ist
es mir wichtig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich
zu danken, die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge will-
kommen heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie
medizinisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprach-
kurse anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr .
Dieser Dank gilt auch den Hauptamtlichen in kommu-
nalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuer-
wehr und Hilfsorganisationen, die sich unermüdlich ein-
setzen, um gute Bedingungen für die zu uns geflohenen
Menschen zu schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Men-
schen ist ungebrochen . Das ist großartig .
Gleichzeitig wird von der Politik erwartet, die Arbeit
vor Ort in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
che Engagement zu unterstützen und nicht durch weite-
re neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
Dringender denn je kommt es jetzt darauf an, dass die
Registrierung der Ankommenden zügig geschieht, dass
die Bearbeitung von Asylverfahren beschleunigt wird
und die Verfahrensabläufe vor allem optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind die beste Voraussetzung für
gute Integration, damit diejenigen, die hierbleiben kön-
nen, zeitnah durch Sprachkurse, Bildungs- und Ausbil-
dungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unterstützt
werden können . Hier wird von den Bürgerinnen und
Bürgern zu Recht die Handlungsfähigkeit des Staates er-
wartet .
In dem nun vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich
deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren be-
schleunigen und die Registrierung verbessern sowie den
Kinderschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht ei-
nes erweiterten Führungszeugnisses für Helferinnen und
Helfer vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch
der unsinnige und inhumane Vorschlag von „Transitzen-
tren“ an den Grenzen vom Tisch ist .
Große Probleme bereitet mir jedoch die Zustimmung
zu der Regelung, den Familiennachzug für subsidi-
är Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen . Denn
diese Regelung soll auch für unbegleitete minderjäh-
rige Flüchtlinge gelten . Auch wenn in der Realität ins-
gesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein
werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der bereits ent-
schiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und es fan-
den nur 105 Fälle von Familiennachzug statt –, ist das
ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen absolut
nicht für richtig halte und für mich mit meinen christli-
chen Werten nicht vereinbar ist . Die Stellungnahmen der
Kirchen und ihrer Hilfswerke, die vor dieser Maßnahme
warnen, nehme ich hierbei sehr ernst . Ich gehe fest da-
von aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung
der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es
das Gesetz vorsieht . Ich begrüße die Vereinbarung, dass
für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz
eine Einzelfallprüfung zum Familiennachzug stattfinden
wird . Ich setze ebenso darauf, dass hierbei die UN-Kin-
derrechtskonvention angewandt wird, nach der Kinder
nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt wer-
den dürfen . Außerdem begrüße ich die Vereinbarung,
dass innerhalb künftiger Kontingente für Flüchtlinge
der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden
Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt werden soll . Denn
unser Staat hat sich per Grundgesetz dazu verpflichtet,
Familien zu fördern, und nicht, Familien zu verhindern .
Vielleicht wird ein Familiennachzug kurzfristig zu einer
Belastung führen . Langfristig wird er aber die Integration
ganz sicher deutlich erleichtern . Ich bin der festen Über-
zeugung, dass ein legaler Familiennachzug vor allem ein
Zeichen der Mitmenschlichkeit gegenüber Menschen in
großer Not ist .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15639
(A) (C)
(B) (D)
Sehr positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspart-
nern getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren
Gesetzgebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umge-
setzt wird, das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijäh-
rige Ausbildung absolvieren, danach ein zweijähriges
Bleiberecht erhalten . Ebenso ist vereinbart, die Alters-
grenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen von
21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der Inte-
gration von geflohenen jungen Menschen in unseren Ar-
beitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt umgehend und vorrangig ein förderndes und
forderndes Integrationsgesetz zur Verbesserung des Zu-
gangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit
für Asylsuchende auf den Weg bringen . Dies schafft so-
ziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Menschen, die zu
uns geflohen sind, so schnell wie möglich ihren Lebens-
unterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land und unsere Kommunen, die durch den demogra-
fischen Wandel dringend auf junge Menschen angewie-
sen sind . Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in
unserem Land alles dafür tun können, damit aus Flücht-
lingen unsere Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen und
unsere Freundinnen und Freunde werden .
Ich stimme, trotz der oben genannten für mich schwer-
wiegenden Bedenken, dem Gesetz zur Einführung be-
schleunigter Asylverfahren zu .
Stefan Schwartze (SPD): Die große Zahl an Hilfe-
suchenden, die vor Krieg, Unterdrückung und Vertrei-
bung zu uns nach Europa flüchten, stellt unser Land vor
eine der größten Herausforderungen, die wir bisher in der
Bundesrepublik Deutschland zu bewältigen haben . Seit
Wochen und Monaten ist sowohl die Außen- als auch die
Innenpolitik aktiv tätig, um die Situation zu entspannen .
Manche Entscheidung wirkt sofort und bringt messbaren
Erfolg, andere Maßnahmen wirken verzögert und sind
nicht unmittelbar sichtbar, wieder andere Handlungen
werden erst in Monaten oder Jahren ihre volle Wirkung
entfalten .
Außenpolitisch werden Maßnahmen in Zusammen-
arbeit mit der Türkei zur Sicherung der EU-Außengren-
zen ergriffen, um einen Rückgang der Flüchtlingszahlen
zu erreichen . Erst dann können wir die Aufnahme von
Flüchtlingen durch Kontingente steuern . Ganz wesent-
lich sind die unermüdlichen Bemühungen von Frank-
Walter Steinmeier, zu einer Waffenruhe in Syrien zu
kommen . Der andauernde Einsatz zur Verbesserung der
Lebenssituation in den Flüchtlingslagern ist ein weiterer
Schritt zur Bekämpfung der Fluchtursachen .
Innenpolitisch erweitern wir mit dem Gesetz zur Ein-
führung beschleunigter Asylverfahren Maßnahmen mit
dem Ziel, mehr Ordnung bei der Aufnahme von Flücht-
lingen zu erreichen . Dies kann nur erfolgreich sein, wenn
wir schnellere Asylverfahren haben und auch die, die
keine Bleiberechtsperspektive haben, zügig in ihre Hei-
matländer rückführen . Dies gilt insbesondere für Men-
schen aus sicheren Herkunftsstaaten, für Menschen mit
Wiedereinreisesperren oder für diejenigen, die keine Be-
reitschaft zeigen, bei der Prüfung der Asylberechtigung
wahrheitsgetreu mitzuwirken . Für diesen Personenkreis
gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, und eine
Rückführung soll unmittelbar aus der Aufnahmeeinrich-
tung erfolgen . Ich bin froh, dass wir in der politischen
Diskussion verhindern konnten, dass an unseren Gren-
zen riesige Auffanglager für mehrere Tausend Flüchtlin-
ge entstehen . Dies hat die SPD mit der Schaffung dieser
besonderen Aufnahmeeinrichtungen verhindert .
Ein weiterer Bestandteil des Gesetzes ist die Ausset-
zung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberech-
tigte befristet für zwei Jahre . Dieser Regelung stehe ich
ablehnend gegenüber . Der Aufschub gilt nur für eine
relativ kleine Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten,
nicht aber für Flüchtlinge, die als Asylbewerber oder als
Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention an-
erkannt werden . Einer gesonderten Regelung bedürfte es
nach meiner Meinung nicht . Daher bin ich froh, dass wir
für minderjährige Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz
eine Härtefallklausel durchsetzen konnten . In dringen-
den humanitären Fällen bleibt der Nachzug der Eltern
möglich und wird in einer Einzelfallbetrachtung durch
das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundes-
innenministerium entschieden .
Die Länder und insbesondere die Kommunen und Eh-
renamtlichen leisten einen außerordentlichen Beitrag bei
der Unterbringung der Flüchtlinge . Die Veränderungen
im Asylverfahren erfolgen auch, um insbesondere die
Kommunen zu entlasten . Sie brauchen die Möglichkeit,
ihre Ressourcen bündeln zu können, um in einem weite-
ren Schritt die nächste große Aufgabe angehen zu kön-
nen – die Integration für diejenigen Menschen zu bieten,
die bei uns bleiben werden .
Das ist eine enorme Aufgabe, die unser Land nachhal-
tig prägen wird . Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen,
die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden . Das bedeu-
tet: Wir müssen von Anfang an unsere volle Konzentrati-
on auf Spracherwerb, Schulbildung und Eingliederung in
den Arbeitsmarkt richten . Daher begrüße ich, dass zwi-
schen den Koalitionspartnern die Vereinbarung getroffen
wurde, in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren ein
zweijähriges Bleiberecht für diejenigen Menschen umzu-
setzen, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben .
Zudem wollen wir die Altersgrenze für ausbildungsun-
terstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre hochset-
zen . Dies und weitere Maßnahmen sind der Grundstein
für eine erfolgreiche Integration . Deswegen werde ich
mich als Sozialdemokrat auch für ein Integrationsförd-
ergesetz einsetzen .
Nach Abwägung aller aufgeführten Aspekte werde ich
dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Verfahren zu-
stimmen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615640
(A) (C)
(B) (D)
Norbert Spinrath (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hierbleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
finde das mit christlichen Werten schwer vereinbar. Ich
gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht nach Ab-
schluss der Ausbildung haben . Ebenso ist vereinbart, die
Altersgrenze für ausbildungsunterstützende Maßnahmen
von 21 auf 25 Jahre hochzusetzen . Alles das dient der
Integration von geflohenen jungen Menschen in unseren
Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 . November 2015 festge-
halten ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet
oder dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen
wir die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle
Erlernen der deutschen Sprache und ihre Integration in
den Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Sonja Steffen (SPD): In dem Gesetz gibt es einige
Punkte, die ich begrüße: beispielsweise die Beschleuni-
gung der Verfahren, die Erweiterung der Aufgaben der
Bundespolizei, die Einführung polizeilicher Führungs-
zeugnisse für Beschäftigte in Flüchtlingsunterkünften
und der Leistungsbezug erst nach Registrierung .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlin-
ge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur
sehr wenige Personen davon betroffen sein werden (2015
erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragsstel-
ler subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familien-
nachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus
humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich gehe fest
davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung
der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es
das Gesetz vorsieht . Im Übrigen habe ich auch verfas-
sungsrechtliche Zweifel an der Regelung .
Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei-
tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel-
fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und
setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonven-
tion angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15641
(A) (C)
(B) (D)
Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außer-
dem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb
künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach-
zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor-
rangig berücksichtigt werden soll .
Gleichermaßen Schwierigkeiten bereitet mir die Ver-
schärfung der gesundheitlichen Abschiebehindernisse .
Hier gehe ich jedoch davon aus, dass die Ärztinnen und
Ärzte ihre Aufgabe der Feststellung bedrohlicher Erkran-
kungen sehr ernst nehmen werden .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft . Statt weiterer Verschärfungen
beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrati-
onsgesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkur-
sen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende
auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und
sorgt dafür, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind,
so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selbst ver-
dienen können .
Ich stimme deshalb trotz der obengenannten schwe-
ren Bedenken dem Gesetz zur Einführung beschleunigter
Asylverfahren zu .
Kerstin Tack (SPD): Angesichts der großen Zahl der
Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig, den
vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die sich
vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet,
die Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftli-
che Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten . Es
kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der An-
kommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
Stellungnahmen der Kirchen und ihrer Hilfswerke sind
ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnahme warnen . Ich
gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass ver-
einbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615642
(A) (C)
(B) (D)
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Michael Thews (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen heißen,
Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizinisch ver-
sorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse anbieten,
sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Dieser Dank
gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern, bei Wohl-
fahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisati-
onen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute Bedingun-
gen für die zu uns geflohenen Menschen zu schaffen. Die
Hilfsbereitschaft der Menschen ist ungebrochen . Das ist
großartig . Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwar-
tet, durch die Gesetzgebung die Arbeit in den Kommunen
und das zivilgesellschaftliche Engagement zu unterstüt-
zen und nicht dauernd durch neue Verschärfungsvor-
schläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf an,
dass die Registrierung der Ankommenden zügig voran-
geht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass
Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind
auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den Fa-
miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei
Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese Rege-
lung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr
wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 er-
hielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen Antragssteller
subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Familiennach-
zug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus huma-
nitären Gründen nicht für richtig halte .
Ich hätte mir gewünscht, dass im Verfahren die Stel-
lungnahmen der AWO, ProAsyl und anderen mehr Be-
achtung gefunden hätten .
Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der zweijähri-
gen Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenom-
men wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich begrüße, dass
vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im
subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung zum Familien-
nachzug stattfinden wird, und setze darauf, dass hierbei
die UN-Kinderrechtskonvention angewandt wird, nach
der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern ge-
trennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich, dass ver-
einbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontingente für
Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in Deutsch-
land lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt
werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesserung
des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten
ist: „Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder
dauerhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir
die Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Er-
lernen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Dr. Karin Thissen (SPD): Angesichts der großen
Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wich-
tig, den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken,
die sich vor Ort engagieren, Flüchtlinge willkommen
heißen, Kleidung spenden, Essen ausgeben, sie medizi-
nisch versorgen, mit den Kindern spielen, Sprachkurse
anbieten, sie zu Ämtern begleiten und vieles mehr . Die-
ser Dank gilt auch denjenigen in kommunalen Ämtern,
bei Wohlfahrtsverbänden, Polizei, Feuerwehr und Hilfs-
organisationen, die sich unermüdlich einsetzen, um gute
Bedingungen für die zu uns geflohenen Menschen zu
schaffen . Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist unge-
brochen . Das ist großartig .
Gleichzeitig wird von der Politik jetzt erwartet, die
Arbeit in den Kommunen und das zivilgesellschaftliche
Engagement zu unterstützen und nicht dauernd durch
neue Verschärfungsvorschläge Unruhe zu verbreiten .
Es kommt jetzt darauf an, dass die Registrierung der
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15643
(A) (C)
(B) (D)
Ankommenden zügig vorangeht, dass Asylverfahren be-
schleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden .
Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute
Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können,
schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und
Integration in Arbeit unterstützt werden können . Hier
wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf
haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Mir bereitet die Zustimmung zu der Regelung, den
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für
zwei Jahre auszusetzen, große Probleme, zumal diese
Regelung auch für unbegleitete minderjährige Flücht-
linge gelten soll . Auch wenn in der Realität insgesamt
nur sehr wenige Personen davon betroffen sein wer-
den – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Die
Stellungnahmen der Vereine und Verbände aus den Be-
reichen Menschenrechte, Asyl und Migration, die vor
dieser Maßnahme warnen, nehme ich sehr ernst . Ich gehe
jedoch fest davon aus, dass nach Ende der zweijährigen
Aussetzung der Familiennachzug wieder aufgenommen
wird, wie es das Gesetz vorsieht .
Ich begrüße, dass vereinbart wurde, dass für unbeglei-
tete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzel-
fallprüfung zum Familiennachzug stattfinden wird, und
setze darauf, dass hierbei die UN-Kinderrechtskonven-
tion angewandt wird, nach der Kinder nicht gegen ihren
Willen von ihren Eltern getrennt werden dürfen . Außer-
dem begrüße ich, dass vereinbart wurde, dass innerhalb
künftiger Kontingente für Flüchtlinge der Familiennach-
zug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vor-
rangig berücksichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der oben genannten schwe-
ren Bedenken, die ich auch in weiteren Debatten wieder
einbringen werde, dem Gesetz zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren zu .
Carsten Träger (SPD): Angesichts der großen Zahl
der Flüchtlinge, die zu uns kommen, ist es mir wichtig,
den vielen Ehrenamtlichen sehr herzlich zu danken, die
sich vor Ort engagieren . Mein Dank gilt auch denjenigen
in kommunalen Ämtern, bei Wohlfahrtsverbänden, Po-
lizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die sich uner-
müdlich einsetzen, um gute Bedingungen für die zu uns
geflohenen Menschen zu schaffen. Die Hilfsbereitschaft
der Menschen ist ungebrochen . Das ist großartig .
Von der Politik wird erwartet, die Arbeit in den Kom-
munen und das zivilgesellschaftliche Engagement zu un-
terstützen und nicht dauernd durch neue Verschärfungs-
vorschläge Unruhe zu verbreiten . Es kommt jetzt darauf
an, dass die Registrierung der Ankommenden zügig vor-
angeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass
Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind
auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejeni-
gen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse,
Bildungsmöglichkeiten und Integration in Arbeit unter-
stützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des
Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und
Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleunigen
und die Registrierung verbessern sowie den Kinderschutz
in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten
Führungszeugnisses für Helferinnen und Helfer vorse-
hen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinni-
ge und inhumane Vorschlag von „Transitzentren“ an den
Grenzen vom Tisch ist .
Bedenken habe ich zu der Regelung, den Familien-
nachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre
auszusetzen, zumal diese Regelung auch für unbegleite-
te minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Auch wenn in
der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon
betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent
der entschiedenen Antragssteller subsidiären Schutz, und
nur 105 Fälle von Familiennachzug fanden statt –, ist das
ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für
richtig halte . Die Stellungnahmen der Kirchen und ihrer
Hilfswerke sind ernst zu nehmen, die vor dieser Maßnah-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615644
(A) (C)
(B) (D)
me warnen. Ich finde das mit christlichen Werten schwer
vereinbar . Ich gehe fest davon aus, dass nach Ende der
zweijährigen Aussetzung der Familiennachzug wieder
aufgenommen wird, wie es das Gesetz vorsieht . Ich be-
grüße, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Min-
derjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprüfung
zum Familiennachzug stattfinden wird, und setze darauf,
dass hierbei die UN-Kinderrechtskonvention angewandt
wird, nach der Kinder nicht gegen ihren Willen von ihren
Eltern getrennt werden dürfen . Außerdem begrüße ich,
dass vereinbart wurde, dass innerhalb künftiger Kontin-
gente für Flüchtlinge der Familiennachzug zu bereits in
Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berück-
sichtigt werden soll .
Positiv sehe ich die zwischen den Koalitionspartnern
getroffene Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetz-
gebungsverfahren eine „3+2 Regelung“ umgesetzt wird,
das heißt, dass Flüchtlinge, die eine dreijährige Ausbil-
dung machen, ein zweijähriges Bleiberecht danach ha-
ben . Ebenso ist vereinbart, die Altersgrenze für ausbil-
dungsunterstützende Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre
hochzusetzen. Alles das dient der Integration von geflo-
henen jungen Menschen in unseren Arbeitsmarkt und da-
mit in unsere Gesellschaft .
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Ich begrüße, dass im Beschluss der Parteivorsitzenden
von CDU, CSU und SPD vom 5 .11 .2015 festgehalten ist:
„Denjenigen Menschen, die zeitlich befristet oder dau-
erhaft in Deutschland Aufnahme finden, wollen wir die
Integration ermöglichen, indem wir das schnelle Erler-
nen der deutschen Sprache und ihre Integration in den
Arbeitsmarkt umfassend fördern .“
Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Chance für unser
Land, das durch den demografischen Wandel dringend
auf junge Menschen angewiesen ist . Ich setze mich da-
für ein, dass die Menschen in unserem Land alles dafür
tun können, damit aus Flüchtlingen unsere Nachbarn,
Kolleginnen und Kollegen und unsere Freundinnen und
Freunde werden .
Ich stimme deshalb trotz der genannten Bedenken dem
Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren zu .
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das von der Bundesregierung und der Koalition vorge-
legte Asylpaket II wird die bestehenden Probleme kaum
lösen . Es bleibt in den meisten Punkten Symbolpolitik
und wagt sich an die grundlegenden Probleme nicht he-
ran . Die Beschränkung beim Familiennachzug für Per-
sonen mit sogenanntem subsidiärem Schutz wird nur
wenige betreffen und damit kaum Entlastung schaffen .
Gleichzeitig werden die Betroffenen darunter leiden,
wenn sie über Jahre von ihren Familien getrennt bleiben .
Es ist damit zu rechnen, dass sich viele der Angehörigen
dann auf den Weg über das Meer machen werden . Das
kann nicht das Ziel unserer Politik sein, weil wir diese
Menschen schließlich dennoch bei uns aufnehmen müs-
sen . Unter anderem deswegen kann ich den Vorschlägen
im Gesamtpaket nicht zustimmen, auch wenn ich Teile
davon richtig finde.
Sinnvoll sind zentrale Aufnahmeeinrichtungen, in de-
nen Gruppen von Asylbewerbern mit geringer Erfolgs-
aussicht Schnellverfahren durchlaufen sollen . Angesichts
der großen Zahl an Asylbewerbern ist es dringend nötig,
Möglichkeiten zu schaffen, welche die Verfahren be-
schleunigen und die Kommunen entlasten . Es hat wenig
Sinn, alle Ankommenden gleich auf die Kommunen zu
verteilen und den kommunalen Einrichtungen dann bei
Nichtanerkennung des Flucht- oder Asylgrundes die
Rückführung in die Heimatländer aufzuerlegen . Da es
in Deutschland keine funktionierende Möglichkeit zur
legalen Einwanderung gibt, weichen viele auf das Asyl-
verfahren aus . Das überlastet die Behörden und verzögert
die Anerkennung und Integration von denjenigen, denen
wir Schutz gewähren müssen . Wo Leben oder Freiheit
im Herkunftsland bedroht sind, wollen und müssen wir
helfen . Dieses Recht auf Schutz müssen wir durchsetzen
und dafür sorgen, dass diese Menschen so schnell wie
möglich integriert werden . Gleichzeitig müssen wir je-
doch denen, die nachweisbar keinen Anspruch auf Schutz
haben, diesen auch wirksam verwehren können . Zentrale
Aufnahmeeinrichtungen mit beschleunigten Verfahren
können hierzu sinnvoll sein .
Das Grundproblem der derzeitigen Asylpolitik wird
jedoch mit dem gesamten Gesetzespaket nicht gelöst .
Weil es in Deutschland kein modernes Einwanderungs-
recht gibt, werden alle, die in ihren Herkunftsländern kei-
ne Perspektive sehen, auf lebensgefährliche Fluchtrouten
und schließlich bei uns in ein Asylverfahren gedrängt .
Die derzeitige chaotische Situation bei der Flüchtlings-
aufnahme ist vor allem der Ignoranz der Bundesregie-
rung in den vergangenen Jahren geschuldet . Seit Jahren
ertrinken Menschen im Mittelmeer . Jahrelang wurden
Länder wie Italien und Griechenland mit den Problemen
allein gelassen . Schon lange hätte deswegen etwas ge-
schehen müssen, um den Flüchtlingen Alternativen zu
bieten . Auch zukünftig werden Menschen zu uns kom-
men wollen, weil sie in ihren Ländern keine Perspektive
sehen . Solange es keine legale Möglichkeit zur Einwan-
derung gibt, wird kein Meer und kein Stacheldraht Men-
schen daran hindern, sich auf den Weg zu machen und ihr
Glück zumindest zu versuchen .
Wir brauchen deswegen ein modernes Einwande-
rungsrecht . Damit könnte zum einen eine Alternative zur
lebensgefährlichen Flucht geschaffen werden . Gleichzei-
tig könnte man festlegen, aus welchen Ländern welche
Anzahl von Menschen mit welcher Qualifikation zu uns
kommen und hier leben, lernen, arbeiten und Steuern
zahlen dürfte . Statt Chaos in Aufnahmeeinrichtungen und
allen Probleme, die mit Abschiebungen verbunden sind,
könnten wir Zuwanderung so steuern und lenken, wie
es unsere Gesellschaft braucht . Statt immer neue Debat-
ten über sichere Herkunftsländer zu führen, müssen wir
ein brauchbares Einwanderungsrecht schaffen . In vielen
Ländern besteht eine sehr zweifelhafte Menschenrechts-
situation . Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15645
(A) (C)
(B) (D)
immer mehr davon als sichere Herkunftsländer deklarie-
ren . Immer wieder wird es Menschen geben, die zu Recht
bei uns um Asyl bitten und denen wir es gewähren müs-
sen . Wer kein Recht auf diesen Schutz hat, der wird sich
aber ganz sicher nicht von einer Liste im Anhang eines
Gesetzes aufhalten lassen, sondern hoffen, dass das Asyl-
verfahren dauert, die Abschiebung verzögert wird oder
sogar den illegalen Aufenthalt ohne Papiere in Erwägung
ziehen . Ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regeln zur
legalen Zuwanderung könnte dagegen eine echte Alter-
native zu lebensgefährlicher Flucht, horrenden Preisen
für Schleuser, erschreckender Rechtlosigkeit und oft jah-
relanger Trennung von der Familie sein .
Statt Symbolpolitik brauchen wir ein neues Einwan-
derungsgesetz .
Gülistan Yüksel (SPD): Mit dem Gesetz werden ver-
schiedene Maßnahmen zu Verfahren der Anerkennung,
Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern so-
wie deren Lebensbedingungen geregelt . Auch wenn ich
die Zielsetzung des Gesetzes in wesentlichen Bereichen
unterstütze und darin das Ergebnis eines Kompromisses
sehe, der weitergehende Verschärfungen wie etwa die
Einrichtung von Transitzonen verhindert hat, kommt es
jetzt darauf an, dass die Registrierung zügig vorangeht,
dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Ver-
fahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch
Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen,
die hierbleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bil-
dungsmöglichkeiten und Integration in den Arbeitsmarkt
unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähig-
keit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerin-
nen und Bürger ein Anrecht .
In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb
den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni-
gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin-
derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines
erweiterten Führungszeugnisses für Helfer und Helferin-
nen vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch
der unsinnige und inhumane Vorschlag von Transitzonen
an den Grenzen vom Tisch ist .
Allerdings habe ich erhebliche Bedenken gegen die
Wirksamkeit einzelner Regelungen des Gesetzentwurfes .
Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der
medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen-
stehen, sowie die zweijährige Aussetzung des Familien-
nachzugs für subsidiär Schutzbedürftige . Sorgen bereitet
mir, dass die Regelung zum Familiennachzug auch für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Ich
befürchte, dass durch die Aussetzung des Familiennach-
zuges die Lebensbedingungen dieser Jugendlichen ver-
schärft werden, Integration erschwert wird und nachzie-
hende Angehörige auf unsichere Wege gedrängt werden .
Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige
Personen davon betroffen sein werden (2015 erhielten
nur 0,6 Prozent der Antragssteller, über die entschieden
wurde, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Fami-
liennachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das ich aus
humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich begrü-
ße deshalb, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete
Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprü-
fung zum Familiennachzug stattfinden soll.
Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen
wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse-
rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung
und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das
schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men-
schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können .
Die Stellungnahmen von Verbänden, Hilfswerken,
Kirchen und vielen weiteren Organisationen sind in
meine Entscheidung mit eingeflossen. Trotz der obenge-
nannten Bedenken werde ich dem Gesetz zur Einführung
beschleunigter Asylverfahren – auch unter Einbeziehung
meiner politischen Gesamteinschätzung – zustimmen,
denn was wir jetzt brauchen, sind schnellere und bessere
Verfahren zur Unterbringung und Anerkennung .
Zu guter Letzt: Mein besonderer Dank gilt den
hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften, die sich mit
großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkur-
sen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaß-
nahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Axel Knoerig (CDU/CSU) zu
der namentlichen Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu-
nigter Asylverfahren (Tagesordnungspunkt 3 a)
Die Auszählung hat ergeben, dass ich bei dem oben
genannten Gesetzentwurf mit Nein gestimmt habe .
Dazu möchte ich erklären:
Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt . Mein Vo-
tum lautet Ja .
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zu
den Abstimmungen über
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung beschleunigter Asylverfahren und
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
erleichterten Ausweisung von straffälligen Aus-
ländern und zum erweiterten Ausschluss der
Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b)
Im Rahmen der namentlichen Abstimmung am
25 . Februar 2016 werde ich den oben genannten von
den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Gesetzen zustimmen . Wie auch schon in meiner Erklä-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615646
(A) (C)
(B) (D)
rung vom 15 . Oktober 2015 weise ich erneut mit allem
Nachdruck darauf hin, dass meiner Überzeugung nach
dieses Maßnahmenpaket nur ein – wenn auch sehr wich-
tiger – weiterer Schritt sein kann, um die gesellschaftli-
chen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der
Flüchtlingsströme in unserem Land besser zu bewältigen .
Zugleich bitte ich die Bundesregierung, den Weg der
Restriktion von illegaler und ungesteuerter Zuwanderung
beherzt weiterzugehen . In vielen Gesprächen mit Bürge-
rinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis wird grund-
sätzliche Hilfsbereitschaft für wirkliche Flüchtlinge und
politisch Verfolgte deutlich . Allerdings wird zunehmend
auch Unzufriedenheit über eine Art Wagenburgmentalität
der etablierten Parteien deutlich . Wenn wir es nicht schaf-
fen, eine offene Diskussion über die Frage zu führen,
ob, inwieweit und in welcher Form unsere Bevölkerung
eigentlich Zuwanderung will, werden wir die Spaltung
der Gesellschaft vertiefen . Viele Menschen sehen den
sozialen Frieden und die politische Statik Deutschlands
gefährdet . Wer diese Menschen mit Verachtung und Vor-
verurteilung straft, handelt auch nicht christlich . Wer
Empathie für die Flüchtlinge fordert, sollte auch Empa-
thie für die eigene Bevölkerung zeigen, die sich teilweise
für den Kampf um Arbeitsplatz, Wohnraum etc . nicht so
gut gerüstet fühlt .
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Frank Heinrich (Chemnitz)
(CDU/CSU) zu den Abstimmungen über
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein-
führung beschleunigter Asylverfahren und
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur er-
leichterten Ausweisung von straffälligen Aus-
ländern und zum erweiterten Ausschluss der
Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
bewerbern
(Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b)
Es ist in weiten Teilen der Bevölkerung und der Po-
litik unstrittig, was Bundespräsident Joachim Gauck in
seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2015 so for-
muliert hat: „Unser Herz ist weit . Aber unsere Möglich-
keiten sind endlich .“
Seit diesen im Oktober formulierten Worten hat sich
die Flüchtlingssituation außen- und innenpolitisch wei-
ter verschärft . Die EU und ihre Anrainerländer streiten
um die Festlegung von Kontingenten und die Schlie-
ßung von Grenzen, die Bundesrepublik dringt auf eine
gemeinsame Strategie . Im Inneren geht es uns vor allem
um eine Beschleunigung von Verfahren, zudem haben
insbesondere die Ereignisse der Silvesternacht in Köln
die Notwendigkeit zu einer Verschärfung von Maßnah-
men bei der Kriminalitätsbekämpfung und zugleich zu
einer Intensivierung von Integrationsangeboten deutlich
gemacht .
Angesichts dieser Situation halte ich die zügige Verab-
schiedung des sogenannten Asylpakets II, welches lange
zwischen den Koalitionspartnern verhandelt wurde, für
ein notwendiges politisches Signal und stimme diesem
schwierigen Kompromiss auch zu .
Dennoch gibt es innerhalb der Summe von Maßnah-
men, die ich für richtig halte, einige Punkte, die mir
Bauchschmerzen machen und bei denen ich mich für
Änderungen einsetzen werde . Dies sind in zwei Fällen
humanitäre Gründe, in einem Fall habe ich rechtliche
Bedenken:
Erstens . Zur Aussetzung des Familiennachzugs: Der Fa-
miliennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird für
zwei Jahre ausgesetzt (subsidiär Schutzberechtigte sind
Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl oder Schutz-
status nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben,
gleichwohl aber im Land bleiben dürfen, weil ihnen bei
der Rückkehr Gefahr durch Krieg, Folter oder Todesstra-
fe droht) . Hier halte ich es für unbedingt notwendig, den
Familiennachzug zu ermöglichen, wenn Kinder der Ge-
flüchteten betroffen sind. Hier sollte in der Diskussion
deutlich gemacht werden, dass die Genfer Flüchtlings-
konvention eben nicht unterlaufen wird . Ich begrüße al-
lerdings die im Asylpaket ausdrücklich veranlagte Ein-
zelfallprüfung . Ich wünsche und arbeite darauf hin, dass
dies möglichst bald – aus humanitären Gründen – wieder
der Regelfall und nicht die Ausnahme ist .
Zweitens . Abschiebehindernisse aus gesundheitlichen
Gründen: In Zukunft sollen grundsätzlich nur noch le-
bensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen die
Abschiebung verhindern können . Dem kann ich grund-
sätzlich zustimmen . Zukünftig sollen feste Kriterien
formuliert werden, denen eine ärztliche Bescheinigung
genügen muss . Aber auch hier muss es, insbesondere bei
psychischen Erkrankungen, die Möglichkeit zu Einzel-
fallprüfungen und Zweitgutachten geben .
Drittens . Juristisch sauber geregelt werden muss der
Verlust des Schutzstatus und die Ausweisung verurteil-
ter Flüchtlinge . Wie die öffentliche Anhörung des In-
nenausschusses ergab, führt ein Verlust des Schutzstatus
und selbst eine Ausweisung nicht notwendig zu einer
Abschiebung . Wie ist dann aber die Duldung zu gestal-
ten, ohne eine weitere Marginalisierung (oder Krimina-
lisierung) bei den Betroffenen zu bewirken? Hier gilt es,
aufzupassen, wie die Umsetzung (auch in den Verwaltun-
gen) in den Bundesländern geschieht . Möglicherweise
muss dann auch gesetzlich reagiert werden .
Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass auch der be-
kannte Aktivist und Gründer der Flüchtlingshilfsorgani-
sation Cap Anamur, Rupert Neudeck, dem man wahrlich
nicht nachsagen kann, dass er die Not von Flüchtlingen
nicht kenne, die Einschränkung des Familiennachzugs,
auch bei Minderjährigen, für vertretbar hält und zudem
als notwendige Voraussetzung für eine Reduzierung
des Flüchtlingszustroms sieht, gerade im Hinblick auf
Schlepperorganisationen, die von der Schleusung von
Jugendlichen und Kindern profitieren.
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15647
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 11
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Saskia Esken (SPD) zu den Ab-
stimmungen über
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung beschleunigter Asylverfahren und
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffäl-
ligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss
der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
bewerbern (Tagesordnungspunkt 3 a und 3 b)
Ich habe heute dem sogenannten Asylpaket II zuge-
stimmt . Diese Entscheidung ist mir, wie vielen meiner
Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen auch, sehr
schwer gefallen . Die Kolleginnen und Kollegen in meiner
Fraktion, die sich entschieden haben, anders abzustim-
men, haben dabei meinen allergrößten Respekt . In Sit-
zungen der Bundestagsfraktion, in meiner Landesgruppe,
mit Kolleginnen und Kollegen, meinem Team und auch
seit Wochen mit den Genossinnen und Genossen vor Ort
in meinem Wahlkreis habe ich intensiv über die bisheri-
gen Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik diskutiert und
darüber, was wir uns für die Zukunft wünschen und was
wir erwarten .
Mein Anspruch an meine Arbeit als Bundestagsabge-
ordnete ist es, keine Spiele (mit-) zu spielen – populisti-
sche Scheinlösungen und reine Symbolpolitik sind mir
zuwider, ich will wirksame politische Entscheidungen
treffen . Es ist mir deshalb ein Anliegen, mich offen und
verständlich dazu zu erklären, was das Asylpaket II bein-
haltet und was eben noch nicht damit beschlossen wurde,
aber durchaus schon zwischen den Koalitionspartnern
CDU, CSU und SPD vereinbart wurde .
Im Deutschen Bundestag wurde heute über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asyl-
verfahren und den Entwurf zur erleichterten Auswei-
sung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten
Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen
Asylbewerbern abgestimmt .
Ziele des Gesetzes zur Einführung beschleunigter
Asylverfahren sind mehr Ordnung bei der Aufnahme von
Flüchtlingen, schnellere Asylverfahren und eine raschere
Rückführung von Menschen, die kein Bleiberecht haben .
Das bedeutet, Asylsuchende mit geringen Chancen auf
Anerkennung werden künftig in besonderen Aufnahme-
einrichtungen untergebracht, in denen die Asylverfahren
in rund drei Wochen abgeschlossen sein sollen . Ich hal-
te diese Maßnahme für sinnvoll und bin mir sicher, dass
sie auch Wirkung entfalten wird . Die Regelung betrifft
Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, mit Wiederein-
reisesperren oder solche, die keine Bereitschaft zeigen,
ihre wahre Herkunft aufzudecken . Für diesen Personen-
kreis gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, das heißt
sie dürfen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde
nicht verlassen . Ihre Rückführung soll unmittelbar aus
der Aufnahmeeinrichtung erfolgen . Wer sich diesem Ver-
fahren verweigert, dem drohen künftig Sanktionen wie
etwa Wegfall des Leistungsanspruchs .
Außerdem sieht das geplante Gesetz vor, den Famili-
ennachzug für subsidiär Schutzberechtige ab Inkrafttre-
ten des Gesetzes befristet für zwei Jahre auszusetzen . Die
Zustimmung zu dieser Regelung bereitet mir große Pro-
bleme . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr we-
nige Personen davon betroffen sein werden (nach Zahlen
des Bundesministerium des Inneren erhielten 2015 nur
1 707 Personen, das heißt 0,6 Prozent der entschiedenen
Antragssteller, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von
Familiennachzug fanden statt), ist das ein Zeichen, das
ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich
bin überzeugt: Integration gelingt besser, wenn ganze
Familien nach Deutschland kommen . Und ich gehe fest
davon aus, dass nach Ende der zweijährigen Aussetzung
der Familiennachzug wieder aufgenommen wird, wie es
das Gesetz vorsieht .
Ich bin sehr froh, dass wir uns vehement dafür einge-
setzt haben, dass für minderjährige Flüchtlinge mit subsi-
diärem Schutzstatus eine Härtefallregelung gelten wird .
Wie diese Kompromisslinie der Einzelfallprüfung durch
Auswärtiges Amt und Innenministerium im Einzelfall
wirkt und wie die Bürokratie mit diesen Fällen überhaupt
zurechtkommt, das muss man dann in der Praxis sehen,
aber die Zahl der Betroffenen liegt im niedrigen dreistel-
ligen Bereich und ist damit auch hier recht gering .
In Rahmen des Gesetzentwurfs zur erleichterten
Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum er-
weiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei
straffälligen Asylbewerbern soll die Ausweisung straf-
fälliger Ausländer erleichtert werden . Straftaten gegen
das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle
Selbstbestimmung, das Eigentum oder der Widerstand
gegen Vollstreckungsbeamte begründen zukünftig ein
sogenanntes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse,
sofern ein Ausländer hierfür zu einer Freiheits- oder Ju-
gendstrafe, unabhängig von deren Höhe, verurteilt wur-
de . Dies gilt auch, wenn die Strafe zur Bewährung ausge-
setzt wurde . Bislang musste die verhängte Freiheitsstrafe
mindestens ein Jahr betragen, um ein schwerwiegendes
Ausweiseinteresse zu begründen . Allerdings erfolgt stets
eine Einzelfallabwägung aller Interessen, was ich sehr
begrüße . Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Asyl-
bewerbern, die Straftaten begehen, trotz Vorliegen von
Fluchtgründen leichter als bislang die rechtliche Aner-
kennung als Flüchtling versagt werden kann .
Mir ist es aber auch wichtig, deutlich zu machen: In
den Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD wur-
den weitere Vereinbarungen getroffen, die in einem künf-
tigen Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden sollen,
das die bessere Integration derer zum Ziel hat, die eine
Bleibeperpektive haben . Ich werde mich gemeinsam mit
meiner SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass
dies schnell geschieht .
Dazu gehört es beispielsweise, dass wir für Ausbil-
dungsbetriebe und Geflüchtete Planungssicherheit schaf-
fen, weil Auszubildende unabhängig von ihrem Status für
die Dauer einer dreijährigen Ausbildung ebenso Bleibe-
recht erhalten wie für die zwei Jahre danach . Ebenso ist
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615648
(A) (C)
(B) (D)
vereinbart, die Altersgrenze für ausbildungsunterstützen-
de Maßnahmen von 21 auf 25 Jahre anzuheben . All das
dient der Integration von geflohenen jungen Menschen in
unseren Arbeitsmarkt und damit in unsere Gesellschaft .
Eines muss ich aber ganz deutlich sagen: Ich werde
jede weitere Verschärfung des Asylrechts ablehnen, die
Spirale von Beschlüssen, die stets weitere Forderungen
nach sich zogen, muss jetzt beendet werden . Wir müssen
uns jetzt endlich damit beschäftigen, die Registrierung,
die Unterbringung und die Integration der Geflüchteten
gut zu bewältigen und dabei unsere Gesellschaft in ihrer
humanitären und offenen Grundhaltung zusammenzuhal-
ten .
Was jetzt folgen muss, das ist ein Integrationsgesetz
zur Verbesserung des Zugangs zu Sprachkursen, Bil-
dung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende, das sozi-
ale Teilhabe schafft und dafür sorgt, dass die Menschen,
die zu uns geflohen sind, als Teil unserer Gesellschaft ihr
Leben selbst in die Hand nehmen und gestalten können .
Anlage 12
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD)
zu den Abstimmungen über
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung beschleunigter Asylverfahren und
– den von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
erleichterten Ausweisung von straffälligen Aus-
ländern und zum erweiterten Ausschluss der
Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asyl-
bewerbern und
– die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu
dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner,
Dr. Konstantin von Notz, Dr. Franziska
Brantner, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnah-
meeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften
besser schützen (Tagesordnungspunkt 3)
Mit diesem Gesetz sollen die Verfahren von Asylbe-
werberinnen und Asylbewerbern mit geringer Bleibe-
perspektive vereinfacht und beschleunigt werden . Das
soll für eine dringend notwendige Entlastung sorgen und
mehr Ordnung und Steuerung bei der Aufnahme und Re-
gistrierung schaffen . Jedoch halte ich das Kriterium si-
cherer Herkunftsstaaten für unzureichend .
Ich begrüße ausdrücklich, dass mit dem sogenann-
ten Asylpaket II Kernforderungen der CSU und anderer
Gruppierungen rechts davon verhindert werden konnten .
Sie forderten unter anderem große Auffanglager unter
haftähnlichen Bedingungen an den deutschen Grenzen,
eine Aussetzung des Mindestlohnes für Flüchtlinge und
eine Flüchtlingsobergrenze .
Stattdessen konnten wesentliche Forderungen der
SPD durchgesetzt werden:
– Kontingente für Flüchtlinge aus der Türkei, dem
Libanon oder Jordanien vorrangig für Ehegatten
und Kinder von hier bereits lebenden Geflüchteten.
– Schutz minderjähriger Geflüchteter; Beschäftigte
und regelmäßig ehrenamtlich tätige Personen in
Flüchtlingsunterkünften, die in Kontakt zu Min-
derjährigen stehen, dürfen nicht durch Gewalt- und
Sexualdelikte aufgefallen sein und müssen daher
ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen .
– Vereinbarung, dass in einem weiteren Gesetzge-
bungsverfahren Regelungen für mehr Rechtssi-
cherheit und Verfahrensvereinfachungen für aus-
zubildende Flüchtlinge und ausbildende Betriebe
geschaffen werden . Auszubildende sollen für die
Dauer ihrer Ausbildung – drei Jahre – und weite-
re zwei Jahre danach ein Aufenthaltsrecht bekom-
men .
In einem weiteren Schritt gilt es, mit umfassenden
Maßnahmen die gesellschaftliche Integration geflüchte-
ter Menschen erfolgreich zu gestalten .
Ich sehe jedoch das beschleunigte Asylverfahren
aufgrund des Kriteriums sicherer Herkunftsstaaten als
problematisch an . Das Bundeskabinett hat beschlossen,
Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunfts-
staaten einzustufen . Zwar erhalten die Menschen aus die-
sen Ländern auch weiterhin das Recht auf individuelle
Prüfung ihres Asylgesuchs und erhalten Asyl, wenn ihr
Gesuch begründet ist . Jedoch halte ich es für nicht gesi-
chert, dass Menschen dort nicht weiter Diskriminierung,
Verfolgung und Gewalt ausgesetzt werden aufgrund ihrer
sexuellen Identität . Es besteht weiterhin ein hoher Grad
an Diskriminierung und Gewaltbereitschaft gegenüber
homo-, bi-, trans- oder intersexuellen Menschen . Die
Justiz unternimmt wenig, um vor gewaltsamen Übergrif-
fen zu schützen, Menschenrechte werden allein durch die
sexuelle Identität infrage gestellt . Solange dies der Fall
ist, bleibt der Wunsch vieler Menschen, nach Deutsch-
land zu fliehen, verständlich.
Mit dieser persönlichen Erklärung bringe ich meine
Sorge an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum
Ausdruck . Dem Gesetzespaket werde ich aufgrund der
Koalitionsvereinbarung zustimmen . Die Regierung hat
damit einen auch für mich gangbaren Weg gefunden,
Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, ohne das
Recht auf Asyl zu schleifen .
Anlage 13
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU)
zu der Abstimmung über den von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Um-
setzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und
verwandte Erzeugnisse (Tagesordnungspunkt 4)
Ich stimme dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15649
(A) (C)
(B) (D)
verwandte Erzeugnisse – Drucksache 18/7218 – nicht zu,
da der Gesetzesentwurf keine Verlängerung der Fristen
für die tiefgreifenden Umstellungen aller auf dem Markt
befindlichen Verpackungen für Tabakprodukte beinhal-
tet .
Die Industrieverbände, wie auch Gutachten externer
Sachverständiger, haben seit Monaten darauf hingewie-
sen, dass es für die Hersteller faktisch unmöglich ist, die
von der EU gesetzte Frist – 20 . Mai 2016 – zu erfüllen,
da die technischen Vorgaben seitens der EU erst im No-
vember 2015 vorgelegt wurden . Dass eine Verlängerung
der Frist für die Umstellung der Produktion zwingend
notwendig ist, unterstreicht zudem die Tatsache, dass
am 17 . Februar 2016 die Kommission nochmals die ab
Mai zu verwendenden Textwarnhinweise für sechs Spra-
chen – darunter auch Deutsch – für mehrere Tabakpro-
duktkategorien geändert hat . Dies bedeutet, dass die in
Deutschland produzierenden Tabakunternehmen keiner-
lei Rechtssicherheit für die notwendigen umfangreichen
Investitionen haben .
Anlage 14
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ulrike Bahr, Dr. Ute Finckh-
Krämer, Martin Gerster, Gabriele Groneberg, Rita
Hagl-Kehl, Metin Hakverdi, Ulrich Hampel, Frank
Junge, Daniela Kolbe, Dr. Hans-Ulrich Krüger,
Hiltrud Lotze, Kirsten Lühmann, Hilde Mattheis,
Susanne Mittag, Ulli Nissen, Markus Paschke,
Andreas Rimkus, Dr. Hans-Joachim Schabedoth,
Dr. Dorothee Schlegel, Matthias Schmidt (Berlin),
Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Kerstin
Tack und Stefan Zierke (alle SPD) zu der nament-
lichen Abstimmung über den Antrag der Abge-
ordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich
Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu dem Vorschlag für eine Durchführungsverord-
nung der Kommission zur Erneuerung der Zulas-
sung von Glyphosat
SANTE/10026/2016 (Entwurf)
hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie-
rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
gesetzes
Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen
(Tagesordnungspunkt 26 a)
Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt-
und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und
ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsat-
zes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den
Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft .
Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und
der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite
erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit
ziemlich wahrscheinlich .
Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun-
gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis
geführt . Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
nehmen wir diese Sorgen sehr ernst . Auch wir sehen die
erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kri-
tisch . Wenn wir den Antrag der Grünen heute nicht un-
terstützen, dann tun wir dies, weil wir der Meinung sind,
dass wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft
zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Al-
ternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen
gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirt-
schaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den
Umstieg auf solche Alternativen organisieren können .
Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
der Folgekultur .
Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set-
zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot
von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein-
gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol-
len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen
Gärten Glyphosat gespritzt wird .
Denn solange die Auswirkungen auf die menschliche
Gesundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten
und Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen
und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie mög-
lich damit in Berührung kommen .
Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Bedenken
in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
dienen kann .
Anlage 15
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag
der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu dem Vorschlag für eine Durchfüh-
rungsverordnung der Kommission zur Er-
neuerung der Zulassung von Glyphosat
SANTE/10026/2016 (Entwurf)
hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie-
rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
gesetzes
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615650
(A) (C)
(B) (D)
Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen
(Tagesordnungspunkt 26 a)
Marco Bülow (SPD): Seit Jahrzehnten ist Glyphosat
auf dem Markt. Es ist das weltweit am häufigsten ein-
gesetzte Herbizid . Mittlerweile stuft die Internationale
Krebsforschungsagentur IARC der WHO Glyphosat als
„wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ ein . Auch
das Umweltbundesamt (UBA) hat in einer Untersuchung
vor kurzem festgestellt, dass bei bis zu 60 Prozent der
Probanden eine eindeutige Anreicherung von Glypho-
sat im Urin nachweisbar ist . Das UBA kommt zu dem
Schluss, dass das Herbizid problematisch ist, und ruft
zum Umdenken auf . Spätestens jetzt ist es Zeit, zu han-
deln .
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich daher mit Gly-
phosat befasst und setzt sich dafür ein, dass das Mittel
nicht mehr für Privatkunden im freien Handel, wie zum
Beispiel in Baumärkten oder im Internet, verfügbar ist,
da es besonders im privaten Bereich häufig zu Fehlan-
wendungen und Überdosierungen kommt . Das Verbot
soll auch für den kommunalen Bereich gelten . Glyphosat
hat auf Spielplätzen und öffentlichen Grünflächen nichts
zu suchen . Zudem muss es eine deutliche Reduktion
der Anwendung in der Landwirtschaft geben . Da, wo
der Einsatz überflüssig ist, sollte er sofort unterlassen
werden . Die nächste Zeit muss dringend dafür genutzt
werden, sehr viel intensiver die Folgen von Glyphosat
zu untersuchen und sichere Alternativen zu erforschen .
Wenn Landwirte statt auf Glyphosat auf schon bestehen-
de, ebenso schädliche oder noch gefährlichere Herbizide
zurückgreifen, ist nichts gewonnen .
Ich habe grundsätzlich Verständnis für das Anliegen
von Bündnis 90/Die Grünen, Glyphosat auf EU-Ebene
nicht wieder zuzulassen . Allerdings lag mir der nament-
lich abzustimmende Antrag auch am Mittwochvormittag
immer noch nicht vor . Dieses Vorgehen der Opposition
ist leider kontraproduktiv . Ich werde den Antrag ohne
die Möglichkeit einer Debatte ablehnen, unterstütze aber
die Fachpolitiker meiner Fraktion, das Thema Glyphosat
weiterhin aktiv und kritisch im Bundestag zu behandeln .
Ziel muss auch hier ein eigener Antrag sein .
Bernhard Daldrup (SPD): Ärzte, Wissenschaft-
ler, Umwelt- und Verbraucherverbände warnen vor den
gesundheitlichen und ökologischen Folgen eines über-
mäßigen Glyphosateinsatzes . Die Weltgesundheitsorga-
nisation (WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich
krebserregend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinsti-
tut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde
für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken zwar
nicht geteilt, doch haben die widersprüchlichen wissen-
schaftlichen Beurteilungen in der Gesellschaft zu einer
großen Besorgnis geführt .
Ich nehme diese Sorgen ernst und sehe die erneute
Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch .
Vor einem generellen Verbot des Glyphosateinsatzes in
der Landwirtschaft rege ich eine intensive Prüfung aller
gesundheits- und umweltverträglichen Alternativen an .
Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, da-
mit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg
aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche
Alternativen organisieren .
Bis dahin muss die Anwendung von Glyphosat in der
Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduziert und effizi-
enter gestaltet werden . In vielen Fällen ist die Anwen-
dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
der Folgekultur .
Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
Überdosierung bei der privaten Nutzung . Ich setze mich
deshalb für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden
in Haus- und Kleingärten und auch im kommunalen Be-
reich ein .
Ich erwarte, dass die Bundesregierung aufgrund der
nicht ausschließbaren Risiken einen konkreten Ausstiegs-
plan für die Anwendung von Glyphosat in der Landwirt-
schaft entwickelt, der dann auch anderen EU-Mitglied-
staaten als Vorbild dienen kann .
Sabine Dittmar (SPD): Seit langem warnen Exper-
ten vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen
des übermäßigen Einsatzes des Breitbandherbizids Gly-
phosat . Die Internationale Agentur für Krebsforschung
(IARC) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebser-
regend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für
Risikobewertung und der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken jedoch
nicht geteilt . Eine europaweite erneute Zulassung des
Wirkstoffes Glyphosat ist damit absehbar . Ich sehe diese
jedoch kritisch .
Die widersprüchlichen Risikobeurteilungen sind be-
denklich, insbesondere wenn Meldungen kursieren, dass
in Lebensmitteln Glyphosat nachgewiesen wurde . Als
Sozialdemokratin und Gesundheitspolitikerin nehme ich
die diesbezüglichen Sorgen der Bevölkerung sehr ernst .
Am größten ist die Gefahr bei der privaten Nutzung .
Dort kommt es immer wieder zu Fehlanwendungen und
Überdosierungen . Wir setzen uns deshalb innerhalb der
Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen
Herbiziden in Haus- und Kleingärten und im kommuna-
len Bereich ein . Unser Ziel muss es sein, dass Glypho-
sat auf Spielplätzen und in öffentlichen Bereichen nicht
mehr zum Einsatz kommt .
Ein weiteres Problem ist der Einsatz des Wirkstoffs
in der Landwirtschaft . Dort müssen wir mit Nachdruck
für eine gesundheits- und umweltverträglichere Alterna-
tive sorgen . Ich erwarte, dass die Bundesregierung die
Bedenken der Wissenschaft und der Bevölkerung gegen-
über der Nutzung von Glyphosat ernst nimmt und einen
konkreten Ausstiegsplan für die Anwendung in der Land-
wirtschaft erarbeitet .
Da die gesundheitlichen Auswirkungen von Glypho-
sat unklar sind, müssen wir dafür sorgen, dass die An-
wendung auf ein Mindestmaß reduziert bzw. effizienter
gestaltet wird, damit Menschen und Tiere so wenig wie
möglich mit dem Wirkstoff in Berührung kommen . Die
großen Baumarktketten haben bereits verantwortungs-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15651
(A) (C)
(B) (D)
voll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Gly-
phosat aus ihrem Sortiment genommen .
Dem vorliegenden Antrag werde ich nicht zustimmen .
Ich erwarte jedoch, dass die Bundesregierung sich mit
Nachdruck für eine Alternative einsetzt, damit Glyphosat
zeitnah nicht mehr zum Einsatz kommt .
Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem Antrag
„Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen“ zu-
stimmen .
Begründung:
Die Bewertungsprozesse der europäischen Behörde
für Chemikalien, ECHA, zu Glyphosat sind noch nicht
abgeschlossen . Dennoch strebt die Generaldirektion Ge-
sundheit und Lebensmittelsicherheit eine Abstimmung
über die Zulassung glyphosathaltiger Pestizide für weite-
re 15 Jahre im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere,
Lebensmittel- und Futtermittel an . Eine nach der Euro-
päischen Chemikalienverordnung zur Registrierung,
Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer
Stoffe (REACH) erteilte Zulassungsverlängerung für
Glyphosat läuft Ende Juni 2016 aus .
Als Berichterstatter hatte das Bundesamt für Risi-
kobewertung (BfR) 2015 eine positive Stellungnahme
zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat abgegeben .
Allerdings lag die Einschätzung der Krebsforschungs-
agentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC), deren
Arbeitsgruppe von unabhängigen Wissenschaftlern Gly-
phosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“
eingestuft hatte, noch nicht vor .
Außerdem hatte das BfR nur den reinen Wirkstoff
Glyphosat untersucht, nicht aber fertige Herbizidmi-
schungen mit Träger- und Zusatzstoffen . Die Kombina-
tionswirkungen der verschiedenen Stoffe und Anreiche-
rungen bei Langzeitexposition wurden ebenfalls nicht
untersucht . Die Zulassung bezieht sich auf 33 glypho-
sathaltige Herbizide unter 95 Handelsbezeichnungen für
470 Anwendungsgebiete .
Mit dem europäischen Vorsorgeprinzip ist eine vorzei-
tige Erneuerung der Zulassung von Glyphosat für weitere
15 Jahre nicht vereinbar .
Bettina Hagedorn (SPD): Heute stimmt der Deut-
sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über ei-
nen extrem kurzfristig vorgelegten Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen ab, auf dessen öffentliche Aus-
sprache im Plenum die Grünen ausdrücklich verzichtet
haben . Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch und ent-
larvt den Antrag mit namentlicher Abstimmung als ein
Showinstrument zu Wahlkampfzwecken . Damit aber
wird diesem ernsten Thema objektiv nicht angemessen
Rechnung getragen, weil nur in einer öffentlichen De-
batte im Bundestagsplenum die Gründe für eine Zustim-
mung oder Ablehnung darlegt werden können . Ich kri-
tisiere dieses Verfahren ausdrücklich und möchte daher
meine Auffassung zum Thema Glyphosat jedenfalls in
einer schriftlichen Erklärung zur Abstimmung darlegen .
Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt-
und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und
ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsat-
zes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den
Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft .
Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und
der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite
erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit
ziemlich wahrscheinlich .
Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurtei-
lungen haben in der Gesellschaft zu einer großen Be-
sorgnis geführt . Als Sozialdemokratin nehme ich diese
Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die erneute Zulassung
des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich
den Antrag der Grünen heute nicht unterstütze, dann
tue ich dies, weil ich der Meinung bin, dass wir für den
Glyphosat einsatz in der Landwirtschaft zunächst eine ge-
sundheits- und umweltverträgliche Alternative brauchen .
Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, da-
mit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg
aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche
Alternativen organisieren können .
Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
der Folgekultur .
Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set-
zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot
von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein-
gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol-
len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen
Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Aus-
wirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind,
wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen
dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die
Menschen so wenig wie möglich damit in Berührung
kommen .
Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
dienen kann .
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Erstens . Mit
allergrößtem Befremden nehme ich die Tatsache wahr,
dass hier im Parlament ein Antrag zur namentlichen
Abstimmung gestellt wird, ohne dass es hierzu eine
parlamentarische Aussprache gegeben hat, in der auch
differenzierte Positionen zum Sachverhalt eingenom-
men und ein Votum in der Sache bzw . ein Sachverhalt
hätten erklärt werden können . Ich halte dieses für einen
unmöglichen parlamentarischen Stil, unabhängig davon,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615652
(A) (C)
(B) (D)
ob dieses nun durch Bündnis 90/Die Grünen bewusst
herbeigeführt worden ist, weil deren Fraktion zwar die
namentliche Abstimmung, aber nicht die inhaltliche Aus-
sprache und differenzierte parlamentarische Behandlung
wichtig gewesen ist, oder ob dieses im Einvernehmen al-
ler Fraktionen im Ältestenrat so entschieden worden ist .
Gute parlamentarische Arbeit sieht für mich jedenfalls
anders aus .
Zweitens . So bleibt mir an dieser Stelle nur die Möglich-
keit, der differenzierten politischen Position beizutreten,
die von den dafür zuständigen und kompetenten Abge-
ordneten der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet und von
der SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier
beschlossen worden ist . Diese Position bietet zumindest
die Perspektive einer konsequenten Rückführung der
Nutzung von Glyphosat in Deutschland und muss jetzt
auch Schritt für Schritt angegangen werden .
Drittens . Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler,
Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitli-
chen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glypho-
sateinsatzes . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“
eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobe-
wertung und der Europäischen Behörde für Lebensmit-
telsicherheit werden diese Bedenken nicht geteilt . Eine
europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glypho-
sat ist damit ziemlich wahrscheinlich .
Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun-
gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis
geführt . Als Sozialdemokrat nehme ich diese Sorgen sehr
ernst . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirk-
stoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag
der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies,
weil ich der Meinung bin, dass wir für den Glyphosa-
teinsatz in der Landwirtschaft zunächst eine gesundheits-
und umweltverträgliche Alternative brauchen . Forschung
und Entwicklung müssen gestärkt werden, damit wir ge-
meinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem
Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternati-
ven organisieren können .
Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
der Folgekultur .
Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und
Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung . Wir set-
zen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot
von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Klein-
gärten und auch im kommunalen Bereich ein . Wir wol-
len verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen
Gärten Glyphosat gespritzt wird . Denn solange die Aus-
wirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind,
wollen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen
dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die
Menschen so wenig wie möglich damit unmittelbar in
Berührung kommen .
Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
dienen kann .
Dr. Nina Scheer (SPD): Seit einigen Jahren war-
nen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucher-
verbände vor den gesundheitlichen und ökologischen
Folgen des übermäßigen Einsatzes von Glyphosat . Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff
als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom
deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wer-
den diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite er-
neute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist somit
wahrscheinlich .
Glyphosat ist ein Wirkstoff, der als sogenanntes To-
talherbizid als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Die
widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen sei-
ner krebserregenden Wirkung haben in der Gesellschaft
zu großer Besorgnis geführt . Dies muss auch politische
Konsequenzen nach sich ziehen . Vor dem Hintergrund
des Vorsorgeprinzips halte ich die erneute Zulassung des
Wirkstoffs Glyphosat für unverantwortlich .
Ich erwarte, dass Wege gefunden werden, um mit den
gegebenen Mehrheiten die Anwendung von Glyphosat
baldmöglichst auszuschließen .
Dr. Karin Thissen (SPD): Voreilige Neuzulassung
von Glyphosat stoppen:
Seit einigen Jahren warnen Ärzte, Wissenschaftler,
Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheit-
lichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Ein-
satzes von Glyphosat . Die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) hat den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebser-
regend“ eingestuft . Vom deutschen Bundesinstitut für
Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Le-
bensmittelsicherheit werden diese Bedenken hingegen
nicht geteilt, und eine europaweite erneute Zulassung des
Wirkstoffes Glyphosat ist somit wahrscheinlich .
Glyphosat ist ein Wirkstoff, der als sogenanntes To-
talherbizid als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Die
widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen sei-
ner krebserregenden Wirkung haben in der Gesellschaft
zu großer Besorgnis geführt . Als Sozialdemokratin neh-
me ich diese Sorgen sehr ernst . Auch ich sehe die er-
neute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat sehr kritisch .
Fehlanwendungen im privaten Bereich in Haus- und
Kleingärten und Überdosierungen wie auch der Einsatz
im kommunalen Bereich müssen verhindert werden .
Wenn ich den Antrag der Grünen heute jedoch nicht
unterstütze, dann tue ich dies, weil ich neben dem Er-
fordernis gesicherter wissenschaftlicher Faktenlage und
Erkenntnisse auch für die Landwirtschaft in einer Zu-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15653
(A) (C)
(B) (D)
lassungsverweigerung keine augenblickliche, aber auch
noch keine langfristige Alternative sehe . Forschung und
Entwicklung müssen daher gestärkt werden, damit wir
gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem
Glyphosateinsatz und den Umstieg auf ökologisch nach-
haltige Wege organisieren können .
Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat
in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren
und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwen-
dung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der
Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat
der Folgekultur .
Solange die Auswirkungen auf die menschliche Ge-
sundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokraten und
Sozialdemokratinnen dem Vorsorgeprinzip folgen und
sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie möglich
mit Glyphosat in Berührung kommen . Beim derzeitigen
Stand der Wissenschaft stehe ich deshalb für eine diffe-
renzierte Betrachtung der Einsatzgebiete zwischen priva-
ten und kommunalen Bereichen und der Landwirtschaft .
Während wir es auf der einen Seite umgehend verbieten
müssen, müssen wir in der Landwirtschaft nach Wegen
suchen, es einerseits zu reduzieren, und andererseits
langfristig andere Wahlmöglichkeiten nutzbar machen .
Für den privaten Sektor haben große Baumarktketten
bereits verantwortungsvoll gehandelt und Unkrautver-
nichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment ge-
nommen . Auch in ihrem Interesse kann es nur sein, wenn
wir zügig eine Regelung schaffen, die für den gesamten
Handel gilt .
Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
der auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen
kann .
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Seit langem
warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbrau-
cherverbände vor den gesundheitlichen und ökologi-
schen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsatzes . Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff
als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft . Vom
deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wer-
den diese Bedenken nicht geteilt . Eine europaweite er-
neute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat ist damit
ziemlich wahrscheinlich .
Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilun-
gen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis
geführt . Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirk-
stoffs Glyphosat äußerst kritisch . Wenn ich den Antrag
der Grünen heute nicht unterstütze, dann tue ich dies,
weil wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft
zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Al-
ternative brauchen . Forschung und Entwicklung müssen
gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirt-
schaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den
Umstieg auf Alternativen organisieren können .
In vielen Fällen ist die Anwendung schon heute über-
flüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung
nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur .
Am größten jedoch ist die Gefahr der Fehlanwendung
und Überdosierung bei der privaten Nutzung . Wir setzen
uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von
glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Kleingärten
und auch im kommunalen Bereich ein . Wir werden ver-
hindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten
Glyphosat gespritzt wird .
Wir wollen dem Vorsorgeprinzip folgen und sicher-
stellen, dass die Menschen so wenig wie möglich damit
in Berührung kommen .
Die großen Baumarktketten haben bereits verantwor-
tungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit
Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen . Auch in ih-
rem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Re-
gelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt .
Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken
in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber
Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegs-
plan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet,
der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild
dienen kann .
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des
gewerblichen Rechtsschutzes (Tagesordnungs-
punkt 15)
Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das Design
spielt heute eine erhebliche Rolle bei der Kaufentschei-
dung . Es gibt Impulse und weckt Emotionen . Nachdem
funktionale Unterschiede zwischen den einzelnen Pro-
dukten weniger werden, ist das Design der Punkt, an dem
sich ein Produkt von anderen abheben kann . Durch das
Design können Unternehmer ihren Produkten einen ein-
zigartigen Charakter geben und so den Kunden an sich
binden .
Zunächst möchte ich uns die Unterschiede zwischen
den einzelnen Schutzvorschriften nochmals kurz ins Ge-
dächtnis rufen:
Das Patentrecht schützt als einziges Schutzrecht eine
bloße Idee, wie zum Beispiel das von iPhone und iPad
bekannte „Wischen“ und die dahinter stehenden techni-
schen Abläufe . Voraussetzung für den Patentschutz ist
die Neuheit einer Idee und die Lösung eines technischen
Problems durch sie .
Durch das Markenrecht werden die Unterscheidung
von Produkten verschiedener Hersteller und der Schutz
vor Verwechselungen gewährleistet . Solche Kennzei-
chenmittel können zum einen drei Streifen an einem
Sportschuh, das auffällige Design einer Cola-Flasche
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615654
(A) (C)
(B) (D)
oder das Jingle eines Radiosenders sein . Das Marken-
recht schützt das Design daher nur mittelbar – aber es
ist ein höchst effektives Schutzrecht, das ohne zeitliche
Grenze besteht .
In Anlehnung an das Design kann man sich auch eine
dreidimensionale Marke eintragen lassen . Diese dreidi-
mensionale Marke erlangt man, wenn die Marke oder
das Produkt nicht die übliche Form hat, sondern eine be-
sonders einprägsame Form für den Verbraucher vorliegt,
welche direkt auf den Hersteller schließen lässt . Dies
liegt unter anderem bei der Verpackung der berühmten
dreieckigen Schweizer Schokolade oder der unverwech-
selbaren Flasche eines großen amerikanischen Soft-
drink-Herstellers vor . Dies zeigt, dass nicht nur Produkte,
sondern auch ihre Verpackungen eine Marke ausmachen
können .
Das Urheberrecht schützt jedes geistige Eigentum,
das über dem handwerklichen Durchschnitt liegt . Die
Anforderungen beim Urheberrecht sind durchaus hoch;
der Schutz des Urheberrechts geht aber bis 70 Jahre nach
dem Tod des Urhebers hinaus .
Eingetragene Designs schützen die Farb- und Form-
gebung von nahezu allen handwerklich herzustellenden
Erzeugnissen, wie zum Beispiel Bekleidung .
Durch die Eintragung eines Designs wird ein zeitlich
begrenztes Monopol auf die Form und die Gestaltung
eines Produkts gesichert . Die mit einer Anmeldung ein-
gereichten Darstellungen des Designs legen Gegenstand
und Umfang des Rechts fest und sind daher von zentraler
Bedeutung . Die Eintragung kann durch jeden erfolgen,
durch Privatpersonen und durch Unternehmen .
Wenn sich ein Designer seine Rechte hat eintragen
lassen, besitzt ausschließlich er das Recht, dieses De-
sign zu benutzen . Der Rechtsinhaber kann es anderen
verbieten, sein Design zu benutzen – sei es zur Herstel-
lung oder zum Verkauf von anderen Gütern . Das heißt,
als Designinhaber kann man gegen jedes nachgemachte
Design vorgehen, das beim informierten Benutzer keinen
anderen Gesamteindruck hinterlässt als das eingetragene
Design .
Durch die Neuerungen nehmen wir technische Anpas-
sungen im Designgesetz und in weiteren Gesetzen des
gewerblichen Rechtsschutzes vor . Neben der Anpassung
deutschen Rechts an diverse EU-Verordnungen vereinfa-
chen und beschleunigen wir dabei die Verfahrensabläufe
im Deutschen Patent- und Markenamt, etwa hinsichtlich
des elektronischen Rechtsverkehrs und der Vermeidung
aufwendiger Nichtigkeitsverfahren .
Ziel des Gesetzes zur Änderung des Designgesetztes
und der weiteren Vorschriften des gewerblichen Rechts-
schutzes ist es, weitere Vereinfachungen und Beschleuni-
gungen der Prozesse im Deutschen Patent- und Marken-
amt (kurz DPMA) zu erreichen . Durch die Änderungen
wird auch der Rechtsverkehr beim DPMA erheblich
erleichtert . Hinzu kommt, dass es Verbesserungen im
Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA gibt und eine An-
passung an geändertes Recht zur Beschlagnahme rechts-
verletzender Waren an den Grenzen sowie zum Schutz
geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen.
Diese genannten Änderungen sollen und werden zum
Abbau von Bürokratie beitragen .
Im Nichtigkeitsverfahren zum Beispiel kann der Inha-
ber durch die Änderung des § 33 Designgesetz nun auch
bei absoluten Nichtigkeitsgründen in die Löschung ein-
willigen und somit ein Nichtigkeitsverfahren vermeiden
oder einvernehmlich beenden . Dies führt zu erheblichen
Kosten- und Zeitersparnissen .
Durch die Änderungen kann auch im Klageverfahren
der Einwand der Nichtigkeit eines eingetragenen Designs
nur durch Erhebung der Widerklage oder durch Stellung
eines Nichtigkeitsantrags beim DPMA geltend gemacht
werden . Dies führt zu überaus sinnvollen Vereinfachun-
gen im Prozessrecht und bei den Kosten im Nichtigkeits-
verfahren .
Dieser Gesetzentwurf dient der wirtschaftlichen Zu-
kunftsvorsorge und somit einer nachhaltigen Entwick-
lung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie .
Durch die Zustellung von Dokumenten über den
elektronischen Verkehr entstehen erhebliche Effizi-
enzgewinne und Kosteneinsparungen: So können zum
Beispiel 37,5 Prozent der Patentanmeldungen die elek-
tronische Zustellung an das DPMA nutzen . Und bei den
durchschnittlich 2 500 Paketsendungen pro Tag werden
durchschnittlich 350 förmlich zugestellt . Durch die Neu-
erungen kann eine elektronische Zustellung daher in
130 Fällen pro Tag erfolgen . Das ergibt ein Einsparpo-
tenzial von bis zu 316 000 Euro pro Jahr .
Die einheitliche Zustimmung aller Fraktionen gestern
im Ausschuss sowie das Lob der Markenverbände zeigen
die hohe Praxistauglichkeit und die Vorteile, die dadurch
entstehen .
Ich bitte daher um Zustimmung .
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Es ist selten,
aber es kommt vor, dass wir einen Gesetzentwurf der
Bundesregierung beraten, bei dem wir keinen Ände-
rungsbedarf sehen .
Sogar der Bundesrat wie auch zum Beispiel der Mar-
kenverband und die GRUR, die Deutsche Vereinigung
für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht, haben
keine Einwände gegen den Gesetzentwurf erhoben . Das
ist auch für mich ein Novum .
Insofern möchte ich mal die – leider viel zu seltene –
Gelegenheit nutzen und das Bundesjustizministerium
loben . Es wäre schön, wenn ich das auch bei Entwürfen
mit größerer rechtspolitischer Relevanz und Substanz
machen könnte . Ich denke etwa an das Mietrecht, wo ja
demnächst auch ein Referentenentwurf aus Ihrem Hause
kommen soll . Ich bin skeptisch gespannt und freue mich
auf Überraschungen, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich
zuletzt!
Bei dem heutigen Gesetzentwurf zur Änderung des
Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerb-
lichen Rechtsschutzes sprechen wir in erster Linie über
eine Vielzahl von technischen Verfahrensfragen . Dabei
geht es im Wesentlichen um Modernisierungsmaßnah-
men, Anpassungen an das europäische Recht und redak-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15655
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tionelle Änderungen . Die Änderungen dienen vor allem
der Erleichterung des elektronischen Rechtsverkehrs
beim Deutschen Patent- und Markenamt, einer Verbesse-
rung des Nichtigkeitsverfahrens in Designsachen sowie
der Modernisierung von Verfahrensabläufen insgesamt .
Die Änderungen leisten insoweit einen wichtigen Bei-
trag nicht nur zur Umsetzung des Koalitionsvertrags, in
dem wir uns auch zum Abbau von unnötiger Bürokratie
verpflichtet haben, sondern sie dienen auch der Vereinfa-
chung und Beschleunigung der Prozesse im DPMA .
Unter dem Stichwort „Law made in Germany“ dis-
kutieren wir derzeit die Frage, wie wir unnötige Wett-
bewerbsnachteile des Rechtsstandorts Deutschland be-
seitigen können . Insofern begrüße ich mit Blick auf den
Wettbewerb der Rechtsordnungen die Zielsetzung des
Gesetzentwurfes .
Denn der Abbau von Bürokratie stärkt die Wettbe-
werbsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Un-
ternehmen . Eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung
und ein geringer Erfüllungsaufwand sind dabei ein we-
sentlicher Standortvorteil für unser Land .
Die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung
des elektronischen Rechtsverkehrs ist hierbei ein bedeu-
tender Faktor . Bereits heute besteht die Möglichkeit, im
Schutzrechtsverfahren vor dem DPMA Dokumente elek-
tronisch zu übermitteln . Um den elektronischen Rechts-
verkehr jedoch weiter zu erleichtern, soll insbesondere
eine virtuelle Poststelle als ein sicherer Übermittlungs-
weg für eine elektronische Zustellung etabliert werden .
Als zusätzliche Transportsicherung sollen dabei für die
Übermittlung sämtlicher elektronischer Dokumente fort-
geschrittene elektronische Signaturen eingesetzt werden .
Zu diesem Zweck wird das BMJV im Patent- und Mar-
kengesetz ermächtigt, in einer Rechtsverordnung nähere
Bestimmungen dazu zu erlassen .
Weiterhin ist im Gesetzentwurf beabsichtigt, dass eine
Bekanntmachung einer Eintragung in das DPMA-Regis-
ter künftig auch in elektronischer Form erfolgen kann .
Das begrüße ich an dieser Stelle ausdrücklich . Dies dient
nicht nur der Verfahrensbeschleunigung, sondern es wer-
den bisher bestehende Wettbewerbsnachteile zum „Har-
monisierungsamt für den Binnenmarkt“ beseitigt .
Einziger Punkt, über den man hier hätte nachdenken
können, ist, dass bei einigen absoluten Eintragungshin-
dernissen im Markengesetz die Notwendigkeit der Ver-
öffentlichung im Bundesgesetzblatt entfallen soll . Dies
betrifft zum Beispiel geschützte Wappen, Siegel und
Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen . Insofern
verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass man die-
se Zeichen auch bei der Weltorganisation für geistiges
Eigentum recherchieren könne . Deren Datenbank dient
jedoch lediglich der einfachen Recherche von Eintra-
gungshindernissen . Ihr kommt in Bezug auf das deutsche
Recht keine konstitutive, sondern nur eine deklaratori-
sche Wirkung zu . Im Einzelfall muss also geprüft wer-
den, ob zum Beispiel ein Zeichen, das nicht in der Daten-
bank vorhanden ist, ein absolutes Eintragungshindernis
darstellen kann .
Hier wird sich zeigen, inwieweit dies in der Praxis
nicht doch zu Rechtsunsicherheiten führt . Das BMJV
hat mir jedenfalls mitgeteilt, dass bei anderen absolu-
ten Eintragungshindernissen, wo keine Veröffentlichung
im Bundesgesetzblatt erfolgt, dies bisher nicht der Fall
sei . Insofern besteht zwar kein akuter Handlungsbedarf,
dennoch sollten wir diesen Punkt nicht aus den Augen
verlieren .
Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen . Das
ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des
Nichtigkeitsverfahrens in Designsachen . Sie ermöglicht
künftig die Einwilligung des Designinhabers in die Lö-
schung des eingetragenen Designs auch für Fälle absolu-
ter Nichtigkeitsgründe – zum Beispiel wenn von Anfang
an gar kein Design, also eine Farb- und Formgestaltung
von hergestellten Produkten, vorgelegen hat . Damit soll
nun auch in diesen Fällen ein Nichtigkeitsverfahren ver-
mieden oder einvernehmlich beendet werden können .
Bisher war es nur bei relativen Nichtigkeitsgründen
möglich, in eine Löschung einzuwilligen . Es verzögert
jedoch ungemein das Verfahren, wenn trotz Einverständ-
nis des Designinhabers zwingend ein Löschungsverfah-
ren durchzuführen ist . Insofern ist diese Änderung eben-
falls zu begrüßen . Sie macht das Verfahren schneller und
effektiver . Das ist gut .
Insgesamt ist der Gesetzentwurf mit seinen Rege-
lungsansätzen überzeugend – viele Verfahrensfragen vor
dem DPMA werden erleichtert . Insbesondere vollzieht
der Gesetzentwurf sinnvolle Anpassungen im Rahmen
des Löschungsverfahrens und schafft verschiedene Vo-
raussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr,
sodass meine Fraktion und ich ihm guten Gewissens zu-
stimmen können .
Christian Flisek (SPD): Gutes Design macht unser
Leben schöner! Ich würde jetzt gerne behaupten, dass wir
mit den vorgelegten Änderungen zum Designgesetz dazu
beitragen, dass es in Zukunft nur noch geschmackvolles
Design geben wird, dass unser Leben auch tatsächlich
schöner wird .
Aber das wäre natürlich zu viel der Ehre für ein sol-
ches Gesetz, und vor allem würde es nicht der Wahrheit
entsprechen . Denn – so wünschenswert es wäre – das De-
signgesetz schützt nicht gutes Design, sondern nur „De-
sign an sich“ bzw . eine bestimmte „Eigenart“ – egal ob
gut oder schlecht . Oder wie es das Deutsche Patent- und
Markenamt – das DPMA – ausdrückt: „Ein besonderes
Gestaltungsniveau ist nicht erforderlich“ . Voraussetzung
für den Schutz ist – laut Deutschem Patent- und Mar-
kenamt – vielmehr der durch das Design hervorgerufene
Gesamteindruck bei einem sogenannten „informierten
Benutzer“ .
Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass gutes Design
häufig besonders schutzwürdig ist. Nicht umsonst wer-
den hochwertige Produkte häufig mit dem Präfix wie
zum Beispiel „Design-Möbel“, „Designer-Taschen“ oder
gar „Design-Klassiker“ versehen .
Ganz besonders deutlich wird der Wert von gutem De-
sign zum Beispiel an den Produkten der früheren deut-
schen Firma „Braun“, die es so heute leider nicht mehr
gibt . Ihre Produkte genießen aber bis heute Kultstatus,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615656
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der sich alleine aus der Tatsache speist, dass es diese Fir-
ma verstand, Form und Funktion bis zu Perfektion zu ver-
binden . Sogar bis in das MOMA in New York (Museum
of Modern Art) haben es die Braun-Produkte geschafft .
Ein aktuelles Beispiel für den ökonomischen Wert
von gutem Design ist die Firma Apple, die – wie früher
Braun – eine richtige Fan-Gemeinde hat . Auch die Ap-
ple-Produkte genießen heute Kultstatus . Und das haben
wir nur dem akademischen Scheitern von Steve Jobs,
dem Gründer von Apple, zu verdanken . Hätte Jobs 1972
nicht sein Physik- und Literaturstudium geschmissen,
hätte er nach eigener Aussage nie einen Kalligrafie-Kurs
besucht . Zehn Jahre später nutzte Jobs sein Wissen über
Formen für das Design des ersten Mac und für die auf
dem Mac verfügbaren Schriftarten . Damit begann der
steile Aufstieg der Marke „Apple“ .
Viele Menschen kaufen bis heute nur teure Apple-Pro-
dukte, obwohl diese nicht mehr – aber auch nicht weni-
ger – können als viel günstigere Handys anderer Herstel-
ler . Viele Konsumenten sind bereit, für gutes Design tief
in die Tasche zu greifen . Das trifft nicht nur auf Kultmar-
ken wie Apple oder Braun zu, sondern auf nahezu jedes
bessere Produkt, das etwas auf sich hält . Ohne gutes De-
sign lässt sich kein Produkt erfolgreich verkaufen .
Aus diesem Grund ist der Schutz von Design not-
wendig, und aus diesem Grund benötigen wir auch ein
modernes Designgesetz . Und wir benötigen es dringen-
der denn je! Design wird für den Erfolg von Produkten
immer wichtiger und damit natürlich auch, dass Design
effektiv geschützt werden kann .
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung
des Designgesetzes werden wir das Designgesetz zwar
nicht revolutionieren, aber durch Verfahrensvereinfa-
chungen an entscheidender Stelle verbessern .
Insbesondere erleichtern wir den elektronischen
Rechtsverkehr, das heißt, in naher Zukunft wird eine vir-
tuelle Poststelle als sicherer Übermittlungsweg für elek-
tronische Zustellungen beim DPMA eingerichtet . Damit
werden Verfahrensabläufe modernisiert und der Bürokra-
tieaufwand erheblich reduziert . Für die Wirtschaft wer-
den Einsparungen von rund 300 000 Euro prognostiziert .
Außerdem verbessern wir das Nichtigkeitsverfahren
vor dem DPMA in Designsachen . Dadurch kann ein
Nichtigkeitsverfahren in Zukunft vermieden oder ein-
vernehmlich – mit dem Inhaber eines eingetragenen De-
signs – beendet werden .
Nicht zuletzt passen wir das deutsche Recht an die eu-
ropäische Verordnung zur Durchsetzung der Rechte des
geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und an die
europäische Verordnung über Qualitätsregelungen für
Agrarerzeugnisse und Lebensmittel an .
Ich bin mir sicher, dass wir das Designgesetz mit
diesen Änderungen ein gutes Stück modernisieren . Da
selbst die Opposition kein Haar in der Suppe findet und
sich im Ausschuss enthalten hat, kann man getrost von
einem parlamentarischen Konsens sprechen . So etwas
kommt ja auch nicht alle Tage vor .
Die Anpassung des Designgesetzes in dieser Legisla-
tur ist – neben der Modernisierung des Urheberrechts –
aber auch ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung
der Rechte am geistigen Eigentum in Deutschland .
Gutes Design ist nicht einfach . Ein gutes Designgesetz
ebenso wenig . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird
das Designgesetz weiter verbessert . Kultstatus – wie ein
Apple iPhone – wird unser Gesetz wohl nicht erlangen .
Aber das muss ja nicht sein . Es reicht, wenn wir damit –
gutes – Design mithilfe digitaler Verfahren in Zukunft
effizienter schützen können.
Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Gesetz
zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vor-
schriften des gewerblichen Rechtsschutzes – abgesehen
davon, dass der Titel des Gesetzes den durchschnittlichen
Politik-Verbraucher wahrscheinlich in eine völlig falsche
Richtung schickt, schlägt der Gesetzentwurf, über den
wir heute hier abschließend beraten und beschließen wer-
den, selbst die richtige Richtung ein .
Mit dem Gesetz vereinfachen sich vor allem die An-
meldung und die Löschung von Patenten, Verfahren
beim Deutschen Patent- und Markenamt können zügiger
und vereinfachter stattfinden, bürokratischer Aufwand
wird verringert, nicht mehr notwendige Regelungen in
einzelnen Gesetzen werden aufgehoben oder notwendi-
ge Verweise angepasst, und das Gesetz soll dabei helfen,
Kosten zu sparen . Gut so! Und da all diejenigen, die
heutzutage ein Patent anmelden wollen, in der Regel sehr
technikfreundliche und mit den Tücken und Klippen von
Internet und elektronischem Post- und Rechtsverkehr
bestens vertraute Menschen sind, wird das Gesetz ihnen
wahrscheinlich wirklich nützen . Dies ist der wichtigste
Grund, warum Die Linke dem Gesetzentwurf in der vor-
liegenden Fassung zustimmen wird .
Aber um Ihre Euphorie, verehrte Kolleginnen und
Kollegen der Koalition, über unsere Zustimmung nicht
ins Uferlose wachsen zu lassen, möchte ich wenigstens
daran erinnert haben, dass trotz aller gesetzlichen Rege-
lungen darüber, eine virtuelle Poststelle (VPS) – diesmal
die des Deutschen Patent- und Markenamtes – als einen
sicheren Übermittlungsweg für eine elektronische Zu-
stellung zu etablieren, diese Sicherheit aus unserer Sicht
nicht absolut gegeben sein wird . Alle Erfahrungen über
Datensicherheit, die wir bisher sammeln durften und
sammeln mussten, bestätigen das . Wir sollten uns dieser
Tatsache bewusst bleiben und schon mal mit der Suche
nach weiteren alternativen und sicheren Übermittlungs-
wegen beginnen, die trotzdem zügig und unbürokratisch,
einfach und kostensparend funktionieren und dabei nicht
gehackt werden können .
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
sogenannte Designgesetz soll unter anderem nationales
Recht an die EU-Verordnungen beim Kampf gegen Pro-
duktpiraterie und dem Schutz geografischer Herkunftsan-
gaben anpassen . Außerdem sollen Prozesse im Marken-
und Patentamt vereinfacht und beschleunigt werden . Um
eine elektronische Zustellung realisieren zu können, soll
die virtuelle Poststelle des Deutschen Patent- und Mar-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15657
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kenamtes (DPMA) als sicherer Übermittlungsweg für
elektronische Zustellungen etabliert werden .
Mit dem Gesetz soll also auch der elektronische
Rechtsverkehr beschleunigt werden . Dagegen ist erst
einmal nichts einzuwenden; sinnvolle Vereinfachungen
und Beschleunigungen begrüßen wir . Deutschland kann
von zügiger und vertrauenswürdiger Kommunikation
über das Internet erheblich profitieren, sowohl bei der
Verwaltung als auch bei Firmen oder bei der privaten
Kommunikation .
Die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags be-
deutet aber auch, dass wir dem Datenschutz und der
Datensicherheit immer mehr Rechnung tragen müssen;
denn gerade wenn jemand zum Beispiel seine Erfindung
patentieren lassen möchte, handelt es sich doch um ei-
nen besonders sensiblen und schützenswerten Bereich .
Deshalb muss die Kommunikation mit dem zuständigen
Patent- und Markenamt vertraulich und vor allem sicher
erfolgen . Genau das hat der Gesetzgeber aber bisher im-
mer versäumt . Ich erinnere an das Beispiel „De-Mail-Ge-
setz“ . Hier wurde eine besonders unsichere Technologie
ohne verpflichtende „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“
eingeführt und quasi per Gesetz als sicher erklärt und
damit die Datensicherheit ad absurdum geführt . Ich be-
fürchte, Ähnliches droht uns nun beim sogenannten De-
signgesetz, weswegen wir diesem Gesetz nicht zustim-
men, sondern uns enthalten .
Im Gesetz steht in Artikel 2 „Änderung des Patentge-
setzes“, Absatz 4 b – ich zitiere –: „Für die Zustellung
von elektronischen Dokumenten ist ein Übermittlungs-
weg zu verwenden, bei dem die Authentizität und Inte-
grität der Daten gewährleistet ist und der bei Nutzung
allgemein zugänglicher Netze die Vertraulichkeit der zu
übermittelnden Daten durch ein Verschlüsselungsverfah-
ren sicherstellt . Das Bundesministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz erlässt durch Rechtsverordnung,
die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nä-
here Bestimmungen über die nach Satz 1 geeigneten
Übermittlungswege sowie die Form und den Nachweis
der elektronischen Zustellung .“ Das ist nicht gerade das,
was wir Grünen uns unter Datenschutz vorstellen; denn
hier verlässt man sich mal eben auf eine nachgeordnete
Verordnung, um Datensicherheit zu gewährleisten, und
das könnte dann wieder in so einem Desaster wie dem
„De-Mail-Gesetz“ enden .
Wir können daher nur dringend an die Bundesregie-
rung appellieren: Ziehen Sie die richtigen Schlüsse aus
der jahrelangen Debatte um das „De-Mail-Gesetz“ und
der IT-Sicherheit in den letzten Jahren . Sorgen Sie da-
für, dass der elektronische Rechtsverkehr im Umgang
mit dem Deutschen Patent- und Markenamt verschlüsselt
und absolut sicher erfolgt und für die Verbraucherinnen
und Verbraucher trotzdem anwendbar ist .
Leider gehe ich aufgrund der Vergangenheit davon
aus, dass hier Skepsis angebracht ist . Wir werden daher
den Umsetzungsprozess genau beobachten und, wo nö-
tig, den Finger in die Wunde legen .
Anlage 17
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie zu der Verordnung der Bundesregierung: Ver-
ordnung zur Modernisierung des Vergaberechts
(Vergaberechtsmodernisierungsverordnung –
VergRModVO) (Tagesordnungspunkt 17)
Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Das Vergabe-
recht enthält alle Regeln und Vorschriften, die die öffent-
liche Hand bei der Beschaffung von Gütern und Leistun-
gen zu beachten hat . Mir ist durchaus bewusst, dass das
erst mal sehr trocken klingt . Was den meisten aber nicht
bewusst ist: Wir beschaffen nicht nur Papier und Büro-
stühle . Auch Weiterbildungsmaßnahmen, neue Quartiere
oder die Versorgung von Flüchtlingen unterliegen dem
Vergaberecht . Jährlich vergibt die öffentliche Hand Auf-
träge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages! Wie
hoch dieser dreistellige Milliardenbetrag genau ist, kann
bisher nur grob geschätzt werden .
Nach der Verabschiedung des Modernisierungsgeset-
zes bringen wir mit der Vergabeverordnung die Novellie-
rung des deutschen Vergaberechts zu einem erfolgreichen
Abschluss . Ich bin davon überzeugt, dass wir damit einen
substanziellen Fortschritt für eine moderne, transparente
sowie wirtschafts- und mittelstandsfreundliche Vergabe-
rechtspraxis erreichen . Außerdem geben wir den öffentli-
chen Auftraggebern in vielen Bereichen endlich Rechts-
sicherheit . Nur um ein Beispiel zu nennen: Zukünftig
können beispielsweise der Aspekt der Nachhaltigkeit und
die Qualität mehr Gewichtung erfahren; der Preis allein
ist nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium .
Wir haben mit der Novellierung des Vergaberechts
eine Strukturreform vollzogen: Ab sofort werden neben
den grundlegenden Regelungen im Gesetz die Details
des oberschwelligen Vergabeverfahrens nur noch in der
Vergabeverordnung – VgV –, der Sektorenverordnung –
SektVO –, der Verordnung über die Vergabe in den Be-
reichen Verteidigung und Sicherheit – VSVgV – sowie
in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen –
VOB/A – geregelt . Die VOL und die VOF wurden integ-
riert . Dies führt zu mehr Anwenderfreundlichkeit .
Große Teile der alten Verordnungen wurden ins Gesetz
gezogen . Da aber auch weiterhin Punkte mit politischer
Relevanz in der Vergabeverordnung geregelt werden,
haben wir uns dazu entschieden, einen Zustimmungs-
vorbehalt des Parlaments für die Verordnung im Gesetz
zu verankern . Und genau deshalb können wir heute hier
über die Vergabeverordnung diskutieren .
Die Verordnung begleitet das Gesetz und regelt wich-
tige Details . So werden zum Beispiel bei der Vergabe
von Arbeitsmarktdienstleistungen und Qualifizierungs-
maßnahmen Qualitätskriterien genauer definiert. Erfreu-
licherweise bringt die Verordnung in diesem Bereich eine
gute Ergänzung der Bewertungskriterien . Als frühere
Bildungssenatorin begrüße ich dies sehr .
Ein anderer aus meiner Sicht großer Fortschritt ist –
vor allem auch für die Weiterentwicklung des Verga-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615658
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berechts – die Statistikverordnung . Selbstverständlich
bedeutet dies einen gewissen Aufwand für die Auftrag-
geber, jedoch bekommen wir so zum ersten Mal tragfä-
hige Daten über die Anzahl und das Volumen von Ver-
gaben in Deutschland . Bisher haben wir diese ja nicht,
wie eingangs erwähnt . Wir schätzen, dass jedes Jahr ein
dreistelliger Milliardenbetrag vergeben wird . Aber ob
es jetzt 200, 300 oder 400 Milliarden sind, weiß keiner .
Durch die Statistikverordnung wird zukünftig auch im
unterschwelligen Bereich ab 25 000 Euro gemeldet wer-
den müssen .
Ich möchte noch einmal auch in dieser Debatte beto-
nen, dass wir zwar mit der Novellierung viele strukturelle
Änderungen beschließen, jedoch die Systematik des Ver-
gaberechts nicht grundlegend verändern . Denn auch das
Kaskadensystem bleibt in Teilen bestehen . Zwar haben
wir manches ins Gesetz und manches in die hier vorlie-
gende Verordnung gezogen, aber bei Bauleistungen wer-
den auch weiterhin wesentliche Details in der VOB, der
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, gere-
gelt . Dies bedeutet nach meiner Auffassung einen Bruch
in der Systematik, den wir bei der nächsten Novellierung
des Vergaberechts beseitigen sollten .
Das hier heute abschließend zu beratende Gesetzes-
werk beschränkt sich ausschließlich auf die Vergaben
im sogenannten Oberschwellenbereich, die meisten Ver-
gaben finden aber im Unterschwellenbereich statt. Und
auch dort brauchen wir Veränderungen .
Lassen Sie mich deshalb in Anlehnung an Marcus
Porcius Cato den Älteren, der seine Reden vor dem rö-
mischen Senat immer mit dem gleichen Satz beendete –
Ceterum censeo Crathaginem delendam esse –, weil es
ihm ein Anliegen war, auch meine letzte Rede im Zu-
sammenhang des Modernisierungsprozess des deutschen
Vergaberechts wie immer mit meinem Appell an die
Länder schließen, sich im Interesse vor allem der klei-
nen und mittleren Unternehmen auf eine Angleichung
der 15 Ländervergabegesetze zu verständigen . Die Un-
ternehmen werden es ihnen danken . Dies müsste den
Ländern ja umso leichter fallen, als sie in das bisherige
Verfahren zur Modernisierung des Bundesrechts intensiv
eingebunden waren . Der sich abzeichnende Trend zur
elektronischen Vergabe in allen Ländern könnte hierfür
ein geeigneter Anlass sein .
Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Mit der heutigen
Debatte über die Verordnung zur Modernisierung des
Vergaberechts schließen wir die parlamentarischen Bera-
tungen zur Reform des Vergaberechts ab . Diese Debatte
können wir dank des sogenannten Parlamentsvorbehalts
führen, den wir im Vergaberechtsmodernisierungsgesetz
verankert haben .
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung
des Vergaberechts im vergangenen November war die
erste Etappe auf dem Weg zu einem effizienteren, an-
wenderfreundlicheren und flexibleren Vergaberecht. Mit
der heute zur Beratung stehenden Verordnung führen wir
die Reform des Vergaberechts konsequent zu Ende . Ich
denke, wir haben viel erreicht .
Wir sorgen für ein mittelstandsfreundlicheres Verga-
berecht . Der Zugang zu Ausschreibungen wird für klei-
nere Wettbewerber noch weiter erleichtert .
Wir haben die komplexe Rechtsstruktur des Vergabe-
rechts verschlankt, indem wir die Vergabeordnungen für
Leistungen und freiberufliche Leistungen in die Vergabe-
verordnung integriert haben .
Um den spezifischen Anforderungen für Planungs-
leistungen der Architekten und Ingenieure Rechnung zu
tragen, gibt es für sie zusätzliche Regelungen . Ebenso für
soziale und andere besondere Dienstleistungen .
Von besonderem Interesse für Architekten und In-
genieure ist die Frage der Auftragswertberechnung bei
Planungsleistungen (in § 3 Absatz 7 VgV) . Hier ist es
uns dank unseres Mitspracherechts schon im Vorfeld ge-
lungen, eine mittelstandsfreundliche Lösung zu erzielen .
Die Auftragswertberechnung sollte nämlich zunächst
unter Berücksichtigung eines sogenannten funktionalen
Zusammenhangs erfolgen . Dies hätte bedeutet, dass der
Gesamtwert der auf ein Projekt bezogenen, aber teils sehr
unterschiedlichen Planungsleistungen im Rahmen der
Auftragswertermittlung hätte zusammengerechnet wer-
den müssen . Die Folge wäre gewesen, dass der maßgeb-
liche EU-Schwellenwert bereits bei kleineren Projekten
erreicht würde und eine europaweite Projektausschrei-
bung erfolgen müsste .
Mit der jetzigen Formulierung halten wir an der bisher
geltenden Regelung zur Auftragswertberechnung fest . Es
wird klargestellt, dass nur die Werte gleichartiger Pla-
nungsleistungen zusammenzurechnen sind . Maßgeblich
für die Gleichartigkeit ist ihre wirtschaftliche oder tech-
nische Funktion .
Die Beteiligung kleinerer und mittlerer Büros bei der
Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen haben
wir zentral in der Verordnung verankert (§ 75 Absatz 4) .
Wenn die Aufgabenstellung dafür geeignet ist, müssen
Eignungskriterien so bestimmt werden, dass kleinere
Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen
können . Damit stellen wir sicher, dass kleine und mittlere
Büros nicht durch zu große Anforderungen faktisch von
der Vergabe ausgeschlossen werden .
Wir stärken das Instrument des Planungswettbewerbs
(§§ 78 bis 80 VgV): Planungswettbewerbe dienen der
Förderung der Baukultur und sind insbesondere für klei-
ne und „junge“ Planungsbüros eine gute Möglichkeit, ihr
Kreativpotenzial zu entfalten . Die Vergabeverordnung
hebt die Bedeutung von Planungswettbewerben expli-
zit hervor und geht damit über die EU-Vorgaben hinaus .
Öffentliche Auftraggeber müssen bei Ausschreibun-
gen in der Stadt- und Freiraumplanung nun prüfen, ob
ein Planungswettbewerb durchgeführt werden soll; ihre
Entscheidung müssen sie dokumentieren . Dies geht über
das bisher geltende Recht hinaus und wird künftig einen
Anreiz geben, verstärkt Planungswettbewerbe durchzu-
führen .
Ich weiß, dass es teilweise Wünsche gegeben hat, die
wir nicht erfüllen konnten . Dazu muss ich sagen, dass
uns die europäischen Vorgaben keinen Spielraum gelas-
sen haben . Das betrifft zum Beispiel die Mindestfristen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15659
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für die Interessenbekundungen oder die Referenzzeiträu-
me bei den Eignungsnachweisen .
Ich denke aber, dass wir insgesamt nun ein gut hand-
habbares Vergaberecht vorliegen haben . Es gibt den öf-
fentlichen Auftraggebern ein hohes Maß an Spielräumen,
das geeignete Verfahren für die jeweilige Aufgabenstel-
lung zu wählen . Gleichzeitig haben wir an vielen Stellen
dafür gesorgt, dass der Zugang auch junger oder kleiner
Bieterbüros gewährleistet wird .
Ich möchte betonen, dass es nun in der Hand der Auf-
traggeber liegt, dieses flexible Rechtsinstrument mit Le-
ben zu füllen . Ob die Spielräume des Vergaberechts gut
genutzt werden, liegt auch an der Güte der Leistungsbe-
schreibungen, an der Wahl der Eignungskriterien, also
generell an der Gestaltung des Vergabeverfahrens .
Wir haben uns bewusst zurückgehalten, hier allzu
starre Vorgaben zu machen . Umso mehr möchte ich nun
an die ständischen Berufsorganisationen appellieren, im
Zusammenspiel mit den Auftraggebern, den Kommunen,
dafür zu sorgen, dass die Vergabeverfahren zweckmäßig
ausgestaltet werden .
Dr. Matthias Bartke (SPD): Wir haben in das Gesetz
zur Modernisierung des Vergaberechts einen Parlaments-
vorbehalt eingefügt . Damit können wir die vorliegende
Vergabeverordnung ändern oder ablehnen .
Aber als Sozialpolitiker sage ich Ihnen: Aus arbeits-
markt- und sozialpolitischer Sicht besteht dazu keinerlei
Anlass! Denn die neue Verordnung ist ein großer Erfolg .
Wir haben schon das neue Vergabegesetz intensivst
vorbereitet und beraten . Ich selber habe unter anderem
ein Regionales Einkaufszentrum der Bundesagentur für
Arbeit besucht, um mich über die Vergabepraxis zu infor-
mieren . Wir haben uns von Problemen und Befürchtun-
gen berichten lassen und Lösungsvorschläge diskutiert .
Das Resultat sind ein komplett reformiertes und weg-
weisendes Vergabegesetz und eine ebensolche Verord-
nung . Soziale Aspekte werden künftig bei der Vergabe
verstärkt berücksichtigt . Vergaberecht ist künftig nicht
mehr nur klassisches Wirtschaftsrecht, sondern auch ar-
beitsmarkt- und sozialpolitisches Umsetzungsrecht .
Ein Schwerpunkt der Vergaberechtsnovelle liegt in
dem neuen Sonderregime für soziale und andere be-
sondere Dienstleistungen . Hier geht es vor allem um
Arbeitsmarktdienstleistungen, für die wir deutliche Ver-
besserungen durchgesetzt haben . Dort werden zukünftig
Rahmenvereinbarungen mit Laufzeiten von bis zu sechs
Jahren mit weiterer Verlängerungsoption möglich sein .
Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits angekündigt,
dass sie verstärkt längerfristige Rahmenverträge mit
breiterer Produktpalette abschließen wird . Das bietet gro-
ße Vorteile für die Träger: Sie gewinnen deutlich mehr
Planungssicherheit, und sie haben weniger Aufwand
durch kleinteilige Vergabeverfahren . Noch viel wichtiger
ist aber die Qualität . Arbeitsmarktdienstleistungen lassen
sich nämlich nicht allein über den Preis bestimmen . Hier
treffen ganz verschiedene Menschen mit ganz verschie-
denen Bedürfnissen aufeinander . Darauf muss die Quali-
tät der Dienstleistung abgestimmt sein .
Es ist daher genau richtig, die Gewichtung der Quali-
tät zukünftig nicht mehr auf 25 Prozent zu beschränken .
Im Vergleich zum Referentenentwurf haben wir konkre-
te Qualitätskriterien durchgesetzt . Die Verordnung stellt
nun klar, dass über die Integrationsquoten hinaus auch
Abbruchquoten, Bildungsabschlüsse und die Zufrieden-
heit des Auftraggebers in die Bewertung einfließen kön-
nen . So vermeiden wir auch eine Bestenauslese bei den
Teilnehmenden, den sogenannten Creaming-Effekt .
Wir haben den positiven Rahmen für das Vergaberecht
gesetzt . Nun muss die Bundesagentur für Arbeit diesen
mit Leben füllen . Ich habe keinen Zweifel, dass sie das
tun wird .
Herr Keck von der Bundesagentur für Arbeit hat bei
der Anhörung letzte Woche gesagt: Das ist aus unserer
Sicht der richtige Weg, hier in die Arbeitsmarktdienst-
leistungen mehr Qualität hineinzubringen . – Dem ist
nichts hinzuzufügen!
Marcus Held (SPD): Heute behandeln wir abschlie-
ßend die Verordnung zur Modernisierung des Vergabe-
rechts .
Bereits Ende Dezember haben wir hier im Deutschen
Bundestag das Vergaberecht beschlossen . Die weiteren
parlamentarischen Beratungen zur Vergabeverordnung
waren nötig, weil wir uns in der Koalition darauf ver-
ständigt haben, dass es zu der Verordnung einen Parla-
mentsvorbehalt geben soll . Deswegen gab es auch noch
einmal eine öffentliche Anhörung, bei der alle Argumen-
te vonseiten der Architektenverbände, Industrieverbän-
de, Sozialverbände und Umweltverbände ausgetauscht
werden konnten .
Es kann nun keiner behaupten, dass die Modernisie-
rung des Vergabegesetzes nicht gründlich vorgenommen
wurde . Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, viele
Gespräche geführt und gründlich abgewogen . Meiner
Meinung nach ist das Gesetz nicht nur äußerst gelungen,
sondern es ist auch Vorbild und Anreiz für die Bundes-
länder, ebenfalls ihre Vergabegesetze zu modernisieren .
Die Verordnung zur Modernisierung des Vergabe-
rechts regelt übersichtlich und leicht handhabbar die
Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen .
Für Unternehmen ebenso wie für die öffentliche Hand
und Kommunen wird es zukünftig einfacher und unbüro-
kratischer werden, die für sie einschlägigen Vorschriften
genau zu ermitteln und anzuwenden .
So hatten wir es vorgehabt, so haben wir es auch
umgesetzt . Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben un-
ser Versprechen gehalten, das Vergaberecht anwender-
freundlicher, unbürokratischer und einfacher zu machen .
Besonders stolz bin ich darauf, dass wir im Gesetz, das
im Dezember beschlossen wurde, den Personalübergang
beim Schienenpersonennahverkehr sichergestellt haben .
Damit müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
diesem Sektor keine Angst mehr vor dem Verlust ihres
Arbeitsplatzes haben, nur weil ein neuer, möglicherweise
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615660
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privater Anbieter eine Strecke übernimmt . Wir durchbre-
chen somit Sozialdumping durch diese wichtige neue Re-
gelung im Vergaberecht .
Die Kriterien für Vergaben liegen uns durch Gesetz
und Verordnung ohnehin sehr stark am Herzen . Deshalb
freuen wir uns, allen Vergabestellen für die Zukunft er-
möglicht zu haben, soziale und ökologische Aspekte zum
Vergabekriterium zu machen .
Und wer nach diesen Tatsachen immer noch der Mei-
nung sein sollte, das neue Vergaberecht sei nicht sozial
genug, den möchte ich auf § 36 der heute zu beschlie-
ßenden Verordnung hinweisen . Denn hier kann künftig
der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntma-
chung das Unternehmen auffordern, bei Angebotsabgabe
nicht nur die Teile des Auftrages, die im Wege der Un-
terauftragsvergabe an Dritte vergeben werden sollen, zu
benennen, sondern auch das beabsichtigte Unternehmen
anzugeben . Gleichsam ist es möglich, dass der Nachweis
erbracht wird, dass dieser Unterauftragsnehmer auch die
nötigen sozialen Kriterien erfüllt .
Wichtig war uns in der Diskussion des Weiteren, dass
gerade soziale Dienstleistungen mit einem hohen Qua-
litätsniveau versehen werden können . Dies regelt in der
Verordnung nun ganz explizit der § 65, indem er öffent-
lichen Auftraggebern bereits verschiedene Vergabever-
fahren ermöglicht, die zu einem viel engeren Kontakt
zwischen Auftraggebern und dem künftigen Beauftrag-
ten führen . Hier wollen wir in den kommenden Jahren
ganz genau hinschauen und prüfen, ob gerade die großen
Auftraggeber, die im Eigentum des Bundes stehen, diese
Möglichkeiten der Qualitätssicherung auch nutzen .
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich nun an die
Länder appellieren, ihr jeweils geltendes Vergaberecht
ebenfalls zu modernisieren und unseren Regelungen in
Gesetz und Verordnung möglichst schnell anzupassen,
nicht zuletzt deshalb, weil dies zu einer Vereinfachung
für die Bieter und damit für die Wirtschaft wird .
Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch danken:
nicht nur meinen beiden Berichterstatterkolleginnen von
der Union für die gute Zusammenarbeit, sondern auch
den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im
Bundeswirtschaftsministerium, zu guter Letzt auch mei-
nen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundes-
tagsfraktion für ihre Anregungen und unserem Bundes-
wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sich für diese
mittelstandsfreundliche Modernisierung starkgemacht
hat .
Jutta Krellmann (DIE LINKE): Was hat das Verga-
bemodernisierungsgesetz samt Verordnung mit den Men-
schen in diesem Land zu tun? Der Staat vergibt Aufträge
in Höhe von 400 Milliarden Euro, und viele Menschen
könnten da gute Arbeit finden. Die vorliegende Verord-
nung verbessert nun, was im Gesetz von der Bundes-
regierung noch verpennt wurde . So könnte ein erster
Schritt zu einer fairen öffentlichen Auftragsvergabe mög-
lich sein . Selbst die EU hat dazu Spielräume eröffnet, um
die öffentliche Auftragsvergabe unter anderem nach so-
zialen Kriterien zu gestalten . Und Deutschland hat das
nicht genutzt .
Leider fehlen in der vorliegenden Verordnung Rege-
lungen, die möglich und wichtig gewesen wären . Jetzt
müssen Sie hier alle ganz tapfer sein, denn ich erkläre
Ihnen das jetzt ganz kurz anhand von sechs Beispielen .
Erstens: Es geht um einen fairen Wettbewerb, und
der findet nicht über den Preis, sondern über die Quali-
tät statt . Das heißt, soziale Standards müssen zwingend
berücksichtigt werden . Nur so entsteht Wettbewerb ohne
Lohndumping . Wir fordern eine „Muss“- statt einer
„Kann“-Regelung
Zweitens: Öffentliche Aufträge dürfen nur an tarif-
gebundene Unternehmen vergeben werden . Das allein
stärkt die Tarifautonomie .
Drittens: Auch Subunternehmer müssen die Kriterien
der Auftragsvergabe einhalten . Das fehlt ebenfalls in der
Verordnung .
Viertens: Alle Subunternehmen müssen selbstver-
ständlich dem öffentlichen Auftraggeber genannt wer-
den, und nicht nur „wenn zumutbar“, so wie es in der
Verordnung steht .
Da komme ich auch direkt zu Fünftens: Dieses ganze
„Sub-Sub-Sub-Unternehmertum“ muss auf eine über-
schaubare Anzahl von Ebenen begrenzt werden . So ma-
chen es beispielsweise längst die Spanier . Grenze liegt
bei vier Subunternehmer-Ebenen . Warum geht das nicht
auch in Deutschland?
Jetzt haben Sie so lange durchgehalten, und jetzt kom-
me ich auch schon zu Sechstens: Bei sozialen Dienstleis-
tungen, wie zum Beispiel der Alten- oder Krankenpflege,
muss die Weitergabe an Subunternehmer grundsätzlich
verboten werden . Hier muss der Auftraggeber die direkte
Kontrolle über die Leistung behalten .
Und für all das braucht es selbstverständlich wirksa-
me Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten . Davon steht
nichts in der Verordnung . Ich rede hier von Vertragsstra-
fen . Bis zur fristlosen Kündigung des Auftrags muss bei
Verstößen alles möglich sein .
Aber alles in allem – das gebe ich zu – gibt es in der
Verordnung schon eine kleine Verbesserung gegenüber
dem Gesetz . Aus diesem Grund wird sich die Linke bei
der Abstimmung enthalten .
Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Kurz vor Weihnachten haben wir hier im Bundestag Ihr
Gesetz zur Vergaberechtsreform debattiert . Wir hatten an
Ihrem Gesetzentwurf einiges auszusetzen und haben Sie
dafür kritisiert, dass Sie die sehr gelungene Vorlage der
Europäischen Union so unentschlossen umgesetzt haben .
In einem Punkt waren wir uns aber einig: Weil in die-
ser Verordnung so viele wichtige Fragen für die Vergabe
geregelt werden, müssen wir uns die Verordnung genau-
so wie das Gesetz ansehen und darüber am Ende auch
abstimmen . Hier waren wir einer Meinung, und es ist gut,
dass der Bundestag sich in den Ausschüssen und im Rah-
men einer Anhörung mit dieser Verordnung befasst hat .
Allerdings haben wir mit diesem Verfahren natürlich
auch die Hoffnung verbunden, dass Sie dem Gesetz mit
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15661
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der Verordnung zumindest eine präzisere und passendere
Ausgestaltung geben und auf die Kritikpunkte eingehen,
die von vielen Gruppen an Sie herangetragen wurden .
Denn schon im Gesetzgebungsverfahren gab es deut-
liche und fundierte Kritik an Ihrer Umsetzung . Diese
Kritik hat sich nun anhand der Vergabeverordnung – ich
muss wirklich sagen: leider! – beinahe deckungsgleich
wiederholt .
Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss in der letzten
Woche war in einigen Teilen ein echtes Déjà-vu . Dort
trugen Vertreter von Gewerkschaften, der freien Wohl-
fahrt und der Sozialverbände und Experten für Entwick-
lungszusammenarbeit viele der Kritikpunkte vor, die sie
bereits in der Anhörung zum Gesetz genannt hatten .
Und genau wie beim Gesetz hat die Bundesregierung
auch hier viele der wichtigen und sinnvollen Hinweise
und Vorschläge einfach in den Wind geschlagen:
– Es ist unverständlich, wenn Sie auf der der einen
Seite eine Eins-zu-eins Umsetzung der EU-Richtlinien
ankündigen, dann aber wichtige Bausteine ignorieren .
So sieht die Richtlinie zum Beispiel vor, dass die Qua-
lität von Leistungen im sozialen Bereich besonders gesi-
chert werden muss . Qualität ist der entscheidende Faktor,
wenn es um Dienstleistungen am Menschen geht – in
Ihrem Gesetz und in Ihrer Verordnung finden wir dazu
aber nichts .
– Die richtigen und überfälligen Ansätze der EU-Richt-
linie, mehr Transparenz in die Lieferketten in der Verga-
be zu bringen, schwächen Sie mit Ihrer Verordnung . Sie
stellen das Angeben von Informationen über Unterauf-
tragnehmer unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit . Damit
lassen Sie zu, dass weniger, nicht mehr Transparenz ge-
schaffen wird . Das ist ein Schritt in die falsche Richtung .
– Die Regeln zum Umgang mit Gütezeichen, die Sie
erarbeitet haben, sind geeignet, etablierte und gerade für
die Verbesserung der humanitären Situation in Entwick-
lungsländern wichtige Gütezeichen wie das Fair- Trade-
Siegel in ihrer Bedeutung einzuschränken und zu schwä-
chen . Auch das ist das Gegenteil von dem, was eigentlich
nötig wäre .
Die Vorlagen der EU waren wirklich gut . Was Sie
daraus gemacht haben, ist einfach zu wenig . Ja, es gibt
gute Ansätze . Aber angesichts der großen Bedeutung,
die die Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe für die
Art und Weise unseres Wirtschaftens haben, reicht das
nicht . Auch mit Ihrer Verordnung vergeben Sie eine gro-
ße Chance, und das werden wir nicht mittragen .
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung:
– der Beschlussempfehlung und des Berichts des
Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung zu dem Antrag der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD: UN-Ziele für
nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda konse-
quent umsetzen
– des Antrags der Abgeordneten Claudia Roth
(Augsburg), Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltige Ent-
wicklungsziele in Deutschland konsequent um-
setzen
(Tagesordnungspunkt 18 a und b)
Stefan Rebmann (SPD): 2015 war ein Jahr zahlrei-
cher Konferenzen, die für uns Entwicklungspolitiker von
großer Bedeutung waren – Elmau Addis Abeba, New
York, Paris –, und ich finde, im Großen und Ganzen kann
man mit ein paar Abstrichen schon sagen: Es waren er-
folgreiche Konferenzen und Gipfel .
Die Entwicklungspolitik kommt ja – auch wegen der
aktuellen Situation und der enormen weltweiten Flucht-
und Wanderungsbewegungen – immer mehr in den öf-
fentlichen und vor allem politischen Fokus . Nun sind die
großen Gipfel aber vorbei; jetzt geht es darum, das Er-
reichte auch umzusetzen .
Dazu brauchen wir das langfristige Engagement vieler
Akteure und aller Politikbereiche und Ressorts, denn die
SDGs beinhalten einen ganzen Katalog an Arbeitsaufträ-
gen – für uns alle .
Und im Gegensatz zu den MDGs, den Millenniums-
zielen, gelten die UN-Nachhaltigkeitsziele, die SDGs,
für alle Staaten gleichermaßen, egal ob es sich um Ent-
wicklungs- oder Industrieländer handelt .
Mit den neuen Nachhaltigkeitszielen verabschieden
wir uns also von der klassischen Geber-Nehmer-Struktur .
Es ist die Abkehr von der Annahme, dass sich die soge-
nannten Entwicklungsländer – die Länder des Globalen
Südens – zwangsweise nach dem Vorbild der Industrie-
nationen entwickeln müssen .
Die SDGs haben eine wesentliche Eigenschaft: Sie
umfassen alle Lebens- und Politikbereiche .
Und das bedeutet auch:
Erstens . Wir müssen auch vor unserer eigenen Haustü-
re kehren; auch wir sind Entwicklungsland .
Zweitens. Entwicklungszusammenarbeit findet in Zu-
kunft auf Augenhöhe statt .
Drittens . Es bedarf eines hohen Maßes an Kohärenz
und Kommunikationsbereitschaft zwischen den ver-
schiedenen Politikbereichen und den handelnden Akteu-
ren – und das ist, glaube ich, eine enorme kommunikati-
ve Herausforderung und leichter gesagt als getan .
Bei aller – zum Teil ja auch berechtigter – Kritik an
den SDGs kann nicht geleugnet werden: Die SDGs stel-
len einen Paradigmenwechsel innerhalb der Entwick-
lungszusammenarbeit dar, und der ist auch bitter nötig .
In einer zunehmend globalisierten Welt hängt alles mit
allem zusammen .
Das gilt für den Klimaschutz wie für Krankheiten und
Seuchen, die nicht an Grenzen haltmachen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 201615662
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Und deshalb ist es auch notwendig, dass wir das SDG
Gesundheit und das Ziel, Aids, Tuberkulose und Malaria
bis 2030 endgültig zu besiegen, ernsthaft angehen . Es ist
möglich; dazu müssen wir aber jetzt und nicht morgen
oder übermorgen investieren, und wir dürfen es nicht
zulassen, dass Krieg und Fluchtbewegungen zum Pull-
faktor für diese Krankheiten werden . Deshalb müssen
wir jetzt die Ressourcen zur Verfügung stellen, wenn es
darum geht, in den Aufnahmeländern rund um Syrien
die entsprechenden Strukturen, zum Beispiel durch den
GFATM, zu schaffen . Auch das ist konsequente Umset-
zung der SDGs .
Alles hängt mit allem zusammen . Das gilt für ver-
fehlte Städtebau- und Kommunalpolitiken, für verfehlte
Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik in vielen Staaten .
Das gilt für das Auseinanderdriften von Arm und Reich,
für die wachsende Zahl der Armen, der Arbeitslosen, der
von der Gesellschaft abgehängten, verstoßenen, ungebil-
deten, perspektivlosen und verzweifelten Menschen, die
dann oftmals als Rekrutierungszielgruppen im Fokus von
allen möglichen wirren Gruppierungen, wie „Angst für
Deutschland“, AfD, Extremisten und Rattenfängern die-
ser Welt bis hin zum IS stehen .
Das gilt für unser Konsumverhalten und die Gier
nach immer günstigeren Produkten, die Unternehmen
dazu verleiten, zu menschenunwürdigen Arbeitsbedin-
gungen zu produzieren, und damit zu Ausbeutung von
Menschen und nicht selten auch von Kindern führt . Wir
können nicht von menschenunwürdiger Arbeit profitie-
ren und gleichzeitig abfällig von Wirtschaftsflüchtlingen
sprechen und uns wundern, wenn sich Menschen auf den
Weg machen .
Die Liste der Wechselwirkungen könnte ich fortfüh-
ren – nur helfen würde es niemandem . Fragen wir lieber:
Was können wir, was kann Deutschland tun? – Ich finde,
eine ganze Menge!
Deutschland muss die Leitprinzipien der Vereinten
Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte ehrgeizig
in nationales Recht umsetzen . Mit unserem NAP sind wir
unter Beteiligung vieler Ressorts gerade dabei, Regeln zu
schaffen . Aus meiner Sicht müssen das übrigens Regeln
sein, die aus einem intelligenten Mix aus freiwilligen und
sanktionierbaren verbindlichen Regeln bestehen, die die
Unternehmen in die Pflicht nehmen, die Menschenrechte
entlang ihrer gesamten Lieferkette zu wahren . Ich hoffe,
wir schaffen das, auch wenn ich hin und wieder geneigt
bin, dem Eindruck nachzugeben, dass in der einen oder
anderen Ministeriumsamtsstube verbindliche Regeln als
Todsünde und Teufelszeug betrachtet und entsprechend
bekämpft werden .
Deutschland muss die SDGs konsequent umsetzen,
anwenden, und wir müssen Fehlentwicklungen nicht als
Niederlagen begreifen, sondern als Lernprozess verste-
hen, Fehler erkennen und korrigieren .
Wir müssen uns auch mit dem Thema Steuerflucht
auseinandersetzen. Steuerflucht und Steuervermeidung
sind nicht nur hier bei uns ein großes Problem, son-
dern es ist auch ein riesiges Entwicklungshemmnis .
Den Entwicklungsländern gehen dadurch jährlich min-
destens 100 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen
verloren – Mittel, die für eine nachhaltige Entwicklung
dringend notwendig sind . Deshalb müssen wir Steuer-
flucht und Steuervermeidungsmodelle bei uns und in den
EZ-Ländern bekämpfen . Ich meine, das ist eine reizvolle
Aufgabe als angewendete SDG-Politik, nicht nur für Ent-
wicklungspolitiker, sondern auch und gerade für Finanz-
politiker, denn alles hängt mit allem zusammen .
Lassen Sie uns gemeinsam die SDGs umsetzen! All
jenen, die wieder mit Unkenrufen um die Ecke kommen,
alles schlechtreden, jetzt schon wissen, was alles falsch
ist, und sagen: „Wo kommen wir da denn hin, wenn wir
das so und so machen?“, sage ich: Ja, genau! Wo kommen
wir da hin, wenn jeder nur sagen würde: „Wo kommen
wir da hin?“, ohne dass einer ginge, um nachzusehen, wo
wir denn hinkönnen? Wo kommen wir denn da hin?!
Anlage 19
Neudruck: Antwort
des Parl . Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Fra-
ge des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE)
(Drucksache 18/7603, Frage 10):
Sieht sich die Bundesregierung als Gesellschafterin der
Flughafen Berlin Brandenburg GmbH veranlasst, aufgrund
der Feststellungen bezüglich des Verfahrens der Prüfung der
Organhaftung (Abschnitt F) in der Mitteilung des Landesrech-
nungshofes Brandenburg über die „Prüfung der Betätigung
des Landes Brandenburg als Gesellschafter der FBB GmbH
im Zusammenhang mit den Kostensteigerungen und Verzöge-
rungen beim Bau des Flughafens BER“ eine erneute Prüfung
der Organhaftung vorzunehmen, und wird sie diesbezüglich
gegenüber den Mitgesellschaftern, den Ländern Berlin und
Brandenburg, Initiative ergreifen?
Die Bundesregierung sieht sich nicht zu einer erneuten
Prüfung der Organhaftung veranlasst . Die an der Flugha-
fen Berlin Brandenburg GmbH beteiligten Gebietskör-
perschaften unterliegen jeweils einer eigenen Finanzkon-
trolle durch ihre Rechnungshöfe . Für die Finanzkontrolle
der Bundesregierung ist der Bundesrechnungshof zustän-
dig . Der Bundesrechnungshof hat die Haftungsprüfung
nicht beanstandet .
(157 . Sitzung, Anlage 7)
Anlage 20
Neudruck: Antwort
der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf
die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LIN-
KE) (Drucksache 18/7603, Frage 13):
Welche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem 30 . Jah-
restag der atomaren Katastrophe von Tschernobyl finden im
Jahr 2016 unter Mitwirkung oder Unterstützung der Bundes-
regierung statt (bitte die einzelnen Aktivitäten und das jeweils
zuständige Bundesministerium nennen), und welche weiteren
Aktivitäten mit deutscher Beteiligung sind der Bundesregie-
rung darüber hinaus bekannt?
In Zusammenhang mit dem 30 . Jahrestag der Reaktor-
katastrophe von Tschernobyl plant das Bundesministeri-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 158 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 25 . Februar 2016 15663
(A) (C)
(B) (D)
um für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
im Jahr 2016 folgende Aktivitäten, die sich in das 30-jäh-
rige Jubiläum des Bundesministeriums für Umwelt, Na-
turschutz, Bau und Reaktorsicherheit einreihen:
– Reise der Bundesministerin für Umwelt, Natur-
schutz, Bau und Reaktorsicherheit nach Tscherno-
byl vom 20 . bis zum 22 . März 2016,
– Öffentliche Fachkonferenz „Den Atomausstieg
vollenden – 30 Jahre nach Tschernobyl“ am 6 . Ap-
ril 2016,
– Magazin „30 Jahre nach Tschernobyl“, Veröf-
fentlichung als Zeitungsbeilage im April des Jah-
res 2016 .
(157 . Sitzung, Anlage 8)
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
158. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3 Einführung beschleunigter Asylverfahren
TOP 4 Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse
TOP 5 Integrationspolitik
TOP 25, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 26 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
TOP 6 Intelligente Mobilität im Verkehrssektor
TOP 7 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
TOP 8 Befristungen im öffentlichen Dienst
TOP 9 Europäisches Einlagenversicherungssystems
TOP 10 Gedenken an den Völkermord an den Armeniern
TOP 11 Umsetzung der Richtlinie zu Zahlungskonten
TOP 12 Bahnhofsprojekt Stuttgart 21
TOP 13 Änderung des Bundesstatistikgesetzes
TOP 14 Private Altersvorsorge
TOP 15 Änderung des Designgesetzes
TOP 16 Medizinische Versorgung für Geflüchtete
TOP 17 Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts
TOP 18 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda
ZP 3 Änderung des Düngegesetzes
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20